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Hochschule Luzern – Design & Kunst


MAS Kulturmanagement Praxis

Sandra Sykora
Das Urheberrecht

08.05.2018

Sandra Sykora
Rechtsanwältin (D), M.A
Sonnenbergstrasse 56
6005 Luzern
Tel. 079 820 7160
www.kunst-und-recht.ch
2

Inhaltsverzeichnis

I Einführung 4
1. Was ist Urheberrecht?
2. Urheberrecht im Alltag eines Kunstexperten 5
3. Aufbau des URG

II Wer ist Urheber? 6


1. Nur natürliche Personen sind Urheber
2. Urheberrechte entstehen unabhängig von einer Registrierung
3. Mehrere Personen als Urheber: die Miturheberschaft 7

III Was ist ein „Werk“ im Sinne des URG? 9


1. Definition des Art. 2 Abs. 1 URG
2. Werkkategorien des Art. 2 Abs.2 URG 10
3. Der Schutz von Sammlungen 11

IV Die wichtigsten Urheberrechte 12


1. Urheberverwendungsrechte
2. Urheberpersönlichkeitsrechte 14
a) Art. 9 URG
b) Art. 11 Abs. 1 lit. A URG
c) Erstellung eines Werks zweiter Hand
d) Aufnahme in ein Sammelwerk
e) Zutritts- und Ausstellungsrecht
f) Schutz vor Zerstörung

V Die wichtigsten „Schranken“ der Urheberrechte 22


1. Der „Eigengebrauch“
2. Archivierungs- und Sicherheitsexemplare 23
3. Das Zitatrecht des Art. 25 URG 24
4. Abbildung in Katalogen 25
5. Die „Panoramafreiheit“ des Art. 27 URG 26
6. Berichterstattung über aktuelle Ereignisse nach Art. 28 URG

VI Übertragung, Dauer und Durchsetzung des Urheberrechts 27


1. Übertragung des Urheberrechts
a) Rechtsgeschäftliche Übertragung des Urheberrechts
b) Vererbung und Schutzdauer des Urheberrechts

VII Die „verwandten Schutzrechte“:


Leistungsschutz für Künstler und Vermittler 29
3

VIII Die praktische Umsetzung der Urheberrechte:


Die Verwertungsgesellschaften 31

IX Gerichtliche Möglichkeiten des Urhebers 32


1. Die Leistungsklage, URG 62
2. Die Feststellungsklage nach Art. 61 URG und weitere Optionen im
Gerichtsverfahren 33
3. Vorschriften zur Strafbarkeit
a) Die Strafbarkeit der Verletzungen von Urheberrechten
nach Art. 9-11 URG 34
b) Das Plagiat

X Das Folgerecht des Urhebers des Originals


eines Kunstwerks 35
1. Was ist das „Folgerecht“?
2. Die Rechtsgeschichte des Folgerechts
3. Die Begründung des Folgerechts 36
4. Rechtslage in der EU vor 2001
5. Die Folgen der uneinheitlichen Rechtslage: Wettbewerbsverzerrung 37
6. Die EU-Folgerechts-Richtlinie von 2001
7. Der Inhalt der Richtlinie 38
a) Das Folgerecht als unveräusserliches Recht
b) Beteiligung des Kunsthandels
c) Originale von Kunstwerken als Gegenstand des Folgerechts
d) Der Mindestverkaufspreis
e) Die „Galerieklausel“
f) Die Höhe der Folgerechtsentschädigung und ein „Cap“
g) Berechtigte
h) Übergangsfristen – inzwischen abgelaufen!
i) Durchsetzung des Folgerechts: Die Verwertungsgesellschaften
j) Überprüfung der Richtlinie und Bericht 2012
8. Neues Folgerecht in anderen Ländern 42
9. Die Folgerechtsabgabe in Deutschland 43
4

Das Urheberrecht

I Einführung
1. Was ist Urheberrecht?
Das Urheberrecht ist der Versuch des Gesetzgebers, zwei häufig im Gegensatz zueinander stehende
Interessenspositionen einem Kompromiss zuzuführen. Einerseits soll die schöpferische Tätigkeit eines
Urhebers, der ein Werk der Literatur oder Kunst1 hervorbringt, geschützt werden, denn sobald es der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, kann jeder es auf verschiedene Art nutzen.2 Allerdings sind
Urheber natürlich auch darauf angewiesen, dass ihre Werke Verbreitung und Beachtung finden und so
wirtschaftlich gewinnbringend eingesetzt werden können. Daher gibt das Urheberrecht dem Urheber
ein entsprechendes rechtliches Instrumentarium, mit dem er sein geistiges Eigentum schützen kann.
Grundsätzlich hat der Urheber das Recht darauf, als Urheber anerkannt zu werden, darüber zu
bestimmen, ob, wann und wie das Werk veröffentlicht und ob, wann und wie es verwendet wird (z.B.
davon Abbildungen herzustellen und diese z.B. in der Werbung kommerziell zu nutzen oder als Poster
zu vertreiben) oder ob es verändert werden darf. Er kann es auch vermieten und muss selbst dann,
wenn er das Werk veräussert hat, konsultiert werden, bevor es zerstört wird. Diese Rechte kann er mit
Hilfe der Gerichte durchsetzen und bei bestimmten Verletzungen seines Urheberrechts sogar
Schadenersatz, also Geldleistungen, fordern. Der Schutz des Urheberrechts „gilt zugleich der
Transaktions- und damit der Verkehrsfähigkeit des Urheberrechts, seiner Werthaltigkeit und
Unangreifbarkeit als handelsfähiges Wirtschaftsgut. Diese erlaubt erst die Vergütung des Urhebers auf
dem Markt für sein Schaffensergebnis“, die ansonsten nur durch den Staat, durch Mäzene oder durch
Sponsoring oder aus Werbeeinnahmen zu bestreiten wäre.3
Auf der anderen Seite haben wir alle ein immenses Interesse an der möglichst umfangreichen Nutzung
geistiger Schöpfungen, um unserem Bedürfnis nach Bildung, wissenschaftlichem wie
gesellschaftlichem Fortschritt, Unterhaltung etc. nachkommen zu können. Wie sonst wollten wir ein
Buch 4mit Abbildungen moderner Kunst geniessen, Musik im Radio hören, ins Kino gehen? All diese
(und natürlich viele weitere) Tätigkeiten sind ohne die geistige und urheberrechtlich geschützte
Tätigkeit von Urhebern undenkbar. Indem das URG den Urhebern daher einerseits „ein Monopol an

1
Oder Computerprogramme. Diese gelten nach URG 2 III „als Werke“. Das heisst., dass sie zwar keine „Werke“
sind, aber wie solche durch das URG geschützt werden, siehe dazu Barrelet/Egloff 2008, URG 2 N 23.
Computerprogramme werden im Rahmen dieser Einführung in das Kunsturheberrecht nur in Ausnahmefällen
berücksichtigt.
2
Rehbinder 2000, S. 17.
3
Rehbinder/Viganò 2008, URG 1 N 4.
4
Fischer 2016: Thomas Fischer, Europäisches Urheberrecht: Entwicklung und Perspektiven unter besonderer
Berücksichtigung der Rolle des Gerichtshofs der Europäischen Union ,Hamburg: Verlag Dr. Kovač, 2016.
5

einem Geistesgut“5 gibt, andererseits der Gesellschaft in gewissem Umfang auch Nutzungsrechte
einräumt – auch „Schranken“ des Urheberrechts genannt –, die der Urheber dulden muss, soll ein
angemessener Ausgleich dieser aufeinander treffenden Standpunkte erreicht werden.

2. Urheberrecht im Alltag eines Kunstexperten

Es ist kaum möglich, professionell mit Kunst umzugehen oder zu handeln, ohne dabei mit dem
Urheberrecht in Berührung zu kommen. Wenn z.B. eine Galerie, die mit Kunst der Nachkriegszeit
handelt, von den Werken, die sich in der aktuellen Ausstellung befindet,
- Abbildungen fertigt,
- einen Katalog erstellt,
- Plakate drucken lässt,
- Reproduktionen „ins Internet stellt“,
ohne zuvor eine Genehmigung der Urheber der Werke zu jeder einzelnen dieser Nutzungen eingeholt
zu haben, sind bereits Urheberrechte verletzt worden. Wer mit Kunst arbeiten möchte, sollte sich
daher unbedingt mit den Grundbegriffen des Urheberrechts vertraut machen, da Verstösse u.U.
langwierige und teure Auseinandersetzungen nach sich ziehen können.

3. Aufbau des URG

Das Schweizer Urhebergesetz (nachfolgend URG)6, das zuletzt 2008 umfassend bearbeitet worden ist
und sich derzeit in einem Revisionsprozess befindet7, fragt zunächst, welche Voraussetzungen erfüllt
sein müssen, damit eine künstlerische Äusserung überhaupt urheberrechtlichen Schutz geniessen
kann (Art. 2-5 URG) und wer „Urheber“ eines Werks ist (Art. 6-8 URG). Dann stellt das URG (in Art. 9-
15) die Rechte des Urhebers in den Vordergrund, um diesen in den nachfolgenden Vorschriften (Art.
19-28) wiederum Schranken zu setzen. Mit diesen Schranken soll die Nutzung geschützter Werke in
gewissem Umfang ermöglicht und der soeben beschriebene Interessenausgleich erreicht werden. Zu
erwähnen sind auch „verwandte Schutzrechte“, namentlich der Interpretenschutz (Art. 33-39), die
insbesondere für den Musik- und Theaterbereich wichtig sind. Das Recht der
Verwertungsgesellschaften (Art. 40-60) regelt die kollektive Geltendmachung der wirtschaftlichen
Interessen der Urheber, die u.a. eine zügige Abwicklung von Abgaben und Lizenzzahlungen
ermöglichen sollen. Art. 61-66 schliesslich geben den Urhebern juristische Werkzeuge an die Hand,
mit denen sie ihre Rechte auch gerichtlich durchsetzen können. Und Art. 67-69 machen deutlich:

5
Rehbinder 2000, S. 18.
6
Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 9. Oktober 1992 (231.1)
7
Aktuelle Materialien zum Revisionsprozess dazu auf der Homepage des federführenden Instituts für Geistiges
Eigentum IGE, https://www.ige.ch/urheberrecht/modernisierung-des-urheberrechts-2015.html sowie
https://www.ige.ch/urheberrecht/agur12.html.
6

Verstösse gegen das Urheberrecht sind keine Kavaliersdelikte – sondern können auch strafrechtlich
verfolgt werden.

II Wer ist Urheber?


1. Nur natürliche Personen sind Urheber
Den Begriff des Urhebers definiert das Gesetz in Art. 6 URG:

URG 6
Urheber oder Urheberin ist die natürliche Person, die das Werk geschaffen hat.

Nur ein Mensch kommt also als Urheber eines „Werks“ (s.u.) in Frage und zwar unabhängig von Alter
und Handlungsfähigkeit (siehe dazu Art. 12 ff. ZGB), weil eine Schöpfung ein „Realakt“ und keine
Rechtshandlung ist8. So können Kinder, Bevormundete wie auch Personen im Zustand der
Zurechnungsunfähigkeit Werke schaffen, beispielsweise also geistig umnachtete, hypnotisierte oder in
Trance handelnde:9 Sie alle erwerben das so genannte „originäre“ (d.h. ursprüngliche) Urheberrecht
an ihren Werken.10 Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass juristische Personen (z.B.
Aktiengesellschaft, GmbH) Urheberrechte nicht originär erwerben können. Auf juristische Personen
können Urheberrechte jedoch übertragen werden, oder es kann ihnen die Nutzung von
Urheberrechten gestattet werden. Das ist aber nur durch das Abschliessen eines Vertrags zwischen
Urheber und der juristischen Person möglich.11

2. Urheberrechte entstehen unabhängig von einer Registrierung

In der Schweiz (und fast weltweit) entstehen Urheberrechte unabhängig von einer Registrierung oder
einer Kennzeichnung. Das berühmte ©-Zeichen ist also für die Entstehung eines
Urheberrechtsschutzes irrelevant und dient nur noch zur Deklaration der Rechte. Man sieht es aber
noch häufig, weil die Verwertungsgesellschaften sich vertraglich zusichern lassen, dass Abbildungen
von Urhebern, die von ihnen vertreten werden, entsprechend gekennzeichnet werden („©ProLitteris,
Zürich 2017“).
Ein Werk ist also auch dann urheberrechtlich geschützt ist, wenn der Urheber es nicht explizit
gekennzeichnet hat. Jeder Urheber müsste allerdings an einer Signierung seiner Schöpfungen
interessiert sein. Denn Art. 8 URG besagt:

Art. 8 URG

8
Büren/Lucas-Büren/Meer 2014, Rn. 411.
9
Büren/Lucas-Büren/Meer 2014, Rn. 411.
10
Barrelet/Egloff 2008, URG 6 Rn 3.
11
Von diesem Grundsatz gibt es einzige Ausnahme für den Fall, wenn ein Verleger einem Autor die Arbeit in
allen Einzelheiten vorgeschrieben hat. Siehe dazu Büren/Meer 2014, Rn. 412 und Art. 393 Abs. 2 OR.
7

1
Solange nichts anderes nachgewiesen ist, gilt als Urheber oder als Urheberin, wer auf den
Werkexemplaren oder bei Veröffentlichung des Werks mit dem eigenen Namen, einem
Pseudonym oder einem Kennzeichen so genannt wird.
[…]

Derjenige, der als Urheber auf einem Werkexemplar genannt ist, gilt also von Gesetzes wegen als
Urheber. Das ist eine so genannte „gesetzliche Vermutung“. Jeder, der erreichen will, als Urheber
eines Werks anerkannt zu werden, obwohl ein anderer das Werkexemplar signiert hat, muss vor
Gericht beweisen, dass die Signatur der anderen Person nichts mit der tatsächlichen Urheberschaft
des Werks zu tun hat. Bis zum Beweis des Gegenteils geniesst der Signierende den Urheberschutz. Ist
kein Rückschluss auf einen Urheber möglich, kann nach Art. 8 Abs. 2 URG derjenige das Urheberrecht
ausüben, der das Werk herausgibt; und wenn auch diese Person nicht bekannt ist, wer das Werk
veröffentlicht hat.

3. Mehrere Personen als Urheber: die Miturheberschaft

Es können auch mehrere Personen gemeinschaftlich an der Erstellung eines Werks beteiligt sein. Hier
gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ein Beteiligter ist nur Ausführender, wird also als handwerklicher
oder administrativer Gehilfe tätig. In diesem Fall erwirbt er keine Urheberrechte. Erbringt dagegen ein
Mitwirkender schöpferische Eigenleistungen und stellt er diese unter ein kollektives Ziel, so kann er
Miturheber werden:
URG 7
1
Haben mehrere Personen als Urheber oder Urheberinnen an der Schaffung eines Werks
mitgewirkt, so steht ihnen das Urheberrecht gemeinschaftlich zu.
2
Haben sie nichts anderes vereinbart, so können sie das Werk nur mit Zustimmung aller
verwenden; die Zustimmung darf nicht wider Treu und Glauben verweigert werden.
3
Jeder Miturheber und jede Miturheberin kann Rechtsverletzungen selbständig verfolgen,
jedoch nur Leistung an alle fordern.
4
Lassen sich die einzelnen Beiträge trennen und ist nichts anderes vereinbart, so darf jeder
Miturheber und jede Miturheberin den eigenen Beitrag selbständig verwenden, wenn dadurch
die Verwertung des gemeinsamen Werks nicht beeinträchtigt wird.

Man kann sich vorstellen, dass die Abgrenzung zwischen einem Gehilfen und einem Miturheber in der
modernen Kunst manchmal nicht so einfach zu bestimmen ist.

Beispiel: Der deutsche Maler, Bildhauer, Installations- und Performancekünstler Martin


Kippenberger (1953- 1997) machte die Frage nach der Autorenschaft zu einem seiner zentralen
künstlerischen Themen. Er liess z.B. von dem Kinoplakatmaler Michael Werner (geb. 1951) nach
Fotovorlagen von einer New-York-Reise Gemälde herstellen, die er als „echte Kippenbergers“ unter
dem Titel „Lieber Maler, male mir“ ausstellte.

Bei der Frage, ob Kippenberger, Werner oder beide Personen als (Mit)Urheber der „Lieber Maler,
male mir“-Serie zu betrachten sind, müsste genau untersucht werden, wie viel künstlerische Freiheit
8

Kippenberger dem Kinoplakatmaler zugestand, und wie die Werkgenese der Gemälde vor sich ging.
Und das ist im Einzelfall sehr wichtig.12 Denn Miturheberschaft hat weitreichende Folgen:
Art. 7 M iturheberschaft
1 Haben mehrere Personen als Urheber oder Urheberinnen an der Schaffung eines Werks
mitgewirkt, so steht ihnen das Urheberrecht gemeinschaftlich zu.
2 Haben sie nichts anderes vereinbart, so können sie das Werk nur mit Zustimmung aller
verwenden; die Zustimmung darf nicht wider Treu und Glauben verweigert werden.
3 Jeder Miturheber und jede Miturheberin kann Rechtsverletzungen selbständig verfolgen,
jedoch nur Leistung an alle fordern.
4 Lassen sich die einzelnen Beiträge trennen und ist nichts anderes vereinbart, so darf jeder
Miturheber und jede Miturheberin den eigenen Beitrag selbständig verwenden, wenn dadurch
die Verwertung des gemeinsamen Werkes nicht beeinträchtigt wird.

Miturhebern steht das Urheberrecht nach Art. 7 Abs. 1 URG gemeinschaftlich zu. Das heisst, dass sie
das Gemeinschaftswerk grundsätzlich nur mit Zustimmung aller anderen Miturheber verwenden
können. Allerdings darf diese Zustimmung nicht grundlos verweigert werden („wider Treu und
Glauben“), sie sind vielmehr „grundsätzlich gehalten, die Verwendung des Werks zu ermöglichen“13.
Lassen sich die einzelnen Werkbeiträge trennen – das liegt immer dann vor, wenn sie verschiedenen
Werkgattungen angehören, z.B. Text und Illustration beim Buch, oder wenn die verschiedenen
Miturheber einen bestimmten Teil eines einheitlichen Werks erarbeitet haben14 – darf jeder „den
eigenen Beitrag selbständig verwenden, wenn dadurch die Verwertung des gemeinsamen Werks nicht
beeinträchtigt wird“, so Art. 7 Abs. 4 URG. Jeder der Miturheber kann eventuelle
Urheberrechtsverletzungen bezüglich des gemeinschaftlichen Werks eigenständig rechtlich (also auch
vor Gericht) verfolgen. Wenn er dabei Schadenersatz- oder Lizenzzahlungen erstritten hat, kann er
diese nicht für sich alleine beanspruchen, denn Art. 7 Abs. 3 URG gibt allen Miturhebern einen
gemeinschaftlichen Anspruch auf diese Gelder.
Eine weitere Folge der Miturheberschaft: Die Dauer des Urheberschutzes (normalerweise 70 Jahre
nach dem Tod eines Urhebers) verlängert sich bei einem gemeinschaftlich geschaffenen Werk um
diejenige Zeitdauer, um die der zuletzt verstorbene Miturheber den oder die anderen überlebt (Art.
30 Abs. 1 lit. b URG). Bei einem sehr grossen Altersunterschied der einzelnen Miturheber kann diese
Regelung zu einer erheblichen zeitlichen Ausdehnung des Urheberschutzes führen.

Beispiel: Einmal angenommen, Martin Kippenberger (1953-1997) und Kinoplakatmaler Michael


Werner (geb. 1951) sind als Miturheber der Gemälde-Serie „Lieber Maler, male mir“ zu betrachten,
und weiterhin angenommen, Herr Werner wird sehr alt und stirbt im Jahr 2041, während Herr

12
Ausführlichen Beispiele zur Abgrenzung von Gehilfen und Miturhebern in: Sandra Sykora, Kunsturheberrecht.
Ein Praxisleitfaden für Sammler, Kunstexperten, Kuratoren, Restauratoren und Juristen, Zürich: Dike Verlag AG,
2011.
13
Barrelet/Egloff 2008, URG 7 N 10.
14
Barrelet/Egloff 2008, URG 7 N 12.
9

Kippenberger ja schon 1997 verstorben ist. Der Urheberschutz derjenigen Werke von Kippenberger,
die er alleine geschaffen hat, erlischt 70 Jahre nach dem Tod dieses Künstlers, also mit Ablauf des
Jahres 2067. Doch der Urheberschutz für die gemeinsame Serie mit Michael Werner, würde man
Miturheberschaft annehmen, würde erst 70 Jahre nach Herrn Werners Tod erlöschen, nämlich mit
Ablauf des Jahres 2111 (!).

Aufgrund dieser erheblichen rechtlichen Folgen der Miturheberschaft ist sehr zu empfehlen, dass der
„Auftraggeber“ die Vergabe von Arbeiten an weitere Personen so strukturiert, dass es sich nur um
untergeordnete Arbeiten handelt, falls er die Miturheberschaft einer anderen Person vermeiden
möchte.

III Was ist ein „Werk“ im Sinne des URG?


Art. 2 Abs. 1 URG definiert das urheberrechtliche Werk wie folgt:
Art. 2 Abs. 1 URG
1
Werke sind, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck, geistige Schöpfungen der Literatur und
Kunst, die individuellen Charakter haben.
[…]

1. Definition des Art. 2 Abs. 1 URG


Ein Werk liegt also nur dann vor, wenn es sich um eine
a) geistige Schöpfung handelt, die
b) der Literatur und Kunst angehört und
c) die individuellen Charakter hat.
Diese Bedingungen müssen kumulativ, also zwingend alle zusammen vorliegen, damit einer
künstlerischen Äusserung Urheberschutz zuerkannt werden kann.
„Geistige Schöpfung“ bedeutet, dass ein Objekt tatsächlich durch eine geistige Betätigung entstanden
sein, dass also der Künstler mit seinen Gedanken auf die äussere Form eingewirkt haben muss.
Deswegen anerkennt die Rechtswissenschaft lediglich vorgefundene und als Kunst präsentierte
Objekte (Industrieprodukte, Fundstücke aus der Natur) in der Regel nicht als „Werk“, es sei denn, der
Künstler kombiniert verschiedene Objekte zu einem neuen Ganzen – hier liegt dann die schöpferische
Tätigkeit in der Zusammenstellung.
„Individuellen Charakter“ hat die Schöpfung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dann,
wenn sie „den Stempel einer originellen und von der Individualität des Urhebers geprägten
schöpferischen Tätigkeit trägt; diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn das Werk bekannten
Formen so nahe steht, dass jeder Dritte die gleiche Form schaffen könnte.“15 Erforderlich ist

15
BGE 110 IV 102.
10

Singularität, d.h. Eigentümlichkeit des Werks im Sinne einer persönlichen Note.16 Fehlt dieser
„individuelle Charakter“, könnte also jeder Dritte ohne weiteres Gleiches schaffen, dann fehlt dem
Erzeugnis der Werkcharakter.
Dass das Werk der „Literatur und Kunst“ angehören muss, ist dagegen als Kriterium eher zu
vernachlässigen, da sich das Recht nur ungern in eine Diskussion verwickeln lassen möchte, was als
„Kunst“ zu bezeichnen ist. Denn es bestehe die Gefahr, dass „über den Kunstbegriff der Schutzbereich
des Gesetzes eingeengt wird, und dass schutzlos bleibt, was der jeweilige Richter subjektiv als nicht
schutzwürdige Nicht-Kunst empfindet.“17: Deshalb wird (vor allem den Gerichten) geraten: „Ein Werk,
dessen Zugehörigkeit zum Bereich der Literatur und Kunst zweifelhaft ist, sollte als diesem Bereich
zugehörig erkannt werden, wenn dessen Urheber eindeutig zu erkennen gibt, dass er das, was er
präsentiert, für Kunst hält.“18 Oder vereinfacht von dem chinesischen Künstler Ai Weiwei formuliert:
„Kunst ist, was man Kunst nennt.“19 Für justiziabel werden also nur die Merkmale „geistige Schöpfung“
und „individueller Charakter“ gehalten.
Wichtig ist festzuhalten, dass der (wirtschaftliche) Wert oder die Zweckbestimmung der geistigen
Schöpfung für ihre Qualifikation als Werk keine Rolle spielt: „Der Gesetzgeber wollte bewusst
verhindern, dass Gerichte über Wert und Unwert kultureller Hervorbringungen zu urteilen haben“20.

2. Werkkategorien des Art. 2 Abs. 2 URG


In Art. 2 Abs. 2 URG gibt das Gesetz uns Beispiele, welche Werkgattungen für einen
Urheberrechtsschutz in Betracht kommen:

2
Dazu gehören insbesondere:
a. literarische, wissenschaftliche und andere Sprachwerke;
b. Werke der Musik und andere akustische Werke;
c. Werke der bildenden Kunst, insbesondere der Malerei, der Bildhauerei und der Graphik;
d. Werke mit wissenschaftlichem oder technischem Inhalt wie Zeichnungen, Pläne, Karten oder
plastische Darstellungen;
e. Werke der Baukunst;
f. Werke der angewandten Kunst;
g. fotografische, filmische und andere visuelle oder audiovisuelle Werke;
h. choreographische Werke und Pantomimen.
3
Als Werke gelten auch Computerprogramme.
Die Aufzählung in Abs. 2 verdeutlicht durch das Wort „insbesondere“, dass es sich dabei nur um eine
Aufzählung handelt, es also gut denkbar ist, dass es weitere urheberrechtlich geschützte Werke gibt,
die nicht in die Kategorien des Art. 2 Abs. 2 URG fallen. Z.B. sind solche Begriffe wie Happening,

16
Rehbinder 2000, S. 91.
17
Büren/Lucas-Büren/Meer 2014, N. 188.
18
Büren/Lucas-Büren/Meer 2014, N. 189.
19
Zitiert nach Art, Das Kunstmagazin,6/2007, S. 131. So soll Ai Weiwei die Frage beantwortet haben, ob seine
Aktion, 1001 Chinesen zur documenta nach Kassel zu bringen, denn Kunst sei.
20
Barrelet/Egloff 2008, URG 2 N.9.
11

Installation, Performance nicht eindeutig einer Werkkategorie einzuordnen. Es steht aber ausser
Zweifel, dass dies einer Schützbarkeit dieser künstlerischen Äusserungen nicht entgegensteht.

Achtung: Die gedankliche Tätigkeit, die Idee alleine ist noch nicht geschützt! „Der geistige Inhalt muss
in einer sinnlich greifbaren Objektivierung Ausdruck gefunden haben.“21 Sinnlich begreifbar heisst
nach Ansicht der traditionellen Rechtsliteratur, dass das Werk entweder hör- oder sichtbar ist.

Nach Art. 2 Abs. 4 URG sind Entwürfe, Titel und Teile von Werken, sofern es sich um geistige
Schöpfungen mit individuellem Charakter handelt, ebenfalls urheberrechtlich geschützt. Dabei ist aber
zu beachten, dass bei Werktiteln ein Urheberrechtsschutz nur dann in Betracht kommt, wenn er
besonders originell und einzigartig ist. (anzunehmen vielleicht bei Paul Klees Aquarell von 1918 mit
dem Titel „Einst dem Grau der Nacht enttaucht“). Allerdings ist auch in diesen Fällen nicht die
Kombination von Werktitel und Werkexemplar geschützt, sondern nur im absoluten Einzelfall der Titel
als eigenständiges Sprachwerk.

3. Der Schutz von Sammlungen

Das URG schützt nicht nur einzelne Werke, sondern auch Sammlungen. Art. 4 URG bestimmt:

Art. 4 Abs. 1 URG


1 Sammlungen sind selbständig geschützt, sofern es sich bezüglich Auswahl oder Anordnung um
geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter handelt.
[…]

Eine Sammlung oder ein Sammelwerk ist jede Zusammenstellung von Werken oder anderen
Beiträgen, die als Ganzes den Charakter einer individuellen geistigen Schöpfung hat.22 Sie darf sich
allerdings nicht in einer blossen Addition der Beiträge erschöpfen, sondern muss durch Auslese oder
23
Anordnung individuell gestaltet sein: „Ein Sammelwerk weist wegen der das ganze Werk
durchdringenden Auswahlkriterien und der systemischen Anordnung eine gewisse innere Einheit
auf.“24 Dabei ist es für den Schutz der Sammlung unerheblich, ob die einzelnen Bestandteile ihrerseits
wieder als Werk urheberrechtlich geschützt sind oder nicht.25 Als Sammelwerke gelten etwa
Enzyklopädien, Gedichtsammlungen, Lesebücher, Kunstmappen, Koch- und Fotobücher, doch können
auch Zeitungen und Zeitschriften als Sammlungen gelten.26 Auch der urheberrechtliche Schutz von

21
Rehbinder/Viganò 2008, URG 2 N 1 unter b).
22
Barrelet/Egloff 2008, URG 4 N 4.
23
Rehbinder 2000, S. 111.
24
Büren/Lucas-Büren/Meer 2014, N. 397.
25
Büren/Lucas-Büren/Meer 2014, N. 398.
26
Barrelet/Egloff 2008, URG 4 N 4; weitere Beispiele bei Büren/Lucas-Büren/Meer 2014, N. 397.
12

Kunstsammlungen, möglicherweise ihrer Hängung, ist denkbar.27 Das heisst, dass eine massive
Änderung der Zusammensetzung und möglicherweise auch des Arrangements der Kollektion deren
Werkintegrität (Art. 11 Abs. 1 lit. a URG) verletzen kann.
Der Rechtsschutz für ein Sammelwerk ist derselbe wie für alle sonstigen Werke. Wer ein Sammelwerk
nutzen will, braucht nicht nur die Erlaubnis des Urhebers der Sammlung, sondern auch die des
Urhebers der Einzelwerke, wie Art. 4 Abs. 2 URG feststellt.

Art. 4 Abs. 2 URG


[…]
2
Der Schutz von in das Sammelwerk aufgenommenen Werken bleibt vorbehalten.

Allerdings ist nur in seltenen Fällen denkbar, dass die Aufnahme in eine Sammlung die Rechte des
Urhebers eines Einzelwerks verletzen könnte.

IV Die wichtigsten Urheberrechte

Das URG gibt dem Urheber zwei verschiedene Arten von Urheberrechten. Zum einen die
Verwendungsrechte, die dem Urheber insbesondere die wirtschaftliche Verwertung seiner Rechte
ermöglichen sollen. Sie sind grundsätzlich frei übertragbar. Zum anderen die
Urheberpersönlichkeitsrechte, die die besondere Beziehung zwischen Urheber und Werk schützen
sollen.

1. Urheberverwendungsrechte

Urheber sollen aus den von ihnen geschaffenen Werken den verdienten wirtschaftlichen Erfolg ziehen
können.28 Daher regelt Art. 10 URG ausführlich die verschiedenen Möglichkeiten der
Werkverwendung.
Wie häufig bei der Gestaltung von Rechtsvorschriften formuliert der Gesetzgeber im ersten Absatz
zunächst einen allgemeinen Grundsatz (eine sog. „Generalklausel“):

URG 10 Abs. 1 URG


1
Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann und
wie das Werk verwendet wird.
[…]

Das Urheberrecht, so bestimmt es Absatz 1, ist ein ausschliessliches Recht. Es ist umfassend und steht
nur ihm zu. Das heisst: „Ohne Einwilligung der Urheberinnen und Urheber darf dieses Recht von
niemandem beansprucht werden, und nur sie entscheiden über die Verwendung des Werks.“29

27
Dazu Sykora 2011; Rehbinder/Viganò 2008, URG 4 N 2.
28
Barrelet/Egloff 2008, URG 10 N 1.
29
Barrelet/Egloff 2008, URG 10 N 6.
13

In den darauf folgenden Abschnitten finden die Rechtsanwender dann Beispiele, welche
Möglichkeiten der Verwendung denkbar sind. Das Wort „insbesondere“ vor Beginn der Liste weist
darauf hin, dass diese nicht abschliessend ist, sondern nur beispielhaft.30 Damit will der Gesetzgeber
auch eventuelle neueste technische Entwicklungen bzw. die entsprechenden Nutzungsformen, die er
bei der Abfassung des Textes noch nicht absehen konnte, in das Gesetz einbeziehen.

URG 10 Abs. 2 und 3 URG


[…]
2
Der Urheber oder die Urheberin hat insbesondere das Recht:
a. Werkexemplare wie Druckerzeugnisse, Ton-, Tonbild- oder Datenträger herzustellen;
b. Werkexemplare anzubieten, zu veräussern oder sonst wie zu verbreiten;
c. das Werk direkt oder mit Hilfe irgendwelcher Mittel vorzutragen, aufzuführen, vorzuführen
oder es anderswo wahrnehmbar zu machen;
d. das Werk durch Radio, Fernsehen oder ähnliche Einrichtungen, auch über Leitungen, zu
senden;
e. gesendete Werke mit Hilfe von technischen Einrichtungen, deren Träger nicht das
ursprüngliche Sendeunternehmen ist, insbesondere auch über Leitungen, weiterzusenden;
f. Sendungen und Weitersendungen wahrnehmbar zu machen.
3
Der Urheber oder die Urheberin eines Computerprogrammes hat zudem das ausschliessliche
Recht, dieses zu vermieten.
Alle aufgeführten Verwendungsmöglichkeiten – man spricht auch von Nutzung oder Verwertung –
kommen originär alleine dem Urheber zu. Er kann solche Nutzungsrechte aber auch anderen
einräumen, ihnen also die Verwertung der Werke gestatten. Dazu bedarf es einer Vereinbarung
zwischen Urheber und Nutzer. Räumt der Urheber einem Vertragspartner ein bestimmtes Recht ein,
gibt er allerdings nicht seine gesamten Urheberrechte aus der Hand. Vielmehr sieht das Gesetz ein
fein abgestimmtes Stufensystem von Teil-Rechten vor, das dem Urheber in jeder Phase die Herrschaft
über die Verwendungsrechte bezüglich seines Werks gibt. Er kann eben ganz genau bestimmen, ob,
wann und wie das Werk verwendet wird, wie der Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 URG festhält. „Art. 10
will dem Urheber eine möglichst umfassende wirtschaftliche Auswertung sämtlicher Teilbereiche
seines Rechts gewährleisten, weshalb dieser den Auswertungsprozess nicht nur nach
Verwendungsarten (...), sondern auch etwa nach Zeit und Ort differenzieren kann.“31
Der Urheber kann, über die einzelne Nutzungsgestattung („Lizenzierung“) hinausgehend, auch
einzelne Urheberrechte (oder alle) auf eine andere Person übertragen, wobei er dann diese speziellen
Rechte endgültig verliert. In Art. 16 URG lässt das Gesetz die Übertragung ausdrücklich zu:

Art. 16 URG
1
Das Urheberrecht ist übertragbar und vererblich.

30
Rehbinder/Viganò 2008, URG 10 N 3.
31
Müller/Oertli 2012-Pfortmüller, URG 10 N. 1.
14

2
Die Übertragung eines im Urheberrecht enthaltenen Rechtes schliesst die Übertragung
anderer Teilrechte nur mit ein, wenn dies vereinbart ist.
[…].
Allerdings verwischen sich in der Praxis häufig die Grenzen zwischen blosser Nutzungsgestattung
durch Lizenz und endgültiger Übertragung von Urheberrechten32 und sollte daher in einem Vertrag so
präzise wie möglich geregelt werden.

2. Urheberpersönlichkeitsrechte

a) Art. 9 URG

Die zentrale Vorschrift der Urheberpersönlichkeitsrechte ist Art. 9 URG, der sehr unterschiedliche
Akzente zusammenfasst:

Art. 9 URG
1
Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht am eigenen Werk und das
Recht auf Anerkennung der Urheberschaft.
2
Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann, wie
und unter welcher Urheberbezeichnung das eigene Werk erstmals veröffentlicht werden soll.
3
Ein Werk ist veröffentlicht, wenn der Urheber oder die Urheberin es selber erstmals ausserhalb
eines privaten Kreises im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a einer grösseren Anzahl
Personen zugänglich gemacht oder einer solchen Veröffentlichung zugestimmt hat.

Der Urheber kann nach dieser Vorschrift gegenüber jedermann bestimmen, wann er das Werk als
„fertig“ erachtet und es veröffentlicht, also einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden
soll. Er hat das Recht, als Urheber genannt und anerkannt zu werden und kann sich dagegen wehren,
dass sich eine andere Person die Stellung als Urheber anmasst (dies geschieht bei Plagiaten, also wenn
ein Werk oder Teile eines Werks, wie z.B. ein wissenschaftlicher Aufsatz, nicht als Zitat eines anderen
Autors gekennzeichnet wird.)

b) Art. 11 URG: Der Schutz der Werkintegrität


Art. 11 URG gibt dem Urheber weitere wichtige Rechte:
Art. 11 Abs. 1 lit a. URG
1
Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen;
a. ob, wann und wie das Werk geändert werden darf;
b. ob, wann und wie das Werk zur Schaffung eines Werks zweiter Hand verwendet oder in ein
Sammelwerk aufgenommen werden darf.
[…].
Art. 11 Abs. 1 lit a. URG enthält ein Bestimmungsrecht des Urhebers bezüglich aller Änderungen des
Werks durch Dritte. Die Rechte des Art. 11 Abs. 1 URG tragen sowohl Elemente des
Urheberpersönlichkeits- wie auch des Urheberverwendungsrechts in sich. Insbesondere die Befugnis

32
Barrelet/Egloff 2008, URG 16 N 2a.
15

zur Änderung des Werks oder zur Schaffung eines Werks zweiter Hand (dazu sogleich unten) kann
nämlich auch übertragen werden.
Dieses Ausschliesslichkeitsrecht betrifft grosse wie kleine Änderungen, und gleichgültig ist auch, ob
eine solche Veränderung das Werk verfälscht oder entstellt oder sogar „verbessert“ bzw. in geglückter
Form ergänzt. Über jede Modifikation entscheidet der Urheber.33
Allerdings bestehen an einem Kunstobjekt, das ein Künstler veräussert hat (= verschenkt, verkauft,
eingetauscht) neben dem Urheberrecht weitere Rechte, insbesondere das Eigentum, das ja ein
umfassendes Recht an einem Gegenstand vermittelt. Diese beiden Rechtssphären können unter
Umständen einander in ihrer Ausübung behindern, vor allem, wenn Urheber und Eigentümer
verschiedene Interessen verfolgen. Ein praxisrelevantes Beispiel ist etwa die Frage nach der optimalen
Restaurierung/Erhaltung eines Werks. Restaurierungen können durchaus eine Änderung des Werks
nach sich ziehen und müssten eigentlich durch den Urheber genehmigt werden. Das gilt insbesondere
für zeitgenössische Kunst, da für sie häufig Materialien verwendet werden, die unter
Umwelteinflüssen schnell zerfallen oder technisch rapide veralten und vielleicht gar nicht mehr durch
neue Materialien oder technische Systeme ersetzt/ergänzt/aufrechterhalten werden können.

Beispiele: Videokunst in alter VHS-Technik, Installationen mit Röhrenbildschirmen, Kunst mit


lichtempfindlichen Kunststoffen wie z.B. Schaumgummi; Lichtkunst mit heute nicht mehr erhältlichen
Glühbirnen etc.

Hier kann es leicht zu Interessenskonflikten kommen: Vielleicht möchte der Urheber „sein“
Werkexemplar nicht restauriert sehen, oder vielleicht lehnt er Ersatzmaterialien als inadäquat ab. Wie
kann in einem solchen Konfliktfall zu einer Lösung gefunden und ein Ausgleich der verschiedenen
Interessen erzielt werden? Zunächst ist zu prüfen, ob durch eine geplante Massnahme wirklich eine
„Änderung“ des Werks im urheberrechtlichen Sinne vorliegt, denn „(...) nicht als Änderung wird eine
Reparatur verstanden, die in guten Treuen und fachmännisch ausgeführt wird, auch wenn das
reparierte Exemplar naturgemäss mit dem Original nicht mehr vollständig übereinstimmt.“34 Kommt
man zur Einschätzung, dass das Werk in seinem Aussagegehalt geändert wird, so ist eine
Interessenabwägung zwischen den Interessen des Eigentümers und des Urhebers vorzunehmen.
Welchen der Vorzug gegeben werden soll, muss jeweils im Einzelfall bestimmt werden.

Doch selbst wenn den Interessen des Eigentümers der Vorzug zu geben ist, muss ein Urheber nicht
hinnehmen, dass sein Werk entstellt wird und diese Entstellung ihn in seinem beruflichen Ansehen
oder in seiner Ehre verletzt. Art. 11 Abs. 2 URG besagt nämlich:

33
Barrelet/Egloff 2000, URG 11 N 1, 5-6.
34
Müller/Oertli 2012-Pfortmüller, URG 11 N. 4.
16

Art. 11 Abs. 2 URG


[…]
2
Selbst wenn eine Drittperson vertraglich oder gesetzlich befugt ist, das Werk zu ändern oder es
zur Schaffung eines Werks zweiter Hand zu verwenden, kann sich der Urheber oder die
Urheberin jeder Entstellung des Werks widersetzen, die ihn oder sie in der Persönlichkeit
verletzt.
[…].
Eine „Entstellung“ liegt aber nur vor, wenn es sich um eine erhebliche Veränderung mit negativen
Auswirkungen handelt. Man geht davon aus, dass in dieser Vorschrift eine Art „Kernbereich“ des
Urheberpersönlichkeitsrechts enthalten ist, den der Urheber jedem entgegenhalten kann, selbst dann,
wenn er eine umfassende Einwilligung zur Veränderung des Werks gegeben hat.35
Als Schritt-für-Schritt-Lösung für solche möglichen Kollisionslagen von Eigentums- und Urheberrechten
habe ich einen Fragekatalog36 entwickelt:

1. Ist die jeweilige, vom Eigentümer oder Besitzer eines Werks geplante „Manipulation“ bereits
eine urheberrechtlich relevante „Änderung“ des Werks? Betrifft sie wirklich „den eigentlichen
37
individuellen Gehalt des Werks“ ? Wie schwer ist die Beeinträchtigung?
2. Falls eine Änderung anzunehmen ist: Welchem Interesse ist im jeweiligen Einzelfall höheres
Gewicht einzuräumen – dem des Eigentümers oder dem des Urhebers?
3. Falls das Eigentümerinteresse überwiegt: Liegt eine persönlichkeitsverletzende Entstellung
eines Werks vor, die der Urheber nicht hinnehmen muss?

Um namentlich bei zeitgenössischer Kunst Konflikte von Anfang an möglichst zu vermeiden, ist meines
Erachtens ratsam: Bereits bei der Akquisition eines Werks sollten diesbezüglich so viele Daten wie
möglich gesammelt werden, und zwar u.a. über Alter, Entstehungsjahr, verwendete Materialien und
deren Bezugsquellen, Kontexte, vom Künstler mit ihnen intendierte Bedeutungen, Austauschbarkeit
von Bestandteilen etc.38 „Das Sammeln und Registrieren dieses Wissens bildet die Basis für eine
verantwortungsvolle Entscheidung hinsichtlich der Konservierung“39 eines Objekts. Es ist sehr hilfreich,
wenn der Urheber bei der Veräusserung des Werks Richtlinien erlässt, ob, wie bzw. mit welchen

35
Barrelet/Egloff 2008, URG 11 N. 13.
36
Siehe ausführlich zu Problemen der Werkintegrität Sykora 2011.
37
Hilty 2011, N 198, S. 70.
38
Sehr anschaulich zu den erforderlichen Daten Stebler 2001: Willy Stebler, Grenzen der Konservierung und
Restaurierung von Gegenwartskunst, in: Kunst + Architektur in der Schweiz, 52. Jahrgang (2001/4), S. 12-20, S.
17-18.
39
Hummelen/Sillé 2005: Ijsbrand Hummelen und Dionne Sillé [Hrsg.]: Modern Art – who cares? An
interdisciplinary research project and an international symposium on the conservation of modern and
contemporary art (Amsterdam, 08. bis 10. September 1997), Amsterdam: The Foundation for the conservation
of Modern Art, 1999/2005, S. 164. In diesem Aufsatz wird ein „Decision-making model for the conservation and
restoration of modern and contemporary art“ vorgestellt, siehe dazu S. 164-172. Zur möglichst effizienten
Registrierung der gesammelten Informationen siehe Berndes 2005: Christande Berndes & Working Group
Registration and Documentation, New Registration Models suited to modern and contemporary art, in:
Hummelen/Sillé 2005, S. 173-177.
17

Massnahmen oder Materialien es zu erhalten ist.40 Mit solchen „Guidelines“ kann die Situation
vermieden werden, dass den Eigentümern und Konservatoren z.B. durch den Tod des Künstlers
wichtige Informationen über das Werk und seine weitere Behandlung verloren gehen. Falls der
Urheber bereits verstorben ist, sollten schriftliche Quellen gesammelt und Gespräche mit Schülern,
Werkstattangehörigen, und u.U. mit Verwandten bzw. (Urheber-) Rechtsnachfolgern geführt und
protokolliert werden. Sehr hilfreich ist natürlich die Anschaffung von Ersatzteilen – falls Geldbeutel
und Räumlichkeiten dies zulassen.41 Konservatoren führen zwischenzeitlich auch Datenbanken über
Werke und Materialien und damit verbundene mögliche Werkaussagen und tauschen sich
international aus.

Bei neuer, möglicherweise für eine Galerie/ einen Ausstellungsraum konzipierten bzw. zu erstellender
Kunst ist den Vertragsparteien dringend eine exakte vertragliche Regelung zu empfehlen, die die
Besitz- und Eigentumsfrage ebenso klärt wie Regelungen enthält, wie mit dem Werk nach einer
Sonderausstellung bzw. bei einem Verkauf, einer erforderlichen Reinigung oder einem Umbau der
Räumlichkeiten verfahren werden darf. Erfahrungsgemäss zwingt eine schriftliche Fixierung die
Parteien zu einer konkreten Formulierung ihrer Wünsche und Absichten und macht ihnen
Möglichkeiten und Situationen bewusst, die sie andernfalls nicht bedacht hätten. Ein Vertrag kann
einen Konflikt vermeiden helfen, muss dies aber nicht – denn die Meinungen zwischen Experten und
Künstlern, welche Schritte z.B. für die Erhaltung eines Werks die Besten wären, können durchaus stark
differieren.
Die sehr strikte Formulierung des Schweizer URG, nach der nur der Urheber darüber bestimmt, ob und
wie ein Werk geändert werden darf, zwingt alle, die mit moderner und zeitgenössischer Kunst
umgehen, zur Einsicht: Ohne Zustimmung des Urhebers bzw. seiner Rechtsnachfolger sind
verändernde, jedenfalls aber entstellende Eingriffe bei Werken der bildenden Kunst nicht zulässig.
Auch falls man nach sehr sorgfältiger Abwägung und Recherche der Ansicht ist, dass eine geplante
Massnahme das Urheberrecht nicht berührt, ist eine Kontaktaufnahme und Einholung einer
Genehmigung des Urhebers/der Rechtsnachfolger sehr empfehlenswert. Und auch hier gilt: eine
schriftliche Dokumentation jeder dieser Schritte ist unabdingbar. Andernfalls riskieren der
Werkexemplareigentümer bzw. der Besitzer eine Urheberrechtsklage und ein aufwändiges
Gerichtsverfahren. Auch ist nicht zu vergessen, dass Urheber zunehmend ihre Marktmacht ausüben,
um einem Werk die „Authentizität zu entziehen“ - mit der Folge, dass das Werk auf dem Kunstmarkt
kaum mehr veräussert werden kann und sein monetärer Werk gegen Null geht.42

40
Siehe zu den Künstler-„Guidelines“ Annemarie Beunen, Moral Rights in Modern Art: An International Survey,
in: Hummelen/Sillé 2005, S. 222-232.
41
Stebler 2001, S. 18.
42
Eindrucksvolle Beispiele bei Andreas Ritter / Sibylle Loyrette, Das Kunstwerk als Bombe, NZZ vom 13.6.2016,
https://www.nzz.ch/feuilleton/art-basel/kunst-und-recht-das-kunstwerk-als-bombe-ld.88091.
18

Ein möglichst sorgfältiger und schonender Umgang mit Werken bei Transport und Aufbewahrung43
sollte schon im Interesse des Eigentümers selbst sein – er hilft aber auch dabei, Schäden zu
vermeiden, die Anlass zu Konflikten mit dem Urheber/seinen Rechtsnachfolgern geben können.
Urheberinnen und Urheber von Bauwerken sind in geringerem Umfang geschützt. Sie können sich
gegen eine Änderung nur dann widersetzen, wenn diese ihr berufliches Ansehen oder ihre Ehre
beeinträchtigt (Art. 12 Abs. 3 URG).

c) Erstellung des Werks zweiter Hand

Bearbeitet ein Dritter ein bestehendes Werk durch eine „schöpferische, qualitative Umgestaltung“, so
44
entsteht „in der Regel ein neues, selbständiges Werk mit eigener Individualität“, für das ein eigener
Urheberschutz beansprucht werden kann. Der Bearbeiter kreiert damit ein sog. Werk zweiter Hand,
siehe dazu Art. 3 URG:

Art. 3 URG
1
Geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter, die unter Verwendung bestehender Werke
so geschaffen werden, dass die verwendeten Werke in ihrem individuellen Charakter erkennbar
bleiben, sind Werke zweiter Hand.
2
Werke zweiter Hand sind insbesondere Übersetzungen sowie audiovisuelle und andere
Bearbeitungen.
3
Werke zweiter Hand sind selbständig geschützt.
4
Der Schutz der verwendeten Werke bleibt vorbehalten.

Das Werk zweiter Hand „entleiht also beim Ausgangswerk individuelle und somit geschützte Elemente
(...), die beim Werk zweiter Hand erkennbar bleiben.“45 Oder anders ausgedrückt: „Das Werk zweiter
Hand baut also auf einem Werk erster Hand auf, dessen Grundgedanken jenes in sich weiter tragen
muss.“46 Bereits die Schaffung eines Werks zweiter Hand muss allerdings vom Urheber des
Originalwerks bewilligt werden47, was Art. 11 Abs. 1 lit. b. URG bestimmt:

Art. 11 Abs. 1 lit. b. URG


1
Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen;
[…].
b. ob, wann und wie das Werk zur Schaffung eines Werks zweiter Hand verwendet oder in ein
Sammelwerk aufgenommen werden darf.
Zudem besteht der Urheberrechtsschutz des Ausgangswerks auch nach der Bearbeitung fort: „Die
Nutzung des Werks zweiter Hand ist daher nur mit entsprechender Bewilligung aller
Rechtsinhaberinnen und Rechtsinhaber, also derjenigen am Originalwerk und derjenigen am Werk
zweiter Hand, möglich, sofern der Urheberrechtsschutz nicht durch Zeitablauf oder aus anderen

43
Stebler 2001, S. 18-19.
44
Rehbinder/Viganò 2008, URG 3 Rn. 1.
45
Müller/Oertli-Cherpillod 2012, URG 3 Rn. 1.
46
Züllig 2008, S. 296.
47
Büren/Lucas/Büren/Meer 2006, S. 133.
19

Gründen aufgehoben wurde.“48 Auch muss sich der Urheber eine Entstellung seines Werks durch
Verwendung für die Erstellung eines Werks zweiter Hand nicht gefallen lassen, Art. 11 Abs. 2 URG.

d) Aufnahme in ein Sammelwerk

Schliesslich bestimmt Art. 11 Abs. 1 lit. b. URG, dass auch die Aufnahme eines Werks in ein
Sammelwerk genehmigungspflichtig ist. Wichtig ist dies insbesondere, wenn z.B. ein Werk in einem
Sammelwerk wie z.B. ein Kunstbuch aufgenommen werden soll. Durch die Aufnahme eines Werks in
eine (Sonder)ausstellung dagegen werden nur in Ausnahmefällen Urheberrechte des Künstlers
verletzt, aber auch dies ist denkbar, wenn z.B. durch den Kontext zu anderen Werken
hochproblematische ethische, religiöse, politische etc. Fragen aufgeworfen werden.

Beispiel: Der 1965 in der Inneren Mongolei geborene Künstlers Xiao Yu kombinierte für die
sechsteilige Installation Ruan von 1999 verschiedene tote Kleintiere zu „neuen, hybriden
Geschöpfen“49. Das Kunstmuseum Bern, in dem Ruan 2005 im Rahmen der inzwischen berühmt
gewordenen Ausstellung Mahjong zu sehen war, sah sich gar zu der Warnung veranlasst: „In einer der
sechs Assemblagen ist der Kopf eines Fötus integriert (chinesisches Präparat aus den 1960er Jahren).
Der Besuch dieses Raumes ist für sensible Personen ungeeignet und geschieht auf eigene
Verantwortung.“50

Auch für die Aufnahme eines Werks in ein Sammelwerk gilt wohl – obwohl dies gesetzlich nicht
ausdrücklich bestimmt ist – Art. 11 Abs. 2 URG: Eine Entstellung muss sich der Künstler nicht gefallen
lassen. Soll das Werk eines anderen Künstlers gemeinsam mit dieser kontroversen Installation gezeigt
werden, so kann der Künstler seine Zustimmung dazu verweigern.

e) Zutritts- und Ausstellungsrecht

Die Eigentümer und Besitzer müssen nach Art. 14 URG Zutritts- und Ausstellungsrechte des Urhebers
bezüglich der von ihm veräusserten Werkexemplare beachten:

URG 14
1
Wer ein Werkexemplar zu Eigentum hat oder besitzt, muss es dem Urheber oder der
Urheberin so weit zugänglich machen, als dies zur Ausübung des Urheberrechts erforderlich ist
und kein berechtigtes eigenes Interesse entgegensteht.
2
Der Urheber oder die Urheberin kann die Überlassung eines Werkexemplars zur Ausstellung im
Inland verlangen, sofern ein überwiegendes Interesse nachgewiesen wird.
3
Die Herausgabe kann von der Leistung einer Sicherheit für die unversehrte Rückgabe des
Werkexemplars abhängig gemacht werden. Kann das Werkexemplar nicht unversehrt
zurückgegeben werden, so haftet der Urheber oder die Urheberin auch ohne Verschulden.

48
Barrelet/Egloff 2008, URG 3 N 10.
49
Katalog Mahjong 2005, S. 304.
50
www.freiheitderkunst.ch/debat-public/index.html, Recherche vom 20.10.2009, inzwischen nicht mehr
verfügbar.
20

Das Zutrittsrecht des Art. 14 Abs. 1 URG soll dem Urheber ermöglichen, seine in Art. 10 URG
genannten Verwendungsrechte auszuüben – also z.B. Vervielfältigungen in der Form von Fotografien
oder Kopien oder ein Modell anzufertigen – und seine Werke zu inventarisieren; die Mitnahme von
51
Hilfspersonen ist dabei gestattet. Das Recht gilt für alle Werkkategorien – Gemälde, Skulpturen,
Fotografien, Bauwerke etc. – und kann gegenüber dem Eigentümer, aber auch gegenüber Besitzern,
also z.B. den Mietern eines Gebäudes, das entweder selbst ein geschütztes „Werk“ ist oder in dem
sich eines befindet, ausgeübt werden.52 Allerdings darf das Zutrittsrecht vom Urheber „nicht dazu
missbraucht werden, Änderungen am Werkexemplar vorzunehmen, weil dies das Eigentumsrecht
verletzen würde.53
Dieses Recht wird von zwei Bedingungen abhängig gemacht. Zum einen muss es zur Ausübung des
Urheberrechts erforderlich sein, es dürfen also nicht „andere, weniger einschränkende Möglichkeiten
bestehen, etwa wenn noch weitere Werkexemplare im Besitz des Urhebers oder öffentlich zugänglich
sind“.54 Zum anderen darf dem Zutrittsrecht kein berechtigtes eigenes Interesse des Eigentümers
entgegenstehen. Darunter sind vor allem persönlichkeitsrechtliche Interessen zu verstehen.55 Ein
solches ist z.B. anzunehmen, wenn der Künstler ein Personenbildnis des Eigentümers erstellt hat, das
dieser nicht vervielfältigt sehen möchte,56 oder wenn die Gefahr der Entstellung oder gar Zerstörung
des Werks droht.57

Nach Art. 14 Abs. 2 URG kann ein Urheber verlangen, dass ihm ein Werk zu Ausstellungszwecken
überlassen wird – allerdings nur temporär und nur für das Gebiet der Schweiz.58 Dafür muss er laut
Gesetzeswortlaut ein „überwiegendes Interesse“ nachweisen. Das wird dann anzunehmen sein, wenn
es sich bei der Ausstellung um eine Retrospektive handelt, in welcher das fragliche Werk einen hohen
Stellenwert hat, oder weil es sich um eine bedeutende Ausstellung handelt, für die das Werk
wesentlich ist.59 Der Eigentümer kann dem Ausstellungsrecht des Urhebers seinerseits wichtige
Interessen entgegenhalten, z.B. dass sich das Werk an einer exponierten Stelle befindet, an der sein
Fehlen stark stören würde, oder dass es bereits für eine andere Ausstellung benötigt wird.60 Und vor
allem wird auch hier ein Portraitierter die Ausstellung des Portraits in der Öffentlichkeit ablehnen
können. Dies wird aus seinem „Recht am eigenen Bild“, also einem der Schutzgüter des

51
Barrelet/Egloff 2008, URG 14 N 4.
52
Barrelet/Egloff 2008, URG 14 N 4.
53
Rehbinder/Viganò, 2008, URG 14 N 5
54
Rehbinder/Viganò, 2008, URG 14 N 6.
55
Hafner 1994, S. 70.
56
Barrelet/Egloff 2008, URG 14 N 5.
57
Müller/Oertli 2012-Pfortmüller, URG 14 N 4.
58
Müller/Oertli 2012-Pfortmüller, URG 14 N 5.
59
Barrelet/Egloff 2008, URG 14 N 6.
60
Barrelet/Egloff 2008, URG 14 N 6.
21

Persönlichkeitsrechts (ZGB 28) abgeleitet, das indes nur für ihn selbst, nicht aber für seine Erben gilt,61
da die Schweiz keinen postmortalen Persönlichkeitsschutz kennt.

Die Herausgabe kann nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 URG von einer Sicherheitsleistung für die unversehrte
Rückgabe abhängig gemacht werden. Auch trägt der Urheber das volle (finanzielle) Risiko dafür, dass
das Werk unbeschadet wieder zum Eigentümer zurückgelangt. Das ergibt sich aus der Formulierung in
Art. 14 Abs. 3 S. 2 URG, wonach der Urheber, dem das Werkexemplar überlassen wurde, „auch ohne
Verschulden haftet“,62 sog. „Kausalhaftung“. Würde beispielsweise das Museum, in dem die
Retrospektive für den Urheber stattfindet, infolge „höherer Gewalt“ mit all den darin befindlichen
Kunstwerken zerstört, müsste dafür der Urheber gerade stehen, selbst wenn sein Verhalten nicht
ursächlich für die Vernichtung des Werks war oder gewesen sein konnte. Und auch im Übrigen muss
der Urheber sämtliche Kosten tragen, die sich aus der Ausübung des Zutritts- und Ausstellungsrechts
ergeben, so insbesondere Transport- und Versicherungskosten.63

f) Schutz vor Zerstörung, Art. 15 URG

Der Urheber eines Werks ist nach Art. 15 Abs. 1 URG in gewissem Umfang vor der Zerstörung seines
Werks geschützt:

Art. 15 Abs. 1 URG


1 Müssen Eigentümer und Eigentümerinnen von Originalwerken, zu denen keine weiteren
Werkexemplare bestehen, ein berechtigtes Interesse des Urhebers oder der Urheberin an der
Werkerhaltung annehmen, so dürfen sie solche Werke nicht zerstören, ohne dem Urheber oder
der Urheberin vorher die Rücknahme anzubieten. Sie dürfen dafür nicht mehr als den
Materialwert verlangen.
2 Sie müssen dem Urheber oder der Urheberin die Nachbildung des Originalexemplars in
angemessener Weise ermöglichen, wenn die Rücknahme nicht möglich ist.
[…]
Grundsätzlich muss also der Eigentümer eines Originalwerks dieses vor dessen Zerstörung dem
Urheber gegen den Materialwert zur Rücknahme anbieten, denn: „Die Zerstörung ihrer Werke trifft
Urheberinnen und Urheber in einem doppelten Sinn. Sie entzieht einerseits ihren
Verwendungsrechten und ihren Urheberpersönlichkeitsrechten das Objekt und macht sie damit
wertlos. Sie berührt aber ihre Persönlichkeit auch noch in anderer Weise: Kunstschaffen unterscheidet
sich vom Handwerk nicht zuletzt dadurch, dass die Hervorbringungen nicht nur als punktuelle

61
Barrelet/Egloff 2008, URG 14 N 7.
62
Nach einem Grundsatz des Schweizer Obligationenrechts haftet (kurz übersetzt: zahlt) eigentlich nur
derjenige für einen Schaden, der schuldhaft gehandelt, also den Schaden entweder „mit Absicht“ oder „aus
Fahrlässigkeit“ herbeigeführt hat, so der allgemeine Grundsatz in OR 41 I. Diese Norm findet auf alle
Sachverhalte Anwendung, soweit die Verschuldenshaftung nicht im konkreten Fall durch eine spezielle Norm
verdrängt wird, Schnyder 2007, S. 334 N 1. Eine solche spezielle Norm ist Art. 15 URG, der die Kausalhaftung
festschreibt. Zum „Verschulden“ siehe Schnyder 2007, OR 41S. 349 N 45 ff.
63
Rehbinder/Viganò, URG 14 N 4.
22

Ergebnisse, sondern auch im Zeitablauf, als Spiegel eines Lebens und als Ausdruck der künstlerischen
Entwicklung interessieren. Die Zerstörung eines Werks reisst eine Lücke in dieses Abbild einer
Entwicklung.“64

V Die wichtigsten „Schranken“ der Urheberrechte


Nun wollen wir auf diejenigen Beschränkungen eingehen, die die Nutzer den Urhebern
entgegenhalten können:

1. Der „Eigengebrauch“

Art. 19 URG
1
Veröffentlichte Werke dürfen zum Eigengebrauch verwendet werden. Als Eigengebrauch gilt:
a. jede Werkverwendung im persönlichen Bereich und im Kreis von Personen, die unter sich eng
verbunden sind, wie Verwandte oder Freunde;
b. jede Werkverwendung der Lehrperson für den Unterricht in der Klasse;
c. das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben, öffentlichen Verwaltungen, Instituten,
Kommissionen und ähnlichen Einrichtungen für die interne Information oder Dokumentation.
2
Wer zum Eigengebrauch berechtigt ist, darf die dazu erforderlichen Werkexemplare auch
durch Dritte herstellen lassen; als Dritte im Sinne dieses Absatzes gelten auch Bibliotheken, die
ihren Benützern Kopiergeräte zur Verfügung stellen.
[…].

Nach Art. 19 Abs. 1 lit. c URG ist das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben, öffentlichen
Verwaltungen, Instituten, Kommissionen und ähnlichen Einrichtungen65 für die interne Information
oder Dokumentation gestattet – allerdings auch ausdrücklich auf die Vervielfältigung beschränkt. Das
Vortragen, Aufführen und Vorführen geschützter Werke ist dagegen ohne Zustimmung der Urheber
nicht erlaubt, was mit dem grossen Adressatenkreis dieser Bestimmung begründet wird.66
Weitere Einschränkungen sieht Art. 19 Abs. 3 URG vor:
Art. 19 Abs. 3 URG
[…]
3
Ausserhalb des privaten Kreises sind nicht zulässig:
a. die vollständige oder weitgehend vollständige Vervielfältigung im Handel erhältlicher
Werkexemplare;
b. die Vervielfältigung von Werken der bildenden Kunst;
c. die Vervielfältigung von graphischen Aufzeichnungen von Werken der Musik;
d. die Aufnahme von Vorträgen, Aufführungen oder Vorführungen eines Werks auf Ton-,
Tonbild- oder Datenträger.
Das heisst, dass die dort aufgezählten Vervielfältigungshandlungen, wenn sie für die betriebliche
Information oder Dokumentation erstellt werden, der Einwilligung der Urheber bedürfen.67

64
Barrelet/Egloff 2008, URG 15 N 1.
65
Gleichgültig, ob es sich um öffentliche oder private Institutionen handelt. Berechtigt nach dieser Vorschrift ist
die gesamte Berufs- und Arbeitswelt, siehe Barrelet/Egloff 2008, URG 19 N 16.
66
Barrelet/Egloff 2008, URG 19 N 16.
67
Rehbinder/Viganò 2008,, URG 19 N 30.
23

Bedeutsam ist dies in unserem Zusammenhang insbesondere für Bilddatenbanken von Betrieben,
Instituten, Museen und Universitäten: Vervielfältigung von Werken der bildenden Kunst dürfen auch
zu internen Dokumentations- oder Informationszwecken nur mit Zustimmung der Urheber in
Datenbanken zur Verfügung gestellt werden. Allerdings bezieht sich der Begriff der „bildenden Kunst“
nur auf alle „zeichnerischen, malerischen, bildhauerischen, grafischen Erzeugnisse, unabhängig von
der Technik“,68 jedoch nicht auf Fotografien und Werke der angewandten Kunst. Rückausnahme von
der Rückausnahme also: Vervielfältigungen von Fotografien und kunsthandwerklichen Erzeugnissen
dürfen, zumindest auszugsweise, im Rahmen des Eigengebrauchs genutzt werden, ohne dass die
Urheber zustimmen müssen. Allerdings ist die vollständige oder weitgehend vollständige
Vervielfältigung im Handel erhältlicher Werkexemplare nicht erlaubt (Art. 19 Abs. 3 lit a. URG).

Auch ist zu beachten, dass bei all diesen Nutzungen das Zitatrecht greifen kann (siehe dazu unten).

Eigengebrauch bedeutet - ausserhalb des privaten Gebrauchs - allerdings nicht, dass dieser
vergütungsfrei erfolgen darf. Da Betriebe, Universitäten etc. in erheblichem Masse auf die Nutzung
geschützter Werke für interne Zwecke angewiesen ist, wurden zur Vereinfachung des
Zahlungsverkehrs pauschalisierte Tarife erarbeitet. (Siehe einen Überblick zu den Tarifen 69.)
Weitere Gelder fliessen den Urhebern vor allem über Abgaben zu, die die Hersteller von
Speichermedien wie Kassetten, CD-ROMs, Datensticks etc. abzuführen haben. Auch diese werden von
den Verwertungsgesellschaften eingetrieben.

2. Archivierungs- und Sicherungsexemplare nach Art. 24 URG

Art. 24 URG ermöglicht Gedäcthnisinstitutionen die Herstellung von Sicherungs- und


Archivierungsexemplaren:
Art. 24 Abs. 1 URG
1
Um die Erhaltung des Werks sicherzustellen, darf davon eine Kopie angefertigt werden. Ein
Exemplar muss in einem der Allgemeinheit nicht zugänglichen Archiv aufbewahrt und als
Archivexemplar gekennzeichnet werden.

Diese Schrankenbestimmung dient dem Schutz wertvoller und empfindlicher Originalwerke wie
Manuskripte, Stiche, Aquarelle und Fotos und hat vor allem Bibliotheken, Dokumentationszentren und
wissenschaftliche Institute im Auge.70
Entweder das Original oder die Kopie ist ausdrücklich als Archivierungsexemplar zu bezeichnen und für
die Öffentlichkeit unzugänglich aufzubewahren.“71 Zweck ist die Bestandserhaltung des Werks als

68
Barrelet/Egloff 2008, URG 19 N 25 und URG 2 N 15.
69
http://www.swisscopyright.ch/einnahmen-und-verteilung/tarife/uebersicht.html.
70
Barrelet/Egloff 2008, URG 24 N 1.
71
Wittweiler 1993, S. 591.
24

solchem, nicht eines einzelnen vorhandenen Werkexemplars. Ist also noch ein Exemplar zu
angemessenen Konditionen erhältlich und nicht vergriffen, ist die Anfertigung der Archivierungskopie
nicht von dieser Vorschrift gedeckt – sie ist laut Literatur restriktiv auszulegen.72

Art. 24 Abs. 1 bis URG


1bis
Öffentlich zugängliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen und Archive dürfen die
zur Sicherung und Erhaltung ihrer Bestände notwendigen Werkexemplare herstellen, sofern mit
diesen Kopien kein wirtschaftlicher oder kommerzieller Zweck verfolgt wird.
(...)

Darüber hinaus dürfen nach Art. 24 Abs. 1bis URG öffentlich zugängliche (nicht gleichbedeutend mit
„öffentlichen“) Bibliotheken, Museen, Bildungseinrichtungen, Museen und Archive die zur Sicherung
und Erhaltung notwendigen Werkexemplare herstellen. Dies zielt vor allem auf das regelmässige
Überspielen digitaler Bestände, das sowohl aufgrund der beschränkten Lebensdauer der
Trägermaterialien als auch hinsichtlich der technischen Lesbarkeit unumgänglich ist.73

3. Das Zitatrecht des Art. 25 URG

URG 25 eröffnet ein Recht auf das Zitieren von Werken:

Art. 25 URG
1
Veröffentlichte Werke dürfen zitiert werden, wenn das Zitat zur Erläuterung, als Hinweis oder
zur Veranschaulichung dient und der Umfang des Zitats durch diesen Zweck gerechtfertigt ist.
2
Das Zitat als solches und die Quelle müssen bezeichnet werden. Wird in der Quelle auf die
Urheberschaft hingewiesen, so ist diese ebenfalls anzugeben.
Nur (willentlich) „veröffentlichte Werke“ dürfen zitiert werden, und das Zitat muss der Erläuterung, als
Hinweis oder zur Veranschaulichung dienen – erforderlich ist also eine „Belegfunktion“.74 Ob die
Werke der bildenden Kunst, also Gemälde, Karikaturen, Grafiken und andere bildliche Darstellungen,
ebenfalls zitiert werden dürfen, ist umstritten; die Verwertungsgesellschaft ProLitteris lehnt ein
solches Zitatrecht ab und möchte es auf Sprachwerke begrenzen.
Das Zitat rechtfertigt in einem gewissen Umfang auch Eingriffe in das Werk. Texte dürfen gekürzt,
oder in indirekter Rede wiedergegeben werden, zudem ist die Auslassung von für den Zitatzweck nicht
relevanten Passagen zulässig.75

4. Abbildung in Katalogen

Für Museen, Auktionshäuser und Messen etc. existiert nach Art. 26 URG ein Recht zur unentgeltlichen
Abbildung von urheberrechtlich geschützten Werken in Katalogen:

72
Rehbinder/Viganò 2008, URG 24 N 2.
73
Barrelet/Egloff 2008, URG 24 N 3a.
74
Rehbinder/Viganò 2008, URG 25 N 3.
75
Barrelet/Egloff 2008, URG 25 N 5.
25

Art. 26 URG
Ein Werk, das sich in einer öffentlich zugänglichen Sammlung befindet, darf in einem von der
Verwaltung der Sammlung herausgegebenen Katalog abgebildet werden; die gleiche Regelung
gilt für die Herausgabe von Messe- und Auktionskatalogen.
Permanente Sammlung oder vorübergehende Ausstellung mit Leihgaben76, unentgeltlicher Eintritt
oder entgeltlicher77 – solange eine Sammlung „öffentlich zugänglich“ ist, dürfen sich Museen,
Messen78 und Auktionshäuser bei der Abbildung auf das unentgeltliche Abbildungsrecht für ihre
Kataloge berufen. Kunstgalerien fallen allerdings nicht unter dieses Privileg.79 Begründet wird die
Ausnahmeregelung des Art. 26 URG vor allem damit, dass ein Katalog mit seiner Erläuterung von
Werken, ihrer Entstehungsgeschichten und ihres Stellenwerts der Ausstellung einen zusätzlichen Sinn
verleihen und in der Herstellung sehr kostspielig seien. Verkauf und Ausstellung lägen überdies im
Interesse der Urheber selbst.80 Kataloge mit solchen unentgeltlichen Abbildungen dürfen, wenn sie für
eine Sonderausstellung erstellt wurden, nur kurz vor, während und nach der Ausstellung vertrieben
werden, und zwar nur durch Museum/Messe/Auktionshaus81 (also nicht durch den Buchhandel – in
der Regel werden daher für den Handel eigene Ausgaben mit einer anderen ISBN-Nummer aufgelegt,
deren Abbildungen vergütungspflichtig sind).82 All diese Einschränkungen ergeben sich allerdings nicht
aus dem Gesetz, sondern werden in der Literatur als angeblich notwendige restriktive Auslegung
aufgeführt. Im Weiteren:

• Ein Katalog „besteht aus Abbildungen der sich in der Sammlung befindlichen Werke und
Erläuterungen dazu“.83 Entgegen der Kommentarliteratur akzeptiert übrigens selbst die
Verwertungsgesellschaft ProLitteris, dass auch eine pdf-Version des Katalogs im Internet
publiziert werden darf. Auch der Bundesrat hat bestätigt, dass das URG technikneutral sei und
es sich deshalb von selbst verstehe, dass auch neue Formen von Katalogen von Art. 26 URG
erfasst werden. 84

• Das Privileg des URG 26, wonach Katalogabbildungen entgeltfrei bleiben, wird streng
ausgelegt und gilt auch nicht für Werbematerial, das sich auf die Ausstellung bezieht. Die
Verwendung von Werken für sämtliche Werbemedien wie Plakate, Postkarten,
Internetwerbung, Eintrittskarten, Apps. etc. ist also genehmigungs- und gebührenpflichtig.

76
So das Bundesgericht in BGE 127 III 26, „Museumskatalog“.
77
Rehbinder/Viganò 2008, URG 26 N 4.
78
Nach Barrelet/Egloff 2008, URG 26 N 4 sollen lediglich Kunstmessen und –auktionen von diesem Privileg
profitieren können.
79
Rehbinder/Viganò 2008, URG 26 N 1.
80
Barrelet/Egloff 2008, URG 26 N 1.
81
Und zwar von der Verwaltung der Sammlung. Dies schliesst Drittpersonen aus, die z.B. einen Museumsführer
verfassen, Barrelet/Egloff 2008, URG 26 N 3.
82
Rehbinder/Viganò 2008, URG 26 N 4-5.
83
Müller /Oertli 2012-2012-Macciacchini/Oertli, URG 26 N. 6.
84
Erläuternder Bericht zu zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum und zu Änderungen des
Urhebergesetzes vom 11.12.2015, S. 31.
26

5. Die „Panoramafreiheit“ des Art. 27 URG

Auf öffentlichen Plätzen und Strassen aufgestellte Kunstwerke geniessen keinen unbeschränkten
85
Urheberrechtsschutz :

Art. 27 URG
1
Ein Werk, das sich bleibend an oder auf allgemein zugänglichem Grund befindet, darf abgebildet
werden; die Abbildung darf angeboten, veräussert, gesendet oder sonst wie verbreitet werden.
2
Die Abbildung darf nicht dreidimensional und auch nicht zum gleichen Zweck wie das Original
verwendbar sein.

Ziel dieser Regelung ist es, „der Allgemeinheit die Abbildung unserer Umwelt zu erleichtern, und zwar
auch für gewerbliche Zwecke, bspw. auf Postkarten, in Kunstbüchern oder Reiseführern.“86 Werke, die
an oder auf allgemein zugänglichem Grund sichtbar sind, dürfen daher vergütungsfrei abgebildet und
die Abbildungen wirtschaftlich verwertet werden. Dabei müssen sie rein faktisch zugänglich sein oder
„mit blossem Auge gesehen werden können“, auch wenn sie sich auf Privatgrund befinden.87 URG 27
gilt für Werke unter freiem Himmel – oder anders herum ausgedrückt: Innenräume der Gebäude sind
kein „allgemein zugänglicher Grund“88 und daher nicht von der „Panoramafreiheit“ gedeckt. In
Innenräumen darf also nicht frei abgebildet werden. Wichtig ist auch, dass sich die Werke nach dem
Gesetzeswortlaut „bleibend“ an oder auf allgemein zugänglichem Grund befinden müssen. Umstritten
ist, ob ein für Ausstellungszwecke vorübergehend installiertes Werk „bleibend“ ist und daher frei und
nicht nur für Privatzwecke verwendet werden darf.

6. Berichterstattung über aktuelle Ereignisse nach Art. 28 URG

Damit die Öffentlichkeit schnell und in einem einfachen Verfahren über Wichtiges informiert werden
kann, will Art.28 URG die vergütungsfreie Berichterstattung ermöglichen:
Art. 28 URG
1 Soweit es für die Berichterstattung über aktuelle Ereignisse erforderlich ist, dürfen die dabei
wahrgenommenen Werke aufgezeichnet, vervielfältigt, vorgeführt, gesendet, verbreitet oder
sonst wie wahrnehmbar gemacht werden.
2 Zum Zweck der Information über aktuelle Fragen dürfen kurze Ausschnitte aus Presseartikeln
sowie aus Radio- und Fernsehberichten vervielfältigt, verbreitet und gesendet oder
weitergesendet werden; der Ausschnitt und die Quelle müssen bezeichnet werden. Wird in der
Quelle auf die Urheberschaft hingewiesen, so ist diese ebenfalls anzugeben.

85
Müller /Oertli 2012-Macciacchini/Oertli, URG 27 N. 1
86
Rehbinder/Viganò URG 27, N 1.
87
Barrelet/Egloff 2008, URG 27 N 4.
88
Müller /Oertli 2012-Macciacchini/Oertli, URG 27 N 6, und Büren/Lucas/Cherpillod 2006, S. 300. Beide leiten
diese Auslegung von der französischen Fassung des URG-Gesetzestextes ab, die vom öffentlich zugänglichen
„voie“ oder „place“ spricht. Macciacchini/Oertli will insbesondere überdachte Räume (Einkaufspassagen,
Bahnhöfe etc.) ebenfalls für die Panoramafreiheit öffnen.
27

Bei dem „aktuellen Ereignis“ muss es sich „um ein Geschehen handeln, das sich an einem bestimmten
Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt abspielt und welches von erheblichem öffentlichem Interesse
ist.“89 Und wenn „dabei“, also „beim Ereignis“, geschützte Werke wahrgenommen wurden, dürfen
diese aufgezeichnet, weiterverbreitet etc. werden. Denkbar ist, dass das Werk beiläufig
wiedergegeben wird (etwa als Hintergrund für ein Interview), es kann aber auch selbst im Zentrum der
Berichterstattung stehen90 , z.B. wenn es gestohlen wurde. Der thematische Zusammenhang zwischen
Ereignis und Werk wäre etwa gegeben, wenn „anlässlich des Berichts über die Eröffnung einer
Gemäldeausstellung einige der konkret ausgestellten Bilder mit aufgenommen und auch gesendet
werden, während etwa das Verwenden eigener – wenn auch übereinstimmender – Fotografien dieser
Gemälde nicht erfasst wäre.“91

Die in unserem Skript erwähnten Schrankenbestimmungen sind nicht vollständig; siehe die weiteren
URG-Bestimmungen z.B. zur Nutzung von Archivwerken, die Parodiefreiheit oder die
Werkverwendung durch Menschen mit Behinderungen.

VI Übertragung, Dauer und Durchsetzung des Urheberrechts

In diesem Kapitel wird zunächst die Übertragung des Urheberrechts erläutert, anschliessend dessen
Dauer und schliesslich die gerichtliche Durchsetzung bzw. die Wahrnehmung der Urheberrechte durch
die Verwertungsgesellschaften.

1. Übertragung des Urheberrechts

Bereits mehrfach wurde erwähnt, dass Urheberrechte übertragbar sind. Die entsprechende
Bestimmung in Art. 16 URG lautet:
Art. 16 URG
1
Das Urheberrecht ist übertragbar und vererblich.
2
Die Übertragung eines im Urheberrecht enthaltenen Rechtes schliesst die Übertragung
anderer Teilrechte nur mit ein, wenn dies vereinbart ist.
3
Die Übertragung des Eigentums am Werkexemplar schliesst urheberrechtliche
Verwendungsbefugnisse selbst dann nicht ein, wenn es sich um das Originalwerk handelt.

Die Vorschrift fasst zwei unterschiedliche Übertragungsformen zusammen: zum einen die
rechtsgeschäftliche Übertragung, zum anderen die Vererbung.

89
Barrelet/Egloff 2008, URG 28 N 9.
90
Müller /Oertli 2012-Macciacchini/Oertli, URG 28 N. 11
91
Hilty 2011, N 233.
28

a) Rechtsgeschäftliche Übertragung des Urheberrechts

Nach Art. 16 Abs. 1 URG kann das Urheberrecht als Nutzungsrecht frei übertragen werden, und zwar
in jedem denkbaren Umfang: Die Übertragung kann in der Einräumung einzelner, z.B. nach Ort und
Zeit, Umfang usw. begrenzter Verwertungsrechte bestehen – dann wird ein Lizenzvertrag
abgeschlossen, bei dem das eigentliche Urheberrecht beim Autor verbleibt – oder es kann das
gesamte Urheberrecht an einem Werk mit allen Rechten und Pflichten abgetreten werden. Bei der
zweiten Möglichkeit erhält der Erwerber Ausschliesslichkeitsrechte, die er jedem Dritten oder sogar
dem ursprünglichen Urheber gegenüber geltend machen kann.92 Allerdings:
Urheberpersönlichkeitsrechte (dazu oben) sind generell nicht übertragbar, sie verbleiben beim
Urheber. Er kann aber einer Drittperson die Ausübung im Einzelfall gestatten,93 also z.B. der Künstler
seiner Galerie die Veröffentlichung eines Bildes im Rahmen einer Vernissage.
Die Übertragung des Eigentums am Werkexemplar schliesst urheberrechtliche
Verwendungsbefugnisse, wie Art. 16 Abs. 3 URG ausdrücklich bestimmt, allerdings selbst dann nicht
ein, wenn es sich um das Originalwerk handelt. Wenn ein Sammler also z.B. ein Gemälde kauft, dann
darf er dieses – abgesehen von seinen in den oben besprochenen Schrankenbestimmungen
abgesehen – nicht urheberrechtlich nutzen. Der Eigentümer darf das Werk aber weiterveräussern
(Art. 12 Abs. 1 URG).

b) Vererbung und Schutzdauer des Urheberrechts

Das Urheberrecht ist nach Art. 16 Abs. 1 URG auch vererbbar. Allerdings schweigt sich das URG über
die genauen Modalitäten der Vererbung aus; sie richten sich daher generell nach den Bestimmungen
des Zivilgesetzbuches.94 Stirbt ein Urheber, so erwerben die Erben den Nachlass als Ganzes mit allen
Aktiven und Passiven.95 Soweit also der Urheber nicht bereits zu Lebzeiten anderweitig über die
Urheberrechte verfügt hat, gehen diese auf die Erben über, und zwar Urheberpersönlichkeits- und
Urheberverwendungsrechte.96

Nach Art. 29 Abs. 2 URG erlischt das Urheberrecht erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers oder der
Urheberin (es sei denn für Computerprogramme, hier bestehen sie „nur“ 50 Jahre). Bis zu diesem
Zeitpunkt kommen die Erben (oder Erbes-Erben) in den Genuss der Nutzungsrechte usw. Auch die
Weitervererbung ist bis zum Ende der Schutzdauer unbeschränkt möglich.97 Einem Urheber stehen

92
Barrelet/Egloff 2008, URG 16 N 2.
93
Siehe die Diskussion bezgl. der Übertragbarkeit von Urheberpersönlichkeitsrechten bei Hilty 2011, 276-283.
94
Art. 457 ff ZGB., siehe dazu Baumgartner, Christoph, Nachlassplanung des Urhebers: Verfügungs- und
Gestaltungsspielraum zu Lebzeiten und von Todes, Bern: Stämpfli Verlag, 2005, S. 47.
95
So genannte Universalsukzession nach Art. 560 ZGB.
96
Hilty 2011, N 283.
97
Barrelet/Egloff 2008, URG 16 N 12.
29

verschiedene Möglichkeiten der Nachlassplanung zur Verfügung. So kann er sein Vermögen nicht nur
(natürlich auch zu Lebzeiten) in eine Stiftung einbringen, er kann auch einen Erbvertrag schliessen
oder ein Testament aufsetzen.98 Eingesetzte Erben können natürliche oder juristische Personen sein.99

VII Die „verwandten Schutzrechte“:


Leistungsschutz für Künstler und Vermittler

In Art. 33-39 URG gewährt das schweizerische Urheberrecht unter der Überschrift "Verwandte
Schutzrechte" gewisse genau aufgezählte subjektive Rechte für ausübende Künstler oder
"Interpreten", für die Hersteller von Ton- und Tonbildträgern (Art. 36 URG, hier nicht weiter
ausgeführt) sowie für Sendeunternehmen (Art. 37 URG, ebenfalls nicht relevant für uns). Im
Mittelpunkt dieser Regelungen stehen also Leistungen, nicht ein Schöpfungsakt. Man könnte vielmehr
sagen, dass ein bereits vorhandenes Werk durch die Vermittlungsleistungen eines Interpreten oder
Unternehmers "konkret wahrnehmbar gemacht, also gewissermassen 'realisiert'" 100wird.
Diese Rechte tragen "vom Wesen her dem wettbewerbsrechtlichen Gedanken der Verhinderung von
Marktversagen Rechnung, indem derjenige, welcher die notwendigen Investitionen zum Zwecke der
Werkvermittlung tätigt, auch in der Lage sein soll, diese in gewissen Zeiträumen mit angemessenem
Gewinn zu amortisieren, bevor Wettbewerber die auf diesen Investitionen beruhenden Leistungen
ihrerseits benutzen dürfen"101.
Wir konzentrieren uns hier auf die Rechte der ausübenden Künstler. Sie interpretieren die
Schöpfungen Dritter und erbringen so eine eigene künstlerische Leistung. Diese kann mit heutigen
technischen Mitteln natürlich jederzeit aufgezeichnet, vervielfältigt und so wirtschaftlich verwertet
werden, dass die Gefahr besteht, dass die ausübenden Künstler dabei nicht ausreichend für ihre
Leistung entlohnt werden. Die Regelungen im URG wollen sie daher einerseits wirtschaftlich
beteiligen, räumen ihnen aber andererseits auch Verbotsrechte und persönlichkeitsrechtliche
Befugnisse ein.

Art. 33 Abs. 1 URG definiert zunächst den Begriff der ausübenden Künstler und Künstlerinnen. Diese
sind

„(...) natürliche Personen, die ein Werk oder eine Ausdrucksform der Volkskunst darbieten oder
an einer solchen Darbietung künstlerisch mitwirken.“

98
Siehe dazu die ausführliche Darstellung der Möglichkeiten bei Baumgartner 2005.
99
Barrelet/Egloff 2008, URG 16 N 12.
100
Hilty 2011, N 344.
101
Hilty 2011, N 343.
30

Dabei ist es gleichgültig, ob das interpretierte Werk Urheber-Rechtsschutz geniesst, seine Schutzfrist
bereits abgelaufen ist oder (z.B. bei Alter Musik, Volkstänze, Fahnenschwingen etc.), ein solcher Schutz
niemals bestanden hat.
Geschützt wird, wer künstlerisch mitwirkt. Das ist z.B. der Fall bei Musikern, Sängern, Schauspielern,
Tänzern, Dirigenten, Choreografen, Bühnen- und Tonregisseuren und Tonmeistern, die bei der
Aufführung, Verfilmung oder Sendung eines Werkes der Musik, eines Bühnen-oder Filmwerks
mitwirken. Abzugrenzen sind die ausübenden Künstler einerseits von Personen mit rein technischer,
organisatorischer oder handwerklicher Mitwirkung (etwa als Tontechniker, Beleuchter, Komparsen
oder Statisten), die keine Interpretenrechte geniessen, und andererseits von Personen, die wiederum
Miturheber sein und damit in den Genuss von Urheberrechten kommen können, wie etwa im Rahmen
der Filmherstellung Kameraleute, Filmarchitekten, Cutter oder Regisseure (im Gegensatz zu den
Theaterregisseuren, die in der Regel zu den ausübenden Künstlern gezählt werden).102
Die ausübenden Künstler können einen festgelegten Katalog von Rechten geltend machen. Sie können
nach Art. 33 Abs. 2 URG ihre Darbietung oder deren Festlegung
a. direkt oder mit irgendwelchen Mitteln anderswo wahrnehmbar oder so zugänglich machen,
dass Personen von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl dazu Zugang haben;
b. durch Radio, Fernsehen oder ähnliche Verfahren, auch über Leitungen, senden, sowie die
gesendete Darbietung mit Hilfe von technischen Einrichtungen, deren Träger nicht das
ursprüngliche Sendeunternehmen ist, weitersenden;
c. auf Ton-, Tonbild- oder Datenträger aufnehmen und solche Aufnahmen vervielfältigen;
d. als Vervielfältigungsexemplare anbieten, veräussern oder sonst wie verbreiten;
e. wahrnehmbar machen, wenn sie gesendet, weitergesendet oder zugänglich gemacht wird.

Darüberhinaus haben sie das Recht auf Anerkennung der Interpreteneigenschaft an ihren
Darbietungen (Art. 33a Abs. 1 URG).
Haben mehrere Personen an einer Darbietung künstlerisch mitgewirkt, so stehen ihnen diese Rechte
gemeinschaftlich zu. Dies legt Art. 34 Abs. 1 URG fest, während die nachfolgenden Abschnitte
Regelungen für die Vertretung der ausübenden Künstler, insbesondere von Gruppen (z.B. von
Orchestern) treffen. Art. 35 URG schliesslich gibt den ausübenden Künstlern einen
Vergütungsanspruch für die Verwendung von Ton- und Tonbildträgern. Für ausländische Künstler
kommt dieser Anspruch allerdings nur in Betracht, wenn auch ihr Herkunftsstaat den schweizerischen
Staatsangehörigen dieses Recht ebenfalls gewährt.

102
Siehe zu diesen Beispielen im Einzelnen Hilty 2011, N. 352.
31

VIII Die praktische Umsetzung der Urheberrechte:


Die Verwertungsgesellschaften

Wie wir gesehen haben, stehen den Urhebern viele Nutzungsrechte zu, die sie Dritten zur Verwertung,
also wirtschaftlichen Nutzung, einräumen können. Allerdings wären die Überwachung sämtlicher
Rechte und der Einzug der entsprechenden Entgelte sehr aufwändig, insbesondere für bekannte
Künstler, deren Werke von vielen genutzt werden.103 Deshalb sehen viele Länder – so auch die
Schweiz104 – die Gründung von so genannten Verwertungsgesellschaften vor, die die
urheberrechtlichen Rechte der Urheber wahrnehmen (Art. 44 URG).
Einige Vorschriften des URG sehen zwingend vor, dass Urheberrechte nur von
Verwertungsgesellschaften (und nicht direkt von den Künstlern) geltend gemacht werden können, das
gilt z.B. für die Leerträgerabgabe und die Kopiervergütung. Diese Verwertung vieler Urheberrechte
durch die Verwertungsgesellschaften untersteht der Bundesaufsicht.105 Andere Rechte könnten die
Urheber zwar eigentlich selbst wahrnehmen. Wollen sie dies jedoch nicht, so können sie die
Wahrnehmung dieser Rechte an die Verwertungsgesellschaften abgeben, und zwar durch einen
privatrechtlichen Vertrag. Beispiel: Will sich ein Maler um die Reproduktion seiner Werke etwa für die
Zwecke eines Kunstkalenders oder einer Monografie nicht selbst kümmern, kann er diese Aufgabe –
natürlich gegen Zahlung eines Entgelts für diesen Service – auf eine Verwertungsgesellschaft
übertragen.

Eigenen Gewinn dürfen die Verwertungsgesellschaften nicht anstreben (Art. 45 Abs. 3 URG), zudem
sind sie zur geordneten und wirtschaftlichen Verwaltung verpflichtet (Art. 45 Abs. 1 URG). Die
Gesellschaften überwachen die Werknutzungen und schliessen mit „Verwertern“, also Personen oder
Organisationen, die die urheberrechtlichen Werke (wirtschaftlich) nutzen möchten, Verträge ab. In
diesen verpflichten sich die Verwerter, für die Nutzung tariflich festgelegte Entgelte zu zahlen. Diese
Entgelte ziehen die Verwertungsgesellschaften dann von den Verwertern ein und verteilen sie
anschliessend, internen Verteilungsreglements (Art. 48 URG) folgend, „nach Massgabe des Ertrags der
einzelnen Werke und Darbietungen“ an die Urheber (Art. 49 URG). Verwertungsgesellschaften treten
auch vor Gericht auf, um die ihnen per Gesetz übertragene Wahrnehmung von Urheberinteressen
durchzusetzen.106
Eine Übersicht über die in der Schweiz tätigen Verwaltungsgesellschaften findet sich auf
http://www.swisscopyright.ch/startseite.html, die geltenden Tarife, nach denen die Leistungen der

103
Siehe zum Hintergrund und zur Geschichte der Entstehung dieser Gesellschaften Barrelet/Egloff 2008, URG
40 N 1.
104
Geregelt ist das Recht der Verwertungsgesellschaften in URG 40- 60. Sehr ausführlich Hefti 2006.
105
Barrelet/Egloff 2008, URG 40 N 9a, 10.
106
Siehe zu dieser sog. „Aktivlegitimation“ der Verwertungsgesellschaften Barrelet/Egloff 2008, URG 62 N 2a
und URG 61 N 3.
32

Urheber zu vergüten sind, sind unter http://www.swisscopyright.ch/einnahmen-und-


verteilung/tarife/uebersicht.html zu finden. Für die Bildende Kunst ist wohl der „Tarif für die
Vervielfältigung und Verbreitung geschützter Gemälde und Fotografien sowie anderer Werke der
bildenden Kunst“ (oder kurz Tarif Bildrechte) der wichtigste, http://prolitteris.ch/fur-nutzer/bildende-
kunst-nutzungen-beantragen-und-rechte-regeln/tarif-bildrecht/. Merke: Dieser gilt nur für diejenigen
Urheber, die auch Mitglied der Verwertungsgesellschaft ProLitteris sind. Überprüfen kann man das
etwa auf http://www.bildkunst.de/service/kuenstlersuche/reproduktionsrechte.html.

IX Gerichtliche Möglichkeiten des Urhebers

Das Gesetz stellt dem Urheber verschiedene gerichtliche Mittel zur Verfügung, um die Rechte, die wir
kennen gelernt haben, gerichtlich durchzusetzen (soweit die Durchsetzung nicht durch
Verwertungsgesellschaften zu erfolgen hat).

1. Die Leistungsklage, URG 62

Mit der Leistungsklage (Art. 62 URG) kann der Urheber eine drohende Urheberrechtsverletzung
verbieten oder eine bestehende beseitigen lassen (Art. 62 I lit. a bzw. b URG), darüber hinaus Auskunft
über Herkunft und Menge urheberrechtswidrig hergestellter Gegenstände, deren Besitzer und
Abnehmer verlangen (Art. 62 I lit. c URG), Und schliesslich hat er möglicherweise auch Anspruch auf
Schadenersatz. Allerdings muss er dafür einen „Schaden, die Widerrechtlichkeit des Verhaltens, den
Kausalzusammenhang zwischen widerrechtlichem Verhalten und Schaden sowie ein Verschulden des
Schädigers beweisen.“107 Gar nicht so einfach ist die Bemessung des Schadens.108 Denn eine
tatsächliche, spürbare Vermögensminderung ist ja beim Urheber, dessen Werke widerrechtlich
genutzt wurden, nicht eingetreten – abgesehen von der entgangenen Lizenzvergütung. Wenn der
darum geprellte Urheber aber nur Schadenersatz in Höhe der eigentlich entgangenen Lizenzvergütung
fordern könnte, würden diejenigen, die unerlaubterweise Werke nutzen, gleich behandelt wie
diejenigen, die ordnungsgemäss einen Lizenzvertrag abschliessen und diesen auch erfüllen – das wäre
unsinnig. Viele Verwertungsgesellschaften sehen daher bei unerlaubter Nutzung eine Verdoppelung
der (eigentlich geschuldeten, aber unrechtmässigerweise nicht gezahlten) Lizenzgebühr vor, was aber
von der Gerichtspraxis so nicht durchgängig akzeptiert wird.109 Grundsätzlich erachtet das
Bundesgericht die vertragliche Vereinbarung solcher „Verletzerzuschläge“ als durchaus zulässig,110
lehnt sie aber dann ab, wenn nicht erkennbar ist, dass solche Tariffestsetzungen ausdrücklich

107
Barrelet/Egloff 2008, URG 62 N 12.
108
Siehe dazu Barrelet/Egloff 2008, URG 62 N 13.
109
Zu dieser Problematik Barrelet/Egloff 2008. URG 62 N 13.
110
BGE, Urteil vom 20.06.1997, abgedruckt in sic! 1998, S. 33-40, insbesondere S. 38, zu den tariflich
festgelegten Vergütungs-Verdoppelungen, die für Sendestationen gelten.
33

zwischen den Parteien vereinbart wurden. Denn solche auch „punitive damages“ genannten
Verletzerzuschläge sieht das geltende Schweizer Recht nicht vor.111 Letztlich muss ein Schaden, dessen
Existenz unbestritten ist, aber nicht ziffernmässig berechnet werden kann, von den Gerichten nach
Ermessen festgesetzt werden.112

2. Die Feststellungsklage nach Art. 61 URG und weitere Optionen im


Gerichtsverfahren

Mit der Feststellungsklage nach Art. 61 URG derjenige, der „ein rechtliches Interesse nachweist“ (also
Urheberinnen und Urheber, ausübende Künstler, Hersteller von Ton- und Tonbildträgern,
Sendeunternehmen, Verwertungsgesellschaften, Lizenznehmer), gerichtlich feststellen lassen, ob ein
Recht oder Rechtsverhältnis nach dem Urheberrechtsgesetz vorhanden ist oder fehlt. Diese Klageart
kann aber nur dann erhoben werden, wenn eine Leistungsklage nicht zum Erfolg führen kann.113
Auf Antrag einer Prozesspartei114 kann das Gericht die Einziehung und Verwertung oder Vernichtung
urheberrechtswidrig hergestellter Gegenstände oder der vorwiegend zu ihrer Herstellung dienenden
Einrichtungen, Geräte oder sonstigen Mittel anordnen, Art. 63 URG.
Auch können vorsorgliche Massnahmen wie z.B. solche zur Beweissicherung oder zur Wahrung eines
bestehenden Zustandes angeordnet werden, wenn ansonsten ein nicht leicht wiedergutzumachender
Schaden droht, Art. 65 URG. Dazu bedarf es aber einer „zeitlichen Dringlichkeit“, die insbesondere
dann zu bejahen ist, „wenn ein ordentlicher Prozess [d.h. meist die Leistungsklage] deutlich länger
dauern würde als das Massnahmeverfahren“.115
Auf Verlangen der obsiegenden Partei kann das Gericht anordnen, dass die unterliegende Partei auf
ihre Kosten das Urteil publizieren muss. Damit soll dem Informationsbedürfnis eines Personenkreises,
„welcher durch die in Frage stehen de Nutzung von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten
in irgendeiner Weise, direkt oder indirekt, berührt ist, Rechnung getragen werden.116

3. Vorschriften zur Strafbarkeit

Urheberrechtsverletzungen sind keine Kavaliersdelikte. Das wird spätestens dann deutlich, wenn man
sich die Bestimmungen der Art. 67 URG und 68 vor Augen hält, die sie unter Strafe stellen.
111
BGE 122III 463, insbes. S.467. Robert 2008 spricht sich dafür aus, sich von der Fixierung auf das
Schadenersatzrecht zu lösen und im Einzelfall zu prüfen, ob nicht auch andere Rechtsbehelfe einschlägig sein
könnten, z.B. Gewinnherausgabeansprüche gegen den bösgläubigen Geschäftsführer oder
Bereicherungsansprüche auf Herausgabe einer angemessenen Lizenzgebühr. Einer Verdoppelung der
Lizenzgebühr brauche es dagegen nicht.
112
Barrelet/Egloff 2008, URG 62 N 13.
113
Barrelet/Egloff 2008, URG 61 N 2.
114
Rehbinder/Viganò 2008, URG 63 N 2.
115
Rehbinder/Viganò 2008, URG 65 N 2.
116
Rehbinder/Viganò 2008, URG 66 N 1. Eine solche angeordnete Veröffentlichung fand z.B. in dem bereits
erwähnten Fall BGE, Urteil vom 20. Januar 2009, „Steinkirche“, veröffentlicht in sic 5/2009, S. 345-347 und
Kantonsgericht Graubünden vom 03./04. September 2007, veröffentlicht in sic 5/2009, S. 590-597. statt.
34

a) Die Strafbarkeit der Verletzungen von Urheberre chten nach Art. 9-11 URG

Art. 67 URG orientiert sich dabei an den in Art. 9, 10 und 11 URG aufgezählten Rechten des Urhebers.
Wer vorsätzlich gegen diese verstösst (z.B. unrechtmässig, also gegen den Willen des Urhebers, ein
Werk veröffentlicht, ändert, zur Schaffung eines Werks zweiter Hand verwendet, Werkexemplare
herstellt oder diese anbietet, veräussert oder sonst wie verbreitet, vorträgt, aufführt, sendet, es im
Internet zugänglich macht etc.) kann strafrechtlich belangt und mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis
zu einem Jahr bestraft werden. Voraussetzung dafür ist allerdings ein Strafantrag des in seinen
Rechten verletzten Urhebers. Ausserdem sind fahrlässig begangene Urheberrechtsverletzungen nicht
strafrechtlich verfolgbar. Das ergibt sich im Umkehrschluss daraus, dass „vorsätzliche“
Urheberrechtsverletzungen in Art. 67 URG ausdrücklich genannt sind. Es findet sich in Art. 67 Abs. 1
lit. a URG allerdings eine interessante Abweichung zu den in Art. 9 URG genannten
Urheberpersönlichkeitsrechten. Denn nach Art. 67 Abs. 1 lit.a URG ist „neben der falschen oder
veränderten Werkbezeichnung [...] auch noch die falsche oder veränderte Bezeichnung des Urhebers“
117
strafbar. Dagegen kann es nicht strafrechtlich geahndet werden, bei der Verwendung eines Werks
den Urheber nicht zu nennen.118
Eine Besonderheit des Art. 67 Abs. 1 URG ist auch lit. k, der sich auf die Auskunftsbegehren der
Leistungsklage nach Art. 62 lit c. URG bezieht und es für strafbar erklärt im dortigen Zivilverfahren
keine entsprechenden Angaben zu machen, obwohl das Gericht eine Auskunft angeordnet hatte.119
Betreiben die Täter die Urheberrechtsverletzungen „gewerbsmässig“120, werden die Verstösse nach
Art. 67 Abs. 2 URG „von Amts wegen verfolgt“, d.h. es muss kein Antrag des verletzten Urhebers
vorliegen. Zudem ist die Strafandrohung mit „Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren“ oder Geldstrafe
(wobei eine Freiheitsstrafe zwingend mit Geldstrafe zu verbinden ist) signifikant gegenüber den
nichtgewerbsmässigen Urheberrechtsverletzungen erhöht.

b) Das Plagiat

Bereits mehrfach erwähnt wurde das „Plagiat“, also das bewusste Aneignen einer fremden Leistung,
das nach Art. 68 URG auf Antrag des betroffenen Urhebers ebenfalls geahndet und mit einer Busse
belegt werden kann. Dies gilt für die unterlassene Kennzeichnung von Quelle und Urheber bei einem

117
Barrelet/Egloff 2008, URG 67 N 5.
118
Rehbinder/Viganò URG 67 N 9.
119
Rehbinder/Viganò URG 67 N 17. Achtung: „Die Strafbestimmung bezieht sich nur auf die Verweigerung der
Auskunft im Zivilverfahren. Die Aussageverweigerung im Strafverfahren ist nach den Grundsätzen des
Strafprozessrechts zu beurteilen: Verweigert die angeschuldigte Person die Aussage, so übt sie damit ein
verfassungsmässiges Recht aus.“ Barrelet/Egloff 2008, URG 67 N 6.
120
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist „Gewerbsmässigkeit […] bei berufsmässigem Handeln
gegeben. Der Täter handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für die deliktische
Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den
angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufes
ausübt.“ (BGE 116 IV 329, seither stets wiederholt).
35

Zitat (Art. 25 URG ) und bei der ausschnittsweisen Verwendung von Presseartikeln, Radio- und
Fernsehberichten für die Berichterstattung über aktuelle Ereignisse (Art. 28 URG).

X Das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks

1. Was ist das „Folgerecht“?

Das Folgerecht ist ganz allgemein gesprochen das Recht des Urhebers eines Werkes der bildenden
Künste auf eine Geldleistung bei der Weiterveräusserung des Originals des Kunstwerkes. Es will dem
Künstler (bzw. nach seinem Tod den Erben) einen Anteil am Verkaufserlös sichern, wenn das von ihm
geschaffene Kunstwerk weiterverkauft wird. Dadurch soll er an dem später eintretenden
(wirtschaftlichen) Erfolg seines Werkes beteiligt werden. In der Praxis geschieht dies dadurch, dass der
Verkäufer (oder Veräusserer) an den Künstler bzw. seine Erben einen prozentualen Anteil des
Verkaufserlöses abgibt. In der Regel wird das Folgerecht nur dann angewandt, wenn auf der Seite des
Veräusserers oder des Käufers (Erwerbers) ein Vertreter des Kunsthandels tätig wird, also z.B. eine
Galerie den Verkauf einer Skulptur vermittelt oder ein Bild von einem Auktionshaus versteigert wird.
Verkäufe unter Privaten sind vom Folgerecht in der Regel ausgenommen. In der Europäischen Union
wurde das Folgerecht zum 1. Januar 2006 durch eine Richtlinie verpflichtend eingeführt, während man
sich in der Schweiz bisher gegen das Folgerecht entschieden hat. Im Jahr 2016 hat der Bundesrat
einen Bericht vorgelegt, in dem von der Einführung von Folgerechtsabgaben in der Schweiz abgeraten
wird, da „die mit dem Folgerecht angestrebten Ziele einer breiten individuellen wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Besserstellung der Kunstschaffenden nicht erreicht werden“ könnten. 121

2. Die Rechtsgeschichte des Folgerechts

Im Jahr 1857 bestellte ein amerikanischer Sammler bei dem französischen Maler Jean-Francois Millet
für 1000 Franc das 'Angelus-Läuten'122 (heute im Musée d'Orsay, Paris). Es gilt als das bekannteste
Werk Millets, der als Schilderer des französischen Bauernstandes berühmt wurde. Zur Bekanntheit des
Werkes trug nicht zuletzt die im Jahre 1889 zwischen Frankreich und den USA entbrannte Konkurrenz
um den Besitz des Bildes bei. Sie artete zu einem regelrechten "Bieterkrieg" aus: Die American Art
Association trug dabei zunächst den Sieg davon und konnte das 'Angelus-Läuten' für über eine halbe
Million Franc erwerben. In rund 30 Jahren hatte sich der Preis des Bildes also verfünfhundertfacht,123
während sich eine von Millets Enkelinnen den Lebensinhalt mit dem Verkauf von Blumen in einem
Variete finanzieren musste.
Solche Fälle erregten 1893 die Aufmerksamkeit eines französischen Rechtsanwalts, der Öffentlichkeit
und Politiker auf diese Situation aufmerksam machen konnte und eine erweitere Beteiligung des

121
http://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2016/2016-05-11.html, Recherche vom
25.09.2016. Der Bericht enthält die neuesten Studien und Fallzahlen zum Folgerecht und einen Verweis auf
internationale Bemühungen.
122
Jean-François Millet (1814-1875), Das Angelus-Läuten, Öl auf Leinwand, H. 55,5 , B. 66 cm.
123
Nach einer neuerlichen Auktion gelangte das Bild schließlich 1909 wieder nach Frankreich, was von der
damaligen Presse als nationaler Triumph gefeiert wurde.
36

Künstlers an der Wertzunahme seines Werkes vorschlug. Diese Initiative zeigte schliesslich 1920
Erfolg, und zwar mit der Einführung des Folgerechts (der deutsche Ausdruck ist eine Übersetzung des
französischen „droit de suite“) durch ein französisches Spezialgesetz. Dem Konzept des Folgerechts
war – jedenfalls auf dem Papier - weltweit Erfolg beschert, insofern, als es 35 Staaten einführten.
Allerdings wurde es vielen Ländern nicht wirklich umgesetzt, sodass Künstler in vielen Ländern von
den Folgerechtsgesetzen finanziell nicht profitierten. Auffälligerweise entschieden sich insbesondere
wichtige Kunsthandelsnationen gegen das Folgerecht, so die USA, die Niederlande, Grossbritannien -
jedenfalls bis zur Einführung der EU-Folgerechtsrichtlinie – und die Schweiz.

3. Die Begründung des Folgerechts

Ausgangspunkt für den Anspruch des Künstlers auf finanzielle Beteiligung am Verkaufserlös ist die
folgende Überlegung: Die Werke von Komponisten, Literaten, Filmemachern usw. können beliebig oft
reproduziert, weiterverkauft und genutzt werden (Bsp: Ein erfolgreicher Roman wird mehrfach
aufgelegt und gut verkauft). Dabei sind die Urheber finanziell zu beteiligen. Anders dagegen bei
Werken der bildenden Kunst. Sie entstehen häufig nur als Unikate, an denen der Maler oder
Bildhauer, hat er sie erst einmal veräussert, keine Möglichkeit der finanziellen Beteiligung mehr hat.
Wird das Werk später weiterverkauft und wird es dabei immer teurer, vielleicht weil dieser Künstler
plötzlich im Trend liegt, muss er tatenlos zusehen, wie die Verkäufer kräftig an seiner Popularität
verdienen. Er kann nur indirekt profitieren, indem er z.B. höhere Preise für neue Kunstwerke
verlangen kann. Daher scheint es gerecht, ihn an der Wertsteigerung seines Werkes mitverdienen zu
lassen, eben durch das Folgerecht, das den Veräusserer dazu verpflichtet, den Künstler prozentual am
Verkaufserlös zu beteiligen. Kritiker meinen allerdings, das Folgerecht bediene das Klischee vom
armen Künstler. Und von Seiten der Wirtschaftsforschung wird die Ansicht vertreten, als Instrument
der sozialen Absicherung von Künstlern sei das Folgerecht ungeeignet. Allerdings dürfe auch nicht
vergessen werden, dass das Folgerecht dem bildenden Künstler die gesellschaftliche Anerkennung
seines Schaffens signalisiere und sich nicht in der Überweisung von Geld erschöpfe.124

4. Rechtslage in der EU vor 2001

Die Rechtslage in der Europäischen Union zum Folgerecht war bis zur Einführung der Folgerechts-
Richtlinie uneinheitlich. Von den 15 Mitgliedstaaten, die die EU im Jahr 2001 zählte, kannten 11 EU-
Mitgliedsstaaten irgendeine Form des Folgerechts, darunter natürlich die „Ursprungsnation“
Frankreich, ausserdem Deutschland, Italien, Spanien und Luxemburg. Allerdings war das Folgerecht in
den einzelnen Ländern rechtlich sehr unterschiedlich ausgestaltet. Beispielsweise wurde es in
Frankreich nur auf Auktionen angewandt, nicht dagegen auf den sonstigen Kunsthandel. Italien legte
im Unterschied zu den anderen Ländern für die Berechnung des an den Künstler abzuführenden
Anteils nicht den Erlös zugrunde, sondern den Gewinn, der – falls überhaupt – bei der Veräusserung
erzielt wurde. Der Prozentsatz, der an die Künstler abgeführt wurde, variierte zwischen 3 % (z.B. in
Frankreich) und 6 % (Portugal), in manchen Ländern konnten testamentarische Erben profitieren, in

124
Das der bildenden Künstler, ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München 1995 (ifo studien zu kultur und
wirtschaft 14), S 32, 37.
37

anderen nur gesetzliche Erben usw. Die Niederlande, Österreich, Irland und die wichtige
Kunsthandelsnation Grossbritannien hatten sich gegen die Einführung eines Folgerecht entschieden.

5. Die Folgen der uneinheitlichen Rechtslage: Wettbewerbsverzerrung

Die deutsche Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, die französische Verwertungsgesellschaft ADAGP


und des Groupement Européen des Sociététs d’Auteurs et Compositeurs (GESAC) beauftragten vor
dem Hintergrund dieser Unterschiede das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München mit einer
Studie zum Folgerecht, die es 1995 vorlegte. Sie kam zu dem Ergebnis, dass zum damaligen Zeitpunkt
aus europäischen Ländern Kunst vor allem in die USA, nach Grossbritannien und in die Schweiz
exportiert wurde,125 damals also alles Länder ohne Folgerechtssystem. Dem deutschen und
französischen Kunsthandel gingen nach Schätzungen von Händlern und Auktionatoren etwa 10-20 %
des Kunstmarktumsatzes durch Exporte nach Grossbritannien verloren.126 Die Studie betont allerdings,
dass das Folgerecht nur ein Faktor unter vielen darstelle, der darüber entscheide, ob ein Land über
einen regen Kunsthandel verfügt oder nicht. Mindestens ebenso wichtig seien z.B. Einfuhr-, Erb oder
Umsatzsteuern oder obligatorische Beiträge zur Künstlersozialversicherung.127 Dennoch fand das ifo-
Institut zahlreiche Indizien für eine vom Folgerecht ausgelöste Wettbewerbsverzerrung innerhalb der
EU und kam zum Schluss, dass eine Einführung des Folgerechts dem Kunsthandel in Grossbritannien
keinen massiven Schaden zufügen würde.128 Käme es zu einer (inzwischen erfolgten)
flächendeckenden Einführung in der EU, würde vermutlich vermehrt Kunst aus der EU in der Schweiz
angeboten und vor allem sehr teure Werke in die USA gebracht, wobei sich New York ohnehin schon
als Zentrum für den Handel mit moderner Kunst etabliert habe.129

6. Die EU-Folgerechts-Richtlinie von 2001

Die beiden vorgestellten Urteile und die ifo-Studie mit ihren deutlichen Hinweisen auf
Wettbewerbsverzerrungen gaben Mitte der 1990er Jahre den entscheidenden Anlass zu einer
Harmonisierung des Folgerechts auf EU-Ebene, nachdem man bereits in den 70er Jahren einen
entsprechenden Anlauf genommen hatte. Dennoch dauerte es mehr als sechs Jahre, bis im Sommer
2001 die Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001
über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks130 verabschiedet wurde (im
folgenden nur „Richtlinie“ genannt). Die lange Dauer ist vor allem auf den vehementen Widerstand
Grossbritanniens, der Niederlande und Österreichs gegen das Folgerecht zurückzuführen. Die
Richtlinie war bis zum 01. Januar 2006 von den EU-Staaten in nationales Recht umzusetzen (Art. 12

125
Ifo-Studie, S. 18.
126
A.a.O., S. 23.
127
Ausführlich dazu a.a.O., S. 43-63.
128
A.a.O., S. 28.
129
A.a.O., S. 25.
130
Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 über das
Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks, ABl. EG Nr. L 272 vom 13.10.2001, S. 32-36.
Abgedruckt z.B. in GRUR Int. 2002, S. 238 ff., oder in KUR 6/2001, S. 132-138, mit Einführung von M. Lehmann
auf S. 130-131, im Internet abrufbar unter http://eur-
lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32001L0084:DE:HTML.
38

Abs.1), wobei für EU-Staaten, die bisher kein EU-Folgerecht kannten, Übergangsregelungen bis 2010
bzw. sogar 2012 galten (Art. 8, Abs. 2 und 3).

7. Der Inhalt der Richtlinie

Die Richtlinie stellt zunächst mit 30 so genannten Erwägungsgründen die Motive der Gesetzesgeber
vor, eine wichtige Quelle für die Auslegung der Richtlinie und für die Ermittlung ihrer Ziele. Nach
Erwägungsgrund 4, um nur ein Beispiel herauszugreifen, ist die Einführung des Folgerechts in allen
Mitgliedstaaten notwendig, um den Urhebern ein angemessenes und einheitliches Schutzniveau zu
gewährleisten.

a) Das Folgerecht als unveräusserliches Recht

Zentrale Vorschrift ist Art. 1 Abs. 1. Danach sehen die Mitgliedstaaten zugunsten des Urhebers des
Originals eines Kunstwerks ein Folgerecht vor, das einen Anspruch auf Beteiligung am Verkaufspreis
aus jeder Weiterveräußerung nach der ersten Veräußerung gewährt. Es ist als unveräußerliches Recht
konzipiert, auf das der Urheber auch im Voraus nicht verzichten kann. Diese Bestimmung dient dem
Schutz des Urhebers vor unbedachten oder erzwungenen Verfügungen.131 Allerdings muss beachten
werden, dass die Richtlinie deutlich zwischen dem Folgerecht an sich und dem einzelnen Anspruch
unterscheidet. Auf einzelne Zahlungsansprüche kann der Urheber sehr wohl verzichten.

b) Beteiligung des Kunsthandels

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Folgerechts ist, dass Vertreter des Kunstmarkts wie
Auktionshäuser, Kunstgalerien und allgemein Kunsthändler als Verkäufer, Käufer oder Vermittler an
der Veräusserung beteiligt sind (Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie). Nach Erwägungsgrund 18 S. 2 sollen
Veräusserungen von Privatpersonen an nicht gewerblich handelnde Museen folgerechtsfrei bleiben.
Der Begriff der „Beteiligung“ eines Vertreters des Kunstmarktes ist die erste Unklarheit dieser
Richtlinie. Ist dieses Merkmal bereits erfüllt, wenn z.B. ein Kunsthändler bei einem ausschliesslich
zwischen Privatpersonen abgewickelten Verkauf einen Hinweis gibt oder beratend tätig wird, also nur
im Vorfeld tätig wird?132
Die Folgerechtsvergütung wird nach Art. 1 Abs. 4 der Folgerechtsrichtlinie vom Veräusserer abgeführt.
Die Mitgliedstaaten können aber vorsehen, dass der beteiligte Vertreter des Kunstmarktes allein oder
gemeinsam mit dem Veräusserer für die Zahlung der Folgerechtsvergütung haftet. Es sind aber
gewisse Tendenzen (vor allem in Frankreich) zu beobachten, die Folgerechtszahlungen auf den
Erwerber abzuwälzen.
Ein prominenter Fall in Frankreich war die Versteigerung des Nachlasses von Yves Saint Laurent durch
Christie’s, bei der die Folgerechtsabgaben den Käufern auferlegt wurden – es soll sich in diesem Fall
immerhin um eine Summe von EUR 300.000 gehandelt haben, was wesentlich dazu beigetragen

131
Urheberrecht 2006, § 26, N 4.
132
Schmidt-Werthern 2003, S. 101.
39

haben dürfte, dass Christie’s bei der Entscheidung der Einlieferer für dieses Auktionshaus seine
Konkurrenten ausstechen konnte.133

Dem Auktionshaus wurde bezüglich der Weitergabe der Folgerechtsabgabe an die Käuferseite später
vor Gericht Wettbewerbsverzerrung vorgeworfen. Der Vertreter der Klägerseite, ein Händlerverband,
schätzte

„den Anteil der Einlieferer von Kunstwerken [bei fünf Auktionen mit Kunst der Moderne, Anm. der
Verf.], die sich aus diesem Grund an Christie's - und nicht an andere Auktionshäuser oder den
Handel - gewandt haben, auf zwanzig Prozent. Den Schaden, den die anderen Marktteilnehmer
dadurch erlitten haben sollen, veranschlagt er auf fünf Millionen Euro.“ 134

Dass Christies die Abgaben an den Käufer weitergeben darf, wurde in der Folge allerdings vom
Europäischen Gerichtshof135 bestätigt. Gemäss Urteil vom Februar 2015 liegt es

„(...) allein in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (...), die Person zu bestimmen, die zur
Abführung der Folgerechtsvergütung verpflichtet ist. Zwar bestimmt die Richtlinie, dass die
Folgerechtsvergütung grundsätzlich vom Veräußerer abzuführen ist, doch erlaubt sie eine
Abweichung von diesem Grundsatz und überlässt es damit den Mitgliedstaaten, unter den in der
Richtlinie 2001/84 aufgeführten Vertretern des Kunstmarkts eine andere Person zu bestimmen,
die allein oder gemeinsam mit dem Veräußerer für die Zahlung der Folgerechtsvergütung haftet.
Die Person, der auf diese Weise das nationale Recht die Pflicht zur Abführung der
Folgerechtsvergütung auferlegt, kann mit jeder anderen Person einschließlich des Erwerbers
vereinbaren, dass diese die Folgerechtsvergütung endgültig ganz oder teilweise trägt, sofern eine
solche vertragliche Vereinbarung nicht die Pflichten und die Haftung beeinträchtigt, die der
Person, die die Folgerechtsvergütung abzuführen hat, gegenüber dem Urheber obliegen.“136

Der Gerichtshof betonte, dass durch die endgültige Bestimmung der Frage, wer endgültig die Kosten
zu tragen hat, keine Wettbewerbsverzerrungen auf dem Kunstmarkt ausgelöst werde.

c) Originale von Kunstwerken als Gegenstand des Folgerechts

Artikel 2 gibt darüber Auskunft, welche Gegenstände unter das Folgerecht fallen, und zwar Originale
von Kunstwerken. Als Originale im Sinne dieser Richtlinie gelten Werke der bildenden Künste wie
Bilder, Collagen, Gemälde, Zeichnungen, Stiche, Bilddrucke, Lithographien, Plastiken, Tapisserien,
Keramiken, Glasobjekte und Lichtbildwerke, also Fotografien. Sie müssen nach Abs. 2 entweder vom
Künstler selbst geschaffen worden sein oder es muss sich um Exemplare handeln, die als Originale von
Kunstwerken angesehen werden. Die Kunstwerke müssen vom Künstler selbst oder unter seiner
Leitung in begrenzter Auflage hergestellt worden sein, um als Originale zu gelten. Sie müssen in der
Regel nummeriert, signiert oder vom Künstler auf andere Weise ordnungsgemäß autorisiert sein.
Dagegen sagt die Richtlinie nichts darüber, was sie unter einer „begrenzten Auflage“ versteht. Im
133
Anna Blume Huttenlauch, 27. Februar 2010, „Hin und her geschoben“,
http://www.artnet.de/magazine/streit-um-folgerechtskosten-in-frankreich/, Recherche vom 01.02.2013 (nicht
mehr verfügbar).
134
Angelika Heinick, Artikel in der FAZ vom 16.02.2010, „Schweres Geschütz. Der Streit um das Folgerecht in
Frankreich findet kein Ende. Jetzt verklagt der französischer Galeristenverband das Auktionshaus Christie's“,
Download: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunstmarkt/auktionen/folgerecht-in-frankreich-schweres-
geschuetz-1941069.html.
135
EUGH, Urteil vom 26 Februar 2015, Christie’s France SNC v Syndicat national des antiquaires, case C-41/14,
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:62014CJ0041&from=EN.
136
Gerichtshof der Europäischen Union. Pressemitteilung Nr. 24/15, 26. Februar 2015,
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2015-02/cp150024de.pdf.
40

Gesetzgebungsverfahren kursierte als vom Parlament vorgeschlagenen Grösse eine Auflage von 12
Exemplaren, man entschied sich aber schliesslich gegen eine zahlenmässige Festlegung.137 Damit war
der EU-Gesetzgeber bei der Entscheidung gegen eine zahlenmässige Festlegung des Originalcharakters
eines Werkes gut beraten, da alles andere den Erfordernissen des Kunstmarktes und der
Kunstproduktion zuwider gelaufen wäre. Als Beispiel mag hier ein Linolschnitt von Pablo Picasso
dienen, Nr.11/50, der bei einer Auktion im Dezember 2006 143.000 Franken erlöste. Es wird im Markt
kaum jemand bezweifeln, dass es sich dabei um ein Original handelt. Zu den massgeblichen Kreisen
des Kunstmarkts, die über den Originalbegriff entscheiden, zählen nicht nur Künstler und
Kunsthändler, sondern auch Museumsfachleute, Kunstsachverständige und Kunstsammler. So wird die
Durchsetzung einseitiger Interessen vermieden.138

d) Der Mindestverkaufspreis

Nach Artikel 3 Abs. 1 setzen die EU-Mitgliedstatten einen Mindestverkaufspreis fest, ab dem die
Veräußerungen von Kunstwerken dem Folgerecht unterliegen. Das heisst, dass es nach Ansicht der EU
sinnvoll ist, wenn Veräusserungen erst ab einem bestimmten Preisniveau überhaupt
folgerechtspflichtig werden. Ganz billige Werke sollen also ohne Folgerechtszahlung verkauft werden
können. Damit soll verhindert werden, dass die Beteiligung ausser Verhältnis steht zu den Kosten ihrer
Verwaltung und Einziehung.139 Wenn z.B. ein graphisches Werk für 150 Euro veräussert wird und
darauf z.B. 4 %, also 6 Euro Folgerechtszahlung geleistet werden muss, so kann man sich leicht
vorstellen, dass der Aufwand für Einziehung und Abrechnung höher ist die zu leistende Zahlung. Zum
anderen soll aber mit der Mindestgrenze auch jungen Künstlern der Markteintritt erleichtert werden.
Die Festlegung des Mindestverkaufspreises überlässt die EU den Mitgliedstaaten, legt aber zugleich
fest, dass die Staaten einen Mindestverkaufspreis von 3000 EUR nicht überschreiten dürfen (Art. 4
Abs. 2).

e) Die „Galerieklausel“

Die Förderung junger Künstler hat auch die so genannte Galerieklausel zum Gegenstand. Nach Artikel
1 Abs. 3 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass das Folgerecht dann nicht anwendbar ist, wenn
der Veräusserer das Werk weniger als drei Jahre vor der betreffenden Weiterveräußerung unmittelbar
beim Urheber erworben hat und wenn der bei der Weiterveräußerung erzielte Preis 10.000 EUR nicht
übersteigt. Diese Ausnahme wird vor allem auf Galerien zutreffen. Sie trifft, so das Argument der
Gesetzgeber, ein besonders hohes Marktrisiko, da sie die Einführung der unbekannten Künstler in den
Markt bewirken sollen. Dieses Risiko soll mit dem Wegfallen der Folgerechtsentschädigung honoriert
werden. Auch hier wurde allerdings den Mitgliedstaaten Spielraum eingeräumt, der einer
Harmonisierung entgegensteht.140

137
Schmidt-Werthern 2003, S. S. 113.
138
Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auiflage 2010, § 26 UrhG, N 27.
139
Schmidt-Werthern 2003, S. 116.
140
Ausführlich und strikt ablehnend zur „Galerieklausel“ Schmidt-Werthern 2003, S.103-106.
41

f) Die Höhe der Folgerechtsentschädigungen und ein „Cap“

In Artikel 4 wurden gestaffelte Prozentsätze für die Berechnung der Höhe der Folgerechtszahlung
festgelegt. Je höher die Verkaufspreise, desto geringer die Folgerechtszahlung, es wurden also
degressive Sätze eingeführt. So gelten
4 % für die Tranche des Verkaufspreises bis zu 50.000 EUR,
3 % für die Tranche des Verkaufspreises von 50.000,01 bis 200.000 EUR,
1 % für die Tranche des Verkaufspreises von 200.000,01 bis 350.000 EUR,
0,5 % für die Tranche des Verkaufspreises von 350000,01 bis 500000 EUR,
0,25 % für die Tranche des Verkaufspreises über 500000 EUR.
Auch hier wurden den EU-Mitgliedstaaten wieder gewisse Abweichungen erlaubt, indem sie für die
unterste Tranche bis zu 50.000 EUR auch einen Satz von 5 % einführen können. Der Gesamtbetrag der
Folgerechtsvergütung darf 12.500 EUR nicht übersteigen (Art. 4 Abs. 1 Satz 2). Das Folgerecht wurde
also mit einem so genannten „Cap“ versehen. Das macht einerseits das Risiko einer
Folgerechtszahlung für den Kunsthandel kalkulierbar und soll vor allem das Abwandern von wertvollen
Werken ins folgerechtsfreie Ausland verhindern.141 Auf der anderen Seite partizipieren natürlich
gerade diejenigen Künstler, deren Werke besonders erfolgreich sind, ab 12.500 Euro nicht mehr von
einer Wertsteigerung.

g) Berechtigte

Nutzniesser der Folgerechtsvergütung ist nach Artikel 6 der Urheber des Werks und nach seinem Tod
seine Rechtsnachfolger, an die die Zahlungen zu leisten sind. Mit der Formulierung „Rechtsnachfolger“
macht der EU-Gesetzgeber deutlich, dass er nicht in das Erbrecht der EU-Staaten eingreifen möchte.
Er legt nämlich nicht fest, ob es sich bei den Rechtsnachfolgern nur um gesetzliche oder auch um
testamentarische Erben handeln kann.142 Hier gibt es auch erhebliche Unterschiede in den
Mitgliedsstaaten. Während in Frankreich beispielsweise nur die gesetzliche Erben Berechtigte der
Folgerechtszahlungen sind, kann in Spanien auch der testamentarische Erbe – also derjenige, den der
Urheber zu seinem Erben laut Testament eingesetzt hat – die Zahlungen erhalten.143
Das Folgerecht gilt für einen Zeitraum von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers144 (also gleich lang
wie die Gültigkeit normaler Urheberrechte).

141
A.a.O., S. 120-121.
142
A.a.O., S. 138-139.
143
Siehe dazu das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 15. April 2010, Az. C-518/08,
(http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&num=C-518/08) Bei diesem Rechtsstreit ging es um die
Folgerechtszahlungen von Salvador Dalí in Frankreich. Nach seinem Testament ist der spanische Staat
begünstigt.. Die französische Verwertungsgesellschaft schüttete die Zahlungen aber an die gesetzlichen Erben
aus. Das verstiess laut Gericht nicht gegen EU-Recht.
144
Dies ergibt sich aus Erwägungsgrund 17 der Richtlinie, der auf die Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29.
Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter
Schutzrechte verweist, wonach sich der Schutz des Urheberrechts auf einen Zeitraum von 70 Jahren nach dem
Tod des Urhebers erstreckt.
42

h) Übergangsfristen – inzwischen abgelaufen!

Länder, die das Folgerecht vor Inkrafttreten der Richtlinie noch nicht eingeführt hatten, hatten noch
„Schonfristen“. Seit 01.01.2012 gilt die Folgerechtsrichtlinie aber gleichermassen in allen EU-Staaten.

i) Durchsetzung des Folgerechts: Die Verwertungsgesellschaften

Wie kann allerdings ein Urheber wissen, dass eines seiner Werke veräussert wurde und er nun
Anspruch auf eine Entschädigung hat? Hier werfen wir noch einmal einen Blick auf die Zeit vor dem
Inkrafttreten der Richtlinie. Damals zeigte sich, dass das Folgerecht nur in denjenigen EU-Ländern
effektiv durchgesetzt wurde, also Geld für die Künstler abwarf, in denen der Einzug der Entschädigung
zentral geregelt war und gleichzeitig diese zentrale Verwaltung wenig Geld verschlang.145 Dies ist z.B.
in Deutschland der Fall, wo die VG Bild-Kunst die für die bildende Kunst wichtigste
Verwertungsgesellschaft ist. . Dieses System der Verwertungsgesellschaften wurde in Art. 6 Abs. 2 der
EU-Richtlinie aufgegriffen. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Wahrnehmung des
Folgerechts obligatorisch oder fakultativ einer Verwertungsgesellschaft übertragen wird. Die Richtlinie
sieht in Artikel 9 auch ein Auskunftsrecht vor. Während eines Zeitraums von drei Jahren nach dem
Zeitpunkt der Weiterveräußerung können die Anspruchsberechtigten – also die Urheber oder die
Verwertungsgesellschaften - von jedem Vertreter des Kunstmarkts alle Auskünfte einholen, die für die
Sicherung der Zahlung der Folgerechtsvergütung aus dieser Weiterveräußerung erforderlich sein
können. Danach ist der Anspruch dann verjährt.

j) Überprüfung der Richtlinie und Bericht von 2012

Nach Art. 11 muss die Kommission jede vier Jahre einen Bericht über die Auswirkungen der
Folgerechtsrichtlinie vorlegen. Dies ist zuletzt im Spätjahr 2012 erfolgt.146 Dabei musste die EU-
Kommission (für die Jahre 2005-2010) allgemein einen Druck auf die europäischen Kunstmärkte
feststellen, erkannte aber keine klaren Auswirkungen auf den Kunstmarkt durch die Einführung der
Folgerechtsrichtlinie. Sie nahm aber zur Kenntnis, dass der administrative Aufwand zur Erhebung und
Verteilung der Folgerechtszahlungen erheblich sein kann, insbesondere für Marktteilnehmer am
unteren Ende des Kunstmarkts. Noch immer, so die Ergebnisse der Untersuchung, variiert die Qualität
der Verwaltung der Folgerechtszahlungen innerhalb der EU-Mitgliedsländer erheblich. Der nächste
Bericht zur Lage des europäischen Kunstmarkts wurde für 2014 (!) avisiert.

8. Neues Folgerecht in anderen Ländern

In den USA wurden schon mehrfach Gesetzgebungsverfahren zur Einführung von


Folgerechtszahlungen in Gang gesetzt, das letzte scheiterte im Januar 2015147. In Australien wurde

145
Ifo-Studie, S. 17-20.
146
Eine Zusammenfassung des Berichts findet sich auf
http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/summary.do?id=1185012&t=e&l=en.
147
Coline Milliard, No Artist Resale Rights for US, for Now, January 14, 2015, artnet news,
https://news.artnet.com/market/no-artist-resale-rights-for-us-for-now-220318.
43

2010 ein entsprechendes Gesetz eingeführt.148 Selbst in China wurde offenbar 2013 über die
Einführung diskutiert149, später jedoch wieder verworfen. CISAC, die internationale Vereinigung von
Urhebergesellschaften, hat im Juli 2015 eine Studie zum aktuellen Stand des Folgerechts vorgelegt
und einen Vorstoss für ein internationales Übereinkommen zur globalen Einführung des Folgerechts
lanciert.150

9. Die Folgerechtsabgabe in Deutschland

In Deutschland, das das Folgerecht bereits Jahrzehnte vor der entsprechenden EU-Richtlinie gesetzlich
verankert hatte und zu dessen stärksten Befürwortern gehörte, wurde die Richtlinie 2006 durch die
Neufassung einer Vorschrift im Urheberrechtsgesetz umgesetzt.151 Nunmehr ist für jedes Kunstwerk,
das noch urheberrechtlich geschützt ist152 und das mehr als EUR 400.- Veräußerungserlös (ohne
Steuern) erzielt, vom Veräußerer ein Teil des Erlöses an den Urheber oder seine Erben abzugeben.
Berechnungsgrundlage ist immer der tatsächlich erzielte Veräußerungserlös, und zwar unabhängig
davon, ob der Preis gegenüber einem früheren Verkauf höher oder geringer war. 153
Auch muss an dem Verkauf ein Kunsthändler oder Versteigerer als Erwerber, Veräußerer oder
Vermittler beteiligt sein. Dieses Merkmal ist nach einem Urteil des Deutschen Bundesgerichtshofs
bereits erfüllt, wenn ein Kunsthändler bei einem ausschließlich zwischen Privatpersonen
abgewickelten Verkauf einen Hinweis gibt oder beratend tätig wird, also nur im Vorfeld agiert.154 Nach
diesem Urteil ist Kunsthändler für die deutsche Folgerechtsregelung »jeder, der aus eigenem
wirtschaftlichem Interesse an der Veräußerung von Kunstwerken beteiligt ist. Hierzu zählt auch, wer
Sammler und Kunstinteressenten beim Kauf und Verkauf von Kunstwerken berät und hierfür eine von
der Höhe des Kaufpreises abhängige Provision beansprucht.« Wenn aber Kunstverkäufe ausschließlich
von Privat zu Privat, also ohne Einschaltung eines Vermittlers, abgewickelt werden, muss keine Abgabe
gezahlt werden.

148
Resale Royalty Right for Visual Artists Act 2009; https://www.comlaw.gov.au/Details/C2009A00125.
149
Kelly Chung Dawson, Bill on art-resale rights draws stark portrayals in China, China Daily, 06. März 2013,
http://usa.chinadaily.com.cn/epaper/2013-03/06/content_16283469.htm. Siehe zur Situation in China auch:
Gao Yang, Study On The Introduction of Resale Royalty Right Into The PRC Copyright Law,
https://www.law.lu.se/webuk.nsf/(MenuItemById)/JAMR32exam/$FILE/Study%20on%20The%20Introduction
%20of%20Resale%20Royalty%20Right%20Into%20The%20PRC%20Copyright%20Law,%20Gao%20Yang.pdf.
150
Sam Ricketson, „Proposed international treaty on droit de suite/resale royalty right for visual artist“,
Download unter: http://www.cisac.org/Newsroom/Articles/New-Academic-Study-Proposes-a-Framework-for-
a-New-Treaty-on-the-Visual-Artist-s-Resale-Right. Recherche vom 25.09.2016.
151
Und zwar § 26 UrhG.
152
Urheberrechtlicher Schütz erlischt in Deutschland (wie wohl in den meisten Ländern) 70 Jahre nach dem Tod
eines Urhebers, § 64 UrhG.
153
Dreier/Schulze 2006, § 26 UrhG, N 17.
154
BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 I ZR 109/05 (»Sammlung Ahlers«), http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-
bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=45019&pos=0&anz=1, Recherche vom
25.09.2016.
44

Zahlen muss die Abgabe der »Veräußerer«. Das ist in der Regel der Eigentümer des Kunstwerks. Der
Erwerber haftet (jedenfalls aufgrund des Gesetzes) nicht für die Zahlung der Abgabe, eben so wenig
wird ein Vermittler durch seine Beteiligung an dem Geschäft verpflichtet die Abgabe zu zahlen.155 Wer
aber als Kommissionär tätig wird, indem er ein Kunstwerk im eigenen Namen verkauft, ist ebenfalls
»Veräußerer« und folgerechtspflichtig. Wenn ein Auktionshaus beispielsweise noch ein
Galeriegeschäft betreibt und von dort Kommissionsware in eine Auktion gibt, oder wenn das
Auktionshaus stets als Kommissionär tätig wird, verkauft es die Kunst in eigenem Namen für fremde
Rechnung und ist »Veräußerer«. Damit ist es in diesen Fällen auch selbst verpflichtet die
Folgerechtsabgabe zu entrichten. In allen anderen Fällen müsste eigentlich der Einlieferer
beziehungsweise der Eigentümer zahlen.
Auch deutsche Auktionshäuser werden durch das Urteil des EuGH (siehe oben) in ihrer Praxis
bestätigt, in ihren Auktionsbedingungen – also ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen –
festzuschreiben, dass der Käufer die Abgabe teilweise oder gar vollständig zu übernehmen hat.
Während wenige Auktionshäuser die Abgabe zwischen Käufer- und Verkäuferseite aufteilen,156 geben
andere die Kosten ausschliesslich der Käuferseite weiter.157 Rein wirtschaftlich betrachtet werden die
Kosten (ganz oder partiell) also an eine Gruppe von Kunstmarktteilnehmern weitergereicht, die
eigentlich keine Folgerechtsabgabe zahlen müsste. Formal betrachtet ist dieses Modell aber
rechtmäßig, da nach außen zunächst die Auktionshäuser die Abgabe entrichten.

155
Dreier/Schulze 2006, § 26 UrhG, N 20.
156
Ausdrücklich bestimmt die Verteilung der Folgerechtsabgabe auf Verkäufer und Käufer das Auktionshaus
Van Ham in Köln (https://www.van-ham.com/kaufen/allgemeine-hinweise.html).
157
So etwa die Versteigerungsbedingungen von Lempertz, unter Nr. 9: » Für Originalkunstwerke, deren
Urheber nach dem 31.12.1944 verstorben sind, wird zur Abgeltung des gemäß § 26 UrhG zu entrichtenden
Folgerechts eine Gebühr in Höhe von 1,9 % auf den Hammerpreis erhoben. Die Gebühr beträgt maximal €
12‘500.-«, https://www.lempertz.com/de/kaufen/kaufbedingungen.html. Ketterer Kunst GmbH & Co. KG mit
Sitz in München legt fest: „Auf die Summe von Zuschlag und Aufgeld wird die gesetzliche Umsatzsteuer von
derzeit 19 % erhoben, sowie 1,8 % Folgerechtsumlage (die Folgerechtsumlage wird bei allen Kunstwerken [sic!]
fällig und ist mit 1,8 % oft nur ein Anteil des vom Versteigerer abzuführenden Betrages)“ unter 5.4.3 der
Versteigerungsbedingungen http://www.kettererkunst.de/kaufen/versteigerungsbedingungen.php.

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