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5. Auflage
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III
Handbuch
Mergers & Acquisitions
Planung, Durchführung, Integration
Verfasst von
Bernd Bäzner (Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft)
Dr. Eric Bartels (Syngenta International AG)
Dr. Helmut Bergmann (Freshfields Bruckhaus Deringer)
Christian Bindl (Siemens AG)
Dr. Clemens Brugger (Blue Corporate Finance AG)
Dr. Stephan Bühler (Siemens AG)
Dr. Sabine Cosack (LANXESS Deutschland GmbH)
Prof. Dr. Stephan Eilers, LL.M. (Tax) (Freshfields Bruckhaus Deringer)
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gausemeier (Heinz Nixdorf Institut, Universität Paderborn)
Dr. Gunnar Grass (Department of Finance, HEC Montréal)
Prof. Ulrich Hommel, PhD. (EBS Universität für Wirtschaft und Recht)
Prof. Dr. Stephan A. Jansen (Zeppelin University)
Prof. Dr. Günter Müller-Stewens (University of St. Gallen)
Dr. Rahild Neuburger (Ludwig-Maximilians-Universität)
Dipl.-Wirt.-Ing. Tomas Pfänder (UNITY AG)
Prof. Dr. Dres. h.c. Arnold Picot (Ludwig-Maximilians-Universität)
Prof. Dr. Gerhard Picot (PICOT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)
Moritz A. Picot (Ernst & Young Corporate Finance Beratung GmbH)
Tobias Prokesch, MSc. (EBS Universität für Wirtschaft und Recht)
Dr. Alexander Schwahn, LL.M. (Freshfields Bruckhaus Deringer)
Dr. Christian Timmreck (Ernst & Young Corporate Finance Beratung GmbH)
Dr. Gerd Wirtz (face to face GmbH)
2012
Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart
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IV
Herausgeber
Prof. Dr. Gerhard Picot
Verfasser
Bernd Bäzner (Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft), Dr. Eric Bartels
(Syngenta International AG), Dr. Helmut Bergmann (Freshfields Bruckhaus Deringer),
Christian Bindl (Siemens AG), Dr. Clemens Brugger (Blue Corporate Finance AG), Dr. Ste-
phan Bühler (Siemens AG), Dr. Sabine Cosack (LANXESS Deutschland GmbH), Prof.
Dr. Stephan Eilers, LL.M. (Tax) (Freshfields Bruckhaus Deringer), Prof. Dr.-Ing. Jürgen
Gausemeier (Heinz Nixdorf Institut, Universität Paderborn), Dr. Gunnar Grass (Depart-
ment of Finance, HEC Montréal), Prof. Ulrich Hommel, PhD. (EBS Universität für Wirt-
schaft und Recht), Prof. Dr. Stephan A. Jansen (Zeppelin University), Prof. Dr. Günter
Müller-Stewens (University of St. Gallen), Dr. Rahild Neuburger (Ludwig-Maximilians-
Universität), Dipl.-Wirt.-Ing. Tomas Pfänder (UNITY AG), Prof. Dr. Dres. h.c. Arnold Picot
(Ludwig-Maximilians-Universität), Prof. Dr. Gerhard Picot (PICOT Rechtsanwaltsgesell-
schaft mbH), Moritz A. Picot (Ernst & Young Corporate Finance Beratung GmbH), Tobias
Prokesch, MSc. (EBS Universität für Wirtschaft und Recht), Dr. Alexander Schwahn, LL.M.
(Freshfields Bruckhaus Deringer), Dr. Christian Timmreck (Ernst & Young Corporate
Finance Beratung GmbH), Dr. Gerd Wirtz (face to face GmbH).
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,
Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Mai 2012
Vorwort
VI
In einzigartiger Weise bieten höchst renommierte und erfahrene Praktiker und Wissen-
schaftler in diesem Handbuch eine ganzheitliche und fachübergreifende Darstellung der
Mergers & Acquisitions in ihren drei Phasen: der Planung, der Durchführung sowie der
Integration bzw. Implementierung in der Post-Merger-Phase. Dabei folgen sie übersicht-
lich, praxisorientiert und fundiert dem üblichen Ablauf der Transaktionen. Insgesamt
ist dieses Handbuch daher ein Gewinn für alle Unternehmer, Manager, Investmentban-
ker, Wirtschaftsjuristen, Wirtschaftsprüfer und sonstigen M&A-Berater sowie für die
Studierenden.
Die große Nachfrage nach diesem Handbuch und die raschen Veränderungsprozesse
haben dazu geführt, dass nun so zeitnah diese grundlegend aktualisierte und erweiterte
5. Auflage des Handbuches erforderlich geworden ist. Mein besonderer Dank als Her-
ausgeber gilt deshalb meinen Mitautorinnen und Mitautoren dafür, dass sie trotz ihrer
starken berufl ichen Beanspruchung das rasche Erscheinen dieser neuen Auflage möglich
gemacht haben. Ebenso verbindlich danke ich Herrn Geschäftsführer Volker Dabelstein,
Herrn Stefan Brückner und Frau Claudia Dreiseitel vom Schäffer-Poeschel Verlag für
die inzwischen erprobte gute und effi ziente Zusammenarbeit bei der Herausgabe dieser
weiteren Auflage des Handbuches.
VII
Für dieses Handbuch bieten wir ergänzende Unterlagen zum Download an. Den zum
Abruf der Daten notwendigen Webcode finden Sie auf der ersten Seite des Buches. Mit
diesem Webcode können Sie sich in Kombination mit Ihrer E-Mail-Adresse einloggen
und die Daten abrufen.
IX
Inhaltsübersicht
Vorwort
Prof. Dr. Gerhard Picot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V
Verzeichnis der ergänzenden Unterlagen zum Download . . . . . . . . . . . . . . . . VII
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVIII
III. Bevor die Entscheidung für M&A fällt: Netzwerke und Kooperationen
als Alternativen?
Prof. Dr. Dres. h.c. Arnold Picot, Dr. Rahild Neuburger . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
X Inhaltsübersicht
XII. Zusammenschlusskontrolle
Dr. Helmut Bergmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697
Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709
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XI
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V
Verzeichnis der ergänzenden Unterlagen zum Download . . . . . . . . . . . . . . . . VII
Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVIII
XII Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis XIII
dd) Power-Law-Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
b) Ein Phasenmodell für M & A-Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
aa) Die Initialzündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
bb) Die Emergenz der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
cc) Das Erlangen von Momentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
dd) Überhitzung und Abbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
c) Den vollen Zyklus im Visier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
III. Bevor die Entscheidung für M & A fällt: Netzwerke und Kooperationen
als Alternativen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
2. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
3. Einbindungs- und Vernetzungsstrategien zwischen Hierarchie
und Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
4. M & A-Strategien im Kontext alternativer Einbindungskonzepte . . . . . . . . . . 94
a) M & A-Strategie als Internalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
b) Quasi-Internalisierung und kooperative Einbindungsstrategien
als Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
c) Virtuelle Formen der Organisation als Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . 98
d) Business Webs als Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
XIV Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis XV
XVI Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis XVII
XVIII Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis XIX
XX Inhaltsverzeichnis
(3)
Steuerliche Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
(4)
Bilanztechnische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
(5)
Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
(6)
Leitung und Entscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 385
(7)
Ausscheiden von Mitgliedern oder Beendigung
des Equity Joint Venture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
(8) Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
cc) Genehmigungen Dritter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
(1) Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
(2) Genehmigung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
dd) Rechte der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
ee) Gesellschaftsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
ff) Gewährleistung und Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
2. Unternehmenszusammenschluss (Umwandlung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
a) Umwandlungsarten und umwandlungsfähige Unternehmen . . . . . . . . . 390
aa) Die Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391
bb) Die Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
cc) Die Vermögensübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
dd) Der Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
b) Das Verfahren bei den Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
3. Die feindliche Übernahme (Hostile Takeover) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
a) Entwicklung der internationalen Regelungen zur Unternehmens-
übernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
b) Die EU-Übernahmerichtlinie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
c) Das deutsche Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) . . . . 403
aa) Gliederung, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen
und allgemeine Grundsätze des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
bb) Pflichten des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
(1) Angebote zum Erwerb von Wertpapieren (§§ 10 ff. WpÜG) . . 405
(2) Übernahmeangebote (§§ 29 ff. WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 406
(3) Pflichtangebote (§§ 35 ff. WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
cc) Pflichten der Zielgesellschaft und ihrer Organe . . . . . . . . . . . . . . . 409
dd) Die Aufsicht bei Angeboten nach dem WpÜG durch die BaFin . . . 410
d) Der Squeeze-out von Minderheitsaktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410
aa) Der aktienrechtliche Squeeze-out von Minderheitsaktionären . . . . 410
bb) Der übernahmerechtliche Squeeze-out von Minderheits-
aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
cc) Der verschmelzungsrechtliche Squeeze-out . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
e) Techniken und Abwehr der feindlichen Übernahme . . . . . . . . . . . . . . 415
aa) Techniken der feindlichen Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
bb) Abwehr von feindlichen Übernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
(1) Das duale System von Vorstand und Aufsichtsrat
(Two tier board) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
(2) Poison Pill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
(3) White Knight . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
(4) Ausgabe von Namensaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
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Inhaltsverzeichnis XXI
XXII Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis XXIII
XXIV Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis XXV
4. Massenentlassungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573
a) Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574
b) Die individualrechtliche Wirksamkeit der Kündigung. . . . . . . . . . . . . . 575
5. Unternehmenswertorientierte Vergütungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577
a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577
b) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578
c) Aktienoptionsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579
aa) Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580
bb) Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581
cc) Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582
dd) Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583
d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584
XXVI Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis XXVII
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697
Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709
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XXVIII
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis XXIX
XXX Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung
a) M & A-Weltmarkt für Unternehmen
Neben dem Markt für Produkte und Dienstleistungen hat sich ein Weltmarkt für Unter-
nehmen entwickelt. Dies ist eine der Erklärungen für die derzeit weltweit festzustellende
Änderung der Unternehmenslandschaft und die momentan stattfindende siebte Welle na-
tionaler und internationaler Mergers & Acquisitions.1
Mit dem Zukauf von Unternehmen oder Geschäftsbereichen sowie mit Joint Ventures,
Zusammenschlüssen, Kooperationen und anderen Formen der Mergers & Acquisitions in
weitgehend gleichen und sich rasch entwickelnden Produktmärkten reagieren die Unter-
nehmer, Manager und M & A-Berater neben bzw. nach dem Ausschöpfen der zeit- und
kräftezehrenden internen (organischen) Unternehmens- und Produktentwicklung2 auf
den raschen globalen Wandel der Wirtschaft. Mergers & Acquisitions gehören damit zum
Handwerkszeug großer Konzerne sowie kleinerer und mittelständischer Unternehmen.3
In ihrem Streben nach einer nachhaltig wertorientierten Unternehmensführung und
hohen Marktkapitalisierung richten sich die Manager nicht mehr nur nach dem reinen
Shareholder-Value-Management (SVM), bei dem die Unternehmensführung ihre Zielset-
zung allein nach den Bedürfnissen, Interessen und Erwartungen der Anteilseigner aus-
richtet. Vielmehr organisieren sie die Unternehmen – in Erweiterung des sog. Customer-
Relationship-Managements (CRM), welches sich mit den Beziehungen einer Organisation
zu ihren Kunden auseinandersetzt – auch gemäß dem sog. Stakeholder-Relationship-Ma-
nagement (SRM), um die Unternehmen in ihrem gesamten sozialökonomischen und um-
weltbezogenen Kontext zu erfassen und die Bedürfnisse der unterschiedlichen Anspruchs-
gruppen in Einklang zu bringen. Als Stakeholder gelten dabei neben den Eigentümern die
Mitarbeiter, die Kunden oder Vorteilsnehmer, die Lieferanten, die Kapitalmärkte sowie der
Staat, die Natur und die Öffentlichkeit als sogenannte nichtmarktliche Anspruchsgruppen.
Zugleich prägen die Manager dabei ein neues wirtschaftliches, gesellschaftliches, soziales
und kulturelles Umfeld.
Unterstützt wird diese Entwicklung vor allem auch durch die Fortschritte der Digitali-
sierung, der Informations-Technologie und der Logistik in den überregional und weltweit
strukturierten Unternehmen. In besonderem Maße gilt dies im Hinblick auf die Effektivi-
tät des Netzwerk- und Wissensmanagements, der Informationssysteme, des E-Business,
1 Siehe dazu den Beitrag von Müller-Stewens unter A.II. sowie von Jansen/Brugger unter C.XVII.
2 Siehe dazu den Beitrag von Gausemeier/Pfänder unter A.V.
3 Siehe dazu auch den Überblick von Müller-Stewens in: Müller-Stewens/Kunisch/Binder, Mergers &
Acquisitions – Analysen, Trends und Best Practices, 2010, Teil A.I., S. 3 ff.
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1. Einführung 3
der E-Logistik und des schnellen Warentransportes. Unsere Wirtschaft und Gesellschaft
stehen damit zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor völlig neuen Herausforderungen. Die
rasante technologische Entwicklung und die damit einhergehende weltweite digitale Ver-
netzung begründen zunehmend einen Wandel zu transkontinentalen, globalen und gren-
zenlosen Unternehmens-, Wettbewerbs-, Produkt- und Kommunikations-Systemen.4
Aufgrund der aktuellen Entwicklungen, insbesondere der zunehmenden Globalisierung,
der Unternehmensfinanzierung, der Unternehmensnachfolge sowie des in den letzten Jah-
ren weiter wachsenden Unternehmensmarktes haben die Unternehmen dabei komplexe
wirtschaftliche und rechtliche Aufgaben zu bewältigen. Die besonderen Schwierigkeiten
der zu bewältigenden Zusammenhänge ergeben sich daraus, dass sie weitgehend bran-
chen- und fachübergreifender Natur sind. Diese machen es erforderlich, eine umfassende
Analyse der ökonomischen, rechtlichen, technischen und sozialen Fragestellungen und
Entwicklungen an der Nahtstelle von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vorzunehmen.
Nur mit einem interdisziplinären und zugleich ganzheitlich-strategischen Denken und
Handeln sowie einem vertieften Verständnis der Erfolgsfaktoren für das Transaktionsma-
nagement und für die Integrationsprozesse bei Unternehmensakquisitionen werden sich
wertesteigernde, werteschaffende und zukunftsichernde Handlungsoptionen und Lösun-
gen erarbeiten und umsetzen lassen.
Entsprechend der komplexen Natur der betroffenen Unternehmen beinhalten die Mer-
gers & Acquisitions erhebliche verfahrensmäßigen Besonderheiten aufgrund ihrer vielfäl-
tigen nationalen und internationalen Erscheinungsformen, insbesondere bei
• Unternehmenskäufen und -verkäufen
• Unternehmenszusammenschlüssen
• Kooperationen, Allianzen und Joint Ventures
• Unternehmenssicherungen und -nachfolgen
• Management Buy-out und Buy-in
• Private-Equity-Beteiligungen
• Public Private Partnerships (PPP)
• Börsengängen (Initial Public Offering – IPO)
• Umwandlungsmaßnahmen
• Restrukturierungen
• Outsourcing.
Mergers & Acquisitions bedürfen daher einer ganzheitlichen und fachübergreifenden Be-
trachtung und Durchdringung ihrer drei Phasen: der Planung, der Durchführung sowie
der Integration bzw. Implementierung.
4 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
sind nur wenige Jahre vergangen, als uns die fünfte M&A-Welle der letzten 100 Jahre in
Atem hielt und der Wert aller weltweiten Unternehmenstransaktionen im Jahre 2000 mit
3.490 Mrd. US-$ die bis dahin bestehende Schallmauer von 1.000 Mrd. US-$ (1999: 865
Mrd. US-$) überschritt, um dann nach den Attentaten vom 11. September 2001 bei schwä-
chelnder Konjunktur und niedrigen Börsenkursen – ähnlich wie ihre zyklischen Vorgänge-
rinnen – abrupt zu enden. Bereits 2001 zeigte sich die Dramatik dieses Abschwunges, als
sich der Rekordwert aller weltweiten Unternehmenstransaktionen auf ca. 1.700 Mrd. US-$
halbierte, um sich erst im Jahre 2003 bei dem Tiefstwert des Jahres 2002 von ca. 1.350 Mrd.
US-$ wieder zu stabilisieren.
Im Rahmen der seit 2004 verzeichneten sechsten M&A-Welle war das Jahr 2004 zunächst
noch von erheblichen Flauten geprägt. Immerhin stieg das weltweit angekündigte Transak-
tionsvolumen aber um 41% auf das seit dem Jahre 2000 beste Ergebnis in Höhe von 1.950
Mrd. US-$. Nach einem weltweiten Transaktionsvolumen von 2.700 Mrd. US-$ im Jahre
2005 wurden 2006 wieder mehr als 3.257 M&A-Transaktionen mit einem Gesamtwert von
etwa 3.370 Mrd. US-$ abgeschlossen. Das Jahr 2007 war dann mit 4.191 Mrd. US-$, einer
Steigerung gegenüber dem Vorjahr und einem Überspringen der bis dahin bestehenden ma-
gischen Schallmauer der 3.490 Mrd. US-$ aus dem Jahre 2000 das volumenstärkste M&A-
Rekord-Jahr aller Zeiten, während die Anzahl der Transaktionen gegenüber den Vorjahren
leicht zurückging. Gründe für die sechste Fusionswelle waren, ohne an dieser Stelle ihre
Gewichtung vorzunehmen:
(i.) die globale konjunkturelle Erholung der Weltwirtschaft,
(ii.) abgeschlossene Implementierungen, Integrationen, Konsolidierungen aus der fünf-
ten M & A-Welle,
(iii.) der eingetretene »Deal-Stau«,
(iv.) hohe Cash-Bestände strategischer Investoren für Small- und Mid-Cap-Käufe,
(v.) die Begünstigung der Fremdfinanzierung durch niedriges Zinsniveau,
(vi.) die Zunahme der Übernahmen durch Finanzinvestoren, insbesondere Private-Equi-
ty-Unternehmen,
(vii.) der Verkauf von Beteiligungen durch Finanzinvestoren,
(viii.) die Suche nach börsennotierten Gesellschaften durch industrielle Käufer und Finanz-
investoren,
(ix.) der Konsolidierungsbedarf in fragmentierten Branchen,
(x.) weitere Konzentrationen,
(xi.) angestrebte Synergien zur Kostensenkung,
(xii.) mangelnde Möglichkeiten für organisches Wachstum,
(xiii.) die Expansion des Kerngeschäftes und Abgabe von Non-Core-Aktivitäten,
(xiv.) die Akzeptanz von M & A im Mittelstand (Zwang zu pan-europäischer Wettbewerbs-
fähigkeit),
(xv.) die Unternehmensnachfolge und zersplitterte Eigentümerstruktur mit heterogener
Interessenlage,
(xvi.) die Erkenntnis von Familienunternehmen betreffend die Erhaltung der Wettbe-
werbsfähigkeit und des Wertes u. U. nur durch Ver- oder Zukauf sowie
(xvii) Bereitschaft zu grenzüberschreitenden Transaktionen.
men: Analyse und Erklärungsansatz, in: Müller-Stewens/Kunisch/Binder (Hrsg.), Mergers & Acquisi-
tions – Analysen, Trends und Best Practices, 2010, S. 14 ff.
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1. Einführung 5
Ebenso wie ihre zyklischen Vorgängerinnen endete auch die sechste M & A-Welle abrupt mit
dem Platzen der Kreditblase in den USA im August 2007. Nach dem Konkurs von Lehman
Brothers im September 2008, der international schwachen Konjunktur und den niedrigen
Börsenkursen brach der Unternehmens-Markt um rund 40% des Vorjahres und im Jahr
2009 um weitere rund 40% welt-, europa- und auch deutschlandweit ein. Die Folgezeit war
vor allem geprägt durch unternehmerische Schieflagen und Insolvenzen sowie durch das
staatliche Eingreifen vor allem im Finanz- und Automobilsektor zudem durch Aktivitäten
im Unternehmensnachfolge- und Wettbewerbsbereich von Familien- und Mittelstandsun-
ternehmen. Bedingt durch die Krisensituation und die hierdurch hervorgerufenen Restruk-
turierungsmaßnahmen und Liquiditätsengpässe waren auch einige sog. Distressed M & A,
d. h. in der Regel Verkäufe von belasteten Unternehmen oder Unternehmensanteilen (sog.
Distressed Assets), zu verzeichnen, die einen zügigen Transaktionsablauf unter Berück-
sichtigung der Liquiditäts- und Finanz-(Not-)Situation der Unternehmen notwendig ma-
chen.6 Insgesamt gehörten Großbritannien und Deutschland zu den Verlierern der sechsten
M & A-Welle, während sich Asien und Australien zu den Gewinnern zählen konnten.
Seit dem Beginn des Jahres 2010 zeichnete sich vor dem Hintergrund teilweise be-
trächtlicher Kriegskassen der Unternehmen allmählich eine siebte Übernahmewelle ab,
und zwar insbesondere in den Bereichen Chemie, Lebensmittel und Pharma, Maschi-
nenbau, Transport, Logistik, Energie und Rohstoffen. Während das Volumen der welt-
weiten Unternehmenstransaktionen (nach 2.531 Mrd. US-$ im Jahre 2008) im Jahre 2009
mit 2.295,7 Mrd. US-$ erheblich unter die Hälfte des Rekordwertes zurückgegangen war,
konnte es sich im Jahre 2010 mit 2.816,5 Mrd. US-$ wieder auf etwa die Hälfte »stabilisie-
ren«, wobei freilich das in früheren Wellen teilweise grassierende Fusionsfieber allenfalls
in Ansätzen erkennbar war.7
Im Hinblick auf die Entwicklungsländer war die globale Entwicklung des Unterneh-
mensmarktes unabhängig von dem Ablauf der einzelnen M & A-Wellen wirtschaftspoli-
tisch und gesellschaftspolitisch vor allem deshalb bedenklich, weil die ausländischen
Direktinvestitionen inzwischen ihre größten externen Finanzierungsquellen darstellten.
Dabei standen die Unternehmen in den Entwicklungsländern regelmäßig auf der Seite
der übernommenen und nicht der übernehmenden Unternehmen. Trotz der Direktinves-
titionen entstanden daher in den Entwicklungsländern überwiegend keine neuen Ferti-
gungskapazitäten bzw. Arbeitsplätze. Vielmehr führten die Entstehung eines globalen
Unternehmensmarktes und die M & A-Dynamik für die Entwicklungsländer zu gravieren-
den entwicklungspolitischen Nachteilen. Gegenwärtig ist freilich eine Änderung dieses
Trends erkennbar: Zum Beispiel findet Afrika allmählich Dank moderner Technologien
den Anschluss an die weltweite Globalisierung. Dabei resultieren die Investitionen längst
nicht mehr allein aus der Entwicklungshilfe seitens der Industrieländer. Vielmehr treten
neben China als dominanter Vorreiter bei ausländischen Direktinvestitionen andere In-
vestoren, besonders auch aus Schwellenländern wie Indien oder Brasilien, die aus rein
unternehmerischen Interessen unternehmerisch tätig werden. So kam im Jahre 2010 erst-
mals knapp ein Drittel der globalen Direktinvestitionen in Afrika aus Entwicklungs- und
6 Siehe dazu auch Abel/Kühnle, M & A Review, 7/2009, S. 319–323 sowie Prosteder/Hiltner, Erwerb eines
Unternehmens in Krise und Insolvenz, M & A Review 3/2011, S. 114–118.
7 Vgl. dazu Tschöke/Klemen, Wachsende Zuversicht – der internationale M & A-Markt nach der Krise,
M & A Review 6/2011, S. 285–289.
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6 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
Schwellenländern. War es bis zur Jahrtausend-Wende der reiche Norden der Welt, der die
Globalisierung vorantrieb, wird nun der Süden selbst zum Treiber der Globalisierung. So
legten zwischen 1996 und 2009 die sogenannten Süd-Süd-Investitionen durchschnittlich
um 20% pro Jahr zu. Zwar sind Investitionen im Rohstoffbereich bei den ausländischen
Investoren nach wie vor besonders beliebt, jedoch engagieren sich die Investoren nun-
mehr vornehmlich auch in den Bereichen der Dienstleistung und der Industrie.8
Für das Verständnis der Entwicklung des deutschen Unternehmensmarktes ist es hilfreich,
sich zunächst die aktuelle Struktur der mehr als 3 Millionen deutscher Unternehmen vor
Augen zu führen.
Nach Ansicht der EU sind folgende vier Unternehmensgruppen zu unterscheiden:
1. die Kleinstunternehmen
mit < 10 Beschäftigten und ≤ 2 Mio. € Umsatz und ≤ 3 Mio. € Bilanzsumme
2. die Kleinunternehmen
mit < 50 Beschäftigten und ≤ 10 Mio. € Umsatz und ≤ 10 Mio. € Bilanzsumme
3. die Mittelunternehmen
mit < 250 Beschäftigten und ≤ 50 Mio. € Umsatz und ≤ 43 Mio. € Bilanzsumme
4. die Großunternehmen
mit > 250 Beschäftigten und < 50 Mio. € Umsatz und < 43 Mio. € Bilanzsumme.
Dabei sind Mittelstandsunternehmen solche, bei denen das Unternehmen zu nicht mehr
als 25% im Eigentum eines oder mehrerer Unternehmen stehen darf, das diese Unter-
scheidungskriterien der EU nicht erfüllt.9
Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM)10 unterscheidet dem hingegen zwi-
schen
1. Kleinunternehmen
mit < 10 Beschäftigten und ≤ 2 Mio. Euro Umsatz
2. Mittelunternehmen
mit < 500 Beschäftigten und ≤ 50 Mio. Euro Umsatz
3. Großunternehmen
mit > 500 Beschäftigten und > 50 Mio. Euro Umsatz.11
8 Siehe dazu Kaelble, Das neue Afrika: Gewinner der Globaliserung, Financial Times Deutschland, 19.08.2011,
S. 14.
Siehe dazu auch den aktuellen World Investment Report der United Nations Conference on Trade and
Development (UNCTAD) unter: http://www.unctad.org/Templates/Page.asp?intItemID=1465
9 Siehe dazu auch die Übersichten zu den Familienunternehmen und zum Mittelstand bei Linnemann,
Erfolgsmodell Mittelstand – Zukunft gestalten, Deutsche Bank Research 2007, zugleich mit einer Über-
sicht über Anzahl und die aktuelle Größenstruktur der deutschen Unternehmen nach Umsatzgrößen-
klassen im Jahre 2005 (S. 4, Chart 2).
10 Siehe die Veröffentlichungen des Institutes für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) (http://www.ifm-
bonn.org).
11 Eine einheitliche Definition für kleine und mittlere Unternehmen, die für alle Anwendungsbereiche
Gültigkeit hat, besteht nicht. Je nach Zweck sind verschiedene Merkmale zur Abgrenzung der KMU
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1. Einführung 7
30 10 bis 50
Folgt man der Betrachtung des IfM Bonn, so machen die Mittelstandsunternehmen 99,7%
des Gesamtbestandes deutscher Unternehmen aus, d. h. 99 von 100 deutschen Unterneh-
men gehören zum Mittelstand. Häufig werden die Familienunternehmen deshalb mit den
Mittelstandsunternehmen gleichgesetzt und weisen mit diesen eine sehr große Schnitt-
menge auf. Trotz der unterschiedlichen Definitionen von Familien- und Mittelstandsunter-
nehmen besteht Einigkeit darüber, dass die Familienunternehmen weitgehend den deut-
schen Mittelstand repräsentieren. Sie alle haben für die deutsche Wirtschaft neben den
Großunternehmen eine herausragende Bedeutung und sind ein wesentlicher Motor der
deutschen Wirtschaft.13
Auch in Deutschland wiesen die Transaktionsvolumina bis zum Platzen der Kreditblase
im August 2007 in dieselbe Richtung wie die Entwicklung des weltweiten und europä-
ischen Unternehmensmarktes. Deutschland belegte auf der Rangliste der europäischen
Zielländer für M & A-Aktivitäten Platz drei hinter Großbritannien und Spanien. Während
im Jahre 2006 in Deutschland Unternehmenstransaktionen im Wert von 157,7 Mrd. US-$
durchgeführt worden waren und dies gegenüber dem Jahre 2005 einen Anstieg um 21%
denkbar. Von Bedeutung in Wissenschaft und Praxis ist die KMU-Definition des IfM Bonn und für die
Gestaltung und Berechtigung der Inanspruchnahme von Fördermitteln für KMU die KMU-Definition
der Europäischen Kommission.
12 Quelle: Statistisches Bundesamt; berücksichtigt sind nur steuerpflichtige Unternehmen mit Lieferungen
und Leistungen von mehr als 17.500 Euro. Siehe die aktuellen Berechnungen des Institutes für Mittel-
standsforschung Bonn (IfM) (http://www.ifm-bonn.org.)
13 Siehe dazu: Gerhard Picot, Handbuch für Familien- und Mittelstandsunternehmen, Teil I., S. 1 ff.
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8 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
Familienunternehmen Mittelstandsunternehmen
Definition: Definition:
Großunternehmen Konzerntöchter
1. Einführung 9
Ein wichtiger Aspekt der beschriebenen zyklischen Entwicklungen des M & A-Marktes ist
die Erkenntnis, dass der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen M & A-Wellen immer
kürzer geworden ist. Da sich die Mergers & Acquisitions zu einem wichtigen Management-
Instrument und Handwerkzeug für das unorganische Unternehmenswachstum entwickelt
haben,17 war bereits nach der fünften und sechsten M & A-Welle nicht mehr mit einem
völligen Einbruch zu rechnen, sondern lediglich mit einer starken Abflachung, die sich
bei einer erneuten Belebung der Konjunktur und des Kapitalmarktes wieder in einen An-
stieg wandeln konnte. Am ehesten war es dabei der US-Wirtschaft und dem asiatischen
Markt zuzutrauen, den zündenden Funken für eine Wiederbelebung des Kapitalmarktes
und damit des globalen M & A-Geschäftes auszulösen. Insbesondere war nach den in der
Vergangenheit erfolgten Konzentrationen der Unternehmen auf ihre Kernbereiche wieder
eine gewisse Diversifizierung zu beobachten, die den Unternehmen in Zeiten wirtschaft-
licher Unsicherheit weitere »Sicherheitselemente« bieten konnte.
Die Ursachen des Rückganges des M & A-Marktes nach der fünften M & A-Welle waren
vielschichtig. Zunächst sanken nach dem verheerenden Terroranschlag des 11. September
2001 mit den Aktienkursen der Unternehmen die Kauf- oder Tauschpreis für die Target-
Unternehmen. Starke Kursverluste führten – unabhängig von den sinkenden Transak-
tionszahlen – zu einer Verringerung der Transaktionsvolumina.
Zugleich hatten die sinkenden Kaufpreise negative Auswirkungen auf die Verkaufsbe-
reitschaft der potenziellen Verkäufer und damit auf die Anzahl der durchgeführten Trans-
aktionen, da sie oftmals ihre Unternehmen für unterbewertet hielten. Andererseits fehlte
es den potenziellen Kaufinteressenten vielfach an dem für die Finanzierung des Erwerbs
notwendigen Kapital bzw. an werthaltigen Aktien, da ein niedriges Kursniveau sowohl
Kapitalerhöhungen zur Beschaffung von Aktien wie auch Börsengänge unattraktiv mach-
te. Bereits bei 40% aller Transaktionen stellten nämlich seinerzeit Aktien die maßgebliche
Transaktionswährung dar. Dies hat dazu geführt, dass in nur 10 Jahren die Marktkapita-
lisierung der 100 am schnellsten wachsenden globalen Unternehmen um mehr als 30%,
der gesamte Markt hingegen nur um ca. 18% gewachsen ist.
Darüber hinaus verlangten die abgeschlossenen Transaktionen gerade in Zeiten ei-
ner gewissen Konjunkturschwäche von den Unternehmen, sich zunächst in verstärktem
Maße auf die Implementierung bzw. die Post-Merger-Integration der bereits getätigten
Transaktionen zu konzentrieren. Oftmals hat dies die Managementaktivitäten derart stark
gebunden, dass für weitere Transaktionen zunächst keine weiteren Kapazitäten verfügbar
waren.
Ein weiterer Grund für den Rückgang der M & A-Aktivitäten in Deutschland war der
Abschwung der US-Konjunktur, die sich global und damit auch auf den deutschen Markt
10 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
auswirkte. Die Erwartung sinkender Gewinne oder sogar Verluste verschob den Schwer-
punkt der Unternehmenspolitik weg vom Wachstum hin zur Einsparung und Konsolidie-
rung.
In der seit 2004 verzeichneten sechsten M & A-Welle stand der Unternehmensmarkt
der deutschen Familien- und Mittelstandsunternehmen zwar im Schatten der milliarden-
schweren »Megadeals«, trieb aber die noch andauernde »M & A«-Welle kraftvoll voran
und stellte die Unternehmen vor immer neue komplexe wirtschaftliche und rechtliche
Herausforderungen.
Nach einer Umfrage des Manager-Magazins sollte in den kommenden Jahren etwa
jedes zweite deutsche Familien- und Mittelstandsunternehmen verkauft werden.18 Die
Übernahme eines Familien- oder Mittelstandsunternehmens war nicht nur für die inlän-
dischen Wettbewerber dieser Unternehmen von Interesse. Bislang zeichneten sich die Fa-
milienunternehmen vor allem durch ihre Tradition, ihren Individualismus, ihre Flexibilität
sowie durch ihren persönlichen Bezug zu Arbeitnehmern, Lieferanten und Kunden aus.
Da jedoch inzwischen rund jedes zweite Familienunternehmen nicht mehr im Wege klas-
sischer Nachfolgelösungen an die nächste Generation weitergereicht werden kann, machen
die Inhaber zunehmend von der Möglichkeit Gebrauch, ihr Unternehmen an ihre Manager
und Mitarbeiter im Wege eines Management-Buy-out (MBO) oder an ein externes Manage-
ment im Wege eines Management-Buy-in (MBI) zu verkaufen.19 Da das interne oder exter-
ne Management nur selten in der Lage ist, die für einen solchen Unternehmenskauf nötige
Liquidität aus eigener Kraft aufzubringen, wird ein MBO oder eine MBI oftmals – insbeson-
dere in Form eines Leveraged-Buy-out (LBO) oder eines Leveraged-Buy-in (LBI) – unter
Beteiligung nationaler und internationaler »Private Equity«-Firmen finanziert. So werden
heute – Tendenz steigend – bereits 16% der Familien- und Mittelstandsunternehmen im
Rahmen eines »Management Buy-in« (MBI) an externe Kandidaten und Private-Equity-Ge-
sellschaften verkauft. Zugleich sind deutsche Familien- und Mittelstandsunternehmen bei
internationalen – insbesondere chinesischen und indischen – strategischen Investoren und
»Private Equity«-Fonds20 und aus den vorstehend dargestellten Gründen sehr beliebt.
Der deutsche Markt weist zusätzlich die Besonderheit auf, dass er sich – wie z. B. be-
reits in den USA oder in Großbritannien geschehen – langsam von einem banken- in einen
kapitalmarktgetriebenen Markt wandelt. Ferner werden die weitere Deregulierung und die
Veränderung bestehender Unternehmens- und Marktstrukturen zu weiteren Übernahmen
und Fusionen führen. Dies wird unter anderem auch durch das Kapital ermöglicht, das
infolge neuer Möglichkeiten der privaten Vermögensbildung und insbesondere der pri-
vaten Altersvorsorge auf den Markt kommen wird. Vor allem wird auch der Mittelstand
1. Einführung 11
12 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
Insgesamt ist trotz der momentan recht stabilen Realwirtschaft angesichts der Turbulen-
zen an den Börsen und globalen Finanzmärkten sowie der hohen Staatsverschuldun-
gen – insbesondere in den Ländern USA, Spanien, Irland, Italien, Portugal und Griechen-
land –, die eine spürbare Reduzierung der Schuldenlasten ab Mitte des Jahrzehntes nicht
23 Siehe dazu: »Übernahmewelle rollt auf den Finanzmarkt zu. Viele Unternehmen verfügen über volle
Kassen und dürften schon bald auf Einkaufstour gehen. Anleger können davon profitieren.«, DIE WELT
vom 11.06.2011 S. 17; »Internet-Blase ist so bedrohlich wie nie. – Wie zur Jahrtausendwende reißen
sich Anleger um Technologie-Aktien. Diesmal sind auch Schwellenländer dabei.«, DIE WELT vom
25.05.2011 S. 15.
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erwarten lassen, kaum mit einer baldigen Beruhigung der Krisen zu rechnen. Allerdings
werden weiterhin vor allem zwei Trends den Unternehmensmarkt voran treiben: Zum
einen werden die Zusammenschlüsse die Märkte weiter bereinigen, Überkapazitäten ein-
dämmen und den verbleibenden Unternehmen mehr Preissetzungsmacht verleihen. Zum
anderen werden vollzogene Fusionen nach der sog. »Next-Target-Theorie« sowohl die
Anleger als auch die Konkurrenten in der Branche unter Zugzwang setzen, permanent
nach dem nächsten zu übernehmenden Target zu suchen, wobei die dadurch angetriebe-
nen spekulativen Käufe den Gesamtmarkt weiter nach oben treiben.
Richtig ist es wohl, wenn das Handelsblatt bereits am 25.08.2010 titelte: »Konzerne
spielen wieder Monopoly – Das Spiel hat erneut begonnen: Getrieben vom Aufschwung
und ermuntert durch volle Kassenbestände gehen Konzernlenker rund um den Globus
auf Einkaufstour. Neue große Spieler: Firmenchefs aus China und anderen aufstrebenden
Staaten.«24 Nicht zuletzt dank der hohen Barreserven der Unternehmen ist – jedenfalls in
der absehbaren Zukunft – noch mit einer regen M & A-Tätigkeit der Unternehmen zu rech-
nen. Ob sich daraus freilich ein weiterer positiver Trend für 2012 und für die Folgejahre
wird herleiten lassen, muss angesichts der momentanen Turbulenzen an den Finanz- und
Aktienmärkten, der Euro-Schuldenkrise, des sich eintrübenden Geschäftsklimas auf dem
weltweiten und deutschen Markt für Beteiligungskapital und der daraus resultierenden
Angst vor einem Finanzcrash bezweifelt werden.25
Die meisten größeren Mergers & Acquisitions sind Transaktionen, die in einem engen Zu-
sammenspiel mit den Kapitalmärkten durchgeführt werden. Insofern sind Kauf und Ver-
kauf von Unternehmen, wie auch Fusionen zwischen Unternehmen, zunächst ähnlich zu
betrachten, wie Investitionen oder Desinvestitionen in Eigen- und Fremdkapitalinstrumen-
te, die an einer Börse gehandelt werden. Neben einigen interessanten Wechselwirkungen
lassen sich allerdings wichtige Unterschiede zwischen den M & A-Transaktionen und den
Kapitalmärkten feststellen. Hauptunterschiede liegen zum Beispiel in der Tatsache begrün-
det, dass Gegenstand von M & A-Transaktionen in der Regel der Erwerb von Kontrolle an
einem Unternehmen als einem gesamten, in sich geschlossenen Vermögenswert ist. Da-
rüber hinaus nimmt das Unternehmen als »gehandeltes« Objekt durch sein Management
selbst Einfluss auf die Transaktionen im Kapitalmarkt.
Die erste große feindliche Übernahme in Deutschland, nämlich die Übernahme von
Mannesmann durch Vodafone liegt zwar schon längere Zeit zurück, veranschaulicht
diese These jedoch in hervorragender Art und Weise: Das Unternehmen Mannesmann als
Objekt der Transaktion zwischen Vodafone (Käufer) und den Aktionären von Mannes-
14 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
mann (Verkäufer), wurde zum wesentlichen Einflussfaktor auf den Ausgang der Trans-
aktion.26 Dass es dabei nicht um eine einfache Kauf- oder Verkaufsentscheidung ging,
verdeutlichten die von den Vorständen initiierte (Presse-) Abwehrschlacht und die enor-
me öffentliche Aufmerksamkeit, die dieser teilweise sehr emotional geführten feindlichen
Übernahme in Deutschland beigemessen wurde.
Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen wurden in Europa durch die EU-Übernah-
merichtlinie 2004/25/EG27 erstmals einheitliche Regeln für Unternehmensübernahmen
eingeführt. Nachdem sich Deutschland in der zentralen Frage der Abschaffung nationaler
Regelungen zum Schutz vor feindlichen Übernahmen stets dafür eingesetzt hatte, Abwehr-
maßnahmen gegen feindliche Übernahmen zuzulassen, und diesbezüglich keine Einig-
keit hatte erzielt werden können, erlaubte die EU-Übernahmerichtlinie – als Minimalkon-
sens – ein Nebeneinander des abwehrfeindlichen europäischen Übernahmerechtes und
der bereits bestehenden nationalen Vorschriften: Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dafür,
seine bisherigen abwehrfreundlichen Regelungen beizubehalten, muss er den Aktionären
lediglich die Möglichkeit geben, sich für das abwehrfeindliche liberale EU-Übernahme-
recht zu entscheiden (sog. Opt-in-Klausel). Hierzu sieht das deutsche Wertpapiererwerbs-
und Übernahmegesetz (Wertpapier-Übernahme-Gesetz – WpÜG)28 neben der gemäß in
§ 27 WpÜG vorgeschriebenen Stellungnahme des Vorstandes und des Aufsichtsrates der
Zielgesellschaft (Target) zu dem Angebot sowie zu jeder seiner Änderungen vor, dass die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß § 28 WpÜG auch das zur
Untersagung bestimmter Arten von Werbung im Zusammenhang mit Angeboten zum
Erwerb von Wertpapieren hat, um Missständen bei der Werbung begegnen zu können.
Die wesentlichen Wechselwirkungen zwischen Kapitalmärkten und M & A-Transaktionen
zeigen sich an Folgendem: Die Unternehmensbewertung und Wertfindung sowie die Be-
urteilung von Transaktionen finden an den Kapitalmärkten statt (»Demokratisierung der
Wertfindung«) und die Akteure in M & A-Prozessen müssen sich daran orientieren. Der
Shareholder-Value leitet sich unmittelbar vom Wert eines Unternehmens an den Kapital-
märkten ab. Ebenso wird der Erfolg von M & A-Strategien durch den Kapitalmarkt beurteilt.
Unmittelbare, aber auch langfristige Reaktionen der Märkte prägen das Urteil über die
Erfolgsaussichten einer Transaktion (»Acid Test für Transaktionen«). Untersuchungen
haben ergeben, dass die unmittelbare Reaktion des Marktes auf die Ankündigung einer
M & A-Transaktion ein in der Regel brauchbarer Indikator für den langfristigen Erfolg, ge-
messen als längerfristiger »Return to Shareholder«, ist. Vor dem Hintergrund der zuneh-
menden Bedeutung der Kapitalmärkte für die moderne Unternehmensführung wird die
Größe der Marktkapitalisierung eines Unternehmens zunehmend zur strategischen Waffe.
Größe per se, sei es im Bezug auf Umsatz, Betriebsvermögen oder Mitarbeiterzahl eines
Unternehmens, kann sicherlich nicht als effektives Messkriterium für unternehmerischen
Erfolg dienen. Größe am Kapitalmarkt hingegen, also die Höhe der »Marktkapitalisie-
26 Siehe dazu Müller-Stewens, Vodafone/Mannesmann: Der größte M & A-Deal aller Zeiten, in: Müller-
Stewens/Kunisch/Binder (Hrsg.), Mergers & Acquisitions – Analysen, Trends und Best Practices, 2010,
S. 82 ff.
27 Amtsblatt L 142 v. 30.04.2004.
28 Vom 20.12.2011 (BGBl. I S. 3822) – FNA 4110-7 –, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Um-
setzung der AktionärsrechteRL (ARUG) v. 30.07.2009 (BGBl. I S. 2479)
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rung als strategische Waffe«, ist und bleibt ein wichtiger, wenn nicht sogar ein bestim-
mender Faktor bei Transaktionen, in denen Unternehmenskontrolle zur Disposition steht.
M & A-Transaktionen erhöhen den Freiheitsgrad der unternehmerischen Führung. Käu-
fe oder Verkäufe von Unternehmen und Unternehmensanteilen, die in der Vergangenheit
unmöglich oder undenkbar gewesen wären, sind plötzlich machbar und ermöglichen ein
flexibles Reagieren auf sich zunehmend schneller verändernde Wettbewerbsbedingungen.
M & A-Abteilungen der Großunternehmen, Investment Banker, Rechtsanwälte, Wirtschafts-
prüfer, Spezialisten für Investor Relations sowie andere Professionals übernehmen dabei
zunehmend die Rolle von »Market-Makers« im Markt für die Kontrolle an Unterneh-
men (Market for Corporate Control). Mithilfe des M & A-Marktes können sie als »Market
Agents« unternehmerische Zielsetzungen umsetzen.
Schließlich hat der M & A-Markt, im Vergleich zu den öffentlichen Kapitalmärkten, einen
erhöhten Regulierungsbedarf. Im Gegensatz zu den angelsächsisch geprägten Ländern,
aber auch anderen europäischen Staaten, steckt die effektive Regulierung von internati-
onalen oder öffentlichen Transaktionen in Deutschland trotz der durch das Inkrafttreten
des WpÜG gemachten Fortschritte aufgrund der »regulatorischen Defizite für Corporate
Control« noch in den Anfängen.
Bei vielen Transaktionen stellt sich die Frage, warum die Höhe der Marktkapitalisierung
eines Unternehmens von besonderem Interesse für die strategische Positionierung des
Unternehmens am Kapitalmarkt sein sollte, und ob die weitläufig verbreitete Auffassung
heute nicht mehr gültig ist, dass nicht Größe, sondern Geschwindigkeit zählt und Größe
sogar unternehmerische Dynamik behindert.
16 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
ternehmens sichern und in Bezug auf ihre Marktkapitalisierungen schneller wachsen als
der Markt, um ein großes und globales Unternehmen zu bleiben oder zu werden. Ande-
renfalls laufen sie Gefahr, die Kontrolle über ihr eigenes Schicksal an erfolgreicher agie-
rende Unternehmen zu verlieren. Vodafone, General Electric, Daimler, Sanofi, Google und
andere Unternehmen haben bewiesen, wie M & A-Transaktionen dazu beitragen, dieser
Herausforderung gerecht zu werden.
Ihre Herausforderung liegt in der Notwendigkeit begründet, weitere Märkte oder neue
Produkte zu finden. Oftmals lässt sich dies durch Zukauf erreichen. Anderenfalls laufen
auch solche leistungsstarken Unternehmen Gefahr, übernommen zu werden, wenn es
ihnen nicht gelingt, ihre herausragenden Fähigkeiten auf eine größere und globale Asset-
Basis zu übertragen.
18 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
Diese Entwicklung hat für viele Führungskräfte die Notwendigkeit mit sich gebracht,
die eigene Marktkapitalisierung im Sinne des Shareholder-Value als strategisches Instru-
ment und als Leitidee verstärkt in ihre Managemententscheidungen mit einzubeziehen.
Zugleich haben Bedeutung und Professionalisierungsgrad der Kapitalmärkte und des An-
gebotes an Beratungsleistung in Deutschland deutlich zugenommen.
3. Mergers & Acquisitions als eigenständiges, auf internationalem Know-how basierendes Fachgebiet 19
Dabei sind die Manager und ihre Berater insgesamt nicht nur aufgefordert, die Erfolgs-
faktoren der Transaktionen genauer zu erkennen und zu berücksichtigen. Vielmehr sind
sie in besonderem Maße dazu aufgerufen, auf der Grundlage ihrer Branchenexpertise mit
Hilfe kreativer Transaktionsstrategien und Finanzierungen die Schaffung neuer ökonomi-
scher Werte zu optimieren sowie gleichzeitig ihrer ethischen und sozialen Verantwortung
gerecht zu werden. Aufgrund des zunehmenden Umfanges sowie der wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Konsequenzen der Transaktionen werden sie zukünftig verstärkt
das Klischee zu widerlegen haben, das der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt wie
folgt beschrieben hat: »Die wahren Motive für die Mega-Fusionen sind häufig nicht öko-
nomische Notwendigkeiten, sondern Großmannssucht und Habgier der Manager.«
Entsprechend der komplexen Natur der betroffenen Unternehmen als Sach- und Rechts-
gesamtheiten stellen sich bei den Transaktionen regelmäßig vielschichtige fach- und bran-
chenübergreifende Aufgaben. Dabei sind die relevanten betriebswirtschaftlichen Faktoren
und die eng mit ihnen verzahnten wirtschaftsrechtlichen, technischen und sozialen Para-
meter zu definieren und in die Akquisitionsplanung einzubeziehen. Daneben sind auch die
verfahrensmäßigen Besonderheiten zu beachten, die sich aus den vielfältigen Erscheinungs-
formen nationaler und internationaler Mergers & Acquisitions ergeben, von den Unterneh-
menszusammenschlüssen, Unternehmenskäufen und -verkäufen, Kooperationen, Allianzen
und Joint Ventures bis hin zu den Integrations-, Umwandlungs- und Restrukturierungsmaß-
nahmen.
Die Transaktionserfolge werden sich nur dann nachhaltig optimieren lassen, wenn
die Target-Unternehmen nach modernen Kapitalmarkterfordernissen ausgesucht und zu-
sammengeführt werden und die Manager und ihre Berater das Transaktionsmanagement
erheblich verbessern.
Sie müssen den Bereich der Mergers & Acquisitions als eigenständiges, auf internatio-
nalem Know-how basierendes Fachgebiet begreifen, das einer ganzheitlichen Betrachtung
und Handhabung bedarf. In der Vergangenheit wurde nämlich nur unzureichend berück-
sichtigt, dass sämtliche M & A-Phasen in der Planung, Durchführung und Integration einen
ganzheitlichen Vorgang darstellen.
Ferner müssen die Unternehmen darauf reagieren, dass komplexe Transaktionen erheb-
lich darunter leiden, wenn die eigenen M & A-Teams mit den Investmentberatern, Anwalts-
kanzleien, Wirtschaftsprüfern, Kaufleuten, Technikern, Sicherheitsfachleuten, Umwelt-
beratern und anderen Consultants angesichts ihrer einseitigen Fachverständnisse keine
gemeinsame Sprache sprechen.
Bei grenzüberschreitenden internationalen Deals ist es zudem erforderlich, dass die
Projektteams aus Vertretern der jeweiligen Nationalitäten und Kulturen zusammengesetzt
werden, um die unterschiedlichen Unternehmens- und Belegschaftsinteressen schneller
erkennen und darauf reagieren zu können.
All dies macht es erforderlich, vor dem Hintergrund der langjährigen internationalen
und insbesondere anglo-amerikanischen Transaktions-Erfahrungen und -Gepflogenheiten
auch in Deutschland eine eigene M & A-Kultur zu entwickeln. Die Manager und ihre Be-
rater müssen in die Lage versetzt werden, bereits im Vorfeld der Transaktionen so genau
wie möglich zu prüfen und zu analysieren, ob und inwieweit die Unternehmen mit all ih-
ren Rahmenbedingungen und Kulturen zueinander passen. Hierzu gehört auch die Frage,
welche Schritte erforderlich sind, um das unternehmerische Gelingen der Transaktion in
allen ihren Phasen unter möglichst weitgehender Berücksichtigung der Arbeitnehmerin-
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20 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
32 Siehe dazu Gerhard Picot, Wirtschaftsrechtliche Parameter des Akquisitionsmanagements, in: Arnold
Picot/Nordmeyer/Pribilla, Management von Akquisitionen, S. 121 ff.
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Die Unternehmen sowie ihre internen und externen M & A-Fachleute müssen ihr Fach-
wissen und ihre Beratungsinstrumente bei der Planung, Durchführung und Integration
von Transaktionen verbessern, ihre Erfahrungen bündeln und ihr Know-how fortentwi-
ckeln. Zugleich können sie sich bei der Suche nach geeigneten Transaktions-Partnern und
der Entwicklung kreativer Finanzierungsmodelle des Know-hows erfahrener M & A-Berater
bedienen. Nur so können sie zukünftig die wirtschaftlichen Chancen und Risiken, die
mit jeder Transaktion als unternehmerischem Handeln verbunden sind, möglichst präzise
einschätzen und beherrschen.
Die Manager und ihre M & A-Berater sind dabei nicht nur aufgerufen, die bestimmenden
Faktoren genauer zu identifizieren, sondern auch den Erfolg der Transaktion in den drei
grundlegenden Phasen33 einer Fusion oder einer Übernahme zu optimieren34, nämlich in:
• der Planungsphase, d. h. den Überlegungen im Vorfeld bezüglich des Entscheidungs-
prozesses für die Transaktion,
• der Durchführungsphase, d. h. Due Diligence, Bewertung der Gesellschaften sowie Ent-
wurf und Verhandlung des Transaktionsvertrages, und in
• der Integrations-/Implementierungsphase.
33 Siehe dazu auch die weitergehende 5-phasige Unterteilung des (beschränkten) Bietungsverfahrens/
Auktionsverfahrens von Gerhard Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Teil I (Vertragsrecht),
RN. 9 ff.
34 Zum derzeitigen Stand der M & A-Diskussion siehe Jansen/Picot/Schiereck, Internationales Fusionsma-
nagement – Erfolgsfaktoren grenzüberschreitender Unternehmenskäufe, Stuttgart, 2001.
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22 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
Prinzipiell ist festzustellen, dass die Integrationsphase einen sehr starken Einfluss auf den
Erfolg von Fusionen und Unternehmenskäufen hat. Ihre wichtigsten sogenannten »har-
ten« und »weichen« Erfolgsfaktoren sind:
• sorgfältige Vorbereitung, Koordinierung und Kontrolle des Integrationsprozesses an sich,
• Kultur,
• interne Organisation,
• Produktion und Logistik,
• IT-System,
• Kommunikation,
• Schlüssel-Mitarbeiter und Management,
• Kunden und Co-Produzenten,
• Wissensmanagement.
Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Aspekte kann festgestellt werden, dass die-
jenigen Transaktionen, bei denen vor der Übernahme zwei Gesellschaften insbesondere
»gleiche« und gute Leistungen in derselben Branche und in demselben Kerngeschäft er-
zielt haben oder in miteinander verbundenen Geschäftsbranchen tätig waren, mit höherer
Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein werden.
In den vergangenen Jahren haben M & A-Transaktionen vor allem durch ständig zuneh-
mende Transaktionsvolumina für Furore gesorgt. Transaktionen wie Vodafone/Mannes-
mann, AOL/Time Warner, Exxon/Mobil oder Google/Motorola erreichten Dimensionen,
die bis dahin nicht für möglich gehalten worden waren. In Bezug auf die Fragestellung,
mittels welcher Kriterien Transaktionserfolge effektiv gemessen werden können, bestehen
allerdings deutliche Meinungsunterschiede. Die Beantwortung dieser Frage muss vor al-
lem die oben gemachte Aussage berücksichtigen, dass schiere Größe nicht als alleiniges
Erfolgskriterium betrachtet werden darf.
aa) Beurteilung durch den Markt gegenüber dem Kriterium der Kapitalkosten
In der Regel reagiert der Kapitalmarkt auf die Ankündigung von M & A-Transaktionen mit
Kurssteigerungen oder -abschlägen beim übernehmenden Unternehmen sowie beim Ziel-
unternehmen. Dies ist eine unmittelbare Folge der Erfolgs- oder Misserfolgsbeurteilung
des Kapitalmarktes. Die Analyse der anfänglichen Preisbewegungen nach der Ankündi-
gung von Akquisitions- oder Mergers ergibt allerdings, dass der Markt nicht immer die
zutreffende Beurteilung widerspiegelt.
Legt man als Kriterium für den Erfolg einer Transaktion die Forderung zu Grunde,
dass ein Unternehmen langfristig mindestens seine eigenen Kapitalkosten auf das für die
Akquisition eingesetzte Kapital verdienen sollte, dann zeigt sich, dass der Markt deutlich
optimistischer ist, als die Realität, und dass das kurzfristige Urteil des Kapitalmarktes oft
widerlegt wird. Betrachtet man einen Kursgewinn von zumindest 5% bei Ankündigung
24 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
als Erfolgskriterium für eine Transaktion, so bestätigt sich dies mittel- bis langfristig gese-
hen im Durchschnitt bei lediglich 50% aller Fälle. Bei der Beurteilung von Misserfolgen
ist der prognostische Wert der unmittelbaren Marktreaktion ungleich höher. In mehr als
80% der untersuchten Fälle sind Preisabschläge in Folge einer Transaktionsankündigung
mit einem fundamentalen Misserfolg, also einem längerfristig unter den Kapitalkosten
liegenden Return auf das eingesetzte Kapital, verbunden. All dies lässt vermuten, dass
der Kapitalmarkt Misserfolge eher unmittelbar richtiger beurteilt, als dies bei Erfolgen der
Fall ist, tendenziell aber zu optimistisch reagiert.
Analysen, die die Korrelation von bestimmten Messgrößen zur Beurteilung des Erfolges
von M & A-Transaktionen betrachten, müssen jedoch mit Vorsicht betrachtet werden. Die
angesprochenen Kriterien für Erfolg oder Misserfolg einer Transaktion sind zwar eingängig
und lassen sich auch, sieht man von der Problematik der Datenerhebung ab, eindeutig
berechnen, sind aber letztlich für Aussagen über den nachhaltigen Erfolg oder Misserfolg
von M & A-Tätigkeiten unzureichend. Dies liegt naturgemäß an der fehlenden Vergleich-
barkeit der Entwicklung eines Unternehmens, das eine M & A-Transaktion durchführt, mit
der Entwicklung desselben Unternehmens, hätte es eine solche Transaktion nicht durch-
geführt. Ein entsprechender, in den Naturwissenschaften üblicher und einzig gültiger
Beweis, bei dem die Auswirkung eines Einflussfaktors auf eine Gruppe gegenüber einer
Kontrollgruppe ermittelt wird, die zu Beginn des Experiments absolut identisch sind, ist
praktisch unmöglich. Nur so ließe sich ex post hinreichend nachweisen, ob eine durchge-
führte Transaktion zum Erfolg eines Unternehmens beigetragen hat oder als gescheitert zu
betrachten ist. Auf das oben erwähnte Erfolgsmaß für Transaktionen (»höhere Rendite als
Kapitalkosten«) bezogen, muss man feststellen, dass selbst eine nach diesem Kriterium
missglückte Transaktion immer noch ein Erfolg gewesen sein könnte, solange niemand
ausschließen kann, dass sich die Rendite der Unternehmen ohne diese Transaktion noch
viel mehr reduziert hätte.36
aktionsabschluss. Oftmals können eine sorgfältige Vorbereitung und eine genaue und
durchdachte Aushandlung der Transaktionsverträge solchen Misserfolgen entgegenwir-
ken. Erfolgreiche Transaktionen zeichnen sich demgegenüber besonders durch eine starke
Verbindung zum Kerngeschäft und eine entsprechend starke strategische Begründung für
die Transaktion aus. Reine Diversifikations-Akquisitionen dagegen erweisen sich dage-
gen in vielen Fällen als nutzlos.
Insgesamt gesehen scheint Großakquisitionen mit Transaktionssummen von mehreren
Milliarden Dollar weniger Erfolg beschieden zu sein als kleineren Deals. Dies bestätigt
die beschriebene Abkehr von einem historisch oft unqualifiziert verwendeten Paradigma,
das auf schiere Größe abzielte.37
37 Zu den Trends, Tools, Thesen und empirischen Tests zum Integrationsmanagement bei Unternehmens-
zusammenschlüssen siehe den Beitrag von Stephan Jansen in diesem Handbuch (Teil C. XIV). Eine
Übersicht über die Erfolgsstudien findet sich bei Jansen, Mergers & Acquisitions – Unternehmensak-
quisitionen und -kooperationen, 4. Aufl., 2001, S. 223 ff.
38 Picot, Entwicklungen des Unternehmenskaufrechts im deutschen Bürgerlichen Recht, in: Müller-Ste-
wens/Kunisch/Binder (Hrsg.), Mergers & Acquisitions – Analysen, Trends und Best Practices, 2010,
S. 513–533.
39 BGHZ 74, 359, 364.
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26 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
Wie bereits am Anfang dieses Kapitels dargestellt wird der Begriff »Mergers & Acqui-
sitions« hier in dem weit gefassten anglo-amerikanischen Sinn der vielfältigen Erschei-
nungsformen verstanden, vom
• Unternehmenskauf und -verkauf
• Unternehmenszusammenschluss
• Kooperationen, Allianzen und Joint Ventures
• Unternehmenssicherungen und -nachfolgen
• Management Buy-out und Buy-in
• Private-Equity-Beteiligungen
• Public Private Partnership (PPP)
• Börsengängen (Initial Public Offering – IPO)
• Umwandlungsmaßnahmen
• Restrukturierungen bis hin zum
• Outsourcing.
Jede komplexere Transaktion beginnt mit den internen Vorarbeiten, Studien und Analysen
des Unternehmens, seines Wettbewerbsumfeldes, des Marktes und der angedachten und
denkbaren Entwicklungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen.
Regelmäßig geschieht dies zunächst durch die Unternehmer, Manager und ihre Auf-
sichtsorgane unter Einbeziehung interner Fachleute, insbesondere in den Abteilungen für
Unternehmensentwicklung und Unternehmensplanung sowie in den Rechts- und Steuer-
abteilungen.
Schon bald ist in diese vorbereitenden Überlegungen die Frage einzubeziehen, ob und
gegebenenfalls welche externen M & A-Berater hinzugezogen werden sollen, um gemein-
sam kreative Strategien und Finanzierungen zu entwickeln und geeignete Transaktions-
Partner zu suchen.40 Insbesondere gilt dies für Berater aus den Bereichen des Investments,
des Corporate Finance, des Wirtschaftsrechts und der allgemeinen Unternehmensbera-
tung. Dabei müssen die Berater regelmäßig neben nachhaltiger M & A-Erfahrung eine be-
sondere Branchen- und Fachexpertise aufweisen und – im Falle grenzüberschreitender
Transaktionen – auch die internationale Kompetenz und ein schlagkräftiges Netzwerk
mitbringen. Sodann erfolgt – gegebenenfalls nach einem sog. »Beauty Contest« oder »Pit-
ching« – die Beauftragung der Berater.
In der Phase der Planung der Mergers & Acquisitions wird zunächst die gesamte Trans-
aktion möglichst interdisziplinär und ganzheitlich geplant, insbesondere die betriebswirt-
schaftliche und (steuer-) rechtliche Technik und Optimierung, unter besonderer Berück-
sichtigung ihrer Durchführung sowie der Integration bzw. Implementierung.41
Die Planungstätigkeit erstreckt sich dabei vor allem auf die Aspekte,
• Ob,
• Wann,
• Wie
ein Merger oder eine Akquisition vorgenommen werden soll.
41 Siehe dazu auch Becker, Planung und Vorbereitung als Erfolgsfaktoren für M & A, in: Müller-Stewens/
Kunisch/Binder (Hrsg.), Mergers & Acquisitions – Analysen, Trends und Best Practices, 2010, S. 231–
241.
42 Siehe dazu Gerhard Picot/Sabine Kamp in: Gerhard Picot (Hrsg.), Handbuch für Familien- und Mittel-
standsunternehmen, Teil V, S. 133.
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28 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
43 Siehe dazu auch Becker, Planung und Vorbereitung als Erfolgsfaktoren für M & A, in: Müller-Stewens/
Kunisch/Binder (Hrsg.), Mergers & Acquisitions – Analysen, Trends und Best Practices, 2010, S. 231–
241.
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Stets ist bei diesen Planungsarbeiten die schwierige Gegenprüfung erforderlich, wie sich
die Zukunft des Unternehmens ohne die angedachte M & A-Maßnahme darstellen würde.
c) Die Ablaufplanung
Sind bei der Frage nach dem »Wie« die sich bietenden Formen der Mergers & Acquisitions
bedacht, so stellt sich die weitere Frage nach dem Ablauf einer solchen Transaktion.
Dabei ist zunächst festzustellen, dass der Ablauf von Mergers & Acquisitions keinen
festen Regeln unterliegt. Er ist ebenso vielfältig, wie die zu erwerbenden Unternehmen
bzw. Unternehmensteile selbst, die sich bei ihnen ergebenden wirtschaftlichen und be-
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30 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
32 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
• die Höhe des Angebotes, insbesondere eines Kaufpreises sein, sondern auch
• die Ernsthaftigkeit und Seriosität des Angebotes,
• die Art der Finanzierung des Kaufpreises,
• das Konzept für die Zukunftsentwicklung und die Sicherung der Arbeitsplätze des Un-
ternehmens sowie
• die begründete Erwartung eines möglichst professionellen, komplikationsfreien und
zeitnahen Abschlusses der Vertragsverhandlungen.
Die zweite Runde des Bietungsverfahrens wird eingeleitet durch ein weiteres Anschreiben
an die ausgewählten Bieter (Preferred Bidder). Hierin werden gegebenenfalls der Inhalt
und die Regeln für die Benutzung eines Datenraumes (Data Room Index, Rules and Pro-
cedures) aufgestellt und erläutert, in dem (gewisse) Unterlagen über das Unternehmen
zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt werden. Falls nicht bereits zuvor geschehen,
sollte jedenfalls mit diesem zweiten Aufforderungsschreiben der erste Entwurf des Unter-
nehmenskaufvertrages übersendet werden.
Den Bietern ist dann zumindest eine begrenzte Due Diligence zu ermöglichen. Dies
bedeutet, dass zunächst noch keine besonders sensiblen Unternehmensdaten offengelegt
werden. Denn trotz der Vertraulichkeits- und Geheimhaltungserklärungen des Bieters
und seiner Berater kann die Gefahr nicht vollends ausgeschlossen werden, dass diejenigen
Bieter, mit denen nicht weiterverhandelt wird, die erhaltenen Informationen anderweitig
und zu Lasten des Verkäufers verwerten.
Die Bieter müssen nun ein sog. »verbindliches«, wenngleich in der Regel noch nicht
rechtsverbindliches Gebot (Binding Offer) abgeben, wenn sie weiter am Bietungsverfah-
ren teilnehmen wollen. Bei der Gestaltung des Angebots können sie die zur Verfügung
gestellten Informationen auswerten und berücksichtigen. Insbesondere werden der Kauf-
oder Tauschpreis aufgrund der Erkenntnisse der inzwischen erhaltenen weiteren Infor-
mationen und der Due Diligence gegenüber der ersten Absichtserklärung und dem Trans-
aktions-Vorschlag (Proposal) entsprechend angepasst und konkretisiert; gleiches gilt aber
auch zum Beispiel für ein angestrebtes Beteiligungsverhältnis oder einen notwendigen
Anpassungs- bzw. Ausgleich-Mechanismus bei dem Vorhaben eines Gemeinschafts- bzw.
Joint-Venture-Unternehmens. Ferner enthält das Angebot – soweit erforderlich – die oben
genannten Zustimmungsvorbehalte der Aufsichtsgremien und damit in gewissem Umfang
immer noch eine Ausstiegsmöglichkeit. In den Entwurf des Transaktionsvertrages wird
der Bieter nur diejenigen Änderungen einfügen, die er für unbedingt erforderlich hält, um
nicht seine Chancen der Teilnahme an dem Auswahlverfahren zu verschlechtern.
Im Falle einer Fremdfinanzierung der geplanten Akquisition wird in der Regel bereits
mit Abgabe des verbindlichen Angebotes eine Vergütung für die Bereitstellung der Kredite
durch die finanzierenden bzw. syndizierenden Kreditinstitute fällig. Dies ist für einen Bieter
vor allem dann misslich, wenn nicht abzusehen ist, ob er überhaupt als bevorzugter Bieter
(Preferred Bidder) ausgewählt wird. Nicht zuletzt auch aus diesem Grunde sollte er daher
für den Fall der Auswahl zum bevorzugten Bieter Exklusivität (Exclusivity) für die weite-
ren Verhandlungen fordern. Als Gegenleistung hierfür wird der Verkäufer allerdings in der
Regel eine gewisse Kaufpreisanzahlung oder sonstige Zusatzleistungen (Break-up-Fees)46
verlangen, die ihm im Falle eines vom Bieter verursachten Scheiterns der Verhandlungen
zufallen. Umgekehrt sollte der Bieter für den Fall des Verstoßes gegen die Exklusivität ei-
ne Vertragsstrafe vereinbaren, damit das Exklusivitätsversprechen kein stumpfes Schwert
bleibt.
Nach Erhalt der verbindlichen Angebote wählt der Verkäufer denjenigen Bieter aus, mit
dem er die Transaktion bevorzugt verhandeln bzw. durchführen möchte, oder er versucht,
die Bieter untereinander – wie im Fall Rolls Royce – zu jeweils höheren Angeboten zu
treiben. Bei der Auswahlentscheidung bezüglich des bevorzugten Bieters werden neben
den bereits oben dargestellten Kriterien vor allem auch der Inhalt und Umfang der Ände-
rungsvorschläge der Bieter zum Transaktionsvertrag maßgebend sein. Für einen Verkäufer
ist es natürlich ebenfalls von Vorteil, wenn ein Bieter für die abschließenden Verhand-
lungen keine Exklusivität fordert. Der Verkäufer wird nämlich bestrebt sein, sich nicht
unter Druck setzen zu lassen und sich nach Möglichkeit weitere Bieter »warmzuhalten«.
Je mehr Zeit nach der Auswahl des bevorzugten Bieters nämlich vergeht, desto schlechter
wird die Verhandlungsposition des Verkäufers, da andere Bieter der »zweiten Wahl« mögli-
cherweise ihr Interesse an der Transaktion verlieren, aus dem Bietungsverfahren absprin-
gen und im Falle eines Scheiterns des Bietungsverfahrens allenfalls geraume Zeit später
wieder auf ihr Interesse an der betreffenden Transaktion angesprochen werden können.
In den Vertragsverhandlungen sind nun von den Verhandlungsteams die Details des
Transaktionsvertrages auszuhandeln.47 Ein besonderes Augenmerk verdient hierbei vorab
die Benennung eines erfahrenen und auch diplomatisch geschickten Verhandlungsleiters.
Während der Verhandlungen geht es dann vor allem um die Regelungen der zu verein-
barenden Gegenleistungen (z. B. Kaufpreiszahlung oder Aktientausch), des vertraglichen
Gewährleistungs- bzw. Garantie- und Haftungssystems sowie der gesamten Vertragsdurch-
führung und Implementierung. Zur Absicherung der Angemessenheit des Kaufpreises
kann es sich vor allem für den Bieter die Vereinbarung empfehlen, dass ein Teil des
Kaufpreises oder aber ein gewisser Mehrpreis (Earn-out) nur bei Erreichen bestimmter
Kennzahlen in der Folgezeit nach dem Vertragsabschluss bzw. der Übergabe des Unter-
nehmens (Closing) zu zahlen ist.
Soweit für die rechtliche Wirksamkeit des Vertragsabschlusses eine notarielle Beurkun-
dung des Vertrages erforderlich ist, kann sich bei größeren Transaktionen aus Gründen der
Kostenersparnis eine Beurkundung im Ausland, insbesondere in der Schweiz, empfehlen.
In diesem Fall ist freilich zuvor sicherzustellen, dass die konkrete Auslandsbeurkundung
von der deutschen Rechtsprechung als der deutschen Beurkundung gleichwertig aner-
kannt ist.
Nach Unterzeichnung des Vertrages werden in der Regel zeitnah eine Mitarbeiterver-
sammlung und eine Pressekonferenz durchgeführt; bei börsennotierten Gesellschaften
ist unverzüglich eine sog. Ad-hoc-Mitteilung vorzunehmen. Wirksam wird der Vertrag
dann mit dem Eintritt der oben genannten aufschiebenden Bedingungen, wie z. B. der
Zustimmung der zuständigen Aufsichtsgremien oder der Kartellbehörden. Mit dem Wirk-
samwerden des Transaktionsvertrages gehen je nach Gestaltung die Gesellschaftsanteile
oder die einzelnen Vermögensgegenstände gegen Zahlung des Kaufpreises auf den Er-
werber über. Die M & A-Transaktion kann aber auch mit einem Closing, d. h. dem Vollzug
47 Siehe zu den Einzelheiten die ausführliche Darstellung nachfolgend unter Teil B.X.
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34 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
des Vertrages abgeschlossen werden. Das Schicksal der Transaktion hängt nun von der
erfolgreichen Integration bzw. Implementierung ab.
Insgesamt ergibt sich hiernach für größere M & A-Transaktionen im Wege des sogenann-
ten (beschränkten) Bietungs- bzw. Auktionsverfahrens der nachfolgend dargestellte
summarische Ablaufplan. Für den Einzelfall sollte rechtzeitig eine konkret angepasste
Ablauf- und Aktionsplanung festgelegt werden, und zwar unter Berücksichtigung der Er-
fordernisse der jeweiligen Transaktion, der konkret durchzuführenden Einzelmaßnahmen,
Verantwortlichkeiten und Zeitvorgaben bzw. Aktionsdaten.
36 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
2.21 Zusammenfassung der in den ersten Gesprächen vertretenen Standpunkte der Ver-
handlungsteams in sogenannten (noch unverbindlichen) Positions-Papieren (Posi-
tion-Papers)
2.22 Abschluss der ersten Gesprächsrunde durch Bekräftigung der Absicht zum Ver-
tragsabschluss unter Zusammenfassung der Kernpunkte der Verhandlungspositio-
nen, der sogenannten Meilensteine (Milestones), in einem Memorandum of Under-
standing (MoU) – nicht zu empfehlen: in einem Vorvertrag
2.23 Abgabe einer entsprechenden Presse-Verlautbarung der Verhandlungspartner
2.24 (Spätestens) Übergabe des Entwurfes des Transaktionsvertrages (Sale and Purchase
Agreement/SPA)
2.25 Verhandlung über die Einzelheiten des Transaktionsvertrages und erforderlichen-
falls über begleitende Vereinbarungen, wie z.B. Einbringungsvertrag, Term Sheets etc.
2.26 Abschluss des Transaktionsvertrages unter Beachtung der gesetzlich vorgeschriebe-
nen Form
Demgemäß wird man die Transaktions-Phasen bei Kauf und Verkauf innerhalb der darge-
stellten und grundlegenden drei Phasen der Planung, Durchführung und Integration bzw.
Implementierung etwa wie folgt unterscheiden können:
Planung, Durchführung und Integration der Mergers & Acquisitions, insbesondere des Un-
ternehmenskaufes bzw. -verkaufes, der Restrukturierung, Kooperationen und Unterneh-
menssicherung (Unternehmensnachfolge, MBO, MBI) unterliegen in besonderem Maße
wirtschaftsrechtlichen Parametern.
Angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen der Mergers & Acquisitions ist es dem
Gesetzgeber nicht möglich, für ihre Regelung und Umsetzung bereits im allgemeinen
Vertragsrecht selbstständige Rechtskonzepte oder Rechtsinstitute als wirtschaftsrechtliche
Parameter zur Verfügung zu stellen. Nur bestimmte Erscheinungsformen, wie z. B. der
Kauf und Verkauf von Unternehmen, sind einer typisierenden Betrachtung und Ordnung
zugänglich. So bietet vor allem das im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte (besondere)
Kaufvertragsrecht für den Bereich des Unternehmenskaufs und -verkaufs konkrete Prinzi-
pien und gesetzliche Bestimmungen, und zwar vom Beginn der ersten Kontaktaufnahme
der Vertragspartner bis hin zur Abwicklung der Unternehmenstransaktion.
Ihre Ergänzung finden diese Regelungen vor allem in den nachfolgend genannten Rechts-
gebieten48, die zugleich die bei Mergers & Acquisitions bedeutsamen nationalen und in-
ternationalen Rechtsfragen beantworten:
• Vertragsrecht
• Gesellschaftsrecht
• Arbeitsrecht
• Betriebsrentenrecht
• Steuerrecht
• Kartellrecht
• Umweltrecht
• Insolvenzrecht
• Internationales Recht.
aa) Wettbewerbsrecht
Freundliche und feindliche Übernahmen unterliegen gleichermaßen der Aufsicht durch die
zuständigen Wettbewerbsbehörden. Dabei ergibt sich in der EU zunächst die Frage, ob
die EU-Fusionskontrolle oder aber das nationale Fusionskontroll-Regime, in Deutschland
also das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (GWB), Anwendung findet. Ausschlag-
gebend ist nach dem Auswirkungsprinzip, in welchem räumlichen Geltungsbereich die
Markt- und Wettbewerbsverhältnisse beeinträchtigt werden. Bei Unternehmensübernah-
men, die auch nicht-europäische Märkte betreffen, können je nach Auswirkung weitere
Kartellbehörden einen geplanten Zusammenschluss einschränken. Gerade bei grenzüber-
schreitenden Transaktionen verzögern sich Übernahmen oftmals erheblich und können
letztendlich nur unter erheblichen Auflagen durchgeführt werden.49
49 Siehe hierzu den Beitrag »Zusammenschlusskontrolle« von Helmut Bergmann, Teil XII dieses Handbu-
ches.
50 Siehe hierzu die Beiträge »Das vorvertragliche Verhandlungsstadium bei der Durchführung von Mergers
& Acquisitions« und »Der Unternehmenskaufvertrag« von Gerhard Picot, Teile B.IX. und B.X. dieses
Handbuches.
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38 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
Insbesondere das Aktienrecht legt die Rechte und Pflichten der Leitungs- und Ge-
schäftsorgane fest, wobei dem Schutz von Minderheitsaktionären eine wichtige Rolle
zukommt. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, der durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität
und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) in das Aktiengesetz eingefügt
worden ist, regelt die allgemeinen Verhaltenspflichten des AG-Vorstandes sowie dessen
Verschuldensmaßstab. Danach haben die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung
die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (Satz 1).
Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehme-
rischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemesse-
ner Information zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Der Vorstand ist demnach u. a.
verpflichtet, die eigenen Aktionäre vor der Annahme eines Übernahmeangebots über die
Vor- und Nachteile einer beabsichtigten Transaktion aufzuklären.
Weitere Vorstandspflichten bei Unternehmensübernahmen ergeben sich aus dem Ge-
setz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)51, durch wel-
ches das Aktiengesetz wesentlich reformiert wurde. Die Unternehmensführung wird unter
anderem dazu verpflichtet, für ein angemessenes Risikomanagement Sorge zu tragen
und ein internes Überwachungssystem einzurichten, um dadurch »den Fortbestand des
Unternehmens gefährdende Entwicklungen« frühzeitig erkennen zu können. Darunter
fallen beispielsweise die im Rahmen einer Übernahme entstehenden Risiken in der Inte-
grationsphase der zu übernehmenden Gesellschaft. Daneben wurde durch das KonTraG
die Berichtspflicht des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat erweitert. Es müssen nun
Angaben über die künftige Geschäftspolitik gemacht werden, zu der auch M & A-Projek-
te zu zählen sind, die üblicherweise strategischen Charakter haben. Hinzu kommt die
Pflicht, auch die eigenen Aktionäre über die Hintergründe einer Übernahme bzw. eines
Übernahmeversuchs aufzuklären und zu dem Übernahmeangebot Stellung zu nehmen.
Der Vorstand der Zielgesellschaft ist bei Übernahmen an den in § 53a AktG normierten
Gleichbehandlungsgrundsatz aller Aktionäre seiner Gesellschaft gebunden. Handelt es
sich bei dem Bieter mithin um einen Aktionär, so darf der Vorstand dem Bieter nur die
gleichen Informationen zukommen lassen, wie den übrigen Aktionären (§ 131 Abs. 4
Satz 1 AktG).
Das deutsche Umwandlungsgesetz regelt Maßnahmen wie Verschmelzung, Umwand-
lung, Unternehmensvertrag oder Eingliederung. So ist beispielsweise im Falle einer Ein-
gliederung gemäß §§ 320, 321 AktG den außenstehenden Aktionären eine angemessene
Abfindung in Form einer Barzahlung oder aber eigener Aktien der Erwerbergesellschaft
zu gewähren. Die Angemessenheit dieser Abfindung, also insbesondere der monetäre Ge-
genwert, ist gerichtlich nachprüfbar.
cc) Wertpapierhandelsgesetz
Das zweite und dritte Finanzmarktförderungsgesetz haben im Rahmen des Wertpapier-
handelsgesetzes (WphG) einige Vorschriften eingeführt, die bei jeder M & A-Transaktion
beachtet werden müssen. Zunächst ist die Veröffentlichungspflicht beim Überschreiten
51 Siehe dazu Gerhard Picot: »Überblick über die Kontrollmechanismen im Unternehmen nach KonTraG«,
in: Lange/Wall, Handbuch »Risikomanagement nach KonTraG«, 2001 S. 5–37.
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von Anteilen ab fünf Prozent zu nennen, die ein schrittweises, unbemerktes Aufkaufen
eines Unternehmens erschwert. Weiterhin verbietet es die Ad-hoc-Mitteilungspflicht bei
wesentlichen preissensitiven Unternehmenstatbeständen dem Management der Zielgesell-
schaft, Übernahmevorhaben unverhältnismäßig lange geheim zu halten. Als drittes ent-
hält das WphG Vorschriften zum Insiderhandel, die den Umgang mit sensitiven Informa-
tionen einschränken sowie das Handeln mit Papieren, die von einem Übernahmeangebot
betroffen sind, strengstens verbieten.
Das überwachende Organ für das WphG ist das Bundesaufsichtsamt für den Wertpa-
pierhandel, das zur Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen auf ein starkes Sankti-
onsinstrumentarium zurückgreifen kann. So drohen den betroffenen Vorstandsmitgliedern
bei Nichtbeachten nicht unerhebliche Bußgelder.
52 Siehe hierzu den Beitrag »Vertragliche Gestaltung besonderer Erscheinungsformen der M & A« von Ger-
hard Picot, Teil XI. dieses Handbuches.
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40 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
53 Siehe dazu Gerhard Picot: »Überblick über die Kontrollmechanismen im Unternehmen nach KonTraG«,
in: Lange/Wall, Handbuch »Risikomanagement nach KonTraG«, 2001, S. 5–37.
54 Siehe hierzu (aus deutscher Sicht) Lanfermann/Maul, DB 2002, S. 1725 ff.; Schwarz/Holland, ZIP 2002,
S. 1661 ff.; Schiessl, AG 2002, S. 593 ff.; Gruson/Kubicek, AG 2003, S. 393 ff.
55 Siehe dazu Gerhard Picot: »Überblick über die Kontrollmechanismen im Unternehmen nach KonTraG«,
in: Lange/Wall, Handbuch »Risikomanagement nach KonTraG«, 2001, S. 5–37.
56 In der derzeitigen Fassung vom 14. Juni 2007. Zu den aktuellen Änderungen des DCGK ausführlich
Eberhard Vetter in: Der Betrieb 2007, S. 1963 ff.
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Die Internationalisierung der Wirtschaft sowie nicht zuletzt der zunehmende Einfluss und
das besondere M & A-Know-how der Investmentbanken, der internationalen Anwaltsfir-
men sowie der Corporate-Finance-Abteilungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und
Consultants führen dazu, dass Stil, Inhalt und Verfahren nationaler und internationaler
Mergers & Acquisitions zunehmend vom anglo-amerikanischen Recht und von der an-
glo-amerikanischen M & A-Praxis geprägt werden. Dabei spielen auch die internationalen
Transaktions-Usancen eine immer größere Rolle, wie an den nachfolgenden Beispielen
illustriert werden soll.
42 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
Deutschland geschehen ist – nach einer Angleichung der nationalen Unternehmens- und
Gesellschaftsrechte sowie der Schaffung supranationaler Gesellschaftsformen.59
Abgesehen von der rechtspraktisch wenig bedeutsamen »Europäischen Wirtschaftli-
chen Interessenvereinigung – EWIV« gibt es bislang als Gesellschaftsform, die den Un-
ternehmen in Europa über die Grenzen hinweg zur Verfügung steht, allerdings lediglich
die Europa AG.60
Für diese Gesellschaftsform ist am 08.10.2004 die EG-Verordnung Nr. 2157/2001 des
Rates vom 08.10.2001 über das Statut der europäischen Gesellschaft (Societas Europaea,
kurz: SE) in Kraft getreten. Damit ist nach mehr als 30 Jahren Vorarbeit (!) der Rahmen
für die einheitliche europäische Aktiengesellschaft unmittelbar geltendes Recht geworden.
Die sich aus einer solchen supranationalen Gesellschaftsform ergebenden Chancen
liegen auf der Hand: Größere Mobilität durch grenzüberschreitende Sitzverlegung oder
Verschmelzung, Verringerung des Verwaltungsaufwandes durch Einbringung diverser
Tochtergesellschaften in eine europäische Aktiengesellschaft und einfachere Abwicklung
paneuropäischer Transaktionen durch Vereinheitlichung des anwendbaren Rechts. Hin-
zu kommt, dass Unternehmen, die sich in der Rechtsform der europäischen Aktienge-
sellschaft organisieren, zwischen zwei verschiedenen Leitungssystemen wählen können,
nämlich dem in Deutschland bestehenden dualistischen Modell mit einer Trennung von
Vorstand und Aufsichtsrat einerseits und dem monistischen System, wie es etwa in
England und Frankreich vorherrscht, andererseits. Das monistische System zeichnet sich
dadurch aus, dass ein Verwaltungsrat die Gesellschaft leitet, indem er die Grundlinien der
Unternehmenstätigkeit vorgibt und deren Umsetzung überwacht, während vom Verwal-
tungsrat bestellte und jederzeit abberufbare geschäftsführende Direktoren die laufenden
Geschäfte der Gesellschaft führen.
Letztendlich ist der europäische Gesetzgeber im Hinblick auf die Vereinheitlichung
aber hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben, denn die Verordnung legt lediglich ge-
wisse Grundstrukturen wie etwa die Gründungsformen und die Eckpunkte der Organver-
fassung fest. Alles Weitere bedarf der Regelung durch nationale Einführungsgesetze bzw.
unterliegt dem nationalen Aktienrecht der jeweiligen Sitzstaaten. Auf Kapitalmaßnahmen
und Strukturentscheidungen einer europäischen Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutsch-
land beispielsweise wird deutsches Aktienrecht Anwendung finden.
Auch die unterschiedlichen Formen der Arbeitnehmermitbestimmung bestehen unter
dem Regime der europäischen Aktiengesellschaft grundsätzlich fort. Dieser Punkt stellte
eines der wesentlichen Hindernisse auf dem Weg zur Schaffung der Societas Europaea dar,
was sich auch in dem nach langen Verhandlungen gefundenen Kompromiss widerspiegelt.
Die ebenfalls am 08.10.2004 in Kraft getretene EG-Richtlinie 2001/86 über die Beteiligung
der Arbeitnehmer in der europäischen Gesellschaft sieht eine bis zu sechs Monate dau-
ernde Verhandlungsperiode über die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer in der zu
gründenden Gesellschaft vor (in Ausnahmefällen kann sich diese Periode sogar auf zwölf
Monate verlängern). Kommt keine Einigung mit den Arbeitnehmern zustande, findet das
strengste Mitbestimmungsrecht Anwendung, bei Sachverhalten mit deutscher Beteiligung
59 Eingehend dazu nachfolgend Teil B.X. Vgl. Hommelhoff/Helms, GmbHR 1999, S. 53 ff.; Helms, GmbHR
1999, S. 963 ff.
60 Siehe dazu Gerhard Picot, Europäische Gesellschaftsformen für KMU auf dem Vormarsch, M & A-Review,
Heft 3/2010, S. 3.
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also in der Regel die deutschen Vorschriften. Für ausländische Fusionspartner dürfte daher
schon aus diesem Grunde eine Verschmelzung zur europäischen Aktiengesellschaft mit
einem der Mitbestimmung unterliegenden deutschen Unternehmen ausscheiden.
Einen Teil ihrer Attraktivität hat die europäische Aktiengesellschaft aber auch durch die
jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Sitzverlegung von
Gesellschaften verloren. In den Entscheidungen »Überseering« und »Inspire Art« hat der
EuGH klargestellt, dass es gegen die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit
verstößt, wenn ein Mitgliedsstaat die Rechtsfähigkeit einer in einem anderen Mitglieds-
staat wirksam gegründeten juristischen Person bei Sitzverlegung nicht anerkennt. Damit
kann nun beispielsweise eine britische Gesellschaft mit beschränkter Haftung ihren Ver-
waltungssitz unter Wahrung der Rechtspersönlichkeit ins europäische Ausland verlagern.
Zur Schaffung größerer Mobilität bedurfte es der europäischen Aktiengesellschaft daher
nicht mehr.
In Deutschland haben das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium
für Wirtschaft und Arbeit am 05.04.2004 einen gemeinsamen Referentenentwurf für ein
»Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft« vorgelegt, den das Bundeska-
binett am 26.05.2004 beschlossen hat. Im Anschluss daran wurde das formelle Gesetz-
gebungsverfahren eingeleitet. Mit einer Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben ist
daher in absehbarer Zeit zu rechnen.
Ob sich die europäische Aktiengesellschaft in der gesellschaftsrechtlichen Praxis gro-
ßer Beliebtheit erfreuen wird, bleibt angesichts der fortbestehenden Fragmentierung des
anwendbaren Rechts abzuwarten. Auf jeden Fall stellt ihre Einführung einen wichtigen
Schritt auf dem Weg zur Schaffung eines europäischen Gesellschaftsrechts dar.61
Neben allgemeinen dogmatischen Fragen besteht die hauptsächliche Schwierigkeit für
die Entwicklung weiterer europäischer und internationaler Gesellschaftsformen vor allem
darin, dass die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer in den Mitgliedstaaten der Europä-
ischen Gemeinschaft äußerst uneinheitlich sind; insbesondere lässt sich das deutsche
Modell der Arbeitnehmer-Mitbestimmung in Europa zumeist nicht vermitteln. Es ist da-
her der Vorschlag gemacht worden, die europäische Privatgesellschaft in Anlehnung an
das Vorbild aus Art. 3 Abs. 2c EWiV-VO notfalls nur für Unternehmen mit weniger als
500 Arbeitnehmern zu öffnen, um auf diese Weise die Mitbestimmungsproblematik zu
vermeiden. Dieser Ansatz macht durchaus Sinn, da mehr als 99% der europäischen Un-
ternehmen weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigen.62
Die Praxis sieht sich deshalb nach wie vor gezwungen, selbst Modelle zu erzeugen, um
die Zusammenführung globaler Unternehmenseinheiten zu ermöglichen. Dabei bedient
sie sich weitgehend derjenigen nationalen Rechtsordnung, die für komplexe Transaktions-
strukturen die größtmögliche Gestaltungsfreiheit bietet.
Ein Beispiel ist etwa das »Business Combination Agreement« bei DaimlerChrysler, das
als Modell für weitere supranationale Unternehmenszusammenschlüsse dienen mag.63
Obwohl dieser Kernvertrag des Unternehmenszusammenschlusses in weiten Teilen gesell-
44 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
Für die Praxis der Gestaltung von Transaktionsverträgen ist es zunehmend unerheblich,
ob die Vertragspartner einen anglo-amerikanischen Vertrag dem deutschen Recht oder ei-
nen deutschen Vertrag einer anglo-amerikanischen Rechtsordnung unterstellen. Die M& A-
Fachleute verlassen sich nämlich nicht mehr darauf, dass die von ihnen gewählte Rechts-
ordnung für die komplexen Interessenlagen angemessene Regelungen zur Verfügung stellt.
Vielmehr schaffen sie sich zunehmend ihre eigenen, in sich geschlossenen, umfassenden
vertraglichen Regelwerke, die dann ihrerseits Muster-Charakter für weitere Transaktionen
erhalten.
Die Transaktionsverträge bekommen damit den Charakter eigenständiger Rechtssyste-
me. Zugleich hat dies zur Folge, dass sich das Know-how von Transaktionen immer stär-
ker in den Köpfen der M & A-Spezialisten sowie in ihren von Erfahrungen geprägten detail-
lierten Mustersammlungen bündelt. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die Praxis
der internationalen Schiedsgerichte, die die von ihnen zu entscheidenden Rechtsstrei-
tigkeiten vornehmlich mit wirtschaftlichen Argumenten aus der M & A-Praxis schlichten.
Insgesamt entsteht hierdurch ein international einheitliches »Transaktionsrecht«, das
als Handelsbrauch längerfristig den Charakter einer eigenen verbindlichen Rechtsquelle
erlangt. Den Wissenschaftlern und den Studierenden bleibt dieses Know-how weitgehend
verborgen, sofern es ihnen nicht von den Praktikern aus den internationalen Law-Firms
und Corporate-Finance-Abteilungen vermittelt wird.
Mit dem Entstehen eines einheitlichen internationalen »Transaktionsrechtes« geht die zu-
nehmende Verwendung anglo-amerikanischer Rechtsinstitute und Terminologien einher.
Dies gilt immer mehr nicht nur bei den grenzüberschreitenden, sondern auch bei natio-
nalen Transaktionen.
Wissenschaft und Praxis sind deshalb aufgerufen, das deutsche und europäische Wirt-
schafts- und Gesellschaftsrecht unter Einbeziehung der anglo-amerikanischen Institute
fortzuentwickeln, wie dies auch durch diverse Regelungen des seit dem 01.01.2002 gel-
tenden Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts geschehen ist.
Insgesamt wird hierdurch freilich ein Verfahren ausgelöst, das nach traditioneller deut-
scher Sicht einen erheblich größeren Aufwand für die Planung, Gestaltung und Durchfüh-
rung der Transaktionen erfordert.
Aufgrund der hohen Nachfrage an M & A-Beratung verfolgen die internationalen Invest-
ment- und Beratungsgesellschaften immer mehr das Ziel, die Unternehmen bei nationalen
und grenzüberschreitenden Transaktionen in allen Phasen, also bei Planung, Durchfüh-
rung und Implementierung der Transaktionen ganzheitlich und »aus einer Hand« zu
beraten.
Zugleich bemühen sie sich, den Unternehmen Gesamtkonzepte für die entsprechend
ihrer komplexen Natur vielschichtigen und eng miteinander verzahnten branchen- und
fachübergreifenden ökonomischen, rechtlichen, technischen und sozialen Aufgaben von
Großtransaktionen anzubieten. Zu dem »One Stop Shop«-Angebot gehört deshalb neben
der juristischen M & A-Beratung zunehmend auch die wirtschaftlich-strategische und die
finanzielle Beratung.
Von den Wirtschaftsanwälten verlangt diese Entwicklung eine immer größere Bereit-
schaft, sich den strategischen und wirtschaftlichen Fragestellungen der Transaktionen zu
öffnen. Die bloßen Kenntnisse und Fertigkeiten in ihrem erlernten juristischen Fachgebiet
reichen nicht mehr aus, um den vielschichtigen Anforderungen der Praxis gewachsen zu
sein. Die Anwaltschaft und vor allem die M & A-Anwälte müssen daher bestrebt sein, ihre
betriebs- und finanzwirtschaftlichen Kenntnisse zu verbessern, um die Unternehmen bei
Transaktionen optimal beraten zu können. Umgekehrt gilt dies aber auch für die betriebs-
wirtschaftlichen Berater, die zunehmend ihr betriebswirtschaftliches Fachwissen insbe-
sondere mit den wirtschaftsrechtlichen Aspekten verknüpfen müssen.
Verständlicherweise erregen vor allem die »Mega-Mergers« das öffentliche Interesse
und sorgen für die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse. Beispiele hierfür sind die Fusi-
on von DaimlerChrysler, die Übernahmen von Mannesmann durch Vodafone und von
Bankers Trust durch die Deutsche Bank, die Verschmelzung der Degussa mit Hüls, die
Zusammenführung der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank mit der Bayerischen
Vereinsbank, die Fusionen von Krupp mit Thyssen und der VEBA mit Viag sowie die
Verschmelzung von Hoechst mit Rhone-Poulenc zur Aventis. Nicht nur diese großen,
sondern auch die »kleineren« Mergers & Acquisitions werden aufgrund der zunehmen-
den Globalisierung und der zusammenrückenden Märkte immer stärker international und
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46 I. Wirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Parameter bei der Planung der Mergers & Acquisitions
»crossborder« geprägt sein. Sie alle bedürfen deshalb zunehmend einer internationalen,
d. h. länderübergreifenden und hoch qualifizierten Beratung.
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48
1 Dieser Beitrag wurde bereits einmal in ähnlicher Form veröffentlicht. Vgl. Müller-Stewens (2010). Der
Beitrag wurde aber insbesondere durch die Überlegungen in Abschnitt 2 wesentlich erweitert.
2 »The market for corporate control is best viewed as an arena in which managerial teams compete for
the rights to manage corporate resources« (Jensen/Ruback 1983).
3 Vgl. Jensen (1988) und Trautwein (1990).
4 Vgl. Moeller/Schlingemann/Stulz (2005), McNamara/Haleblain/Dykes (2008).
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Abschwung der M & A-Aktivitäten kommt. Und auch zu Anfang des neuen Jahrtausends
ist der US-amerikanische Markt für Unternehmenskontrolle immer noch der Leitmarkt für
das weltweite M & A-Geschehen.5
Betrachtet man nun in Abbildung 1 die Entwicklung der US-Transaktionszahlen, so
lässt sich direkt vermuten, dass M & A ein zyklisches Phänomen ist. In bestimmten Phasen
der wirtschaftlichen Entwicklung schwingt sich dieser Markt in Form einer mehrjährigen
Welle bis zu einem Höhepunkt auf, um dann wieder bis zu einem Tiefpunkt einzubre-
chen. Ein solcher Zyklus scheint sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu wiederholen.
Das Ausmaß an Regelmäßigkeit ist allerdings ziemlich begrenzt, was Vorhersagen stark
erschwert. So unterscheiden sich diese Zyklen offensichtlich in ihren Periodenlängen, den
Abständen zwischen den Perioden oder den Hoch und Tiefs. Doch trotzdem würde es
schon erheblich weiterhelfen, wenn man ein einigermaßen gesichertes Wissen darüber
hätte, was denn solche Aufschwünge verursacht bzw. welche Bedingungen bestehen müs-
sen, dass es zu diesen Aufschwüngen kommt. Gehen diese Bedingungen verloren, dann
könnte dies den Wendepunkt zu einem Abschwung einleiten.
11000 (5)
»Mega-Merger« (6)
Globalisierung & Konsolidierung, 03-06 »Private
10000 Liberalisierung & Deregulierung, Equity«
Shareholder Value Fokussierung
Internet (»Click & Mortar«) Globalisierung
9000 Marktführerschaft
Shareholder
91-00
8000 Aktivismus
8.121 Fälle
7000 8.232 683,3 Mrd.$ Vol.
530 Mrd.$ 84 Mio.$/Fall
(3) 64 Mio.$/Fall
6000 »Konglomeratsbildung« (4)
aufgrund Diversifikationstheorie »Merger Manie«,
5000 Liberalisierung
63-69 & Deregu-
(1) (2) lierung
4000
»Monopolbildung« »Vertikalisierung«
Industrialisierung Neue Antitrustgesetze 82-87
3000 führt zu horizontalen führen zur mehr
Zusammenschlüssen vertikaler Integration
0
1895 00 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09
Abb. 1: Die US-Merger-Wellen: Anzahl Transaktionen von 1895 bis 2009 (Quellen: 1895–1920:
Nelson (1959); 1921–1939: Thorp/Crowder (1941), 1940–1962: FTC (1971, 1972),
1963–heute: MergerStat Review; eigene Analyse)
Mittlerweile lassen sich – wie in Abbildung 1 dargestellt – bezogen auf die USA sechs große
Merger-Wellen über den Zeitraum 1897–2009 erkennen. Mit leichter Verzögerung schwap-
pen diese Wellen i. d. R. auch auf den Rest der Welt über, jedoch haben natürlich auch
lokale Ereignisse und Gegebenheiten einen Einfluss auf Stärke und Ausprägung der jeweili-
gen Merger-Welle. So war bspw. Anfang der 1990er-Jahre weltweit ein Abflauen der M&A-
Aktivitäten zu beobachten, während in Deutschland die Wiedervereinigung – und speziell
die Treuhandverkäufe – zu einem weiteren Anstieg der Transaktionszahlen führten.
In der Zeit bis zum Beginn der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 konnten zwei M & A-
Wellen registriert werden. Nachdem es dann über fast 30 Jahre zu keinen signifikanten
M & A-Aktivitäten kam, wurde das M & A-Phänomen in den 1960er-Jahren insbesondere
aufgrund der Diversifikationstheorie und später der Kommerzialisierung von M & A als
Beratungsdienstleistung wiederbelebt.
Zu neuen, vorher unvorstellbaren Höhen schwang sich der Markt in den 1990er-Jahren
auf: Im Jahr 1991 wurden 1.877 Transaktionen unter Beteiligung eines US-Unternehmens
1400
12000
1200
10000
1000
8000
800
6000
600
4000
400
2000
200
0 0
1963 1965 1967 1969 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009
bei einem Gesamtvolumen von 71 Mrd. US-$ registriert.6 Anschließend stiegen die Zahlen
bis zum Jahr 2000, in dem 11.123 Transaktionen mit einem Wert von 1.268 Mrd. US-$ ge-
zählt wurden, kontinuierlich an. Ende der 1990er-Jahre waren die Marktteilnehmer durch
eine Euphorie – ähnlich der in den »Goldenen Zwanzigern« – getrieben, die nahezu jeder
Rationalität entbehrte; dann kam es zum Platzen der Dotcom-Blase.
Die sechste Welle lief ähnlich ab. Sie schwang sich zwar etwas schneller zu einem
Allzeithoch des gesamten Transaktionsvolumens von etwa 1.500 Mrd. US-$ auf (von 2002
bis 2006), stürzte dann aber im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise ebenso dramatisch
ab. Allein 2008 halbierte sich bereits die Kapitalisierung des globalen Aktienmarktes von
etwa 50.000 auf 25.000 Mrd. US-$. Analog war im Jahr 2009 auch nur noch etwas weniger
als die Hälfte (46%) des Transaktionsvolumens aus dem Jahr 2006 zu verzeichnen. Abbil-
dung 2 stellt die Transaktionsvolumina und die Anzahl an Akquisitionen der Entwicklung
des Dow Jones Aktienindex – als Ausdruck der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – für
den Zeitraum von 1963 bis 2009 gegenüber. In der Jahren 2010 und 2011 hat sich der Markt
wieder leicht erholt, ist aber noch weit von seinem Allzeithoch entfernt. Trotz sehr hoher
Cash-Flow-Bestände wird angesichts der vielen Unsicherheiten an den globalen Finanz-
märkten nur sehr zurückhaltend investiert.
Nach diesem einleitenden Überblick über das historische Phänomen M & A werden nun
die einzelnen Wellen einer genaueren Betrachtung unterzogen.
Die ersten beiden M & A-Wellen erstrecken sich vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum
Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929. Sie brachten die ersten einschneidenden
wettbewerbsrechtlichen Regulierungen mit sich.
6 Quelle: MergerStatReview.
7 Außerhalb der USA waren Kartelle bis in die 1950er-Jahre erlaubt. Missbrauchsfälle konnten jedoch
geahndet werden. Danach setzte sich im Prinzip weltweit die US-amerikanische Form der Kartellge-
setzgebung durch.
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von den massiven Einkäufen aus den alliierten Staaten, in denen es kaum noch etwas
zu kaufen gab. Bis zum Friedensvertrag von Versailles im Jahr 1919 waren die USA zur
größten Handelsnation der Welt geworden. Die USA waren von einer Schuldnernation
zum größten Gläubiger der Welt geworden. Neben London war die Wallstreet in New York
zum wichtigsten Finanzzentrum aufgestiegen.
Diese veränderten Rahmenbedingungen prägten natürlich auch den Verlauf der M & A-
Aktivitäten in den USA. So formierte sich von 1916 bis 1929 eine zweite, M-förmige M & A-
Welle, die sich wesentlich aus den günstigen wirtschaftlichen Auswirkungen des Ersten
Weltkrieges auf die USA nährte. Der erste Teil dieser zweiten M & A-Welle hatte ihren Auf-
schwung zwischen 1916 und 1920 (Welle 2a). Obgleich die Verschärfung der Antitrustge-
setzgebung den Zusammenschluss von Unternehmen erschwerte, erfuhr der M & A-Markt
im Zuge der wieder seit 1914 prosperierenden Aktienmärkte ein Wiederbelebung. Dabei
stand das Streben nach marktbeherrschenden Positionen im Mittelpunkt der Übernahme-
aktivitäten. Aufgrund der Unterbindung von marktbeherrschenden Positionen durch die
Kartellgesetzgebung fanden jedoch weniger horizontale Diversifizierungsaktivitäten statt,
vielmehr wurden zunehmend vor- und nachgelagerte Unternehmen erworben, was zu
einer höheren Anzahl an vertikalen Integrationen führte.
Erst am 23.11.1954, ein Vierteljahrhundert nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise und
nach einem weiteren desaströsen Weltkrieg, erreichte der Dow Jones Index wieder sein
Allzeithoch von 381 Punkten vom 03.09.1929. Danach kam es bis zu den 1960er-Jahren
auch zu keinen signifikanten M & A-Aktivitäten mehr. Erst angetrieben durch neue theore-
tische Überlegungen kam es etwa ab 1963 zu einer neuen, der dritten M & A-Welle.
11 Diese Preissteigerung war die Auswirkung eines Beschlusses der Organisation der Erdölexportierenden
Staaten (OPEC) im Oktober 1973 das Ölangebots um 5% gegenüber dem Niveau vom September 1973
zu reduzieren. Dies war eine Reaktion auf den Yom-Kippur-Krieg, wo Israel mit seinen Truppen nicht
weit vor Kairo und Damaskus stand.
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»Leveraged Buy-outs« und »Junk Bonds«: In den USA wurde 1988 ein Allzeithoch hin-
sichtlich des Transaktionsvolumens aufgestellt, obgleich die Anzahl der Transaktionen seit
1986 stark zurückgegangen war. Der Durchschnittswert einer Transaktion erreichte etwa
110 Mio. US-$. Eine wichtige Voraussetzung für dieses Phänomen war die parallele Wei-
terentwicklung auf den Finanzmärkten. Der enorme Kapitalbedarf für die Realisierung
der Übernahmen wurde vorwiegend durch die Aufnahme von Fremdkapital gedeckt. Die
in den Vereinigten Staaten vorherrschende steuerliche Begünstigung von Fremdkapital ge-
genüber Eigenkapital unterstützte die Durchführung sog. Leveraged Buy-outs (LBO). Eine
Erhöhung des Verschuldungsgrades ließ den Unternehmenswert steigen, und gleichzeitig
wurde durch die Hebelkraft des Fremdkapitals die Eigenkapitalrendite gesteigert. Das
Fremdkapital wurde häufig nicht nur vom Käufer des Zielunternehmens aufgebracht, viel-
mehr entwickelte sich bald ein Markt für sog. Junk Bonds, hochverzinsliche Anleihen, die
allerdings mit einem überdurchschnittlichen Risiko behaftet waren. Dem Investmenthaus
Drexel Burnham Lambert mit dem Junk-Bonds-König Michael Milken gelang es, einen
Markt für diese Papiere zu organisieren, wodurch ein großes Finanzierungspotenzial für
Unternehmensübernahmen geschaffen wurde.
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In Kürze zog die Aussicht auf gewaltige Gewinne Anleger an, die in die neu kreierten
Junk-Bonds-Fonds investierten. Der Markt für diese Papiere wuchs bis zum Jahr 1989 auf
ein Volumen von über 200 Mrd. US-$ an. Bereits in dieser Phase kam es zu einer ganzen
Reihe von Mega-Mergern. Dazu zählte z. B. der Kauf von GulfOil durch Chevron (25,1 Mrd.
US-$) oder die Akquisition von Kraft durch Philip Morris (13,1 Mrd. US-$). Kein Unterneh-
men schien vor einer Übernahme mehr sicher zu sein, denn die Größe allein schien an-
gesichts des unermesslichen Finanzierungspotenzials keinen Schutz vor unfreundlichen
Übernahmen, bei denen die Transaktion gegen den Willen des Managements des Objekts
durchgeführt wird, zu gewähren.
Einen Rückschlag erhielten die LBO-Aktivitäten im Jahr 1989. Bereits im Vorjahr wurden
dem Investmenthaus Drexel Burnham Lambert und seinem Junk-Bonds-Star Milken im
Rahmen des Boesky-Insider-Skandals zahlreiche Verstöße gegen die Börsen- und Wertpa-
piergesetze nachgewiesen. Als sich dann das erste LBO-finanzierte Unternehmen (Integ-
rated Resources) unter »Chapter 11« des amerikanischen Konkursrechtes stellen musste
und weitere Fälle folgten, wurden die Anleger auf die erhöhten Risiken der Junk Bonds
aufmerksam.
Im Laufe der Jahre wurden aufgrund der Euphorie immer waghalsigere LBO-Finanzie-
rungen durchgeführt, was zu einem rapiden Qualitätsverfall auf dem Junk-Bonds-Markt
führte. Viele Unternehmen waren derart verschuldet, dass die Zinslast die laufenden Er-
träge überstieg. Darüber hinaus stiegen die Kaufpreise der übernommenen Unternehmen
aufgrund der Konkurrenz der Corporate Raider in teilweise phantastische Dimensionen.
Als dann vor dem Hintergrund einer ersten Ernüchterung immer mehr Investoren ausstei-
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gen wollten, zeigte sich, dass der Junk-Bonds-Markt in vielen Teilbereichen illiquide war.
Dem steigenden Angebot standen keine Käufer gegenüber, und in kurzer Zeit brachen die
Kurse massiv ein.
Dieser Crash auf dem Junk-Bonds-Markt hatte einschneidende Folgen. Zum einen wur-
den die Vorschriften zur Kreditfinanzierung von Unternehmensübernahmen durch die US-
amerikanische Notenbank (Fed) verschärft. Dies geschah mit der Intention, die Qualität
des Fremdkapitals zu verbessern. Größere Auswirkungen ergaben sich auch für den Markt
für Unternehmenskontrolle. Zwar nahm die Anzahl der Unternehmenskäufe im Folgejahr
des Crashs sogar zu, allerdings verschoben viele große Unternehmen ihre Akquisitionsplä-
ne auf einen späteren Zeitpunkt, so dass nur wenige bedeutende Übernahmen durchge-
führt wurden. Vor allem sank die Anzahl der LBO-finanzierten Unternehmensübernahmen
ebenso drastisch ab wie die von Tender Offers.
Crash der Aktienmärkte: Im Oktober 1987 brach dann der Dow Jones angesichts der
zunehmenden Zweifel über die Werthaltigkeit vieler Papiere sowie der Unsicherheiten,
die von einer Erhöhung der kurzfristigen Zinsen durch die amerikanische Notenbank zur
Stützung des Wechselkurses ausgingen, um über 500 Punkte ein. Angesichts der über
den elektronischen Handel global vernetzten Finanzplätze weitete sich der Crash schnell
weltweit aus. In Japan setzte 1990 eine tiefe Rezession ein. Auch der drohende Zweite
Golfkrieg (»Desert Storm«) in den Jahren 1990/92 verunsicherte die Börsen. Doch mit
Kriegsbeginn erlebten die Börsen eine starke Belebung.
Mit dem Auslaufen der vierten M & A-Welle kam der strategischen Bewertung eines Un-
ternehmens wieder ein größerer Stellenwert zu. Dadurch gingen auch die hohen Über-
nahmeprämien, die sich am »Break-up-Value« eines Übernahmekandidaten orientierten,
zurück. So kam es zu einem vorübergehenden, insbesondere wertbezogenen Rückgang
der Akquisitionstätigkeiten bis Anfang der 1990er-Jahre. Doch schon kurz danach kam
der amerikanische Markt für Unternehmenskontrolle wieder in Stimmung. Bereits im Jahr
1992 konnten wieder größere Transaktionen registriert werden. Etwa ab 1998 kam es zu
teilweise massiven Überbewertungen und damit nachgelagert zu dramatischen Wertver-
nichtungen in Höhe von etwa 240 Mrd. US-$ bei den akquirierenden Unternehmen – was
auch bei weitem nicht durch die Wertsteigerungen bei den Zielunternehmen aufgehoben
wurde.12
Übertraf die Anzahl der Transaktionen 1997 bereits deutlich die alte Bestmarke aus
dem Jahr 1969, so lag 1995 auch das Gesamtvolumen der Transaktionen mit 356 Mrd.
US-$ weit über dem Hoch von 1989. Die Anzahl der Transaktionen stieg im Zeitraum von
1990 bis 2000 um das 5,4-fache auf über 11.000 Fälle mit einem Gesamtwert von 1.268
Mrd. US-$. Beim Durchschnittsvolumen einer Transaktion kam es zu mehr als einer Ver-
dopplung von 52 Mio. US-$ auf 114 Mio. US-$.
in diesen Geschäften überlebensfähig seien. Während dieser Phase erfolgte eine Vielzahl
aufsehenerregender Mega-Merger, oft tituliert als »Merger of Equals«, also eine Fusion
zweier gleichberechtigter Partner.14 Angesichts der Größe der involvierten Unternehmen
wurde oft mit eigenen Aktien als Währung bezahlt.
Parallel zur Globalisierung kam es in einigen noch eher fragmentierten Branchen zu einer
ganzen Reihe großer Konsolidierungsakquisitionen (»Roll-ups«); Abfallbeseitigung (z. B.
Waste Management) oder Autohandel (z. B. Republic Industries) sind Fälle aus dieser Zeit.
In der Bankenbranche führten regulatorische Änderungen zu erheblich veränderten
Ausgangsbedingungen: So gab 1999 der Financial Services Modernization Act den Banken
wieder die Möglichkeit, sich als Universalbank aufzustellen, was zuvor laut Glass-Steagall
Act untersagt war.
14 Allerdings gehen nur im Ausnahmefall beide Partner zu gleichen Teilen in die Eröffnungsbilanz ein.
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Internet als Grundlage neuer Geschäftsmodelle: Mitte der 1990er-Jahre begann auch
der Internetboom. Unmengen von neuen Unternehmen wurden gegründet, bei denen die
Nutzung des Internets im Zentrum des Geschäftsmodells stand. Es wurde davon aus-
gegangen, dass es zu einer Konvergenz der Medien-, Telekom- und Computerbranche
kommen würde. So zeigten z. B. Telekommunikationsunternehmen Interesse an Medien-
unternehmen, da sie nicht nur Bandbreiten liefern, sondern auch von margenträchtige-
ren Geschäften mit Inhalten profitieren wollten. Ergebnis waren branchenübergreifende
Transaktionen wie z. B. die sog. »Click & Mortar-Deals«.
Mit dem Internet erhielt das Konzept der »Returns on Scale« eine neue Dimension. In-
nerhalb von wenigen Wochen konnten in der »New Economy« global Kundenstämme in
einem Ausmaß aufgebaut werden, wozu zuvor Jahrzehnte benötigt worden waren (z. B.
bei Ebay oder Amazon).
Die Internetunternehmen zeigten auch einen vielfach nicht vergleichbares Herangehen
an das Thema M & A im Hinblick auf die Due Diligence, die Bewertung und vor allem auch
des Post Merger Managements. Unternehmen wie Adobe, Bay Networks, Cisco, Intel,
Microsoft oder Yahoo entwickelten sich – angetrieben durch die steigenden Börsenwerte
und hohen Wachstumserwartungen – zu wahren Akquisitionsmaschinen mit zum Teil
Dutzenden von Transaktionen im Jahr.
der fünften M & A-Welle ein Ende. In dieser Boomphase von 1991 bis 2000 wurden knapp
56.000 Fälle mit einem Gesamtwert von etwa 6.000 Mrd. US-$ registriert. Entsprechend
dramatisch fiel dann auch der Abschwung aus, als die Dotcom-Blase platzte.
Bereits vor dem Absturz der 5. M & A-Welle kriselte es in der Weltwirtschaft. So breite-
te sich die Asienkrise von 1997/98 mehr und mehr aus und die Welt war schon damals
wohl am Rande einer neuen Weltwirtschaftskrise. Doch die Anleger auf dem heimischen
US-Markt schienen sich davon vorerst nicht stören zu lassen, schließlich legten die Inter-
netwerte noch weiter zu. Neben den Zweifeln an der Werthaltigkeit der Börsenentwick-
lung machten sich in den USA auch zunehmend Konjunktursorgen breit, was schon im
Vorfeld der dramatischen Ereignisse um den 11.09.2001 zu Kursverlusten führte. Nach
diesem terroristischen Anschlag mit seinerzeit unvorstellbarer Brutalität gegen die USA
auf deren Heimterritorium war die Welt wie gelähmt. Die Uhren liefen in der Folge nicht
nur in den USA anders. Zudem wurden die Börsen von den im Zuge des Abschwungs
vorgenommenen riesigen Bilanzfälschungen, die im Jahr 2002 zum Zusammenbruch von
Großkonzernen wie Enron oder WorldCom führten, belastet. Im Jahr 2003 kam dann noch
der sich anbahnende Irak-Krieg hinzu, der die Kurse nochmals weiter nach unten drückte.
Aufgrund der Ereignisse Anfang des neuen Jahrtausends (Crash der Kapitalmärkte, ho-
he Misserfolgsquote bei M & A etc.), empfundener Unsicherheit (Gefahr von Terrorismus,
Ausbreitung von Seuchen etc.) und eines skeptischen Kapitalmarktes (en vogue war die
Konzentration auf das Kerngeschäft) war es zu einem gewissen Rückstau bei den Ak-
quisitionsaktivitäten der Unternehmen gekommen. Wegen der Angst der Aktionäre vor
Wertvernichtung schreckten viele Firmenchefs vor Investitionen in neue Geschäfte zu-
rück. Unter dem Druck ambitionierter Wachstumsstrategien und -ziele stieg die Risikobe-
reitschaft bei den Akquisitionen aber auch wieder. Auch die Kapitalmärkte erholten sich
überraschend schnell, und bereits im Jahr 2002 zeichnete sich in den USA der Beginn der
sechsten M & A-Welle ab. Was sich aufbaute, war die größte Welle – sowohl bezogen auf
die Anzahl der Transaktionen als auch auf deren Volumen. Auffallend an der sechsten
M & A-Welle war damit der Trend zur Größe: Während bspw. im Jahr 2004 das Transak-
tionsvolumen im Vergleich zum Vorjahr weltweit um 50% anstieg, betrug der Zuwachs
bezogen auf die Transaktionszahlen lediglich 11%.
In dieser Zeit war insbesondere das Umfeld für die Finanzierung von Akquisitionen
günstig. Erstens waren bei wachsenden Aktienmärkten die Aktien tendenziell hoch be-
wertet, ohne überbewertet zu sein. Zweitens verfügten die Unternehmen aus ihren Re-
strukturierungsprogrammen über umfassende Barreserven und hohe Cashflows. Die Un-
ternehmen hatten nach dem Platzen der New-Economy-Blase im Jahr 2000 weitgehend
ihre Bilanzen saniert. Und drittens war das Umfeld für Verschuldungen äußerst günstig,
da es ein Überangebot an sehr günstigem Fremdkapital gab.
die Globalisierung oder das Anstreben von führenden Marktpositionen in den Kernmärk-
ten der Unternehmen weiter. Zum anderen kam aber auch ein ganz wesentlicher neuer
Treiber hinzu: Es war die unaufhaltsame Bedeutungszunahme der Private Equity (PE)-
Unternehmen als Investoren.15
Aufgrund der wachsenden Anzahl der am Markt tätigen PE-Unternehmen war der Kampf
um attraktive Zielunternehmen deutlich gewachsen, was auch die Preise nach oben trieb.
Und nicht selten wurden Beteiligungen von einem PE-Unternehmen zum nächsten weiter-
gereicht. Daraus erwuchs die Herausforderungen noch weitere Quellen für Wertsteigerun-
gen zu identifizieren, denn beim ersten Eigentümer der Beteiligung dürften zur Realisie-
rung eines finanziell attraktiven Ausstiegs bereits die meisten der klassischen Werttreiber
zur Anwendung gelangt sein.
Dabei spielten die sog. Buy&Build-Strategien (oder »Leveraged Build-up«, »Strategic
Roll-up«, »Consolidation Play«) eine gewisse Rolle: In einer fragmentierten, aber meist
überdurchschnittlich wachsenden Branche mit Konsolidierungspotenzial erwirbt ein PE-
Unternehmen über einen LBO eine erste, initiale Beteiligung. Diese sog. »Plattform« wird
nach und nach durch eine ganze Reihe weiterer Unternehmenskäufe aus der gleichen
Branche ergänzt (»Add-on Acquisitions«), um aus der wachsenden Größe der Gruppe
Wirtschaftlichkeitsvorteile zu ziehen. Aufbauend auf der Plattformstrategie sucht der Käu-
fer nach Zielunternehmen mit einem hohen strategischen Fit, um Synergien auszuschöp-
fen, die dem Verkäufer in dieser Form nicht zur Verfügung stünden. Die Zielunternehmen
bleiben dabei rechtlich selbständige Einheiten.
Mit einem etwas »neidvollen Blick« schauten einige strategische Käufer auf die Erfolge
der PE-Unternehmen, die teilweise in kurzer Zeit erstaunliche Wertsteigerungen bei ihren
Anlageobjekten erzielen konnten. So konnte z. B. bei den Verkäufen von Dex Media und
Texas Genco innerhalb einer Jahresfrist der Einstiegspreis beim Ausstieg um ein Vielfa-
ches übertroffen werden. Die Ersten begannen sich zu fragen, ob die PE-Unternehmen die
»Konglomerate der Zukunft« sein würden.17
Umbau der Wirtschaft und zunehmender »Shareholder Activism«: In dieser Phase wa-
ren es nicht nur ein paar wenige Branchen, die die Entwicklung vorantrieben, sondern der
17 Vgl. Financial Times vom 31.10.2006: »Shades of old conglomerates in private equity trend«.
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Umbau der Wirtschaft der westlichen Industrieländer passierte auf voller Breite: Insbesonde-
re im Technologiesektor wurde akquiriert. Historisch bemerkenswert war, dass im gleichen
Jahr, in dem AT&T als »Mutter« der Telekommunikationsbranche als unabhängiges Un-
ternehmen verschwand, eine ablösende Technologie (»Voice over IP«) durch den Verkauf
des Start-up-Unternehmens Skype an Ebay besondere Aufmerksamkeit erfuhr – wobei sich
diese Transaktion später als nicht erfolgreich herausstellte.
18 In Deutschland war die Geschäftsleitung der Deutschen Börse bei ihrem Übernahmeversuch der Lon-
doner Börse seitens zweier Hedgefonds eines der ersten Unternehmen, das diesen zunehmenden Ak-
tivismus der Aktionäre zu verspüren bekam.
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ken Fannie Mae und Freddie Mac mit 400 Mrd. US-$ vor dem Ruin gerettet werden. Die
Steuerzahler mussten für krasse Fehlentscheidungen und Hybris im Bankmanagement
einstehen. Wem nicht mehr geholfen wurde, das war die traditionsreiche Investmentbank
Lehman Brothers, die am 15.09.2008 ihre Insolvenz anmeldete. Ca. 28.000 Mitarbeiter
verloren ihre Arbeit.
Auch die starke Zunahme von »Distressed M & A« (im Unterschied zu »Healthy M & A«)
im Jahr 2009 zeigte, wie zugespitzt die Situation in manchen Branchen bzw. bei ein-
zelnen Unternehmen war. Es handelt sich dabei um Transaktionen, die aus der Not
heraus entstehen und unter höchstem Zeitdruck – und damit auch mit entsprechender
Ungenauigkeit – durchzuführen sind. Große Risiken gehen mit großen Chancen – we-
gen der meist sehr niedrigen Preise – Hand in Hand. Dazu zählten kurz nach Ausbruch
der Krise die meisten Transaktionen in der Bankenbranche, es folgten aber auch andere
Branchen, wie etwa die Automobilbranche mit den Unsicherheiten um die drei großen
US-Autokonzerne.
Ein wesentlicher Grund für die negative Entwicklung bei den M & A-Transaktionen seit
2007 war die starke Zurückhaltung, die die Banken aufgrund der Schwierigkeiten bei der
kurzfristigen Refinanzierung bei der Vergabe von Krediten ausübten. Die Zurückhaltung
hatte nicht nur dazu geführt, dass die strategischen Käufer seltener geworden sind, son-
dern auch dazu, dass die PE-Unternehmen – die in den USA zuvor etwa ein Viertel des
M & A-Volumens abdeckten – auf dem Markt kaum noch wahrnehmbar waren. Damit ging
auch ein wichtiger Wettbewerbstreiber in Auktionen von Unternehmen verloren. Doch
auch auf der Verkäuferseite haben die durch die Rezessionsängste geprägten Perspekti-
ven generell das Preisniveau deutlich sinken lassen, weshalb die Akteure tendenziell eher
nicht verkaufen wollten, es sei denn, man musste. Zerfallende EBIT-Multiples erzeugten
auf der Käuferseite zudem eher eine abwartende Haltung, da die Kaufobjekte später auch
noch günstiger zu erstehen sein könnten.
Die Wertvernichtungen der sechsten Welle übertrafen die der fünften Welle. Allein
die Abschreibungen der Banken werden sich auf mindestens 1.500 Mrd. US-$ belaufen.
Doch so sicher wie es zum Abschwung der sechsten M & A-Welle kam, so sicher wird es
wieder einen Aufschwung zu einer siebten M & A-Welle geben. Auch diese wird wieder
ihre historisch ganz spezifischen Treiber, ihr eigenes Corporate-Strategy-Paradigma haben.
In Turnaround-Situationen werden die Unternehmen die Nase vorne haben, die Cash-
flow-stark sind und sich nicht dem Druck zu einem möglichst weitgehenden »Leveraging«
ihrer Bilanz gebeugt haben.19 Sie können sich ergebende Opportunitäten wahrnehmen.
Sie können aber auch zur Absicherung ihrer Geschäfte den eigenen Lieferanten und Kun-
den helfen, finanziell kritische Situationen zu überstehen. Doch spannender ist die Frage:
Was werden danach die inhaltlichen Treiber einer siebten M & A-Welle sein? Auch wenn
das Tal nach der sechsten Welle durchschritten sein dürfte, so ist eine siebte Welle der-
zeit nicht erkennbar. In den Jahren 2010 und 2011 zog der Markt für M & A-Transaktionen
zwar wieder etwas an. Von einem neuen Boom konnte hier allerdings noch nicht gespro-
chen werden. Angesichts der vielen offenen weltwirtschaftlichen Fragen verhielten sich
viele Investoren zurückhaltend und unterhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten. Treiber
19 Ende 2007 hatte Goldman Sachs mit einem Eigenkapital von 43 Mrd. US-$ Wertpapiere in Höhe von
1.000 Mrd. US-$ erworben.
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f) Vergleichende Betrachtung
Betrachtet man nun einmal die in Abbildung 1 dargestellte Entwicklung der M & A-Transak-
tionen in den USA, so lässt sich fragen, was hier ganz allgemein auffällt. Man vergleiche
dazu Abbildung 3.
Zunächst fällt auf, dass es sich bei M & A über den betrachteten Zeitraum offensichtlich
um ein tendenziell zunehmendes Phänomen handelt – dies gilt auch noch, wenn man die
68
Aufschwung • Industrialisierung • Vertikale M&A • Celler-Kefauer Act • Liberalisierung von • Vielzahl von Treiber: • Private Equity-
der Wirtschaft führt dominieren von 1950 schränkt Monopol- und Globalisierung & Unternehmen
teilweise zur • 1916–20: nun auch vertikale Steuergesetzgebung Konsolidierung, etablieren sich als
Monopolbildung Kriegsgewinne Akquisitionen ein. • Deregulierung von Liberalisierung & dritte Kraft im
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durch horizontale lassen die USA zur • Ausweichen auf Märkten Deregulierung, Kapitalmarkt
M&A grössten Handels- unverbundene Shareholder Value • Zunehmender
• Erhöhung des Fo- und Internet
nation werden. M&A (Diversifika- kus auf das Kern- Shareholder-
II. M & A-Wellen: Ursachen und Verlauf
Abschwung • Shermann Act von • 1920/21: Rezession • 1970: Schneller • 1987: Crash der • 2000: »Platzen des • 2007: Die
1890 wird ab 1901 folgt auf Rückfall der Aktienmärkte Dotcom-Bubbles«: beginnende
unter Roosevelt Nachfragerück- Transaktionen auf • Verstärkt wurde Zweifel an »Subprime-Krise«
auch zur Anwen- gang nach Niveau wie zu dies durch den Werthaltigkeit löst eine gewaltige
dung gebracht: Kriegsende Beginn der Welle neuen automati- • Firmenzusammen- Finanzkrise aus,
untersagt Abspra- • 1929: Beginn der wegen Stagflation, sierten Handel über brüche aufgrund die sich zu einer
chen und Monopol- lange anhaltenden Dollarabwertun- Computer von Bilanzfälsch- globalen Wirt-
bildung Weltwirtschafts- gen, stark steigen- ungen (z.B. Enron, schaftskrise
• Auch der Markt für
krise dem Ölpreis etc. WorldCom) ausweitet.
die neuen Junk
Bonds bricht ein. • »Distressed M&A«
Dominante • Vorteile aus • Vorteile aus • Vorteile aus • Vorteile aus • Vorteile aus • Vorteile aus
Wertsteige- Marktberrschung Beherrschung der Diversifikation und Unterbewertung globalen Finanzoptimierung
rungslogik Wertkette Risikostreuung Skaleneffekten
Ereignisse • 1907: Erdbeben • 1914–1919: • 1973: Ende von • 1990: Japan-Krise • September 09/2011 • 2008: Insolvenz von
von San Francisco Erster Weltkrieg Bretton Woods • 1990/91: Golfkrieg • 1993: Irak-Krieg Lehmann
• 1973: Ölkrise »Desert Storm« • 97/98: Asienkrise
Wellen im Verhältnis zur größer gewordenen Wirtschaft der USA sieht.20 Wie bereits an-
gesprochen, scheint diese Entwicklung zyklisch in Wellen stattzufinden: Perioden geringer
und hoher M & A-Aktivität wechseln sich regelmäßig ab. Über den betrachteten Zeitraum
ließen sich die sechs M & A-Wellen, die in Kapitel a) beschrieben wurden und in Abbil-
dung 3 zusammenfassend dargestellt sind, beobachten.21
Die Dauer des Aufschwungs vom Tief- bis zum Höchstpunkt beträgt zwischen vier und
neun Jahre. Tendenziell kürzer ist die Zeitspanne vom Höchst- zum Tiefpunkt. Er liegt bei
zwei bis vier Jahren, auch wenn es bei der dritten Welle einen Ausreißer gibt.
Über die Jahrtausendwende hat sich der Markt dabei auf ein neues Niveau hochka-
tapultiert. Die Spitzen der Wellen haben sich gegenüber der Spitze der dritten Welle im
Jahr 1969 in etwa verdoppelt; während das untere Plateau, auf das die Anzahl der Trans-
aktionen im Tief zurückfällt, sich gegenüber der dritten Welle (1980 versus 2002) sogar
mehr als vervierfacht hat.
Der Abstand zwischen den Höhepunkten der einzelnen Wellen scheint sich tenden-
ziell zu verkürzen: 30 Jahre (von 1899 bis 1929), 40 Jahre (von 1929 bis 1969), 18 Jahre
(von 1969 bis 1987), 13 Jahre (von 1987 bis 2000) sowie sechs Jahre (von 2000 bis 2006).
Demzufolge ist die Frequenz der Wellen höher geworden, d. h. sie treten häufiger auf.
20 Das Bruttoinlandsprodukt der USA hat sich von 1980 bis 2009 etwa verfünffacht.
21 Es gilt zu beachten, dass diese konsolidierte Betrachtung der M & A-Wellen Unterschiede in den M & A-
Entwicklungsmustern in den Branchen überdeckt. Diese bestehen aber, speziell dann, wenn es bezogen
auf die jeweiligen Branchen zu markanten Veränderungen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen
kam. Vgl. dazu Mitchell/Mulherin (1996).
22 Vgl. Brealey/Myers (2002).
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einer Welle zu verkaufen (falls man an Verkauf denkt), da es sich dann zumeist um einen
Verkäufermarkt handelt und sehr hohe Preise bezahlt werden; oder z. B. auf dem Tief-
punkt einer Welle in neue Engagements einsteigen, wenn viele Unternehmen stark unter-
bewertet sind. Wer diese Form des antizyklischen Verhaltens beherrscht, kann erhebliche
Vorteile daraus generieren.
Wenngleich M & A-Wellen somit in erster Linie ein makroökonomisches Phänomen sind,
so haben sie doch erhebliche Auswirkungen auf den individuellen M & A-Erfolg. Im Auf-
schwung geht es um verpasste Opportunitäten. Und da dem Aufschwung auch immer
ein Abschwung folgt, birgt schlechtes Timing, vor allem im Überschwang der Märkte, die
Gefahren zu hoher Preisprämien und der Verschuldung.23
a) Bestehende Erklärungsansätze
Aufgrund der Bedeutung des Phänomens M & A gibt es natürlich auch eine ganze Reihe
von Prozesserklärungen für das Entstehen, Brechen und Auslaufen von M & A-Welle. Im
Kern lassen sich vier Arten von Erklärungsansätzen unterscheiden: (1) Makroökonomi-
sche Theorien, (2)Verhaltenstheorien, (3) Soziologische Theorien und (4) Power-Law-
Theorien.24
Wirtschaft.27 M & A-Wellen gingen damit auch mit prosperierenden Aktienmärkten einher,
da letztere der Akquisitionswährung Aktie Auftrieb gewähren und generell von höherer
Marktliquidität geprägt sind. Entsprechend wirke auch ein rückläufiger Aktienmarkt auf
Transaktionszahl und -volumen: So waren mehr oder minder ausgeprägte Rückgänge bzw.
Crashs am Ende aller Wellen zu verzeichnen: Welle eins im Jahr 1900, Welle zwei a und
zwei b in den Jahren 1920 und 1929/30, Welle drei im Jahr 1970, Welle vier im Jahr 1987,
Welle fünf im Jahr 2000 sowie Welle sechs im Jahr 2007. In der sechsten M & A-Welle liefen
die Entwicklungen von Transaktionsanzahl und -volumen sogar dem Dow Jones Index
voraus und hätten somit eine Frühwarnfunktion übernehmen können. Was diese Theorie
allerdings nicht erklärt ist, warum nach ihrem Aufschwingen eine Welle bricht.
bb) Verhaltenstheorien
Die obigen Erklärungsansätze basieren auf der Annahme effizienter Märkte und rational
handelnder Manager. Doch handeln Manager wirklich so rational im Sinne des Unter-
nehmens, wie wir es gerne hätten?32 Werden nicht auch oft einfache, erfahrungsbasierte
Faustregeln zur Anwendung gebracht oder auch stark im Eigeninteresse gehandelt? Und
sind diese Märkte wirklich so effizient wie unterstellt?33 Man erinnere sich nur an das
Internet-Bubble Ende der 1990er-Jahre oder an die Finanz- und Wirtschaftskrise in 2006.
Wenn alle Akteure gleich rational handeln würden, dann müssten doch auch bei allen
die M & A-Aktivitäten gleich intensiv sein. Realistischer ist wohl, dass sie nur begrenzt ra-
tional handeln aufgrund beschränkter kognitiver Kapazitäten. Auch geben sie sich meist
mit realistischen Zielen zufrieden und maximieren nicht unbedingt unentwegt. Daraus
resultierende Ineffizienzen führen entweder zu organisatorischen Slack (z. B. ungenutzte
Ressourcen) oder zu einer Performance unterhalb der Erwartungen des Managements,
worauf man wiederum mit einer Suche nach neuen Akquisitionen reagiert.34
Zudem lässt jede M & A-Transaktion in einem ineffizienten Markt die Erwartung der
anderen Akteure wachsen, dass es hier etwas Lukratives zu holen gibt (hohe Synergien),
was wiederum weitere M & A-Aktivitäten antreibt.35 Man kann die M & A-Wellen dann auch
als Modeerscheinung interpretieren:36 Man kauft in einer dieser M & A-Wellen Unterneh-
men, weil gerade alle anderen auch Unternehmen auf Basis einer ähnlichen Logik kaufen,
und umgekehrt (Herdenverhalten). Jedoch mit jeder zusätzlichen Transaktion reduzieren
sich die Erwartungen noch erzielbarer Synergien (auch angesichts der gestiegenen Preise),
bis der Punkt gefunden ist, wo man weiß wie viele Synergien wirklich genutzt werden
können. Der M & A-Markt bricht dann ein, wenn dieser Wert unter dem liegt, der bislang
in das bezahlte Premium eingeflossen ist.37 Nun wird man auch wieder mit Cash bezah-
len. D.h., dass das Arbitrieren von Käufer- und Ziel-Aktien einen ineffizienten Markt zu
Transaktionen und dann zum Kollaps treibt.
dd) Power-Law-Theorien
Betrachtet man die bisher dargelegten Erklärungsansätze, dann geben sie alle nur Teilhin-
weise auf das zu erklärende Phänomen der M & A-Wellen. Als handelnder Akteur erlauben
sie einem aber nicht, sich ein allgemein taugliches Gesamtbild zum Entstehen und Verge-
hen von M & A-Wellen zu machen. Eine Hilfestellung für eine mehr integrierende Sichtwei-
se kann hier aus der Komplexitätstheorie mit den sogenannten »Power Laws« kommen.39
In den obigen Theorien wird dem Verlauf der Wellen eine gewisse Linearität unterstellt,
nach der die Transaktionsvolumen in einer Welle dem Verlauf einer Glockenkurve folgen
würden. Doch türmen sich diese Wellen nicht eher nach und nach auf und brechen dann
relativ abrupt in sich zusammen?40 Verfolgt man diesen Gedanken, dann gelangt man zu
einer anderen Beschreibung des Ablaufs einer M & A-Welle. Nach ihr konstituieren sich
M & A-Wellen aus einer selbstorganisierenden Eigendynamik: Aus einer Summe von Mikro-
Ereignissen wird ein Makro-Phänomen.
In einer Ökologie von Unternehmen konkurrieren Unternehmen um knappe Ressour-
cen. Dieser Wettbewerb erzeugt immer wieder Druck und Spannungen in der Ökologie,
die das System als Teil einer evolutionären Dynamik in eine gewisse Instabilität bringt.
Bildhaft gesprochen staut sich etwas auf im System. Neue Hypothesen zu neuen Wert-
schöpfungsmöglichkeiten entstehen, die zu Bewertungsunterschieden führen. Man beob-
achtet sich und der Einzelne fragt sich, ob er schon handeln soll. So schaukelt sich ein
Systemzustand auf, der nach Überschreiten eines kritischen Punktes Aktivitäten auslöst,
über die das System wieder zu einem gewissen Ausgleich zu kommen versucht. Das Auf-
gestaute löst sich dann über einen Ausgleichsmechanismus. M & A ist ein solcher Mecha-
nismus, über den dies stattfinden kann. Das Entstehen einer M & A-Welle ist dann ein Ma-
kroebenen-Boom-Muster, das aus einem Mikroebenen-Ressourcenwettbewerb herrührt.
Nun türmt sich die Welle weiter auf. Die Welle überschreitet dann auch den Punkt wo
der – rückwärts betrachtet – »wahre« Wert liegt, d. h. der Markt wird nun immer ineffi-
zienter. Doch nun tauchen auch erste Bedenken auf. Nach und nach geht der Glaube an
die Werthaltigkeit der letzten Transaktion verloren. Der Abstieg beginnt, wenn die Unter-
nehmen nicht mehr in der Lage sind, die Dividenden für eine überkapitalisierte Aktie zu
bezahlen. Nun bricht die Welle. An den Börsen brechen die Kurse ein.
Nun wissen wir etwas zur Verteilung der Welle, aber immer noch nichts dazu, warum
es dazu kam. Lässt sich ein robustes Prozessmuster entdecken, das uns zu erklären ver-
mag, was die Voraussetzungen dafür sind, dass es zu einer solchen M & A-Welle kommt?
Oft wird ein zentraler Treiber unterstellt, der eine Welle verursacht. Doch sind diese Wel-
len nicht eher Ergebnis eines spezifischen Zusammenwirkens mehrerer Faktoren seitens
einer Vielzahl von Akteuren? Dieser Gedanke soll im Folgenden aufgegriffen werden.
Ziel dieses Abschnitts ist es, eine Art Mechanik aufzuzeigen, die den Ablauf einer M & A-
Welle zu erklären vermag. Die Frage ist, ob es ein einigermaßen robustes Prozessmuster
39 Vgl. Bak (1996) und zu den folgenden Ausführungen insbesondere Park/Morel/Madhavan (2010).
40 Vgl. Lovejoy (1927) und Andriani/McKelvey (2007).
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ist, das über alle M & A-Wellen hinweg eine gewisse Gültigkeit besitzt. Dabei bauen wir
auf den Forschungen von Park/Morel/Madhavan (2010) auf.
Der Prozessablauf lässt sich in vier Phasen untergliedern: (1) Die Initialzündung, (2)
Die Emergenz der Voraussetzungen, (3) Das Erlangen von Momentum, (4) Überhitzung
und Abbruch. In Abbildung 4 wird dies veranschaulicht.
Regulatorischer Subprozess:
Geschäftsfördernde Liberale
regulatorische Wettbewerbs- Öffentliches Antitrust-
Rahmen- M&A Aufbegehren Regulierung
aufsicht
bedingungen
Politiker
Strategischer Subprozess:
neue technisch- Neue
Wettbewerb/ Effizienz- Wirtschaftlicher
ökonomische Wertschöpfungs-
Konsolidierung M&A
M&A verluste Abschwung
Entwicklung(en) potenziale Strategen
Manager
Finanzieller Subprozess:
Neue Nutzung von
Kursunter- Fehl- Börsen-
Investitions- M&A crash
schieden bewertungen
möglichkeiten
Finanziers
Abb. 4: Das Prozessmodell einer M & A-Welle (Quelle: In Anlehnung an Park/Madhavan 2010)
Bei der ersten große M & A-Welle von 1898 bis 1903 war dies das Entstehen eines Netzwerks
von Eisenbahnlinien in den USA über das Güter über lange Distanzen transportiert werden
konnten. Aufgebaut wurde dieses Netzwerk zu militärischen Zwecken, um im Bürgerkrieg
Truppentransporte auf große Entfernungen durchführen zu können. Doch später wurde es
privatisiert, was den Unternehmen Wachstumschancen bot. Die Eisenbahngesellschaften
wurden dabei zu den Pionieren eines modernen Managements.41
Eine M & A-Welle hat damit ihren Ausgangspunkt am unteren Wendepunkt. Es handelt sich
meist um das Ende einer rezessiven Phase, die von mehr oder minder großen Wertver-
nichtungen begleitet war. Viele Unternehmen sind angeschlagen, und ihre Cashflows sind
dürftig. Doch einige der überlebenden Unternehmen gehen gestärkt aus der Krise hervor:
Sie haben zügig ihre Organisation verschlankt, die Kostenstrukturen verbessert, sich von
nicht passenden Randgeschäften getrennt etc. Geld aus der erfolgreichen Bewältigung der
vorangegangenen Rezession wartet auf Anlage. Sobald die Volatilität der Märkte wieder
auf ein Normalniveau zurückgekehrt ist und die Nachfrage wieder etwas wächst, suchen
sie nach neuen Wachstumsimpulsen. Dazu zählt auch der frühe Einstieg bei Unterneh-
men, die nun noch günstig bewertet sind. Dieser Umschwung wird vielfach noch durch
ein niedriges Zinsniveau begünstigt.
Der strategische Subprozess: Die Manager in den Unternehmen beginnen in der Initial-
zündung für sich eine Chance zur Erschließung eines neuen Wertschöpfungspotenzials
(z. B. in Form der Ausweitung ihrer Märkte) zu sehen. Eine neue Logik zur Wertsteige-
rung zeichnet sich ab, die zunehmend die mentalen Strukturen der Entscheidungsträger
zu prägen beginnt. Langsam entstehen erste Annahmen und Experimente zu zukünftig
erschließbarem Wachstum.
Betrachtet man die fünfte Welle, so war dort der Initialzünder die Emergenz des Internets.
Nach und nach erkannten die Manager die Chancen auf globale Skaleneffekte, die das In-
ternet zu ermöglichen vermag, sowie die verschiedenen Funktionen, die es übernehmen
kann.
Ihren Ausgang hat eine solche neue Logik oft in den genannten Verwerfungen und
Schocks aus dem sozio-ökonomischen Umfeld. Dies können technologische Durchbrü-
che sein, geostrategische Veränderungen, neuartige Kundenbedürfnisse etc. Da Unterneh-
men aufgrund damit verbundener Prognoseunsicherheiten auf derartige Verwerfungen
unterschiedlich schnell reagieren, entsteht eine breite Streuung der Zukunftserwartungen
auf den Unternehmensebenen, was sich z. B. in breiteren Spannen an Bewertungen und
Preisvorstellungen bei M & A-Verhandlungen niederschlägt. Doch es kommt zu einer ersten
Häufung, zumindest individuell rationaler M & A-Transaktionen. M & A wird hier als Reak-
tion und Instrument zur Erschließung der neuen, zukünftigen Wertsteigerungspotenziale
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betrachtet. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn die dominante Logik zur optimalen
Wertschöpfungstiefe von Unternehmen in einer Branche zu kippen beginnt.
(1) Apple kauft den Mikrochiphersteller PA Semi: Etwa seit 2007 ist erkennbar, dass App-
le sich anstellte, wieder eigene Chips zu produzieren, trotz der damit verbundenen
hohen Entwicklungskosten. Im Kern geht es dabei um die Faktoren Innovation und
Intellectual Property. Über den Chip können Elemente wie Handschrifterkennung,
Energieeffizienz oder Videoqualität in mobilen Endgeräten wesentlich beeinflusst wer-
den. Lässt Apple die Chips durch Unternehmen wie z. B. Samsung herstellen, besteht
die Gefahr, dass damit auch der Konkurrenz Know-how zugänglich wird. Stellt Apple
die Chips selbst her, sind die Innovationen unter eigener Kontrolle und sie werden im
Allgemeinen auch beschleunigt. Um diese neue Strategie umzusetzen, hatte Apple bis
Mitte 2009 bereits eine ganze Reihe hochrangiger Experten auf diesem Gebiet von der
Konkurrenz abgeworben.
(2) Oracle übernimmt Sun: »I am very surprised. I have to think about it.« – so soll die
spontane Reaktion von Steve Ballmer, CEO von Microsoft, gewesen sein, als er am
20.04.2009 davon hörte, dass Oracle für 7,4 Mrd. US-$ Sun übernehmen werde. Der
Preis wurde mit 9,50 US-$ pro Aktie beziffert, was in etwa einem 8-fachen EBIT-
Multiple entspricht. Oracle ist im Kern ein Softwareunternehmen (Datenbanken und
Unternehmenssoftware). Seit 2005 hat Oracle ca. 30 Mrd. US-$ in den Kauf von etwa
50 Unternehmen wie People-Soft, Siebel oder BEA investiert. Sun ist dagegen im Kern
nicht nur ein Hardwareunternehmen (Server und Speichergeräte/-einheiten). Die Spei-
cherhardware musste immer mit der passenden Software zu einem Speichersystem
gekoppelt werden. Das Unternehmen hatte sich nie so richtig vom Platzen der Dot.
com-Blase erholt, und es war kein Geheimnis, dass es auf der Suche nach einem pas-
senden Käufer war. Im Portfolio von Sun gab es zwei Perlen, die für Oracle interessant
waren. Die eine war die Programmiersprache Java, mittels derer viele Unternehmens-
softwarepakete und auch die Software von Mobiltelefonen betrieben werden. Die an-
dere war Solaris, ein Betriebssystem auf dem viele Oracle-Datenbanken laufen. Über
beides verfügen zu können, würde Oracle verschiedene Optimierungsmöglichkeiten
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bieten. Auch verfügte Sun über eine große Anzahl von Open Source-Software und
-Unternehmen. Sun erwarb diese Software in der Hoffnung, dass deren Nutzer dann
die teuren Sun-Geräte kaufen würden. War diese Akquisition damit eine Transaktion,
die primär auf die Software-Assets von Sun abzielte, und würde Oracle deshalb die
Hardware bald wieder abstoßen?
Neben diesen beiden Transaktionen ließen sich weitere Indizien ausmachen: Vertikal vor-
wärts diversifiziert hat z. B. auch Hewlett-Packard (HP) schon vor Jahren mit der Über-
nahme der Beratungsaktivitäten von PricewaterhouseCoopers (PwC), später mit dem Kauf
des IT-Dienstleisters Electronic Data Systems Corp (EDS) und aktuell mit der Akquisition
des britischen Softwareproduzenten Autonomy. Man wollte damit wohl den Schwerpunkt
in das margenträchtigere Dienstleistungsgeschäft verlagern. Ein anderes Beispiel ist Cisco.
Das Unternehmen wollte mit einer Reihe von Allianz-Partnern beginnen, Server im Sinne
von Datenzentren zu bauen. Waren dies nun alles Sonderfälle oder sind dies Hinweise auf
einen fundamentalen Wandel der Logik, nach der die Wertschöpfungsarchitekturen der
führenden Unternehmen in dieser Branche konzipiert sind?
Jede M & A-Welle ist demnach von einer ganz spezifischen Wertsteigerungslogik geprägt.
Sie spiegelt das im Management allgemein vorherrschende Denken zur Entwicklung des
Geschäftsmodells wider. Diese Wertsteigerungslogik indiziert zu der jeweiligen Zeit, wie
Unternehmen – zumindest »auf dem Papier«– gedenken, in der Zukunft ökonomisch er-
folgreich sein. Daraus sollen sich dann auch den Aktienkurs treibende Wertsteigerungs-
phantasien für die Investoren ergeben. Die steigenden Aktienkurse wirken dann verstär-
kend auf die Entwicklung, da sie den Unternehmen höhere Investitionen ermöglichen.
Rückwirkend angewendet auf die einzelnen M & A-Wellen stellt sich das wie folgt dar
(vgl. auch Abbildung 3):
• Zur Zeit der ersten M & A-Welle war die Annahme, dass sich Vorteile aus einer Markt-
beherrschung in Form von »Economies of Scale« erwirtschaften lassen. Je größer der
eigene Marktanteil ist, desto größer sind auch diese Wirtschaftlichkeitseffekte aufgrund
günstigerer Kostenstrukturen.
• Der zweiten M & A-Welle lag die Logik zugrunde, dass sich Vorteile aus einer möglichst
weitgehenden Beherrschung der Wertschöpfungskette eines Geschäfts ergeben. In der Art
kontrollierten Unternehmen den gesamten »Profit Pool« dieses Geschäfts und sahen
sich resistent gegenüber Verschiebungen des Profitanfalls innerhalb der Wertkette.
• Bei der dritten M & A-Welle wurde angenommen, dass Konglomerate langfristig Vorteile
aufgrund ihrer Diversifikation und Risikostreuung zu erzielen vermögen.
• Zur Zeit der vierten M & A-Welle wurden Investoren mit neuen Finanzierungsinstru-
menten (LBO) in die Lage versetzt, auch ohne viel Eigenkapital große Unternehmen
bestehend aus mehreren Geschäftsfeldern zu übernehmen. Die Vorteile lagen in deren
Unterbewertung. Die Konglomerate wurden aufgebrochen und in Einzelteilen verkauft.
Annahme war, dass das Ganze weniger wert ist als die Summe seiner Teile.
• In der Phase der fünften M & A-Welle dachten die Käuferunternehmen, sie könnten
Vorteile aufgrund erst neuerdings global erschließbarer Skaleneffekte erlangen. Diese
ergaben sich einerseits aus der Deregulierung und Liberalisierung von Ländermärkten,
andererseits aber auch aus der Nutzung des Internets; diese Technologie ermöglichte
es, innerhalb von nur wenigen Wochen Kundenstämme aufzubauen, für deren Aufbau
zuvor vielleicht Jahrzehnte vonnöten waren.
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• Die Phase der sechsten M&A-Welle war sehr stark geprägt von den Vorteilen durch finanz-
technische Optimierung in einer Unternehmensgruppe. Dies geschah zu einem wesent-
lichen Teil durch die neue Konkurrenz der PE-Unternehmen als Bieter auf dem Markt
für Unternehmenskontrolle; sie bedienten sich tendenziell anderer Wertsteigerungs-
hebel als die klassischen Konzerne, was wiederum dazu führte, dass auch bei diesen
Unternehmen die Bereitschaft zu einem aktiven Portfolio-Management wuchs.
Der regulatorische Subprozess: Weiter werden M & A-Wellen begünstigt durch einen frei-
zügigen regulatorischen Rahmen, damit sich eine M & A-Strategie auch wirklich umfassend
durchsetzen kann.42
So autorisierte in der fünften Welle die Clinton-Administration das Internet für kommer-
zielle Zwecke. Ein republikanischer Kongress sorgte weiter für eine freizügige Auslegung
der Kartellgesetze und einige Schlüsselbranchen wurden zur Steigerung des Wettbewerbs
dereguliert.
Der finanzielle Subprozess: Für die Finanziers der Wirtschaft entstehen nun neue Inves-
titionsmöglichkeiten. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, dass die Wirtschaft
die Erschließung ihrer Wachstumspotenziale auch finanzieren kann. Starke Kapitalmärkte
treiben den M & A Markt. Nicht selten führt diese auch zur Entwicklung kreativer Finan-
zierungsmethoden.
So wurden in der fünften Welle viele Transaktionen über Venture Capital und Private Equi-
ty, das als dritte Kraft im Kapitalmarkt gerade entstand, finanziert. Über die Organisation
sogenannter Club Deals konnten die Private Equity-Unternehmen über die Zeit auch große
Transaktionen finanziell meistern.
Der strategische Subprozess: Der Aufschwung gewinnt dann Momentum, wenn die
M & A-Investitionen derer, die zuerst ihre Wetten auf eine neue Wertschöpfungslogik abge-
schlossen haben, mit positiven Bewertungsziffern belegt werden. Steigende Aktienpreise
und geringe Zinsen beschleunigen in dem Fall die M & A-Aktivitäten. Ermuntert durch die
ersten Erfolge kommt es zum »Finetuning« der neuen dominanten Wertsteigerungslogik.
Der Wettbewerb nimmt nun zu. Mehr und mehr Akteure machen sich nun von der
Sache ein detailliertes Bild, um eventuell auch zu investieren. Angelockt durch die Erfolge
der Pioniere und frühen Nachahmer schwenken nach und nach immer mehr Unterneh-
42 Stearns/Allen (1996).
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men auf den gleichen Kurs ein. Schlüsseltreiber sind hier der Wettbewerb und die Suche
nach neuen Profiten.
Topmanager haben es immer schwerer sich zu legitimieren, wenn sie nicht in ähnlicher
Art und Weise agieren. Mimetisches Verhalten (»Herdentrieb«) setzt ein. Es kommt zu ei-
gendynamischen und selbstverstärkenden Effekten, z. B. wenn – teilweise bereits rational
nicht mehr nachvollziehbare – Kurssteigerungen wieder zu neuen Investitionsmöglichkei-
ten (»Aktie als Währung«) verhelfen. Es wird eine Welle neuer Akquisitionen ausgelöst,
wenn sich Käufer mit sog. »Me too Acquisitions« der Modeerscheinung anschließen. Da
die Banken im Allgemeinen davon profitieren, entwickeln sie oft auch Bewertungsmo-
delle, die die Werthaltigkeit derartiger Investitionen »nachweisen«. So entstehen wech-
selseitige Verstärkungsmechanismen, und in der Spitze eines Booms besteht ein wahrer
»Run« auf Zielunternehmen, verbunden mit entsprechenden Preissteigerungen. Unterneh-
mensleitungen, die nicht »auf Einkaufstour gehen«, kommen oft unter Legitimationsdruck
bezüglich der Frage, warum sie diese »Jahrhundertchance« nicht wahrnehmen. Dieser
Druck zum Akquirieren gilt besonders auch dann, wenn man sich in den Stammgeschäf-
ten mit einer fallenden Performance konfrontiert sieht. Sie verleitet zu Akquisitionen, um
die Lücke zu schließen.43 Dies alles führt zu Preiskämpfen und einem Kampf um Markt-
anteile. Dieser mündet dann nicht selten in einer Konsolidierung und Monopolisierung.
Der regulatorische Subprozess: Die führenden Politiker lassen sich nun zur Förderung
der Wirtschaft auf eine Laissez-faire Ordnungspolitik ein.
Der finanzielle Subprozess: Die Finanziers beginnen nun zu arbitrieren. Sie investierten
in die noch wenig bekannten, etwas riskanteren, aber auch lukrativeren Aktien. Sie erken-
nen das Potenzial der neuen Wertsteigerungslogik. Kursunterschiede werden genutzt, um
schnelle Papiergewinne zu realisieren. Doch auch die Preise für die Transaktionen steigen
mit dem Anwachsen der Welle.
43 Iyer/Miller (2008).
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2. Die Anzahl der öffentlichen Ankündigungen von Transaktionen, die kurz darauf wie-
der abgesagt werden, nimmt oft stark zu. Dies ist ein Zeichen operativer Hektik bei
den Akteuren auf dem Markt, die die »Gunst der Stunde« noch nutzen wollen, aber
das Vorhaben nicht mehr sorgfältig genug durchdacht haben.
3. Das angebotene Kapital zur Finanzierung der Transaktionen wird knapp oder – z. B.
wegen eines Zinsanstiegs – teurer. Die Kapitalknappheit im August 2007 im US-Hy-
pothekenmarkt löste auch eine Kapitalknappheit bei der Finanzierung von Übernah-
men aus. Wegen den Liquiditätsproblemen der involvierten Gesellschaften stießen die-
se – um zu Überleben – auch Aktienpakete aller Art ab, weshalb diese Situation nicht
nur die Kurse der direkt betroffenen Finanzdienstleister belastete, sondern die gesamte
Börse.
4. Die zu bezahlenden Multiples sind oft auf ein Vielfaches der Multiples zu Anfang der
Welle gestiegen. Dies ist zumeist deshalb der Fall, weil das Angebot an noch verblei-
benden attraktiven Zielunternehmen stark rückläufig ist und die Konkurrenz um den
Erwerb dieser Unternehmen immer intensiver geworden ist. Es wird dann ein zu ho-
hes Premium auf Basis zu optimistischer Synergien- und Marktszenarien gezahlt. So
werden Unternehmen, die oft noch ohne Gewinne sind, nur aufgrund ihres Potenzials
zu enormen Preisen gekauft.
5. Es wird mehrheitlich mit Aktien bezahlt. Sobald die Käufer den Eindruck haben, dass
ihr Unternehmen eher überbewertet ist, werden sie versuchen mit Aktien – der dann
gegenüber der Cash-Bezahlung »billigeren« Währung – zu bezahlen.
6. Die Gewinnerwartungen der Unternehmen sind rückläufig. Diesem Punkt ist besonders
dann Beachtung zu schenken, wenn eine Volkswirtschaft schon eine mehrere Jahre
andauernde Wachstumsphase hinter sich hat.
7. Der Verschuldungsgrad der Unternehmen hat stark zugenommen. Rating-Agenturen
warnen auch, dass die Kreditqualität sinken wird. Hinzu kommt dann oft noch die
Gefahr, dass sich die Zinsen wieder erhöhen und die Refinanzierungskonditionen sich
verteuern.
Während es also zu Anfang einer M & A-Welle zu einer Art Wette auf die neue Wert-
steigerungslogik kam, muss über die Zeit immerwieder neu bewiesen werden, ob diese
Wette auch der Wirklichkeit (noch) stand hält. Sobald bei den Investoren die Vermutung
wächst, dass bei den letzten Transaktionen zu hoch gewettet wurde, bricht die Welle in
sich zusammen.
Der DotCom-Bubble platzte im Jahr 2000, was gigantische Kursverluste an den Börsen
auslöste. »The historic M & A wave of 1995 to 2000 totaled more than $12 trillion. By an
extremely conservative estimate, these deals annihilated at least $1 trillion of share-owner
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wealth. ...For respective, consider the whole dot-com bubble probably cost investors $1
trillion at most. That‘s right: Stupid takeovers did more damage to investors than did all
the dot-coms combined.The situation is remarkable when you think about it. Many of
these failed mergers are done by the world‘s biggest, most successful companies, advised
by highly educated Wall Street investment bankers who do this for a living.«44
Strategischer Subprozess: Wurde der obere Wendepunkt der M & A-Welle durchschritten,
so kippen (bei einem abrupten Absturz) fast über Nacht alle Regeln, die noch ein paar Ta-
ge zuvor unumstößlich für ein erfolgreiches Agieren erschienen. Sie verkehren sich in ihr
Gegenteil mit teilweise fatalen Folgen. Dass es tatsächlich zu einem Abschwung kommt,
kann verschiedene Ursachen haben:
1. Die zur jeweiligen Wertsteigerungslogik gehörende Basisannahme hat sich nicht bestä-
tigt. Viele durchgeführte Transaktionen stellen sich als enttäuschend heraus. Dies trifft
insbesondere auf die dritte Welle (»Conglomerate Era«) zu, als sich Ende der 1960er-
Jahre langsam herausstellte, dass die unter Risikoaspekten sehr breit und unverwandt
diversifizierten Konglomerate eine schlechtere Performance zeigen.
2. Jede Welle produziert »Standards« manageriellen und systemischen Verhaltens, die in
einem Boom in der Endphase zu extrem spekulativen Handlungsannahmen führen
können. So entbehrten die in den Bewertungsansätzen Ende der 1990er-Jahre getrof-
fenen Annahmen oft jeder Rationalität, was zu einer »spekulativen Überhitzung« des
Systems und – z. B. beim Platzen der Internetblase – auch zum Crash führen kann.
3. Die Rahmenbedingungen haben sich so geändert, dass dadurch der dominanten Wert-
steigerungslogik ihre Gültigkeit entzogen wurde. Neue Gesetze, innovative Technolo-
gien oder eine veränderte politische Situation sind Beispiele hierfür. Dies trifft z. B. auf
die erste Welle zu, als mit der tatsächlichen Anwendung des Sherman Antitrust Act
durch die Regierung Roosevelt die Möglichkeiten zur Monopolbildung stark unterbun-
den wurden.
Mit dem Abschwung verbunden ist häufig eine Verschlechterung der ökonomischen Rah-
menbedingungen: Die verfolgten Wachstumsstrategien werden nun auf den Prüfstand
gestellt. Das Potenzial der verfolgten Wertsteigerungslogik muss neu bewertet werden.
Die Strategien sind entsprechend anzupassen. Kam es aufgrund der laxen Ordnungspolitik
und einer damit verbundenen Konsolidierung zu quasi-monopolisierten Industriestruktu-
ren, so muss sich die Wirtschaft nun mit der Ineffizienz ihrer Kartelle auseinandersetzen.
Konsequenz der Entwicklung ist ein wirtschaftlicher Abschwung und prozyklisch auch
ein starker Abschwung der M & A-Aktivitäten. Eine rezessive Phase der Wirtschaft nimmt
nun ihren Lauf, nicht selten verbunden mit einem Crash der Kapitalmärkte. Die Bewer-
44 Selden/Colvin (2003).
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tungsziffern der Unternehmen sind eher negativ belegt. Die Kapazitätsauslastung der
Industrie ist rückläufig.
Natürlich gibt es in einem Abschwung auch gegenzyklische M & A-Aktivitäten einzel-
ner Akteure.45 Diese Akquisitionen sind jedoch meist eines anderen Typs als die im Auf-
schwung getätigten Transaktionen. Die Käufer nutzen die fallenden Preise und die oft aus
Notlagen heraus geborenen Kaufgelegenheiten. Solche Transaktionen werden demnach oft
von Desinvestitionen ausgelöst. Meist sind sie nicht expansiv angelegt, sondern eher auf
eine Konsolidierung ausgerichtet.46
In Phasen des konjunkturellen Abschwungs zeigt sich immer wieder, wie wichtig es ist,
dass das Management bereits bei seinen Entscheidungen in der Phase des Aufschwungs
bedenkt, was deren Implikationen im Abschwung sein könnten und umgekehrt. Mit Blick
auf die langfristigen Interessen eines Unternehmens geht es darum, immer den vollen
Zyklus im Visier zu haben; denn erst auf dieser Basis wird entschieden, wer gewinnt und
wer verliert. Dies gilt auch für M & A-Entscheidungen.
• Wachstum: Es ist hinlänglich bekannt, dass das Wachstum ein wesentlicher Wertreiber
des Unternehmenswertes ist. Im Aufschwung, auf Basis einer guten Börsenbewertung
und bei Verfügbarkeit von billigem Geld, wird deshalb das Thema Wachstum forciert.
Doch im Abschwung, wenn die Kunden bei sinkender Nachfrage wählerischer werden,
zeigt sich häufig, dass ein Teil dieses Wachstums noch ohne Substanz ist. Dann müs-
sen teure Rückzugsgefechte geführt werden. Zum Beispiel müssen neue Aktivitäten
unter ihrem Einkaufspreis wieder veräußerst werden.
• Opportunistisches Verhalten: In Boomphasen neigen Unternehmen dazu, Geschäfte
aufzugreifen, in denen gerade gutes und schnelles Geld verdient wird. Doch was heißt
dies, wenn diese neuen Tätigkeitsfelder nicht zum Geschäftsmodell passen oder das
Unternehmen von ihnen nicht genug versteht. Dann entpuppen sie sich häufig als
Fehlinvestitionen, weil das Unternehmen unüberschaubare Risiken eingegangen ist.
Dazu zählen bspw. die Ausflüge der dem »One Bank«-Ansatz folgenden Banken in
die Bereiche des Investmentbankings jenseits des für das integrierte Geschäftsmodell
erforderlichen Beratungsgeschäfts.
• Kapitaldecke: Im Aufschwung werden Unternehmen von den Analysten häufig geschol-
ten, wenn sie ihr Eigenkapital nicht besser »leveragen«. Durch solche Maßnahmen lässt
sich relativ leichtfüßig die Eigenkapitalrentabilität verbessern, und zudem lassen sich
Fremdkapitalzinsen auch steuerwirksam abziehen. Mit Blick auf den vollen Zyklus
kann ein zu starkes Ausreizen dieser Logik im Abschwung verhängnisvoll werden:
»Cash is King!« – wie es dann heißt. Dies kann z. B. zu Problemen bei der Refinanzie-
rung fälliger Kredite führen. Oder es können günstige Gelegenheiten z. B. zum Kauf
angebotener Unternehmen im Sinne antizyklischer Investitionen nicht wahrgenommen
werden.
45 Maksimovic/Philips (2001).
46 Lambrecht/Meyers (2004).
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Zusammenfassend wird hier die These vertreten, dass Unternehmen im Aufschwung ei-
nem immer stärker werdenden, prozyklischen »Herdentrieb« folgen. Je näher dabei der
Aufschwung an seinen oberen Wendepunkt kommt, desto häufiger werden paradoxer-
weise strategische Entscheidungen getroffen, die aus der Sicht des Abschwungs desaströs
sind. Diese Entwicklung wird in beide Richtungen multiplikativ verstärkt durch die globa-
le Vernetzung der Wirtschaft: Das heißt die Exzesse nach oben fallen größer aus; danach
wird dann auch die ganze Weltwirtschaft wie ein globales Domino in die Knie gezwungen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass, wenn die ersten leichten Anzeichen
eines Abschwungs bereits die Jahresziele gefährden, teilweise noch immer prozyklisch
besonders große unternehmerische Risiken eingegangen werden, z. B. um den an das Er-
reichen des Jahresziels gebundenen Bonus noch zu retten. Damit wird jedoch der Turbo
auf der Fahrt in die Krise eingeschaltet. Ein Unternehmen verantwortungsvoll zu führen
heißt jedoch, neben all den Kurzfristanforderungen, die es zu bedienen gilt, bei den Ent-
scheidungen zumindest einen vollen Zyklus im Visier zu haben.
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Literatur 85
86
1. Ausgangspunkt
Mergers & Aquisitions-Strategien – verstanden als Fusionen mit oder Übernahmen von an-
deren Unternehmen – verfolgen unterschiedliche strategische Ziele.1 Zu nennen sind z. B.
die Erhöhung des Unternehmenswertes, die Erzielung von Economies of Scale oder Eco-
nomies of Scope durch horizontale Übernahmen und vertikale Akquisitionen, der Eintritt
in neue Märkte durch laterale Akquisitionen, die Internationalisierung der Unternehmens-
aktivitäten, der Zugang zu neuen Märkten, Technologien, Produkten und Wissen oder
auch eine radikale Neupositionierung in Markt und Wettbewerb. In der Theorie klingt dies
bestechend einfach – in der Praxis treten die Komplexität und die mit der Realisierung ver-
bundenen Risiken immer wieder deutlich hervor und unterstreichen letztlich, wie strate-
gisch wichtig eine gut durchdachte Planung von M & A-Strategien ist. Diesem Aspekt wird
in vielen Unternehmen durch eigene M & A-Abteilungen oder auch durch den Einbezug
von M & A-Beratungen in den M & A-Prozess Rechnung getragen. Einen Schritt vorher – und
damit letztlich auch der Planung von M & A-Prozessen zuzurechnen – stellt sich jedoch die
Frage, ob und unter welchen Randbedingungen eine M & A-Strategie tatsächlich sinnvoll
und effizient erscheint oder ob es dazu relevante Alternativen gibt.
Diese Frage stellt sich einerseits v. a. dann, wenn aus rechtlichen, finanziellen oder
sonstigen Gründen die Durchführung einer erfolgreichen M & A-Strategie nicht realisierbar
erscheint oder die mit dem Akquisitions- bzw. anschließenden Change-Prozess verbun-
dene Komplexität kaum beherrschbare Risiken birgt. Beispiele sind größere unterneh-
menskulturelle oder strukturelle Veränderungsprojekte im Zuge einer M & A-Strategie oder
auch zu erwartende starke Barrieren bei den Mitarbeitern. Angesichts des Scheiterns
eines Großteils der komplexen, oftmals mit M & A verbundenen Change-Projekte sind die-
se Risiken nicht zu unterschätzen. Insbesondere stellt sich die Frage, inwieweit die ver-
schiedenen Alternativen der Integration externer Kompetenzen und Unternehmens(teile)
in das eigene Unternehmen mit in die Betrachtungen einzubeziehen sind. Solche Über-
legungen werden seit jeher angestellt, sie stellen sich heute jedoch verstärkt durch die
Möglichkeiten des Internets sowie der informations- und kommunikationstechnischen
Entwicklungen. Unter Schlagworten wie Kooperationen, strategische Allianzen, Netzwer-
ke, Business Webs und virtuelle Unternehmen werden zunehmend zwischenbetriebliche
Organisationsformen genutzt, welche zumindest teilweise als Alternativen zur klassischen
M & A einzustufen sind.2 Denn mit diesen und weiteren Formen der zwischenbetriebli-
chen Arbeitsteilung und Zusammenarbeit erweitert sich das Spektrum der strategischen
1 Vgl. hierzu z. B. Wirtz (2003), S. 57 ff.; Lindstädt (2006), S. 57 ff.; Glaum/Hutzschenreuter (2010),
S. 35 ff. sowie die Beiträge in diesem Handbuch.
2 Vgl. hierzu z. B. Picot/Reichwald/Wigand (2008); Sydow/Duschek (2011); Franz (2003); Picot/Neubur-
ger (1998); Schmid (2010); Picot et al. (2012).
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2. Theoretische Grundlagen 87
2. Theoretische Grundlagen
Ausgangspunkt der Transaktionskostentheorie als Teil der Neuen Institutionenökonomie
sind die Leistungs- und Austauschbeziehungen zwischen den Individuen einer arbeitstei-
ligen Gesellschaft.3 Im Mittelpunkt steht dabei nicht der Güter- und Leistungsaustausch
selbst, sondern die logisch und zeitlich vorgelagerte gegenseitige Übertragung von Verfü-
gungsrechten. Sie wird als Transaktion bezeichnet. Bei der Bestimmung, Übertragung und
Durchsetzung dieser Verfügungsrechte fallen nun Transaktionskosten an. Primär handelt
es sich um Informations- und Kommunikationskosten, die monetär erfassbare und darü-
ber hinausgehende Nachteile wie Mühe, Zeit etc. umfassen. Im Einzelnen zählen hierzu
• Anbahnungskosten i. S. von »Kosten für Informationssuche und -beschaffung für po-
tenzielle Transaktionspartner und deren Konditionen«4. Hierzu gehören im vorliegen-
den Kontext z. B. die Kosten für die Suche nach den erforderlichen Kompetenzen,
einem geeigneten Partner bzw. nach geeigneten Akquisitions- und Fusionskandidaten
sowie die Kosten für die Bewertung dieser Unternehmen.
• Vereinbarungskosten i. S. von Kosten für Vertragsverhandlungen, Vertragsformulie-
rung und Vertragsabschluss. Beispiel sind die Kosten für die Verhandlungen, die For-
mulierung und den Abschluss des zugrunde liegenden M & A-Vertrages.
• Abwicklungskosten i. S. von Kosten, die durch die Steuerung und Koordination der
Vertragsabwicklung entstehen. Bezogen auf M & A-Prozesse handelt es sich z. B. um die
Kosten für die mit der M & A-Strategie erforderlichen organisatorischen Umstrukturie-
rungsmaßnahmen, kulturelle Change-Prozesse oder auch die entstehenden Kosten des
Projektmanagements.
• Kontrollkosten i. S. von Kosten für die Sicherstellung der Einhaltung der Vertragsbe-
dingungen. Beispiel sind Controlling-Kosten oder Kosten für die Kontrolle von Sicher-
heitsmaßnahmen.
3 Vgl. hierzu und zum Folgenden z. B. Picot (1982); Picot (1991); Picot et al. (2012); Richter/Furubotn/
Streissler (2010).
4 Picot (1982), S. 270.
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88 III. Bevor die Entscheidung für M & A fällt: Netzwerke und Kooperationen als Alternativen?
2. Theoretische Grundlagen 89
Dieser Zusammenhang lässt sich durch das Konzept der Kernkompetenzen im Sinne
eines Resource Based View7 ergänzen, das zwischen Kern-, Komplementär- und Periphe-
riekompetenzen unterscheidet. Die strategische Bedeutung externer Unternehmens(teile)
lässt sich als hoch einstufen, wenn durch die Einbindung der externen Kompetenzen die
eigenen Kernkompetenzen erweitert bzw. sinnvoll ergänzt werden. Handelt es sich aus
der Sicht des einbindenden Unternehmens jedoch eher um ergänzende Kompetenzen,
wird von Komplementär- oder Peripheriekompetenzen gesprochen. In beiden Fällen ist
die strategische Bedeutung eher niedrig. Da Spezifität aus ökonomischer Sicht stets teuer
ist, weil es sich eben nicht um Standardressourcen, sondern um etwas Besonderes, quasi
einmaliges handelt, sollte man sie sich nur leisten, wenn damit zugleich auch ein Wett-
bewerbsvorteil im Markt realisierbar ist.
Neben den beiden Merkmalen strategische Bedeutung und Spezifität, die zweifelsoh-
ne die Hauptbewertungskriterien sind, werden i. d. R. Häufigkeit und Unsicherheit von
Transaktionen als weitere Merkmale herangezogen. Bezüglich Unsicherheit ist zwischen
Verhaltens- und Umweltunsicherheit zu unterscheiden. Verhaltensunsicherheit bezeich-
net die Gefahren, die durch strategisches Verschweigen, Verzerren und Verschleiern von
Informationen entstehen. Dagegen betreffen Umweltunsicherheiten zukünftige Umwelt-
zustände, unter denen die vereinbarten Leistungen erbracht werden und die sich in der
Regel nicht vollständig im Vertrag abbilden lassen. Unsicherheit ist unproblematisch,
sofern sämtliche zukünftigen Zustände einer bestimmten Austauschbeziehung vertrag-
lich berücksichtigt sind. Ist dies nicht der Fall, (was der Regelfall sein dürfte), kann
sie zu transaktionskostenintensiven Anpassungen oder sogar zu einem Scheitern der
Austauschbeziehung führen.
Eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielt die Häufigkeit der Inanspruchnah-
me der Ressourcen. Für die hier betrachtete Thematik ist sie insofern relevant, als mit
zunehmender Häufigkeit einer Austauschbeziehung Lerneffekte, Spezialisierungsvorteile
und Kostendegression zu erwarten sind, die sich kostengünstig auf die Gesamtkostensi-
tuation auswirken und somit ggf. für eine engere Einbindung bis hin zur vollständigen
Intergration sprechen.
Die bei einer bestimmten Austauschbeziehung entstehenden Transaktionskosten wer-
den schließlich noch von der Transaktionsatmosphäre beeinflusst. Sie umfasst sämtliche
kulturellen, technologischen und rechtlichen Rahmenbedingungen einer Austauschbezie-
hung. Änderungen können sich auf die zugrunde liegende Austauschbeziehung auswir-
ken und die Transaktionskosten in die eine oder andere Richtung beeinflussen. So können
z. B. die Entwicklung neuer Technologien oder auch die Veränderung rechtlicher Rahmen-
bedingungen die Gestaltungsmöglichkeiten von M & A oder anderen zwischenbetrieblichen
Organisationsformen ggf. erheblich beeinflussen. Ähnliches gilt für kulturelle Faktoren
wie Vertrauen und Rechtssicherheit.
Neben diesen Grundbausteinen der Transaktionskostentheorie interessieren zudem
die der Neuen Institutionenökonomie zugrunde liegenden Verhaltensannahmen begrenzte
Rationalität, Nutzenmaximierung und Opportunismus.8 Hier wird davon ausgegangen,
dass die Individuen ihren Interessen nachgehen und es nicht auszuschließen ist, dass sie
90 III. Bevor die Entscheidung für M & A fällt: Netzwerke und Kooperationen als Alternativen?
diese ggf. auch zum Nachteil anderer sowie unter Missachtung rechtlicher oder sozialer
Normen ausnutzen könnten, was bei der Organisations- und Vertragsgestaltung zu be-
rücksichtigen ist. Im vorliegenden Kontext ist dies z. B. dann der Fall, wenn durch die Ge-
staltung der Austauschbeziehung entstehende organisatorische oder rechtliche Freiräume
zum Nachteil der Kooperationspartner ausgenutzt werden könnten.
Zwischen einer internen Einbindungsstrategie, wie sie bei M & A vorliegt, und einer spon-
tanen marktlichen Einbindungsform, wie sie z. B. bei kurzfristigen Kauf- oder Dienstleis-
tungsverträgen gegeben ist, existiert nun ein weites Spektrum an kooperativen Einbin-
dungsformen. Sie unterscheiden sich z. B. nach9
• der Richtung der Zusammenarbeit, die vertikal, horizontal oder diagonal ausgerichtet
sein kann,
• dem Ausmaß der Kooperation, die das gesamte Unternehmen oder einzelne Funktions-
bereiche betreffen kann;
• der Dauer der Bindung, die langfristig ausgerichtet sein kann, aber auch kurzfristig
orientiert sein kann;
• dem Ausmaß der Kapitalverflechtung, die nicht unbedingt erforderlich sein muss;
• der Auswahl der Partner, die gezielt und problemorientiert, aber auch evolutionär sein
kann;
• der Offenheit der Zusammenarbeit, die z. B. breit angelegt oder auch stärker geschlos-
sen sein kann;
• dem in der Kooperation erstellten Produkt- und Leistungsangebot, bei dem es sich um
ein Einzel- oder auch ein Systemprodukt handeln kann;
• der Leitung des Verbundes, die institutionalisiert, problembezogen oder faktisch gege-
ben sein kann oder auch
9 Vgl. hierzu z. B. Imai/Itami (1984); Kappich (1989); Baur (1990); Sydow (1992); Franz (2003); Schmid
(2010); Sydow/Duschek (2010).
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• nach dem Grad der Abhängigkeit, die eher markt- oder eher hierarchieähnlich sein
kann. So lassen sich z. B. kooperative Netzwerke wie z. B. FuE-Allianzen oder strategi-
sche Kooperationen von hierarchischen Netzwerken wie z. B. Zulieferpyramiden oder
elektronischen Hierarchien unterscheiden. Die Literatur unterscheidet in diesem Zu-
sammenhang zwischen Kooperationsformen, bei denen eine gleichrangige Zusammen-
arbeit zwischen wirtschaftlich und rechtlich selbstständigen Unternehmen vorherrscht,
und Beherrschungsformen, denen mittel- bis langfristige Beziehungen zwischen recht-
lich selbstständigen, aber einseitig wirtschaftlich abhängigen Partnern zugrunde lie-
gen.10
eher kurz-
Virtuelle fristig, nicht unab- Einzel/
Projekt- ad hoc offen problembezogen
Unternehmung üblich hänig System
bezogen
Bei einem Joint Venture handelt es sich um eine von zwei oder mehreren Unternehmen
gegründete, rechtlich selbstständige und strategisch geführte Gesellschaft, an der die ko-
operativen Unternehmen gemeinsam beteiligt sind. Ziele und Risiken entsprechen im
Wesentlichen denen von strategischen Allianzen und Netzwerken. Hinter diesen stehen
langfristig orientierte Kooperationen mit einem oder mehreren Partnern, die meist unter
faktischer oder rechtlich einheitlicher Leitung stehen. Typische Beispiele sind langfristig
ausgelegte Entwicklungspartnerschaften in der Automobilindustrie, Produktionsnetzwer-
92 III. Bevor die Entscheidung für M & A fällt: Netzwerke und Kooperationen als Alternativen?
Fachüber-
setzung
Business Webs entstehen langfristig und evolutionär.14 Basis ist ein bestimmter techni-
scher Standard wie z. B. Microsoft oder eine bestimmte kundenorientierte Plattform wie
z. B. Yahoo, für deren Nutzung zusätzliche Leistungen erforderlich sind. Diese Leistun-
gen werden von anderen Unternehmen erbracht. Für die Erbringung der Gesamtleistung
sind daher neben der technischen oder marktorientierten Basis, die vom sog. Shaper-
Unternehmen erbracht wird, zusätzliche ergänzende Leistungen erforderlich, die von sog.
Adapter-Unternehmen erbracht werden. Obwohl sich jeder auf seine Kernkompetenzen
konzentriert, sind sie nur gemeinsam und in kooperativer Zusammenarbeit in der Lage,
den Gesamtnutzen i. S. eines Systemproduktes oder einer Systemleistung zu realisieren.
In Folge dieser Kooperationen entstehen Business Webs, die auf Grund ihrer Offenheit
mit der Zeit evolutionär wachsen und weitere Netzwerkpartner aufnehmen können. Vor-
aussetzung hierfür sind Netzwerkeffekte, wie sie in einer durch das Internet zunehmend
durchdrungenen Wirtschaft häufig zu beobachten sind und die sich häufig in besonde-
ren Formen des Plattformwettbewerbs ausdrücken. Dabei ist das Moment der Mischung
von Wettbewerb und Kooperation (Co-opetition) besonders bedeutend; denn die Adapter
widmen in der Regel nicht ihre gesamten Fähigkeiten und Ressourcen dem jeweiligen
Business Web, sondern können an unterschiedlichen Webs in unterschiedlichem Ausmaß
beteiligt sein. Auf diese Weise werden Risiken besser verteilt und zugleich Wissen und
Ressourcen geteilt. Es wird deutlich, dass in einem solchen Kontext allenfalls die Adapter
des innersten Kreises M & A-Kandidaten für den Shaper sein könnten, aber auch das eher
als Ausnahme. M & A ist also für die Entstehung von Business Webs und Plattformstrate-
gien von eher untergeordneter Bedeutung. Abbildung 3 verdeutlicht das Konzept.
Telco
Telco
Chips
IPTV- Encoder
Router, Middleware
Switches
Encoder
Telco
Set-Top-Box
Telco
Telco
Registrierte/
unabhängige Adapter Telco Shaper
Es wird deutlich, dass das Spektrum an denkbaren Einbindungsstrategien groß ist und
dass M & A-Strategien in diesem Spektrum als eher hierarchisch orientierte Strategie einzu-
94 III. Bevor die Entscheidung für M & A fällt: Netzwerke und Kooperationen als Alternativen?
ordnen sind. Da letztlich alle Kooperations- und Einbindungsformen ähnliche Ziele verfol-
gen – wie z. B. Wachstum, Economies of Scale und Scope, Erstellung von Systemproduk-
ten – stellt sich im Zusammenhang mit der Planung von M & A-Strategien die grundlegende
Frage, unter welchen Rahmenbedingungen eine M & A-Strategie im Vergleich zu anderen
Einbindungsstrategien eine effiziente institutionelle Lösung erscheint. Denn gerade vor
dem Hintergrund der Komplexität und der im Zuge einer M & A-Strategie möglicherweise
auftretendern Risiken stehen im einen oder anderen Fall auch andere Einbindungsstrategi-
en zur Verfügung, die nicht so komplex und risikobehaftet sind. Vor dem Hintergrund der
obigen Ausführungen sowie der in Abbildung 1 skizzierten organisatorischen Netzwerk-
typen sind im Folgenden zunächst M & A-Strategien mit vernetzten Formen wie strategi-
sche Allianzen und Kooperationen zu vergleichen, bevor virtuelle Formen der Einbindung
und Business Webs in die Betrachtung einbezogen werden.
Ziel einer M & A-Strategie ist letztlich die Einbindung externer Kompetenzen in Form der
Fusion mit bzw. Übernahme von Unternehmen oder Unternehmensteilen. Eine trans-
aktionskostentheoretische Beurteilung fragt nun – wie oben ausgeführt – nach den Ei-
genschaften dieser externen Kompetenzen. Sind diese aus der Sicht des interessierten
Unternehmens hoch spezifisch und strategisch sehr bedeutend, wird eine interne Einbin-
dungsstrategie, wie sie bei einer M & A-Strategie vorliegt, als effiziente Lösung empfohlen.
Dies liegt nahe, erscheinen doch die Koordinations- und Flexibilitätsvorteile einer Über-
nahme bzw. Fusion dann höher als die mit einer Nicht-Internalisierungsstrategie verbun-
denen vertraglichen und Managementrisiken.
So entstünde z. B. bei hoher strategischer Bedeutung in Verbindung mit einer Koope-
ration oder marktlichen Einbindungsstrategie das Risiko zusätzlicher Transaktionskosten,
da die Gefahr des opportunistischen Ausnützens der Situation durch zusätzliche vertrag-
liche Vereinbarungen oder erforderliche Kontrollmaßnahmen reduziert werden müsste.
Die Komplexität erhöht sich nochmals bei hoher Umweltunsicherheit, da unterschiedliche
zukünftige Umweltszenarien mit ihren Folgen und Risiken in die Gestaltung der Koopera-
tionsverträge einbezogen werden müssten.
Ähnlich verhält es sich bei hoher Spezifität der externen Kompetenzen. Sind als Folge
einer Einbindung unabhängig von der konkreten Form spezifische Investitionen erfor-
derlich, entsteht das Risiko einer starken Abhängigkeit und der finanziellen und sons-
tigen negativen Auswirkung einer Zweitverwendung. Diese Risiken lassen sich letztlich
nur durch eine Internalisierung bzw. komplette Integration der betroffenen Unternehmen
bzw. Unternehmensteile handhaben. Besteht zudem eine hohe Verhaltens- bzw. Umwelt-
unsicherheit, verstärkt sich der Effekt. Denn lassen sich nicht alle verhaltensbedingten
Risiken und möglicherweise in Frage kommenden Umweltsituationen mit ihren Folgen
antizipieren oder vertraglich abdecken, entsteht das Risiko hoher zusätzlicher Kontroll-
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und Anpassungskosten, die durch eine interne Eingliederung eingegrenzt werden können.
Somit erscheint die M & A-Strategie als Internalisierungsstrategie bei hoher strategischer
Bedeutung und hoher Spezifität der einzubindenden externen Kompetenzen vor dem Hin-
tergrund der Transaktionskostentheorie eine effiziente Strategie zu sein.
In ähnliche Richtung argumentiert der Resource Based View, der – wie an anderer
Stelle schon angesprochen – eine interne Abwicklung der Kernkompetenzen empfiehlt.
Handelt es sich bei den externen Kompetenzen nun um eine Ergänzung bzw. Erweiterung
der Kernkompetenzen, ist eine interne Eingliederung i. S. einer M & A-Strategie unbedingt
zu empfehlen.
Eine praktische Schwierigkeit besteht darin, Spezifität, strategische Bedeutung bzw.
Kernkompetenz zutreffend zu erfassen und in die Zukunft zu projizieren. Denn dabei han-
delt es sich um auf die Zukunft bezogene Urteile (judgement) des Managements, oftmals
gestützt auf unterschiedliche Wissensgrundlagen sowie verbunden mit unternehmerischer
Kreativität und Weitsicht, die nicht oder nur sehr begrenzt objektivierbar sind. Deswegen
sind Unternehmen der gleichen Branche oftmals strategisch unterschiedlich aufgestellt
und daher kann es auch dazu kommen, dass, je nach unternehmerischem bzw. strategi-
schen Konzept, das eine Management etwas als Kernbestandteil ansieht, was das andere
Management als Randaktivität einstuft; der kürzliche Wechsel im Topmanagement von HP
hat dies drastisch zum Ausdruck gebracht, als der CEO Leo Apotheker das Geschäft mit
Endgeräten ausgliedern wollte, seine Nachfolgerin Meg Whitman hingegen diesen Bereich
sogleich wieder zum strategisch bedeutsamen Kerngeschäft erklärte.16 Dementsprechend
sehen dann Einbindungs- und M & A-Strategien jeweils sehr unterschiedlich aus.
Dies bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass eine interne Einbindungsstrategie in jedem Fall
und bei sämtlichen Rahmenbedingungen die effizienteste Lösung darstellt oder auch vor
dem Hintergrund der vorhandenen finanziellen, technischen und organisatorischen Res-
sourcen auch tatsächlich realisierbar ist. Denn es sind durchaus Situationen vorstellbar, in
denen sich vor dem Hintergrund der Eigenschaften der externen Kompetenzen oder aber
auch auf Grund der zu erwartenden Komplexität der erforderlichen Umstrukturierungs-
maßnahmen die eine oder andere kooperative Form der Zusammenarbeit eher anbietet.
Zu prüfen ist dies z. B. bei hoher bzw. mittlerer Spezifität, aber mittlerer strategischer
Bedeutung der externen Kompetenzen sowie mittlerer Unsicherheit. Diese Eigenschaften
sprechen zwar gegen einen reinen Fremdbezug wie bei Standardprodukten, der wahr-
scheinlich auch gar nicht möglich ist. Sie sprechen aber nicht generell gegen eine Er-
stellung durch dritte Unternehmen, die ja in dem jeweiligen Feld ihre Kernkompetenzen
haben und die unternehmensinternen Kernkompetenzen sinnvoll ergänzen können, ohne
dass sie gleich übernommen werden. Der wesentliche Vorteil liegt zunächst auf der Hand:
16 Vgl. http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2011-10/hp-computer
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96 III. Bevor die Entscheidung für M & A fällt: Netzwerke und Kooperationen als Alternativen?
Jedes Unternehmen kann sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren und ergänzt
diese durch die erforderlichen externen Kompetenzen. In Folge entstehen einerseits Spe-
zialisierungs-, Integrations- und möglicherweise auch Größenvorteile. Gleichzeitig lassen
sich Risiken durch komplexe Reorganisationsvorhaben oder Changeprozesse im Zuge ei-
ner gänzlichen Internalisierung, die möglicherweise sogar zum Scheitern des gesamten
Projektes führen könnte, reduzieren.
Nachteilig wirken jedoch zunächst die im Vergleich zu einer Internalisierung entste-
henden organisatorischen und strategischen Freiheitsräume, die von den Kooperations-
partnern u. U. opportunistisch ausgenutzt werden können. Dies gilt v. a. auch dann, wenn
spezifische Investitionen erforderlich werden. Dies spricht jedoch nicht gleichzeitig gegen
eine kooperative Einbindungsstrategie. Denn gegen die Gefahren einer opportunistischen
Ausbeutung oder Ausnutzung der Situation lässt sich durch langfristige Rahmenverträ-
ge und Kooperationsabkommen oder auch durch abgeschwächte Formen der Integration
agieren. Hierzu zählen beispielsweise17
• die quasi-vertikale Integration, bei der der Abnehmer bestimmter Leistungen das Ei-
gentum an den dafür notwendigen Produktionsmitteln beim Partnerunternehmen hat;
• die vertikale Quasi-Integration, bei der das Partnerunternehmen einen großen Anteil
seiner Umsatzerlöse bei einem Großkunden erwirtschaftet;
• implizite Verträge auf der Basis der Drohung, die bislang stillschweigend durchgeführte
Vertragsverlängerung abzubrechen;
• die de facto-vertikale Integration, bei der standortspezifische Investitionen des Partner-
unternehmens z. B. in der Nähe des Abnehmers erforderlich sind;
• die partielle Integration auf der Basis einer Drohung der Integration der Produktions-
stufe;
• die Vergabe von Lizenzen;
• die (Minderheits)Kapitalbeteiligung.
Durch diese und weitere hier zuordenbare Strategien lassen sich zum einen die Vorteile
einer Internalisierung i. S. eines direkten Zugriffs und Kooperation i. S. einer möglichen
Konzentration auf die Kernkompetenzen verknüpfen. Das Unternehmen konzentriert sich
auf seine Kernkompetenzen und bezieht externe Kompetenzen von hierauf spezialisierten
Unternehmen auf der Basis enger vertraglicher, finanzieller oder investiver Bindungen ein.
Andererseits müssen die Risiken einer Kooperation wie z. B. das opportunistische Aus-
nutzen oder die Nachteile einer Internalisierung – wie z. B. ein komplexer Akquisitions-
prozess oder dann entstehende Umstrukturierungs- oder sonstige Changeprozesse nicht
in Kauf genommen werden. Insofern erscheint diese Strategie einerseits bei bestimmten
Eigenschaften der ergänzenden externen Kompetenzen wie mittlere strategische Bedeu-
tung, hohe bzw. mittlere Spezifität und mittlere Unsicherheit; andererseits bei einer be-
stimmten Komplexität des gewünschten Akquisitionsprozesses bzw. bei zu erwartenden
Risiken der nach der Akquisition erforderlichen Changeprozesse eine interessante Lösung
zu sein – ganz abgesehen von Fällen, in denen aus rechtlichen, wirtschaftlichen oder
sonstigen Gründen M & A gar nicht zur Verfügung steht und dennoch die Fähigkeiten der
Partner adäquat genutzt werden sollen. Die Abwicklung erfolgt durch dritte Unternehmen,
sie werden jedoch nicht übernommen, sondern in einer entsprechend geeigneten Form an
das Unternehmen gebunden. Die diesbezüglichen Varianten sind zahlreich und reichen
von vertraglichen Formen bis hin zu strukturellen Möglichkeiten und Kapitalverflechtun-
gen auf niedrigem Beteiligungsniveau. Im Ergebnis entstehen – ausgehend von Abbildung
1 – Joint Venture-Unternehmen oder strategische Allianzen bzw. Netzwerke. Je nach kon-
kreter Ausgestaltung können diese stärker hierarchisch orientiert sein, so dass eher eine
Quasi-Internalisierung vorherrscht oder stärker marktlich ausgerichtet sein, so dass eher
kooperative Formen der Internalisierung unter Gleichberechtigten vorliegen.
Aufwendige organisatorische und unternehmenskulturelle Changeprozesse als Folge
von M & A oder auch die Anpassung bzw. Erweiterung interner hierarchischer Anreiz-,
Kontroll- und Sanktionssysteme sind dann nicht erforderlich. Zudem lassen sich die mit
einem M & A-Prozess verbundenen Risiken eher reduzieren oder zumindest in den Griff
bekommen.
Typische Beispiele für die skizzierten Formen der integrativen Zusammenarbeit ohne
eigentumsrechtliche Übernahme und Integration sind Zuliefersystem in der Automobilin-
dustrie, Supply-Chain-Verbünde in Logistik und Handel, Fertigungs- und Vertriebsstruktu-
ren in der High-Tech-Elektronik u. v. a. m. In all diesen Fällen kommt es auf vertraglicher
Basis zu erheblichen Integrationsvorteilen, die weit über klassische Marktbeziehungen
hinausgehen, ohne dass die Beteiligten (wesentliche) Kapitalbeteiligungen oder -verflech-
tungen eingehen.
Ein wichtiger Aspekt ist jedoch an dieser Stelle nicht zu vernachlässigen bzw. frühzei-
tig in das Entscheidungskalkül mit einzubeziehen. Denn die durch vertragliche und/oder
institutionelle Maßnahmen erfolgte Bewältigung der skizzierten Risiken bedeutet nicht
gleichzeitig, dass die Abwicklung der dann entstehenden Kooperationen auch tatsächlich
so wie geplant funktioniert oder in gleicher bzw. ähnlicher Weise wie bei einer vollstän-
digen Internalisierung erfolgen kann. Im Gegenteil – das Management dieser Netzwerk-
beziehungen und Allianzen erweist sich oft als sehr viel komplexer als das Management
unternehmensinterner Geschäftsbereiche. So wird häufig davon ausgegangen, dass 70–
80% der Allianzen an fehlendem Management-Know-how oder fehlendem interorganisa-
tionalem Wissen scheitern.18 Sind diese Fähigkeiten, die sich nicht nur auf die Selektion
geeigneter Kooperationspartner, sondern v. a. auch auf die Allokation von Ressourcen,
Aufgaben und Verantwortung, die Regulation der Zusammenarbeit und letztlich auch die
Evaluation der Zusammenarbeit beziehen, nicht vorhanden oder werden die internen, oft
eher hierarchisch orientierten Management- und Steuerungsstrukturen und -methoden
eins zu eins auf die Netzwerkebene übertragen, besteht die Gefahr des Scheiterns. Dies
ist durch entsprechende Bewusstseinsbildung und Bereitstellung geeigneter Management-
kapazitäten vermeidbar. Aber auch andere typische Risiken von Kooperationsstrategien
wie z. B. eine erschwerte strategische Steuerung oder auch ein kontrollierter Abfluss an
Wissen und Kompetenzen, sind nicht zu vernachlässigen.19
In Konsequenz ist bei der Planung einer M & A-Strategie nicht nur zu prüfen, ob die
Strategie einer vollständigen Internalisierung tatsächlich effizienter ist als die Variante
einer Quasi-Internalisierung, wie sie ja bei einer engen Kooperation vorliegt, um die ge-
98 III. Bevor die Entscheidung für M & A fällt: Netzwerke und Kooperationen als Alternativen?
steckten Ziele auch erreichen zu können. Zu prüfen ist auch, ob die erforderlichen Ma-
nagementfähigkeiten im Unternehmen vorhanden sind. Ist dies nicht der Fall, relativieren
sich die skizzierten Vorteile und Effizienzgewinne.
ponenten und -dienste. Denn es scheint wenig Sinn zu machen, in spezifische Standorte,
Mitarbeiter oder IT-Infrastrukturen zu investieren, wenn die Zusammenarbeit nach einer
gewissen Zeit wieder aufgelöst werden muss, weil sich Märkte und Technologien rasch
wandeln.
Bei diesen Prozessen und Kompetenzen mit mittlerer Spezifität und mittlerer strategi-
scher Bedeutung erscheinen virtuelle Formen der Zusammenarbeit nun v. a. dann effizi-
ent, wenn die flexible und problemorientierte Durchführung im Vordergrund steht. Denn
dann kommen die Vorteile der virtuellen Organisationsformen erst richtig zum Tragen.
Neben den Eigenschaften der Kompetenzen und Prozesse spielt hier also auch die Art und
Häufigkeit der Durchführung eine entscheidende Rolle. Ist das Ziel die problembezogene,
flexible Einbindung, erscheinen virtuelle Einbindungsformen effizienter als die vollstän-
dige Internalisierung, die Quasi-Internalisierung oder kooperative Formen der Vernetzung,
wobei diesbezüglich die Grenzen oft nicht ganz trennscharf zu ziehen sind.
Ein schönes Beispiel hierfür ist die US-amerikanische Reiseagentur Rosenbluth Interna-
tional, die sich Ende der 1980er-Jahre international betätigen wollte. Dies sollte auf Grund
der hohen Investitionen jedoch nicht durch den Kauf von Reisebüros in anderen Ländern
erfolgen. Stattdessen wurde die Rosenbluth International Alliance mit einem flexiblen, vir-
tuellen Verbund von über 1.000 Reisebüros in mehr als 40 Ländern gegründet. Ein anderes
Beispiel, das gleichsam für viele typische Beispiele in der Internet-Welt zählen kann, ist
das kleine Unternehmen missing.link GmbH in Norddeutschland, das Dienstleistungen in
den Bereichen Webkommunikation und Interface für private und institutionelle Kunden
anbietet. Basis sind zwei rechtlich selbstständige Unternehmen, die sich jeweils auf ihre
Kernkompetenzen konzentriert haben und bei bestimmten Aufgaben und Problemen zu-
sammenarbeiten.23
Die Prinzipien und Potenziale virtueller Organisationsformen eröffnen aber auch im
Hinblick auf erforderliche Umstrukturierungsmaßnahmen nach einem M & A-Prozess ganz
neuartige Möglichkeiten, die schon in den Planungsprozess einbezogen werden können.
Denn die Idee der flexiblen, problemorientierten Einbindung von Partnern in die Unter-
nehmensprozesse oder Projektarbeit lässt sich auch auf die Gestaltung unternehmensin-
terner Prozesse übertragen und stellt möglicherweise eine interessante Alternative zu
klassischen, eher hierarchieorientierten Umstrukturierungsmaßnahmen dar.24 Typisches
Beispiel wäre die virtuelle Verknüpfung auf der Basis der Informations- und Kommunika-
tionstechniken mit einzelnen Abteilungen als Alternative zu einer vollständigen Einglie-
derung dieser Abteilung. Denn hier gilt ähnliches wie bei der Einbindung externer Un-
ternehmen: ein flexibler problembezogener Rückgriff externer Abteilungs-Kompetenzen
ist auf der Basis geeigneter Informations- und Kommunikationstechniken in ähnlicher
Weise möglich wie bei der Einbindung dieser Abteilung in die Hierarchie, ohne dass
größere organisatorische Umstrukturierungsmaßnahmen mit den oben angesprochenen
Problemen erforderlich wären. Diese Form der Eingliederung bietet sich z. B. auch dann
an, wenn eine Akquisition externer Kompetenzen zwar geplant ist, diese Eingliederung
aber nur ein strategischer Zwischenschritt zu einer langfristig geplanten Ausgliederung
100 III. Bevor die Entscheidung für M & A fällt: Netzwerke und Kooperationen als Alternativen?
darstellt. Auch hier eröffnen IuK-Techniken neuartige Potenziale für eine flexible Steue-
rung dieses Prozesses.
Ein anderes Beispiel wäre die virtuelle Teamarbeit als Alternative zur standortbezoge-
nen Teamarbeit.25 In diesem Fall können die Mitarbeiter verschiedener Standorte auf der
Basis entsprechender Informations- und Kommunikationstechniken zusammenarbeiten,
ohne organisatorische Umstrukturierungen oder sogar einen Standortwechsel vornehmen
zu müssen.
Insofern lässt sich das Konzept der Virtualisierung bei der Planung von M & A-Strategien
in zweierlei Hinsicht berücksichtigen – zum einen vor der Realisierung einer M & A-Stra-
tegie als interessante Alternative zu einer vollständigen Internalisierung; zum anderen
nach der Entscheidung einer M & A-Strategie als Alternative für umfangreiche interne Um-
strukturierungsmaßnahmen. Der letzte Aspekt macht auch verständlich, weshalb manche
in M & A-Aktivitäten sehr erfahrene Unternehmen auf klassische Post-Merger-Integration
weitgehend verzichten und nach der Übernahme »nur« die IT-Anbindung und Integration
massiv vorantreiben, um dann alle weiteren angestrebten Integrationsvorteile letztlich auf
der informationellen Ebene sowie virtuell zu erreichen.
Voraussetzung in beiden Fällen ist jedoch, dass das Konzept im Einzelfall auch reali-
sierbar ist. Dies ist nicht automatisch der Fall, stellt doch auf Grund der Flexibilität und
Standortverteilung Vertrauen ein wesentlicher Erfolgsfaktor dar.26 Genau dieses Vertrauen
lässt sich jedoch in virtuellen Formen der Organisation, deren Partner primär auf der Basis
von Informations- und Kommunikationstechniken arbeiten, oft nur schwierig herstellen.
Denn für den langfristigen Aufbau von Vertrauen sind gerade nicht virtuelle Formen der
Kommunikation und Zusammenarbeit wie insbesondere die Face-to-Face-Kommunikation
erforderlich. Dies gilt für virtuelle Formen der Arbeitsteilung zwischen Unternehmen in
gleicher Weise wie für die skizzierten Formen der internen virtuellen Verknüpfung und
Teamarbeit. Um dieses Vertrauensdilemma in den Griff zu bekommen, sind entsprechende
vertrauensbildende Regeln und Maßnahmen, insbesondere auch glaubwürdige Kommu-
nikation, erforderlich, die schon frühzeitig in die entsprechende Planung einzubeziehen
sind. Gelingt dies, zeigen sich virtuelle Formen der Zusammenarbeit als durchaus inter-
essantes Konzept für die Prüfung und Gestaltung von M & A-Strategien.
In Abschnitt 2 wurde neben den bisher skizzierten Einbindungs-Konzepten auch auf die
Business Webs als typische Netzwerkstruktur insbesondere der digitalen Wirtschaft hin-
gewiesen. Von den anderen Netzwerkformen unterscheiden sie sich zunächst kaum, da in
Bezug auf die beteiligten Adapter-Unternehmen unterschiedliche Formen der Einbindung
erkennbar sind. Sie reichen von Formen der Quasi-Internalisierung bis hin zu kooperati-
ven Formen der Kooperation mit abnehmender wirtschaftlicher Abhängigkeit.27 Insofern
gilt für die Prüfung der Frage, ob sie eine interessante Alternative für M & A-Strategien
darstellen, zunächst dasselbe wie in Abschnitt a)erläutert. Vor dem Hintergrund transak-
tionskostentheoretischer Überlegungen eignen sich Business Webs v. a. für Kompetenzen
und Aufgaben mit mittlerer strategischer Bedeutung sowie hoher bzw. mittlerer Spezifität
in Branchen und Märkte mit hohen Netzeffekten.
In diesem letzten Aspekt liegt der entscheidende Unterschied zu den bisher skizzierten
Modellen. Business Webs sind dann erfolgsversprechend, wenn Netzeffekte und diese
unterstützende Plattformen eine hohe Bedeutung für die Marktentwicklung haben. Denn
dann erhöht jeder weitere Adapter den Gesamtnutzen des Business Webs und damit auch
den Gesamtnutzen aus Kundensicht. So erhöht beispielsweise jeder weitere Anbieter von
Informationen oder Produkten auf einem Internet-Portal den Nutzen für den Endkunden,
da dieser weitere Möglichkeiten des Einkaufs bzw. Informationszugangs erhält. Der Ko-
operationsvertrag wird zwar zwischen dem Portal als Shaper und dem jeweiligen Unter-
nehmen als Adapter geschlossen; von dem Nutzen profitieren jedoch sämtliche übrigen
Adapter des jeweiligen Business Webs. So erhöht sich beispielsweise mit jedem zusätzli-
chen Anbieter von Informationsdienstleistungen oder Produkten der Anreiz, dieses Portal
zu besuchen, wodurch letztlich alle profitieren. Insofern kommt bei dieser Alternative
neben den prinzipiellen Eigenschaften aus Transaktionskostensicht ein wesentliches Kri-
terium hinzu – die Eigenschaft des Systemproduktes.
Besteht nämlich die strategische Zielsetzung in der Erstellung eines Systemproduktes,
für das verschiedene komplementäre Teilprodukte bzw. Teilprozesse erforderlich sind,
erscheint zunächst eine klassische M & A-Strategie erfolgsversprechend. Sind diese ergän-
zenden komplementären Teilprodukte und Teilprozesse hoch spezifisch bzw. strategisch
sehr bedeutend, ist es vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen sinnvoll, wenn
der Shaper über die Kompetenzen zur Beherrschung des komplementären Feldes verfügt,
was im Bereich spezialisierter Hochtechnologie und Dienstleistung keinesfalls selbstver-
ständlich ist. Handelt es sich dagegen um komplementäre Teilprodukte und Teilprozesse
mit mittlerer strategischer Bedeutung und hoher bzw. mittlerer Spezifität, sind vor dem
Hintergrund der bisherigen Ausführungen eher Formen der Quasi-Internalisierung (bei ho-
her Spezifität) oder kooperativen Einbindung (bei mittlerer Spezifität) zu empfehlen. Im
Ergebnis entsteht dann ein Business Web mit einer Vielzahl von Adaptern auf der Basis
unterschiedlicher Einbindungsformen und konkreten Kooperationsformen. Abbildung 4
zeigt dies beispielhaft auf.
Vor dem Hintergrund der in diesem Beitrag zu untersuchenden Frage stellen Business
Webs somit eine interessante Alternative dar, wenn es um die Einbindung komplementä-
rer Teilprodukte bzw. Teilprozesse mit mittlerer strategischer Bedeutung und hoher bzw.
mittlerer Spezifität geht und Netzeffekte in dem jeweiligen Markt eine wichtige Rolle
spielen.
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102 III. Bevor die Entscheidung für M & A fällt: Netzwerke und Kooperationen als Alternativen?
5. Zusammenfassung
M & A-Strategien verfolgen unterschiedliche Ziele, die denen von alternativen Kooperati-
onsstrategien nicht unähnlich sind. Im Unterschied zu M & A-Projekten führen diese jedoch
nicht zu den oft komplexen und nicht unproblematischen Umstrukturierungserfordernis-
sen und Changeproblemen in Anschluss einer Fusion oder Übernahme. In Konsequenz
stellt sich schon für die Planung von M & A-Projekten die Frage, unter welchen Randbe-
dingungen dann eine Internalisierungsstrategie tatsächlich sinnvoll erscheint, wenn alter-
native Möglichkeiten der Einbindung externer Kompetenzen und Prozesse zur Verfügung
stehen und im Zuge der IT-Ausbreitung sich zukünftig noch stärker ausbreiten werden.
Dieser Frage wurde zunächst vor dem Hintergrund der Transaktionskostentheorie sowie
des Resource Based View nachgegangen. Dabei hat sich gezeigt, dass Internalisierungs-
strategien v. a. bei Kompetenzen und Teilprozessen mit nachhaltig hoher strategischer Be-
deutung und hoher Spezifität eine effiziente und sinnvolle Alternative darstellen. Handelt
es sich dagegen um Kompetenzen bzw. Teilprozesse mit mittlerer strategischer Bedeu-
tung, erscheinen bei hoher Spezifität Formen der Quasi-Internalisierung eine interessante
Alternative. Sie verknüpfen die Vorteile einer Internalisierung mit den Vorteilen einer
Kooperation ohne die Nachteile komplexer Umstrukturierungs- und evtl. problematischer
Change-Maßnahmen in Kauf nehmen zu müssen. Voraussetzung sind entsprechende or-
Literatur 103
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105
1. Einleitung
Unternehmenstransaktionen werden mehr und mehr zum Standardinstrument in der Um-
setzung der jeweiligen Unternehmensstrategie. Dieses Phänomen lässt sich nicht nur bei
börsennotierten Konzernen beobachten, sondern auch verstärkt bei Familien- und Mit-
telstandsunternehmen. Dabei lässt sich eine Vielzahl von Aktivitäten unter dem Begriff
»Unternehmenstransaktion« subsumieren. So gehören Carve-outs und Spin-offs im Zu-
sammenhang mit der Veräußerung von Teilbereichen ebenso dazu wie die Übernahme
von direkten Wettbewerbern oder in der Wertschöpfungskette vor- bzw. nachgelagerten
Unternehmen. Auch die Fusion, also das Zusammengehen von zwei oder mehr gleich-
berechtigten Parteien, stellt eine Unternehmenstransaktion dar. In der öffentlichen Wahr-
nehmung stehen solche Unternehmenstransaktionen nicht selten in der Kritik, da sich die
regelmäßig verfolgten (Kosten-)Synergien häufig nur durch intensive Restrukturierungs-
maßnahmen realisieren lassen. Insbesondere der Abbau von Arbeitsplätzen stellt dabei
einen Aspekt dar, der negativ gesehen wird. Auf der anderen Seite muss den involvierten
Unternehmen zugestanden werden, dass vor dem Hintergrund globalisierter Märkte und
zunehmenden Wettbewerbsdrucks kaum Alternativen zur Verfügung stehen.
3000
2500
Anzahl der Transaktionen
2000
1500
1000
500
0
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Energie, Chemicals & Utilities Financial Services Health Science
Industrial Products Retail & Consumer Products TCE
1 Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der publizierten Zahlen von M & A Review.
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106 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
Es ist zu beobachten, dass sich die M & A-Aktivität einer Branche in ihrer Intensität über
den Zeitverlauf verändert. Dies ist keine reine Modeerscheinung, sondern häufig Aus-
druck des Konsolidierungsgrades der jeweiligen Branche. Neben den unterschiedlichen
Motivationen zur Konsolidierung, die teilweise durch exogene Faktoren bedingt sind,
spielt auch die aktuelle Konsolidierungsphase der Branche eine wichtige Rolle. Die Profi-
tabilität von Unternehmen ist u. a. von Marktanteilen und Wachstum abhängig. Externes
Wachstum hat im Sinne von Time-to-market oder auch Best-of-both erhebliche Vorteile
im Vergleich zum internen bzw. organischen Wachstum. Damit werden M & A-Aktivitäten
zu einem Hauptbestandteil jeder Unternehmensstrategie.
Der vorliegende Beitrag wird auf Basis unterschiedlicher Theorieansätze die Relevanz
von Unternehmenstransaktionen zur Umsetzung von Unternehmensstrategien erläutern.
Anschließend soll unter Berücksichtigung der jeweiligen Motivation bzw. der exogenen
Faktoren auf die unterschiedlichen Arten von Branchenkonsolidierungen eingegangen
werden. Abschließend wird der Prozess der Branchenkonsolidierung am Beispiel der Au-
tomobilindustrie behandelt.
2 Siehe hierzu Timmreck, Christian (2008): Strategisches Investitions- und Finanzmanagement, in: Picot,
Gerhard (Hrsg.): Handbuch für Familien- und Mittelstandsunternehmen, Teil XI, S. 338 ff.
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Michael Eugene Porter hat sich als Professor an der Harvard Business School intensiv
mit dem Thema der Unternehmensstrategie beschäftigt. Seine Erkenntnisse lassen sich
vereinfachend in drei Kernaussagen zusammenfassen: Wähle eine attraktive Industrie,
entwickle Wettbewerbsvorteile (Kostenführerschaft, Differenzierung, Fokussierung) und
konfiguriere eine effiziente Wertkette.3 Insbesondere die Wettbewerbstheorie stand bei
Porter im Mittelpunkt. Hier identifizierte er fünf Kräfte, die ein Unternehmen am Markt
berücksichtigen muss. Abbildung 2 fasst die Wettbewerbskräfte zusammen und stellt die
daraus resultierenden Unternehmensstrategien dar.
Bedrohung durch
2 neue
Konkurrenten
Bedrohung durch
3 Substitutions-
produkte
Branchenweit
(umfassende)
Differenzierung
Kostenführerschaft
Segmentbeschränkt Konzentration auf Schwerpunkte (Nischen)
Die Wettbewerber in einer Branche stehen regelmäßig in Rivalität zueinander und ver-
suchen sich gegenseitig Marktanteile abzunehmen (1). In diesem Zusammenhang ist es
für die Unternehmen wichtig, durch hohe Profitabilität wettbewerbsfähig zu bleiben. Ge-
rade zum Erreichen der notwendigen Profitabilität ist es in vielen Branchen wichtig, die
kritische Größe zu erreichen. Außerdem haben größere Unternehmen auch die Möglich-
keit über umfangreichere Marketingaktivitäten oder zeitlich begrenzte Tiefstpreisangebote
Marktanteile zu gewinnen.
108 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
Neben dem Wettbewerb innerhalb einer Branche müssen sich die Unternehmen einer
gewissen Bedrohung durch neue Konkurrenten ausgesetzt sehen (2). Diese Bedrohung ist
abhängig von evtl. bestehenden Markteintrittsbarrieren. Eine Branche mit relativ hohen
Markteintrittsbarrieren, wie bspw. die Energiebranche, ist weniger stark betroffen als ei-
ne Branche, die kaum über solche Hürden verfügt, wie z. B. die Software-Branche. So ist
die Energiebranche durch sehr hohe Investitionen (mehrere Hundert Millionen Euro für
ein neues Kraftwerk) sowie die Notwendigkeit zur Unterhaltung entsprechender Vertei-
lungsnetze geprägt. Zur Entwicklung einer neuen Software reicht häufig ein ideenreicher
Programmierer mit entsprechender Hardware-Ausstattung aus.
Die Bedrohung kann allerdings auch durch Substitutionsprodukte entstehen (3). Da-
runter werden in der Mikroökonomie Güter verstanden, die dieselben oder ähnlichen
Bedürfnisse stillen und daher vom Konsumenten als gleichwertige Alternative angesehen
werden. Abgesehen vom klassischen Beispiel – der Margarine als Butterersatz – können
auch wirtschaftsnähere Beispiele – wie Aluminium oder Kunststoff statt Stahl im Auto-
mobilbau – gefunden werden. Die reine Existenz von Substitutionsprodukten führt i.d.R.
zu einer eingeschränkten Preisgestaltung auf Seiten der Produzenten.
Eine weitere wichtige Rolle spielt die Verhandlungsposition des Unternehmens. Auf
der einen Seite geht es um die Verhandlungsstärke gegenüber Lieferanten (4) und die
evtl. vorhandene Möglichkeit, Preissteigerungen an die eigenen Kunden weiterzubelasten.
Häufig ist die reine Unternehmensgröße ein maßgeblicher Einflussfaktor für die Verhand-
lungsstärke. So hat der stark konsolidierte Lebensmitteleinzelhandel nicht unerheblichen
Einfluss auf die Preisgestaltung der eher fragmentierten lebensmittelproduzierenden In-
dustrie.
Auf der anderen Seite ist die Verhandlungsstärke der Abnehmer und die damit verbun-
dene Preissensitivität zu berücksichtigen (5). Verfügt der Abnehmer über einen entspre-
chend großen Umsatzanteil beim Lieferanten, oder existieren genügend viele Alternativ-
anbieter, die das Produkt in vergleichbarer Qualität und zu ähnlichen Preisen anbieten,
wird er versuchen, einen für ihn vorteilhaften Preis auszuhandeln. Häufig ist dies bei
Produkten der Fall, die bereits zum Commodity (Allgemeingut) geworden sind. Gerade in
forschungsintensiven Industrien wie der Chemiebranche gehören die High-Tech-Entwick-
lungen von gestern (wie z. B. PVC) zu den Commodities von morgen.
Die möglichen Wettbewerbsstrategien ordnet Porter nach dem strategischen Zielobjekt
(also der Frage, was das Unternehmen erreichen möchte)5 und dem strategischen Vorteil
(also der Frage, wie das Unternehmen sein Ziel erreichen möchte). Für beide Dimensio-
nen hat Porter zwei maßgebliche Ausprägungen identifiziert. Als strategisches Ziel kommt
entweder eine branchenweite oder eine auf ein bestimmtes Segment beschränkte Posi-
tionierung des Unternehmens in Betracht. Der strategische Vorteil ergibt sich entweder
auf Basis der Singularität aus Käufersicht oder eines Kostenvorsprungs im Verhältnis zum
Wettbewerb. Grundlegend können drei unterschiedliche Unternehmensstrategien unter-
schieden werden: die Differenzierung, die Kostenführerschaft und die Nischenstrategie.
Bei der Differenzierung geht es um die Erzielung eines (wahrgenommenen) Unter-
schieds zu den Wettbewerbern, der z. B. in der Qualität, dem Service, dem Design oder
dem Image liegen kann und zur Realisierung von Preisprämien führt. Voraussetzung für
eine erfolgreiche Differenzierungsstrategie ist eine hohe Loyalität der Abnehmer und die
Bereitschaft dieser, für den Unterschied einen höheren Preis zu bezahlen. Gerade in der
Modeindustrie ist dieses Verhalten zu beobachten. So können bestimmte Modelabel deut-
lich höhere Preise durchsetzen als Nichtmarkenanbieter.
Im Rahmen der Kostenführerschaft wird das Ziel verfolgt, durch geringe Kosten einen
Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Insbesondere in einem Preiskrieg sind die Kostenführer
im Vorteil, da sie selbst dann noch profitabel agieren können, wenn andere Wettbewerber
bereits in der Verlustzone angelangt sind. Als mögliche Gründe bzw. Instrumente der Kos-
tenführerschaft können Größen- und Verbundeffekte (Economies of Scale und Economies
of Scope), Erfahrungseffekte (insbesondere in der Prozesstechnik) aber auch verbessertes
Produkt- oder Prozessdesign angeführt werden. Häufig zielen die Anstrengungen auch auf
eine optimale Kapazitätsauslastung und die Reduzierung der Kosten für Input-Faktoren
ab. Allerdings erfordern die genannten Instrumente hohe Investitionen in moderne Pro-
duktionsanlagen und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.
In der Nischenstrategie legt das Unternehmen seine Schwerpunkte auf bestimmte Kun-
dengruppen, Produktgruppen und/oder geografische Märkte. Durch diese Konzentrati-
on kann entweder eine Differenzierung oder eine Kostenführerschaft realisiert werden,
manchmal auch beides zusammen. Gerade familiengeführte Mittelständler haben es ge-
schafft, einige sehr attraktive Nischen zu besetzen.6
Wie schon bei den fünf Wettbewerbskräften durch die Berücksichtigung der Verhand-
lungsstärke von Lieferanten und Abnehmern deutlich wurde, sieht Porter einen Zusam-
menhang zwischen den Wertketten einzelner Unternehmen, insbesondere wenn die Un-
ternehmen vor- bzw. nachgelagerte Arbeiten erbringen. Diesbezüglich bieten sich zwei
Möglichkeiten für die Unternehmensstrategie. Zum einen die vertikale Integration der
vor- bzw. nachgelagerten Stufe oder aber die Positionierung als Unternehmen, welches
die Wertketteneffizienz beim Kunden steigern kann.
Auch wenn bei der letztgenannten Strategie, der Wertkettenintegration, der Bezug zum
Thema M & A am deutlichsten ist, so haben doch alle Strategieoptionen nach Porter mehr
oder weniger M & A-Bezug. Grundvoraussetzung für die Kostenführerschaft ist die Grö-
ße, wodurch dem Thema des externen oder anorganischen Wachstums eine besondere
Relevanz zukommt. Ein aktuelles Beispiel bietet die sich konsolidierende Finanzdienst-
leistungsbranche, die aufgrund ihres vergleichsweise hohen Fixkostenanteils besonders
von Größenvorteilen profitiert. Im Rahmen der Differenzierung ist häufig zu beobach-
ten, dass die Differenzierung selbst zwar in der kleinen Einheit besser möglich ist, aber
der Kostendruck auf anderer Ebene zu Kooperationen oder Zusammenschlüssen drängt.
So steht ein zu starkes Wachstum der notwendigen Exklusivität bei der Differenzierung
entgegen. Im Rahmen eines Markenportfolios lassen sich (Kosten-)Vorteile im Vertrieb
dennoch realisieren. Bei der Nischenstrategie konnte in den letzten Jahren eine deutliche
Fokussierung im Stahlbereich beobachtet werden. So konzentrierten sich einige Anbieter
auf Edelstahlprodukte, andere auf Röhren und wieder andere auf Flachprodukte und sind
heute vollintegrierte Anbieter in ihrem speziellen Segment.
6 Siehe hierzu Simon, Hermann (2007): Hidden Champions des 21. Jahrhunderts: Die Erfolgsstrategien
unbekannter Weltmarktführer
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110 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
Mrd. mit einer EBIT-Marge von 29% ca. dreimal so profitabel wie die Unternehmen mit
Umsätzen zwischen USD 50 Mio. und USD 5 Mrd.
Allerdings soll an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, dass Größe allein noch
kein Erfolgskriterium ist. Dies belegen eindrucksvoll die großen Unternehmenspleiten der
letzten Jahre.
Die häufig als Hilfsmittel zur Planung des Wachstums bezeichnete Produkt-Markt-Matrix
geht auf Harry Igor Ansoff zurück, der an verschiedenen US-amerikanischen und euro-
päischen Universitäten wirkte. Die Produkt-Markt-Matrix stellt ein Analysemodell dar,
welches Strategieempfehlungen in einem wachsenden Markt gibt. So unterscheidet es in
seiner Urform bereits bestehende Märkte und Produkte von neuen und empfiehlt für be-
stehende Produkte in bestehenden Märkten die Marktdurchdringung als richtige Strategie.
Neue Produkte in bestehenden Märkten sollen nach Ansoff durch Produktentwicklung
platziert und neue Märkte mit bestehenden Produkten entwickelt werden. Als Diversifi-
kation wird das Engagement mit neuen Produkten in neuen Märkten bezeichnet.8 Erwei-
tert wurde die Produkt-Markt-Matrix durch Philip Kotler, der zwischen bestehenden und
neuen Produkten noch die Kategorie »modifizierte Produkte« einfügte und in Bezug auf
einen neuen Markt den geografisch neuen Markt von einer neuen Zielgruppe abgrenzte.9
7 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Chappuis, Bertil E./Frick, Kevin A./Roche, Paul J. (2004):
High tech’s coming consolidation, in: McKinsey on Finance, No. 11, Spring 2004
8 Vgl. Ansoff, Igor (1966): Management-Strategie
9 Vgl. Kotler, Philip (1999): Kotler on Marketing: How to Create, Win, and Dominate Markets.
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112 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
Diese Erweiterung scheint vor dem Hintergrund der Globalisierung und bei immer kürze-
ren Produktlebenszyklen durchaus als sinnvoll.
Marktentwicklung Modifizierte
Diversifikation
Neue Zielgruppe (neue Kunden- Produkte neuen
(neue Produkte für
gruppen Kundengruppen
neue Kunden)
erschließen) anbieten
Die Rolle von M & A-Transaktionen zur Realisierung der jeweiligen Strategie soll im Folgen-
den anhand der ursprünglichen Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff (also bezogen auf die
vier kursiv gehaltenen Produkt-Markt-Kombinationen) beleuchtet werden.
Bei der Marktdurchdringung geht es einzig und allein darum, im bestehenden Markt
mit den bestehenden Produkten Marktanteile zu gewinnen. Hierzu kann der Umsatz mit
bestehenden Kunden erhöht oder dem Wettbewerb Kunden abgeworben werden. Das Ri-
siko dieser Strategie wird als relativ gering eingestuft, da sowohl der Markt als auch das
Produkt bekannt ist. Die Übernahme von Wettbewerbern kann hier ein interessanter und
schneller Weg sein, um die Marktdurchdringungsstrategie umzusetzen. Häufig wird im
Rahmen der Marktdurchdringung auch die Beseitigung von Überkapazitäten angestrebt.
Mit der Produktentwicklung sollen die sich verändernden Bedürfnisse eines bestehen-
den Marktes mit neuen Produkten bedient werden. Häufig lässt sich dies über Modifikatio-
nen bestehender Produkte realisieren. Auch wenn die Produktentwicklung ein Thema ist,
welches maßgeblich von internen Fähigkeiten geprägt ist, können kleinere Akquisitionen
hier helfen und den Entwicklungsprozess beschleunigen. So gibt es Unternehmen, die
11 Siehe hierzu Markowitz, Harry M. (2008): Portfolio Selection. Die Grundlagen der optimalen Portfolio-
Auswahl
12 Vgl. Oetinger, Bolko von (Hrsg.) (2000): Das Boston Consulting Group Strategie-Buch
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114 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
eines Produktes), die Wachstumsphase, die Reifephase und die Sättigungsphase. Je nach
Betrachtung wird der Produktlebenszyklus um die sogenannte Auslaufphase ergänzt, in
der eine Exit-Strategie umzusetzen ist.
Zeit
Log
(Stück- Geschäftsfeld-
kosten) lebenszyklus
Erfahrungskurve
Die BCG-Portfoliomatrix fasst nun beide Aspekte in einer Abbildung zusammen, bei der
die Abszisse den relativen Marktanteil und die Ordinate das relative Marktwachstum dar-
stellt. Im relativen Marktanteil gehen die Erkenntnisse des Lernkurveneffektes ein. Das
relative Marktwachstum ergibt sich aus dem Produkt- bzw. Geschäftsfeldlebenszyklus.
Der eigene Marktanteil wird ins Verhältnis zum Marktanteil des nächstbesten Wettbewer-
bers gesetzt, um den relativen Marktanteil zu erhalten. Annahmegemäß ist der relative
Marktanteil positiv mit der Rendite (ROI = Return of Investment) korreliert. Je höher der
relative Marktanteil ist, desto niedriger sollten die Stückkosten sein, was sich in einer
besseren Profitabilität niederschlägt und somit etwas zur Cash-Generierung des Produk-
tes bzw. des Geschäftsbereiches aussagt. Als Benchmark für das relative Marktwachstum
wird i.d.R. die 1,5-fache Inflationsrate angelegt. Hier findet der Gedanke des Produktle-
benszyklus Eingang.
13 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Oetinger, Bolko von (Hrsg.): Das Boston Consulting Group
Strategie-Buch
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Auf Basis der BCG-Portfoliomatrix lassen sich Normstrategien für die Produkte bzw.
Geschäftsbereiche ableiten. Im Quadranten mit dem Fragezeichen sollte die Position ent-
weder weiter ausgebaut oder das Produkt/der Geschäftsbereich desinvestiert werden. Hier
finden sich Produkte mit geringem Marktanteil in stark wachsenden Märkten. Das Ziel
kann nur darin liegen, eine dominante Marktstellung zu erreichen oder die mit der Akti-
vität verbundenen Kosten frühzeitig durch eine Desinvestition zu stoppen. Die Produkte
im Quadrant mit dem Hund weisen weder hohes Wachstum noch hohe Marktanteile auf,
weshalb sie desinvestiert werden sollten, um nicht unnötig Ressourcen zu belegen. Der
Quadrant mit der Kuh steht für Produkte/Geschäftsbereiche, die einen hohen Marktanteil
aufweisen, sich aber in wachstumsschwachen Märkten befinden. In dieser Position lassen
sich attraktive Deckungsbeiträge realisieren, die durch eine Haltestrategie (nur noch Ersat-
zinvestitionen durchführen) abgeschöpft werden sollten, um zentrale Gemeinkosten so-
wie Forschungs- und Entwicklungskosten für neue Produkte aus eigener Kraft finanzieren
zu können. Abschließend sind die Produkte/Geschäftsbereiche im Quadranten mit dem
Stern zu betrachten, die in stark wachsenden Märkten bereits einen hohen Marktanteil
erzielen können. Hier ist die Position zu halten bzw. – falls möglich – weiter auszubau-
en. Wie bereits durch die Formulierung (Produkte/Geschäftsbereiche) angedeutet, gilt die
BCG-Portfoliomatrix nicht ausschließlich für Produkte, sondern ebenso für strategische
Geschäftsbereiche bzw. ganze Unternehmen. Mit der Indikation desinvestieren/halten/
ausbauen lassen sich auch Rückschlüsse auf die empfohlene M & A-Aktivität für den jewei-
ligen Bereich ziehen. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass ein optimales Portfolio
nicht nur aus Sternen bestehen kann. Da Unternehmen in einem dynamischen Umfeld
agieren, sollte ein ausgeglichenes Portfolio (zwischen Cash-Generierung und Cash-Bedarf)
angestrebt werden, welches es dem Unternehmen ermöglicht immer wieder neue Inno-
vationen zu platzieren.
Die Unternehmensberatung A.T. Kearney hat über einen Zeitraum von elf Jahren mehr als
25.000 Unternehmen sowie deren M & A-Aktivitäten analysiert und daraus die Gesetzmä-
ßigkeiten der Endgames-Kurve abgeleitet. Als Schlussfolgerung wird die These aufgestellt,
dass es keine optimale Unternehmensgröße gibt, sondern die Unternehmen immer weiter
wachsen müssen, wenn sie überleben wollen.14 Und die Autoren der Studie gehen noch
einen Schritt weiter und betonen, dass organisches Wachstum nicht ausreicht: »Wer den
Wettbewerb übertreffen will, muss akquirieren!« Im Gegensatz zu den Strategieempfeh-
lungen von Porter glaubt man hier auch nicht an Nischenmärkte, die verteidigt werden
könnten. Der Prozess der Konsolidierung verläuft demnach in vier Phasen über einen
Gesamtzeitraum von ca. 25 Jahren. Dabei wird der Konzentrationsgrad einer Branche mit
Hilfe von zwei unterschiedlichen Indizes gemessen. Auf der einen Seite wird der übliche
CR3-Index verwendet, der den prozentualen Marktanteil der drei größten Unternehmen
einer Branche als Summe heranzieht. Zur Berücksichtigung kleinerer Unternehmen wird
14 Vgl. Deans, Graeme/Kröger, Fritz/Zeisel, Stefan (2002): Merger Endgames – Strategien für die Konso-
lidierungswelle
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116 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
Die erste Phase wird als Öffnungsphase bezeichnet, in der der Markt kaum konzentriert
ist und die Unternehmen versuchen Markteintrittsbarrieren aufzubauen. Im Verlauf der
ersten Phase fangen die Unternehmen an, ihren Umsatz zu steigern und ihre Marktan-
teile auszubauen. Zum Ende dieser Phase sind die ersten Konsolidierungstendenzen zu
erkennen. Daran schließt sich die Kumulationsphase an, in der die Unternehmensgröße
entscheidend wird. Nun geht es darum, Skaleneffekte zu realisieren. Die Konsolidierungs-
geschwindigkeit erreicht in dieser zweiten Phase ihr Maximum, weshalb der Integrations-
kompetenz eines Unternehmens hier besondere Bedeutung zukommt. Außerdem bieten
sich hier besonders attraktive Einstiegschancen für Finanzinvestoren, die von den noch
geringen Unternehmensbewertungen profitieren und eine aktive Rolle in der Konsolidie-
rung einnehmen können. Als dritte Phase folgt dann die Fokussierung. Nach der erfolg-
ten Konsolidierung haben sich die erfolgreichen Marktteilnehmer herauskristallisiert und
bauen ihr Kerngeschäft weiter aus. M & A-Transaktionen nehmen in ihrer Häufigkeit ab,
aber in ihrem wertmäßigen Volumen deutlich zu. Dies ist die Zeit der Megafusionen. Im
Anfangsstadium der Fokussierungsphase bietet sich der beste Exit-Zeitpunkt für Finanzin-
vestoren, da hier häufig Premiumpreise zu erzielen sind. Die vierte Phase wird als Balan-
cephase bezeichnet, in der nur noch wenige Spieler die Branche dominieren. Da es kaum
noch geeignete Übernahmekandidaten gibt, treten strategische Allianzen an die Stelle
von M & A-Transaktionen. Die Profite sind kaum noch zu steigern, weshalb wachstums-
starke Bereiche ausgegliedert werden. Damit startet eine neue Endgameskurve mit der
Öffnungsphase. Da sich sowohl die Konsolidierungsgeschwindigkeiten erhöht haben, und
die Produktlebenszyklen kürzer werden, ist damit zu rechnen, dass sich der bisher auf
25 Jahre geschätzte Zeitraum für das Durchleben aller vier Phasen auf zehn bis fünfzehn
Jahre verringern wird. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse wird schnell klar, dass
ein Unternehmen nicht nur auf Umweltveränderungen reagieren darf. Jedes Unternehmen
muss sich proaktiv der Herausforderung des Merger Endgames stellen und (unter dem
Stichwort »Shape the industry!«) aktiv an der Konsolidierung seiner Branche teilnehmen.
Solange eine Branche staatlich reguliert oder gar kontrolliert wird, ist der Wettbewerb
eingeschränkt. In vielen Fällen geht es sogar soweit, dass regelrechte Monopolstellungen
der Unternehmen vorhanden sind, wie es bei den ehemaligen Post- und Telekommuni-
kationsunternehmen der Fall war. In einem ersten Schritt erfolgen hier Privatisierungen,
die den Weg in die freie Marktwirtschaft und eine Wettbewerbslandschaft ebnen. Teilwei-
se werden solche Märkte aufgrund ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung noch durch
Regulierungsmaßnahmen geschützt, allerdings ist eine zunehmende Deregulierung und
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118 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
Liberalisierung die logische Folge. Dies zeigt sich derzeit insbesondere bei den Versor-
gungsunternehmen. Ein sehr gutes Beispiel für die Konsolidierungstendenz, die aus der
Liberalisierung von Märkten entstehen kann, stellt die europäische Stahlindustrie dar. So
waren Ende der 1980er-Jahre noch die meisten europäischen Stahlhersteller in staatlicher
Hand. Vor dem Hintergrund der hohen Relevanz der Stahlherstellung für die Rüstungsin-
dustrie und Schlüsselindustrien wie den Automobil- sowie den Anlagen- und Maschinen-
bau, ist dies nicht verwunderlich. Nach der Privatisierung erfolgten in den 1990er- und zu
Anfang der 2000er-Jahre die ersten Zusammenschlüsse. In Deutschland gab es eine natio-
nale Konsolidierungswelle, während es im übrigen Europa vermehrt grenzüberschreitende
Zusammenschlüsse gab. Mittlerweile befinden wir uns in einer globalen Konsolidierungs-
welle, die maßgeblich von asiatischen Unternehmen getrieben wird. Die Motivation für
solche Konsolidierungswellen ergibt sich vor allem aus dem Zwang der Profitabilität her-
aus. Ineffiziente Strukturen müssen beseitigt, eine Marktorientierung geschaffen und die
Mitarbeiter motiviert sowie incentiviert werden.
Wenn gänzlich neue Geschäftsmodelle auf den Markt kommen, entwickelt sich zuerst ein
fragmentiertes Angebot. Die Markteintrittsbarrieren sind i.d.R. gering und die erzielbaren
Margen noch recht attraktiv. In der jüngeren Vergangenheit ließ sich dieses Phänomen
insbesondere bei der Interneteuphorie in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre beobachten
und in den letzten Jahren bei Dienstleistungsunternehmen wie bspw. der Zeitarbeit oder
den Call Centern. Nach erfolgreicher Etablierung solcher Geschäftsideen tritt sehr schnell
eine Konsolidierung der Branche ein. Als Ziel steht hier die Erreichung einer uneinhol-
baren Marktposition im Vordergrund. So ist aus den Internet-Pionieren von gestern die
etablierte Online-Industrie von heute geworden.
Neben der Konsolidierung, die unter den existierenden Wettbewerbern stattfindet, wer-
den auch Unternehmen anderer Branchen nach der Etablierung von Geschäftsmodellen
auf solche Unternehmen aufmerksam und könnten sich für eine Akquisition interessieren.
So kaufte kürzlich eine renommierte Verlagsgruppe ein studentisches Online-Portal. Diese
Strategie des »Abwartens« kann auch bei Chemie bzw. Pharmaunternehmen beobachtet
werden. So entwickeln neu gegründete Biotech-Unternehmen zwar hochinteressante und
innovative Produkte, sind aber häufig nicht in der Lage, diese Produkte global zu ver-
markten. Allerdings können die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten oft erst über
das Absatzpotenzial des Weltmarktes wieder verdient werden. So ging das drittgrößte
Biotechnologie-Unternehmen der Welt im Jahr 2006 in einem deutschen Pharmaunter-
nehmen auf.
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Auch Branchen, die sich lange als Nischen in lokalen Märkten behaupten konnten, gera-
ten immer mehr unter einen Konsolidierungsdruck. Ein klassisches Beispiel hierfür sind
Handwerksbranchen, wie Bäckereien, Optiker oder auch Kfz-Werkstätten. Früher hatten
die einzelnen Kleinstunternehmen dieser Branchen einen festen und loyalen Kunden-
stamm und mussten kaum die Bedrohung durch nationale oder globale Wettbewerber
fürchten. Allerdings durchleben diese Branchen aktuell eine bisher nicht gekannte Phase
der Professionalisierung und Industrialisierung, die eine deutliche Konsolidierung mit sich
bringt. Neben der erhöhten Einkaufsmacht profitieren solche Unternehmen vor allem von
gemeinsamen Marketingaktivitäten und der daraus resultierenden (gefühlten) Seriosität.
Liegt ein fragmentierter Markt und eine gewisse Skalierbarkeit des Geschäftsmodells vor,
sind diese Konsolidierungstendenzen ein gern gesehenes Betätigungsfeld für Finanzinves-
toren, die als Katalysator im Rahmen der Konsolidierung fungieren können. Unter dem
Begriff Buy-and-build werden dann solche Märkte durch Finanzinvestoren konsolidiert.
Eine Alternative zu M & A-Transaktionen bietet das sogenannte Franchise. Im Bereich
der Systemgastronomie erweist sich dieses Konzept als adäquate Alternative zu der Ak-
quisition von Unternehmen bzw. dem Aufbau eines großen Vertriebsnetzes mit eigenen
Ressourcen. So ist es möglich, ohne großes Eigenkapital und mit begrenztem Risiko ein
schnelles Wachstum oder auch eine Internationalisierung umzusetzen.
Im Zuge der Globalisierung bzw. durch die Konsolidierung in vor- oder nachgelagerten
Branchen kommt es zur Konsolidierung zweiter Ordnung. Wie bereits erwähnt, ist es
notwendig, eine ausreichende Verhandlungsstärke gegenüber Lieferanten und Abnehmern
aufzubauen. Dies erfolgt u. a. durch das Erreichen einer entsprechenden Unternehmens-
größe. Ansonsten gerät das Unternehmen in die sogenannte »Sandwichposition« und wird
16 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Zahlen und Fakten Globalisierung http://www.bpb.de/
wissen/Y6I2DP,0,Globalisierung.html
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120 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
sowohl von Lieferanten als auch von Abnehmern zu Zugeständnissen bei der Preisgestal-
tung gedrängt. In solch einer Situation befinden sich derzeit viele Automobilzulieferer. Auf
der Abnehmerseite steht ein bereits stark konsolidiertes Feld von Automobilherstellern
und auf der Lieferantenseite existieren mit Quasimonopolisten wie den großen Kunsstoff-
granulat-Anbietern und den verbliebenen Stahlherstellern ungleich größere Verhandlungs-
partner. Daher sehen die Automobilzulieferer u. a. in Zusammenschlüssen eine Chance,
wieder an Verhandlungsmacht zu gewinnen.
Abgesehen von der Notwendigkeit zur Konsolidierung zweiter Ordnung entwickeln
sich in einigen Branchen auch neue Absatzchancen durch die Konsolidierung auf Abneh-
merseite. So entstehen im Markt für Außenwerbung immer größere Einheiten. Maßgeblich
für diese Konsolidierung ist der Wunsch der bereits konsolidierten Kunden (insbesondere
der Markenartikler) einen Ansprechpartner für ihre bundesweiten Werbekampagnen zu
haben, um nicht in jeder Region mit einem anderen Anbieter verhandeln zu müssen.
Die Gründe für die Branchenkonsolidierung unter den Herstellern sind vielschichtig. Die
zunehmende Konkurrenz durch asiatische Hersteller in den 1970er- sowie insbesondere
1980er-Jahren erhöhte den Kostendruck auf europäische und amerikanische Hersteller
und steigerte die Bedeutung von Skaleneffekten in der gesamten Branche. Diese ließen
sich neben klassischen Kosteneinsparungen in Einkauf, Produktion und Vertrieb auch
durch die Entwicklung von markenübergreifenden Fahrzeugplattformen oder Modulen
generieren. Die Plattformstrategie wurde insbesondere in den 1990er-Jahren von vielen
Automobilherstellern aufgegriffen, um den teilweise relativ eng definierten Zielgruppen
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17 Quelle: Oliver Wyman & Fraunhofer-Instituten für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) so-
wie für Materialfluss und Logistik (IML): »Future Automotive Industry Structure (FAST) 2015«
Anmerkung: Aufgrund der fehlenden historischen Vergleichbarkeit ohne China, Indien und Russland.
18 Vgl. Heitmann, Marcus (2007): »IT-Sicherheit in vertikalen F&E-Kooperationen der Automobilindus-
trie«.
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122 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
sich durchsetzende Technologie, lässt auch die Teilung von Entwicklungsrisiken zu einem
wichtigen Aspekt werden.19
Im Rahmen der vertikalen Integration der Wertschöpfungskette ist zu bemerken, dass
der Fokus – abgesehen von Einzelfällen – nicht mehr nur auf den vorgelagerten Stufen
nämlich den Zulieferern liegt, sondern der nachgelagerte Aftersales-Markt (z. B. Service-
Bereiche wie Werkstatt oder Finanzdienstleistungen) in den Vordergrund getreten ist.
Der Aftersales-Markt scheint ein Bereich zu sein, in dem die Automobilhersteller teil-
weise höhere Profite sehen als in der eigentlichen Herstellung der Fahrzeuge. Zum einen
ist deutlich erkennbar, dass Automobilhersteller mit eigenen Werksniederlassungen selbst-
ständige Vertragshändler aufkaufen, um somit einen Teil der Marge zu integrieren. Zum
anderen nutzen Automobilhersteller maßgeschneiderte Finanzierungslösungen, um die
Kundenbindung zu erhöhen und zusätzlich zum Kerngeschäft ein attraktives selbststän-
diges Geschäftsmodell zu etablieren.20 Automobilhersteller mit mehreren Marken können
hier Skaleneffekte nutzen, indem die Finanzdienstleistungsgesellschaft markenübergrei-
fend Produkte anbietet und verwaltet. Aufgrund der in den meisten Ländern für das An-
gebot von Finanzdienstleistungen notwendigen Lizenzen, könnten auch gezielte Akqui-
sitionen in bestimmten geografischen Regionen sinnvoll sein, um das Geschäft regional
auszubauen.
Innerhalb der Europäischen Union deuten sich zudem signifikante regulatorische Än-
derungen im Aftersales-Bereich an.21 Das in der Regel sehr profitable Ersatzteilgeschäft
der Automobilhersteller ist aufgrund der momentan uneinheitlichen Regelung und den
daraus resultierenden Liberalisierungsbestrebungen innerhalb der Europäischen Union
bedroht. Im Zuge der geplanten europaweiten Vereinheitlichung und Liberalisierung des
Designschutzes für sichtbare Ersatzteile würden Zulieferer und unabhängige Hersteller
den Automobilherstellern bei den bislang durch Geschmacksmuster geschützten Ersatztei-
len Konkurrenz machen. Die Automobilhersteller könnten sich dadurch veranlasst sehen,
Ihre Strategie im Ersatzteilgeschäft anzupassen. Eine denkbare Handlungsoption ist in
diesem Zusammenhang die Verstärkung der Aktivitäten beispielsweise im freien Werk-
stattgeschäft.22 Inwieweit vor dem Hintergrund bereits bestehender freier Werkstattketten
eine Akquisition dem Aufbau eigener Werkstätten im Discountbereich vorzuziehen ist,
bleibt abzuwarten.
Es wird somit deutlich, dass es insbesondere durch Wachstums- und Kostenmotive
eine klare langfristige Konsolidierungstendenz unter den Automobilherstellern gibt. Im
weiteren Beitrag wird jedoch aufgezeigt, dass einige Zukäufe der Automobilhersteller
nicht zu den gewünschten Zielen und somit zu der momentan beobachtbaren Dekonso-
lidierungswelle führten. Zudem ist abzusehen, dass die M & A-Aktivität in Zukunft nicht
nur aus dem eigentlichen Automobilgeschäft kommen wird, sondern verstärkt auch aus
dem Aftersales-Bereich.
19 Vgl. Müller-Thederan, D. (2007): »EU einigt sich auf CO2-Grenzwert für Autos«, in: Die Welt, 28.6.2007
20 Vgl. Bentenrieder, Matthias (2005): »Der Kampf um den Kundenzugang ist eröffnet«, in: Systemprofit
Automobilvertrieb 2015, Mercer Management Consulting
21 Vgl. Metzger, Oswald (2007): »Staatlich organisierte Wettbewerbsverzerrung«, in: Financial Times
Deutschland, 13.12.2007
22 Vgl. Schneider, Mark C. (2008): »Autohersteller fürchten um Ersatzteilgeschäft«, in: Handelsblatt,
07.04.2008
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23 Vgl. Soppe, Birthe (2007): »Warum sollten Endhersteller und Zulieferer mehr innovieren als sie produ-
zieren?«, in: Discussion Papers on Strategy and Innovation 07-02, Philipps-Universität Marburg 2007
24 Vgl. Peitsmeier, Henning (2007): »Schöne Aussicht«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.09.2007,
Nr. 204, S. 21
25 Fuß, Peter; Kausch-Blecken von Schmeling, Thilo (2003): »Finanzierungsdilemma – Automobilzulie-
ferer vor weiterer Fusionswelle?«, Ernst & Young AG
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124 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
tionen, um auf bestimmten Gebieten eine kritische Größe bzw. marktführende Positionen
zu erreichen.
Der oben schon erwähnte Trend in Richtung Systemlieferanten innerhalb der Auto-
mobilzuliefererindustrie wird dabei auch weiterhin Unternehmen zwingen, durch einen
Zusammenschluss relativ komplementärer Produktportfolien die eigene Produktpalette
auszubauen und das Angebot zu Komplettsystemen auszuweiten. Durch akquisitions-
getriebenes Wachstum können sich die Zulieferer horizontal weiter integrieren und das
Risiko durch die Diversifikation der Produktpalette reduzieren. Gezielte Akquisitionen
helfen dabei, sich von bestimmten Produkten und Märkten unabhängiger zu machen
und neue Marktfelder zu erschließen. Vielfach haben Hersteller reifer Produkte mit wenig
Wachstumspotenzial durch gezielte Investitionen in Zukunftstechnologien ihre Produkt-
basis verbreitert. Die Nachfrage von Systemen, insbesondere für die globalen Plattformen
der Automobilhersteller, stellt die Zulieferer vor eine Herausforderung, der kleine und
mittelständische Unternehmen häufig nicht mehr gewachsen sind. Systemkompetenz und
globale Präsenz sind entscheidend geworden. Hierzu bilden Akquisitionen und Koope-
rationen oftmals die effizienteste Möglichkeit, die Bedürfnisse der Automobilhersteller
weltweit zu erfüllen.
Auf der anderen Seite stehen Unternehmen aus den Schwellenländern vor der Her-
ausforderung, dass sie zwar oftmals die Größe und das Kapital haben, ihnen aber die
Technik und Qualität für die entwickelten Märkte fehlt. Die Möglichkeit, gezielt Know-
how, benötigte Kapazitäten oder Produkte durch einen Zukauf zu erwerben, sind dabei
immer häufiger die Gründe für M & A-Aktivitäten. Interessant sind hierbei die unterschied-
lichen Wachstumsmuster bei Unternehmen aus verschiedenen Kulturen. Während asia-
tische Unternehmen traditionell eher endogene Wachstumsstrategien verfolgen, zeigen
sich Unternehmen aus dem aufsteigenden indischen Raum stark interessiert am akquisi-
tionsgetriebenen Wachstum. Dabei geht es ihnen insbesondere um den Zukauf von Hoch-
technologien, deren Entwicklung sie sonst Jahre kosten würde. Zudem spielen natürlich
auch Kapazitäten eine entscheidende Rolle. Auch aus regionalen Gesichtspunkten sind die
Transaktionen der indischen Konzerne interessant. Zeigen sie doch, dass deutsche und
europäische Zuliefererbetriebe durchaus von internationalem Interesse sind.
Für die erfolgreiche Realisation der erhofften Kosten- und Wachstumssynergien wird
allerdings die erfolgreiche Unternehmensintegration der gekauften Unternehmen unter-
einander und in den Mutterkonzern entscheidend sein. Insbesondere im Automobilbe-
reich erfordert die Umsetzung globaler Komponenten- oder Systemstrategien einheitliche
und effiziente Strukturen. Fragmentierte Unternehmensstrukturen sowohl auf Käufer- als
auch auf Verkäuferseite, fehlende Managementkapazitäten oder auch unterschiedliche
und komplexe IT-Landschaften führen oftmals dazu, dass die Integration weitaus mehr
Zeit in Anspruch nimmt, als ursprünglich geplant war, und die Synergien – wenn über-
haupt – erst sehr viel später realisiert werden können.
Private Equity getreten sind. Gerade der Anteil von Finanzinvestoren erhöhte sich dabei
stetig, sodass im Jahr 2007 weltweit bei über 60% aller M & A-Transaktionen im Auto-
mobilbereich Private-Equity-Häuser involviert waren.26 Neben dem Finanzierungsaspekt
ergeben sich noch zusätzliche Ansatzpunkte für eine Private-Equity-Beteiligung aus der
Lösung von Nachfolgeproblemen oder auch aus Spin-off Situationen von Konzerngesell-
schaften. Im Allgemeinen verfolgen Private-Equity-Gesellschaften dabei als oberstes Ziel,
eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften. Branchenüblich sind Renditeziele von 15
bis 20% pro Jahr. Dabei profitieren jedoch nicht allein die Fonds und deren Anleger. Es
lässt sich nämlich insgesamt erkennen, dass Unternehmen im Besitz von Finanzinves-
toren einen deutlich stärkeren Wertzuwachs verzeichneten als die börsennotierten Kon-
kurrenten. In einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young wurde fest-
gestellt, dass diese mit einer Steigerung von durchschnittlich 13% aufwarten, während
Unternehmen in Private-Equity-Hand auf 23% kamen.27
Zur Realisierung der angestrebten Rendite setzt der Finanzinvestor unterschiedliche
Hebel ein. Zum einen kann der Unternehmenswert durch höhere Umsätze und bessere
Margen gesteigert werden. Dabei nutzen die aktivistischen und managementorientierten
Fonds häufig auch das Mittel umfassender Restrukturierungen.
Einen weiteren entscheidenden Hebel stellt die Finanzierung (Leverageeffekt) dar. Die-
ser wird durch einen hohen Anteil an Fremdkapital erzielt, welches niedriger zu verzinsen
ist und im Laufe der Haltedauer teilweise oder vollständig getilgt wird. Die Folge daraus
ist, dass Finanzinvestoren ein Interesse an möglichst hohen und stabilen Cashflows ha-
ben.28
Beteiligungen von Private-Equity-Gesellschaften an Automobilzulieferern sind häufig
im Rahmen von MBOs anzutreffen, da hier auch in Zukunft auf die Unternehmens- und
Marktkenntnis des bisherigen Managements zugegriffen werden kann und das Manage-
ment als künftiger Miteigentümer selbst ein starkes Interesse an der erfolgreichen Wei-
terentwicklung des Unternehmens hat. Der steigende Wertschöpfungsanteil der Auto-
mobilzulieferer ist aus Sicht der Finanzinvestoren grundsätzlich attraktiv, dabei sind in
Deutschland insbesondere mittelständisch geprägte Zulieferer von Interesse.29 Diese oft-
mals als Familienunternehmen geführten Betriebe zeichnen sich durch ein vergleichswei-
se hohes Potenzial aus, da sie häufig in Nischen agieren. Zudem befinden sich diese oft-
mals in der Situation, dass sie vor dem Problem der Nachfolgeregelung stehen. In diesen
Fällen kann es aus Sicht eines geschäftsführenden Gesellschafters attraktiv sein, einem
MBO zuzustimmen. Hier unterscheidet sich der deutsche Zulieferermarkt bspw. deutlich
26 Vgl. Snaveley, Brent (2008): »In gear; Private Equity, overseas companies drive M & As in auto indus-
try«, Crain’s Detroit Business, 28.01.2008
27 Spill, Joachim (2008): »Private Equity trägt zur Wertsteigerung bei«, Handelsblatt vom 07.04.2008,
Seite C12
28 Vgl. Thum, Oliver/Timmreck, Christian/Keul, Thomas (2007): »Private Equity. Leitfaden zur erfolgrei-
chen Unternehmensfinanzierung«
29 Vgl. Schwarzer, Martin (2007) Gut gefahren mit Private Equity- PKW-Zulieferer profitieren von Zusam-
menarbeit mit Finanzinvestoren, in: GoingPublic Magazin, Sonderbeilage »Automotive 2007«, 5. Jahr-
gang, September 2007
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126 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
von dem US-amerikanischen, auf dem ein größerer Anteil der Unternehmen an der Börse
platziert wurde und nun über ein professionelles Management verfügt.30
Doch nicht nur Familienunternehmen sind im Fokus von Finanzinvestoren. Der stetig
ansteigende Druck der Kapitalmärkte auf die großen Konglomerate zwingt diese häufig,
sich auf ihre Kernkompetenzen zu beschränken. So haben in den letzten Jahren viele
Konzerne die Möglichkeit genutzt, ihre Portfolios mithilfe von Finanzinvestoren zu be-
reinigen. Finanzinvestoren sind im Vergleich zu strategischen Investoren häufig im Sinne
der Realisierung die schnellere und sichere Alternative.
Auf internationaler Ebene konnten in den letzten Jahren auch einige Akquisitionen
von großen Zulieferunternehmen sowie Automobilherstellern durch Private-Equity-Gesell-
schaften beobachtet werden. Aktuell erscheinen Transaktionen in dieser Größenordnung
aber vor dem Hintergrund der seit Mitte 2007 anhaltenden Krise an den Kapitalmärkten
für die nahe Zukunft eher schwierig. Derzeit verfügt die Private-Equity-Branche über
schätzungsweise USD 300 bis 400 Mrd. Eigenkapital, was bei üblichem Fremdkapital-
anteil einem möglichen Investitionsvolumen von USD 1.500 bis 2.000 Mrd. entspricht.
Diese Summe entspricht zum Vergleich ungefähr der Hälfte des deutschen Bruttoinlands-
produkts von 2007. Es erscheint allerdings zweifelhaft, dass es momentan gelingen wird,
Fremdkapital dieser Größenordnung aufzunehmen. Zu vermuten ist, dass sich der Fokus
der Branche weiter auf Unternehmen mittlerer Größe richten wird. Damit würden auch
weiterhin die mittelständischen Automobilzulieferer im Fokus stehen.31
Besonders die Hersteller von Fahrzeugen befinden sich in der schwierigen Lage, dass
die Anzahl der Modelle stetig steigt und damit die Stückzahlen pro Modell rückläufig sind,
dass die Produktzyklen immer kürzer werden und zum anderen auch die Entwicklungs-
kosten neuer Fahrzeuge stetig steigen. Skaleneffekte und das Erreichen der hohen tech-
nologischen Standards sind somit für die Wettbewerbsfähigkeit von Automobilherstellern
kritisch geworden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit im Falle der Akquisitionen eines Auto-
mobilherstellers durch Finanzinvestoren, die nicht in der Lage sind Synergien zu heben,
wird somit eine interessante Fragestellung sein. Die Erfahrung bei Automobilherstellern
mit vergleichbaren kleinen Stückzahlen hat gezeigt, dass die Entwicklung von Nachfolge-
produkten oft nicht profitabel darstellbar ist. Damit sehen sich sowohl kleine Hersteller
als auch Finanzinvestoren vor der gleichen Herausforderung, dass sie strategische Part-
nerschaften mit einem anderen Automobilhersteller schließen müssten.
Die starke internationale Konkurrenz und der daraus resultierende Kostendruck wer-
den vermutlich auch weiterhin den Trend zu Kooperationen zwischen den Herstellern für
wesentliche Bauteile oder gar Plattformen erzwingen. Interessant ist in diesem Zusam-
menhang auch, dass sich Finanzinvestoren gerade bei Zukäufen in der Automobilbranche
bisher wenig durch Buy-and-build-Strategien hervorgetan haben. So hatten Akquisition in
der Automobilbranche mit Buy-and-build-Hintergrund im Jahr 2007 gerade einmal einen
Anteil von knapp 2,7%.32
30 Vgl. Linnemann, Carsten (2007): »Germany’s Mittelstand – an endangered species? Focus on business
succession«, Deutsche Bank Research, 06.07.2007
31 Maier, Angela (2008): »Wo spielt die Musik?«, in Financial Times Deutschland vom 27.03.2008, S. 25
32 Mac Dougall, Neil/Whiley, Gareth (2008): »Buy & Build Monitor 2008«, Februar 2008, PPM Capital
Limited
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Eine sinnvolle Alternative zu klassischen Zukäufen oder Fusionen, mit denen ein Wech-
sel der Eigentümer und in der Regel auch tief greifende organisatorische und finanzielle
Veränderungen im Rahmen der Unternehmensintegration notwendig sind, können Koope-
rationen bzw. strategische Allianzen bieten. Oftmals lassen sich damit die unternehmeri-
schen Zielvorstellungen weitaus schneller und flexibler erreichen als über Fusionen und
Übernahmen.33 Während Fusionen und Übernahmen die Aufgabe der rechtlichen Selbst-
ständigkeit mindestens eines Partners erfordern, besteht bei Kooperationen und strategi-
schen Allianzen die Möglichkeit, diese zu wahren. Es ist nicht notwendig, die Prozesse
sämtlicher operativer Bereiche und Zentralbereiche anzugleichen. Eine Konzentration auf
die von der Kooperation unmittelbar betroffenen Prozesse und Funktionen ist möglich.
Neben vertraglichen Vereinbarungen kann die entsprechende Bindungswirkung auch ka-
pitalseitig, beispielsweise durch einen Aktientausch verstärkt werden.
Entscheidend für den Erfolg von Kooperationen und strategischen Allianzen ist aber
die klare Fokussierung auf das Kooperationsziel und ein gemeinsames Interesse der Be-
teiligten. Kooperationen und strategische Allianzen können beispielsweise den Partnern
helfen, Entwicklungskosten und -risiken zu teilen. Die hohen Investitionssummen für die
Entwicklung zentraler Fahrzeugkomponenten oder sogar ganzer Fahrzeuge lassen Koope-
rationen oder strategische Allianzen attraktiv erscheinen. So könnten Motoren gemeinsam
entwickelt und produziert werden. Eine markenspezifische Anpassung im gemeinsamen
Werk kann trotzdem noch erfolgen, sodass die Wiedererkennung bei der jeweiligen Käu-
ferschicht nicht gefährdet ist. Auch gemeinsame Plattformen lassen sich auf Basis von
Kooperationen entwickeln. Für den Kunden nicht sichtbare Teile werden gemeinsam ent-
wickelt und ggf. sogar gemeinsam produziert. Der Karosserierohbau kann dann schon
wieder in den jeweils unterschiedlichen Fabriken der Hersteller erfolgen. Insbesondere die
mit erheblicher Unsicherheit versehene Entwicklung verschiedener alternativer Antriebs-
konzepte bietet die Möglichkeit, Risiken und Kosten gemeinsam zu tragen. Entscheidend
wird sein, inwieweit es den Beteiligten gelingt, sich ihrer Kernkompetenzen bewusst zu
sein und ihre markentypische Differenzierung sicherzustellen.
33 Dudenhöffer, Ferdinand (2006): »Die Ära der Kooperationen in der Automobilindustrie.« in: Börsen-
Zeitung Nr. 126, 05.06.2006
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128 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
Zielsetzung nicht erreichbar war bzw. mit anderen negativen Effekten für den Käufer
verbunden gewesen wäre. Dabei lag es zumeist nicht daran, dass die Entscheidung für
die Akquisition von Anfang an falsch war, sondern häufig wurden zum einen bei der
Umsetzung Fehler begangen und zum anderen waren die Unternehmen gezwungen, ihre
Strategien an eine sich schnell verändernde Umwelt anpassen zu müssen.
Gerade in Bezug auf die Besonderheiten einer so marken- und imagegetriebenen Bran-
che, werden oftmals die emotionalen Faktoren einer Fusion unterschätzt. Im Falle der Ak-
quisition einer im unteren und mittleren Preissegment angesiedelten Marke ist es bspw.
nicht ohne Weiteres möglich, die technische Basis mit einer in höheren Preissegmenten
positionierten Marke zu teilen. Auf der einen Seite wären vermutlich viele Käufer von
Produkten des im unteren bis mittleren Preissegment positionierten Fahrzeuges nicht be-
reit, für technische Innovation und ausgefeilte Technik einen Aufpreis zu zahlen. Häufig
wünschen diese Käuferschichten einfache und robuste Technik zum niedrigsten Preis.
Andererseits ist die Gefahr eine Verwässerung einer Premium-Marke durch die Gleichtei-
lestrategie mit einer akquirierten Marke des unteren und mittleren Preissegments nicht zu
unterschätzen. Die Käufer von Premium-Fahrzeugen erwarten für die zu zahlende Preis-
prämie nicht nur höchste Qualität und technische Standards, sondern auch eine gewisse
Einzigartigkeit. Wenn die gleiche Technik aber in deutlich preisgünstigeren Fahrzeugen
einer schwächeren Marke erhältlich ist, ist die Alleinstellung der Premium-Marke gefähr-
det. Es wird deutlich, dass bei Akquisitionsszenarien in der Automobilbranche das Mar-
kenimage von entscheidender Bedeutung sein kann und der Auslöser für Akquisitionen
und Veräußerungen sein kann.
Die zu beobachtenden Verkäufe von Automobilherstellern bzw. Marken in den letz-
ten Jahren machen deutlich, dass eine Konzentration auf die Kernkompetenzen in der
Automobilbranche weiter Einzug hält. Die Automobilhersteller setzen sich verstärkt mit
den Profilen ihrer Kernmarken auseinander und schärfen diese. Desinvestitionen bieten
sich an, um Markenportfolien zu bereinigen und die freigewordenen Ressourcen auf die
Kernmarken zu fokussieren und eine Kostenführerschaft, Differenzierung oder Nischen-
strategie umzusetzen.34
Auch wenn die Automobilzulieferer-Branche eine tief gehende Konsolidierung durch-
laufen hat, sind auch hier einzelne Beispiele für Dekonsolidierungen zu beobachten, die
insbesondere durch den generellen Preisdruck sowie regionale Marktentwicklungen her-
vorgerufen wurden. Einzelne in finanzielle Schieflage geratene Zulieferunternehmen wa-
ren in der Vergangenheit gezwungen, sich von Teilbereichen zu trennen, um so Liquidität
zu schöpfen und eine überlebensfähige Struktur zu erlangen.
Es wird deutlich, dass das Vorhaben neue Märkte und Produktsegmente durch Akqui-
sitionen zu erschließen, insbesondere von den Automobilherstellern mit Sorgfalt umzu-
setzen ist. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und sie dürften, neben den auch sonst
anspruchsvollen Herausforderungen einer akquisitionsgetriebenen Wachstumsstrategie,
besonders im Produkt Automobil zu finden sein. In nahezu allen Fällen einer Dekonsoli-
dierung bei den Automobilherstellern standen die Unternehmen vor dem Problem, dass
die Kernmarke sich sehr stark von den akquirierten Marken unterschied. In diesen Fällen
standen die Unternehmen vor dem Dilemma, zum einen eine Integration der verschiede-
nen Unternehmen vorantreiben zu müssen und zum anderen nicht Gefahr zu laufen, die
einzelnen Marken zu verwässern.
Vor diesem speziellen Problem stehen hingegen die Zulieferer nicht. Abgesehen von ei-
nigen wenigen sichtbaren sowie markenprägenden Teilen (z. B. ESP, Getriebe oder Reifen)
spielt die Marke des Zulieferers keine zentrale Rolle für den Verkauf von Autos. Beispiele
hierfür sind die großen Automobilzulieferer aus dem westlichen und zunehmend auch
östlichen Ausland, die sowohl Komponenten als auch Systeme an europäische Automobil-
hersteller liefern. In der Wahrnehmung der Konsumenten sind diese aber kaum bekannt
und spielen bei der Kaufentscheidung bislang keine signifikante Rolle, solange sie keine
Auswirkungen auf die Kernkompetenzen der Hersteller haben. So sind hierbei anstelle der
Marke insbesondere der Preis und die Zuverlässigkeit von Bedeutung.
35 Vgl. Jansen, Stephan A. (2001): »Mergers & Acquisitions – Unternehmensakquisitionen und -koopera-
tionen.
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130 IV. Mergers & Acquisitions als strategisches Instrument im Rahmen der Branchenkonsolidierung
ternehmenstransaktionen mit mittleren bis großen Volumina (zwischen EUR 15 Mio. bis
EUR 500 Mio.) werden primär von den Corporate-Finance-Beratungen der Wirtschaftsprü-
fungsgesellschaften oder nationalen Investmentbanken begleitet. Bei hohem Bezug zum
Kapitalmarkt bzw. bei Megatransaktionen ab EUR 500 Mio. teilweise auch erst ab EUR
1 Mrd. sind i.d.R. die internationalen Investmentbanken involviert. Neben dem Prozess-
management ergeben sich eine Reihe weiterer Unterpunkte, wie z. B. die Due Diligence,
die wiederum je nach notwendiger Kompetenz vergeben werden. So sind die Wirtschafts-
prüfungsgesellschaften über alle Transaktionsgrößen hinweg sehr stark, was insbesonde-
re die Financial Due Diligence betrifft. Daneben kommt den Rechtsanwaltskanzleien im
Rahmen der Vertragsverhandlung eine wichtige Rolle zu. Für die Integrationsphase wird
dann wieder verstärkt auf Unternehmensberatungen oder die spezialisierten Einheiten der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zurückgegriffen.
Insgesamt kann den Unternehmen empfohlen werden, die Themenbereiche Strate-
gie, M & A und auch Finanzierung enger miteinander zu vernetzen, um den zukünfti-
gen Herausforderungen insbesondere vor dem Hintergrund der Branchenkonsolidierung
gut gerüstet gegenüberzustehen. Ein enges Zusammenspiel zwischen CEO und CFO ist
hierfür ebenso unerlässlich wie die Einbindung erfahrener Transaktionsberater. Ein Inte-
grationsteam und ein externer Integrationsberater sollten so früh wie möglich gefunden
werden. Eine enge Zusammenarbeit mit den zuvor genannten Beteiligten und den opera-
tiven Bereichen (Produkt und Vertrieb) sowie den Zentralbereichen ist für eine erfolgrei-
che Integration unerlässlich. Dies gilt auch für die Umsetzung von Carve-out-Projekten
im Rahmen der Veräußerung von Teilbereichen. Ist es im Verkaufsprozess nicht möglich,
einen klar skizzierbaren und operativ lebensfähigen Unternehmensteil darzustellen, wird
beim Verkauf Unternehmenswert vernichtet.
Literatur
Buchveröffentlichungen
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Deans, Graeme/Kröger, Fritz/Zeisel, Stefan: Merger Endgames – Strategien für die Konsolidie-
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(2007).
Jansen, Stephan A.: Mergers & Acquisitions – Unternehmensakquisitionen und -kooperationen
(2001).
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Literatur 131
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http://www.bpb.de/wissen/Y6I2DP,O,Globalisierung.html.
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132
V. Zukunftsorientierte Unternehmensgestaltung
auf Mergers & Acquisitions anwenden
1. Einleitung
Mergers & Acquisitions (M & A) gehören heutzutage unstrittig zu den wichtigsten Werkzeu-
gen bei der strategischen Weiterentwicklung von Unternehmen. Durch M & A-Aktivitäten
können gezielt strategische Positionen im Markt oder auch strategische Kompetenzen er-
worben werden. Unternehmen können entscheiden, ob sie diese selbst entwickeln oder
gezielt zukaufen wollen. Allerdings ist in der unternehmerischen Praxis ein Defizit an
strategischer Planung bei M & A-Transaktionen zu erkennen. Häufig ergeben sich M & A-
Aktivitäten aus der Gelegenheit heraus.
Die Anwendung von Methoden der zukunftsorientierten Unternehmensgestaltung
auf M & A ermöglicht einen zielgerichteten Einsatz von M & A-Aktivitäten. Einerseits wird
M & A ein Instrument der strategischen Planung, andererseits können M & A-Maßnahmen
aber auch strategisch geplant werden. Systematisches Vorgehen führt zu einer besseren
Unterstützung der Unternehmensstrategie durch M & A. Im Kern geht es darum, gezielt
zu planen, welche M & A-Aktivitäten sinnvoll sind, und das richtige M & A-Target zu fi n-
den.
Das 4-Ebenen-Modell der zukunftsorientierten Unternehmensgestaltung hat sich als
einfaches und plausibles Grundmuster zur Gestaltung der strategischen Unternehmens-
führung herauskristallisiert. Es lässt sich auch hervorragend auf M & A-Transaktionen an-
wenden. Auf der Vorausschau-Ebene werden Entwicklungen von Märkten und Technologi-
en antizipiert, um die Chancen von morgen, aber auch die Bedrohungen für das etablierte
Geschäft von heute frühzeitig zu erkennen. Auf der Strategie-Ebene werden Geschäfts-,
Produkt- und Technologiestrategien entwickelt, um diese Chancen der Zukunft rechtzeitig
zu nutzen. Auch die Gestaltung der Prozess-Ebene und der System-Ebene ist für M & A-
Transaktionen von hoher Erfolgsrelevanz. Nur auf die Strategie ausgerichtete Geschäfts-
prozesse und deren Unterstützung durch IT-Systeme gewährleisten die erfolgreiche Ab-
wicklung von M & A-Transaktionen. In diesem Beitrag konzentrieren wir uns aber auf die
beiden erstgenannten Ebenen: die Vorausschau- und die Strategie-Ebene.
Eine erfolgreiche M & A-Transaktion sollte nicht primär die heutigen, sondern die zu-
künftigen strategischen Ziele unterstützen. Bis eine Transaktion tatsächlich wirksam wird,
vergehen oft mehrere Jahre. Folgenschwer wäre es, wenn das investierte Geld dann die
strategischen Ziele von gestern unterstützt. Daher ist es wichtig, die Zukunft vorauszu-
denken.
Eine mächtige Methode der Vorausschau ist die Szenario-Technik. Sie lässt verschie-
dene Möglichkeiten zu, wie sich die Zukunft entwickeln könnte und berücksichtigt kom-
plexe Zusammenhänge, wie sie bei M & A-Transaktionen regelmäßig vorkommen. Ein Sze-
nario ist eine allgemeinverständliche und nachvollziehbare Beschreibung einer möglichen
Situation in der Zukunft. Zukunftsräume können somit besser erfasst und und einge-
schätzt werden und Investitionsentscheidungen fallen vor diesem Hintergrund leichter.
Sie werden erfahrungsgemäß nachvollziehbarer und besser.
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2. Strategisches Handeln als Basis für den Erfolg bei M & A 133
Eine weitere im Kontext von M & A wichtige Methode der Vorausschau ist die strategi-
sche Frühaufklärung. Durch systematisches Scanning der Unternehmensumwelt können
frühzeitig z.B. technologische Innovationen oder Marktveränderungen identifiziert wer-
den. Daraus kann sich ein Bedarf an M & A-Aktivitäten ergeben und es können gezielt
M & A-Targets erfasst werden.
Nach der Vorausschau gilt es, den strategischen Führungsprozess zu gestalten. Wir
teilen ihn in fünf Phasen ein. In der Analyse wird festgestellt, wo das Unternehmen heute
steht und welche Möglichkeiten das Unternehmen im Moment hat. In der Prognosephase
wird beleuchtet, welche Optionen ein Unternehmen, insbesondere in der Zukunft, wahr-
nehmen könnte. Diese Phase ist für den M & A-Prozess von herausragender Bedeutung.
Deswegen gehen wir auf die strategischen Optionen an dieser Stelle detaillierter ein.
Aus der Vorausschau und der Analyse der Ausgangssituation ergeben sich verschiede-
ne Handlungsoptionen für das strategische Handeln. Die Herausforderung besteht darin,
die verschiedenen Stoßrichtungen zu erkennen und die Richtigen auszuwählen. Daher
wird zunächst der Bogen für die verschiedenen Optionen weit aufgespannt. Aus jeder
strategischen Option ergeben sich Chancen, aber auch Risiken für M & A-Aktivitäten. Hier
unterscheiden wir Optionen durch Produkte und Märkte sowie Optionen durch Techno-
logien.
Die anschließende Strategieentwicklung legt fest, welcher Plan verfolgt wird und
warum. Insbesondere werden hier die sogenannten strategischen Positionen (zukünfti-
ge strategische Geschäftsfelder, Produkte und Märkte) und strategischen Kompetenzen
(Kernkompetenzen und strategische Erfolgspositionen) eines Unternehmens festgelegt.
Anschließend gilt es, die Strategie umzusetzen und regelmäßig zu beobachten, ob der
Kurs gehalten wird und die Annahmen noch stimmen. Dabei sind die Grundsätze der
strategischen Führung jederzeit zu beachten.
Viele Strategieprojekte mit Berührungspunkten zum M & A-Geschäft haben uns in der
Vergangenheit gezeigt, dass die Bereiche strategische Führung und M & A noch zu wenig
miteinander verzahnt sind. Wir merken, dass sich die M & A-Community noch immer stark
auf das »Wie« und weniger auf das »Ob« oder das »Warum« von M & A-Transaktionen kon-
zentriert. Mit diesem Beitrag haben wir gezeigt, an welchen Stellen M & A ein Bestandteil
der zukunftsorientierten Unternehmensgestaltung sein kann und wie sich Methoden der
strategischen Führung auf M & A-Aktivitäten anwenden lassen.
Als Symbol für Strategie verwenden wir den in Abb. 1 angedeuteten Pfeil.1 Ausgangspunkt
der Strategie ist die heutige Situation des Unternehmens. Von hier gehen Aktivitäten aus,
die das Unternehmen im Hinblick auf die unternehmerische Vision verändern – die so-
genannten strategischen Programme/Maßnahmen. Die Vision ist die Beschreibung des
Unternehmenszustands in der Zukunft. Auf dem Weg dorthin können strategische Ziele
stehen, diese richten die Aktivitäten auf die Vision aus. Die eigentliche Strategie ist als
Leitlinie für das tägliche Handeln dargestellt. Diese »Leitplanken« sorgen dafür, dass die
Kräfte des Unternehmens immer wieder gebündelt und auf die Verwirklichung der Vision
ausgerichtet werden. Jede M & A-Aktivität sollte also ein strategisches Ziel darstellen, dass
das Unternehmen ein Stück näher an sein Zielbild – die Vision heranbringt.
das Vision:
für Unser Unter-
i n ie ln nehmen in der
itl e
Le and Zukunft
e als he H
i
eg lic
St rat täg
Strategische Programme/Maßnahmen
Die Vision selbst besteht aus drei Elementen: dem Leitbild, das die grundsätzliche Rich-
tung des Unternehmens vorgibt, den strategischen Kompetenzen, die notwendig sind,
um die unternehmerische Vision zu erreichen, und den strategischen Positionen, die
beschreiben, mit welcher Produkt-Markt-Kombination das Unternehmen in Zukunft im
Wettbewerb erfolgreich agieren möchte. Alle drei Elemente stehen in enger Verbindung
zueinander (siehe Abb. 2). So werden zum Beispiel zur erfolgreichen strategischen Posi-
tionierung bestimmte Kernkompetenzen benötigt – gleichzeitig hilft die strategische Posi-
tion, Kernkompetenzen gezielt aufzubauen. Bei jeder M & A-Aktivität stellt sich die Frage,
ob das M & A-Target das Leitbild unterstützt, ob die strategische Positionierung erreicht
wird oder ob damit strategische Kompetenzen aufgebaut werden können.
Strategische Strategische
Position Kompetenzen
Leitbild
Strat. Geschäftsfelder Kernkompetenzen
Produkte & Märkte Strat. Erfolgspositionen
Welche strategische
Position sollte das
Unternehmen aufgrund seiner
Kernkompetenzen anstreben?
Abb. 2: Unternehmerische Vision als Verbindung aus Leitbild sowie strategischen Kompetenzen
und Positionen
Im Kontext der strategischen Führung sind im Rahmen von M & A-Aktivitäten u. a. folgen-
de Schlüsselfragen zu beantworten:
• Wie werden sich die Märkte und das Geschäftsumfeld des Unternehmens in den nächs-
ten Jahren entwickeln? Ergibt sich daraus ein Handlungsbedarf für M & A, z.B. durch
Vorwärtsintegration?
• Welche zukünftigen Einflüsse bestimmen den Unternehmenserfolg? Müssen strategi-
sche Positionen und strategische Kompetenzen durch M & A hinzugewonnen werden?
• Welche M & A-Aktivitäten unterstützen den zukünftigen Unternehmenserfolg stark?
Passt ein M & A-Target in die strategische Ausrichtung des Unternehmens?
• Wie kann der Suchraum für M & A-Targets geschickt eingeengt werden?
Die systematische Beantwortung dieser Fragen bildet die Basis für den Erfolg von M & A-
Aktivitäten im Rahmen der zukunftsorientierten Unternehmensgestaltung.
Einführung von
IT-Systemen zur
Unterstützung der
wohlstrukturierten
Prozesse.
Vorausschau: Die erste Ebene bezieht sich auf die Vorausschau. Auf dieser Ebene geht es
darum, Zukunft systematisch vorauszudenken. Wenn Unternehmen zukünftige Entwick-
lungen von Märkten und Technologien antizipieren, können sie die Chancen von morgen,
aber auch die Bedrohung für das etablierte Geschäft von heute frühzeitiger erkennen. Die-
se Erkenntnis hilft, rechtzeitig strategische Planungen und Entscheidungen anzustoßen,
um früher als der Wettbewerb in den Märkten erfolgreich agieren zu können.
Strategien: Auf der zweiten Ebene des Modells werden Geschäfts-, Produkt- und Tech-
nologiestrategien entwickelt. Nur so kann ein Unternehmen die Chancen, welche die
Zukunft bietet, rechtzeitig nutzen. Dabei setzen wir auf ein phasenorientiertes Vorgehen,
das in Kapitel 5 detailliert beschrieben ist.
Prozesse: Gut strukturierte Geschäftsprozesse sind die wesentliche Voraussetzung für ei-
ne effiziente Leistungserstellung. Diese »Binsenweisheit« gilt nicht nur für Unternehmen-
sprozesse, sondern auch für die Abläufe von M & A-Transaktionen. Diese stehen in vielen
Beiträgen dieses Buches im Vordergrund und werden daher hier nicht weiter betrachtet.
Systeme: Die vierte Ebene des Modells ist die Systemebene. Hier geht es darum, dass die
strukturierten Prozesse auch von effektiven Systemen unterstützt werden. Gerade durch
den sinnvollen Einsatz von Informationstechnik (IT) kann ein effizientes Vorgehen sicher-
gestellt werden.
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Eine systematische Auseinandersetzung mit der Zukunft setzt auf fünf Prämissen auf:
1. Die Zukunft ist anders als die Vergangenheit – daher brauchen wir eine konsequente
Auseinandersetzung mit zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten.
2. Veränderungen sind wahrnehmbar. Die entsprechenden Indikatoren werden in der Pra-
xis aber gerne ignoriert.
3. Zukünftige Entwicklungen sind keine Fortschreibung aktueller Trends, sondern können
erheblich von Diskontinuitäten beeinflusst werden.
4. Eine Vorausschau zukünftiger Entwicklungen ist notwendig, weil der Handlungsspiel-
raum mit fortschreitender Zeit immer stärker eingeengt wird und der Aufwand für
wirkungsvolle Maßnahmen steigt.
5. Die Auseinandersetzung mit der Zukunft ist nachvollziehbare Denkarbeit.
a) Szenario-Technik
Ein Szenario ist eine allgemein verständliche Beschreibung einer möglichen Situation
in der Zukunft, die auf einem komplexen Netz von Einflussfaktoren beruht, sowie die
Darstellung einer Entwicklung, die aus der Gegenwart zu dieser Situation führen könnte.
Damit beschreibt ein Szenario ein Zukunftsbild. Die Nutzung dieser Zukunftsbilder in
der strategischen Führung bezeichnen wir als Szenario-Management2. Sie geht also über
die eigentliche Szenario-Erstellung hinaus. Durch Szenario-Management werden Chancen
und Erfolgspotenziale sowie Gefahren frühzeitig erkannt. Entsprechende strategische Ent-
scheidungen werden unterstützt.
Herausragende Stärke der Szenario-Technik ist die Berücksichtigung verschiedener Ent-
wicklungen in der Zukunft. So heißt es nach K. Sontheimer: »Bei der Szenario-Technik
handelt es sich weniger um das Vorhersagen als um das Vorausdenken der Zukunft«.3 Der
Zukunftsraum für die strategischen Entscheidungen kann dadurch sehr breit gefasst wer-
den. Das Denken in Szenarien basiert auf zwei Grundprinzipien, die in Abb. 4 dargestellt
sind: Vernetztes Denken und multiple Zukunft.
Risiko-
neigung
Wirtschafts -
Wett- wachstum
bewerbs-
fähigkeit
Kaufkraft
Produk-
tivität Lohnniveau
Zei t
Technische Formen heute Zukunftshorizont
Leistungs- Mitarbeiter- der Arbeits-
fähigkeit motivation organisation
d.h. wir müssen die Vernetzung von Zukunfts- d.h. wir können mehr als eine Entwicklung
Einflussfaktoren berücksichtigen. szenarien eines Einflussfaktors ins Kalkül ziehen.
Vernetztes Denken: Jedes Unternehmen und auch das Umfeld, in dem es agiert, ist als
komplexes System zu beschreiben. Jeder einzelne Faktor in diesem komplexen System
hat Einfluss auf die weitere Entwicklung. Außerdem stehen die Faktoren in Beziehung
zueinander. Das heißt, die Entwicklung eines Faktors beeinflusst einen oder mehrere
Faktoren in diesem Netzwerk. Darüber hinaus verändern sich diese Faktoren dynamisch.
Dieses Zusammentreffen von Vielfalt der Faktoren und Dynamik bei der zukünftigen Ent-
wicklung wird als Komplexität bezeichnet. D. Dörner hat in seinem Buch »Die Logik des
Misslingens«4 eindrucksvoll aufgezeigt, das der Mensch nur sehr begrenzt in der Lage
ist, komplexe Zusammenhänge zu erfassen und adäquat zu handeln. Mit Zunahme von
Komplexität versagen auch die Managementansätze, die auf einer getrennten Betrachtung
einzelner Bereiche beruhen. Abhilfe schafft hier das vernetzte Denken.
Multiple Zukunft: Da es grundsätzlich mehrere Möglichkeiten gibt, wie sich die Zukunft
entwickeln könnte, sprechen wir von multipler Zukunft oder auch von Zukünften5. Der
Szenario-Trichter6 (siehe Abb. 5) repräsentiert diese multiple Zukunft sehr anschaulich.
Die Vorstellung einer multiplen Zukunft wird immer noch in vielen Planungsprozessen
ignoriert. Anders bei der Szenario-Technik. Bei dieser Methode werden wir bewusst ani-
4 Siehe Dörner, Die Logik des Misslingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen, Reinbeck
bei Hamburg, 1992.
5 Siehe Flechtheim, Ist die Zukunft noch zu retten? in: Hofmann und Campe, 1987.
6 Siehe Reibnitz, Szenario-Technik – Instrumente für die unternehmerische und persönliche Erfolgspla-
nung, Wiesbaden 1991.
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Zukunftsraum
Szenario 1
Szenario 2
Szenario 3
Szenario 4
Szenario 5
Störereignis
Entscheidungspunkt
Entwicklungslinie eines Szenarios
Zei t
Heute Zukunftshorizont
Abb. 5: Szenario-Trichter
Es folgt der letzte Schritt. Im Szenario-Transfer werden die Chancen von morgen, aber
auch die Bedrohungen für das etablierte Geschäft von heute abgeleitet. Diese bilden die
Grundlage für die Erarbeitung von Strategien, in denen auch M & A-Aktivitäten sehr gut
eingebunden werden können.
b) Strategische Frühaufklärung
Wie bereits erwähnt, kommt dem richtigen Timing bei M & A-Aktivitäten eine bedeuten-
de Rolle zu. Daher ist es wichtig, möglichst frühzeitig einen Überblick über Märkte und
Geschäftsumfelder, aber auch Technologien zu haben. Frühaufklärung fasst alle Tätigkei-
ten zusammen, die sich systematisch mit der Frage der Zukunft auseinander setzen7. Je
früher eine Geschäftschance oder eine Bedrohung geortet werden kann, desto höher ist
die Wahrscheinlichkeit zum richtigen Zeitpunkt eine M & A-Transaktion durchführen zu
können. Wir empfehlen Organisationen, die sich mit M & A-Aktivitäten auseinandersetzen,
ein strategisches Frühaufklärungssystem zu etablieren.
1a Festlegen
von Beobach-
tungsbereichen
7 Abbruch oder
Definition von 1b Überprüfen
Maßnahmen von Beobach-
tungsbereichen
6 2
Reporting Scanning
Strategische
Frühaufklärung
als Zyklus
5 Fokussieren, 3 Filtern,
auf den Formatieren,
Punkt bringen Verstehen
4
Monitoring
Das Vorgehen ist in sieben Phasen eingeteilt und wird zyklisch bearbeitet (siehe Abb. 6).
Dabei ist für jede einzelne Phase zu entscheiden, ob und mit wieviel Aufwand diese
durchgeführt wird.
1. Festlegen und Überprüfen von Beobachtungsbereichen: Aus den strategischen Zielen
des Unternehmens können Beobachtungsbereiche abgeleitet werden, die Aufschluss über
relevante Entwicklungen aus dem Unternehmensumfeld geben können. Dabei weisen die
Beobachtungsbereiche durchaus Ähnlichkeiten zu den Einflussbereichen der Szenario-
Technik auf. Kriterien können Märkte, Wettbewerber, Zulieferer, Technologien und auch
Umfelder wie Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft sein.
2. Scanning: Hier werden die zuvor definierten Beobachtungsbereiche nach Informationen
durchsucht. Das Scanning ist ein ungerichtetes, offenes Beobachten der Umwelt. In dieser
Phase wird bewusst nicht selektiert, um nicht einen Informationsverlust zu erleiden, der
anschließend dazu führt, eine Chance oder eine Gefahr nicht zu erkennen. Als Ergebnis
liegt eine große Anzahl von Informationen über den Beobachtungsbereich vor.
3. Filtern, Formatieren, Verstehen: Natürlich müssen diese gefundenen Informationen für
den Strategieprozess handhabbar gemacht werden. Daher werden wichtige von unwich-
tigen Informationen gefiltert, Redundanzen bereinigt und zusammengehörige Informatio-
nen in Beziehung gesetzt. Es findet eine Vorselektion statt.
4. Monitoring: Nach dem ungerichteten Scanning bekommt beim Monitoring der Such-
prozess der strategischen Frühaufklärung gezielt eine Richtung. In dieser Phase wird ein
tieferes Verständnis für die Informationen entwickelt. Einzelne interessante Bereiche wer-
den fokussiert beobachtet, es werden einschlägige Quellen ergänzt und Themenbereiche
konkretisiert.
5. Fokussieren, auf den Punkt bringen: Die gesammelten Informationen werden so auf-
bereitet, dass ein prägnantes, für das Management verwertbares Gesamtbild entsteht.
Die Komplexität wird reduziert8 und die Information nach ihrer strategischen Wichtigkeit
bewertet. Für den Erfolg der strategischen Frühaufklärung ist es wichtig, ein möglichst
heterogenes Team in diesem Prozess aktiv werden zu lassen. Nur so können Manipula-
tionen und Fehleinschätzungen verringert werden.
6. Reporting: In dieser Phase werden die Entscheidungsträger in das Frühaufklärungssys-
tem miteinbezogen. Die Informationen müssen so aufbereitet sein, dass diese die Lage
rasch erfassen und erforderliche Weichenstellungen vornehmen können. Schon hier kann
das Team hilfreiche Weichenstellungen für die Identifikation von lohnenden M & A-Zielen
geben.
7. Abbruch oder Definition von Maßnahmen: Hier sehen wir je nach Entscheidung durch
das Management den Abbruch des Prozesses oder den strukturierten Übergang in die Pla-
nung der Mergers & Acquisitions und das vorvertragliche Verhandlungsstadium.
Abb. 7: Die Phasen der strategischen Führung und die damit verbundenen Schlüsselfragen
Wie schon in Beitrag IV beschrieben, bieten die Optionen durch Produkte und Märkte ein
großes Potenzial für Unternehmenswachstum. Die von H. I. Ansoff entwickelte Produkt-
9 Siehe Fritz/Effenberger, Strategische Unternehmensberatung – Verlauf und Erfolg von Projekten der
Strategieberatung, in: Die Betriebswirtschaft 58, 1, S. 103-118, 1998.
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Markt-Matrix ist das Standardinstrument für die Einordnung von Strategieoptionen für
Märkte und Marktleistungen. Ausgehend von den Stärken eines Unternehmens können
hier gezielt strategische Optionen festgelegt werden. Wir haben diese Produkt-Markt-
Matrix erweitert um den Aspekt »Zukünftige Marktleistung« und »Zukünftiger Markt«.
Außer bei den Feldern »Marktdurchdringung« und »Produktentwicklung« ergeben sich
in allen anderen Feldern der Produkt-Markt-Matrix umfangreiche Möglichkeiten zur Suche
nach M & A-Targets. Sowohl bei der Ausweitung des bedienten Marktes auf den bekannten
Markt, auf neue Märkte oder auch auf zukünftige Märkte, als auch bei der Entwicklung
neuer Marktleistungen oder zukünftiger Marktleistungen, sind andere Unternehmen, die
sich bereits jetzt mit diesen Marktleistungen oder Marktfeldern beschäftigen, gegebenen-
falls ein lohnendes Ziel von M & A-Aktivitäten. Durch die Addition des zukünftigen Markts
und der zukünftigen Marktleistung tragen wir der Integration der Vorausschau in den
Prozess der zukunftsorientierten Unternehmensführung Rechnung. Die gezielte Findung
von neuen Märkten und Produkten oder auch die Weiterentwicklung durch zukünftige
Diversifikationen bieten Chancen für Wachstum und Steigerung des Unternehmenswertes.
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Marktentwicklung Horizontale
Bekannter
M & A-Abteilungen oder auch M & A-Beratungen haben heute häufig noch ein betriebswirt-
schaftlich oder juristisch geprägtes Kompetenzprofil. Dennoch setzt sich zunehmend die
Erkenntnis durch, dass zum Erreichen der strategischen Ziele eines Unternehmens auch
die Technologiedimension betrachtet werden muss. Technologische Innovationen für neue
Produkte, aber auch Weiterentwicklungen von Fertigungstechnologien, das Gestalten von
hybriden Leistungsbündeln oder auch das rechtzeitige Erkennen und Erschließen von
Substitutionstechnologien erhalten zunehmend Raum im M & A-Geschäft.
Gerade durch den in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark gewachsenen Venture
Capital Markt kommt es vermehrt zu M & A-Transaktionen mit Unternehmen, die am Be-
ginn ihres Lebenszyklus stehen und im Wesentlichen eine Technologie beherrschen. An-
dere Unternehmen sind gezielt auf der Suche nach solchen Unternehmen, um ihre Tech-
nologiestrategien zu ergänzen.
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Nach H. J. Bullinger10 ergeben sich vier Technologiestrategien (siehe Abb. 10). Unterneh-
men mit einer Pionierstrategie versuchen, technologische Innovationen am Markt durch-
zusetzen. Dabei werden Technologiepioniere – sie entwickeln Schrittmachertechnologien
– und Technologieausbeuter – diese setzen neue Technologien frühzeitig ein – unterschie-
den. In diesem Falle ist die technologische Innovation der Kern der M & A-Aktivität.
» «
»
«
Bei Imitationsstrategien wird versucht, Technologien zu imitieren und damit Kosten einzu-
sparen und Risiken zu senken. Diese Strategie wird meist unternehmensintern und nicht
durch M & A-Aktivitäten unterstützt.
Viele Unternehmen versuchen, möglichst wettbewerbsarme Nischen zu besetzen, um
dort ihr Spezialkönnen oder ihr spezielles Marktwissen als Wettbewerbsvorteil zu nutzen.
Gerade solche Unternehmen können lohnende Ziele für M & A-Aktivitäten sein, allerdings
sind sich diese Unternehmen ihrer Stärke bewusst und verhältnismäßig »teuer«.
Eine weitere erfolgversprechende Strategie, um Technologien zu beherrschen, ist die
Kooperation. Das Unternehmen versucht durch Zusammenarbeit mit anderen technolo-
gische Vorteile zu erringen. Auch hier werden Technologien, Lizenzen oder Verfahren
zugekauft, oder sogar gemeinsame Joint Ventures gegründet. Bei Kooperationsstrategien
ist ein professionelles M & A-Vorgehen unerlässlich, um den Erfolg der Strategie nicht zu
gefährden.
In den vergangenen Jahren haben wir mit VITOSTRA ein neues Verfahren zur Entwick-
lung von konsistenten Strategieoptionen erarbeitet. Eine Strategie beruht auf vielen Unter-
nehmensaktivitäten. Nicht die Art, sondern die Kombination von spezifischen Aktivitäten
führt zu einer vorteilhaften Position im Wettbewerb, die für andere Unternehmen nicht
ohne weiteres nachvollziehbar ist. Porter11 hat beobachtet, dass erfolgreiche Unternehmen
Kombinationen von Tätigkeiten durchführen, die bei Konkurrenten nicht üblich sind, und
dadurch eine einzigartige Positionierung im Wettbewerb erreichen. Markides12 stellt fest,
dass erfolgreiche Unternehmen nicht versuchen Strategien ihrer Konkurrenten zu kopieren
oder zu übertrumpfen. Stattdessen haben sie einmalige Positionen eingenommen, die es
ihnen ermöglichen, anders als die Konkurrenz zu agieren. Damit können sie einem direk-
ten Effizienzwettbewerb ausweichen. VITOSTRA (Verfahren zur Entwicklung intelligen-
ter technologieorientierter Geschäftsstrategien) ermöglicht die Entwicklung, Analyse und
Bewertung von Strategievarianten. Wie bei der Szenario-Bildung verwenden wir hier die
Konsistenzanalyse. Das methodische Vorgehen mit VITOSTRA13 geht aus Abb. 11 hervor.
Geschäftsdefinition
Geschäftsdefinition
• Freiheitsgrade für mögliche
Handlungsoptionen festlegen.
Definierte
1
Wettbewerbsarena
• Strategische Variablen
Analyse
Analyse identifizieren.
strategischer
strategischer Optionen
Optionen • Mögliche alternative Ausprägungen
je Variable ermitteln. Handlungsoptionen
2 zur Gestaltung
einer Strategie
• Ausprägungen paarweise auf
Analyse Verträglichkeit bewerten.
Konsistenzanalyse
strategischer Optionen • Konsistente Strategievarianten
berechnen.
Konsistente
3 Strategievarianten
• Momentan verfolgte Strategien
Analyse in der Branche ermitteln.
Branchenanalyse
strategischer Optionen • Aufwand für den Wechsel zu
anderen Strategien bewerten. Positionierung
4 der Unternehmen
der Branche
Bewertung
Analyse • Erreichbarkeit und
strategischer
der Strategievarianten
Optionen • Attraktivität der Strategievarianten
bestimmen.
Erfolgspotentiale der
5 Strategievarianten
Abb. 11: Vorgehen zur Entwicklung und Auswahl von Strategievarianten mit VITOSTRA
11 Siehe Porter, Nur Strategie sichert auf Dauer hohe Erträge, in: Harvard Business Manager (1997),
Heft 3, S. 42-58.
12 Siehe Markides, So wird Ihr Unternehmen einzigartig – Ein Praxisleitfaden für professionelle Strate-
gieentwicklung, Frankfurt/Main 2002.
13 Siehe Bätzel, Methode zur Ermittlung und Bewertung von Strategievarianten im Kontext Fertigungs-
technik, in: HNI-Verlagsschriftenreihe, Band 141, Paderborn, 2004.
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In der ersten Phase wird die Wettbewerbsarena präzise definiert, insbesondere werden die-
jenigen Hebel, die so genannten strategischen Variablen, bestimmt, die einem Unternehmen
zur Gestaltung des Geschäfts zur Verfügung stehen. Beispiele für strategische Variablen sind
Fertigungstiefe und Vertriebskanäle. Für jede dieser strategischen Variablen bieten sich in
der Regel alternative Handlungsoptionen an. Dabei ist entscheidend wieweit die Geschäfts-
definition gefasst wird. Je enger die Geschäftsdefinition von einem Unternehmen gefasst
wird, desto eher kann es auch intern umgesetzt werden. Je weiter die Geschäftsdefinition
gefasst wird, desto innovativer sind die Strategiealternativen und desto wichtiger wird das
Einbeziehen von M & A-Aktivitäten zur Erreichung der strategischen Ziele.
In der zweiten Phase werden die strategischen Optionen analysiert. Es wird bestimmt,
welche alternativen Ausprägungen es für jede Variable gibt. In der dritten Phase werden
die alternativen Ausprägungen der strategischen Variablen auf Konsistenz zu den anderen
alternativen Ausprägungen anderer strategischer Variablen bewertet. Dadurch entsteht ein
konsistentes oder auch weniger konsistentes Bündel von alternativen Ausprägungen. So
ergeben sich meist mehrere konsistente Handlungsstrategien im Markt, die mit einer mul-
tidimensionalen Skalierung (MDS) graphisch dargestellt werden (vgl. Abb. 12).
IX
K13
K4
K10
K14
K8
K12
K5
K17 I
IV
VII K15
K6 II K7
Betrachtetes
Unternehmen (U)
VI
K1
III VIII K2
K18 K11 V
K16 K3
Abb. 12: Positionierungen der Konkurrenten und des betrachteten Unternehmens dargestellt
mit einer multidimensionalen Skalierung
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Literatur 149
Da die Ausprägungen der strategischen Variablen für das betrachtete Unternehmen be-
kannt sind und für die Mitbewerber recherchiert werden können, ist es möglich, auch
deren Positionen in die MDS einzutragen. Es entsteht eine aussagekräftige Landkarte der
Wettbewerbsarena. Dabei ist der Abstand eines Unternehmens von der nächstgelegenen
Idealstrategie ein Maß für die Abweichung von einer optimalen Strategie. Außerdem lässt
sich so auch der Aufwand skalieren, sich einer Idealstrategie anzunähern oder auch von
einer Strategie zur anderen zu wechseln.
Für das in Abb. 12 dargestellte Beispiel lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten:
• Das betrachtete Unternehmen ist nicht optimal positioniert. Es liegt nicht in der Nähe
einer konsistenten Strategievariante.
• Die konsistente Strategievariante 2 ist für das Unternehmen am einfachsten umzuset-
zen, aktuelle Hauptkonkurrenten sind die Unternehmen K6 und K7.
• Mehrere Unternehmen verfolgen eine ähnliche Strategie wie die ermittelte Strategie I.
Dies weist auf eine hohe Wettbewerbsintensität hin.
Die Anwendung von VITOSTRA auf Wettbewerbsarenen im M & A-Prozess bietet vielfälti-
ge Möglichkeiten zur Bewertung potenzieller M & A-Targets. Ein M & A-Target, das nah an
einer idealen Strategie liegt, ist attraktiver als ein Unternehmen, das einen weiten Weg
zur idealen Strategie zurücklegen muss.
Literatur
Bätzel, Methode zur Ermittlung und Bewertung von Strategievarianten im Kontext Fertigungs-
technik, in: HNI-Verlagsschriftenreihe, Band 141, Paderborn, 2004.
Bullinger, Einführung in das Technologiemanagement – Modelle, Methoden, Praxisbeispiele,
Stuttgart 1994.
Dörner, Die Logik des Misslingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen, Reinbeck
bei Hamburg, 1992.
Flechtheim, Ist die Zukunft noch zu retten? in: Hofmann und Campe, 1987.
Fritz/Effenberger, Strategische Unternehmensberatung – Verlauf und Erfolg von Projekten der
Strategieberatung, in: Die Betriebswirtschaft 58, 1, S. 103–118, 1998.
Gausemeier/Fink/Schlake, Szenario-Management – Planen und Führen mit Szenarien, 2. bearb.
Aufl., München, Wien 1996.
Gausemeier/Lindemann/Schuh (Hrsg.), Planung der Produkte und Fertigungssysteme für die
Märkte von morgen, München 2009.
Gausemeier/Plass/Wenzelmann, Zukunftsorientierte Unternehmensgestaltung, Frankfurt am
Main 2009.
Klopp/Hartmann, Das Fledermaus Prinzip – Strategische Früherkennung für Unternehmen,
1999.
Markides, So wird Ihr Unternehmen einzigartig – Ein Praxisleitfaden für professionelle Strate-
gieentwicklung, Frankfurt/Main 2002.
Müller-Stewens/Lechner, Strategisches Management – Wie strategische Initiativen zum Wandel
führen, 2. Auflage, Stuttgart 2003.
Porter, Nur Strategie sichert auf Dauer hohe Erträge, in: Harvard Business Manager (1997),
Heft 3, S. 42–58.
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151
1. Einleitung
Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Wirtschaftlichkeitsanalyse von Un-
ternehmenskäufen, -verkäufen und Fusionen (M & A-Transaktionen). Die Wirtschaftlich-
keit einer Transaktion definiert sich über den für das erworbene Unternehmen gezahlten
Transaktionspreis einerseits und den aus der Transaktion für das kaufende Unternehmen
entstehenden Wert andererseits. Letzterer wiederum ergibt sich als Summe des Wertes
des gekauften Unternehmens, bewertet als eigenständiges Unternehmen und den aus
dem Zusammenschluss resultierenden Synergien abzüglich der direkt mit der Transaktion
verbundenen Kosten:
M & A-Wertschaffung =
Wert des gekauften Unternehmens – Verkaufspreis + Synergien – Transaktionskosten
Die Wertschaffung in Unternehmenstransaktionen ist somit mit zwei zentralen Fragestel-
lungen verknüpft, die für sich eigene akademische Themenkomplexe bilden.
Erstens: Entspricht der Wert des gekauften Unternehmens vor dem Zusammenschluss
dem Verkaufspreis? Sollten Differenzen bestehen, wie sind diese zu begründen? Sieht
man von Marktfriktionen ab – besteht also ausreichend Wettbewerb um den Kauf des
Unternehmens – sollten rationale Verkäufer eines Unternehmens dieses nicht mit einem
Abschlag hergeben. Auf der anderen Seite dürfte – abhängig von der Verhandlungsmacht
der beiden Parteien – der von rationalen Käufern gezahlte Aufpreis maximal den erwar-
teten Synergien entsprechen. Liegen letztere unter den Transaktionskosten, würde unter
den genannten Annahmen keine Transaktion stattfinden.
Zweitens: Geht man basierend auf oben genannter Argumentation davon aus, dass
Verkaufspreis und der tatsächliche Wert bei Transaktionen stark positiv korreliert sind,
lassen sich Synergien als wichtiger Wertschaffungstreiber von M & A-Transaktionen identi-
fizieren. Sind die durch M & A-Transaktionen gehobenen Synergien tendenziell tatsächlich
positiv und signifikant größer als die mit der Transaktion verbundenen Kosten? Während
vor Transaktionen in der Regel von positiven Synergien ausgegangen wird, wurden im
Rahmen der in der Mitte der 1990er-Jahre angestoßenen akademischen Debatte um den
Diversifizierungsdiscount gute Argumente für potenzielle negative Werteffekte von Unter-
nehmenszusammenschlüssen genannt.
Zur Bewertung der M&A-Wertschaffung werden gemäß oben stehender Gleichung Me-
thoden sowohl zur Bestimmung von Unternehmenswerten als auch zur Schätzung von po-
* Dieses Kapitel basiert in weiten Teilen auf der Arbeit von Prof. Frank Richter und Dr. Alexander Dibe-
lius, welchen besonderer Dank gebührt. Mit Einverständnis beider Autoren wurden Teile ihrer Beiträge
aus der vorherigen Auflage dieses Handbuches zusammengefasst und erweitert.
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2. Fundamentale Verfahren
Während marktorientierte Methoden mit unternehmensexternen Wertgrößen arbeiten,
orientieren sich fundamentale Methoden am »inneren Wert« eines Unternehmens. Analog
einer jeden Investitionsentscheidung ergibt sich der Wert gemäß der Kapitalwertmethode
aus der Summe der diskontierten zukünftigen Einzahlungsüberschüsse, die den Anteils-
eignern zustehen. Damit basieren fundamentale Ansätze auf Zukunftsgrößen. Das sub-
jektive Risiko einer Transaktion aus Sicht des Käufers kann dabei im risikoadjustierten
Zinsfuß, der zur Diskontierung genutzt wird, berücksichtigt werden.
Im angelsächsischen Raum ist die Discounted-Cashflow-Methode (DCF) weit verbrei-
tet, während vor allem in Deutschland auch die Ertragswertmethode Anwendung findet.
Unterschiede ergeben sich vor allem hinsichtlich der zu verwendenden Einzahlungsgrö-
ßen und des Diskontierungszinssatzes.
a) Discounted-Cashflow-Methode
Bei den DCF-Methoden werden die prognostizierten Zahlungsströme mit dem gewichte-
ten Mittel aus Eigen- und Fremdkapitalkosten, der so genannten Weighted Cost of Capital
(WACC) abgezinst. Je nach Wahl der Cashflow-Größen und des entsprechenden WACC
kann so der Gesamtunternehmenswert oder aber der Wert des Eigenkapitals direkt errech-
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net werden. Während sich die Fremdkapitalkosten aus den tatsächlichen Konditionen der
Unternehmensschulden ergeben, leiten sich die Eigenkapitalkosten aus dem Capital As-
set Pricing Model (CAPM) ab. Dieses theoretische Modell basiert auf der Annahme, dass
Anleger auf vollkommenen Kapitalmärkten ihr Risiko optimal diversifizieren können und
deshalb lediglich die Übernahme des firmenunspezifischen Risikos, also des systemati-
schen Risikos, berücksichtigt werden darf. Dieses orientiert sich wiederum an der Vola-
tilität der Kursentwicklung einer Aktie im Vergleich zur Bewegung des Marktportfolios,
das vereinfachend durch einen Aktienindex dargestellt wird. Diese Abhängigkeit wird
durch den Beta-Faktor angegeben, der meist anhand der historischen Volatilität berechnet
wird. Neben den individuell prognostizierten Unternehmenszahlen fließen somit ebenfalls
Marktinformationen in die Bewertung ein und übernehmen eine gewisse Objektivierungs-
funktion, die wiederum auf die Kapitalmärkte und damit implizit auf die Gesamtheit aller
Investoren zurückgeht.
Die DCF-Methode hat ein robustes theoretisches Fundament und ist – neben den später
erläuterten marktbasierten Verfahren – die in der Praxis am weitesten verbreitete Methode
zur Unternehmensbewertung im M & A-Kontext. Im Folgenden wird daher vergleichsweise
detailliert auf einzelne, im Rahmen einer DCF-Methode durchzuführende, Schritte einge-
gangen. Im ersten Schritt sind die bewertungsrelevanten Cashflows zu definieren und für
einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren zu planen. Diese Cashflows sind anschließend
mit den durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC = Weighted Average Costof Capital)
abzuzinsen (Schritt 2). In Schritt drei wird der Fortführungswert geschätzt, der die Cash-
flows jenseits der Detailplanungsperiode erfasst. Schritt vier enthält die Berechnung des
Bewertungsergebnisses und eine Sensitivitätsanalyse.
= Operativer Brutto-Cashflow
– Investitionen
–/+ Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens (Working Capital)
Der gesamte freie Cashflow entspricht nach Abzug der Unternehmenssteuern stets den
Zahlungen an die Kapitalgeber des Unternehmens. Den freien Cashflow kann man aus
finanzwirtschaftlicher Perspektive deshalb auch so berechnen:
Zinszahlungen
– Unternehmenssteuern auf Zinszahlungen
+ Tilgungen
– Zuführung neues Fremdkapitals
= Netto-Zahlungen an Gläubiger
Ausschüttungen
(+ Anrechenbare Körperschaftssteuer)
+ Aktienrückkäufe und andere Zahlungen an die Eigentümer
– Kapitalerhöhungen und andere Einzahlungen der Eigentümer
= Netto-Zahlung an Eigentümer
Netto-Zahlung an Gläubiger
+ Netto-Zahlung an Eigentümer
Beide Berechnungsweisen (Tabelle 1 und 2) müssen zum gleichen Resultat führen und
sollten stets ausgeführt werden, um die Konsistenz der Cashflow-Definition sicherzustellen.
Umsatztreiber 2008
Gesamtes
Bevölkerung 80.000.000 Patienten-
im Segment Potenzial:
10.000.000
Patienten-
Behandlungs- 120 Tage Behandlungs-
tage
dauer /Jahr 4.800.000
Umsatz mit
Medikament
X
Preis der 2,50 EUR 12.000.000
Tagesdosis
Bei der Festlegung der Länge der Detailplanungsperiode ist einerseits die Verfügbar-
keit und Qualität der Daten von Bedeutung, die zur Modellierung des freien Cashflows
benötigt werden. Sind robuste Schätzungen für einen längeren Zeitraum möglich, sollte
der Planungshorizont entsprechend definiert werden, um ein tieferes Verständnis des
Unternehmenswertes und seiner Einflussfaktoren zu ermöglichen. Bei geringer Verfügbar-
keit bzw. Qualität des Datenmaterials führt eine lange Detailplanungsperiode jedoch zu
Scheingenauigkeit, die zum Verständnis des Wertes wenig beiträgt.
Andererseits ist zu beachten, dass das Ende der Planungsperiode implizit einen Gleich-
gewichtszeitpunkt in Bezug auf das Umfeld und den wirtschaftlichen Zustand des zu
bewertenden Unternehmens markiert. In diesem Sinne muss es also weit genug in der
Zukunft liegen, so dass vorhersehbare Veränderungen von Wettbewerbsstruktur und insti-
tutionellen Rahmenbedingungen innerhalb der Periode als wahrscheinlich abgeschlossen
gelten können. Gleichzeitig muss der Endzeitpunkt der Planungsperiode der Bedingung
genügen, dass das Unternehmen in wirtschaftlicher Hinsicht einen Gleichgewichtszustand
erreicht hat, insbesondere in Bezug auf Wachstum, Kostenstruktur und Investitionsver-
halten.
ternehmen aber unsicher sind, fordern die Eigentümer eine Kompensation für das über-
nommene Risiko. Unterstellt man, dass sie nicht nur Aktien eines Unternehmens halten,
sondern ihr Portefeuille breit diversifizieren, um so einen Teil des Risikos abzubauen, gilt
unter den idealisierten Bedingungen vollkommener Kapitalmärkte das bekannte und mit
dem Nobelpreis prämierte Capital Asset Pricing Model (CAPM). Darin ist nur das nicht
durch Portefeuille-Diversifikation eliminierbare Risiko zur Formulierung des Verzinsungs-
anspruchs von Bedeutung. Diese Risikomenge lässt sich aus der Korrelation der Aktien-
renditen des betreffenden Unternehmens mit der Rendite des Marktportefeuilles ableiten.
Mit dem CAPM lässt sich der Verzinsungsanspruch wie folgt schätzen:
Eigenkapitalkosten (»erwartete Rendite der Eigentümer«)
= Risikoloser Zinssatz
+ Korrelationskoeffizient × Standardabweichung der Aktienrendite
× (Marktrisikoprämie ÷ Standardabweichung der Rendite des Marktportefeuilles)
Der Korrelationskoeffizient stellt den Zusammenhang zwischen der Aktienrendite des Un-
ternehmens und der Rendite des Marktportefeuilles her. Bei einem Koeffizienten von eins
bewegen sich die Renditen im Gleichlauf, bei minus eins entwickeln sie sich gegenläufig,
und bei einem Koeffizienten von null besteht kein (exakt linearer) Zusammenhang. Je-
doch besteht die Möglichkeit, dass ein nichtlinearer Zusammenhang besteht. In diesem
Fall entsprechen die Eigenkapitalkosten dem risikolosen Zinssatz. Dieser Korrelationsko-
effizient ist zu multiplizieren mit der Standardabweichung als Maß für die Volatilität der
Aktie. Schließlich ist noch der Marktpreis pro Einheit Risiko zu berücksichtigen.
Sichere Anlagen weisen eine Varianz von null und damit einen Verzinsungsanspruch
in Höhe des risikolosen Zinses auf. Gleiches gilt bei einem Korrelationskoeffizienten von
null. Die Renditen sind in diesem Fall zwar nicht mit Sicherheit bekannt, das Risiko kann
aber im Rahmen der Portefeuille-Bildung ausgeschaltet werden.
Das Produkt aus Korrelationskoeffizient und Verhältnis der Standardabweichungen
wird häufig zum so genannten Betafaktor2 zusammengefasst, so dass man die Eigenkapi-
talkosten auch folgendermaßen ausdrücken kann:
Eigenkapitalkosten = Risikoloser Zinssatz + Beta × Marktrisikoprämie
Der durchschnittliche Betafaktor aller im Marktportefeuille enthaltenen Aktien beträgt
eins. Unternehmen mit einem Risikofaktor größer als eins weisen ein überdurchschnittli-
ches Risiko auf, Unternehmen mit Beta kleiner als eins ein unterdurchschnittliches Risiko.
In verschiedenen Veröffentlichungen finden sich Betas für Branchen, die nach An-
passung auch zur Bewertung von nicht notierten Unternehmen und Geschäftsbereichen
benutzt werden können. Daneben existieren aber auch neuere Ansätze, mit deren Hilfe
zukunftsgerichtete Betas bestimmt werden können, die nicht auf die Existenz historischer
Renditen von vergleichbaren Unternehmen angewiesen sind.
Die Marktrisikoprämie belief sich in der Vergangenheit auf ca. 6 bis 8% pro Jahr. Die
folgende Tabelle zeigt einige Untersuchungen, die diese Schätzung stützen.
In der Praxis werden häufig Risikoprämien von 3 bis 5% benutzt, die am unteren Ende
des Spektrums der empirischen Beobachtungen liegen. Der Grund für die Abweichung
von den empirischen Daten liegt in statistischen Schätzproblemen. Die zu Grunde liegen-
den Indizes enthalten nicht das gesamte Portefeuille risikobehafteter Aktien. Unterneh-
men, die z. B. wegen Konkurs oder aus anderen Gründen aus dem Index ausscheiden,
werden durch andere Unternehmen ersetzt. Damit wird – vereinfachend ausgedrückt – ein
Index der erfolgreichen Unternehmen erzeugt, mit der Folge eines überhöhten Ausweises
der Rendite. Erste empirische Analysen kommen zu dem Schluss, dass dieser »Survival
Bias« in der Größenordnung von zwei Prozentpunkten pro Jahr liegen könnte.
Wichtig ist auch, dass die auf Basis dieser Daten berechneten Eigenkapitalkosten Ver-
zinsungsansprüche darstellen, die nach Unternehmenssteuern (Gewerbesteuer, Körper-
schaftsteuer auf thesaurierte Gewinne) berechnet sind, von denen die Einkommensteuer
der Eigenkapitalgeber hingegen noch nicht abgezogen ist. Es handelt sich also um einen
Verzinsungsanspruch nach Unternehmenssteuern und vor persönlicher Besteuerung. Auch
diesbezüglich ist auf Konsistenz zwischen Cashflow und Diskontierungsrate zu achten.
Dabei wird unterstellt, dass der Risikozuschlag bereits in den Renditen der Industrie-
obligationen enthalten ist. Die nachstehende Tabelle zeigt die Risikozuschläge im dritten
Quartal 2007, die für eine differenzierte Analyse genutzt werden können.
Fälligkeit Rating
Die Schwierigkeit in der Anwendung dieses Ansatzes besteht insbesondere in der Fest-
legung des marktwertbasierten Anteils der Pensionsrückstellung, die nicht am Kapital-
markt gehandelt wird. Als rechnerischer Marktwert müsste der Barwert der zukünftigen
Rentenzahlungen angesetzt werden, der sich auf Basis von versicherungsmathematischen
Gutachten ableiten ließe. Bei diesem Vorgehen wäre als Kapitalkostensatz die Diskontie-
rungsrate zur Berechnung dieses Barwertes anzusetzen.
Bei korrekter Anwendung müssen beide Ansätze zum gleichen Resultat führen. Zur
Anwendung des zweiten Ansatzes sind die Annahmen bezüglich der Pensionsverpflich-
tungen jedoch explizit zu formulieren. Hierfür benötigt man in der Regel interne Daten.
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Beide Argumente sind nachvollziehbar, beruhen teilweise aber auf unrealistischen Annah-
men und sind für die praktische Anwendung oft nicht relevant:
• Bei der Zielkapitalstruktur handelt es sich um einen Planungsparameter, der ebenso
wie die erwartete Umsatzwachstumsrate, die Kostenstruktur, der Reinvestitionsbedarf
und andere Parameter festgelegt wird. Die Ausschüttungspolitik des Unternehmens ist
daher so einzustellen, dass die Investitions- und Finanzierungspolitik auch realisiert
werden kann. Der zum Bewertungszeitpunkt auf Basis des Börsenwertes beobachtete
Verschuldungsgrad kann von der Zielkapitalstruktur abweichen. Für die Bewertung ist
aber die zukünftige und nicht die aktuelle Finanzierung relevant. Ein Zirkularitätspro-
blem existiert folglich nicht.
• Veränderungen im Verschuldungsgrad sind zwar prinzipiell bei der Bestimmung der
dann periodenspezifischen Kapitalkosten zu berücksichtigen. Dazu ist zunächst der
Zusammenhang zwischen dem durchschnittlichen Kapitalkostensatz und dem Ver-
schuldungsgrad herzustellen. Oft werden hierzu die Thesen von Modigliani und Miller
herangezogen, die implizieren, dass die durchschnittlichen Kapitalkosten mit steigen-
dem Verschuldungsgrad stetig sinken. Ursächlich hierfür sind die in der Analyse be-
rücksichtigten steuerlichen Vorteile der Fremdfinanzierung gegenüber der Eigenfinan-
zierung. Dieser Ansatz beachtet jedoch nicht, dass mit steigendem Verschuldungsgrad
die Wahrscheinlichkeit abnimmt, mit der die Unternehmen wegen des gestiegenen
Verlustrisikos diese Steuervorteile auch realisieren können. Berücksichtigt man Verlust-
und Insolvenzrisiken, zeigt sich eine vergleichsweise geringe Sensitivität der durch-
schnittlichen Kapitalkosten gegenüber kleineren Veränderungen des Verschuldungsgra-
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des. Eine Anpassung ist daher vor dem Hintergrund der generellen Unsicherheit nur in
Ausnahmen erforderlich.
Lange Detailplanungsperiode
Eine Möglichkeit, den Fortführungswert einzubeziehen, besteht in einer langfristigen ex-
pliziten Modellierung des Cashflows im Rahmen der Detailplanungsperiode z. B. über
T=100 Perioden, wobei durch den Diskontierungseffekt die weit in der Zukunft liegenden
Cashflows einen vergleichsweise niedrigen Beitrag zum Gesamtwert leisten. Der Vorteil
der expliziten Herleitung des Unternehmenswertes besteht in der Vermeidung von Struk-
turbrüchen im Übergang von der Detailplanungsperiode auf den Zeitraum danach. Dabei
kann der Detaillierungsgrad der Planung im Zeitablauf reduziert werden. So können z. B.
die Cashflows der ersten vier Jahre auf Basis vollständiger Bilanzen mit GuV hergeleitet
werden, die ihrerseits auf einer detaillierten Planung der Einzelpositionen beruhen. Da-
nach kann die Planung auf die wesentlichen Faktoren wie Umsatzwachstum (g), Kapita-
lumschlag (CTO) und Ergebnismarge (NOPM) beschränkt werden; folgende Definitionen
liegen zugrunde:
Mit diesen drei Parametern – g, NOPM, CTO – ist der freie Cashflow (FCF) festgelegt:
Bei diesem Vorgehen entfällt also die explizite Bestimmung des Fortführungswertes.
In der zweiten Zeile ist die Berechnung des Fortführungswertes dargestellt. Der freie Cash-
flow des vierten Jahres der Planung wird um das erwartete Wachstum erhöht. Die Diskon-
tierung aller Cashflows nach dem Jahr 4 erfolgt durch Kapitalisierung mit der Differenz
aus Kapitalkosten und Wachstumsrate.4 Damit ergibt sich der Fortführungswert zum Ende
des vierten Jahres, der noch entsprechend auf den Bewertungszeitpunkt abzuzinsen ist.
Der Vorteil dieses Ansatzes besteht in seiner prinzipiellen Einfachheit; nachteilig ist
hingegen, dass der Fortführungswert und damit der Unternehmenswert ganz wesentlich
von der Annahme der langfristigen Wachstumsrate abhängt. In der Praxis wird für g häu-
fig die langfristig erwartete Inflationsrate von 1 bis 3% pro Jahr angesetzt. In vielen Fäl-
len führt dies jedoch zu einer erheblichen Unterschätzung des Unternehmenswertes. Dies
wird deutlich, wenn man die langfristigen Wachstumserwartungen betrachtet, die in Ak-
tienkursen implizit enthalten sind: Basierend auf der durchschnittlichen Entwicklung des
Jahresüberschusses im Zeitraum zwischen 2006 und 2011 ergaben sich durchschnittliche
Wachstumsraten für Unternehmen im Bereich Chemie von 13%, für Pharmaunternehmen
von ca. 11% und für Handelsunternehmen von 17%. Eine weitere Möglichkeit, die Annah-
me über die langfristige Wachstumsrate zu konkretisieren, besteht darin, die impliziten
Kapitalmarkterwartungen, ausgedrückt durch die Wachstumsraten von Aktienkursen ver-
gleichbarer Unternehmen, zu analysieren. Allerdings besteht hierbei die Gefahr, dass Ver-
unsicherungen an den Aktienmärkten einen negativen Einfluss auf die Wachstumstraten
haben können. Betrachtet man die Entwicklung der Aktienkurse für die oben erwähnten
Branchen, so erhält man eine langfristige Wachstumsrate von etwa 5% für den europäi-
schen Chemiesektor, wohingegen die europäische Pharmabranche eine Wachstumsrate
4 Die Daten stammen aus Datastream.Basis: Preisindex des jeweiligen EURO STOXX.
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von lediglich 0.5% aufweist. Besonders eklatant ist der Unterschied für europäische Han-
delsunternehmen, da die langfristige Wachstumsrate in diesem Segment –6,5% beträgt.5
80
V= = 1.000
10% − 2%
5 Diese Formel lässt sich nur auf den Fall anwenden, in dem WACC > g gilt.
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Darin bezeichnet g die Wachstumsrate der freien Cashflows unter der Annahme, dass das
operative Ergebnis nach Steuern bei Reinvestition konstant bleibt und die Erweiterungs-
investitionen eine konstante Rendite von r erbringen.
In dem eingangs beschriebenen Wettbewerbsszenario gilt nun r = WACC, d. h. die
Grenzrendite konvergiert langfristig gegen die Kapitalkosten. Damit reduziert sich die
Bestimmung des Fortführungswertes auf V = operatives Ergebnis nach Steuern dividiert
durch Kapitalkosten, und die Bewertung kann in diesem Ansatz so vorgenommen werden:
– Investitionen =
Dividenden Eigenkapitalkosten- Wert des
–/+ Veränderungen einschließlich Steuer-
Working Capital satz gemäß CAPM Eigenkapitals
gutschrift
÷ =
+ Aktienrückkäufe
+ Nicht operativer – Kapitalerhöhung
Cashflow
Mit der vollendeten Bewertung ist eine Reihe von Kennzahlen verfügbar (z. B. die Rendite
auf das investierte Kapital, Markt- zu Buchwert des Unternehmens, voraussichtliche Er-
gebnismargen, Kapitalumschlag etc.). Diese Kennzahlen liefern die Basis für eine Vielzahl
von Vergleichen (z. B. Branchen- und Zeitreihenvergleiche), die zum Verständnis und zur
Plausibilisierung der Bewertung unabdingbar sind. Schließlich kann eine Sensitivitätsana-
lyse, die den Einfluss sämtlicher Annahmen auf den Unternehmenswert quantifiziert, das
Verständnis für die Zusammensetzung desselben vertiefen.
Nur wenn die formale Darstellung der Wertkomponenten mit einer umfassenden Plau-
sibilitätskontrolle ergänzt wird, kann letztendlich die Bewertung als abgeschlossen be-
zeichnet werden.
b) Ertragswertverfahren
Unabhängig von diesen eher formalen Aspekten unterscheiden sich auch regelmäßig die
Anwendungsgebiete und damit die Ausgestaltung der Bewertungen. Die Ertragswertmetho-
de wird besonders häufig zur formaljuristischen Bestimmung von Austauschverhältnissen
z. B. bei der Fusion von Aktiengesellschaften benutzt, die Discounted-Cashflow-Methoden
werden primär als Instrument der Entscheidungsfindung eingesetzt. Dementsprechend
weisen Ertragswertgutachten regelmäßig rein »finanzwirtschaftliche« Bewertungen auf
Basis von Gewinn- und Verlustrechnungen auf. Anwender der Discounted-Cashflow-Me-
thoden betonen demgegenüber die Planung der Cashflows auf Basis von Industriemo-
dellen als zentralen Aspekt. Vertreter der Ertragswertmethode wollen gelegentlich eine
Abkopplung von der kapitalmarktorientierten Bewertung, da sie der Bewertungsleistung
des Marktes skeptisch gegenüberstehen. Damit ist diese Methode – per definitionem so-
zusagen – für den vorliegenden Zweck nur bedingt geeignet.
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c) Beurteilung
3. Marktorientierte Verfahren
Weit verbreitet sind Bewertungsmethoden, die den Wert eines Unternehmens anhand des
aktuellen Aktienkurses des Zielunternehmens oder von Wertrelationen vergleichbarer Bör-
senunternehmen oder Transaktionen ermitteln, sogenannte Multiple-Bewertung. Multiples
basieren auf realisierten Preisen, die auf eine definierte Bezugsgröße bezogen werden.
Hierzu werden Umsatzerlöse, Cashflows, Ergebnis- oder Kapitalgrößen benutzt. Die zu
Grunde liegenden Preise stammen dabei entweder aus Börsenwerten oder aus Transaktio-
nen der Vergangenheit, wie in den beiden nachfolgenden Abschnitten ausgeführt. Erstere
sind ggf. um Transaktionsprämien zu erhöhen. Aufgrund der hohen Praxisrelevanz wird
nachfolgend detailliert auf wichtige Faktoren bei der Anwendung des Verfahrens einge-
gangen.
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Zum einen können Multiples dahingehend unterschieden werden, ob der Preis des Ei-
genkapitals oder des Eigen- und Fremdkapitals zu Grunde liegt (Equity bzw. Entity oder
Enterprise Multiples, siehe Tabelle 5). Zum anderen kann nach der Einheit der Bezugsgrö-
ße differenziert werden. Verwendet man Stromgrößen mit der Dimension Geldeinheiten
pro Zeiteinheit, erlauben die Multiples eine Interpretation als »Payback«. Die auf Bestands-
größen basierenden Multiples sind hingegen dimensionslos.
Bei diesem Verfahren wird in einem ersten Schritt ein Universum von Unternehmen er-
mittelt, die mit dem zu bewertenden Unternehmen vergleichbar sind, die so genannten
Vergleichsunternehmen (»Comparables«). Vergleichbarkeit macht sich hierbei an Kriterien
wie Produktportfolio, den eingesetzten Produktionsverfahren, der Größe und geografi-
schen Verteilung der bearbeiteten Märkte sowie dem Wachstums- und Risikoprofil der
Cashflows fest. Für diese Vergleichsunternehmen werden Verhältniszahlen (Multiples)
als Vielfache zwischen der Börsenbewertung und bestimmten Leistungskennzahlen er-
rechnet.
Üblicherweise wird der an der Börse beobachtbare Unternehmenswert mit der Um-
satzzahl, dem EBITDA, dem EBIT sowie der Höhe des Gewinnes ins Verhältnis gesetzt.
Auch der Buchwert der Vermögensgegenstände als Bestandszahl findet in der Praxis An-
wendung, insbesondere wenn es sich um kapitalintensive Branchen handelt. Bei jungen
Unternehmen, vor allem in der Telekommunikations-, Software- und Internetbranche, die
sich noch in der Phase eines starken Wachstums befinden und demzufolge oftmals nega-
tive Gewinne erwirtschaften, greift man üblicherweise auf andere Vergleichsmaßstäbe wie
die Anzahl der Anschlüsse, der Abonnenten oder gar der hoch qualifizierten Mitarbeiter
zurück. Mittels der so errechneten Multiples lässt sich in einem weiteren Schritt ein Wert
für das Unternehmen, das Ziel einer M & A-Transaktion ist, projizieren. Meist verwendet
man hierzu den Median einer Verhältniszahl und multipliziert diesen mit der entsprechen-
den Kennzahl des Zielunternehmens.
6 EBIT = Earnings Before Interest and Taxes; EBITDA = Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation
and Amortization.
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Analog geht man bei der Methode vergleichbarer Transaktionen vor. Zur Wertermittlung
werden Transaktionen aus der Vergangenheit herangezogen, bei denen hinreichende Ver-
gleichbarkeit bezüglich der beteiligten Unternehmen und der Unternehmensgröße gege-
ben ist. Anstelle der aktuellen Börsenbewertung wird der Kaufpreis mit den entsprechen-
den historischen Kennzahlen ins Verhältnis gesetzt und der sich ergebende Multiple für
die Bewertung verwendet. Gerade für das M & A-Geschäft hat diese Methode den großen
Vorteil, dass auch Akquisitionsprämien und Synergien in die Wertanalyse mit einfließen,
da diese bei abgeschlossenen Unternehmenskäufen in der Vergangenheit im bezahlten
Preis berücksichtigt wurden.
c) Anwendung
Zur Anwendung von Multiples muss zunächst eine Stichprobe vergleichbarer Unterneh-
men gebildet werden. Für die Unternehmen der Stichprobe werden dann die Multiples
berechnet und auf den Median verdichtet. Auf diese Weise erhält man z. B. auf Basis von
Börsenwerten im Januar 2011das zentrale Enterprise/Umsatz-Multiple von etwa 1,2 für in
Deutschland gelistete Unternehmen.7 Dieser Multiplikator kann ggf. unter Berücksichti-
gung einer Prämie auf den Umsatz des Unternehmens bezogen werden, das es im Rahmen
einer Transaktion zu beurteilen gilt.
Standard-
abweichung 5,38 5,60 23,63 13,02 12,04
7 Die Daten stammen aus CapitalIQ & Bloomberg. Basis: Deutsche börsennotierten Unternehmen mit
einer Mindestkapitalisierung von USD 650m.
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tungsmodelle leicht isolieren. Auf Basis des Fortführungsmodells aus dem vorherigen Ab-
schnitt lässt sich folgender Zusammenhang für das Enterprise/Umsatz-Multiple herleiten:
= NOPM (1 + g) ⎛⎜1 − ⎞⎟
V g 1
U ⎝ r ⎠ WACC − g
mit:
V Marktwert von Eigen- und Fremdkapital (Enterprise)
U Umsatz
NOPM Ergebnismarge (nach Steuern)
g Langfristige Wachstumsrate
r Rendite der Erweiterungsinvestitionen
WACC Durchschnittliche Kapitalkosten
d) Beurteilung
4. Substanzwertorientierte Bewertungsverfahren
Substanzwertorientierte Verfahren basieren auf der Annahme, dass ein Unternehmen nach
dem Bestand und der Qualität seiner Aktiva beurteilt werden soll. In der Praxis kommt
diesen Bewertungsverfahren – insbesondere im Kontext der Unternehmensbewertung im
Rahmen von M & A-Transaktionen – eine geringe Bedeutung zu. So werden die Verfahren
auch im Folgenden nur sehr grob umrissen.
a) Methodik
Ein potenzieller Käufer wird demnach genau den Preis bezahlen, der dem Wert der Ver-
mögensgegenstände eines Unternehmens für ihn entspricht. Falls das Unternehmen fort-
geführt werden soll, ist dies der Wiederbeschaffungswert, im Falle der Stilllegung ist dies
der Liquidationswert, der sich im entsprechenden Zeitrahmen erzielen lässt. Dabei lassen
sich auch immaterielle Vermögensgegenstände berücksichtigen, indem ein entsprechen-
der Verkaufspreis für solche Werte berechnet wird. Methoden, die an der Unternehmens-
substanz ansetzen, basieren somit auf der Einschätzung des Wertes eines Unternehmens
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durch den Käufer. Dieser sieht sich den Alternativen gegenüber, die entsprechenden Ver-
mögensgegenstände als Gesamtheit zu erwerben oder aber schrittweise das gleiche Er-
gebnis zu erzielen (build-or-buy).
b) Beurteilung
Die große Schwäche dieses Ansatzes liegt vor allem darin, dass viele wichtige wertbestim-
mende Faktoren, wie die Überwindung von Markteintrittsbarrieren durch die Akquisition
eines Wettbewerbers oder die mögliche Realisierung von Synergien im Rahmen einer
M & A-Transaktion, keine Berücksichtigung finden. Die Anwendbarkeit dieser Verfahren
beschränkt sich im Regelfall auf die Bewertung unselbstständiger Unternehmensteile oder
einzelner Anlagegüter und stellt in diesem Zusammenhang meist die Preisuntergrenze dar.
Andererseits zeichnen sich substanzwertorientierte Verfahren durch eine relativ einfache
Wertermittlung aus. Im Falle einer gerichtlichen Überprüfung lassen sich die ermittelten
Kaufpreise stichhaltig begründen und verteidigen. Trotzdem hat die Bedeutung dieser Me-
thoden in der Praxis mit der Entwicklung der Kapitalmärkte abgenommen.
5. Akademischer Diskurs
Wie anfangs ausgeführt, gibt es zwei wesentliche Treiber der Wertschaffung durch M & A-
Transaktionen. Zum einen kann die Differenz zwischen tatsächlichem Wert des gekauften
Unternehmens – bewertet vor Unternehmenszusammenschluss und damit verbundenen
gesamtwirtschaftlichen Werteffekten – und dem Verkaufspreis einen Mehrwert für Käufer
oder Verkäufer bedeuten, insgesamt impliziert die ex-ante ausgerichtete Transaktions-
Bewertung ein Nullsummenspiel. Zum anderen können positive Synergien, aber auch ne-
gative Effekte den Gesamtwert der Transaktion (ex-post Betrachtung) beeinflussen. Nach-
folgend werden zentrale, aus dem aktuellen akademischen Diskurs abgeleitete Argumente
für mögliche Abweichungen zwischen Preis und Wert, sowie für positive und negative
M & A-Effekte umrissen.
Es sei angenommen, dass (i) an der Transaktion beteiligte Akteure rational handeln, (ii)
sich das kaufende Unternehmen in intensiven Wettbewerb mit weiteren Unternehmen um
das zu verkaufende Unternehmen befindet, bzw. das Zielunternehmen in einem liquiden
Markt gehandelt wird, und (iii) von Informationsasymmetrien abgesehen werden kann.
Für diesen hypothetischen Fall sollte sich der verhandelte Verkaufspreis (PM & A) zwischen
dem Wert des Unternehmens vor Transaktion (Vex-ante) – ohne M & A-Effekte – und dem
Wert des Unternehmens nach Transaktion – also zuzüglich Synergien und abzüglich ne-
gativer M & A Werteffekte (in Summe ΔVM & A) – bewegen:
Seit Ende der neunziger Jahre wird jedoch zunehmend argumentiert, dass Informations-
asymmetrien eine substanzielle Rolle im Kontext von Unternehmenstransaktionen spielen.
Basierend auf der Beobachtung von Transaktionswellen, welche von Marktwerten bör-
sennotierter Unternehmen getrieben sind, wurden M & A-Transaktionen mit fehlerhafter
Marktbewertung von Unternehmen verknüpft. Abbildung 3 stellt den Verlauf des Dow-
Jones Industrial 30 Index als Marktbewertungsindikator der Anzahl der getätigten M & A-
Transaktionen gegenüber; eine klare positive Korrelation zwischen beiden Zeitreihen ist
erkennbar.
Auf Basis dieses Zusammenhanges leiten beispielsweise Shleifer und Vishny (2003)
ein Modell ab, welches einen Informationsvorsprung der Geschäftsführung des kaufenden
Unternehmens vor weiteren Investorengruppen impliziert. Gemäß Modell kann die Ge-
schäftsführung mit Hilfe dieses Informationsvorsprungs temporäre Fehlbewertungen von
Unternehmen oder ganzen Industrien nutzen, um den für ihr Unternehmen resultierenden
Wert der M & A-Transaktion zu steigern.
5000
4500
4000
3500
3000
2500 Summe
M&As
2000 DJIA30
1500
1000
500
0
1896
1899
1902
1905
1908
1911
1914
1917
1920
1923
1926
1929
1932
1935
1938
1941
1944
1947
1950
1953
1956
1959
1962
1965
1968
1971
1974
1977
1980
1983
1986
1989
Abb. 3: Anzahl von Unternehmenszusammenschlüssen von 1895 bis 1989 und Stand
des Dow Jones Industrial Average 30 Index (Quelle: Golbe/White (1993), DowJones)
Während eine detaillierte Diskussion der relevanten Literatur den Rahmen dieses Beitrags
klar überschreitet, sei auf die hohe Relevanz der Wahl des Zeitpunktes für eine Transakti-
on verwiesen. Sowohl Käufer als auch Verkäufer müssen sich in der Vorbereitungsphase
einer Transaktion intensiv mit dem aktuellen Marktumfeld und der zukünftigen Wertent-
wicklung ihres Unternehmens ohne Transaktion auseinandersetzen.
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Geht man davon aus, dass mit einem Unternehmenskauf, -verkauf oder -zusammen-
schluss signifikante Transaktionskosten verbunden sind, macht eine solche Transaktion
aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive nur dann Sinn, wenn erhebliche Synergien daraus
hervorgehen. Solche Synergien umfassen unter anderem die Reduzierung des relativen
Fixkostenanteils der Produktion, beispielsweise durch Zusammenlegen von Administra-
tion und Marketing, oder der besseren Steuerung von Überkapazitäten. In diesem Kon-
text lassen sich »Economies of Scale« von »Economies of Scope« unterscheiden. Erste-
re bedeuten, dass für ein bestimmtes Produktionsniveau weniger Produktionsfaktoren
eingesetzt werden müssen und beziehen sich demnach auf einzelne Produktarten und
treten insbesondere bei Zusammenschlüssen von Unternehmen ähnlicher Struktur und
Produktpalette auf. Letztere hingegen bedeuten dass die Ausweitung der Produktion auf
unterschiedliche Produkttypen Kostenvorteile mit sich bringt. Demnach ist diese Art von
Synergien insbesondere im Kontext von diversifizierenden Unternehmenstransaktionen
zu beobachten.
Die Mitte der 1990er-Jahre angefangene Debatte um den Konglomerate-Abschlag – Ber-
ger und Ofek (1995) veröffentlichen eine Studie, gemäß welcher Konglomerate an Aktien-
märkten geringer bewertet sind als die Summe ihrer einzelnen Geschäftsbereiche – brachte
jedoch vermehrt Argumente für Wertvernichtung bei Unternehmenszusammenschlüssen
hervor. Während die Aussage über Wertschaffung oder -vernichtung offensichtlich sehr
fallspezifischen Charakter besitzt, werden nachfolgend zweizentrale Argumente für po-
tenzielle negative Werteffekte skizziert.
Ein eigener Themenkomplex befasst sich mit der Effizienz von internen Kapitalmärk-
ten. Es stellt sich die Frage, ob die Allokation von Kapital innerhalb eines Unternehmens
mehr oder weniger effizient verläuft, als extern. Lamont (1997) beispielsweise weist für
den Fall von Ölförderfirmen nach, dass die Höhe der Ausgaben für Investitionen eines
Segmentes an den Erfolg weiterer Segmente geknüpft ist. Seine Schlussfolgerung stimmt
mit den Annahmen von Scharfstein und Stein (2000) überein, welche unternehmensin-
terne Kapitalallokation für Konglomerate als Sozialismus modellieren. Schwache Unter-
nehmensbereiche werden von starken unterstützt, was einen auf Dauer gesunden Unter-
nehmensdarwinismus verhindert.
Eine noch intuitivere Quelle negativer Werteffekte ist die durch eine M & A-Transaktion
gesteigerte Unternehmenskomplexität. Damodaran (2006) argumentiert, dass Komplexi-
tätssteigerungen durch Kauf oder Zusammenschluss von Unternehmen signifikant höher
sind als solche, welche durch internes Wachstum bedingt sind. Erhöhte Unternehmens-
komplexität erschwert Investoren die Einschätzung und Bewertung eines Unternehmens.
Diese Intransparenz kann laut Autor einen signifikanten Aufschlag auf die Kapitalkosten
mit sich bringen, welcher gemäß DCF Methode den Wert eines Unternehmens reduziert.
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6. Zusammenfassung 175
6. Zusammenfassung
In dem vorliegenden Kapitel wurden zentrale Aspekte der Unternehmensbewertung im
M & A-Kontext erläutert. Der Fokus des Beitrages wurde hierbei auf die übersichtsartige Be-
schreibung von Bewertungsverfahren gesetzt, wobei zwischen fundamentalen Verfahren,
marktbasierten Verfahren und substanzwertorientierten Verfahren unterschieden wurde.
Die beiden in der Praxis am weitesten verbreiteten Verfahren – Discounted Cash Flow
und Multiplikator Bewertung – wurden vergleichsweise ausführlich beschrieben und in
Teilen anhand numerischer Beispiele dargestellt. Die »Multiple«-Bewertung bietet hierbei
eine sehr intuitive und einfache Ableitung des Unternehmenswertes auf Basis eines Ver-
gleiches mit ähnlichen Unternehmen. Die tendenziell komplexere DCF-Bewertung erlaubt
eine sehr spezifische Modellierung des Unternehmensprofils über erwartete Zahlungs-
ströme und Kapitalkosten. Abschließend wurden ausgewählte, im Kontext der Wertschaf-
fung durch M & A-Transaktionen verwendete Argumente aus der akademischen Diskussion
knapp ausgeführt, um dem Leser ein weitergehendes Verständnis für Treiber des Unter-
nehmenswertes zu vermitteln.
Literatur
Ballwieser, W. (1993): Methoden der Unternehmensbewertung, in: Gebhardt/Gerke/Steiner
(Hrsg.), Handbuch des Finanzmanagements, München.
Berger/Ofek (1995): Diversification’s Effect on Firm Value, in: Journal of Financial Economics,
37. Jg., S. 39–65.
Born, K. (1995): Unternehmensbewertung und Unternehmensanalyse, Stuttgart.
Copeland/Koller/ Murrin (1998): Unternehmenswert – Methoden und Strategien für eine wer-
torientierte Unternehmensführung, Frankfurt/Main.
Damodaran (2006): The Value of Transparency and the Cost of Complexity, Working Paper,
New York University.
Drukarczyk, J. (1998): Unternehmensbewertung, München.
FitchRatings (2007): Credit Market Research: EMEA Corporate Bond Market –Q307 Review,
London.
Golbe/White (1993): Catch a Wave: The Time Series Behavior of Mergers, in: Review of Eco-
nomics & Statistics, 75. Jg., S. 493–499.
Institut der Wirtschaftsprüfer (1998): Handbuch für Rechnungslegung, Prüfung und Beratung,
Band II, Düsseldorf.
KPMG (2011): Kapitalkosten und Impairment Test-Studie 2010: Zukunftserwartungen managen.
Lamont (1997): Cash Flow and Investment: Evidence from Internal Capital Markets, in: Journal
of Finance, 52. Jg., S.83–109.
Modigliani/Miller (1963): Corporate Income, Taxes and the Cost of Capital, in: American Eco-
nomic Review, 53. Jg., S. 433–443.
Moxter, A. (1983): Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, Wiesbaden.
Ollmann/Richter (1999): Kapitalmarktorientierte Unternehmensbewertung und Einkommen-
steuer – Eine deutsche Perspektive im Kontext internationaler Praxis, in: Kleineidam, H.-J.
(Hrsg.), Unternehmenspolitik und Internationale Besteuerung, Berlin, S. 159–178.
Richter, F. (1998): Unternehmensbewertung bei variablem Verschuldungsgrad, in: Zeitschrift
für Bankrecht und Bankwirtschaft, 10. Jg., S. 379–389.
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Rock, K. (1984): Why new issues are underpriced, in: Journal of Financial Economics, 15. Jg.,
S. 187–212.
Shleifer/Vishny (2003): Stock Market Driven Acquisitions, in: Journal of Financial Economics,
70. Jg., S. 295–311.
Scharfstein/Stein (2000): The Dark Side of internal Capital Markets: Divisional Rent-Seeking
and inefficient Investment, in: Journal of Finance, 55. Jg., S. 2537–2564.
Schwetzler, B. (1998): Gespaltene Besteuerung, Ausschüttungssperrvorschriften und bewer-
tungsrelevante Überschüsse bei der Unternehmensbewertung, in: Die Wirtschaftsprüfung,
51. Jg., S. 695–705.
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177
178
1. Einführung
a) M & A als zentrale Funktion im Konzern
Mergers & Acquisitions oder kurz M & A ist bei einem international tätigen Konzern an
der Tagesordnung. Bestehendes Geschäft wird gemäß den Markterfordernissen umstruk-
turiert, Ergänzungen erworben sowie nicht mehr dem Kerngeschäft zuzuordnende Unter-
nehmensteile zur Veräußerung gestellt. Die einzelnen Transaktionen können von weni-
gen Mitarbeitern mit einigen Maschinen oder Spezialwerkzeugen und Patenten an einem
Standort bis zu globalen Konzernteilen mit Tausenden von Mitarbeitern, Dutzenden von
Tochtergesellschaften, einer unübersehbaren Anzahl von Vertragsbeziehungen, Immobi-
lien, Finanzierungen, Pensionsverpflichtungen und bestehenden Rechtsstreitigkeiten rei-
chen. Ein größerer, global agierender Konzern ist daher gut beraten, M & A als zentrale
Daueraufgabe zu verstehen und sich darauf einzustellen, dass zu jedem beliebigen Zeit-
punkt eine erhebliche Anzahl von Transaktionen betreut werden muss.
Versteht man M & A als Daueraufgabe, ist die Einrichtung einer zentralen M & A-Abtei-
lung, ggf. bei entsprechender Größe auch zusätzlicher dezentraler M & A-Abteilungen bei
größeren Konzernteilen und im Ausland ratsam. Diese M & A-Abteilungen können in ver-
schiedenen Stadien einer Transaktion den jeweils betroffenen Konzernbereich prozessbe-
gleitend und -steuernd unterstützen. Des Weiteren obliegt es den M & A-Abteilungen, den
Erfolg der jeweiligen Akquisitionen und der Integration zu steuern und zu kontrollieren
(siehe hierzu unter 7.).
Neben zentralen und dezentralen M & A-Abteilungen empfiehlt es sich, in anderen
Fach- und Stabsabteilungen M & A-Spezialisten zu etablieren, beispielsweise in den Abtei-
lungen Recht, Patente, Compliance, Vertrieb, Rechnungswesen, Steuern, Personal, Finan-
zen (Pensionen, Garantien, Finanzierungen), Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Immo-
bilien. Nur die ständige Befassung mit M & A durch einen stabilen Kreis von M & A-Experten
stellt innerhalb eines großen Konzernverbundes sicher, dass die notwendige Expertise
aufgebaut und erhalten wird. Des Weiteren wird dadurch angestrebt, dass gleichartige
Sachverhalte in unterschiedlichen Konstellationen und in unterschiedlichen Konzernberei-
chen auch gleichartig behandelt werden. Nicht zuletzt führt ein stabiler Kreis von M & A-
Experten zur Vermeidung der Wiederholung von Fehlern, da durch intensiven Austausch
und durch professionelles Knowledge-Management eine deutliche Qualitätsverbesserung
erzielt werden kann.
Viele der im Folgenden angestellten Überlegungen gelten für alle Unternehmen und nicht
nur für Konzernunternehmen. Jedoch liegt ein besonderes Augenmerk auf Konstellationen,
die Besonderheiten für Konzernunternehmen mit sich bringen. Die aufgeführten Klauselvor-
schläge sind an der deutschen Rechtsordnung orientiert. Soweit der zugrundeliegende Ver-
trag einer anderen Rechtsordnung unterliegen soll, können Anpassungen erforderlich sein.
Die Beispielformulierungen sind bewusst in Englisch abgedruckt, da dies der mehrheitlichen
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1. Einführung 179
Praxis in Konzernunternehmen entspricht. Wir bieten dem Leser die deutsche Übersetzung
der Mustertexte ergänzend im Download-Bereich zum Buch an. Die deutschen Übersetzun-
gen der Klauselvorschläge folgen im Wesentlichen den englischen Texten, können aber ge-
ringfügige sprachliche Abweichungen und Änderungen im Aufbau enthalten. Die Hinweise
zum Download finden Sie auf S. VII, der Zugangscode steht ganz vorne im Buch.
Die Konzernleitung will und muss über alle laufenden M & A-Prozesse informiert sein.
Hierzu ist ein strukturierter Prozess erforderlich, der die entscheidenden Aspekte für die
Durchführung einer Transaktion in einem vorgeschriebenen Format und Inhalt zusam-
menfasst. Erst bei einer einheitlichen Berichterstattung kann die Konzernleitung in sinn-
voller Weise eine Managemententscheidung über das »ob« und »wie« eines Erwerbs oder
einer Veräußerung treffen.
Ebenso lässt sich auf diese Weise nachhalten, welche Informationen und Annahmen
der Entscheidung zugrunde lagen und ob bestimmte Ziele auch erreicht werden konnten.
Dies führt zu einer deutlich stärkeren Verantwortung und Accountability der Geschäfts-
verantwortlichen, da die Annahmen und Planungen besser verfolgt und verifiziert wer-
den können (z. B. Synergien, Profitabilität des Zielunternehmens, Integrationskosten und
-nutzen etc.).
Erst wenn alle Fachabteilungen die Vorlage kommentiert haben, wird diese der Konzern-
leitung zur Entscheidung zugeleitet, um sicherzustellen, dass die Konzernleitung sämtliche
fachlichen Erwägungen bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen kann. Im Idealfall
werden verschiedene Vorstandsvorlagen vergleichbar, um strukturiert die wesentlichen
strategischen, technischen, finanziellen und bilanziellen Merkmale einer Transaktion be-
werten zu können. Besteht Vergleichbarkeit verschiedener Transaktionsalternativen, kann
die knappe Ressource Investivkapital derjenigen Transaktion zugeordnet werden, die den
besten Investitionsertrag in Aussicht stellt.
2. Vertraulichkeitsvereinbarungen
a) Einseitige oder zweiseitige Vertraulichkeitsvereinbarungen?
2. Vertraulichkeitsvereinbarungen 181
»Confidential Information« shall mean any information and data of any kind which a Party or its
Representatives disclose to Recipient or Recipient‘s Representatives in connection with the Transac-
tion irrespective of the medium through which such information or data is provided, which includes
without limitation, any electronic or web-based type of communication. Confidential Information
shall include without limitation (i) any kind of business, commercial or technical information and
any copies or abstracts made thereof (ii) all analyses, compilations, data, studies or other documents
prepared by Recipient or Recipient‘s Representatives containing, or based in whole or in part on,
any such disclosed information or reflecting Recipient‘s and its Related Companies‘ review of, or
interest in, the Transaction (e.g. any due diligence reports), (iii) the existence of this Agreement,
(iv) the fact that Confidential Information will be and/or has been exchanged, and (v) the fact that
discussions regarding the Transaction are taking place.
»Related Company« shall mean any corporation, company or other entity, which controls, or is
controlled by or is under common control with one Party directly or through one or more inter-
mediaries as long as such control exists. For purposes of this definition »control« shall mean (i) the
ownership of the majority of the company‘s voting stock or the majority of its voting rights, (ii) the
right to directly or indirectly appoint the majority of the members of the managing or administrative
board or of similar managing authority with the power to represent the company, or (iii) the power
to direct or cause the direction of the management by contract or otherwise.
»Representatives« shall mean directors, officers or employees of one Party or of its Related Com-
panies involved in the Transaction or lawyers, consultants, advisers or investment bankers advising
one Party or its Related Companies with respect to the Transaction.
All Confidential Information
(i) shall be used by Recipient exclusively for the Transaction;
(ii) shall not be distributed or disclosed in any way or form by Recipient to anyone except to those
Representatives who reasonably need to know such Confidential Information for the purpose
of evaluating the Transaction and who are bound to confidentiality themselves to an extent no
less stringent than Recipient under this Agreement (…)
Je nach Größe und Struktur des Konzerns kann sich auch der Versuch lohnen, innerhalb
einer juristischen Person weitere Einschränkungen der Bindungswirkung zu erreichen.
Dies kann dadurch geschehen, dass man ausschließlich konkrete Abteilungen und/oder
Standorte der Bindungswirkung unterzieht. Hat das Unternehmen beispielsweise mehrere
Standorte in Deutschland unter dem Dach einer juristischen Person mit Personalabteilun-
gen an jedem Standort, so kann es durchaus sinnvoll sein, z. B. Abwerbeverbote auf den
in die Verhandlungen eingeschalteten Standort zu beschränken, wenn auch das Verbot
der Weitergabe der vertraulichen Informationen an die anderen Standorte hinreichend
verankert ist. Fehlt eine solche Beschränkung auf einen Standort, müsste man ggf. alle
Personalabteilungen informieren, dass keine Mitarbeiter des Zielunternehmens eingestellt
werden dürfen. Dies hätte unmittelbar zur Konsequenz, dass alle diese Abteilungen da-
von ausgehen müssten, das Unternehmen plane möglicherweise eine Übernahme. Man
erreicht dann also genau das Gegenteil dessen, was eigentlich in beiderseitigem Parteiin-
teresse gewollt ist, nämlich die Einbeziehung möglichst weniger Personen.
Upon written request of the disclosing Party at any time, but not later than six (6) months after
termination of this Agreement, Recipient shall in its discretion (1) return all Confidential Informa-
tion to the disclosing Party or destroy all Confidential Information; and (2) delete all Confidential
Information from any data carrier or storage device. Upon written request of the disclosing Party,
Recipient shall confirm in writing that all such Confidential Information as well as any copies thereof
have been destroyed, returned and deleted, as the case may be. Recipient shall cause its Related
Companies and its Representatives to comply with such obligation respectively. If the Recipient shall
not have received a written request as per sentence 1 within said six (6) months period, Recipient
is entitled in its discretion and at any time and to allow its Related Companies and its Representa-
tives (1) to return all Confidential Information to the disclosing Party or to destroy all Confidential
Information; and (2) to delete all Confidential Information from any data carrier or storage device.
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2. Vertraulichkeitsvereinbarungen 183
This shall not apply to copies of electronically exchanged Confidential Information made as a matter
of routine information technology backup and Confidential Information or copies thereof which
must be stored by Recipient, its Related Companies or its Representatives according to applicable
law or to Recipient’s internal compliance guidelines, provided that such Confidential Information
or copies thereof shall then be subject to an indefinite confidentiality obligation according to the
terms and conditions set forth herein.
d) Abwerbeverbote
During a period of [•], Bidder [and any of its subsidiaries, affiliates and divisions] shall not directly
or indirectly solicit to hire any employee of Seller whose name has been disclosed to Bidder [or its
subsidiaries, affiliates or divisions] in the course of the evaluation of the Potential Transaction (the
»Employee«); however, nothing shall hinder Bidder and its subsidiaries, affiliates and divisions to
make generalized solicitations by use of advertisements or by engaging human resource consultants
not specifically targeted to or focused on the Employees and to freely hire any Employees respon-
ding to such solicitations, or to hire any Employee who initiates contact with Bidder, its subsidiari-
es, affiliates or divisions without any previous direct or indirect encouragement from Bidder or its
subsidiaries, affiliates or divisions.
Problematisch bei Abwerbeverboten ist immer die Frage des Nachweises eines Verstoßes
sowie des konkreten Schadens. Das Problem des Schadensnachweises wird häufig durch
pauschale Vertragsstrafen gelöst. Üblicherweise wird ein Jahresgehalt des abgeworbenen
Mitarbeiters als pauschalierter Schaden zugrunde gelegt. Der Nachweis eines Verstoßes
hingegen ist schwieriger zu führen, da das abwerbende Unternehmen in der Regel auf all-
gemeine Stellenanzeigen oder Initiative durch die später abgeworbene Person verweisen
kann, mithin ein »aktives Abwerben« selten nachzuweisen ist. Hiergegen würde nur ein
hartes »Einstellungsverbot« ohne Ausnahmen helfen, welches aber in vielen Jurisdiktio-
nen (so auch in Deutschland) nicht mit dem geltenden Recht vereinbar sein wird.
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e) Exklusivitätsvereinbarungen
aa) »Abschlussexklusivität«
Hier verpflichtet sich der Veräußerer, für einen bestimmten Zeitraum das Zielunterneh-
men an keinen weiteren Interessenten zu veräußern. Eine solche Abschlussexklusivität
ermöglicht es dem Veräußerer, Gespräche mit weiteren Interessenten zu führen. Hierbei
sollte der Grad der Kommunikation (Gespräche, Austausch von Informationen, Erstellen
von Term Sheets, , Arbeitsgruppen etc.) sorgfältig dokumentiert werden, um sich im
Nachhinein bei Scheitern der Transaktion keinen Ersatzansprüchen ausgesetzt zu sehen.
Diesbezügliche vertragliche Vereinbarungen sollten nur für einen bestimmten, klar defi-
nierten, (sehr kurzen) Zeitraum eingegangen werden.
Eine Formulierung einer Abschlussexklusivität könnte wie folgt lauten:
We refer to the Binding Offer of Bidder for the acquisition of the Business of Seller (herein »Tran-
saction«).
1. Bidder has completed its financial, legal, tax, IT and other due diligence of the Business. Bid-
der, as a result of such due diligence, and Seller, in light of the Binding Offer, are interested in
pursuing the Transaction. The Transaction shall be made at a contemplated purchase price for
the Shares as set forth in the Binding Offer. The terms of the Transaction shall be negotiated
between the Parties by the Scheduled Signing Date.
2. Seller shall not, from the date hereof until the Scheduled Signing Date (herein »Exclusivity
Period«), and shall procure that none of its Affiliates shall, sell or dispose of any interest in the
Business (regardless of the form of any such transaction) or agree to enter into any definitive
contractual or other arrangement in relation thereto, except to or with Bidder.
3. In consideration for the foregoing, Bidder agrees
(i) to be bound by the terms and conditions of the Binding Offer;
(ii) to duly proceed with all measures necessary to complete the Transaction, including without
limitation, negotiation of the Transaction with Seller in good faith, the preparation of re-
gulatory approvals with the competent authorities, the securing of debt financing for the
Transaction; and
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2. Vertraulichkeitsvereinbarungen 185
(iii) upon the Parties having reached agreement on the terms of the Transaction, to execute
the Transaction documentation and, upon having reached agreement on the financing, the
documentation for the financing of the Transaction
(herein »Bidder Commitments«).
4. Bidder acknowledges that the Transaction is still conducted as an auction process with multiple
interested parties and that discussions are, and will be, held with such other interested parties,
including exchange of information with regard to the Business and exchange of draft docu-
mentation and its negotiation. Seller shall not be under any obligation to enter into any further
agreements with Bidder of any nature whatsoever as a result of this letter and Seller shall be
free at all times to conduct or terminate the process in respect of the Transaction at its sole
unlimited discretion. Any such activities shall not be a breach of this letter or any obligations
hereunder.
6. In the event of a breach of any obligation contained in this letter, Seller shall be liable for reim-
bursement of Bidder’s external expenses, fees and costs reasonably incurred from the date of
this letter until the date when Bidder becomes aware of such breach. Such reimbursement shall
be the sole and exclusive remedy for any such breach. The amount of external expenses, fees
and costs to be reimbursed under this letter shall be limited to an aggregate amount of EUR
[•]. For the avoidance of doubt, any potential claim beyond such aggregate amount of reaso-
nable external expenses, fees and costs, e. g. any loss of goodwill or reputational damage, any
consequential damages, any lost profits or any internal costs and expenses, or any claim that
would put Bidder in a position as if Bidder had entered into the Transaction with Seller, shall be
excluded.
bb) »Verhandlungsexklusivität«
Die Verhandlungsexklusivität reicht regelmäßig weiter als die Abschlussexklusivität und
verbietet umfassend die Kontaktaufnahme und Verhandlungsführung mit Dritten während
der vereinbarten Exklusivität. Regelmäßig wird sich der Veräußerer sträuben, eine um-
fangreiche Exklusivität zu gewähren. Genauso regelmäßig wird der Erwerber eine solche
anstreben. Letzten Endes entscheidet die Marktlage, die Anzahl der interessierten Bieter,
die Attraktivität und der Grad der Wahrscheinlichkeit, mit dem die Transaktion mit dem
nach Verhandlungsexklusivität strebenden Erwerber umgesetzt werden kann, wie weit
sich der Veräußerer im Vorfeld einer Transaktion bindet.
Eine Formulierung einer Verhandlungsexklusivität könnte wie folgt lauten:
(A) WHEREAS, the Parties have entered into a non-disclosure agreement, dated [•] (the »Non-
Disclosure Agreement«), which contains certain provisions on a limited exclusivity concerning a
possible transaction involving Buyer and Seller (the »Transaction«); and
(B) WHEREAS, the Parties have held first discussions with regard to the Transaction and agreed to
proceed with the Transaction and to extend the exclusivity obligation of Seller.
NOW THEREFORE, in consideration of the promises and the mutual covenants contained herein,
the Parties enter into the following agreement (this »Agreement«):
Article 1 – Exclusivity
In connection with the Transaction, and in consideration of the significant resources Buyer intends
to devote to the due diligence and negotiation process, Seller shall not, and shall cause the Affiliates
of Seller and their respective Representatives (collectively, the »Seller Parties«) not to, during the
period beginning on the date hereof and ending at the end of the day (Central European Time)
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falling [•] months after the date hereof, directly or indirectly solicit, explore, initiate, encourage,
accept or consider any inquiries or proposals from, discuss or negotiate with, or provide any non-
public information to, any person (other than Buyer, its Affiliates and their respective Representati-
ves) relating to any transaction involving the acquisition of some or all of the business (whether or
not conducted through Seller) of, shares (or other ownership interests) of, or assets of the Target,
the subscription for, or offering of, any shares (or other ownership interests) of the Target, or any
merger, consolidation, business combination or similar transaction involving the Target (collectively,
an »Acquisition Proposal«). Seller shall, and shall cause the Seller Parties to, immediately cease
discussions with, and providing information to, any person (other than Buyer, its Affiliates and their
respective Representatives) in connection with an Acquisition Proposal.
Article 3 – Confidentiality
The obligations contained in the Non-Disclosure Agreement between Seller and Buyer shall likewise
apply to this Agreement and any confidential information exchanged under this Agreement. This
Agreement constitutes Confidential Information under the Non-Disclosure Agreement.
Article 4 – Liability for Affiliates and Representatives; Third Parties
Each Party shall be liable for acts or omissions of its Affiliates and its Representatives resulting in a
breach of the provisions of Article 1 above, as if such acts or omissions had been its own acts or
omissions. Unless stated otherwise in this Agreement, this Agreement shall inure to the benefit of,
and may be enforced in accordance with its terms by, the original Parties hereto, their Affiliates and
their permitted assigns and successors.
f) Standstill-Vereinbarungen
Party A agrees that, until the expiration of [•] months from the date of this Agreement, neither
it nor any of its affiliates, nor anyone acting on its behalf, shall, directly or indirectly, without the
prior approval of the Board of Directors of the other party (a) acquire or agree to acquire or make
any proposal or offer to acquire any shares/securities or property of the other party or any of its
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subsidiaries, (b) propose to enter into any merger or combination of businesses involving the other
party or purchase a substantial portion of the assets of the other party or any of its subsidiaries,
(c) act or seek to control or influence the management, Board of Directors or policies of the other
party or any of its subsidiaries, (d) disclose any intention, plan or arrangement inconsistent with the
foregoing, (e) take any action which might trigger the obligation to make a public announcement
regarding the possibility of a business combination or merger, or (f) negotiate, discuss, advise, assist
or encourage any other person in connection with any of the actions described in the foregoing
clauses (a) through (e).
»Der Datenraum ist die Visitenkarte eines Unternehmens«. Entsprechend sorgfältig sollte
daher der Veräußerer an die Anlage und den Aufbau des Datenraumes gehen. Die Erstel-
lung des Datenraum-Index, die Einstellung und Nummerierung von Dokumenten, die
Festlegung des Prozesses für Nachlieferungen in den Datenraum, das Einarbeiten von
Nachlieferungen in den Datenraum, die Abnahme des Datenraums durch den Veräußerer
und ggf. den internen und externen Rechtsberater sollten einem stringenten System fol-
gen, um nachvollziehbar und kontrollierbar zu sein.
b) Physische Datenräume
Es sollte immer ein identisches Doppel des physischen Datenraums mit allen Schwär-
zungen und teilweisen Entnahmen von Dokumenten und Teilen von Dokumenten für
Dokumentationszwecke bestehen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass während
der Due Diligence Dokumente »verloren gehen«. Neben diesen beiden Netto-Datenräumen
muss ein rein interner Brutto-Datenraum gepflegt werden. Nach Abschluss der Due Di-
ligence ist der als Back up gepflegte Netto-Datenraum zu versiegeln und zu archivieren.
Während der Brutto-Datenraum insbesondere für die Erstellung von Anlagen relevant ist,
dient der Netto-Datenraum auch zur Reduzierung einer Haftung gegenüber dem Vertrags-
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partner, z. B. wegen fahrlässiger Täuschung aufgrund nicht gezeigter Risiken etc. Gleich-
zeitig sollte eine Übersicht darüber angelegt werden, welche Dokumente dem Erwerber
gezeigt wurden und welche bislang noch nicht.
Die frühzeitige Herausgabe von Informationen kann bei Nichtzustandekommen der
Transaktion zu einer existentiell bedrohlichen Ausforschung durch einen Wettbe