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© F. Enke Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 4, Juni 1988, S.

249-263

Politische Kleinbürgerlichkeit
Ein empirischer Beitrag zur Analyse politischen Bewußtseins in der
Bundesrepublik Deutschland
Sabine Kudera
Universität der Bundeswehr, Institut für Soziologie und Gesellschaftspolitik, Fakultät für Pädagogik, Werner-
Heisenberg-Weg 39, D-8014 Neubiberg

Z u s a m m e n f a s s u n g : Bei der exemplarischen Untersuchung von Berufsgruppen der unteren Mittelschicht (140
Personen aus 2 Kohorten) erwies sich der Begriff der Kleinbürgerlichkeit als unentbehrlich zur Charakterisierung der
politischen Orientierungen eines relevanten Teils der Befragten. Sichtbar wurde ein Typus politischen Denkens, der
weder dem von Angestellten, noch dem von Industriearbeitern entspricht, aber deutliche Verwandtschaft mit
traditionell kleinbürgerlichen Orientierungen mit moralisierenden, konformitätsorientierten Zügen aufweist. Aller­
dings sind auch Unterschiede zu dem als typisch kleinbürgerlich geltenden faschistoiden Denken der Weimarer Zeit
offenkundig. Angesichts der historischen Diskreditierung autoritärer Deutungsmuster ist kleinbürgerliches politisches
Denken gegenwärtig offensichtlich eher auf subpolitischer Ebene, als kulturell definierte Abgrenzung gegenüber
abweichenden gesellschaftlichen Gruppen zu identifizieren, was auf Entideologisierungs-, nicht aber Nivellierungsten­
denzen verweist. Die Untersuchung belegt allerdings auch die Heterogenität der politischen Orientierungen in der
Befragtengnippe. So finden sich neben kleinbürgerlichen auch andere Typen politischer Orientierungen. Die
gesellschaftliche Bedeutung traditionell kleinbürgerlichen Denkens, dieses retardierenden gesellschaftlichen Ele­
ments, darf dennoch nicht unterschätzt werden. Vermutlich ist es in anderen Bereichen, z. B. kleinstädtisch-ländlichen
Regionen, stärker verbreitet als in dieser großstädtischen, beruflich gut integrierten Befragtengruppe; und es kann
angesichts künftig evtl, zunehmender Abschließung sozialer Schichten keineswegs als historisch obsolet angesehen
werden.

Obwohl „Kleinbürgertum“ und „Kleinbürgerlich­ 1. Argumente für eine Wiederbelebung der


keit“ in der deutschen Nachkriegssoziologie nicht Kategorie „Kleinbürgertum“
hoffähige Begriffe sind, soll hier gezeigt werden,
daß mit ihnen ein alltagsweltlich und soziologisch In der Soziologie wie auch in der Geschichtswis­
durchaus relevantes Phänomen erfaßt werden senschaft erfreuen sich die unteren Mittelschich­
kann. Ziel dieses Aufsatzes ist die Beschreibung ten, denen das Kleinbürgertum zuzurechnen ist,
eines in der deutschen Soziologie bisher kaum im allgemeinen freundlicher Nichtachtung. Weder
beachteten, aber vermutlich gesellschaftlich sehr sind sie - wie die höheren Schichten- politisch oder
bedeutsamen Orientierungstypus’, auf den ich bei kulturell einflußreich, noch initiieren sie soziale
der Untersuchung von Berufsgruppen der unteren Veränderungen „von unten“, wie u. U. die Arbei­
Mittelschicht gestoßen bin. Die folgenden Darle­ terschaft oder gesellschaftliche Protestgruppen.
gungen stehen in der Tradition arbeitssoziologi­ Sie repräsentieren vielmehr im Regelfall das be­
scher Untersuchungen zum Bewußtsein von Be- harrende Element einer Gesellschaft, sind also das
rufsgruppen. Diese Forschungstradition hatte ihr gerade Gegenteil der die Aufmerksamkeit von So­
Augenmerk bisher vorrangig auf die Kerngruppen ziologen anziehenden „sozialen Bewegungen“.
von Industriearbeitern und Angestellten gerichtet Dennoch ist die untere Mittelschicht gesellschaft­
und die in der sozialen Hierarchie dazwischen lie­ lich wohl keineswegs irrelevant. Sie ist nicht nur
genden Gruppen - den breiten Bauch der „Schich­ quantitativ bedeutsam; sie ist es auch funktional:
tungszwiebel“ - als in der Erscheinung profillos Selbst wenn sie sich in ihren gesellschaftlichen
und gesellschaftstheoretisch wenig interessant aus­ Funktionen auf Beharrung und Resistenz gegen
geblendet. In diesem Sinn spricht Goldthorpe soziale Veränderungen beschränkte, bestimmte sie
(1978) von einer „dass of low classness“ und von allein dadurch schon die gesellschaftliche Entwick­
einer „declining normative coherence“ der ver­ lung mit. In dem Maße, wie sie sich als Mitläufer
schiedenen Mittelschichtgruppen. Hier soll nun sozialer Bewegungen betätigte, verlieh erst sie die­
versucht werden, diese Leerstelle ansatzweise auf­ sen Bewegungen Breitenwirkung. Die untere Mit­
zufüllen und damit zugleich einen Beitrag zur telschicht ist also der Betrachtung wert.
neueren kultursoziologisch gerichteten Ungleich­ Trotz unbezweifelbar abnehmender normativer
heitsforschung zu leisten. Kohärenz wird hier angenommen, daß es in der
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bundesrepublikanischen Mittelschicht nach wie Die Differenzierung zwischen den beiden Bedeu­
vor durchaus (wenn auch schwerer als früher) so­ tungsebenen - „objektive“ soziale Lage vs. „sub­
ziologisch identifizierbare Wert- und Orientie­ jektives“ Bewußtsein und Verhalten - ist deshalb
rungsmuster gibt, unter denen das kleinbürgerliche so wichtig2, weil ein enges Entsprechungsverhält­
allerdings nur eines unter anderen ist. Die Thesen nis zwischen sozialer Lage und Bewußtsein eben
der kulturellen Nivellierung (Schelsky 1965) oder nicht unterstellt werden kann, zumindest dann
der Individualisierung von Lebenslagen und Be­ nicht, wenn die soziale Lage statisch, d. h. unter
wußtsein (Beck 1983) erscheinen solange als vor­ Vernachlässigung der diachronen, lebensge­
schnell, wie nicht ausgeschlossen werden kann, schichtlichen Dimension und der historischen Ein­
daß die Unfähigkeit, kulturell homogene soziale bettung definiert wird.
Gruppen auszumachen, auch dem ungeeigneten Als Bewußtseinskategorie hat das Adjektiv „klein­
theoretischen und empirischen Instrumentarium bürgerlich“ eindeutig abwertenden Charakter. Ich
der Schichtungssoziologie zuzuschreiben ist. Ich nehme aber an, daß gerade diese Tatsache den
will hier zu zeigen versuchen, daß mit dem auch als Begriff für die soziologische Verwendung nicht
lebensweltliche Typisierung bedeutsamen Begriff disqualifiziert, sondern ihn geradezu aufdrängt;
der „Kleinbürgerlichkeit“ eine solche kulturell re­ denn sie verweist darauf, daß hier alltagsweltlich
lativ homogene Gruppe gerade in einem soziolo­ bedeutsame Typisierungen existieren, die nicht erst
gisch besonders „undurchsichtigen“ Bereich sozia­ von Soziologen konstruiert, sondern lediglich re­
ler Schichtung identifiziert werden kann. konstruiert werden müssen3. Der alltagsweltliche
Der Begriff „Kleinbürgertum“ ist mit dem Vor­ und literarische Typus der „Kleinbürgerlichkeit“
dringen der amerikanischen Schichtungssoziologie gibt das Negativ-Klischee von dem Selbstbild kon­
im Deutschland der Nachkriegszeit schlagartig ver­ trären, unerwünschten Eigenschaften ab und hat
schwunden (vgl. Jung 1982) und seitdem als sozio­ so eine zentrale Funktion in der Konstruktion der
logische Kategorie nicht mehr gebräuchlich. Er hat (positiv bewerteten) sozialen Identität für die
allerdings durchaus eine soziologische Geschichte an das Kleinbürgertum schichtmäßig angrenzen­
(vgl. z. B. Geiger; Marx; Weber) und wird auch den sozialen Gruppen4*. „Der Kleinbürger, das ist
gegenwärtig noch in der sozialhistorischen For­ (also) immer der Andere“ (Enzensberger 1976: 4).
schung und in der Soziologie anderer Länder ver­ Erstaunlicherweise gibt es aber, wie noch belegt
wendet. Das Adjektiv „kleinbürgerlich“ wird da­ werden soll, offensichtlich trotzdem Gruppen, die
bei in zwei Bedeutungen verwendet: einmal als auf die unschönen kleinbürgerlichen Eigenschaf­
Kategorie zur Bezeichnung einer sozialen Lage, ten nun ihrerseits eine - natürlich positive - soziale
zum anderen als Mentalitätskategorie. Zum Klein­ Selbstdefinition gründen. Das bedeutet, daß
bürgertum im sozialstrukturellen Sinn werden Per­ „Kleinbürgerlichkeit“ als spezifische Mentalität
sonen in mittlerer sozialer Lage gerechnet, die wohl keine Chimäre ist. Trifft dies tatsächlich zu?
weder dem Bürgertum noch der Arbeiterschaft Und wenn ja, was wird gegenwärtig darunter ver­
angehören1. „Kleinbürgerlich“ ist allerdings gera­ standen?
de in der alltagssprachlichen (und auch der literari­
schen) Verwendung weniger eine sozialstrukturel­
le als vielmehr eine Bewußtseins-, Verhaltens- und
Mentalitätskategorie; und nur auf diese Bedeutung
kommt es im folgenden an. 2 Zur Verdeutlichung daher die etwas künstliche Wort­
schöpfung „Kleinbürgerlichkeit“ als Bewußtseinskate­
gorie vs. „Kleinbürgertum“ als Lagekategorie.

1 Das ist zum einen das „alte“ Kleinbürgertum der klei­ 3 In diesem Sinne betont Bourdieu (1982: 530), „. .. was
nen und mittleren Selbständigen in Handwerk und man verlöre, gäbe man im Sinn einer objektivistischen
Handel und auch in der Landwirtschaft (vgl. z. B. Erfassung der Wirklichkeit den Begriff des Kleinbür­
Haupt 1978, 1985; Bechhofer/Elliott 1981, 1985). Ne­ gers auf. Hier wie anderswo konzentrieren die gesell­
ben dieser zahlenmäßig stark geschrumpften Gruppe schaftlichen Begriffe in besonders evokatorischer Wei­
werden heutzutage dazu meist auch die unteren bis se ein Maximum an soziologisch relevanten Merk­
mittleren Beamten und Angestellten als „neues“ Klein­ malen“.
bürgertum gezählt. Das Kleinbürgertum umfaßt nach 4 nach oben: Teile des Bildungsbürgertums und der kul­
den genannten sozialstrukturellen Kriterien damit si­ turellen und politischen Avantgarde; nach unten: (zu­
cher mehr als 30% der bundesrepublikanischen Er­ mindest noch in der Weimarer Republik) die klassen­
werbsbevölkerung (vgl. Bolte/Hradil 1982:219). bewußten Teile der Arbeiterschaft.
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2. „Kleinbürgerlichkeit“ in neueren gertums aber völlig unterschiedlich einschätzen:


soziologischen Untersuchungen Leppert-Fögen, die sich im wesentlichen auf das
alte Kleinbürgertum und den Zeitraum des 19. und
In der Wertwandel-Diskussion, auch wenn in ihr frühen 20. Jahrhunderts beschränkt, vertritt ent­
grobe und für unsere Zwecke wenig geeignete schieden die Marx’sche These vom vorindustriel­
Werttypologien vorherrschen, finden sich Hinwei­ len, vorkapitalistischen Charakter des (alten)
se darauf, daß in der gegenwärtigen bundesrepu­ Kleinbürgertums und seiner „anachronistischen
blikanischen Gesellschaft eine Konfiguration von ökonomischen und gesellschaftlichen Lage im ent­
Werten sehr verbreitet ist5, die große Verwandt­ wickelten Kapitalismus“ (Leppert-Fögen 1974:
schaft mit solchen Werten hat, die üblicherweise 30), die dieses in aussichtslose Marginalität drän­
als kleinbürgerlich bezeichnet werden6. In den ge. Von daher sei die „Faschisierung des Mittel­
letzten Jahren erleben aber solche Analysen eine standes (im 20. Jahrhundert) das zwangsläufige
Renaissance, die sich explizit mit der Kategorie Ergebnis, gewissermaßen nur der Schlußpunkt sei­
„Kleinbürgertum“ in europäischen Gesellschaften nes allgemeinen Überlaufs ins konterrevolutionäre
der Gegenwart auseinandersetzen. Bemerkens­ Lager“ (Leppert-Fögen 1974: 32). Diese Beschrei­
wert ist dabei einerseits die extreme Divergenz bung des politischen Verhaltens erscheint für die
sowohl der verwendeten theoretischen Ansätze Mehrheit des alten Kleinbürgertums und für den
(marxistische vs. verschiedene nicht-marxistische) gemeinten historischen Zeitraum zutreffend7. Für
als auch der Einschätzung der gesellschaftlichen die Gegenwart dürfte dies aber lediglich für einen
Bedeutung des Kleinbürgertums (marginale vs. Teil des (alten und neuen), Kleinbürgertums gel­
dominierende Rolle). In der Beschreibung des ten. Für den anderen Teil, nämlich für die unter
Phänomens besteht andererseits aber eine erstaun­ ökonomisch entlasteten und möglicherweise auch
lich hohe Konvergenz. unter relativ repressionsfreien Bedingungen aufge­
Schon innerhalb der von Marx beeinflußten Dis­ wachsenen Personen, muß dagegen auch ein ande­
kussion, in der das Kleinbürgertum und seine poli­ rer modaler Charaktertypus und dementsprechend
tische Haltung seit jeher Gegenstand einer zwi­ auch die Affinität zu anderen politischen Orientie­
schen revolutionären Hoffnungen und Enttäu­ rungen angenommen und innerhalb eines Erklä­
schung schwankenden Aufmerksamkeit ist, zeigen rungsansatzes konzipiert werden können8. Neue
sich die genannten Divergenzen: Analysen (vgl. z. B. Bechhofer/Elliott 1985) zur
So wird zum einen in einer kulturkritischen Wen­ ökonomischen Situation des (alten) Kleinbürger­
dung das Phänomen einer scheinbar nur noch psy­ tums in verschiedenen europäischen Ländern bele­
chologisch erklärbaren massenhaften Verbreitung gen nämlich die Stabilisierung des quantitativen
kleinbürgerlichen Bewußtseins konstatiert. Dieses Anteils und der ökonomischen Situation der klei­
zwischen „reaktionärer Utopie, Kontemplation nen Selbständigen und widerlegen damit die Mar-
und Innerlichkeit... zerrissene Bewußtsein“ (Kro- ginalisierungsthese marxistischer Autoren.
voza/Oestmann 1976: 41) sei von einer eindeutig Poulantzas (1973a und b; 1975) bietet im Vergleich
identifizierbaren Klassenposition abgelöst (vgl. z. zu Leppert-Fögen eine ganz andere Perspektive:
B. auch Jaeggi 1976) und beherrsche nun „wesent­ Er gesteht dem Kleinbürgertum als ganzem, also
liche Bereiche des gesellschaftlichen Überbaus“ altem und neuem Kleinbürgertum, den Status ei­
(Jaeggi 1976: 29). ner eigenen, zudem keinesfalls marginalen, son­
Anders dagegen Leppert-Fögen (1974) und Pou- dern sehr vitalen Klasse zwischen den beiden kapi­
lantzas (1973a und b; 1975), die das kleinbürgerli­
che Bewußtsein als nach wie vor an die Klassenla­ 7 Vgl. die Befunde zum Wahlverhalten des alten und
ge gebunden halten, das Schicksal des Kleinbür- neuen Kleinbürgertums in der Weimarer Republik
(Falter 1984; vgl. auch Lipset 1983).
8 Leppert-Fögen nimmt jedoch (empirisch unzutreffend)
5 Die kleinbürger-ähnliche Variante ist die quantitativ nur eine einzige Ausprägung der relevanten Bedin­
am stärksten vertretene in den in Fußnote 6 genannten gungsfaktoren (von ökonomischer Marginalität über
Untersuchungen (mit Ausnahme der differenzierten repressive Erziehung, pathologisch-autoritäre Charak­
Pawlowsky-Typologie). terstruktur bis zur Affinität zu faschistischen Ideolo­
6 so der „materialistische“ Typus (Inglehart 1977), der gien) als typisch für alle Angehörigen des (alten) Klein­
„bürgerliche“ Typ (Noelle-Neumann 1978), die bürgertums an. Sie vernachlässigt darüber hinaus völlig
„Pflicht- und Akzeptanzwerte“ (Klages 1984) und das den Einfluß epochen- und milieutypischer Deutungs­
„pflichtethische Wertmuster“ (Pawlowsky 1986). muster auf die Herausbildung politischen Bewußtseins.
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talistischen Hauptklassen zu; und zwar sowohl we­ den Dimensionen des Lebensstils und des Ge­
gen dieser objektiven Zwischenposition als auch schmacks inhaltlich in ähnlicher Weise wie die
wegen der „subjektiven“ ideologischen Gemein­ vorher genannten Autoren (Neigung zur „mittle­
samkeiten der kleinbürgerlichen Gruppen. Diese ren Kultur“ vgl. Bourdieu 1982: 503ff.). Während
bestehen nach Poulantzas in einer (allerdings am­ viele Theoretiker der bundesrepublikanischen Ge­
bivalenten) antikapitalistischen, reformistischen sellschaft seit Schelsky (1965: 332) von einer kultu­
Einstellung, dem Festhalten am „Mythos des Auf­ rellen Nivellierung, in Richtung der Dominanz
stiegs“, einer damit zusammenhängenden indivi­ eines „kleinbürgerlich-mittelständischen“ Lebens­
dualistischen Haltung und dem „Fetischismus der stils ausgehen, sind die kulturellen Klassengrenzen
Macht“ in Gestalt des „Glaubens an den neutra­ in der französischen Gesellschaft, folgt man Bour­
len, über den Klassen stehenden Staat“ und der dieu, eindeutiger geschnitten. Das Kleinbürgertum
Eigenwahmehmung als „neutraler“ Klasse zwi­ repräsentiert demnach zwar eine sehr breite Mitte,
schen Bourgeosie und Proletariat (Poulantzas hat sich aber weder die „Notwendigkeitskultur“
1973b: 157«.; 1975: 246ff.). der unteren Klassen noch die „legitime Kultur“ der
Andere, weniger deutlich oder gar nicht an Marx Herrschenden einverleiben können.
orientierte Autoren richten ihr Augenmerk auch Bourdieu bleibt zwar der einzige, der sich nach­
auf Lebensorientierungen und Lebensstil des drücklich gegen die in der Behandlung des Klein­
Kleinbürgertums. bürgertums regelmäßig mitschwingende „Klassen­
So nennen die „Lebenswelt“-Untersuchungen des verachtung“ stellt. Aber auch er sieht den klein­
Sinus-Instituts, die die wichtigsten bewußtseins- bürgerlichen Habitus und Lebensstil letztlich nur
und verhaltenshomogenen „Milieus“ der bundes­ als defizient gegenüber dem herrschenden bürger­
republikanischen Gesellschaft herausarbeiten9, als lichen an und begreift die Strategien des Kleinbür­
quantitativ bedeutsamstes der beschriebenen acht gertums als vornehmlich auf die Annäherung an
„Milieus“ 101 das „kleinbürgerliche“ mit 26% der den Status der höheren Schichten gerichtet - eine
Bevölkerung. Es sei durch traditionelle Werte (wie von „ethnozentrischer“ Verzerrung keinesfalls
Ordnung, Sparsamkeit, Mäßigung, Ehrfurcht, freie Perspektive. Ich werde dagegen am eigenen
Sauberkeit, rastlosen Fleiß, Zielstrebigkeit, Si­ Material zeigen, daß gesellschaftliche Identität und
cherheit, Rückzug in die „private Idylle“) und die Orientierungen mittlerer sozialer Gruppen sich zu­
Abwehr alles allzu „Neumodischen“ (Sinus o. J.: mindest aus deren eigener Perspektive heraus an­
21f.) charakterisiert (ähnlich auch Jung 1982). ders ausnehmen12*.Was die „herrschenden“ Werte
sind, entscheidet nämlich in gewissem Maß jede
Zweifellos die elaborierteste Beschreibung, allere soziale Gruppe für sich. Deshalb gibt es eben nicht
dings des französischen Kleinbürgertums findet eine einzige „legitime Kultur“ und ein einziges
sich bei Bourdieu (1982). Er charakterisiert dessen identisches System verbindlicher Werte. Die im
gemeinsame, also den unterschiedlichsten Fraktio­ wahrsten Sinne des Wortes „beschränkten“ Res­
nen11 des Kleinbürgertums eigene Merkmale in sourcen der unteren Mittelschicht, ihre Durch-
schnittlichkeit i. S. der Abwesenheit von „hervor­
ragenderen“, „extremeren“ Eigenschaften und
9 und zwar auf rein empirischem Wege durch Kombina­ Merkmalen der höheren (sowie auch der niedrige­
tion objektiver (Schulbildung, Beruf, Einkommen) und
(schwerpunktmäßig!) subjektiver Indikatoren (Alltags­
ren) Schichten kann im eigensinnigen Weltbild
bewußtsein und Wertorientierungen etc.). (Sinus o. J. nämlich durchaus normativ gewendet und zur Ba­
[1985]) Nähere Angaben über das Vorgehen fehlen. sis eines positiven Selbstbildes gemacht werden.
Durchschnittlichkeit, begriffen als Normalität, gilt
10 Nach Sinus (o. J.: 13) sind das (bezogen auf die
Bevölkerung der Bundesrepublik ab 14 Jahren) neben dann keinesfalls als Defizit, sondern als Wert!
dem „kleinbürgerlichen“ das „konservativ-gehobene Alles in allem bleibt der bereits angesprochene
Milieu“ (9%), das „traditionelle Arbeitermilieu“ Sachverhalt einer weitgehend konvergierenden
(9%), das „traditionslose Arbeitermilieu“ (10%), das Beschreibung kleinbürgerlicher Werte und Orien­
„aufstiegsorientierte Milieu“ (23%), das „technokra­ tierungen festzuhalten. Darüber hinaus liegt das
tisch-liberale Milieu“ (10%) und das „alternativ-linke Verständnis von Kleinbürgerlichkeit sehr nahe an
Milieu“ (3%) (Stand: 1985).
11 Bourdieu legt einen extrem umfassenden Begriff von
Kleinbürgertum zugrunde (von den selbständigen 12 vgl. auch Honneth 1984, zur Vernachlässigung der
Händlern und Gewerbetreibenden bis zu den Hoch­ identitätssichemden Bedeutung von Alltagskultur bei
schullehrern). Bourdieu
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dem traditionellen Begriffsgehalt. Das läßt eine Souveränität und Distanz gegenüber Normen und
relative historische Konstanz des Phänomens sel­ Werten manifestiert, kurz das, was aus der Per­
ber vermuten. spektive des Bürgertums als typisch kleinbürgerli­
Das im traditionellen Sinne kleinbürgerliche Wert- che Borniertheit, Enge und Kleinlichkeit (vgl.
und Orientierungsmuster kann als Variante ur­ z. B. Bourdieu 1982: 530) verachtet wird.
sprünglich bürgerlicher Werte angesehen wer­ Im Unterschied zu anderen Autoren, die eine ex­
den13. Diese haben sich ohne Zweifel in unserem pansive Begriffsstrategie verfolgen und in deutlich
Kulturraum historisch durchgesetzt und dominie­ pejorativer Absicht sämtliche Bewußtseinsformen
ren auch noch in der Gegenwart, unbeschadet des mit dem Etikett „kleinbürgerlich“ versehen, die
Aufkommens „postakquisitiver“, „postmateriali­ sich nicht durch proletarisches Klassenbewußtsein
stischer“ Werte bei einem Teil der jüngeren Bevöl­ oder elitär- großbürgerlicher Gesinnung auszeich­
kerung. Das bürgerliche Wertmuster wurde jedoch nen (vgl. z. B. Bourdieu 1982; Enzensberger 1976;
offenkundig in verschiedenen Epochen und von Jaeggi 1976; auch Jung 1982; und Krovoza/Oest-
verschiedenen sozialen Gruppen unterschiedlich mann 1976), gehe ich im folgenden davon aus, daß
akzentuiert, interpretiert und somit selektiv adap­ die Verwendung dieses Begriffs nur dann sinnvoll
tiert. Dadurch entstanden mehr oder weniger stark ist, wenn er restriktiv gefaßt wird und darüber
divergierende Varianten. In der sozial „abgesun­ hinaus eng an den traditionellen Begriffsgehalt an­
kenen“, kleinbürgerlichen Variante wurden die schließt.
emanzipatorischen, aufklärerischen Elemente des Systematisiert man in dieser Absicht die in der
bürgerlichen Wertmusters entsprechend den Le­ Literatur übereinstimmend genannten Merkmale
bensbedingungen dieser Gruppe abgeschwächt; von Kleinbürgerlichkeit, so lassen sich als Kernele­
die konformistischen, den älteren zünftischen mente idealtypisierend (und um interkulturelle
Werten ähnelnden Elemente behielten größeres Unterschiede bereinigt14) die folgenden identifi­
Gewicht (vgl. Münch 1984). Tugenden und Ver­ zieren 15:
haltensnormen, die vom klassischen Bürger als
Mittel zu einem „höheren“ Zweck begriffen wur­ a) Gesellschaftsbild und gesellschaftliche
den („Sekundärtugenden“ z. B. zum Zwecke reli­ Selbstverortung
giös motitvierter innerweltlicher Askese), dienten Selbstverortung in der gesellschaftlichen Mitte
im Kleinbürgertum eher banalen Zielen (wie Sta­
tuserhalt oder -Verbesserung), oder wurden gar Keine Identifikation mit unteren Schichten und
zum Selbstzweck, worin sich die für die kleinbür­ deren Interessenvertretung, eher Abgrenzung
gerliche Mentalität charakteristische mangelnde nach unten; keine solidarisch-kollektivistischen
Werte; allenfalls individualistische Werte und For­
men der Interessendurchsetzung; aber auch Be­
wußtsein der Nichtzugehörigkeit zu höheren
13 Diese gehen im deutschen Kulturraum im wesentli­ Schichten.
chen auf zwei historische Quellen zurück: Deren ältere
ist der zünftisch-handwerkliche Verhaltenskodex mit
dem zentralen Wertbegriff der ständischen Ehrbarkeit
(vgl. z. B. Jung 1982: 42ff.). Eine historisch neuere
Wurzel ist die protestantische Ethik und die durch sie 14 Da mein Interesse der möglichst genauen Beschrei­
begründete, auch nach Wegfall der religiösen Grund­ bung eines Orientierungstypus’ der bundesdeutschen
lage fortexistierende normative Zentralität der Berufs­ Gesellschaft gilt, lasse ich die offenkundig nur für das
arbeit und der methodischen Lebensführung (vgl. We­ Kleinbürgertum anderer europäischer Länder zutref­
ber, 1965). Auch die Aufklärung propagiert auf profa­ fenden Eigenschaften außer acht (wie etwa die antika­
ner Grundlage ähnliche Werte der privaten Lebens­ pitalistische Einstellung des französischen (Poulant-
führung (produktive Tätigkeit, individuelle, selbstver­ zas) oder die ausgesprochen pro-liberaldemokratische
antwortete Leistung, Mäßigung, Bescheidenheit, Or­ Einstellung des englischen Kleinbürgertums) (Bech-
dentlichkeit, Genügsamkeit, Freiheit und Gleichheit hofer/Elliott).
als gegen die vom Adel repräsentierten Prinzipien 15 Ich beschränke mich hier und im folgenden auf die
ständischer Beschränkungen und Geburtsvorrechte kognitiv-evaluative Ebene von „Orientierungen“, auf
und seinen durch Müßiggang und Verschwendung ge­ der das in Abschnitt 3 darzustellende eigene Material
kennzeichneten Lebensstil gerichtet; nach Münch angesiedelt ist, lasse deshalb also alle Charakterisie­
1984: 13f.). Sie kann für Deutschland allerdings nur rungen, die auf psychologischen, charakterologischen
mit Einschränkungen (s. u.) als Quelle bügerlicher („Mentalität“) oder Verhaltensdimensionen angesie­
Tugenden angesehen werden. delt sind, außen vor.
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Bejahung des Bestehenden, jedenfalls in „norma­ der Arbeiterschaft ebenso möglich). Sie wird aber
len“ Zeiten durch diese begünstigt.
Gegen grundlegende gesellschaftliche Verände­ Diese idealtypischen Grundzüge kleinbürgerlicher
rungen; allenfalls Kritik an einzelnen Mißständen; Werte und Orientierungen lassen allerdings erheb­
defensiv und eher rückwärts gewandt; Einver­ liche historische und interkulturelle Variationen zu,
ständnis mit bestehenden Autoritäten und Institu­ die sich in einem ersten Zugriff zwischen den Polen
tionen, Hierarchien und Normen. Rigidität und Offenheit16*einordnen lassen. Ent­
sprechende Varianten unterscheiden sich deutlich
Hypostasierung des „Ganzen “gegenüber den Inter­ nicht nur in ihrem Gehalt, sondern auch in ihren
essen von einzelnen oder Gruppen gesellschaftlichen Folgen.
Denken in Kategorien von Funktionserfordemis- Im Deutschland dieses Jahrhunderts ist für die
sen „der Gesellschaft“; antipluralistische Tendenz: Bedeutung des Begriffs „Kleinbürgerlichkeit“ eine
Forderung nach Verzicht auf die Durchsetzung „rigide“ Variante bestimmend, wie sie etwa der
von Einzelinteressen. Wilhelminische Spießer ä la Heinrich Manns „Un­
Politische Haltung eher schwankend und nicht en­ tertan verkörpert. Dieser Typus muß als Produkt
gagiert einer epochentypischen Konstellation autoritärer
Strukturen und Sozialisationspraktiken in allen ge­
b) Werte der privaten Lebensführung sellschaftlichen Bereichen (Familie, Schule, Beruf
und Militär), dem daraus resultierenden modalen
Anständigkeit“ der Lebensführung Sozialcharakter und des entsprechenden gesell­
Zentrale Maxime: Konformität und Unauffällig­ schaftlichen Werte- und Normensystems begriffen
keit. Allgemeine Werte der Mäßigung (nicht prot­ werden. Insofern, als sich diese Konstellation we­
zen, nicht ausschweifen) und der Selbstbeschrän­ nigstens nach dem Ende des Nazi-Regimes deut­
kung (in Ambitionen und Verhalten), auch der lich geändert hat, kann angenommen werden, daß
Sparsamkeit, der Ordnung und der Sauberkeit (im die rigide Variante an Bedeutung verloren hat.
Haushalt und in der persönlichen Erscheinung), Wegen seiner unheilvollen historischen Rolle beim
der Ehrlichkeit und Höflichkeit (im Sinne von: den Aufkommen des Nationalsozialismus steht der ri­
Normen entsprechen). gide Typus in Deutschland für den Kleinbürger
schlechthin und verstellt damit den Blick auf die
Arbeitsamkeit und Familienzentriertheit „harmlosere“, hier als „offen“ bezeichnete Variante
Berufsarbeit als Norm und als zentraler Bestand­ von Kleinbürgerlichkeit, wie sie im historischen
teil einer anständigen Lebensführung; Familie als Typus des biedermeierlichen Kleinbürgers auf­
wichtigster Lebensbereich; keine auf Betätigung in scheint, einer friedlichen, weil mit sich und der
der Öffentlichkeit gerichteten Orientierungen. Welt zufriedenen Kleinbürgerlichkeit (vgl. Stein
1985). Diese „treudeutsche Biederkeit“ könnte als
Sicherheits- und Statusstreben Chiffre für die historisch nicht diskreditierten Wer­
Genau überlegte, maßvolle Entscheidungen als te der Schlichtheit und Bescheidenheit, der Auf­
Basis der Lebensführung (bezüglich beruflicher richtigkeit, Ehrlichkeit und Pflichttreue und der
Entscheidungen, des Konsumverhaltens etc.); behaglichen privaten Idylle und damit für eine
langfristige Kalkulation; Schaffung bleibender ressentiment- und aggressionsfreie Version von
Werte als Ziel: Berechenbarkeit als Fundament Kleinbürgerlichkeit dienen.
der Sicherheit; Streben nach Statuserhalt und so­
zialem Aufstieg (in begrenztem Rahmen).

Das spezifisch „Kleinbürgerliche“ und die die ein­ 16 Mit der Wahl der Kategorien „offen“ und „rigide“
zelnen Merkmale verbindende „innere Logik“ die­ lehne ich mich an das ebenfalls auf die kognitive
ses Idealtypus’ bestehen in einer besonderen Wei­ Ebene zielende Dogmatismus-Konzept von Rokeach
(1960) an, vermeide also den gängigen Rekurs auf das
se der subjektiven Verarbeitung und Deutung der
psychoanalytische Autoritarismus-Konzept, weil es ei­
eigenen mittleren sozialen Lage. Diese Deutung - ner anderen als der hier behandelten Subjektivitätsdi­
das sei nochmals betont - ergibt sich keinesfalls mension angehört. Dabei ist das Prädikat „offen“ na­
zwangsläufig aus dieser sozialen Lage (so wäre türlich relativ zu verstehen, d. h. als nicht-dogmati­
z. B. der Rückgriff auf Kategorien von Klassenge­ sche, nicht-repressive Version derselben kleinbürgerli­
sellschaft und die Identifikation mit den Interessen chen Werte.
Sabiene Kudera: Politische Kleinbürgerlichkeit 255

Analysen von Kleinbürgerlichkeit sollten also auch aufzufinden sind, daß sich aber dennoch auf sub­
die Möglichkeit „offener“ Varianten berücksichti­ politischer Ebene Muster identifizieren lassen, in
gen, was allerdings voraussetzt, daß diese mehr denen die bekannten ( und auch die weniger be­
sind als ein konturenloses, unspezifisches Aller­ kannten) politischen Traditionen des Kleinbürger­
weltsbewußtsein. tums in abgewandelter Form fortleben.
Untersucht wurde eine Gruppe18, die - wenn man
nur nach soziodemographischen Merkmalen urtei­
3. Empirische Varianten politischer len würde - im Schnittpunkt traditionaler und mo­
Orientierungen in der unteren derner Einflüsse zu lokalisieren wäre und insofern
Mittelschicht keine extrem starke Ausprägung von Kleinbürger­
lichkeit erwarten ließe: Zwar ist die Berufsgrup­
Wenn es also offensichtlich plausible Gründe für
penzugehörigkeit sozialstrukturell eindeutig klein­
die Annahme gibt, daß so etwas wie „Kleinbürger­
bürgerlich; demgegenüber läßt aber die regionale
lichkeit“ nach wie vor existiert, so versuche ich nun
Zugehörigkeit (Großstädter) einen geringen, die
im folgenden, auf der Basis einer eigenen qualita­
(mittlere) Altersgruppenzugehörigkeit einen mitt­
tiv orientierten, sehr begrenzten (nicht repräsen­
leren Grad an kleinbürgerlichem Traditionalismus
tativen) Untersuchung17
vermuten. Dieser sehr allgemeinen Vermutung
• spezifische Typen (kleinbürgerlichen und nicht­ entspricht in der Tat der Gesamteindruck von den
kleinbürgerlichen) politischen Denkens (i. S. zu­ politischen Orientierungen dieser Gruppe. Im un­
sammenhängender Orientierungs- und Deutungs­ spezifischen Sinne müßten sie als gemäßigt klein­
muster; vgl. Thomssen 1981) in der nicht manuell bürgerlich bezeichnet werden (vgl. zum folgenden
tätigen unteren Mittelschicht darzustellen (Kap. Kudera/Müller/Riedmüller 1984: 236ff.): Die rela­
3.1), tiv geringe Konturiertheit des politischen Denkens
• zu zeigen, inwieweit die kleinbürgerlichen und Konsistenz zwischen einzelnen Elementen so­
Orientierungsmuster historische Veränderungen wie zwischen politischen Optionen und Parteiprä­
durchgemacht haben und dennoch als kleinbürger­ ferenz19, das Fehlen jeder Art von grundlegender
liche im traditionellen Sinne identifizierbar bleiben Gesellschaftskritik mit politischer Veränderungs­
(Kap. 3.2), perspektive, sei es von der linken oder von der
• und den sozio-biographischen Hintergrund zu rechten Seite des politischen Spektrums, sowie
umreißen, der die Entstehung von Kleinbürger­ auch das offenkundig geringe Partizipations- und
lichkeit begünstigt (Kap. 3.3). Konfliktpotential20 können als Ausdruck typisch
Diese Analyse wird zeigen, daß in der Untersu­ kleinbürgerlicher politischer Unentschiedenheit
chungsgruppe „autochthone“ politische Deutungs­ begriffen werden. Gewisse Verwandtschaften zum
muster (Habertnas et al. 1961) zwar kaum noch gesellschaftlichen und politischen Denken von An-

17 DFG-Projekte „Kohortendifferenzierte Lebensverläu­ 19 Eine besonders hohe Inkonsistenz findet sich in dieser
fe und Arbeits- und Lebensorientierungen“ sowie „Le­ Hinsicht bei dem rechtsautoritären Orientierungsmu­
bensverläufe und Orientierungen im Kleinbürgertum“ ster („Randgruppenkritik“, s. u.): Nur 52% = 24
zur Frage der Typisierung von Lebensverläufen und Personen, gaben an, bei der letzten Bundestagswahl
Orientierungen sowie zur Frage der Erklärbarkeit die­ CDU/CSU, bzw. 1 Person: NPD, gewählt zu haben
ser Orientierungen aus den lebensgeschichtlichen und (23% SPD, 14,5% FDP, 10,4% keine Angabe bzw.
historischen Bedingungen (Vergleich zweier Kohor­ nicht gewählt).
ten). 20 Das hohe Ausmaß gewerkschaftlicher Organisiertheit
einer Teilgruppe (der mittleren Beamten) kann nicht
18 insgesamt 140 vollzeitbeschäftigte Männer; davon als Indikator für betriebs- oder gar gesellschaftspoliti­
1982: 40 mittlere Beamte aus zwei großen Münchner sche Konfliktbereitschaft angesehen werden, weÜ es
Postämtern; 1986: 30 einfache Angestellte (kaufmän­ überwiegend auf Konformitätsgründe oder unmittel­
nischer Bereich aus drei Münchner Großbetrieben), bare individuelle Nutzenerwägungen zurückzuführen
30 kleine Selbständige (aus dem Bereich Handel und ist, was sich aus der völlig anderen Stellung der Ge­
Dienstleistungen; keine bis maximal 9 familienfremde werkschaften und des Personalrats im öffentlichen
Beschäftigte) und 40 gehobene Beamte (Oberpost- Dienst im Vergleich zur Privatwirtschaft erklärt. An­
und Oberfinanzdirektion München je zur Hälfte); aus sonsten ist der Anteil der Mitglieder oder gar der aktiv
jeder Berufsgruppe zu gleichen Teilen Geburtsjahr­ Teilnehmenden in Parteien und Gewerkschaften rela­
gänge 1929-31 und 1939-41. tiv gering.
256 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 4, August 1988, S. 249-263

gestellten (vgl. W. Kudera et al. 1983) sind offen­ gen, daß das politische Denken dieser (nach sozial­
kundig: Neben der weitgehenden Identifikation strukturellen Kriterien durchgängig als kleinbür­
mit der bestehenden politischen Ordnung ist das gerlich zu bezeichnenden) Gruppe nicht homogen
auch das Vorherrschen von gesellschaftlichen Deu­ und auch nicht durchgängig kleinbürgerlich ist. Auf
tungen, in deren Zentrum das harmonische Funk­ der Ebene der Kritik an gesellschaftlichen Erschei­
tionieren eines funktional und hierarchisch geglie­ nungen ließen sich Orientierungsmuster identifi­
derten Ganzen steht. Gesellschaftliche und be­ zieren, die in drei Haupttypen rekonstruiert wur­
triebliche Zusammenhänge werden mehrheitlich den23*: einen „Ungleichheitskritik“ genannten Ty-
aus der Perspektive der Staats- bzw. Betriebsräson
beurteilt und nicht etwa aus der Perspektive von 23 Erhebungsinstrument: Leitfadeninterview mit voll­
antagonistischen Interessen und gesellschaftlicher ständig ausformulierten Fragen; Antwortmöglichkei­
Ungleichheit wie z. B. bei Industriearbeitern. Was ten meist offen, vollständige Fixierung der Interviews
aber weitgehend (insbesondere bei den beiden Be­ per Mitschrift und Tonbandprotokoll; Orientierungs­
amtengruppen, aber auch bei einem Teil der An­ teil vollständig transskribiert; Datenaufbereitung: alle
Antworten codiert und EDV-mäßig aufbereitet.
gestellten21) fehlt, ist die angestelltentypische Per­ Wegen der beschreibenden Absicht und in Anbetracht
spektive von Konkurrenz und gesellschaftlicher der dafür relativ hohen Fallzahl wurde für den typolo-
Differenzierung, d. h. die Sicht von Gesellschaft gisierenden Teil der Auswertung ein systematisches,
als Zusammenhang konkurrierender Individuen quantitativ kontrolliertes interpretatives Verfahren ge­
und die Legitimierung sozialer Ungleichheit unter wählt:
Berufung auf das Leistungsprinzip. Unsere Befrag­ Die Typologie der politischen Orientierungen wurde
ten denken weniger in diesen individualistischen, auf der Basis von drei Fragenkomplexen (zu Ausmaß
sondern eher - wie noch zu zeigen sein wird - in und Inhalt der Kritik an gesellschaftlichen und politi­
moralisierenden Kategorien. schen Zuständen s. u.) konstruiert, die sich für die
Strukturierung der Antworten des Einzelfalles am ge­
Einer der wichtigsten Befunde ist aber das fast eignetsten erwiesen (Kriterium: Häufigkeit/Dominanz
vollständige Fehlen konsistenter und profilierter der Themen in den Äußerungen des Einzelfalles sowie
Denkmuster, die „autochthone“ Gesellschaftsbil­ quantitativ belegbarer Zusammenhang untereinander
der oder bekannte politische Programmatiken re­ und mit den anderen politischen Variablen). Die rest­
präsentieren. Handelt es sich dabei um eine „Indi­ lichen politischen Variablen (Fragen zu Aufstiegs­
vidualisierung“ .des politischen Bewußtseins, um chancen, Einkommensgerechtigkeit, versch. politische
issues, Parteipräferenz, Gesellschaftsbild etc.) wurden
den Zerfall politischer Ideologien zugunsten bloß zur differenzierteren Beschreibung des Einzelfalles
individuell-beliebiger Kombinationen von Mei­ bzw. des Typus herangezogen. (Dabei wurden auch
nungen? die Umrisse von Varianten des jeweiligen Haupttypus
sichtbar). Auf diese Weise wurden drei Haupttypen
3.1 Typen politischer Orientierungen rekonstruiert:
• „Konformität“: Gesellschaft prinzipiell in Ordnung;
Bei näherem Zusehen zeigte sich, daß dem nicht so keine starken Gegensätze und Konflikte; Bürgerein­
ist. Auf einer subpolitischen Ebene wurden Struk­ fluß ausreichend
turen von Deutungsmustem erkennbar22, die zei­ • „Ungleichheitskritik“: Gesellschaft nicht in Ord­
nung, am meisten Sorgen machen sozio-ökonomische
Probleme; starke bis mittelstarke Gegensätze und
21 In Konkurrenzkategorien denken lediglich die Selb­
Konflikte vorhanden, als Ursache dafür sozio-ökono­
ständigen (Näheres zum politischen Denken von An­
mische Ungleichheiten; zuwenig Bürgereinfluß, dabei
gestellten und Selbständigen vgl. Seifert 1987).
zuviel Einfluß von ökonomisch-politischen Macht­
22 Da die Äußerungen der Befragten - wie die Einzelfall­ gruppen.
analysen zeigten - nur in den wenigsten Fällen mit • „Randgruppenkritik“: Gesellschaft nicht in Ord­
Hilfe von Parteiprogrammatiken oder autochthonen nung, am meisten Sorge machen Randgruppen; starke
Deutungsmustem strukturiert werden konnten, mußte bis mittelstarke Gegensätze und Konflikte mit Rand­
das Strukturierungsprinzip selbst erst aus dem Mate­ gruppen gesehen, deren Ursache: kultureller Verfall
rial heraus, also quasi induktiv entwickelt werden (s. verschiedenster Art; Bürgereinfluß unterschiedlich be­
u.). Dabei hat auch die Frage der Kleinbürgerlichkeit wertet: teils zuwenig für „den kleinen Mann“, teils
keine Rolle gespielt. Der oben entwickelte Idealtypus zuviel für alle Bürger oder nur für Randgruppen.
von Kleinbürgerlichkeit fungiert insofern als unabhän­ Die Zuordnung der Einzelfälle zu einem der drei
giges Prüfkriterium für Kleinbürgerlichkeit als die Fra­ genannten Orientierungstypen erfolgte auf der Basis
ge der Annäherung der empirischen Orientierungsty­ der Beantwortung der drei zentralen Fragenkomplexe
pen (s. u.) an diesen Idealtypus erst in einem zweiten, (bei Zweifelsfällen unter Berücksichtigung auch der
völlig unabhängigen Analyseschritt geprüft wurde. anderen einschlägigen Antworten).
Sabiene Kudera: Politische Kleinbürgerlichkeit 257

pus, der sich durch ressentimentfreie Kritik an terschaft (dies eher bei der „arbeiternähesten“
sozio-ökonomischen Ungleichheiten auszeichnet; Teilgruppe der mittleren Beamten).
einen „Konformität“ genannten Typus, der durch
wenig mehr als die weitgehende Abwesenheit von Dieses profilierte Orientierungsmuster ist freilich
artikulierter Kritik bestimmt ist, was aber keines­ untypisch für die Befragtengruppe insgesamt.
wegs durchgängig mit Konformismus gleichzuset­ Quantitativ dominierend ist nämlich der wenig
zen ist; und einen „Randgruppenkritik“ genann­ profilierte Typus der „Konformität“25, Dieses
ten, ressentimentgeladenen Typus, dessen zentra­ Orientierungsmuster ist gekennzeichnet durch die
ler Bezugspunkt und wiederkehrendes Thema die weitgehende Abwesenheit grundlegender Kritik
Kritik an nonkonformen gesellschaftlichen Grup­ und durch die Akzeptanz des politischen und ge­
pen ist und sozioökonomische Ungleichheiten erst sellschaftlichen status quo der ökonomischen Ver­
in zweiter Linie, wenn überhaupt anspricht. Diese teilung und politischen Einflußstrukturen sowie
Typen können zwar oberflächlich dem politischen der demokratischen und betriebsdemokratischen
Links-Rechts-Spektrum zugeordnet werden, stel­ Institutionen. Der Hintergrund dieser „Konformi­
len aber doch ganz eigentümliche, auch z. T. in­ tät“ ist allerdings unterschiedlich: Nur bei der
konsistente und bisher m. W. nicht dokumentierte Hälfte der „Konformen“ ist es eine sehr dezidierte
Typen politisch-gesellschaftlichen Denkens in der Bejahung der politischen Demokratie und des er­
unteren Mittelschicht unserer Gesellschaft dar. reichten Wohlstands im Vergleich mit den negati­
ven Erfahrungen des Dritten Reiches; bei der an­
Der erste, allerdings nur schwach besetzte24Typus deren Hälfte, den „unechten Konformen“, schei­
der „Ungleichheitskritik“ ist der einzig erkennbar nen es eher Bedenken zu sein, sich mit autoritär
nicht-kleinbürgerliche Typus politischer Orientie­ orientierter Kritik zu exponieren, also ein dem
rungen in unserem Sample und gleichzeitig der Kleinbürgertum vorschnell insgesamt zugeschrie­
einzige, der klare Konturen und sichtbare Ver­ bener psychischer Konformismus.
wandtschaft zu einer politischen Ideologie hat. Diese, mehr oder weniger „behagliche“ Zufrieden­
Dieser Typus ist identisch mit Kernelementen so­ heit mit dem Bestehenden, die der Notwendigkeit
zialdemokratisch-gewerkschaftlichen Denkens und eigenen politischen Engagements enthebt, stellt
repräsentiert ein relativ konsistentes und ela- vermutlich das moderne Pendant zur ressentiment­
boriertes Muster. In diesem ist der Klassenkonflikt freien biedermeierlichen Kleinbürgerlichkeit dar.
und die daraus resultierende soziale Ungleichheit, Diese Haltung ist aber in der Bundesrepublik of­
allerdings in abgeschwächter Form, zentral sowohl fensichtlich nicht nur auf die nach ihrer sozialen
für die Kritik an gesellschaftlichen Zuständen als Lage als kleinbürgerlich zu bezeichnenden Grup­
auch für das (dichotome) Gesellschaftsbild und die pen beschränkt. Weil ähnliche Orientierungen
gesellschaftliche Selbsteinordnung ( in die Arbei­ auch bei Industriearbeitern verbreitet sind26*, einer
terklasse bzw. als abhängig Arbeitende). Im Un­ zwar sozialstrukturell ebenfalls zur unteren Mittel­
terschied zu der eher kämpferischen Akzentu­ schicht, jedoch nicht zum Kleinbürgertum gerech­
ierung dieses Orientierungstypus ’ bei Industriear­ neten Gruppe, liegt die Vermutung einer „Ver-
beitern (vgl. W. Kudera et al. 1979: 341f.) finden £/embürgerlichung“ eines Teils der (deutschen)
sich bei unseren Befragten allerdings eher Harmo­ Arbeiter nahe. Gerade aufgrund der Kombination
nisierungstendenzen in der Beschreibung der kriti­ von politischer Passivität und Systemloyalität hat
sierten Zustände und Fatalismus in Bezug auf die diese offensichtlich stark verbreitete „offene“ Va­
Möglichkeit ihrer Veränderung. Der Hintergrund riante kleinbürgerlichen Denkens eine hohe funk­
ist eher eine religiös oder humanitär begründete tionale Bedeutung für die Stabilisierung des status
Gesellschaftskritik (insbesondere bei der ihrem quo.
Status und Lebensschicksal nach „arbeiterfern­ Demgegenüber repräsentiert der dritte Typus, die
sten“ Teilgruppe der gehobenen Beamten) als eine „Randgruppenkritik“, den Prototyp rigider klein­
Identifikation mit den Organisationen der Arbei­ bürgerlicher politischer Orientierungen, der dem

24 27 Personen = 20% der Befragten. Im Interesse einer


25 64 Personen = 45,7% der Befragten.
genaueren Beschreibung dieses Typus kann zwischen
einer „sozialdemokratischen“ (20 Personen) und einer 26 „formaldemokratisches“ und „indifferent-konformisti­
„populistischen“ Variante (7 Personen) unterschieden sches“ Syndrom bei W. Kudera et al. mit 42% (1979:
werden. 337ff.).
258 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 4, August 1988, S. 249-263

autoritären Denken recht verwandt, aber keines­ Denkens aufscheint, nämlich eine moralische und
falls - wie noch zu zeigen sein wird - mit ihm funktionale Überhöhung der eigenen Normalität
identisch ist. Allerdings wird er in unserer Befrag­ vor dem Gegenhorizont solcher Gruppen, denen
tengruppe nicht mehrheitlich, sondern nur von diese Normalität nicht zugebilligt wird.
einem Drittel27vertreten.
Zentral für diesen Orientierungstyp ist die Kritik
am abweichenden Verhalten von Randgruppen 3.2 Historische Veränderungen kleinbürgerlicher
wie (in den Worten der Befragten:) Randalierer, politischer Orientierungen
Demonstranten, Radikale, Arbeitsscheue, unter Selbst bei der rigiden Variante kleinbürgerlicher
die meist auch die Arbeitslosen gezählt werden, Orientierungen, der „Randgruppenkritik“, zeigen
und andere. Bei dieser Kritik handelt es sich also sich allerdings Unterschiede gegenüber dem klassi­
nicht um Kritik an gesellschaftlichen Strukturen, schen autoritären Muster, wie es im Kleinbürger­
sondern vielmehr um rigidere Konformitätsanfor­ tum der Weimarer Republik wohl weit verbreitet
derungen an das Verhalten von sozial letztlich war. Dies rechtfertigt die Vermutung eines gewis­
einflußlosen Gruppen. Die personalisierende Kri­ sen historischen Wandels kleinbürgerlichen Be­
tik an diesen Gruppen stellt die Folie dar, auf wußtseins. Zumindest in der von uns untersuchten
deren Hintergrund das positive Selbstbild der Be­ Gruppe ist der traditionelle politische Gehalt auto­
fragten als arbeitsame, bescheidene, kurz: als ritären Denkens stark „verdünnt“, weil nationali­
„normale“ Bürger um so deutlicher leuchtet. Die­ stische, militaristische, rassistische und explizit de­
sem Typus ist außerdem ein, wenn auch unter­ mokratiefeindliche Elemente weitgehend fehlen.
schiedlich starkes, Straf- und Disziplinierungsbe­
dürfnis gegenüber Randgruppen eigen, das eine Gewisse historische Kontinuitäten mit dem autori­
entsprechende charakterologische Disposition28 tären politischen Denken der 20er und 30er Jahre
vermuten läßt. können dennoch nicht übersehen werden: die res­
sentimentgeladene Ablehnung von Fremdgruppen
Der moralisierende Grundzug des politischen und als zentrales Element des gesellschaftlichen Den­
gesellschaftlichen Denkens zeigt sich auch im Ge­ kens, wenn solche Gruppen in unserem großstädti­
sellschaftsbild und in der gesellschaftlichen Selbst­ schen Sample auch nicht askriptiv als rassische
einordnung, bei der überwiegend mit Kategorien oder ethnische, sondern über ihr „abweichendes“
operiert wird, die sich bewertend auf die Arbeits­ Verhalten definiert werden; die Forderung nach
und Lebenshaltung von sozialen Gruppen bezie­ staatlichem Durchgreifen gegenüber diesen Grup­
hen, wie z. B. die Selbstcharakterisierung als „ver­ pen und andere law-and-order-Forderungen sowie
antwortungsvoll“, „fleißig“, „arbeitswillig“, „nor­ entsprechende Erziehungsvorstellungen, die
mal“, „anständig“, „zufrieden“ und „verträglich“ Hochschätzung von Fleiß und Pflichtbewußtsein
in Absetzung gegen die genannten Randgruppen, und die Vorstellung, daß zunehmender Wohlstand
die als Verkörperung des Gegenteils solcher Attri­ diese Tugenden gefährde. Neben diesen antimate­
bute gesehen werden. rialistischen Vorstellungen sind auch der in ver­
Die Tatsache, daß das Randgruppenthema trotz schiedenen Zusammenhängen anklingende Anti­
der extremen Heterogenität der ideologischen Tra­ pluralismus und Harmonismus29, der Antiintellek­
ditionen, aus denen sich dieser Typus speist (s. u. tualismus30 und die politische Entfremdung31* als
Abschnitt 3.2), so eindeutig dominiert, läßt vermu­ traditionelle Bestandteile rechtsautoritären Den­
ten, daß hier der Kern genuin kleinbürgerlichen kens zu werten (vgl. Sinus 1981: 92f.).

27 48 Personen = 34,3% der Befragten, dabei am stärk­


sten vertreten die bildungs- und berufsmäßig am nied­
rigsten positionierte Teilgruppe der mittleren Be­
29 Kritik am Parteienegoismus und Interessengerangel,
amten. Identifikation mit dem Staat als qualitativ höherwerti­
28 Allerdings ist diese wohl eher dem Typus des „rigiden ger, übergeordneter Instanz.
Konventionalisten“ ähnlich, der im Vergleich zum
klassischen Autoritären (vgl. Adorno et al. 1973) 30 Ablehnung von „Zeitungsschmierern“ und „Besser­
durch größere emotionale Stabilität, stärkere Selbst­ wissern“.
kontrolle, Leistungsorientierung und Zufriedenheit 31 als politische Ohnmacht des „kleinen Mannes“ artiku­
gekennzeichnet ist (vgl. Oesterreich 1974:30). liert.
Sabiene Kudera: Politische Kleinbürgerlichkeit 259

Zwar lassen sich in den Varianten der „Randgrup­ eine rigide und eine offene. Aber auch die rigide
penkritik“ die Nachklänge von äußerst heteroge­ Form, die in Deutschland immer noch mit Klein­
nen politischen Traditionen aufspüren. Diese sind bürgerlichkeit schlechthin gleichgesetzt wird, wur­
allerdings fast bis zur Unkenntlichkeit absorbiert de im Verlauf des gesellschaftlichen Wandeins of­
worden und werden nicht mehr explizit beschwo­ fensichtlich „entschärft“ und ideologisch entkon-
ren. Am stärksten ist daher die „arbeitsmoralische“ turiert. Sie reduziert sich auf einen zwar politisch
Variante besetzt (21 Personen), die eigentlich höchst relevanten, aber weniger in explizit politi­
überhaupt keine spezifische politische Tradition schen, sondern eher in kulturellen Kategorien defi­
erkennen läßt und sich auf die dargestellte arbeits­ nierten Kern: ein arbeitsmoralisch akzentuiertes
moralisch akzentuierte Selbst- und Fremdbewer­ Selbst-und Gesellschaftsbild. Darin kann wohl mit
tung beschränkt. Die „rechtspopulistische“ Varian­ Recht ein Fortleben traditionell kleinbürgerlichen
te (14 Personen) speist sich aus der Perspektive des Denkens gesehen werden. Mit dieser Feststellung
von korrupten Großorganisationen aller Art mani­ wird also eine verschwunden geglaubte Mentalität
pulierten, um seinen gerechten Anteil betrogenen „wiederentdeckt“, die in arbeits- und schichtungs­
kleinen Mannes und enthält somit der nazistischen soziologischen Ansätzen unbeachtet geblieben ist.
Ideologie ähnliche Elemente, allerdings mit den Sie dürfte in der unteren Mittelschicht unserer
genannten Abmilderungen und ohne daß explizit Gesellschaft sehr verbreitet sein, und zwar insbe­
auf diese Tradition rekurriert wird. In der „autori­ sondere in sozialen Gruppen mit geringer Formal­
tär-ordnungsstaatlichen“ Variante (8 Personen), bildung sowie im kleinstädtischen und ländlichen
die keinerlei populistische Züge trägt, dominiert Milieu, hier wahrscheinlich noch stärker als in
der Ruf nach dem starken Staat und die Ansicht, unserer (großstädtischen, bildungs- und berufsmä­
daß er alles am besten ohne Beteiligung der Bürger ßig teilweise gehobenen) Befragtengruppe33.
richte. Eindeutig und explizit der Tradition der
Arbeiterbewegung verpflichtet ist dagegen die
„autoritär-gewerkschaftliche“ Variante (5 Perso­ 3.3 Sozio-biographische Bedingungen der
nen), in der sich zwei konträre Züge - rigide Entstehung kleinbürgerlicher Orientierungen
arbeitsmoralische Lebenshaltung und gewerk­
Über die Rekonstruktion und Typisierung von
schaftliches Denken - zu einer durch Randgrup­
Orientierungen hinaus läßt sich an unserem Mate­
penkritik dominierten widerspruchsvollen Einheit
rial zeigen, daß politische Orientierungen sehr
verbinden.
wohl (noch) soziologisch erklärbar sind; dies insbe­
Offenkundig sind also in dieser großstädtischen sondere dann, wenn man nicht auf ein statisches
und beruflich gut integrierten Befragtengruppe die Erklärungskonzept sozialer Lage zurückgreift,
in der unteren Mittelschicht ehedem wirksamen sondern diese als diachrone, sozusagen lebensge­
politischen Denktraditionen - seien es die des auto­ schichtlich dynamisierte Lage versteht („Lauf­
ritär-ordnungsstaatlichen, des populistischen oder bahnklasse“, Bourdieu 1982) und sie zugleich hi­
auch des gewerkschaftlichen Denkens - weitge­ storisch (als kohortenspezifisches Schicksal) veror-
hend entkräftet, weil sie teils durch die jüngere tet (vgl. Kudera 1979 und 1983).
deutsche Geschichte diskreditiert, teils als gesell­ Für den weitaus größeren Teil unserer Befragten­
schaftliche Utopie nicht mehr attraktiv sind. Wäh­ gruppe, nämlich für die, die kleinbürgerlichen
rend das Element autoritärer Unterordnung nur Vorstellungen im hier definierten Sinne zunei­
im milderen Sinne von Angepaßtheit und Unauf­ gen34*, erweisen sich alle biographischen Bedingun­
fälligkeit überdauert hat, ist das historische nicht gen als erfüllt, die generell als Ursache für die
entwertete Element der Arbeitsamkeit in den Vor­ Neigung zu typisch kleinbürgerlichen Vorstellun­
dergrund getreten und zum zentralen Bezugspunkt gen gelten:
und gemeinsamen Kern kleinbürgerlichen Den­
kens geworden32. • die mit der bescheidenen Ausstattung an ökono­
mischem und kulturellem Kapital begründeten ge­
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß mindestens
zwei verschiedene Formen kleinbürgerlichen poli­
tischen Denkens unterschieden werden müssen -
33 vgl. die Ergebnisse repräsentativer Untersuchungen
(s. Fußnote 6)
32 Dies trifft auf fast zwei Drittel unserer Untersuchungs­ 34 Das gilt also insbesondere für die „Randgruppenkriti­
gruppe zu (insbesondere auf die „Randgruppenkriti­ ker“ und etwas abgeschwächt auch für die „unechten
ker“ und auf die „unechten Konformen“). Konformen“.
260 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 4, August 1988, S. 249-263

ringen objektiven Ressourcen im Kampf um Status­ • die durch die epochen-38 und gruppenspezifi­
erhalt oder -verbeserung35, sche39politische Kultur gestützte rigide Identifika­
• die zusätzlich aus dem geringen kulturellen Ka­ tion mit konventionellen und autoritären Werten
pital und den Besonderheiten der frühen Sozialisa­ und Normen.
tion erklärbare geringe psychische und kognitive Mit überraschender Eindeutigkeit ließen sich dar­
Distanzierungsfähigkeit und Souveränität gegen­ über hinaus den politischen Orientierungstypen
über Verhaltensanforderungen und -zwängen36, bestimmte Lebensverlaufsmuster zuordnen: Die
• die soziale Instabilität und Gefährdung in der für „Konformen“ haben - gemessen am Schicksal der
die Ausprägung von Orientierungen besonders unteren Mittelschicht ihrer Generation40 - einen
wichtigen Phase der Jugend und des frühen Er­ eher ruhigen Lebens- und Berufsverlauf41. Dage­
wachsenenalters, wie sie in den Diskontinuitäten gen sind die Lebensverläufe der rigid-kleinbürger­
des Bildungs-und des frühen Berufsverlaufs insbe­ lichen „Randgruppenkritiker“ durch wesentlich
sondere bei der älteren Kohorte sichtbar wird37 ungünstigere Bedingungen gekennzeichnet, wobei
(vgl. auch die Befunde von Mayer 1981, über die sich diese ungünstigen Bedingungen qualitativ
„Extremposition“ der um 1930 geborenen Kohor­ noch einmal in geradezu klassischer Weise nach
te. Vgl. auch Müller 1978; und Kudera 1985) und den Varianten der „Randgruppenkritik“ unter­
scheiden42: Die Vertreter der „arbeitsmorali­
schen“ Variante sind eher die vom Schicksal Ge­
beutelten und von Anfang an nicht sonderlich Be­
35 Insbesondere die Vertreter der rigid-kleinbürgerlichen
„Randgruppenkritik“ verfügen überproportional häu­ günstigten43, während die Vertreter der „rechtspo­
fig (gemessen am Sample-Durchschnitt) nur über die pulistischen“ Variante zunächst unter relativ gün­
geringste Formalbildung (Volksschule mit oder ohne stigeren Bedingungen aufwuchsen, dann aber
Abschluß). Auch die überproportional hohe regionale durch die zeitgeschichtlichen Ereignisse sozial de­
Herkunft aus Dörfern bzw. aus Gebieten außerhalb
des Reichs von 1937 (Vertriebene) dürfte die Bil-
dungs- und Berufschancen negativ beeinflußt haben.
Alle Befragten des Samples entstammten ökonomisch
gesehen „kleinen Verhältnissen“ (längste berufliche
Stellung des Vaters oder der väterlichen Ersatzperson:
30% Arbeiter; 25% Beamte, überwiegend einfache 38 Die beiden Kohorten wurden in Kindheit und Jugend
und mittlere; 20% kleine Selbständige; 18% Ange­ unter den Bedingungen des Dritten Reiches bzw. der
stellte, überwiegend einfache und mittlere) und haben unmittelbaren Nachkriegszeit sozialisiert.
eine geringe, allerdings über dem Bevölkerungsdurch­
39 Insbesondere die Vertreter der „Randgruppenkritik“
schnitt liegende Schulbildung (54% Volksschule, 32%
berichten, daß in ihren Familien die kleinbürgerlichen
mittlere Reife, 14% Abitur).
Werte rigide durchgesetzt wurden (insbesondere Spar­
36 Unser Material deutet daraufhin, daß in Familien klei­ samkeit, Pünktlichkeit, Ordnung und Gehorsam) und
ner Selbständiger und teilweise auch in Arbeiterfami­ daß die Eltern pronazistisch bzw. (nach dem Krieg)
lien (nicht aber in solchen [kleiner] Beamter) sowie antipolitisch eingestellt waren oder rechten Parteien
auch in Vertriebenen-Familien in der Regel ausge­ nahestanden.
sprochen autoritäre Werte bestimmend waren.
40 hier ersatzweise bezogen auf den Sample-Durchschnitt
37 Insbesondere die Vertreter der „Randgruppenkritik“
haben sehr unruhige Berufsverläufe (überproportional 41 bezogen auf die Höhe des Bildungsabschlusses, die
häufige Berufswechsel verbunden mit beruflichen Stetigkeit und den Erfolg der Berufslaufbahn und die
Auf- und Abstiegen) und sind überproportional unzu­ negative Betroffenheit von zeitgeschichtlichen Ereig­
frieden mit ihrem Berufsverlauf. Die Mehrheit der nissen (Vertreibung etc.) sowie auch die familialen
gesamten Befragtengruppe war durch die zeitge­ Bedingungen (emotionales Klima und Intaktheit der
schichtlichen Ereignisse in Kindheit und Jugend beein­ Herkunftsfamilie, nach Aussage der Befragten).
trächtigt, was bei einem relevanten Teil in den Lebens­ 42 wobei diese Aussagen wegen der geringen Besetzung
verlaufsdaten sichtbar wird (30% Gymnasialabbre- der Teilgruppen unter besonderen Vorbehalt gestellt
cher, auch viele Personen ohne Volksschulabschluß; werden müssen.
34% Flüchtlinge und Vertriebene; nur bei 27% der
Befragten waren beide Eltern in der Kindheit anwe­ 43 überrepräsentiert: dörfliche und Selbständigen-Her-
send bzw. nicht länger als ein Jahr abwesend; bei der kunft; Volksschulabschluß; sehr unruhiger, mäßig er­
älteren Kohorte generell geringe Berufs- und Ausbil­ folgreicher Berufsverlauf; Unzufriedenheit damit. Ge­
dungschancen wegen des Zusammenfallens von ent­ genwärtige Berufsgruppenzugehörigkeit: überreprä­
sprechender biographischer Phase und Kriegsende). sentiert sind kleine Selbständige und mittlere Beamte.
Sabiene Kudera: Politische Kleinbürgerlichkeit 261

klassiert wurden44456. Die Vertreter der „autoritär­ der traditionellen Kleinbürgerlichkeit nach wie vor
gewerkschaftlichen“ Variante der „Randgruppen­ gibt, wenn auch in veränderter Gestalt: Die rigide
kritik“ rekrutieren sich dagegen über eine klassi­ Variante ist offensichtlich erheblich abgemildert
sche Arbeiterbiographie in relativ niedrige Ränge und ideologisch entkonturiert gegenüber den in
des Kleinbürgertums (mittlerer Postdienst)45 46. den 20er und 30er Jahren dominierenden Werten
Die Vertreter der „Ungleichheitskritik“ sind dage­ und Normen und scheint darüber hinaus zugunsten
gen die relativ Erfolgreichsten und Zufriedensten einer „harmloseren“ offenen Variante zunehmend
und haben von lediglich durchschnittlichen Her­ verdrängt zu werden. Ist „Kleinbürgerlichkeit“
kunftsbedingungen aus einen überproportional demnach ein aussterbendes Phämomen?
starken Bildungs- und Berufsaufstieg erreicht47. Zweifellos haben die Veränderungen der ökono­
Diese Befunde belegen einen klaren Zusammen­ mischen und kulturellen Bedingungen der letzten
hang48 zwischen ungünstigen biographischen Be­ Jahrzehnte das Entstehen rigider kleinbürgerlicher
dingungen und rigider Kleinbürgerlichkeit. Damit Orientierungssyndrome in abnehmendem Maß be­
wird auch verständlich, daß der relativ bescheide­ günstigt. Ob dieser Trend allerdings ohne weiteres
ne, aber gesicherte und reputierliche Berufsstatus fortgeschrieben werden kann, erscheint zweifel­
unserer Befragten keineswegs das normale, sozu­ haft. So ist nicht auszuschließen, daß Wohlstand
sagen „nebenbei“ und ohne Anstrengungen erziel­ und physische Existenz der bundesrepublikani­
te Ergebnis eines problemlosen Lebensverlaufs schen Gesellschaft in Zukunft weniger sicher sein
darstellt. Diese „Normalität“ ist schwer errungen, werden als bisher. Auch sind mit dem Ende der
ist widrigen Lebensbedingungen durch rigides Tertiarisierung der Berufsstruktur und der ent­
Festhalten an milieu- und zeittypischen kleinbür­ sprechenden Verminderung der Aufstiegschancen
gerlichen Normen abgetrotzt und wird gerade des­ die Tendenzen zur Abschließung der sozialen
halb normativ überhöht. Klassen verstärkt worden. Das kann dazu führen,
daß sich „klassenspezifische“ Wert- und Orientie­
rungsmuster erneut formieren (vgl. Müller 1987).
4. Kleinbürgerlichkeit - ein historisch Eine objektiv verschlechterte soziale Situation wä­
obsoletes Phänomen? re gerade von Gruppen der unteren Mittelschicht
Betrachtet man diese Ergebnisse zusammen mit schwer zu bewältigen, weil sie durch besonders
den Erkenntnissen repräsentativer Untersuchun­ hohe (Auf- und Abwärts-)Mobilität und damit Sta­
gen (s. o.), so wird deutlich, daß es das Phänomen tusunsicherheit (vgl. Goldthorpe 1980: Kap. 5)
belastet, demgegenüber aber nur mit geringen
ökonomischen und kulturellen Ressourcen ausge­
44 überrepräsentiert: Angestellten-Herkunft (darunter stattet sind. Diese Gruppen könnten dann geneigt
auch die wenigen höheren Angestellten des Samples); sein, eine solche Situation wieder stärker durch
Vertriebenen-Schicksal; Gymnasialabbrecher (Ab­
Rückgriff auf autoritär-konformistische Werte zu
schluß: Mittlere Reife); unruhiger, mäßig erfolgrei­
cher Berufsverlauf; Unzufriedenheit damit; gegenwär­
verarbeiten und auf dieser Basis ihre gesellschaftli­
tige Position: Angestellter. che Identität zu behaupten, zumal an diesen Wer­
ten in letzter Zeit politische Wiederbelebungsver­
45 ausschließlich großstädtische Arbeiterherkunft,
Volksschulabschluß; relativ ruhiger Berufsverlauf mit
suche unternommen werden. Der historische
mäßigem Aufstieg (vom Arbeiter bzw. einfachen zum Trend der Erosion traditioneller kleinbürgerlicher
mittleren Beamten); Zufriedenheit damit. Werte erscheint also keinesfalls unaufhaltsam.
46 Einzig bei den Vertretern der „autoritär-ordnungs­ Aber selbst wenn sich solche Entwicklungen nicht
staatlichen“ Variante ist kein klares Lebensverlaufs­ einstellen sollten, führt doch die Kleinbürgerlich­
muster erkennbar (vermutlich Polarisierung der keit in bestimmten Bereichen unserer Gesellschaft
Gruppe). ein zähes, wenn auch wenig beachtetes Leben: In
47 überproportional vertreten: Abitur; starker berufli­ der für regionale Differenzierungen bisher nicht
cher Aufstieg; überwiegend gehobene Beamte in ho­ sehr sensiblen Soziologie wurde weitgehend über­
her Position; zufrieden mit Berufsverlauf. sehen, daß Kleinstädte und ländliche Regionen
48 Die Wirkung bestimmter vorgängiger biographischer nach wie vor reichlichen Humus für das Blühen
Bedingungen kann an diesem Sample, für das nicht die und Gedeihen dieser Stabilität wie auch Stagnation
biographische Ausgangsposition, sondern der „End­ unserer Gesellschaft verbürgenden Werte bieten.
punkt“ einer bestimmten Berufsposition konstitutiv
ist, allerdings im strengen Sinne empirisch nicht kon­
trolliert werden.
262 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 4, August 1988, S. 249-263

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