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Lehrveranstaltung

Nervensystem

Anatomie und Physiologie


Dozentin: Anett Schubert
Anatomie und Physiologie

Agenda:
1. Aufbau und Aufgaben des Nervensystems
2. Funktion und Aufbau der Nervenzelle
3. Grundlagen der Erregungsleitung
4. Gehirn
5. Limbisches System
6. Hirnhäute und Hirnventrikel (Liquor)
7. Zerebrale Blutversorgung und Blut-Hirn-Schranke
8. Rückenmark
9. Nervengeflechte und Hirnnerven
10. Reflexe

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Anatomie und Physiologie

1. Aufbau und Aufgaben des Nervensystems

Anatomisch, funktionell und Informationsfluss

Anatomisch:

- Zentrales Nervensystem (ZNS): Gehirn und Rückenmark

- Peripheres Nervensystem (PNS): Hirnnerven, Spinalnerven, Nervenplexus, periphere


Nerven, Ganglien, Anteile des vegetativen Nervensystems

Funktionell:

- Somatisches (animalisches) Nervensystem: willkürliche Steuerung (Skelettmuskulatur)

- Vegetatives (autonomes) Nervensystem: unwillkürliche Steuerung (Vitalfunktionen)


- Sympathikus, Parasympathikus und enterisches Nervensystem
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Anatomie und Physiologie

1. Aufbau und Aufgaben des Nervensystems

Anatomisch, funktionell und Informationsfluss

Funktionell:

- Sympathikus: „Flucht und Kampf“ mit Transmittersubstanz: (Nor)adrenalin


- Zellkörper der Neurone liegen in Seitenhörnern der Rückenmarkssegmente C8-L3 (Th1-L4)
und Axone ziehen zu paarigen Grenzstrangganglien für Umschaltung auf Spinalnerv

- Parasympathikus: „Essen und Entspannen“ mit Transmittersubstanz: Acetylcholin


- Zellkörper der Neurone liegen im Hirnstamm und in Seitenhörnern der
Rückenmarkssegmente S2-S4
- Hirnnerven mit parasympathischen Anteilen verlassen Hirnstamm:
III. + VII. + IX. + X. Hirnnerv

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Anatomie und Physiologie

1. Aufbau und Aufgaben des Nervensystems

Anatomisch, funktionell und Informationsfluss

Funktionell:
Sympathikus Parasympathikus
Herz Positiv chronotrop Negativ chronotrop
Positiv dromotrop Negativ dromotrop
Positiv inotrop
Positiv bathmotrop
Blutgefäße Vasodilatation: Vasodilatation:
Arterien des Herzens v.a. im Genitalbereich
und Willkürmuskulatur
Vasokonstriktion:
Arterien der Haut und
in der Peripherie

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Anatomie und Physiologie

1. Aufbau und Aufgaben des Nervensystems

Anatomisch, funktionell und Informationsfluss

Funktionell:
Sympathikus Parasympathikus
Bronchien Bronchodilatation Bronchokonstriktion
Pupille Mydriasis Miosis
Gastrointestinaltrakt Verminderte Drüsen- Gesteigerte Drüsen-
sekretion und sekretion und
Peristaltik Peristaltik
Schweißdrüsen Gesteigerte Schweiß- Verminderte
sekretion Schweißsekretion
Tränendrüsen Verminderte Tränen- Gesteigerte Tränen-
sekretion sekretion
Penis Ejakulation Erektion
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Anatomie und Physiologie

1. Aufbau und Aufgaben des Nervensystems

Anatomisch, funktionell und Informationsfluss

Funktionell:

- Enterisches Nervensystem: „Darmwandnervensystem“

- Plexus myentericus (Auerbach-Plexus)

- Plexus submucosus (Meissner-Plexus)

- Subseröser Plexus

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Anatomie und Physiologie

1. Aufbau und Aufgaben des Nervensystems

Anatomisch, funktionell und Informationsfluss

Informationsfluss:

- Efferente Neurone: Impulse/Erregungen vom ZNS zur Peripherie


- Somatische Efferenzen: zur (quergestreiften) Skelettmuskulatur

- Vegetative Efferenzen: zur glatten Muskulatur innerer Organe, Herz und Hormon bildende Organe

- Afferente Neurone: Impulse/Erregungen von der Peripherie zum ZNS


- Somatische Afferenzen: von Sinnesorganen sowie Haut- und Tiefensensibilität

- Vegetative Afferenzen: von Druck-, Chemo-, Dehnungs-, Schmerzrezeptoren innerer Organe

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Anatomie und Physiologie

2. Funktion und Aufbau der Nervenzelle

Funktion der Nervenzelle:

- Fähigkeit zur Erregungsbildung, -leitung und -verarbeitung sowie Reizbeantwortung

Aufbau der Nervenzelle:

- 1 Zellkörper mit Zellkern, Soma bzw. Perikaryon und Axonhügel

- 1 oder mehrere Dendriten (Afferenzen: Empfang von Nervenimpulsen)

- 1 Axon (Neurit bzw. Nervenfaser) mit eventueller Ausbildung von Kollateralen (Weiterleitung von
Nervenimpulsen über Synapse an nachgeschaltete Neurone oder ein Erfolgsorgan)

- Axone mit einfacher Hüllstruktur (marklose bzw. nicht myelinisierte Nervenfasern) und Axone mit
größeren Durchmesser von Myelinscheide umhüllt (markhaltige bzw. myelinisierte Nervenfasern)

- Myelinscheide markhaltiger Nervenfasern ermöglicht schnellere Weiterleitung der Nervenimpulse


(saltatorische Erregungsausbreitung)

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Anatomie und Physiologie

2. Funktion und Aufbau der Nervenzelle

Funktion der Synapse:

- Umschaltstelle für Erregungsübertragung von einer Nervenzelle auf eine andere


oder auf das Erfolgsorgan, z.B. Muskelzelle

- Erregungsübertragung erfolgt v. a. biochemisch mittels Neurotransmitter, die aus


dem präsynaptischen Endknopf in den synaptischen Spalt ausgeschüttet werden
und an postsynaptischen Rezeptor der Membran der Folgezelle binden und
Ionenfluss bewirken

- Beispiele stimulierender Neurotransmitter: Acetylcholin, (Nor)adrenalin und Dopamin

- Beispiel inhibierender Neurotransmitter: Glycin

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Anatomie und Physiologie

3. Grundlagen der Erregungsleitung

Ruhe- und Aktionspotential:


- Zellkommunikation durch Übertragung von elektrochemischen Signalen
- Dazu Transport geladener Teilchen, sog. Ionen, deren Verteilung in Zellen genau
kontrolliert wird, notwendig
- Zellinnere negativ geladen im Vergleich zum Extrazellulärraum (bei Nervenzellen
ca.−80/90 mV), Kaliumionen dafür ausschlaggebend, die die Zellmembran im Ruhezu-
stand relativ leicht passieren und im Zellinneren eine höhere Konzentration gegenüber
Extrazellulärraum haben
- Durch Verteilung von Ladungsträgern entlang der Zellmembran stellt sich eine
Potentialdifferenz ein, das sog. Ruhepotential (RP) = Gleichgewichtspotential
- Wenn ein Reiz das Neuron erreicht, wird am Axonhügel ein sog. Aktionspotential,
schnell vorübergehende elektrische Erregung in der Zellmembran ausgelöst
- Aktionspotentiale (AP) aktivieren die Öffnung von normalerweise inaktiven
Natriumkanälen

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Anatomie und Physiologie

3. Grundlagen der Erregungsleitung

Ruhe- und Aktionspotential:


- Wird RP auf ca. -70 mV (Schwellenpotential) erhöht, Öffnen der Natriumkanäle
schlagartig und Verteilung nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip
- Hohe Konzentrationsdifferenz von Natriumionen, Einstrom von positiven Teilchen
in das Zellinnere, Potential ändert sich kurzfristig von etwa -90 mV auf +20 mV =
Depolarisation
- Anschließend werden Natriumkanäle wieder inaktiv
- Repolarisation folgt, dabei strömen positiv geladene Kaliumionen mittels zeitlich
verzögert öffnender Kaliumkanäle aus der Zelle aus und Zelle ist refraktär = keine
Bildung eines neuen AP
- Repolarisation folgt bei manchen Zellarten eine kleine Hyperpolarisation, bevor
das RP von etwa -80/90 mV wieder erreicht ist

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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Quelle: Marc Dietrich, http://www.shotshop.com (letzter Aufruf: 01.06.2018)

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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Großhirn (Telenzephalon):

- Größte Gehirnabschnitt gliedert sich in 2 symmetrische Hemisphären links und


rechts durch tiefe Fissura longitudinalis cerebri getrennt

- Linke Hemisphäre: u.a. logisches und analytisches Denken sowie Hören, Sprechen,
Schreiben und Lesen

- Rechte Hemisphäre: u.a. gefühlsmäßiges und konkretes Denken sowie Sehen,


Fühlen, Deuten und Verstehen

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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Großhirn (Telenzephalon):

- Oberflächenvergrößerung erfolgt durch Furchen (Sulci) und Windungen (Gyri)

- Anhand dieser Furchen und Windungen unterteilt sich Großhirn in:

- Stirnlappen (Lobus frontalis)

- Scheitellappen (Lobus parietalis)

- Schläfenlappen (Lobus temporalis)

- Hinterhauptslappen (Lobus occipitalis)


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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Großhirn (Telenzephalon):

- Stirnlappen (Lobus frontalis):

- u.a. mit vorderer Zentralwindung (Gyrus präcentralis)


- (1. Motoneuron, dessen Axone als Pyramidenbahn zum Rückenmark gelangen und ein
direkter Übergang zum 2. Motoneuron besteht > Informationsfluss: Efferenzen)

- Primär motorische Region steuert bewusste Bewegungen über Muskulatur

- Motorisches Broca-Sprachzentrum im Gyrus frontalis inferior: Sprechvermögen


mit Koordination von Bewegungen des Mundes und Kehlkopfes beim Sprechen
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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Großhirn (Telenzephalon):

- Scheitellappen (Lobus parietalis):


- u.a. mit hinterer Zentralwindung (Gyrus postcentralis)
- Informationsfluss: Afferenzen

- Primär sensorische Region vermittelt bewusste Empfindungen z.B. Vibrations-,


Schmerz- und Temperaturempfinden und Berührungsempfindlichkeit
- Teile des sensorischen Wernicke-Sprachzentrums: Sprachverständnis und
Wortbedeutung
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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Großhirn (Telenzephalon):

- Schläfenlappen (Lobus temporalis):


- Hörzentrum
- Hauptanteil des sensorischen Wernicke-Sprachzentrums als auditorisches
Assoziationsgebiet im Gyrus temporalis superior: Sprachverständnis und
Wortbedeutung

- Hinterhauptslappen (Lobus occipitalis)


- Sehzentrum

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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Großhirn (Telenzephalon):

- Nervenfasertypen:

- Kommisurenfasern: Verbindung beider Hemisphären (z.B. Balken)

- Projektionsfasern: Verbindung Großhirn mit anderen ZNS-Abschnitten (z.B.


Pyramidenbahn)

- Assoziationsfasern: Verbindung innerhalb einer Hemisphäre

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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Großhirn (Telenzephalon):

- Innerer Aufbau:

- Großhirnrinde (Cortex cerebri) besteht vor allem aus den Nervenzellkörpern


(graue Substanz)

- Innere Markschicht enthält die Nervenfasern bzw. Axone (weiße Substanz)

- Teile vom extrapyramidalmotorischen System(EPMS) mit Basalganglien


für willkürliche Bewegungen

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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Zwischenhirn (Dienzephalon):

- Zwischen Großhirnhemisphären unterhalb des Balkens und umgibt 3. Ventrikel

- Einteilung in folgende Strukturen:

- Thalamus

- Hypothalamus-/Hypophysensystem

- Epithalamus u.a. mit Epiphyse

- weitere Teile vom EPMS sowie vom limbischen System


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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Zwischenhirn (Dienzephalon):

- Thalamus: „Tor zum Bewusstsein“

- viele Kerngebiete, die Verbindungen zum Großhirnkortex haben

- Motorischer Thalamus: Umschaltstation zwischen Anteilen EPMS und motorischen


Großhirnkortex

- Sensibler Thalamus: Umschaltung bewusster Wahrnehmung der Hautsensibilität


sowie der Seh- und Hörbahn (außer Riechbahn)

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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Zwischenhirn (Dienzephalon):

- Hypothalamus-/Hypophysensystem:
- oberstes Steuerzentrum für alle vegetativen und endokrinen Funktionen
- Beispiele: u.a. Atmung, Kreislauf, Wasserhaushalt, Körpertemperatur, Sexualität

- Epithalamus u.a. mit Epiphyse:


- Schaltstelle für olfaktorische Impulse und zirkadianen Rhythmus
- Zirbeldrüse für Steuerung vom Tag-Nacht-Rhythmus und Produktion vom Hormon
Melatonin
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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Hirnstamm (Truncus cerebri):

- Einteilung in folgende Strukturen:

- Mittelhirn (Mesenzephalon)

- Brücke (Pons)

- Verlängertes Mark (Medulla oblongata)

- Formatio reticularis: Komplex miteinander verbundener diffuser Kerngebiete als


retikuläres System vom verlängerten Mark durch ganzen Hirnstamm bis Zwischenhirn
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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Hirnstamm (Truncus cerebri):

- Mittelhirn (Mesenzephalon):
- Vierhügelplatte mit Reflexzentrum (Korneal-, Pupillen- und Stapediusreflex)
- Wichtige Bahnsysteme und Kerngebiete u.a. Kerngebiete des III. und IV. Hirnnervs
und Substantia nigra (Produktion von Dopamin) als Teil des EPMS

- Brücke (Pons):
- Bahnen vom Großhirn zum Rückenmark und Kleinhirn und Kerngebiete der
Hirnnerven: V. + VI. + VII.

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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Hirnstamm (Truncus cerebri):

- Verlängertes Mark (Medulla oblongata):

- Kontrollzentrum für Atmung und Blutkreislauf sowie sog. Brechzentrum

- Reflexzentrum: Husten-, Schluck-, Nies- und Saugreflex

- Regulation des Säure-Basen-Haushaltes

- Pyramidenbahnkreuzung

- Kerngebiete der Hirnnerven: VIII. + IX. + X. + XI. + XII.


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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Kleinhirn (Cerebellum):

- anatomische Einteilung in 2 Kleinhirnhemisphären und Kleinhirnwurm

- Innere gliedert sich in Kleinhirnrinde und Kleinhirnmark mit Kleinhirnkernen

- 3 entwicklungsgeschichtliche Abschnitte:
- Urkleinhirn (Archicerebellum): Regulation des Gleichgewichts

- Altkleinhirn (Palaeocerebellum): Regulation des Muskeltonus

- Neukleinhirn (Neocerebellum): Koordination willkürlicher Muskelaktivität


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Anatomie und Physiologie

4. Gehirn

Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm (Mittelhirn, Brücke, verlängertes Mark) und


Kleinhirn

Kleinhirn (Cerebellum):

- Afferente Verbindungen:
- Pyramidenbahn und Extrapyramidalsystem-Bahnen
- Gleichgewichtsbahn, vom Innenohr kommend
- Optische Informationen

- Efferente Verbindungen:
- Motoneuronen des Rückenmarks und motorische Großhirnareale
- EPS-Neuronengruppen

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Anatomie und Physiologie

5. Limbisches System

Anteile des Großhirns, Zwischenhirns und Mittelhirns

Limbisches System:

- Steuerung von Emotionen und Lernvorgängen, Zentrum für Gedächtnisbildung


und Regulation vegetativer Funktionen

- Kortikale Bestandteile: Hippocampus, Gyrus cinguli, Gyrus parahippocampalis

- Kerne vom Großhirn: Corpus amygdaloideum, Nucleus accumbens, Septumkerne

- Kerne vom Zwischenhirn: Corpus mamillare, Nuclei habenulares

- Kerne vom Mittelhirn: Nuclei interpeduncularis

- Faserverbindungen: Cingulum, Fornix cerebri


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Anatomie und Physiologie

6. Hirnhäute und Hirnventrikel (Liquor)

Hirnhäute/Bindegewebsschichten umhüllen gesamtes ZNS

Hirn- bzw. Rückenmarkhäute (Meningen):

- Dura mater (harte Hirnhaut) mit 2 Durablättern und venösen Blutleiter (Sinus)

- Arachnoidea (Spinngewebshaut) mit Arachnoidealzotten für Liquorabgabe in den Sinus

- Pia mater (weiche Hirnhaut) liegt direkt ZNS-Oberfläche auf

- Zwischenräume:
- Epiduralraum u.a. mit A. meningea media
- Subduralraum u.a. mit Brückenvenen
- Subarchnoidalraum mit Liquor cerebrospinalis gefüllt, u.a. viele Hirnarterien/-venen
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Anatomie und Physiologie

6. Hirnhäute und Hirnventrikel (Liquor)

4 Hirnventrikel mit Liquor gefüllte Hohlräume im Inneren des Gehirns

Innerer und äußerer Liquorraum:

- Innerer Liquorraum:

- 2 Seitenventrikel in Hemisphären des Großhirns


- Anteile: Cornu frontale, Pars centralis, Cornu occipitale, Cornu temporale

- 3. Ventrikel bzw. Mittelventrikel im Zwischenhirnbereich – Liquorabfluss über


Aquädukt (Verbindungskanal zum 4. Ventrikel)

- 4. Ventrikel zwischen Hirnstamm und Kleinhirn – Übergang zum Zentralkanal des


Rückenmarks

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Anatomie und Physiologie

6. Hirnhäute und Hirnventrikel (Liquor)

4 Hirnventrikel mit Liquor gefüllte Hohlräume im Inneren des Gehirns

Innerer und äußerer Liquorraum:

- Innerer Liquorraum:

- Produktionsort von Liquor: in Adergeflechten (Plexus chorioidei) aller 4 Ventrikel


- vorrangig im Pars centralis und Cornu temporale

- Äußerer Liquorraum:

- Subarachnoidalraum – Liquorrückresorption in venöses System über Arachnoideal-


zotten

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Anatomie und Physiologie

6. Hirnhäute und Hirnventrikel (Liquor)

4 Hirnventrikel mit Liquor gefüllte Hohlräume im Inneren des Gehirns

Innerer und äußerer Liquorraum:

- Liquor:

- Schutz des ZNS vor mechanischen Schäden

- Reduzierung des Gehirngewichtes um ca. 90 % (Prinzip des Archimedes)

- diagnostische Hilfe (Lumbalpunktion unterhalb von L1/L2)

- Gesamtmenge: ca. 150 ml

- Zusammensetzung: klare Flüssigkeit v.a. mit Wasser, Elektrolyte und Glukose

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Anatomie und Physiologie

7. Zerebrale Blutversorgung und Blut-Hirn-Schranke

Arterieller Zufluss und venöser Abfluss

Arterieller Zufluss:
- A. basilaris (aus Aa. vertebrales) und Aa. carotes internae (dextra et sinistra) – Circulus
arteriosus Willisii: A. communicans anterior, A. cerebri anterior, A. cerebri media,
A. communicans posterior und A. cerebri posterior

Venöser Abfluss:
- Intrazerebrale Venen – große intrakranielle venöse Blutleiter/Sinus (z.B. Sinus
cavernosus, Sinus sigmoideus etc.) – Vv. jugulares (dextra et sinistra) – V. cava superior

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Anatomie und Physiologie

7. Zerebrale Blutversorgung und Blut-Hirn-Schranke

Blut-Hirn-Schranke

Biologische Bedeutung:
- selektiv durchlässige Barriere zwischen Blut und Hirnsubstanz
- Diffusionsbarriere bilden Endothelien der Kapillaren im ZNS und Astrozyten
dienen als geschlossene Hülle um Blutgefäße
- spezifische Kontrolle des Stoffaustausches mit dem ZNS und Schutz des Nerven-
gewebes vor schädlichen Substanzen und Erregern
- Kohlenhydrate und Eiweiße nur mithilfe spezieller Transportmechanismen
- Fettlösliche Stoffe passieren Blut-Hirn-Schranke fast ungehindert

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Anatomie und Physiologie

8. Rückenmark

Lage/Aufbau und Bahnen

Lage/Aufbau:
- Rückenmark verläuft vom Hinterhauptsloch bis zum 1.-2. Lendenwirbel im
Spinalkanal
- Spinalnerven (31 segmentale Nervenpaare aus dem Rückenmark) treten über
Zwischenwirbellöcher aus:
- 8 zervikale (C1-C8),
- 12 thorakale (Th1-Th12),
- 5 lumbale (L1-L5),
- 5 sakrale (S1-S5) und
- 1-2 coccygeale (Co1-Co2)
- unteren lumbalen und sakralen Spinalnerven verlaufen als sog. Cauda equina
(„Pferdeschwanz“) frei im Spinalkanal
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Anatomie und Physiologie

8. Rückenmark

Lage/Aufbau und Bahnen

Lage/Aufbau:
- Innen: schmetterlingsförmige graue Substanz mit Nervenzellkörper
- Vorderhörner (Motorik für Skelettmuskulatur)
- Hinterhörner (Sensorik für Sinneswahrnehmung)
- Thorakale und lumbale Seiten- bzw. Zwischenhörner (Motorik für Sympathikus)

- Außen: weiße Substanz mit Axonen


- Vorderstrang (bzw. Vorderseitenstrang),
- Hinterstrang und
- Seitenstrang mit auf- und absteigenden Nervenfaserbahnen

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Anatomie und Physiologie

8. Rückenmark

Lage/Aufbau und Bahnen

Bahnen:

- Efferente (absteigende) motorische Bahnen:

- Pyramidenbahn = von Großhirnrinde/Gyros präcentralis zu Vorderhörnern für


Willkürmotorik, Pyramidenbahnkreuzung in der Medulla oblongata

- EPS-Bahnen = vom Hirnstamm/Basalganglien zu Vorderhörnern für


unwillkürliche Motorik

- Kleinhirnbahnen = kreuzen im Hirnstamm und ziehen zu Vorderhörnern für


unterbewusste Feinabstimmung der Willkürmotorik

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Anatomie und Physiologie

8. Rückenmark

Lage/Aufbau und Bahnen

Bahnen:

- Afferente (aufsteigende) sensorische Bahnen:

- Vorderseitenstrangbahnen = afferente Bahnen über Thalamus zum Gyros


postcentralis für Druck-, Schmerz- und Temperaturempfinden

- Hinterstrangbahnen = afferente Bahnen über Thalamus zum Gyros


postcentralis für bewusste Tiefensensibilität

- Kleinhirnseitenstrangbahnen = afferente Bahnen zum Kleinhirn für


unbewusste Tiefensensibilität

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Anatomie und Physiologie

9. Nervengeflechte und Hirnnerven

Hals-, Arm-, Lenden-, Kreuzbein und Schamgeflecht und wichtige Nerven

Nervengeflechte:

- Halsgeflecht (Plexus cervicalis, C1-C4) N. phrenicus

- Armgeflecht (Plexus brachialis, C5-Th1) N. radialis, N. ulnaris, N. medianus und


N. musculocutaneus

- Lendengeflecht (Plexus lumbalis, Th12-L4) N. femoralis

- Kreuzbeingeflecht (Plexus sacralis, L4-S3) N. ischiadicus, N. peronaeus communis und


N. tibialis

- Schamgeflecht (Plexus pudendus, S3-S5) N. pudendus

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Anatomie und Physiologie

9. Nervengeflechte und Hirnnerven

12 Hirnnervenpaare

Hirnnerven:

- I. N. olfactorius (Riechnerv)

- II. N. opticus (Sehnerv) Pupillenreflex (afferenter Schenkel)

- III. N. oculomotorius (Augenbewegungsnerv, Miosis) Pupillenreflex (efferenter Schenkel)

- IV. trochlearis (Augenrollnerv)

- V. N. trigeminus (Drillingsnerv) Kornealreflex (afferenter Schenkel) und Masseterreflex (N. V3)


- 3 Hauptäste des V. Hirnnervs: N. ophthalmicus (V1), N. maxillaris (V2) und N. mandibularis (V3)

- VI. N. abducens (Augenabziehnerv)

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Anatomie und Physiologie

9. Nervengeflechte und Hirnnerven

12 Hirnnervenpaare

Hirnnerven:

- VII. N. facialis (Gesichtsnerv) Kornealreflex (efferenter Schenkel)

- VIII. N. vestibulocochlearis (Hör- und Gleichgewichtsnerv)

- IX. N. glossopharyngeus (Zungen- und Rachennerv) Würgereflex

- X. N. vagus (Eingweidenerv) Würgereflex

- XI. N. accessorius (Beinerv)

- XII. N. hypoglossus (Unterzungennerv)

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Anatomie und Physiologie

9. Nervengeflechte und Hirnnerven

12 Hirnnervenpaare

Hirnnerven:

- Eselsbrücken:

- Merksatz zur Erinnerung der 12 Hirnnerven:

„Onkel Otto operiert tag täglich, aber feiertags vertritt er gerne viele alte Hebammen.“

- 128 = 1.+2.+8. Hirnnerv (sensorische Anteile)

- 1975 = 5.+7.+9.+10. Hirnnerv (motorische und sensorische Anteile)

- 1973 = 3.+7.+9.+10. Hirnnerv (parasympathische Anteile)

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Anatomie und Physiologie

10. Reflexe

Eigen-, Fremd- und pathologische Reflexe

Eigenreflexe:

- Muskeleigen- bzw. Muskeldehnungsreflexe sind unermüdbar

- Rezeptor (Reizort) = Effektor (Erfolgsorgan)

- Monosynaptischer Reflexbogen

- Wichtige Eigenreflexe:
- Masseterreflex (N. trigeminus V3)
- Radiusperiostreflex (C5-C6)
- Bizepssehnenreflex (C5-C6)
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Anatomie und Physiologie

10. Reflexe

Eigen-, Fremd- und pathologische Reflexe

Eigenreflexe:

- Wichtige Eigenreflexe:

- Trizepssehnenreflex (C6-C7)

- Patellarsehnenreflex (L3-L4)

- Achillessehnenreflex (L5-S2)

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Anatomie und Physiologie

10. Reflexe

Eigen-, Fremd- und pathologische Reflexe

Fremdreflexe:

- Fremdreflexe sind ermüdbar

- Rezeptor (Reizort: z.B. Haut) nicht = Effektor (Erfolgsorgan: z.B. Muskulatur)

- Polysynaptischer Reflexbogen

- Wichtige Fremdreflexe:

- Pupillenreflex (afferent: N. opticus und efferent: N. oculomotorius)

- Kornealreflex (afferent: N. trigeminus und efferent: N. facialis)

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Anatomie und Physiologie

10. Reflexe

Eigen-, Fremd- und pathologische Reflexe

Fremdreflexe:

- Wichtige Fremdreflexe:

- Würgereflex (N. glossopharyngeus und N. vagus)

- Bauchhautreflex (Th8-Th12)

- Kremasterreflex (L1-L2)

- Analreflex (S3-S5)

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Anatomie und Physiologie

10. Reflexe

Eigen-, Fremd- und pathologische Reflexe

Pathologische Reflexe:

- Fremdreflexe, die physiologisch (ausgenommen Säuglinge) fehlen und


Vorkommen bei Pyramidenbahnschädigungen:

- Wichtige pathologische Reflexe:

- Babinski-Reflex

- Oppenheim-Reflex

- Gordon-Reflex

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Anatomie und Physiologie

Literaturverzeichnis
Bierbach, Elvira (Hrsg.) (2019): Naturheilpraxis heute Lehrbuch und Atlas, 6. Auflage, München: Urban & Fischer
(Elsevier).
Faller, Adolf; Schünke, Michael (2012): Der Körper des Menschen Einführung in Bau und Funktion, 16. Auflage,
Stuttgart: Thieme.
Hildebrand, Hartmut; Kühn, Stephanie (2015): Lehrbuch für Heilpraktiker Innere Medizin, 15. Auflage, Sersheim:
Kreativität & Wissen.
Hildebrand, Hartmut (2015): Lehrbuch für Heilpraktiker Nebenfächer, 14. Auflage, Sersheim:
Kreativität & Wissen.
Pschyrembel, Willibald et al. (2002): Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, Berlin: De Gruyter.

HP Anett Schubert Modul Nervensystem 49

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