Sie sind auf Seite 1von 6

Aufgabenstellungen zu den Texten der 2.

Vorlesung

5. E.v. Braunmühl, Zeit für Kinder


1. Wie differenziert v. Braunmühl den Erziehungsbegriff aus? Worin sieht er hiervon
ausgehend das Problematische an einem erzieherischen Umgang von Mitgliedern der
Elterngeneration mit Kindern und Jugendlichen?

2. Weshalb will v. Braunmühl die Erziehung abschaffen? – Sind seine Argumente


gerechtfertigt? Wenn ja, inwiefern? – Wenn nein, warum nicht?

3. Ließe sich die Erziehung – trotz der Argumente v. Braunmühls – noch verteidigen?

4. Was passiert, wenn alle Menschen, die als „erziehungsberechtigt“ kategorisiert wird,
auf einmal jedwede Erziehung unterlassen würden?

5. Gibt es Erziehungswissenschaftler, die v. Braunmühl in seiner Einschätzung der


Erziehungsproblematik Recht zu geben scheinen?

6. Wie würden Sie die Aspekte nennen, auf die v. Braunmühl offenbar doch nicht ganz
verzichten möchte bzw. die er – nach wie vor – für völlig legitim, vielleicht sogar für
notwendig im Umgang von Eltern mit ihren Kindern hält?

6. R. Bolle, Zur Problematik des Erziehungsbegriffs



Kommentar: Auf den ersten beiden Seiten des Textes gibt es ein paar Hinweise zur
„Systemtheorie“ und dem mit ihr verbundenen „evolutionstheoretischen Weltbild“, ein Zitat
zur „Geschichtslosigkeit der neuzeitlichen Wissenschaft“, bei welcher gerade auch die
‚Geschichtslosigkeit der Erziehungswissenschaft’, soweit sie sich als empirisch-
analytische Wissenschaft versteht, mitgemeint ist und schließlich einen Hinweis darauf,
dass die Allgemeine Pädagogik aufgrund dieser Einflüsse nicht mehr auf ein allgemein
akzeptiertes Grundverständnis von Pädagogik setzen kann und deshalb strenggenommen
als Allgemeine Pädagogik auch demontiert wird...
Diese ganzen Hinweise und Anspielungen sind ohne ein entsprechendes Vorverständnis
(vgl. „Hermeneutischer Zirkel“) wahrscheinlich gar nicht so nachvollziehbar und werden
deshalb leicht ‚überlesen’... Trotzdem könnten sie zur Einordnung des dann folgenden
Textes nicht unbedeutend sein.
Deshalb die Frage:

1. Was könnte der Zweck der einführenden Ausführung sein? Welche Behauptung ist –
ohne Vorverständnis – überhaupt nicht nachvollziehbar? Was ist unklar?

1
2. In Z. 31ff wird eine Bemerkung D. Benners und J. Oelkers aus der Einleitung des
„Historischen Wörterbuchs der Pädagogik“ zitiert. – Versuchen Sie dieses Zitat zu
interpretieren. Sollte Benners und Oelkers Bemerkung zutreffend sein, löst das bei
Ihnen Irritationen aus? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

3. In diesem Artikel wird u.a. auch der Versuch unternommen, die wichtigsten Eckdaten
bzw. Knotenpunkte der Dynamik der spezifischen Veränderung der bürgerlichen
Gesellschaft zu erfassen. Versuchen Sie Anhaltspunkte/ Beispiele des heutigen
gesellschaftlichen Lebens zu finden, die genau durch diese Erklärung erfasst werden? –
Welche ‚typischen’ Phänomene werden allem Anschein nach nicht erfasst? Gibt es dafür
Erklärungsgründe?

4. In diesem Artikel geht es auch um eine Kritik der sog. empirisch-analytischen


Wissenschaften. Wie werden diese Wissenschaften eingeordnet in den geschichtlichen
Prozess der bürgerlichen Wissenschaft?
Was würden oder könnten die Vertreter dieser Wissenschaften zu ihrer eigenen
Verteidigung entgegnen?
Wie gehen solche Wissenschaften mit dem Problem der Geschichte (und der
geschichtlichen Veränderung) um?

5. In Z. 361ff. wird die These aufgestellt, dass, wenn überall der ‚gesunde
Menschenverstand’ regieren würde, dies möglicherweise für die (ökonomischen)
Kapitalinteressen der bürgerlichen Gesellschaft (s. Ausbau der ‚Konsummaximierung’)
ineffizient wäre...
Könnte es von hier aus Zusammenhänge zwischen einem pädagogischen
Bildungsanspruch und faktischer Sisyphusarbeit in den Strukturen einer
gesellschaftlichen Institution geben (wie beispielsweise der Schule)?

6. Können Sie sich unter diesen Umständen „Praktiker“ vorstellen, die sich gegen solche
Rückfragen eher wehren würden und die z.B. sagen, mit solchen „theoretischen
Überlegungen“ könnten sie in ihrem konkreten Alltag ‚nichts anfangen’ – die glauben,
mehr damit anfangen zu können, wenn ihnen ‚Theoretiker’ sagen würden, was sie
konkret machen sollten!
Wie schätzen Sie diese Haltung/ Einschätzung/ Position der sich in diesem Sinne
betont als „Praktiker“ verstehenden Lehrpersonen ein?

7. Zu S. Bernfeld: Wie wirkt das archaische Sozialisationsmodell mit seinen


„männlichen“ und „weiblichen“ Komponenten bei dem Gedanken einer Übertragung
auf die „zivilisierten“ Sozialisationsmechanismen? Gibt es hier vielleicht ähnliche,
wenngleich nicht so theatralische Prozesse mit einer aber durchaus vergleichbaren
Funktion?

8. Wenn Sie sich für einen Moment auf die Analogie zu Bernfelds Zusammenspiel von
„männlichen“ und „weiblichen“ Komponenten einlassen könnten, die in Z. 445ff. eine
Affinität zur (bequemen, sicherheitsorientierten, vielleicht auch ‚friedlichen’)
2
Konsumentenhaltung auf der einen und dem aggressiven, möglicherweise
konkurrenzorientierten und auch freiheits- und risikobehafteten Leistungsstreben auf
der anderen Seite haben, – wie würden Sie hier Ihre eigenen Eltern, ggf. Ihre
Geschwister und vor allem sich selber in diesem Spannungsfeld z.Zt. verorten?

9. Inwiefern wäre eine ‚dialogisch’ konzipierte Pädagogik (gegenüber einer


‚monologischen’) eine notwendige Bedingung eines realistischen Fortschritts von der
Unmündigkeit zur Mündigkeit, vom Egozentrismus zum Gemeinschaftsgefühl etc.? (vgl.
Z. 526ff.)

10. Was spricht innerhalb eines monologisch-dialogischen Spektrums für eine


Differenzierung und Gegenüberstellung der Begriffe „Erziehung“ und „Eduktion“? –
Was spricht dagegen? Gäbe es bessere Alternativen/ Begrifflichkeiten zur Förderung
eines bewussten und entschiedenen Umgangs mit der pädagogischen Aufgabe?

11. In Platons Höhlengleichnis scheinen die von früh an „Gefesselten“ keine große
Sehnsucht nach „Befreiung“ zu haben (vgl. auch Z. 691ff.).
Können Sie sich moderne/ heutige Formen solcher „Fesseln“ vorstellen, mit denen
Menschen von früh an scheinbar zufrieden leben...?

12. Worin bestehen in Bolles Rezeption des platonischen Höhlengleichnisses die


Grenzen der platonischen Vorgabe. M.a.W.: Was zeigt das Höhlengleichnis, was der
Eduktionsbegriff bzw. die Eduktion selbst eigentlich vermeiden soll? – Von daher die
Frage: Gibt es für das, was der Eduktionsbegriff zum Ausdruck bringen will/ soll, ein
noch besseres Bild/ Gleichnis als Platons Höhlengleichnis?

13. Was halten Sie von der vorgeschlagenen Aufgabenverteilung einer


„Erziehungswissenschaft“, die sich dann auch definitiv dem beschriebenen
problematischen Phänomen „Erziehung“ widmet und einer „Eduktionswissenschaft“,
die sich auf die Möglichkeit der Verhinderung von Entfremdung bzw. ihrer
Überwindung konzentriert?

14. Was sind Bolles Einwände gegen den Erziehungsbegriff bzw. gegen das
Erziehungsverständnis? – Gibt es schon Hinweise, warum der „Bildungsbegriff“ (gerade
von seiner Begrifflichkeit her) nicht als problematisch eingeschätzt wird?

15. Was hat der ‚Exkurs zur Bürgerlichen Gesellschaft’ mit der Erziehungsthematik zu
tun?
Sind Zusammenhänge der Erziehungsproblematik mit dem Exkurs zum „Mythos des
Sisyphos“ (Bernfeld) erkennbar? – Hat beides etwas zu tun mit der in Text 4 (Bolle, Der
Unterschied des Bildungsanspruchs...) behandelten Thematik?

16. Inwiefern ergibt sich aus der spezifischen Interpretation des Platonischen
Höhlengleichnisses ein emanzipatorisches Verständnis von „Eduktion“?

3
7. P. Bourdieu, Die konservative Schule. Die soziale
Chancenungleichheit gegenüber Schule und Kultur

Kommentar: Bourdieu (1930-2002) ist kein Erziehungswissenschaftler oder Pädagoge,
sondern Soziologe gewesen. Die soziologische Perspektive konzentriert sich darauf,
individuelle Besonderheiten auf der Grundlage gesellschaftlicher Einbindung zu verstehen.
Die Sozialisation (= Schlüsselbegriff der Soziologie) als „Vergesellschaftung des
Einzelnen“ wird als hervorgerufen durch die äußeren sozialen Verhältnisse verstanden.
Dieser Aspekt ist für eine pädagogische Perspektive nicht primär, wohl aber führt die
Berücksichtigung dieser Perspektive zur Horizonterweiterung und zur Sensibilisierung für
sonst leicht zu übersehene Bedingungsfaktoren. Typisch für das Übersehen dieser
soziologischen Perspektive ist vielleicht die Auffassung: dadurch, dass jetzt jedes Kind
nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Pflicht hat, zur Schule zu gehen und dadurch,
dass auf diese Weise JEDER und nicht durch geburtsständische Privilegien, sondern
eigene Leistungen letztlich Abitur machen und studieren kann, bestehe faktisch eine
allgemeine Chancengleichheit besteht. – Diese Unterstellung versucht Bourdieu in seinem
Beitrag zu widerlegen und plädiert dabei für eine neue Sensibilisierung der Lehrerinnen
und Lehrer inklusive der Überprüfung ihrer – oft unbewussten, sozialisationsbedingten –
Vorurteile und Vorlieben...

1. Mit welchem Schlüsselbegriff versucht Bourdieu hauptsächlich seine kritische


Perspektive zu unterstützen? Versuchen Sie diesen Begriff näher zu erfassen?

Kommentar: Bourdieu glaubt auch, dass abweichend von gesellschaftlich dominierenden


Vorstellungen, der schulische Erfolg nicht die Folge genetischer Vorzüge ist, sondern das
Ergebnis von ‚harter Arbeit’, die vielleicht subjektiv unterschiedlich empfunden wird, was
aber hauptsächlich damit zusammenhängt, dass es in jedem Milieu unterschiedliche
Selbstverständlichkeiten gibt und diese Selbstverständlichkeiten sich schon lange auf die
Vorgeschichte einer aktuellen Aufgabenbewältigung ausgewirkt haben. Wer selbst aus
einem Milieu kommt, in dem derartige Selbstverständlichkeiten, die man – in
pädagogischer Hinsicht – auch mit einem Interesse an Bildung gleichsetzen könnte, nicht
existieren, weil in der Lebensgestaltung ganz andere Prioritäten gesetzt werden,
möglicherweise auch solche, die dem Bildungsinteresse völlig entgegengesetzt sind, weil
sie sich kontraproduktiv auswirken (vgl. Bolle, Über den Unterschied des
Bildungsanspruchs...), für denn kann die Verfolgung eines Bildungsinteresses nicht anders
als „harte Arbeit“ sein, die auch nur so – zumindest zunächst – empfunden werden kann,
bevor sich die von Herbart her ermittelten „Stufen des Interesses“ (1. Leichtigkeit, 2. Lust,
3. Bedürfnis) einstellen.

2. Wie geht Bourdieu, dem es – obwohl selbst als Sohn eines einfachen Briefträgers, also
nicht aus einem akademischen Milieu stammend – gelungen war, durch seine
überzeugenden schulischen Leistungen, die er eben nicht auf genetische Determination
zurückführt, über eine Pariser Eliteschule bis zur Eliteuniversität zu gelangen und
hervorragend abzuschneiden, mit der Frage der Eröffnung von Chancengleichheit um?

3. Wenn die Haltungen und Einstellungen zum Leben und zur Arbeit nach
Einschätzung Bourdieus im Wesentlichen milieubedingt sind, und wenn niemand seine
eigene Herkunft in diesem Zusammenhang kritisch aufarbeiten und entsprechende
Konsequenzen ziehen würde, welche Folgen wären wahrscheinlich zu erwarten, wenn

4
selbst das Lesen derartiger Texte (und aller anderen), das Anfertigen eines Portfolio
(etc.) der bloßen „Freiwilligkeit“ überlassen wäre?
Und umgekehrt: Welche Chancen und vielleicht aber auch welche Grenzen hat hier das
allgemeinpädagogische Prinzip von J.A. Comenius (aus dem 17. Jahrhundert!): Allen –
Alles – von Grund auf! ?

4. Bourdieu scheint im Zuge seiner Argumentationslogik sogar ein Plädoyer für das
„Pauken“ abgeben zu wollen. – Was nimmt er dabei (im Rahmen seiner soziologischen
Perspektive) in den Blick, – was nicht?

5. Im Rahmen seiner Ausführungen macht (der seinerzeit als Schüler sicherlich als
„hochbegabt“ eingeschätzte) Bourdieu ziemlich unmissverständlich deutlich, was er von
dem „Begabungsbegriff“ hält. – Er spricht von „Begabungsideologie“. Eine Ideologie
versucht bestimmte Sachverhalte zu „vertuschen“, die Empfänger der Ideologie zu
täuschen, um aus bestimmten Interessen einen ganz anderen Eindruck zu vermitteln, als
es dem eigentlichen Sachverhalt entspräche. – Was könnte an dem behaupteten
ideologischen Charakter des Begriffs „dran“ sein? – Was spräche dagegen?

6. Bourdieu steht der These, dass die unterschiedlichen sozialen Klassen sich einander
angenähert hätten, skeptisch gegenüber (vgl. Z. 738ff.). Diese seine Einschätzung
stammt jedoch ursprünglich noch aus den 1960er Jahren, in denen das französische
Original seiner Schrift veröffentlicht wurde. Bourdieu konnte dabei also weder das
Internet noch das alle Menschen über alle sozialen Gegensätze hinweg
„beglückende“ Smartphone voraussetzen. Die Frage von daher ist: Hat sich gegenüber
seiner früheren Einschätzung bis heute Entscheidendes geändert? – Oder ist hier jede
Veränderung nur eine ‚scheinbare’? Versuchen Sie Ihre Einschätzung zu begründen.

7. Am Ende seiner Ausführungen verweist Bourdieu auf das platonische Bild von der
Eigenverantwortung des Menschen für sein „Schicksal“ (was ja letztlich auch die radikale
Verantwortlichkeit für das eigene Leben bedeutet...), das unter dem Duktus seiner
(Bourdieus) Argumentation nun allerdings eine deutlich ideologische Einfärbung
bekommt.
Man könnte Platon gegenüber Bourdieus Argumentation als „Entlastung der
Einzelnen“ für ihr „Schicksal“ begreifen? Abgesehen davon, dass Bourdieu selbst einer
extremen Interpretation dieser Sicht (im Sinne von: Allein die gesellschaftlichen Verhältnisse
sind an allem Schuld, die Einzelnen sind lediglich Opfer und damit selbst „schuldlos“)
selbst gar nicht zustimmen würde... – welche Gefahr und Problematik bestünde denn in
einer solche extremen Interpretation?

5
8. W. Klafki, Sinn und Unsinn des Leistungsprinzips in der Erziehung

Kommentar: Im Unterschied zu Pierre Bourdieu ist Wolfgang Klafki
Erziehungswissenschaftler, noch dazu einer, der bei aller Beschäftigung mit jeweils
aktuellen Fragestellungen auch der klassischen Pädagogik sehr zugewandt ist. Darüber
hinaus hat er soziologische Untersuchungen, wenn nicht von Bourdieu selbst, so doch
sehr verwandte Untersuchungen nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch in seine
Argumentation eingebaut.

1. Wie ist Klafkis Einstellung zur Leistungsproblematik?

2. Was denkt er über den Zusammenhang von Leistung und unserer bürgerlichen
Gesellschaft? Was hat das Leistungsprinzip mit der Entstehung der bürgerlichen
Gesellschaft zu tun? – Was bedeutet Leistung in der und für die bürgerliche Gesellschaft
heute?

3. Was hält er für problematisch am Leistungsverständnis?

4. Wie sieht er das Verhältnis von Leistung und Pädagogik? Was ist hier der
Orientierungspunkt seiner Argumentation?

5. Was sind überhaupt Klafkis Zielvorstellungen in pädagogischer Hinsicht?

6. Wie interpretiert Klafki in diesem Zusammenhang Schule als gesellschaftliche


Institution?

7. Gibt es in dem Text Anhaltspunkte für parallele Einsichten Klafkis und Bourdieus? –
Wo setzen sie unterschiedliche Akzente? – An welcher Stelle und warum geht Klafki
über Bourdieu hinaus?

8. Wie setzt sich Klafki mit den empirisch-analytischen Untersuchungen zur


Leistungsmotivation auseinander?
Was hält er beispielsweise von den Forschungsergebnissen eines Heinz Heckhausen?
Welchen Zugang hat der Psychologe Heckhausen zu pädagogischen Fragestellungen, wie
sie Klafki in seinem Aufsatz herausarbeitet? Woran orientiert sich Heckhausen in seiner
Forschung?

Das könnte Ihnen auch gefallen