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in Bewegung
Perspektiven aus Wissenschaft,
Wirtschaft und Praxis
2 In Bewegung
A
AUTOSUOT
(w~v
Bildungsräume zwischen Inszenierung
und Aneignung
Raumeffekte
Vgl. zu entsprechenden Bestimmungen der Jüngeren Raumsoziologie Bourdieu (1991 und 1997a) und löw (2001). löw
gibt einen breiten Überblick über die raumsoziologische Literatur. Einen instruktiven Einblick in die Literatur zur
Raumsoziologie in Bezug auf Bildungsarchitekturen bieten auch Willems/Eichholz (2008).
Der Ansatz, der in dem vorliegenden Beitrag verfolgt wird , unterscheidet sich deshalb von einer symbolischen Deco-
dierung (wie etwa bei Dreyer 1997) insofern, als ich nicht davon ausgehe, dass Räumen ein zu dechiffrierender Sinn
unterliegt, den es nur noch zu entschlüsseln gilt. Vielmehr hat man es in der Raumanaly se mit sozialen Sinnformen
zu tun, die vor allem praktis.:::h vollzogen werden und weniger kognitiv bzw. propo~itional verfasst sind. VgL hierzu
Y
auch Bourdieus Überlegungen zum "praktis.:::hen Sinn ("sens pratique", Bourdieu 199701).
Der Begriff "Bildungsarchitekturen" ist keineswegs ein festste hender Terminus. Unter dem englischen Label "educati.
onal facililies" werden denn auch nicht unbed ingt Museen verstanden, sondern Bibliotheken, Schulen und Universitä·
ten (vgl. Mostaedi 2001). Die in Wolfsburg ausgerichtete Konferenz, aus deren Anlass der vorliegende Beitrag ent-
stand, vertritt dagegen ei nen weiteren Begriff, der Museen und Seiencecenter mit ei nschließt und an den sich die
folgenden Ausführungen entspre<:hend anschließen ,
4 Der Begriff des "Wohnens" ist hier nur als Kon trastbegriff verständlich und nicht wörtlich zu nehmen. Bildungsarchi-
tekturen, die tatsächlich bewohnt werden, sind allein Internate. Schulen dagegen betritt man natürlich nur zu be·
stimmten Zeiten, sie bleiben immer auch öffentliche Gebäude, die dem Zweck des Lernens dienen (vgt. Wittems /Eic h.
holz 2008, S. 95) .
Zur Problematik der derzeit vorherrschenden Politik, vor allem presligeträchtige Neubauten als gelungene Bildungsar-
chitekturen zu favorisieren und hierbei Schulen vor allem als ökonomischen Standortfaktor zu betrachten, vg!. Berg!
Rieger·Ladich (2009) .
6 Der Atrnosphärenbegrifflst In jüngerer Zeit häufiger ins Zentrum von Architektur-, Stadt· und Lernraumbetrachtungen
gerückt worden (vgl. Hauskeller 1995; Schmitz 1998; Dütlmann 2000: Thibaud 2003 u. Böhme 2(06).
Vgl. zu den entscheidenden hermeneutischen Überlegungen Gadamer (1990), der den Vollzugscharakter der Anschau-
ung hervorhebt. Zur produktiven Deutungsleistung der Rezipien ten vgl. auch Eco (1977j.
8 Ein solches nicht essenzialistisches Raumverständnis, für das der Vollzugscharakter von Räumen zentral ist, be·
schreibt auch der französische Architekturtheoretiker Jean-Paul Thibaud: "Wir nehmen also mit anderen Worten eine
Atmosphäre nicht wahr, sondern wir nehmen gemäß einer Atmosphäre wahr." (Thibaud 2003, S.293)
9 Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Bourdieu (1997a. S.97 ff.) in dem KapItel "Strukturen , Hilbitusformen, Prilkti-
ken~, in welchem er eine den SOZIalen und leiblichen Praktiken immanente Vernunft herausarbeitet. Zum Begriff der
Einleibung vgL Schmitz (1965. S. 341-349).
Die aktive Seite der Raumwahrnehmung hat zur Folge, dass im praktischen Vollzug
Decodierung und Neucodierung ineinander vervvoben sind. Und dies auch deswe-
gen, weil bestimmte Anmutungsqualitäten nicht von jedem in gleichem Maße emp·
funden und gedeutet werden. Raumeffekte sind - wie in einer soziologischen Per·
spektive vor allem Bourdieu (1991 u. 1997b) überzeugend dargelegt hat - abhängig
von sozialen und kulturellen Voraussetzungen. Ein Museum oder eine Schule kann
für den einen ein Ort der Selbstentfaltung sein, für den anderen ein Ort der Beschä-
mung. Was dem Habitus einer Gruppe zu entsprechen scheint, kann einer anderen
widerstreben oder sie befremden (vgl. van den Berg/Rieger-Ladich 2009). Raumer-
fahrung ist daher immer auch gebunden an eine Position innerhalb eines sozialen
Feldes.
10 Zu den Anfängen des Museums als einer systematisch organisierten Bildungseinrichtung vgl. das Traktat "Inscriptioo
nes vel Tituli Theatri Ampl issimi " von Daniel Quiccheberg (Roth 2000). In dieser aus dem 16. Jahrhundert stammen·
den Museumslehre werden nicht nur inhaltliche Ordnungs raster vorgeschlagen. sondern auch idealtypische Möbl ie·
rungen (ebd. , 5.155), Beschriftungen (ebd., 5.161) und Ordnungen {ebd., S.153} .
11 Eine Rekonstruktion der Sammlung und ihrer Geschichte findet Sich in LoSardo (2001).
12 Die Abbildung entstammt dem Frontispiece des von Giorgio de Sepibus 1678 herausgegebenen Sammlungskatalogs.
Das Museum existiert heute nicht mehr und wurde 1915 aufgelöst.
13 Auch Quiccheberg, der seit 1559 mit der Ordnung der Kunstkammer Albrechts V. in München betraut war, schreIbt:
"Es ist angemessen, wenn Bürger für diese Sammlung begabte Menschen zur Verfügung haben, die sie in verschiede-
ne Gegenden schicken. um wunderbare Dinge zu suchen . ~ (Quiccheberg in Roth 2000, S. 93)
Was vor diesem Hintergrund als robuster Kern einer genuin musealen Nutzungs-
praxis angesehen werden kann und sich bis heute durchhält, ist das Zeigen und die
Lenkung des Bücks. Während in früheren Jahrhunderten hierfür eigens "uneigentli-
che" Artefakte wie Sockel, Zierleisten und Bilderrahmen entwickelt wurden - Appa-
raturen also, die nicht auf sich selbst verweisen, sondern auf die "eigentlich" auszu-
stellenden Dinge -, sind es heute zumeist Treppenanlagen, weite Entrees und
großflächige weiße Wände, durch die dieser Rhetorik des Zeigens Rechnung getra-
gen wird; oder es ist - wie jüngere Museumsbauten von Bilbao und London bis Ve-
nedig und New York verdeutlichen - ganz schlicht Raumgröße.
Wenn sich auch die ästhetischen und konzeptionellen Strategien des musealen Zei-
gens wesentlich gewandelt haben, bis dahin, dass die Idee des Museums totgesagt
wurde, bleibt doch die Rhetorik des Zeigens ebenso wie die Idee der Aktivierung der
Wahrnehmung genuiner Bestandteil des musealen Selbstverständnisses. Dies gilt
selbst noch fü r jene experimentellen Orte, die sich dem Diskurs verschrieben haben
und mit Künstlergesprächen, Symposien, Filmscreenings und Medienlounges wer-
ben - wie etwa das New Museum ofContemporary Art in New York. Es soll insofern
zwar nicht unterschlagen werden, dass gegenwärtig mehr denn je widerstreitende
Museumskonzepte verfolgt und realisiert werden,'4 dass nebeneinander auratische
Tempel (wie etwa das kürzlich eröffnete Punta della Dogana von Tadao Ando in Ve-
nedig) , Unterhaltungsarenen und experimentelle, partizipative Projekte existieren,
die sich als Orte des "Object-based Research" verstehen." Gleichwohl hat sich jenes
für einen ethnografischen Blick durchaus merkwürdige Verhaltensmuster der
schweigenden Betrachtung, den Peter Sioterdijk als spezifisch "bürgerliche WeItan-
eignung" charakterisiert hat (Sloterdijk 2007), bei all diesen Varianten sehr stabil er-
halten. Das Merkwürdige an der musealen Betrachtung bleibt dabei, dass ausgestell-
te Objekte einerseits die Urteilskraft und die selbstbestimmte Aneignung und
Erfahrung herausfordern, andererseits aber Museen Orte sind, die dazu gemacht
sind, Dinge einem handelnden Zugriff zu entziehen. Bei aller heute viel beschwore-
nen Interaktivität wird man mit einem ausgestellten Automobil kaum eine Probe-
fahrt machen können. Die Dinge werden im Museum gewissermaßen auf Distanz
gehalten; allerdings gerade, um sich ihnen beobachtend oder schauend zu nähern,
wie Adorno (1987, S.182) es einmal beschrieb. Das Herausgehobene, Stillgestellte
und oft auch als au toritär Empfundene der musealen Atmosphäre - hier spricht
14 Vgl. hierzu die neueren Museumsstudien etwa von McCellan (2008) und Carbonell (2007).
15 Cu no 2006, S. 52. Vgl. hierzu etwa die frühen Sammlungen wie das Museum Wormianum oder die jüngsten Ausfüh-
rungen in Sharmacharja (2009). Es ist zu vermuten, dass Museen aufihre Zugehörigkei t zu einer"globalen Privilegien-
und Elitekultur" (Draxler 2008. 5.161) nicht ohne Weiteres verzichten können, weil das Pres tige der Kulturinstitution
Mu seum nicht unbeteiligt daran ist, ihm seine notwendige Autonomie einzuräumen, die wiederum Voraussetzung da·
fCir Isl, dass das Museum auch ein Ort sein kann, an dem etwas behauptet und ausprobiert werden kann. Zu macht-
kritischen Überlegungen zum Museum vgl. auch Berg (2008).
Was der Urahne der Didaktik hier mit wenigen Sätzen umschreibt, lässt zwar an die
Idylle einer Dorfschule denken und scheint zunächst wenig mit der heutigen Reali-
tät zu tun zu haben, doch in der Kontrastierung zu den beschriebenen musealen
Nutzungsmustern markieren diese Anforderungen erhebliche Differenzen zwischen
Schulhäusern und Museen. Die für Schulen typischen Behavior-Settings und rituali-
sierten Interaktionsordnungen - wie man dies in der Terminologie der Raum sozio-
logie der 1960er-Jahre nannte - wurden denn auch bereits verschiedentlich beschrie-
ben (vgl. Willems/Eichholz 2009). Dabei werden meist zwei Aspekte besonders
hervorgehoben: einerseits die disziplinierenden Raum- und Zeitregime und anderer-
seits die besondere Bedeutung des Klassenzimmers. Beides klingt auch bereits bei
16 "Das Museum ist für mich der Ort, wo neue Zusammenhänge ausprobiert und Fragiles. da vom Einzelnen geschaf.
fen . bewahrt und vermittelt werden kann ~, schrieb der bekannteste AussteUungsmacher der Nachkriegszeit, Harald
Szeemann (Szeemann 1981, S. 20) .
17 Vgl. hierzu die Au sführungen zu Malagu zzis Reggio-Pädagogik von Knauf (200S) .
92 K AREN VA N DEN BE RG
dem Zustand der Schulräume und der Leistung der Schüler (ebd. , S.359) belegen.
Hier zeigt sich zunächst, dass offenbar nicht nur die Investition in durchdachte Ge-
bäude entscheidend ist, sondern auch die bemühte Community.
Auf diese Strategie setzten sehr früh bereits die Waldorfschulen mit ihrer spezifi-
schen Einbindung der Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und
Schüler in die Planung und Pflege des Gebäudes sowie dessen wechselnder Ausge-
staltung. Dabei geht es in der Waldorfpädagogik zudem ganz gezielt darum, Schulen
zu kommunikativen Zentren der Community zu machen und damit einen hohen
Bindungsgrad zu erzeugen (vgl. Upitis 2004). Bemerkenswert für die hier angestell-
ten Überlegungen ist auch, dass die relative Offenheit von Schulgebäuden gegen-
über unterschiedlichen Aneignungsformen im Rahmen vieler reform pädagogischer
Schulformen als Erfolgsrezept gilt. Doch anders als die Waldorfschulen, in denen
viel Wert auf ein ganz bestimmtes ästhetisches Regime gelegt wird, unternehmen
gerade jene reformpädagogischen Modellversuche, die in der räumlichen Organisa-
tion des Unterrichts Neues probieren, dies nicht selten in Häusern , die kaum als
Exempel für herausragende oder gar innovative Baukunst gehandelt werden." Statt-
dessen finden sich Projekte wie etwa die Bodensee-Schule in Friedrichshafen oder
die Laborschule in Bielefeld in Gebäuden, die eher der ungeliebten 1970er-Jahre-Fer-
tigbauarchitektur zugerechnet werden können. Von den Verantwortlichen der Labor-
schule wird entsprechend hervorgehoben, dass "die bauliche Gestaltung (... ) ein Mi-
nimum an Vorgaben " enthält." Das für die Bielefelder Schule ve rantwortliche
Planungskoliektiv I (Geist, Göpfert, Maier, Moldenschardt, Spangen berg, Vogt, Wer-
hahn) findet folglich auch kaum prominente Erwähnung. Hervorgehoben werden
dagegen immer wieder die mit dem Begriff der "Lernpolis" belegte flexible Tischord-
nung und die offene kommunikative Atmosphäre.
Ein Gegenbeispiel zur Laborschule sind jene im Architekturdiskurs hoch gehandel-
ten, symbolträchtigen Prestigeprojekte wie etwa die von Zvi Hecker entworfene
Heinz-Galin ski-Schule, die als Grundschule der Jüdischen Gemeinde in Berlin
dient. Hier hadert die Schulleitung mit dem prominenten Gebäude aufgrund der
von ihr an verschiedenen Stellen diagnostizierten Dysfunktionalität.'o Ganz offenbar
steht bei diesem Projekt denn auch die Passung zwischen pädagogischen Zielset-
zungen und gebautem Raum ebenso wenig im Vordergrund wie ein kooperativer
Planungs prozess. Über die ambitionierte Gebäudestruktur und ihre inszenatorische
Finesse ließe sich zwar vieles sagen, zumal hier auf symbolträchtige Weise die Ori-
entierungsleistung in einem komplexen Raumgefuge herausgefordert wird (vgl. van
den BergJRieger-Ladich 2009). Ob dies jedoch als beispielhafte oder unter pädagogi-
schen Aspekten herausragende Umgebung für den Lehrbetrieb einer Grundschule
gelten kann, darf durchaus in Zweifel gezogen werden. Die Klassenzimmer erwei-
18 Vgl. zu einer Gegenüberstellung zwischen der Laborschule Bielefeld und der Waldorfschule Heidenheim Conrads
(1975).
19 Zitiert nach dem Steckbrief der Montag-Stiftung (http://www.montag-stiftungen.comjlaborschule-bielefeld).
20 Vg!. hierzu auch Oe rg/Rieger-ladich (2009). Di ese Aussage basiert auf einem Be such der Schule ulld eillern Ge:.~r iid,
Vielleicht ist auch deshalb über die Wirkung von Raum-Inszenierungseffekten bei
Museumsbesucherinnen und -besuchern nur wenig bekannt. Und anders als bei
Untersuchungen zum Einfluss gebauter Schul um welten treffen empirische Analy-
sen im Museumsumfeld auf große Skepsis. Dies hat womöglich damit zu tun, dass
Museen Erfahrungen, Erlebnisse und Beobachtungsoptionen immer nur anbieten.
Sie bilden nicht für konkrete Ziele aus und sind ihrem Selbstverständnis nach eher
Arenen für Empfindungen und Deutungen. Man könnte sagen: Gerade hierin grün-
det ihre Existenzberechtigung. Anders als bei Schulen sind es die Deutungsoffenheit
und Alterität, die hier entscheidend zu sein scheinen (vgl. Belting 2001, S.89-91).
Der soziale Aspekt des Museums besteht geradezu in seiner unscharfen Adressie-
rung als Bildungsinstitution und seiner vergleichsweise schwachen gesellschaftli-
chen Legitimierung. Die ambivalente Position des Museums bedeutet, dass ihm ei-
nerseits kaum einmal eine unverzichtbare gesellschaftliche Funktion zugesprochen
wurde, es mithin nicht zur Grundausstattung zivilisatorisch notwendiger Bildungs-
institutionen zählt, es andererseits aber gerade deshalb einen hohen gesellschaftli-
chen Status beansprucht. Diesen Status bezieht das Museum nicht zuletzt aus der in
seinem institutionellen Skript akzentuierten Idee von Freiwilligkeit und Subjektivi-
tät. Die Vorstellung, dass es Besucherinnen und Besuchern selbst überlassen bleibt,
ob und wann sie es aufsuchen und welchen Exponaten sie ihre Aufmerksamkeit
schenken, gehört zu den Grundfesten dieser Institution und verweist auf die tiefe
Verankerung des Museums im Konzept der Erziehung zur Selbstbestimmung. Ge-
rade hierin wirkt das Museum paradoxerweise di sziplinierend. Der museale Modus
der selbstbestimmten Betrachtung bedeutet, wie es Peter Sloterdijk (2007, S. 357) be-
schreibt, unter anderem, sich in einem festgelegten kulturellen Rahmen befremden
zu lassen. Insofern ist der museale Wahrnehmungsmodus höchst voraussetzungs-
reich und unterstellt zumeist jenes aus sich selbst urteilsfahige Subjekt, das hier zu-
gleich erst gebildet we rden soll.
In einer bis dato noch nicht abgeschlossenen, von meinem Kollegen Martin Tröndle
initiierten Untersuchung, an der ich als Mitglied des Forscherteams beteiligt bin,
wird einer ähnlichen Frage m ithilfe von biothermischen Sensoren nachgegangen.
Im SI. Galler Kunstmuseum wurden die Besucher einer Ausstellung Teil eines frei-
willigen Experiments:" Sie erhielten einen Handschuh mit Sensoren, die emotiona-
le Erregung und kognitive Aktivität beim Gang durch die Ausstellung aufzeichneten;
zudem wurden das Tempo und der Weg durch die Ausstellung festgehalten. Was
sich dabei zeigte, waren vollkommen individuelle Choreografien. Auch wurde getes-
tet, inwieweit sich der Gang durch die Ausstellung durch Modifikationen der Insze-
nierung veränderte. Das Verblüffende dabei war, dass die Wege der Besucher und
das Bild ihrer Erfahrungspeaks derart unterschiedlich waren, dass es nun zur He-
rausforderung wird, in der noch anstehenden Auswertung Signifikante Übereinstim-
mungen auszumachen. Die einzelnen Gänge korrelieren zunächst scheinbar kaum
miteinander, kein "idealer" Gang durch die Ausstellung zeichnete sich bislang ab.
Insofern tritt hier zunächst offensichtlich die produktive, individuelle Seite der
Wahrnehmung zutage.
Gleichwohl bleibt es ein Desiderat, näher zu untersuchen, auf welche Weise Behavi-
or-Settings, Nutzungspraktiken und gebaute Umgebungen in Bildungskontexten ge-
nau zusammenhängen; bei Schulbauten scheint der kollektive und soziale Aspekt
dabei jedoch zunächst entscheidender als bei Museen. Ein Vergleich von verschiede-
nen Bauten desselben Architektenteams könnte hier vermutlich weiteren Aufschluss
geben, um den jeweil igen Einfluss von einzelnen Aneignungsmustern genauer zu
verstehen. Entsprechende Forschungen sind deshalb derzeit in Planung.
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