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26. 10. 22 20 Uhr
Donnerstag 27. 10. 22 20 Uhr
Freitag 28.10. 22 20 Uhr
RICHARD WAGNER
Ouvertüre zu
»Der fliegende Holländer«
THOMAS
SERGEJ HENGELBROCK
RACHMANINOW Dirigent
1. Klavierkonzert
ALEXANDRE
JOHANNES BRAHMS KANTOROW
1. Symphonie Klavier
DIE PLANETEN APP
Ein interaktiver
Hörspaziergang
durch das All
SERGEJ RACHMANINOW
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 fis-Moll op. 1
1. Vivace
2. Andante
3. Allegro vivace
– Pause –
JOHANNES BRAHMS
Symphonie Nr. 1 c-Moll op. 68
Im Anschluss an die Konzerte am 27. und 28. Oktober 2022 laden wir
alle Konzertbesucher*innen zum »Nach(t)klang« in die Halle E ein.
Es spielt die Jazz-Combo der Münchner Philharmoniker.
Verdammnis und
Erlösung auf
stürmischer See
RICHARD WAGNER:
OUVERTÜRE ZU »DER FLIEGENDE HOLLÄNDER«
einem einen Schrecken ein. Rückwärts ge- Fluch beladenen Holländers und das Motiv
lesen und gespielt ist dieses Motiv – ein der Erlösung, Senta zugesprochen –, krei-
Kuriosum oder auch nicht – eine versteckte sen weitere wesentliche Motive aus der
Reverenz an Beethovens Neunte Sympho- Oper. Sie alle sind bis ins kleinste Detail sym-
nie (Beginn des ersten Satzes), Wagners phonisch verarbeitet und verblüffen regel-
Lieblingswerk. Als letztes Stück komponiert, recht durch ihre farbige, neuartige Instru-
nimmt die Ouvertüre, die Liszt mit einem mentierung und Harmonik: der sogenannte
»düsteren Gemälde mit stark aufgetragenen »Geisterruf« mit seiner furiosen, peitschen-
Farben« verglich, die nachfolgende Oper den Chromatik und den grellen, »metallisch«
voraus. Sie beruht thematisch größtenteils klingenden Quinten, die »Todessehnsucht«,
auf der »Ballade der Senta« (aus dem 2. Akt), das gleichsam den »Tristan« ankündigt, die
in der Wagner, laut eigener Aussage »unbe- »Liebestreue« (Senta zugehörig), empha-
wusst den thematischen Keim zu der ganzen tisch-exaltiert, und nicht zuletzt das Matro-
Musik der Oper« niederlegte. Rein formell ist senlied aus dem 3. Akt: Derb-stampfend und
die Ouvertüre zwar frei nach dem Prinzip des von Trommelwirbel begleitet, ist dieses Mo-
Sonatensatzes angelegt, musikdramatur- tiv ein echter Ohrwurm. Inmitten dieser ent-
gisch betrachtet, mutet das farbenreiche fesselten Naturkräfte wirkt Sentas gebet
gewaltige »Naturstück« jedoch wie ein Dra- artige Melodie (aus ihrer Ballade), das soge-
ma im Drama an. Um die zwei kontrastieren- nannte Erlösungsmotiv, wie eine Insel der
den Hauptmotive – das Motiv des mit einem Glückseligkeit. Wagner inszeniert dieses
Moment geradezu feierlich. Die schlichte
Weise in F-Dur in der Art eines »Andante re-
ligioso« umspielt von Holzbläsern (Englisch-
horn, Oboe, Klarinette) verfehlt nicht ihre
Wirkung. So rein, so schön und versöhnlich
kann die Welt sein, dass man Senta und
ihrem selbstauferlegten Missionsauftrag –
die Errettung des verdammten Seefahrers
– für einen Augenblick gerne glaubt.
tasie. Mit der romantischen Oper »Der flie- kann der Holländer aber gewinnen durch ein
gende Holländer« hat Wagner nach eigenem Weib, das sich aus Liebe ihm opfert […] dies
Bekunden zu sich selbst als Bühnendrama- Weib ist aber nicht mehr die heimatlich sor-
tiker gefunden. Die mystische Figur des gende, vor Zeiten gefreite Penelope des
»Holländers«– ähnlich Odysseus, Faust, Don Odysseus, sondern es ist das Weib der Zu-
Juan und anderen berühmten »Verdamm- kunft«.
ten« der Kulturgeschichte – wird zum Arche
typus des ewig Suchenden, Einsamen, der TERRA MAGICA
an der Lieblosigkeit einer gemeinen, entmy- ALS LETZTE RETTUNG?
thisierten Welt zugrunde geht. Die Drei-
eckkonstellation sämtlicher Handlungs- Im Laufe der Jahre nahm Wagner Überarbei-
stränge in Wagners Opern – Fluch, Todes- tungen an der Partitur des »Holländers« vor.
sehnsucht und Erlösung – tritt hier zum Die vierte und letzte Version von 1860 ver-
ersten Mal bewusst zutage. »Der holländi- ändert nicht nur musikalisch das Ende der
sche Seefahrer«, so Wagners lapidare Be- Ouvertüre und analog den Schluss der Oper
schreibung der Geschichte, »ist zur Strafe – zu hören ist Sentas »Erlösungsmotiv« in
seiner Kühnheit vom Teufel verdammt, auf den Violinen –, sondern sie wirft auch ein
dem Meere in alle Ewigkeit rastlos umherzu- neues Licht auf Wagners Ausdeutung des
segeln. Als Ende seiner Leiden ersehnt er, Mythos. »Der Holländer und Senta«, so Wag-
ganz wie Ahasveros, den Tod; diese dem ners Regieanweisung, »beide in verklärter
ewigen Juden noch verwehrte Erlösung Gestalt, entsteigen dem Meere; er hält sie
Jugendlicher
Geniestreich mit
Ecken und Kanten
SERGEJ RACHMANINOW: KLAVIERKONZERT NR. 1
GEFÜHLE WERDEN
TEIL DER MUSIK
Tschaikowsky, an den Ossowski Anklänge in
Rachmaninows 1. Klavierkonzert bemerkte,
war in jenen frühen Jahren eine prägende
Größe an dessen Horizont, und mehrfach
soll auch der Meister selbst sich lobend
über die Musik Rachmaninows geäußert ha-
ben. Gemeinsam ist beiden der zutiefst ro-
mantische, hochemotionale Gestus ihrer
Musik sowie das brennende Bekenntnis zum
Schönen – auch im Angesicht des Schmer-
zes. »Beim Niederschreiben meiner Musik
versuche ich, ganz einfach und direkt das
zu sagen, was mir am Herzen liegt. Sei es
Liebe, Bitterkeit, Trauer oder Religion; diese
Gefühle werden Teil meiner Musik, und sie
wird entweder schön, traurig, bitter oder
religiös«, hat Rachmaninow später einmal
Sergej Rachmaninow im Alter von 19 Jahren bekannt. Tschaikowsky hätte wohl dasselbe
sagen können. Auch die tiefe Verwurzelung
unter der Leitung von Wassilij Safonow. Das in der russischen Kultur und Seele haben
gesamte Werk erblickte erst im Jahr 1900 beide geteilt, und haben doch zugleich mu-
in London das Licht der Bühne – in jenem sikalische Brückenschläge in Richtung
Jahr, in dem auch Rachmaninows heute um westlicher Formen und Stile gesucht. In der
Längen berühmteres Nachfolgewerk, das Heimat machten sie sich dadurch angreifbar
c-Moll-Konzert op. 18, zur Uraufführung – was zu umso brennenderen Bekenntnis-
kam. sen zu den russischen Wurzeln führte.
Als er den Kopfsatz seines Opus 1 aus der Unter all diesen Voraussetzungen ist Rach-
Taufe hob, stand der junge Komponist gera- maninows Stil zwar selbstverständlich ge-
de kurz vor seinem 19. Geburtstag und setz- reift und gewachsen, doch letztlich ist in
te unüberhörbar zur musikalischen Welt seinem 1. Klavierkonzert, dessen erste No-
eroberung an. Sein Klavierdiplom hatte er tizen aus dem Jahr 1889 stammen, bereits
bereits einige Monate zuvor unter anderem all das angelegt, was auch die drei Folge-
mit fulminanten Interpretationen von Beet werke aus den Jahren 1900, 1909 und 1926
hoven- und Chopin-Sonaten erlangt. Kurz prägen sollte: das raumgreifend Virtuose
nach dem denkwürdigen Konzertabend mit des Klavierparts, daneben aber auch die
dem Kopfsatz des 1. Klavierkonzerts erfolg- lyrische Kraft, der Sinn für Schönheit und
te dann auch die Zulassung zur Abschluss- Leidenschaft – all das also, was die Vertreter
prüfung im Fach Komposition, für die in den der neuen Sachlichkeit ihm bald als Triviali-
folgenden Monaten der Opern-Einakter tät vorwerfen sollten und was Strawinsky als
»Aleko« entstand. »grandiose Filmmusik« deklarierte. Sich dem
Der Widmungsträger Alexander Siloti (links) zusammen mit seinem Schüler und Cousin Sergej
Rachmaninow
Rausch der Sinnlichkeit, ja der Erotik zu ent- ninow, skeptisch und zurückhaltend von
ziehen, die Rachmaninows Musik verströmt, Natur aus, seinen Emotionen freien Lauf. Die
dürfte dennoch (gerade) auch den Anhän- Musik wurde ihm so zunehmend zur Insel
gern kopfgesteuerter Kompositionskunst seines innersten Ichs, und wenn dies auch
schwergefallen sein. Und: dass Rachma- 1892 erst ansatzweise erkennbar war, ist
ninows Werken ein mehr als solides Können, doch die »üppige Melancholie« (Gerald
ja ein feiner Sinn für Form und Klang zugrun- Abrah am) des charakteristisch rachmani
de liegt, konnte nun wirklich niemand leug- nowschen Klavierstils bereits im fis-Moll-
nen. L’art pour l’art eben, deren Formen zur Konzert ausgeprägt.
Schablone des Ausdrucks und ungemein
suggestiver Kraft werden. Wem hätte eine PIANISTISCHES FEUERWERK
solche Stilistik mehr entsprochen als dem MIT INSELN DER RUHE
bald anerkannt bedeutendsten Pianisten
seiner Zeit: Sergej Rachmaninow, der sich Zugrunde liegt dem Werk, wie bei einem
seine Klavierwerke, wie zuvor schon Beet Studenten kaum anders zu vermuten, das
hoven, Chopin oder Liszt, selbst in die Fin- herkömmliche Schema der Konzertform,
ger komponierte? In die Finger und auch aus das allerdings auch Chopin und Liszt in ers-
der Seele, denn nur am Klavier ließ Rachma- ter Linie kunst- und kraftvoll ausfüllten, ohne
es wesentlich in Frage zu stellen. Das Klavier Griegs, das auch Rachmaninows Lehrer (und
ist bei aller Dichte des orchestralen Klangs Cousin) Alexander Siloti hochschätzte.
stets führend in der Präsentation der The-
men, um anschließend die ins Orchester Der junge Russe allerdings setzt weniger als
gewanderten Melodien filigran zu umspin- der Norweger auf Impression und Atmo-
nen. Und wie beginnt ein junger, ambitio- sphäre; sein Konzert prägt bevorzugt klare
nierter Komponist sein op. 1? Rachmaninow Strukturen aus, wuchtig, reliefartig, zielstre-
springt mit der Konzerteröffnung gleich in big. Die dynamischen Steigerungskurven
medias res – ungeheuer wirkungsvoll und wirken von Beginn an präzise kalkuliert. Das
doch alles andere als auf den puren Effekt Klavier scheint nur vordergründig wie impro-
bedacht. Nachdem ein markantes Bläsermo- visatorisch frei zu agieren, ist tatsächlich
tiv alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat aber ganz auf die Themenentwicklung fo-
– ein veritables Startsignal mit explosiver kussiert, aus der als berstender Höhepunkt
Kraft –, legt sogleich der Solist mit maxima- des Satzes die Kadenz entspringt. Das Or-
ler Attacke los, wird regelrecht von der Lei- chester ist zugleich ganz und gar auf den
ne gelassen, um sogleich ein pianistisches Solopart fixiert, den es begleitet und empor-
Feuerwerk zu entfachen. Keinen breiten hebt, ohne selbst – anders als etwa bei
roten Teppich lässt der junge Virtuose sich Brahms – nach Eigenständigkeit oder gar
also vom Orchester ausrollen; vielmehr kann Dominanz zu streben. Für die Konzertfas-
er es kaum abwarten, selbst Position zu be- sung von 1892 gilt dies ebenso wie für seine
ziehen. Das Klavier zieht sich dann erst nach geschliffenere Überarbeitung, die Rachma-
dem ersten Gefühlsausbruch wieder nach- ninow selbst 1917 vornahm – eine Revision,
denklich zurück, um der eigentlichen Ent- die zwar an den Ecken und Kanten der Ori-
wicklung der Gedanken Raum zu geben. ginalversion ein Stück weit feilt, die Indivi-
Schumann mag hier ein Stück weit Pate ge- dualität des jugendlichen Geniestreichs
standen haben, vor allem aber gemahnt die- aber keineswegs nur zu glätten versucht.
ser Beginn an das Klavierkonzert Edvard Dass die reiferen Klavierkonzerte Nr. 2 und 3
das erste stets in den Schatten stellten,
wollte der Komponist damit wohl ein Stück
ZITAT
weit aufweichen, ohne den eigenständigen
»Ich habe mein Erstes Konzert umge- Charakter des Erstlings, für den er spürbar
schrieben; es ist jetzt wirklich gut! eine besondere Liebe empfand, jedoch in
Die ganze jugendliche Frische ist Frage zu stellen.
noch da, und doch spielt es sich jetzt
viel leichter. Allerdings findet es keine Die Kontraste wirken stark in Rachmaninows
Beachtung. Wenn ich in Amerika sage, 1. Klavierkonzert, und so folgt auf den vita-
dass ich das Erste Konzert spielen len, farbensprühenden Kopfsatz ein Andan-
werde, protestieren sie zwar nicht, te, in dem der Komponist sich – an diesem
aber ich sehe in ihren Gesichtern, Punkt weit entfernt von draufgängerischer
dass sie lieber das Zweite oder Dritte Aufbruchsstimmung – alle Zeit der Welt
hören würden…« gönnt, um ein Gefühl von Weite und Melan-
cholie zu erzeugen, das ganz und gar gefan-
Sergej Rachmaninow über sein
gen nimmt. Bei allen romantischen Lyrismen
revidiertes Klavierkonzert Nr. 1
in russisch gefärbter Melodik ist die Musik
Kerstin Klaholz
»Läßt er noch
keine Pauken
und Drommeten
erschallen?«
JOHANNES BRAHMS: 1. SYMPHONIE C-MOLL
nisten an die Öffentlichkeit getreten, und Artikel, stellte Brahms das Werk fertig. Zu-
kaum stellte Brahms, nun 42 Jahre alt, seine nächst als Sonate für zwei Klaviere konzi-
erste Symphonie dem Publikum vor, setzte piert, hatte Brahms sie vergeblich zu einer
man sie dem Vergleich mit dem »Gipfelwerk« Symphonie umzuarbeiten versucht und
der Gattung aus, mit Ludwig van Beethovens dann aufgrund von Schwierigkeiten mit der
9. Symphonie. Instrumentation sich für ein leichter zu
o rchestrierendes Klavierkonzert entschie-
»DAS IST EIN BERUFENER« den. Robert Schumann freilich verfolgte
diese kompositorischen Versuche von
Die Geschichte von Brahms’ 1. Symphonie Brahms sehr aufmerksam und fragte am
begann im Jahr 1853. Im September hatte 6. Januar 1854 beim gemeinsamen Freund
Brahms das Künstlerehepaar Clara und Ro- Joseph Joachim nach: »Nun – wo ist Johan-
bert Schumann in Düsseldorf kennen ge- nes, ist er bei Ihnen? Dann grüßen Sie ihn.
lernt, und kurze Zeit später veröffentlichte Fliegt er hoch – oder nur unter Blumen?
Robert Schumann in der von ihm herausge- Läßt er noch keine Pauken und Drommeten
gebenen »Neuen Zeitschrift für Musik« un- erschallen? Er soll sich immer an die Anfän-
ter dem Titel »Neue Bahnen« einen Artikel, ge der Beeth oven’schen Sinfonien erin-
in dem er Brahms mit prophetischen Worten nern; er soll etwas Ähnliches zu machen
beschrieb: »Er trug, auch im Aeußeren, alle suchen.«
Anzeichen an sich, die uns ankündigen: das
ist ein Berufener. [...] Wenn er seinen Zau-
berstab dahin senken wird, wo ihm die
Mächte der Massen, im Chor und Orchester,
ihre Kräfte leihen, so stehen uns noch wun-
derbarere Blicke in die Geheimnisse der
Geisterwelt bevor.« Den gerade 20-jährigen
Johannes Brahms beflügelten diese Worte
freilich nicht, sondern lähmten seine schöp-
ferischen Kräfte auf symphonischem Gebiet
in den nächsten Jahren ganz erheblich. In
seinem Dankesschreiben vom 16. Novem-
ber 1853 spricht Brahms die zweischneidige
Wirkung von Schumanns Hymne an: »Das
öffentliche Lob, das Sie mir spendeten, wird
die Erwartung des Publikums auf meine
Leistungen so außerordentlich gespannt
haben, dass ich nicht weiß, wie ich densel-
ben einigermaßen gerecht werden kann.«
»RIESE BEETHOVEN«
Wilhelm Nowak: Das Arbeitszimmer des Komponisten am Wiener Karlsplatz, mit der alles
beherrschenden Beethoven-Büste von Franz Klein über dem Flügel (1904)
Bruch-Stücke und dergleichen geworden. lung auf den Freudenhymnus der 9. Sym-
Ich nenne sie die ›Zehnte‹ nicht, als ob sie phonie im Hauptthema das Finalsatzes. Da-
nach der ›Neunten‹ zu rangieren wäre; ich mit geriet Brahms nun ins Kreuzfeuer zweier
würde sie eher zwischen die ›Zweite‹ und rivalisierender Lager: Zwar hatte er mit sei-
die ›Eroica‹ stellen.« ner 1. Symphonie ein Meisterwerk geschrie-
ben, das von einflussreichen Kritikern wie
In der Tat erinnern zahlreiche Eigenschaften Eduard Hanslick als Pfand für den Fortbe-
von Brahms’ 1. Symphonie an Beethoven stand der »Absoluten Musik« gehandelt wur-
und nicht zuletzt an dessen 9. Symphonie: de; die sogenannte »Neudeutsche Schule«
Die dramaturgische Entwicklung »Per aspe- hingegen sah im Musikdrama Richard Wag-
ra ad astra« (Durch Nacht zum Licht), die ners die konsequente Fortsetzung von
Einbeziehung einer pastoralen Alphornwei- Beeth ovens 9. Symphonie und wollte sich
se und eines religiösen Blechbläserchorals, diesen Trumpf durch Brahms’ »Klassizis-
vor allem aber die unverkennbare Anspie- mus« nicht aus der Hand nehmen lassen.
Entscheidend aber war die 1. Symphonie für sehnsuchtsvoll verklingenden Pochens der
Brahms’ ganz persönliche künstlerische Pauke endet der Satz.
Entwicklung, denn mit ihr hatte er die sym-
phonische Hürde endlich genommen und Clara Schumann, der Brahms einen ersten
sich des angewachsenen Erwartungsdrucks Entwurf zur Ansicht vorgelegt hatte, schrieb
mit Bravour entledigt. am 1. Juli 1862 an den gemeinsamen Freund
Joseph Joachim, der »kühne Anfang« des
»DAS IST NUN WOHL Satzes sei »nun wohl etwas stark, aber ich
ETWAS STARK« habe mich sehr schnell daran gewöhnt. Der
Satz ist voll wunderbarer Schönheiten, mit
Der 1. Satz beginnt mit einer nachträglich einer Meisterschaft die Motive behandelt,
hinzukomponierten langsamen Einleitung in wie sie ihm ja so mehr und mehr eigen wird.
c-Moll. Das hochdramatische »Un poco sos- Alles ist so interessant ineinander verwo-
tenuto«, das wesentliche Elemente des Sat- ben, dabei so schwungvoll wie ein erster
zes bereits vorwegnimmt, legt den kühnen Erguß; man genießt so recht in vollen Zü-
Anspruch des Werks von Beginn an fest: Der gen, ohne an die Arbeit erinnert zu werden.
unbeirrbar pochende Achtelpuls der Pauke Der Uebergang aus dem 2ten Theil wieder
und der Kontrabässe und das chromatisch in den Ersten ist ihm wieder mal herrlich ge-
aufsteigende Motiv über der fallenden lungen.«
Basslinie reißen ein spannungsreiches
Panorama letzter Fragen auf und manifes-
ZITAT
tieren musikalisch den Willen zur großen
Form. »Allegro« setzt dann das erste Thema »Dieser enorm lange Entstehungspro-
des Sonatenhauptsatzes mit der auftrump- zess der ersten Symphonie hat sicher
fenden Gebärde eines aufsteigend gebro- mit Brahms' Mentalität zu tun gehabt.
chenen Dreiklangs in c-Moll ein, dessen Er muss als Musiker, als Künstler sehr
energischer Impetus sich zu leidenschaftli- genau gewesen sein, er muss mit
cher Erregung steigert. Nach einer allmähli- einer fast ›gotischen Genauigkeit‹ ge-
chen Beruhigung breitet das zweite Thema, arbeitet haben. Ich denke daran, dass
ganz auf kammermusikalische Besetzung die Statuen in gotischen Kirchen auch
reduziert, ein eher pastorales Ambiente aus: an Stellen bis ins letzte Detail ausgear-
Die Oboe intoniert eine flehende Melodie, beitet sind, die man hundertprozentig
die von chromatisch absteigenden Elemen- sicher nicht sehen kann. Ein Barock-
ten geprägt ist und in der Folge von Klari- künstler würde das nie machen, der
nette und Horn übernommen wird. Nach der nagelt da ein paar Holzleisten hin. Ich
energisch voranstürmenden Durchführung, sehe eine Ähnlichkeit zwischen dieser
in deren Mittelpunkt vor allem die Verarbei- gotischen Perfektion und der Arbeits-
tung einzelner kurzer Motive steht, und ei- einstellung von Brahms. Diese Akribie,
ner wenig veränderten Reprise wartet die diese Skrupel – ›ist das wirklich das,
Coda noch einmal mit einer hochexpressi- was ich wollte?‹ – empfinde ich immer
ven Steigerung auf, die von einer lyrischen als das Norddeutsche an ihm.«
Streicher-Episode im Pizzicato abgefangen
Nikolaus Harnoncourt
wird. Mit der Wiederaufnahme der langsa-
über Johannes Brahms
men Einleitung und insbesondere des nun
»Also blies das Alphorn heut«: Das triumphale Hornthema des letzten Satzes, im Sommer 1868 in der
Schweiz notiert und Clara Schumann zum 49. Geburtstag dediziert
bereiten dann – immer noch in der Einlei- chungen nach der Uraufführung als »Freu-
tung! – den Eintritt der berühmten Alphorn- den«-Thema betitelt wurde. In Theodor Bill-
weise vor: »Hoch auf’m Berg, tief im Tal, roths an Brahms gerichteten Zeilen vom
grüß’ ich dich viel tausendmal!« Bereits am 10. Dezember 1876 heißt es diesbezüglich:
12. September 1868, acht Jahre vor Voll »Den letzten Satz habe ich am vollkommens-
endung der Komposition, hatte Brahms mit ten bewältigt; er erscheint mir von herrlichs-
diesem Notengruß Clara Schumann posta- ter, großartigster Vollendung und hat mich
lisch aus der Schweiz zum 49. Geburtstag oft an die architektonische Behandlung des
gratuliert, und möglicherweise reifte damals ›Triumphliedes‹ erinnert; das Hauptmotiv er-
schon die Idee, ihn in den Finalsatz seiner scheint wie ein weihevoller Hymnus, erha-
Symphonie mit einzubeziehen. Nach dem ben, über allem wie verklärt liegend.« Eine
Wechsel der Melodie von den Hörnern zur gedrängte, kaleidoskopartige Durchführung,
Flöte, der gleichzeitig die dramaturgische die immer wieder mit episodischen Anklän-
Wende des Satzes von c-Moll nach C-Dur gen an die Alphornweise aufwartet, schließt
markiert, schließt sich ein feierlicher drei- sich an, bis das »Freuden«-Thema in einer
stimmiger Posaunenchoral an, der in der grandiosen C-Dur-Reprise wiederkehrt, die
Folge mit dem Liedthema kombiniert wird. allerdings weitere Entwicklungen nach sich
zieht: Blechbläser-Einwürfe begleiten die
Erst nach dieser für eine Einleitung extrem nun folgende dramatische Steigerung, als
dichten Themenfolge setzt nun das »Allegro deren strahlender Höhepunkt die Alphorn-
non troppo, ma con brio« ein, und mit ihm weise als Hymnus über erhabenen Pauken-
das eigentliche Hauptthema, das aufgrund schlägen erklingt, bevor der Bläserchoral
seines hymnischen Charakters und der un- der Einleitung – nun im Glanz des vollen Or-
überhörbaren Anklänge an Beethovens »Ode chesters – die Symphonie beendet.
an die Freude« aus dem Finalsatz seiner
9. Symphonie schon in den ersten Bespre- Regina Back
Thomas
Hengelbrock
DIRIGENT
Die Künstler
19
Alexandre
Kantorow
KLAVIER
Die Künstler
20
JOHANNES BRAHMS
»Schicksalslied« op. 54
MAX REGER
»Requiem« für Alt, Chor und Orchester
op. 144/b
PETER I. TSCHAIKOWSKY
Symphonie Nr. 5 e-Moll op. 64
° Konzerteinführung
weitere Infos unter www.spielfeld-klassik.de
Vorschau
21
° Konzerteinführung
weitere Infos unter www.spielfeld-klassik.de
Vorschau
22
Die Münchner
Philharmoniker
EHRENDIRIGENT ZUBIN MEHTA
Das Orchester
23
KONTRABÄSSE HÖRNER
Sławomir Grenda, Solo Matias Piñeira, Solo
Fora Baltacıgil, Solo Bertrand Chatenet, Solo
Alexander Preuß, stv. Solo Ulrich Haider, stv. Solo
Stepan Kratochvil Maria Teiwes, stv. Solo
Shengni Guo Alois Schlemer
Emilio Yepes Martinez Hubert Pilstl
Ulrich von Neumann-Cosel Mia Schwarzfischer
Umur Kocan Christina Hambach
Alexander Weiskopf
Michael Neumann TROMPETEN
Clara Heilborn°° Guido Segers, Solo
Alexandre Baty, Solo
FLÖTEN Bernhard Peschl, stv. Solo
Michael Martin Kofler, Solo Florian Klingler
Herman van Kogelenberg, Solo Markus Rainer
Martin Belič, stv. Solo Andreas Buschau°°
Bianca Fiorito
Gabriele Krötz, Piccoloflöte POSAUNEN
Dany Bonvin, Solo
OBOEN Jonathon Ramsay, Solo
Marie-Luise Modersohn, Solo Matthias Fischer, stv. Solo
Andrey Godik, Solo Quirin Willert
Bernhard Berwanger Benjamin Appel, Bassposaune
Lisa Outred
Kai Rapsch, Englischhorn TUBA
Gülin Atakli°° Ricardo Carvalhoso
KLARINETTEN PAUKEN
Alexandra Gruber, Solo Stefan Gagelmann, Solo
László Kuti, Solo Guido Rückel, Solo
Annette Maucher, stv. Solo
SCHLAGZEUG
Matthias Ambrosius
Sebastian Förschl, 1. Schlagzeuger
Albert Osterhammer, Bassklarinette
Jörg Hannabach
Stephan Mayrhuber°°
Michael Leopold
FAGOTTE HARFE
Raffaele Giannotti, Solo
Teresa Zimmermann, Solo
Romain Lucas, Solo
Johannes Hofbauer ORCHESTERVORSTAND
Jörg Urbach, Kontrafagott Alexandra Gruber
Nicolò Biemmi°° Matthias Ambrosius
Konstantin Sellheim
INTENDANT
Paul Müller
° Zeitvertrag, °° Orchesterakademie
Das Orchester
24
ZUM TITELMOTIV
Impressum
Aus dem Archiv
des Orchesters
Alle Alben
überall digital
und im Handel
erhältlich!
mphil.de/label
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