20 08:38
S 4580 Sporaden u. ostägäische Inseln. Große, aber auch kleinere Inseln waren oft
in Rivalitäten hellenistischer Herrscher ver-
A. Allgemeines.
wickelt u. blieben umkämpft. In den Mithri-
I. Name, Inselgruppen u. Verwaltung .
II. Wirtschaft . datischen Kriegen u. röm. Bürgerkriegen im
III. Das spätantike Heidentum, die jüd. Ge- 1. Jh. vC. bestimmte im Allgemeinen die po-
meinschaften u. das frühe Christentum . lit. Haltung der Inselgemeinden ihr Schick-
sal u. ihre polit. Bedeutung. Während des
B. Die einzelnen Inseln. Prinzipats bemühten sich die lokalen Eliten,
I. Lesbos . ihre Loyalität gegenüber der neuen Regie-
II. Chios .
rung unter Beweis zu stellen, indem sie
III. Samos. a. Allgemeines . b. Das Heraion
. darum wetteiferten, sowohl die wachsenden
IV. Ikaria . Ansprüche hinsichtlich des Kaiserkultes
V. Korsiai . (*Herrscherkult) zu erfüllen als auch gleich-
VI. Tenedos . zeitig die traditionellen Kulte u. andere öf-
VII. Skiathos . fentliche Einrichtungen zu bewahren. Im 3.
VIII. Peparethos (heute: Skopelos) . Jh. nC. begann der Niedergang der Städte;
IX. Ikos (Chelidromia, heute: Alonnisos) . nach den Verwaltungsreformen durch *Dio-
X. Skyros . cletianus u. *Constantinus d. Gr. übernahm
die Provinzregierung von den Städten nach
S 4580 001 A. Allgemeines. I. Name, Inselgruppen u. u. nach immer stärker deren bisher eigen-
Verwaltung. In antiker u. byzantinischer ständige Verwaltung u. Wirtschaft, ein Pro-
Zeit bezeichnete der Name Sporades (von zess, der unter *Iustinianus zum Abschluss
speiÂrein [,zerstreuen‘]) die ägäischen Inseln, kam (Procop. hist. arc. 26, 33f). Nach dem
die stark verstreut im Wesentlichen außer- Synekdemos des Hierokles (685, 7/687, 6 [32
halb des zentralen Archipels der *Kykladen Honigmann]; vor 535) wurden alle östl. In-
liegen. Ihre Anzahl variiert in den Quellen seln außer Lemnos zusammen mit dem Groß-
erheblich (Koder / Hild 47; Koder 55; E. Ma- teil der Kykladen u. den südostägäischen In-
lamut, Les ı̂les de l’Empire byz. [Paris 1988] seln Teil der Provinz Insulae. Die zivile Pro-
47f). Die S. (Abb. 1) können in eine östl. oder vinzverwaltung wurde von einem hëgemvÂn /
asiat. Gruppe (d. h. die Inseln in der Nähe praeses wahrgenommen, der seinen Sitz auf
der Küsten Kleinasiens, zu denen Samos, Rhodos hatte. Die Provinz Insulae gehörte
Ikaria, Chios, Lesbos u. Tenedos gehören) u. zusammen mit Ägypten, der Diözese Oriens,
eine europ. Gruppe (bestehend aus Skyros, *Cyprus, Kleinasien u. dem östl. Teil des
Skiathos, Ikos [Alonnisos; zur Frage der Balkans in den Verwaltungsbereich des
Identifikation mit dem antiken Halonnesos s. praefectus praetorio per orientem (Zos. 2, 33,
u. Sp. ], Peparethos [Skopelos], Lemnos, 1; A. H. M. Jones, The later Roman Empire,
Thasos, Imbros u. Samothrake) unterteilt 284/602 [Oxford 1964] 101. 370f. 481/3). Im J.
werden, was mit der Einteilung von Strabo 536 schloss Justinian die Insulae zusammen
u. anderen antiken Geographen überein- mit Zypern, *Karien, Moesia II u. Scythia zu
stimmt (Strab. 2, 5, 21). Der nördlichste Teil einem neuen großen Gebiet zusammen, das
der europ. Gruppe wird im Art. *Thasos u. aus der Praefectura Oriens ausgegliedert
nordägäische Inseln behandelt werden, wäh- wurde. Die Quästur (aÆrxhÁ tv Ä n nhÂsvn) war
rend die südl. S. unter *Rhodos u. Dodeka- im Wesentlichen für die Berechnung u. Er-
nes zu finden sind. – Es bestanden zu allen hebung der jährlichen allgemeinen Abgaben
Zeiten enge administrative, kulturelle u. in den Provinzen zuständig; der Quästor
wirtschaftliche Verbindungen des östl. Teils (oder praefectus insularum) übte sowohl die
der S. mit Kleinasien. Allen diesen Inseln fiskalische als auch die richterliche Gewalt
gehörte bis in die Kaiserzeit ein Territorium über diese Provinzen aus (zur Verwaltung
auf dem angrenzenden Festland, die sog. der Insulae G. Deligiannakis, Art. Rhodos u.
Peraia. Ebenso fungierten die sog. nördl. S. Dodekanes: o. Bd. 29, 95/9). – Die westl. In-
(Peparethos, Ikos, Skiathos, Skyros) vor der selgruppe (heute: nördl. S.) umfasst Skyros,
Halbinsel Magnesia u. der Insel Euböa als Skiathos, Peparethos, Ikos sowie die sog. Er-
strategische Vorposten u. wichtige Flotten- imonisia. Sie liegen an einem wichtigen Kno-
stützpunkte, indem sie den Zugang zu u. von tenpunkt der ägäischen Schifffahrtswege,
Thessalien u. der übrigen Ägäis sicherten. der die Fortsetzung der Halbinseln Magne-
000003 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38 000004 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38
sia u. Nordeuböa darstellt, u. schlagen einen giert wurde. Diese Besonderheit, die sich
Bogen zur Halbinsel Athos (vgl. Plin. n. h. 4, nicht mit den Schifffahrtswegen rechtferti-
72: ,durch den Golf von Athos‘ bzgl. Pepar- gen lässt, könnte auf die traditionellen Ver-
ethos, Skiathos, Imbros u. Lemnos). Hohe bindungen dieser Inseln mit **Athen (II) zu-
Luftfeuchtigkeit u. eine hohe jährliche Nie- rückzuführen sein. Eunapius informiert uns,
derschlagsmenge machten das Anpflanzen dass Kaiser **Constans (I) (337/50) ,einige
von Kiefernwäldern möglich, die für *Handel nicht unbedeutende Inseln‘ (vit. soph. 10, 7, 5
(I) u. Schiffsbau genutzt werden konnten. [77 Giangrande]) an Athen abtrat, damit
Strab. 9, 5, 16 gibt eine kurze Beschreibung diese der Stadt ihre Getreideernte als Na-
des Archipels, in der er v. a. Skyros als den turalabgaben zur Verfügung stellen konnten.
Ort hervorhebt, an dem Achill unter den Möglicherweise war die Aufnahme von Sky-
Töchtern des Lykomedes u. später sein Sohn ros, Lemnos u. Imbros in die Provinz Achaia
Neoptolemos aufwuchsen. Außer durch seine die Folge dieses Ereignisses. Skopelos, Ski-
Rolle in diesem antiken *Mythos sei Skyros athos u. wahrscheinlich auch Ikos gehörten
auch durch seine vorzüglichen Ziegen u. zur Provinz Thessalien, die von einem prae-
seine Buntsandsteinbrüche berühmt. Skyri- ses mit Sitz in Larissa regiert wurde. Sowohl
scher *Marmor sei dem dokimeischen oder Achaia als auch Thessalien unterstanden
syr. vergleichbar u. würde in Rom sowohl wiederum dem praefectus praetorio von Il-
für öffentliche als auch private Bauten ver- lyricum, der seinen Sitz in Sirmium u. nach
wendet. Strabo erwähnt auch, dass Philipp ca. 441 (oder 379) in *Thessaloniki (I) hatte.
II im 4. Jh. vC. die Inseln vor Magnesia er- Welche Auswirkungen die Überfälle von
oberte u. dadurch bekannt machte (ebd.). In **Barbaren (I) im 4./6. Jh. u. ab 580 die
spätantiker Zeit wurde Skyros zusammen Gründung slawischer Siedlungen in Make-
mit Imbros u. Lemnos der Provinz Achaia donien, Thrakien, Achaia u. Thessalien auf
angegliedert, die von einem Prokonsul re- die S. hatten, ist schwer feststellbar, da die
000005 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38 000006 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38
entspr. Quellen i. d. R. nicht auf sie Bezug der Goten, Hunnen u. Slawen im 6./7. Jh. in
nehmen (Mirac. Demetr. 2, 1, 179. 5, 296 [175. Thessalien, Mittelgriechenland u. Makedo-
231 Lemerle]; Lösegeld für 2500 Einwohner nien sowie die Pest (541/44; *Seuche) dürften
von Imbros, Tenedos u. Samothrake, die von das Wirtschaftsleben stark beeinträchtigt
den Slawen gefangen genommen wurden [iJ. haben. Darüber hinaus fand das *Annona-
769]: Niceph. Cpol. brev. 86 [CorpFontHist- System im frühen 7. Jh. durch die pers. u.
Byz 13, 162]). Wahrscheinlich wurden zumin- arab. Eroberungen ein plötzliches Ende. Ein
dest einige der Inseln angegriffen, geplün- Großteil der Handelsflotte der Inseln wurde
dert oder von feindlichen Truppen besetzt. – nach u. nach in die Seestreitkräfte der Ka-
Mit dem 7. Jh. endete eine Ära des Wohl- rabisianoi umgewandelt, die für den Schutz
stands u. der Sicherheit auf See. Die Ägäis der Küstenbevölkerung u. die ungehinderte
wurde zunehmend militarisiert; die Vertei- Fahrt nach Kpel verantwortlich waren. Klei-
digung des Reichsgebietes u. der Schutz sei- nere Inseln wurden aufgegeben. Ab dem
ner Bevölkerung entwickelten sich zum späten 7. Jh. wurden befestigte Städte, hö-
obersten Staatsziel. Mit Blick auf die arab. hergelegene Dörfer u. militärische Außen-
Eroberung u. den Rückzug der röm. Trup- posten an der Küste oder im Landesinneren
pen aus der Levante wurde wahrscheinlich allmählich zu Siedlungs- u. Handelszentren
frühestens um die Mitte des 7. Jh. das Flot- der Region (zB. die Festung Emporio, Chios,
tenkommando der Karabisianoi gebildet, oder KaÂstro toy LazaÂroy, Samos).
dem auch die Inseln der Ägäis u. ein Teil der III. Das spätantike Heidentum, die jüd. S 4580 003
Südwestküste Kleinasiens zugeteilt waren. Gemeinschaften u. das frühe Christentum.
Im Steuersystem der kommerkiaÂrioi u. Sowohl die archäolog. als auch die Schrift-
aÆpouhÂkh im späten 7./frühen 8. Jh. agierten quellen sind spärlich u. erlauben daher nur
Lesbos, Chios, Rhodos u. die Insulae als eine einige allgemeine Beobachtungen. Belege
Gruppe meist in Verbindung mit Kleinasien finden sich v. a. auf den großen Inseln vor
u. Hellespontos (L. Brubaker / J. Haldon, den Küsten Kleinasiens. Tatsächlich fehlen
Byzantium in the iconoclast era, c. 680/850 Informationen über die spätantike Ge-
[Cambridge 2011] 691. 724/6). schichte paganer Heiligtümer in der Region
S 4580 002 II. Wirtschaft. Die Gründung von *Kon- mit Ausnahme des Heraions von Samos. Das
stantinopel, die Lieferung von ägyptischem *Kabiren-Heiligtum auf Samothrake u. der
Getreide in die neue Hauptstadt u. ein lan- *Artemis-Tempel auf Ikaria scheinen zumin-
ger Zeitraum fast ununterbrochenen Frie- dest bis in das späte 3./4. Jh. nC. bestanden
dens u. damit Sicherheit auf See führten zu zu haben (s. u. Sp. ). Ebenfalls auf Ikaria
einer Intensivierung der Seeverkehrswege befindet sich die über einem antiken Tempel
u. des Warenfernhandels in der gesamten errichtete Kirche Hagia Eirene (s. u. Sp. ).
Ägäis, zum großen Nutzen der östl. Ägäisin- Es gibt einige weitere Beispiele von über
seln entlang der nord-südl. Schifffahrtsroute. Tempeln errichteten Kirchen auf Lesbos
Regionale politische Initiativen in Verbin- (Messa, Burg Mytilene, Agios Phokas), Chios
dung mit der reichsweiten Politik (zB. An- (Emporios, Phanes) u. Thasos (Thesmopho-
nona, Geldabgaben) verschafften den Inseln rion u. Herakleion), jedoch ohne Einzelheiten
eine bedeutende Rolle im Seehandelssystem, zum histor. Kontext. Nach Ausweis der (un-
das die Grundlage ihrer wirtschaftl. Expan- vollständigen) Konzilslisten gibt es christli-
sion darstellte. Ihre größte Bedeutung für che Gemeinden im 4. Jh. in Mytilene, Samos,
den *Staat bestand in der Bereitstellung von Tenedos, Lemnos, Skopelos u. Skyros (G. Fe-
Schiffen, Besatzungen u. landwirtschaftli- dalto, Hierarchia ecclesiastica orientalis 1
chen Produkten für den vom Kaiser befoh- [Padova 1988] 217. 221f. 445. 470. 522). Wie
lenen Warentransport (*Post I). Die nördl. S. für die heidn. Kultstätten gibt es jedoch
waren das Verbindungsglied des griech. kaum archäologische Belege für christliche
Festlands mit Ostmakedonien, die Dardanel- Kirchenbauten im 4. Jh. Die frühesten Bei-
len wurden über Lemnos angefahren u. der spiele sind die Basilika in Aliki auf Thasos
westl. Nord-Süd-Seekorridor verlief über (erste Phase: 400/42), die Agios-Andreas-
Skyros. Neuere Forschungen ergaben eine Basilika auf Eresos (430 als Ersatz für eine
dichte Besiedlung der nördl. S. in Kaiserzeit ältere Kirche), St. Isidor auf Chios (Anf. 5.
u. Spätantike (einschließlich landwirtschaftl. Jh.) u. das Panagitsa-Martyrium auf Samos
Anlagen u. Häfen; s. unten). – Die Einfälle (4. Jh.). Die kirchl. Organisationsstruktur
000007 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38 000008 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38
entsprach der staatl., so dass die Inselbi- Asia geworden. Die Römer belagerten My-
schöfe den Metropolitanbischöfen von Rho- tilene zweimal (83 u. 80/79 vC.), da die Stadt
dos, *Korinth u. Larissa untergeordnet wa- Mithridates VI v. Pontus gegen Rom stand-
ren. Hinweise auf das frühe *Mönchtum (I) haft unterstützt hatte. Pompeius gewährte
liefern das Koinobion des Charixenos auf Sa- der Stadt bei seiner Ankunft in Mytilene (62
mos sowie zwei Einzelpersonen, ein Hegou- vC.) die Freiheit, angeblich aus Rücksicht
menos u. ein Asket, auf Lesbos (Joh. Mosch. auf seinen Freund u. Propagandisten Theo-
prat. 108. 185 [PG 87, 3, 2969. 3057]; Kaldel- phanes v. Mytilene (Plut. vit. Pomp. 42, 4; R.
lis / Efthymiadis nr. 3. 50). Homöische, nes- Laqueur, Art. Theophanes 1: PW 5A, 2
torianische u. miaphysitische (monophysitai [1934] 2090/127). Die Stadt war daraufhin
in byz. Quellen) *Bischöfe u. reisende Mön- PompeiusɅ Verbündeter im Bürgerkrieg ge-
che werden auf Lesbos, Tenedos u. Chios er- gen Cäsar, u. das Volk von Mytilene ge-
wähnt. – Die jüd. Einwohner von Chios dachte TheophanesɅ nach seinem Tod als
rühmten sich einer reich verzierten spätan- Helden (Tac. ann. 6, 18, 2). Eine Statue des
tiken Stadt-*Synagoge mit basilikalem Theophanes wurde später zur Ausstattung
Grundriss, die griechische *Mosaik-Inschrif- des Hippodroms nach Kpel geschickt. Die
ten enthielt (A. Misaelidou: ArchDelt 64 Stadt wurde von Cäsar als Freund u. Ver-
[2009] 944/6; Z. Battinou, Corpus inscripti- bündeter Roms anerkannt. Zwischen dem
onum Judaicarum Graeciae [Athens 2018] *Senat (I), Mytilene u. Methymna wurde 25
67f). Ein Synagogengebäude ist auch auf Sa- vC. ein foedus aequum geschlossen. Marcus
mos epigraphisch bezeugt (IG 12, 6, 2 nr. Vipsanius Agrippa verbrachte ab 22 vC.
969f [3./4. Jh.]); eine Beleidigung gegen ei- zwei Jahre auf der Insel. Antike Quellen
nige ,ikarische Juden‘ findet sich in einer In- schildern Mytilene u. Ephesos als wichtige
schrift des 6. Jh. aus Oinoe (Kampos) auf Ika- Handels-, Bildungs- u. Erholungszentren
ria (s. u. Sp. ). (Strab. 13, 2, 2f; Cic. Brut. 250; Tac. dial. 15,
S 4580 004 B. Die einzelnen Inseln. I. Lesbos. (M. 3; Hor. carm. 1, 7, 1; ep. 1, 11, 1. 17f). Eine
Axiotis, PerpatvÂntaw th LeÂsbo 1/2 [Myti- weitere bekannte lokale Persönlichkeit zZt.
lhÂnh 1992]; M. H. Hansen / N. Spencer / H. des beginnenden Kaisertums war der Rhetor
Wiliams, Lesbos: Hansen / Nielsen 1018/32; Potamon, ebenfalls ein Freund des Pompeius
A. Kaldellis, LeÂsbow kai Anatolikh MesoÂ- (ca. 75 vC./15 nC.; W. Stegemann, Art. Po-
geiow kata th rvmaiÈkh kai prvÂimh byzan- tamon 3: PW 22, 1 [1953] 1023/7). Er diente
tinh periÂodo [UessaloniÂkh 2002]; Karvo- mehreren *Gesandtschaften in Rom u. ein-
nis / Mikedaki 23/45; A. Orlandos, Palaiox- heimischen Priesterschaften. Mytilene ehrte
ristianikaiÁ basilikaiÁ thÄw LeÂsboy: ArchDelt ihn mit einem Denkmal auf der Akropolis
12 [1929] 1/72.) Mit 1.630 km2 ist Lesbos die der Stadt, dem sog. Potamoneion, auf dem
drittgrößte ägäische Insel nach *Kreta u. seine Verdienste u. Wohltaten zu lesen wa-
Euböa. Sie liegt am Eingang des Golfs von ren (R. W. Parker, Potamon of Mytilene and
Adramyttion in Kleinasien. Nur drei der fünf his family: ZsPapEpigr 85 [1991] 115/29). Die
griech. Städte der Insel haben bis in die röm. freie Stadt Mytilene unterhielt enge Bezie-
Zeit bestanden: Mytilene, Methymna u. Er- hungen zu Mitgliedern der julisch-claudi-
esos. In einer Liste von Gemeinden der Pro- schen Dynastie. Viele einheimische Honora-
vinz Asia (70/96 nC.) wird die Bevölkerung tioren erwarben in dieser Zeit die röm.
von Mytilene als zum conventus (,Verwal- Staatsbürgerschaft. Mitglieder der kaiserl.
tungsbezirk‘) von Pergamon gehörig ge- Familie wurden auf der Insel kultisch ver-
nannt, ebenso wie die Kalleneis, eine Bevöl- ehrt (*Herrscherbild), u. dies geschah häufig
kerungsguppe, die wohl die Bewohner der durch Angleichung bzw. Assimilation an die
beiden anderen Städte der Insel, Eresos u. angestammten örtlichen Kulte. Bereits kurz
Methymna, umfasste (Labarre 138; M. N. nach AugustusɅ Amtsantritt wurde in Myti-
Pawlak, From independence to dependence. lene u. ebenso in Eresos ein Kaiserfest zu
The administrative status of the Aegean is- seinen Ehren nach dem Vorbild des örtlichen
lands from 129 BC to 294 AD: Electrum 23 Zeusfestes eingeführt. Im großen Theater
[2016] 206 [e-Veröff.]). Mytilene u. vermut- von Mytilene fanden von lokalen Würden-
lich auch der Rest der Insel waren wahr- trägern finanzierte *Gladiatoren-Spiele statt
scheinlich aE. des ersten Mithridatischen (Labarre 154/6). In augusteischer Zeit wurde
Krieges (88/85 vC.) Teil der röm. Provinz das antike koinoÂn der Lesbier wiederbelebt;
000009 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38 000010 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38
seine Zusammenkünfte fanden wahrschein- schen Lesbos u. dem Festland gelegenen In-
lich im Bundesheiligtum von Zeus, Hera u. sel, heute: Alibey Adası) genannt (686, 5f. 9
Dionysos (*Liber [Dionysos]) in Mesa statt; [32 Honigmann]). – Nach Act. 20, 14f blieb
ein einziger LesbaÂrxhw ist epigraphisch be- *Paulus (I) während seiner dritten Missions-
legt (ebd. 139f; M. Vitale, Eparchie u. Koinon reise über Nacht in Mytilene, von einer
in Kleinasien von der ausgehenden Republik christl. Gemeinde ist nicht die Rede. Auch
bis ins 3. Jh. nC. [2012] 89/91). Nach einer über eine jüd. Gemeinde gibt es vor dem 9.
Reihe starker *Erdbeben bot *Antoninus Jh. keine Nachrichten. Der älteste Beleg für
Pius Hilfe für den Wiederaufbau von Myti- das Christentum auf Lesbos findet sich in
lene an (IG 4 nr. 90 [151–52 nC.]). – Mytilene den Akten des Konzils von Seleucia iJ. 359,
weist eine Reihe aufwendig ausgestatteter an dem Bischof Evagrios v. Mytilene auf der
römischer Stadtvillen auf, hauptsächlich in Seite der Homöer gegen die Homöusianer
den Stadtteilen Synoikismos u. Chorafa. Be- teilnahm (Kaldellis / Efthymiadis nr. 17). Phi-
kanntestes Beispiel ist das sog. Haus des lostorg. h. e. 8, 2 (GCS Philostorg.3 105) be-
*Menander, dekoriert mit Szenen aus Men- richtet, dass Thallos, der zur Gruppe der He-
anders Theaterstücken sowie einem *Por- terousianer gehörte, nach 363 zum Bischof
trät des Dichters, Darstellungen von *So- der Insel geweiht wurde (Kaldellis / Efthy-
krates, *Orpheus u. a. (spätes 3./4. Jh.; K. M. miadis nr. 39). Auch Aetios, der Hauptver-
D. Dunbabin, Mosaics of the Greek and Ro- treter der Heterousianer, soll in der Nähe
man world [Cambridge 1999] 217). Weitere von Mytilene gewohnt haben, bevor er eine
bemerkenswerte Beispiele sind das sog. Te- unabhängige Kirche gründete u. Thallos zum
lephus-Haus (1./2. Jh. nC.) u. das sog. Euri- Ortsbischof ernannte (Philostorg. h. e. 9, 4. 6
pus-Haus (2./3. Jh. nC.; A. Archontidou / L. [GCS Philostorg.3 117f]; Kaldellis / Efthymi-
Acheilara, Archaeolog. mus. of Mytilene adis nr. 1). Im 5. Jh. scheint der Bischof von
[Mytilene 1999] 106/17). Überreste einer Lesbos die Kontrolle über Tenedos (im 4. Jh.
röm. Werkstatt zur Verarbeitung von Alaun noch unabhängiger Bischofssitz) zu haben so-
wurden im Gebiet von Apotheke, am Ein- wie über die der Insel gegenüberliegende
gang der Bucht von Kalloni, gefunden (A. Küstenregion Kleinasiens (die klass. Peraia
Archontidou, Un atelier de préparation de von Mytilene), einschließlich des seiner *Ge-
l’alun à partir de l’alunite dans l’ı̂le de Les- richtsbarkeit unterstehenden Por(d)oselene.
bos: Ph. Borgard / J. P. Brun / M. Picon Der *Patriarch von Kpel, Nestorius, löste iJ.
[Hrsg.], L’alun de Méditerranée, Colloq. in- 431 Tenedos vom Bistum Lesbos ab u.
ternat. Neapel / Lipari 2003 [Paris 2005] machte es zu einem unabhängigen Bischofs-
85/8). – Agathus Gennadius, praeses der neu sitz, eine Entscheidung, die nach seiner Ab-
gegründeten Provinz (293/305 nC.), weihte setzung sofort wieder rückgängig gemacht
der ersten Tetrarchie in Mytilene einen wurde. Im 6. Jh. erwähnt Joh. Eph. comm.
*Marmor Bogen (CIL 3, 1, 450). Das spätan- beat. oriental. 50 (PO 19, 154), dass Mytilene
tike Steuerregister von Mytilene (spätes zum Einflussbereich des syr. Miaphysiten-
3./spätes 4. Jh.) enthält wichtige Informati- führers Jakob Baradai gehörte. Außerdem
onen über die ländlichen Gebiete u. ihre Nut- wurde der namhafte miaphysitische Schrift-
zung (Landbesitz, Agrarstrukturen u. Topo- steller, Scholastikos u. Rhetor Zacharias v.
nyme). Die inschriftlich genannte landwirt- Mytilene (geb. 465–6 in Maiouma bei *Gaza)
schaftlich genutzte Fläche umfasste mehr als Bischof von Mytilene u. nahm 536 am Konzil
1200 Hektar, wobei der größte Teil auf von Kpel teil (Destephen 960/73 s. v. Zacha-
Acker u. Weideland entfiel, gefolgt von Oli- rias [1]; Kaldellis / Efthymiadis nr. 44). Im J.
ven u. Weinanbau (*Landwirtschaft). Der 536 hatte der Bischof von Mytilene den
Landbesitz war im Allgemeinen stark frag- *Rang eines Metropoliten inne; iJ. 520 taucht
mentiert, selbst wohlhabende Landbesitzer in den Quellen erstmals ein Bischof von Me-
verfügten über eine Vielzahl von kleinen u. thymna auf (Hormisdas Papa, Relatio synodi
mittelgroßen Grundstücken (IG 12, 2 nr. Cpolitanae de ordinatione Epiphanii epi-
76/80; Labarre 223/35; K. Harper, The Greek scopi: PL 63, 485B), was auf eine Ausdeh-
census inscriptions of Late Antiquity: Journ- nung des Christentums auf den nördl. Teil
RomStud 98 [2008] 83/119). Im Synekdemos der Insel hinweisen könnte. Es wurden ca.
des Hierokles werden die Städte Mytilene, 80 frühchristliche Kirchen auf der ganzen In-
Methymna u. Por(d)oselene (auf der zwi- sel ergraben oder lokalisiert; kaum eine von
000011 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38 000012 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38
ihnen kann jedoch vor dem 5. Jh. datiert wer- liegt südlich des Flusses Kaikos (heute: Ba-
den, u. viele von ihnen sind offenbar erst kırçay). Aufgrund seiner strategischen Lage
Gründungen des 6. Jh. Neben Mytilene am Hauptschifffahrtskorridor gegenüber der
scheint eines der frühesten Beispiele für ei- Küste Kleinasiens u. wegen seines fruchtba-
nen Kirchenbau auf Lesbos die Agios-And- ren Bodens stellte die Insel von der Archaik
reas-Basilika in Eresos zu sein, die auf ca. bis ins 1. Jh. vC. eine wichtige Handelsmacht
430 datiert wird u. auf den Ruinen einer Kir- dar. Die kleine Gruppe von Felseninseln
che aus dem 4. Jh. errichtet wurde. Früh- westlich von Chios, die die heutige Gemeinde
christliche Basiliken, die über heidnischen Psara (42 km2; antik: Psyrie, Psyra) bildet,
Tempeln errichtet wurden, sind in Mesa, auf gehörte in der Antike zu Chios. Nach der
der Burg von Mytilene (Heiligtum der *De- Zerstörung durch Mithridates iJ. 86 vC.
meter u. Kore) u. auf der Landzunge von folgte eine Periode des Niedergangs. In der
Agios Phokas (Tempel des Dionysos Bresa- Kaiserzeit genoss Chios jedoch wieder wirt-
genes) belegt. Nach den archäolog. u. schaftlichen Wohlstand. Griechische, römi-
schriftl. Zeugnissen (bzw. deren Mangel) zu sche u. byzantinische Autoren erwähnen den
urteilen, scheint sich das Christentum auf berühmten Wein, *Feigen (I) u. Mastixharz
der gesamten Insel langsamer ausgebreitet als wichtige Exportgüter. – Nachdem Chios
zu haben als in den großen Städten der nacheinander unter den Einfluss der Ptole-
kleinasiat. Küste. In einer Inschrift in der mäer, der Seleukiden, der Attaliden u. zwei-
frühchristl. Basilika von Argala wird ein an- mal der Makedonen geraten war, wurde die
onymer *Presbyter u. Hegumenos erwähnt Insel als Verbündete Roms nach dem Ver-
(Kaldellis / Efthymiadis nr. 50). Mit dem an- trag von Apamea (188 vC.) zu einer freien u.
onymen Verstorbenen, der in einer *Sarko- von *Steuern befreiten Stadt. Römische Ge-
phag-Inschrift in der Nähe einer frühchristl. schäftsleute ließen sich auf der Insel nieder
Kirche in der Laphiona-Ebene (bei Me- u. erwarben Land (Appian. Mithr. 47). Auf-
thymna) als ,Herold der Dreifaltigkeit, Hü- grund ihrer pro-röm. Politik litt die Insel
ter der Keuschheit u. Freund Christi‘ be- stark während der Mithridatischen Kriege
zeichnet wird, könnte der missionierende (88/63 vC.); viele Einwohner, darunter auch
Asket gemeint sein, der um 400 den Glauben römische Bürger, wurden vertrieben u. ihr
an den dreifaltigen Gott gegen die ,ariani- Besitz beschlagnahmt. MithridatesɅ General
sche‘ Bevölkerung der Insel verteidigte (ebd. Zenobios setzte der Bevölkerung zu u. sta-
nr. 3). Zwei reichhaltige Schatzfunde aus tionierte pontische Soldaten u. Kolonisten
dem frühen 7. Jh., die aus *Schmuck u. an- auf der Insel (ebd. 46f; Memn.: FGrHist 434
deren Wertgegenständen sowie *Münzen F 23; Posidon.: ebd. 87 F 38; Nicol. Damasc.:
von Phokas u. Heraklios bestanden, gebor- ebd. 90 F 95). Mithridates VI Eupator be-
gen in der Nähe von Mytilene (Kratigos nannte die Stadt Chios nach seiner von dort
[616/25]; Polichnitos [625/26]), wurden mit stammenden Frau Berenike um. Chios
der pers. Bedrohung im westl. Kleinasien in wurde von den Römern befreit u. mit dem
Verbindung gebracht; möglicherweise ge- Vertrag von Dardanos iJ. 85 vC. zur freien
hörten sie Flüchtlingen aus Kleinasien (I. Stadt u. zum Verbündeten Roms ernannt
Touratsoglou / E. Chalkia, The Kratigos, My- (Appian. Mithr. 55. 61; vgl. SupplEpigrGr 22
tilene treasure [Athens 2008] 13. 20 [Krati- nr. 507). Der genaue Zeitpunkt, zu dem die
gos-Münzhorizont: ebd. 26/31]; Morrisson u. Insel in die Provinz Asia eingegliedert
a. 72. 94/104). wurde, ist umstritten. Zur Zt. des Augustus
S 4580 005 II. Chios. (M. Ballance u. a., Excavations wurde Chios von einem starken Erdbeben
in Chios 1952/55. Byz. Emporio [Athens heimgesucht (Suet. vit. Tib. 8). Die Zuord-
1989]; O. Vassi, Mesaivnikh XiÂow [XiÂow nung zur Provinz Insulae erfolgte nach der
2013]; N. Merousis, XiÂow. Fysiko peribaÂllon Regierungszeit Diokletians (Hierocl. synecd.
kai katoiÂkhsh apo th neoliuikh epoxh meÂxri 686, 4 [32 Honigmann]). Die bäuerliche Be-
to teÂlow thw arxaioÂthtaw [ebd. 2002]; Kar- siedlung des Hinterlands, die in klassischer
vonis / Mikedaki 45/57; A. Archontidou-Ar- Zeit begann, ist bis ins 7. Jh. nC. belegt. Die
gyri, Chios: Vlachopoulos 126/34; Koder antike Stadt lag der kleinasiat. Küste gegen-
143/53.) Die 842 km2 große Insel liegt zwi- über, an derselben Stelle, an der sich die
schen Lesbos u. Samos, nur 8 km enfernt von heutige Inselhauptstadt befindet. Die konti-
der Küste Kleinasiens. Die kleinasiat. Peraia nuierliche Besiedlung des Ortes erlaubt nur
000013 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38 000014 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38
partielle Untersuchungen zur Topographie einem Tempel in römischer Zeit durch eine
der antiken Stadt. Jüngste Grabungen im Marktbasilika ersetzt, an deren Stelle wie-
Stadtgebiet ergaben zahlreiche hellenisti- derum im 6. Jh. eine christl. Basilika errich-
sche u. römische Häuser u. Gräber. In den tet wurde. Bis ins 7. Jh. hinein überlebte
Ortsteilen Agios Iakovos u. Vounaki wurden Emporio als befestigte Küstensiedlung. Die
mehrere aufwendig dekorierte späthellenis- Festung wurde vermutlich nach 616–17 nC.
tische u. römische öffentliche Gebäude u. angesichts der pers. u. / oder arab. Bedro-
Wohnhäuser freigelegt. Im Gebiet von Laou- hung errichtet u. in den 670er Jahren zer-
taris wurden in einem versiegelten Depot stört (Ballance u. a. aO. 6f. 80/5). – An der
mehrere römische Kaiserporträts u. mytho- Anlegestelle von Phanes, 9 km westlich von
logische Skulpturen gefunden (Karvonis / Emporio, befand sich ein bedeutendes
Mikedaki 48f). In der Kaiserzeit wurde der *Apollon-Heiligtum (Strab. 14, 1, 35); in rö-
Dichter *Homer auf Chios, einem seiner an- mischer Zeit wurden in die Säulentrommeln
geblichen Geburtsorte, verehrt. Eine wei- des griech. Tempels Gedenkinschriften ein-
tere Sehenswürdigkeit der Insel war das graviert; im 5. oder 6. Jh. wurde eine große
Grab des Oinopion, des mythischen Grün- frühchristl. Basilika über den Tempelfunda-
ders von Chios (Th. Ch. Sarikakis, H XiÂow menten errichtet, u. im Umfeld entstand
sthn arxaioÂthta [AuhÂna 1982] 295/7). Quel- eine Wohnsiedlung. Ein Tempel für Diony-
len ab dem 6. Jh. erwähnen Chios als wich- sos u. Apollon Xenios (K. Wernicke, Art.
tigen Hafen u. Zwischenstation der Annona- Apollon: PW2, 1 [1895] 76) wurde in römi-
Lieferungen nach Kpel (Joh. Eph. comm. scher Zeit in Aktai im nördl. Teil der Insel
beat. oriental. 51 [PO 19, 162]; Mirac. De- errichtet. Eine weitere befestigte Küsten-
metr. 1, 8, 70 [102 Lemerle]; Mirac. Artem. 5 siedlung war Delphinion an der Ostküste. –
[84 Crisafulli / Nesbitt]; I. Koltsida-Makri, Die berühmten Bronzepferde von S. Marco
Symbolh thw sigillografikhÂw martyriÂaw sth in Venedig, die 1204 (wohl vom Hippodrom)
meleÂth thw dioikhtikhÂw kai ekklhsiastikhÂw in Kpel erbeutet worden waren, sollen aus
orgaÂnvshw thw XiÂoy [702/12ow ai.]: P. Tse- Chios stammen u. unter Theodosius II nach
lekas [Hrsg.], Coins in the Aegean islands 2, Kpel gelangt sein (Parastaseis syntomoi
Proc. 5th scientific meeting, Mytilene 2006 chronikai 84 [8./9. Jh.], ed.: A. Cameron / J.
[AuhÂna 2010] 100f). – Überreste einer früh- Herrin, Cple in the early 8th cent. [Leiden
christl. Basilika, die wahrscheinlich dem lo- 1984] 160; S. Bassett, The urban image of
kalen Märtyrer Isidor (Greg. Tur. glor. mart. late antique Cple [Cambridge 2004] 222f nr.
101 [MG Script. rer. Mer. 1, 2, 105]) gewid- 139). – Act. 20, 15 verzeichnet einen Zwi-
met war, wurden außerhalb der Stadtmau- schenstop des Paulus auf Chios während sei-
ern in Küstennähe entdeckt; eine Inschrift ner dritten *Reise. Hagiographische Quellen
im Mosaikboden des späten 5. Jh. nennt ei- erwähnen die Christen Isidoros u. Meropes,
nen Segelmacher Arkadios als Stifter eines die wohl unter *Decius das Martyrium erlit-
Teilsstücks des Mosaiks. Zwei weitere früh- ten (R. L. Mullen, The expansion of Christi-
christl. Basiliken befanden sich in Chora (C. anity [Leiden 2004] 92). Der früheste be-
I. Pennas, The basilica of St. Isidore: J. zeugte Bischof von Chios ist Entrechios
Boardman / C. E. Vaphopoulou-Richardson (431). Johannes, der miaphysitische Bischof
[Hrsg.], Chios, Conf. Chios 1984 [Oxford von Chios (558/566–8), soll sich Joh. v. Ephe-
1986] 317/34). – Ein einziger jüd. Grabstein sos bei dessen berüchtigten Bekehrungs-
stammt aus dem römerzeitl. Chios (InscrJud- kampagnen im ländlichen Kleinasien ange-
Or 2 nr. 4). Kürzlich wurde aber eine Syn- schlossen haben (Destephen 493f s. v. Iôan-
agoge (Ende 4. Jh.) in der Stadt ausgegra- nès [42]; S. A. Harvey / H. Brakmann, Art.
ben, die Mosaikböden mit zwei griech. Stif- Joh. v. Ephesus: o. Bd. 18, 561/3). Kaiserin
terinschriften aufweist (Misaelidou aO. [o. Theodora baute ein Xenodocheion in Chios,
Sp. ]; Battinou aO. [o. Sp. ] 67f). – Die in dem von Zeit zu Zeit verbannte Mönche u.
Küstensiedlung Emporio im Süden der Insel antichalcedonische Bischöfe lebten (Joh.
wurde systematisch ergraben. Auf ihrer Eph. comm. beat. oriental. 51 [PO 19, 161f]).
Akropolis stand ein archaischer *Athena- Arabische Überfälle verursachten wohl Mit-
Tempel. Die Siedlung befand sich an den te/Ende des 7. Jh. Zerstörungen in der
westl. Hängen des Hügels. In der Nähe des Hauptstadt u. den ländlichen Gegenden der
Hafens wurde eine wichtige Kultstätte mit Insel (Y. Nikolaou, Symbolh sthn nomisma-
000015 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38 000016 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38
tikh kykloforiÂa tvn nhsivÂn toy AigaiÂoy M. Antonius u. *Kleopatra weilten kurz vor
kata ton 7o ai.: Tselekas aO. 77/93). der Schlacht von Actium auf Samos (Plut.
S 4580 006 III. Samos. a. Allgemeines. (G. Shipley, A vit. Ant. 56, 6/10). Die Samier errichteten
hist. of Samos [Oxford 1987]; K. Tsakos, Sa- Pompeius d. Gr. eine Ehrenstatue (IG 12, 6,
mos. Histor. u. archäolog. Führer [Athen 1 nr. 352; 67 vC.), deren Basis erhalten ist u.
2003]; ders., Symbolh sthn palaioxristia- in deren Inschrift er als Imperator, Wohltä-
nikh kai prvÂimh byzantinh mnhmeiografiÂa ter u. Retter der Stadt bezeichnet wird,
thw SaÂmoy: ArchEph 1979, [Chronika] 11/25; wahrscheinlich, weil er die Insel vor Pira-
ders., Samos: Vlachopoulos 140/9.) Samos ist tenüberfällen schützte (Cic. ad Quint. fratr.
480 km2 groß u. liegt nahe der kleinasiat. 1, 25; *Räuber). Nach der Schlacht von Ac-
Küste, von der es durch die ca. 2 km breite tium hielt sich Octavian-Augustus auf Samos
Meerenge von Mykale getrennt ist. Die Insel auf, u. sein Sieg wurde mit dem Beginn einer
war fruchtbar u. verfügte über ein weitrei- neuen Ära gefeiert (September 31 vC.; IG 12,
chendes wirtschaftl. u. kulturelles Netzwerk 6, 1 nr. 186). Er besuchte die Insel noch
im Mittelmeerraum. Die antike Hauptstadt mehrmals (30–29, 21–20, 20–19 vC.) u. er-
(heute Pythagoreion) lag im südöstl. Teil der klärte Samos für frei u. von Steuern befreit
Insel an den Hängen des Zitadellenhügels (Suet. vit. Aug. 17, 3; 26, 3; Dio Cass. 54, 7, 4.
(Kastro), über dem Hafen u. gegenüber der 9, 7f). Er gab auch zwei der drei kolossalen
Landzunge von Mykale (Strab. 14, 1, 14). Sie Bronzestatuen (Athene u. *Herakles) des
wurde seit der Mitte des 6. Jh. vC. mit Hilfe Bildhauers Myron zurück, die M. Antonius
einer Wasserleitung durch den mehr als 1 vom Heraion mitgenommen hatte; die dritte
km langen sog. Tunnel des Eupalinos mit Statue der Gruppe (Zeus) brachte er zum
Trinkwasser versorgt (H. J. Kienast, Die Kapitol in Rom (Strab. 14, 1, 14). Augustus
Wasserleitung des Eupalinos auf Samos bestätigte den Status von Samos als freie In-
[1995] 187/91). Samos besaß ein umfangrei- sel u. machte sie zu einem Verbannungsort
ches Gebiet auf dem Festland, was zu andau- (Dio Cass. 56, 27, 2). Für einige Jahre (19–
ernden Streitigkeiten mit Priene führte. Es 8/14 vC.) erhielt Samos den Status einer röm.
umfasste den westl. Teil von Mykale u. die Kolonie. Im Gegenzug bauten die Samier in
Ebene von Anaea in Karien (D. Magie, Ro- der antiken Stadt einen Augustus- u. Roma-
man rule in Asia Minor to the end of the 3rd Tempel u. widmeten Augustus u. seiner Fa-
cent. after Christ [Princeton 1950] 892f). Die milie mehrere Ehrenstatuen im Heraion. In-
Stadt Samos wurde durch in nordwestlich- nerhalb der *Palast-Anlage auf dem Kastro-
südöstlicher Richtung verlaufende große Hügel wurden mehrere dieser Statuen
Stützmauern, die zwei große Terrassen bil- gefunden. Die Stadt führte auch ein neues
deten, in eine obere u. eine untere Stadt ge- Kalendersystem ein, das auf dem Jahr der
teilt. Auf der Spitze des Hügels wurde ein Apotheose des Augustus basiert (IG 12, 6, 1
späthellenist., palastartiges Gebäude mit nr. 195). Tiberius (23 nC.) erneuerte das
nachfolgenden römischen u. spätantiken Asylrecht des Heraions. Claudius restau-
Phasen (sog. Gebäude des Greifenmosaiks; rierte nach dem Erdbeben von 47 nC. wahr-
K. Tsakos: Vlachopoulos 148f) ausgegraben; scheinlich den alten Dionysos-Tempel, der
weitere luxuriöse Gebäude befanden sich in nördlich der Großen Straße stand, u. das
der Nähe (R. Tölle-Kastenbein, Das Kastro *Gymnasium (ebd. nr. 413). Vespasian (Suet.
Tigani. Die Bauten u. Funde griech., röm. u. vit. Vesp. 8, 4; 70 nC.) stufte die Städte Grie-
byz. Zeit [1974]). Die Stadt wuchs in römi- chenlands lediglich als Provinzstädte ein u.
scher u. spätantiker Zeit; es wurden meh- entzog Samos damit den Status einer freien
rere römische Häuser in der Nähe des ar- Stadt. Im Synekdemos des Hierokles wird
chäolog. Museums, der antiken Agora u. des sie als Stadt der Provinz Insulae erwähnt
Kastelli-Hügels aufgefunden. Nach der Zeit (686, 3 [32 Honigmann]). – Act. 20, 15 er-
der makedonischen, ptolemäischen u. rhodi- wähnt einen Zwischenstop des Paulus auf
schen Herrschaft wurde Samos in den 80er Samos während seiner dritten Reise. Der
Jahren des 1. Jh. vC. oder iJ. 129 vC. (Kar- früheste Bischof von Samos ist für das Jahr
vonis / Mikedaki 61) Teil der röm. Provinz 390 bezeugt (Phot. bibl. cod. 52, 12b 17 [1, 37
Asia. Die Insel wurde von vielen römischen Henry]). Das hellenist. Gymnasium im Be-
Herrschern besucht, darunter Cäsar, Brutus, zirk Tria Dontia nordwestlich der antiken
Augustus, Tiberius, Germanicus u. Claudius. Stadt wurde in der Kaiserzeit durch einen in
000017 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38 000018 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38
bäuden flankiert (S. de Blaauw, Art. Schatz- Persönlichkeiten. Die Schließung des Heilig-
haus: o. Bd. 29, 735. 737) sowie weiterhin mit tums dürfte gegen 400 erfolgt sein. Das röm.
Votiv- u. Ehrendenkmälern geschmückt. Heraion wurde, vermutlich in der 2. H. des 5.
Unter den röm. Ehrenporträts im Heraion Jh., in eine große christl. Basilika mit meh-
sind die Porträts von Quintus Tullius Cicero, reren Nebengebäuden umgebaut. Mittelby-
dem Prokonsul von Asien (61/58 vC.), u. sei- zantinische Quellen berichten, dass wahr-
nem Bruder, dem Rhetor u. Rechtsanwalt scheinlich gegen 420 eine Statue der Hera
Marcus Tullius *Cicero, sowie deren Famili- von Samos aus dem 6. Jh. vC. in die Lausos-
enmitgliedern zu erwähnen, die von den Sa- Sammlung in Kpel überführt wurde (Georg.
miern aus Dankbarkeit als Gruppenmonu- Cedren. hist. comp.: PG 121, 613b. 669d; Bas-
ment wahrscheinlich kurz nach 51 vC. im sett aO. [o. Sp. ] 235/7 nr. 155).
Heraion aufgestellt wurden. Zuvor hatte IV. Ikaria. (M. Viglaki-Sophianou, Ikaria: S 4580 008
Marcus Tullius Cicero den röm. Legaten Vlachopoulos 150/4; A. J. Papalas, Ancient
Gaius Verres iJ. 70 vC. wegen Diebstahls Icaria [Wauconda 1992]; G. Koutsouflakis
von Gemälden u. Statuen aus den Heiligtü- [Hrsg.], H arxaiologikh skapaÂnh sthn Ika-
mern der Insel erfolgreich strafrechtlich ver- riÂa, Praktika A arxaiologikoy synedriÂoy
folgt (Walter aO. 194f; Kyrieleis aO. 96f; IG IkariÂaw, Armenistis 2006 [AuhÂna 2010]; I.
12, 6, 1 nr. 354/6. 359; Cic. Verr. 2, 1, 50/2. 4, Melas, IstoriÂa thw nhÂsoy IkariÂaw 1/2 [ebd.
71. 5, 127). Gleichzeitig wurden Teile des hl. 1955]; Reger 740f.) Ikaria (oder Ikaros) ist
Bezirks von Privathäusern u. Villen okku- eine 256 km2 große, gebirgige Insel südwest-
piert. Im 3. Jh. gab es erneut Reparaturen lich von Samos. Strabo erwähnt zwei kleine
am Heiligtum der Hera. Zu dieser Zeit Städte (10, 5, 13; 14, 1, 19): Oinoe u. Draka-
wurde der große Tempel bereits als Stein- non (heute: Fanari). Die Insel hat keinen Ha-
bruch genutzt. Drei Inschriften des 4. Jh. nC. fen, sondern nur Ankerplätze. Ihr berühm-
wurden auf einem Pfeiler des Peripteros des testes Bauwerk war der Artemis-Tauropo-
röm. Heratempels entdeckt: eine Dedikati- los-Tempel. Zu Strabos Zeit war die Insel
onsinschrift der Stadt Samos an Hera u. die jedoch fast menschenleer, u. die Samier nutz-
Tetrarchen (308/11) u. zwei *Epigramme an ten sie, um ihr Vieh zu weiden. Samische
Hera von Aidesi(o)s u. *Plutarch. Plutarch Siedler ließen sich gegen Ende des 2. Jh. vC.
(u. evtl. auch Aidesi[o]s) war der kaiserl. zunächst vorübergehend u. vermutlich bald
Statthalter der Insulae (IG 12, 6, 2 nr. 610. dauerhaft auf der Insel nieder. Plin. n. h. 4,
584). Das Epigramm von Aidesi(o)s bezeugt, 68 gibt an, dass Ikaros zwei Städte habe u.
dass er den Heratempel erbauen oder repa- eine dritte verschwunden sei. PsScyl. 58
rieren ließ, während Plutarch, der ein ge- (GeogrGr 1, 47) nennt Ikaria diÂpoliw (,mit
lehrter Heide u. röm. Senator war, an seine zwei Städten‘). In klassischer Zeit werden
Pilgerreise zu zwei wichtigen heidnischen die Städte Oinoe (heute: Kampos) u. Thermai
Kultstätten der Ägäis erinnert: zur Ida- (heute: Therma) genannt. L. Robert vermu-
Höhle auf Kreta u. zum Heiligtum der Hera. tete, die Stadt Thermai sei aE. des 3. Jh. vC.
Zwei weitere kaiserl. Statthalter der Insulae von samischen Siedlern in Asklepieis umbe-
sind in Widmungsinschriften von Samos be- nannt worden (Les Asklepieis de lɅarchipel:
zeugt (ebd. nr. 585. 605/7). Diese Inschriften RevÉtGr 46 [1933] 431). Die röm. u. spätere
von Provinzstatthaltern aus dem 4. Jh. un- Geschichte der Küstensiedlung, in der sich
terstreichen die Bedeutung des Heiligtums heiße Quellen u. Badehäuser befanden, ist
in dieser Zeit auch als Schauplatz von Hul- unklar. – Griechische u. römische Autoren
digungen u. Ehrungen für die kaiserl. Fami- rühmen den ikarischen Wein (PraÂmniow oiË-
lie. Die Thronbesteigung Julians (*Iulianus now [Athen. dipnos. 1, 30B/D]; Plin. n. h. 14,
I) wurde auf Samos wahrscheinlich mit Be- 54; Achill. Tat. 2, 2, 2). In Oinoe wurden ein
geisterung begrüßt, wie die Ehreninschrift röm. Odeion, ein Badehaus, ein Friedhof
einer Gruppe von Privatpersonen oder eines (*Coemeterium) u. verschiedene Wohnge-
Vereins belegt, die den neuen Augustus bäude ausgegraben (Karvonis / Mikedaki
rühmt (6, 12, 1 nr. 427). Wahrscheinlich wur- 58f). Auf einem Hügel, auf dem die mittelbyz.
den im 4. Jh. noch ein öffentl. Kult u. Zere- Kirche der Hagia Eirene steht, sind Ruinen
monien im Heraion abgehalten, u. das Heilig- u. *Spolien einer großen frühchristl. Basilika
tum erfreute sich der Gunst u. der *Ge- erhalten. Zu den in der Nähe gefundenen In-
schenke wichtiger ausländischer schriften des 5./6. Jh. zählen ein Apollon-
000021 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38 000022 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38
Orakel sowie Zitate aus christlichen Predig- chung des Schiffsverkehrs durch den Helles-
ten u. anderen religiösen Texten (IG 12, 6, 2 pont zwischen Schwarzem Meer u. Ägäis. In
nr. 1263/8. 1271. 1273f). Ein Text (ebd. nr. spätantiker Zeit gehörte sie zur Provinz In-
1265), der ein gefälschtes Apollon-*Orakel sulae u. in mittelbyzantinischer Zeit zum
wiedergibt, das die zukünftige Umwandlung Thema des Aigaion pelagos (Hierocl. synecd.
eines paganen Tempels in ein Haus der hl. 686, 8 [32 Honigmann]). Ein Bischof von Te-
*Maria(I) vorhersagt, könnte mit dem Bau nedos nahm iJ. 343 am Konzil von Serdica
der nahegelegenen christl. Kirche in Verbin- teil. Im 5. Jh. scheint der Bischof von Lesbos
dung stehen; ein anderer zitiert ein Sprich- die Kontrolle über Tenedos ausgeübt zu ha-
wort (*Spruchweisheit), das die (ikarischen) ben. Die antike Stadt lag im nordwestl. Teil
*Juden diskriminiert (nr. 1263). In Miliopo, der Insel gegenüber der Troas u. hatte einen
im Hinterland, erwähnt eine frühchristl. In- oder zwei Häfen. Die antike Stadt besaß
schrift die Amtszeit eines (Orts-?)Bischofs auch ein Gebiet auf der Peraia: Es reichte
namens Scholastikios u. das *Kultgebäude von Sigeion über Achilleion bis Achaion
des Erzengels Michael (*Engel VII) (G. De- (Strab. 13, 1, 32. 44. 46/8; Aristot. rhet. 1, 15,
ligiannakis, EkxristianiÂzontaw tiw nhsivtikeÂw 1375b 30). Zwischen 81/75 vC. plünderte Ver-
koinoÂthtew toy anatolikoy AigaiÂoy: Delt- res, Legat des Statthalters von Kilikien,
ChrArchHet 36 [2015] 263/74). Das inselweit Gnaeus Cornelius Dolabella, die Insel. Er
wichtigste Heiligtum der Artemis Tauropo- raubte die Kultstatue des mythischen
los bei Nas, ca. 9 km westlich von Oinoe ge- *Gründers der Stadt, Tenes, u. eine nicht nä-
legen, wurde vermutlich im 6. Jh. vC. ge- her bezeichnete Menge an *Geld (Cic. Verr.
gründet. Eine samische Inschrift bezieht 2, 1, 49). Der wichtigste antike Kult war nach
sich wahrscheinlich auf Reparaturen an die- der Expos. mund. (63 [SC 124, 206]) der des
sem Artemistempel durch Cn. Domitius Apollon. Im späten 5. Jh. wurde die Insel von
Ahenobarbus 129 vC. (IG 12, 6, 1 nr. 351). Erdbeben erschüttert. Justinian ließ einen
Das Heiligtum bestand bis ins 4. Jh. nC. (ebd. großen Kornspeicher als Zwischenlager für
12, 6, 2 nr. 1281; Arnob. nat. 6, 11; Clem. das aus Alexandria importierte Getreide er-
Alex. protr. 46, 3). richten (Procop. aed. 5, 1, 7/16); das Gebäude
S 4580 009 V. Korsiai. (L. Bürchner, Art. Korassiai: (,groß genug, um die ganze Flotte entladen
PW 11, 2 [1922] 1377f; Karvonis / Mikedaki zu können‘ [ebd. 5, 1, 14]) umfasste ca. 2457
59f; IG 12, 6, 2 nr. 1203/16.) Der Name Kor- m2. Da die Annona-Schiffe bei schlechtem
siai bezeichnet eine Gruppe von 13 Inseln Wetter oft das Getreide im Lager von Te-
östlich von Ikaria bzw. südwestlich von Sa- nedos deponierten u. für eine weitere La-
mos. Die größte von ihnen (30,3 km2) ist in dung zurück nach Alexandria fuhren, be-
der Antike als Korseai, Korsiai u. Korassiai sorgten lokale Schiffe die Überfahrt nach
bekannt (heute: Fournoi; Hecat.: FGrHist 1 Kpel (5, 1, 15f; vgl. Aristot. pol. 4, 4, 1291b
F 143; Steph. Byz. s. v. KorseÂai [CorpFont- 24f: Ein erheblicher Teil der Bevölkerung
HistByz 43, 3, 100]; Strab. 14, 1, 13; 10, 5, 13; war an den Fährfahrten beteiligt).
Plin. n. h. 4, 70). Belege für eine Besiedlung VII. Skiathos. (I. N. Fragkoulas, Ta xris- S 4580 011
gibt es von hellenistischer bis in spätantike tianika mnhmeiÂa thw nhÂsoy SkiaÂuoy [Ues-
Zeit. In hellenistischer Zeit wurde eine saloniÂkh 1955]; Reger 773f; Karvonis / Mi-
Akropolis (Agios Georgios-Hügel) gebaut; kedaki 240/2; Koder / Hild 257f; A. Doulgeri-
die zugehörige Siedlung liegt heute unter- Intzesiloglou, Skiathos: Vlachopoulos 159f;
halb des Meeresspiegels. Weiterhin wurden dies., H arxaiÂa SkiaÂuow meÂsa apo ta keiÂ-
ein röm. Steinbruch, einige Inschriften, dar- mena kai ta mnhmeiÂa thw: Sampson 99/120.)
unter eine Ehreninschrift für Augustus (IG Die 45 km2 große Insel ist die westlichste der
12, 6, 2 nr. 1205), u. eine von ,den Samiern in nördl. S. Sie liegt 4 km vor dem nördl. Ein-
Corsiai‘ gestiftete Ehrenstele (ebd. nr. 1203) gang zum euböischen u. pagasetischen Golf.
sowie ein röm. *Sarkophag aufgefunden. PsScyl. 58 (GeogrGr 1, 47) erwähnt, dass
S 4580 010 VI. Tenedos. (K. Fiehn, Art. Tenedos 1: Skiathos zwei Städte u. einen Hafen hatte.
PW 5A, 1 [1934] 494/8; Koder 287/91; S. Mit- Eine dieser Städte war Palaiskiathos (Ke-
chell, Troas: Hansen / Nielsen 1015f.) Die 41 phala). Die Hauptstadt Skiathos lag wahr-
km2 große Insel (heute: Bozcaada) liegt in scheinlich an der Stelle der heutigen gleich-
der nordöstl. Ägäis, 5 km vor der Küste der namigen Stadt im Südosten der Insel u. ver-
Troas. Ihre Lage begünstigte die Überwa- fügte über einen strategisch wichtigen
000023 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38 000024 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38
Hafen, der in der Geschichte mehrmals als SkoÂpelow [AuhÂna 1968]; R. Herbst, Art. Pe-
militärischer Außenposten u. als Zwischen- parethos 1/3: PW 19, 1 [1937] 551/9; Ph. Bru-
station für den Handel genutzt wurde. Um neau, Peparethia: BullCorrHell 111 [1987]
zu verhindern, dass Skiathos (sowie Pepar- 471/94; A. Doulgeri-Intzesiloglou / Y. Garlan,
ethos) zum röm. Marinestützpunkt wurde, Vin et amphores de Péparéthos et dɅIkos:
verwüstete Philipp V die Insel 200 vC.; 197–6 ebd. 114 [1990] 361/89; Reger 768f; A. Doul-
vC. wurde sie von Rom eingenommen (Liv. geri-Intzesiloglou, Skopelos: Vlachopoulos
31, 28, 6. 45, 12/6; IG 12, 8 nr. 640). 88 vC. 161/4; Koder / Hild 258f.) Peparethos (96
wurde Skiathos zu einem Stützpunkt des km2) liegt zwischen Skiathos u. Ikos. PsScyl.
Mithridates (Appian. Mithr. 114). 80 vC. 58 (GeogrGr 1, 47) erwähnt einen Hafen u.
übergab der röm. Senat Skiathos u. Skopelos drei Orte (Panormos, Peparethos u. Seli-
an Thasos. 42 vC. gab M. Antonius Skiathos nous) auf der Insel. Claudius Ptolemäus (ge-
zusammen mit Ikos, Keos u. Peparethos an ogr. 3, 13, 47) nennt nur einen (,Skopelos‘),
Athen zurück (Appian. b. civ. 5, 1, 7). In- ebenso Plin. n. h. 4, 72 (,einst Euoinos ge-
schriften nennen Widmungen von Statuen nannt‘). Mehrere Autoren führen die Insel
von Trajan, Hadrian u. *Septimius Severus unter den Kykladen auf (zB. PsScyl. 58
(IG 12, 8 nr. 633/5); Athen. dipnos. 1, 30F [GeogrGr 1, 47]; Diod. Sic. 15, 30, 5. 95, 1;
ewähnt den Wein aus Skiathia. Einige römi- Steph. Byz. s. v. PepaÂrhuow [CorpFontHist-
sche u. spätantike landwirtschaftliche Ge- Byz 43, 4, 54]). Sie war fruchtbar u. berühmt
bäude u. Villenanlagen, ein Bad, Hafenanla- für ihren Wein (Sophocl. Philoct. 548f; Athen.
gen, Schiffswracks aus klassischer bis byzan- dipnos. 1, 29A). Der Historiker Diokles (spä-
tinischer Zeit u. weitere römische Ruinen tes 4./frühes 3. Jh. vC.) stammt aus Pepar-
wurden in jüngster Zeit aufgefunden. Die ethos (FGrHist 820 T 1f); seine Werke sind
Befunde weisen auf eine Periode wirtschaft- verschollen, doch viele Autoren nennen ihn
licher Expansion in Kaiserzeit u. Spätantike als Quelle für die Gründungslegende Roms.
hin (Doulgeri-Intzesiloglou aO. 160; dies. / E. Durch ihre Lage u. ihre Ankerplätze war Pe-
Chrysopoulou, ÂEpayliw [;] aytokratorikvÂn parethos strategisch wertvoll. Die Insel
xroÂnvn ektoÂw thw poÂlevw thw SkiaÂuoy: A. D. wurde auch eyÍoinow (,reich an Wein‘) ge-
Rizakis / I. P. Touratsoglou [Hrsg.], Villae nannt (s. oben); Ovid. met. 7, 470f erwähnt
rusticae, Proc. of an Internat. Congr., Patrai außerdem ihr Olivenöl. Die Hauptgottheit
2010 [AuhÂna 2013] 638/49). Zusammen mit der Insel war Dionysos. Philipp V verwüs-
Peparethos wurde Skiathos nach Diokletian tete Peparethos 200 vC. (s. o. Sp. ). 42 vC.
Teil der röm. Provinz Thessalien (Hierocl. gab M. Antonius Peparethos an Athen zu-
synecd. 643, 3 [16 Honigmann]). Die Stadt ist rück (Appian. b. civ. 5, 1, 7; mindestens bis
iJ. 531 als Bischofssitz bezeugt; zuvor war sie zZt. Hadrians [IG 12, 8 nr. 661]). Zahlreiche
wahrscheinlich dem Bischof von Peparethos römische u. spätantike Befunde (zB. land-
unterstellt. Überreste einer dreischiffigen wirtschaftl. Anlagen, Bäder, Sarkophage,
frühchristl. Basilika fanden sich in einem neue Hafenanlagen) auf der ganzen Insel las-
kirchl. Baukomplex in Troulos im Südwesten sen auf ein wirtschaftl. Wachstum schließen.
der Insel. Für eine neue Hafenanlage baute Hierocl. synecd. 643, 4f (16 Honigmann) zählt
laut einer Inschrift ,Bischof Straton die Mole Skopelos zu den Städten der Provinz Thes-
aus eigenen Mitteln‘ (6. Jh. oder später; A. A. salien. Ein Bischofssitz ist für die Insel iJ.
Ginalis, Emperor or bishop? Skiathos and 378 belegt.
the Byz. harbour architecture in the 6th cent. IX. Ikos (Chelidromia, heute: Alonnisos). S 4580 013
AD: C. von Carnap-Bornheim u. a. [Hrsg.], (Karvonis / Mikedaki 240; Koder / Hild 147
Harbours as objects of interdisciplinary re- [Diadromoi]; K. Mavrı́kis, These scattered is-
search, Internat. Conf. Kiel 2015 [Mainz les. Alónnisos and the lesser northern Spo-
2018] 252). Der Strategos der Karabisianoi, rades2 [Übers., Hrsg. A. Hirst] [Abingdon
Sisinnios, fand iJ. 680 die Insel seit langem 2010]; A. Sampson, Epifaneiakh eÂreyna sta
unbewohnt, wahrscheinlich aufgrund frühe- erhmonhÂsia tvn B. SporaÂdvn: ders. 203/15;
rer slawischer Überfälle in der Region (Mi- E. Skafida, ProÂsfatew arxaiologikeÂw eÂrey-
rac. Demetr. 2, 5, 296 [231 Lemerle]; Ko- new sthn AloÂnnhso, ErhmoÂnhsa kai SkoÂ-
der / Hild 257). pelo: ebd. 251/66; A. Doulgeri-Intzesiloglou,
S 4580 012 VIII. Peparethos (heute: Skopelos). (Kar- Alonnisos: Vlachopoulos 165f.) Ikos (64 km2)
vonis / Mikedaki 242/4; A. Sampson, H nhÂsow liegt nordöstlich von Peparethos, in der An-
000025 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38 000026 RAC/239/1.SL 23.10.20 08:38
tike gab es dort zwei Städte (Agios Ioannis u. Thes. 36, 1f). Danach setzte sich die atheni-
Kokkinokastro; PsScyl. 58 [GeogrGr 1, 47]). sche Herrschaft auf der Insel mit kurzen Un-
Die Insel war berühmt für ihren Wein. Phi- terbrechungen bis in die Spätantike fort. Al-
lostr. her. 8, 9f nennt Hymnaios v. Pepar- lerdings gehört Skyros im 2. Jh. nC. nach
ethos den alleinigen Eigentümer von Ikos, Ptol. Math. geogr. 3, 13, 47 zur Provinz Ma-
der dort Weinberge besaß (vgl. die Ge- kedonien, in der Spätantike jedoch zur Pro-
schichte über den Weinhändler Theogenes v. vinz Achaia (Hierocl. synecd. 646, 5 [17 Ho-
Ikos: Callim. aet. 135 [188/90 Asper]). Die nigmann]). Die antike Stadt wurde durch die
Meerenge zwischen Ikos u. dem Inselchen moderne überbaut; erhalten sind Reste der
Peristera bot einen sicheren Seeweg u. einen Befestigungsanlagen aus klassischer Zeit.
guten Ankerplatz auf dem Weg in die nördl. Der Hauptankerplatz heißt Achilleion. Auf
Ägäis. 42 vC. gab M. Antonius Ikos an Athen der Insel u. ihren kleineren Satelliteninseln
zurück (s. oben; Appian. b. civ. 5, 1, 7). Ar- fanden sich überall Spuren römischer Besied-
chäologische Untersuchungen förderten lung. Weißer u. ,breccia‘-Marmor wurden auf
Landgüter, v. a. aus klassischer u. hellenis- Skyros in römischer u. spätantiker Zeit sys-
tischer Zeit, zutage. In der Nähe von Ikos tematisch gebrochen u. exportiert (Strab. 9,
liegen die Inselchen Kyra Panagia, Gerontia 5, 16; Edict. imp. Diocl. 33, 14 [193 Lauffer]);
(heute: Gioura), Pappous, Skandira (heute: Marmorsteinbrüche wurden an mehreren
Skantzoura) u. Psathoura. Auf Gerontia (11 Stellen sowie auf den nahegelegenen Inseln
km2) befindet sich die sog. Zyklopenhöhle, gefunden. Plin. n. h. 33, 160 bezeichnet die
eine Kultstätte mit Funden von der Vorge- Ockerpigmente der Insel Skyros als die
schichte bis ins 4. Jh. nC. Die in den antiken drittbesten ihrer Art. – Bischof Eirenaios
Quellen ,Halonnesos‘ genannte Insel (De- nahm an der Synode von Serdica iJ. 343 nC.
mosth. or. 7 [De Halonneso]; 12, 12; 18, 70) ist teil (Hilar. Pict. coll. antiar. B 2, 4 [46]
nicht mit dem heutigen Alonnisos zu identi- [CSEL 65, 138]; Koder 279). Im J. 267–68 nC.
fizieren (Strab. 9, 5, 16 unterscheidet deut- verwüsteten die Goten u. Heruler die Insel
lich zwischen Ikos u. Halonnesos). Womög- (Georg. Sync. chron. 467 Mosshammer).
lich war damit Kyra Panagia nordöstlich von S 4580 015
Ikos gemeint (Mavrı́kis aO. 45/8); an den bei- G. DELIGIANNAKIS, The Dodecanese and the
den natürlichen Buchten der Insel liegen Eastern Aegean islands in Late Antiquity, AD
zwei kleine befestigte Siedlungen. Diskutiert 300/700 (Oxford 2016). – S. DESTEPHEN, Pros-
opographie chrét. du Bas-Empire 3. Prosopo-
wird auch eine Identifikation des antiken
graphie du Diocèse d’Asie (325/641) (Paris
Halonnesos mit Agios Eustratios, einer 43 2008). – M. H. HANSEN / TH. H. NIELSEN
km2 großen Insel 30 km südwestlich von (Hrsg.), An inventory of archaic and class. po-
Lemnos (H. Kalcyk, Art. Halonnesos: leis (Oxford 2004). – A. KALDELLIS / S. EFT-
NPauly 5 [1998] 98; kritische Diskussion: L. HYMIADIS, The prosopography of Byz. Lesbos,
Bürchner, Art. Halonnesos 2: PW Suppl. 3 284/1355 A. D. A contribution to the social hist.
[1918] 882f). of the Byz. province = DenkschrWien 403
S 4580 014 X. Skyros. (M. Karambinis, The island of (Wien 2010). – P. KARVONIS / M. MIKEDAKI,
Skyros from late Roman to early modern Smyrna 1. Aegean islands = Tabula imperii Ro-
mani J35 (Athens 2012). – J . KODER, Aigaion
times [Leiden 2015]; Koder 279/81; Karvo-
Pelagos (die nördl. Ägäis) = TabImpByz 10
nis / Mikedaki 244/6; E. Sapouna-Sakellaraki, (Wien 1998). – J. KODER / F. HILD, Hellas u.
SkyÂrow [AuhÂna 1997]; D. G. J. Shipley, Art. Thessalia = ebd. 1 (1976). – G. LABARRE, Les
Scyros: OxfClassDict3 1374; Reger 774.) Sky- cités de Lesbos aux époques hellénist. et im-
ros ist mit 215 km2 die größte u. die öst- périale = Coll. de l’institut d’archéol. et d’hist.
lichste der nördl. S. Sie ist v. a. unfruchtbar de l’antiquité 1 (Paris 1996). – C. MORRISSON u.
u. felsig, hat aber viele Buchten u. liegt in a., Les trésors monétaires byz. des Balkans et
einer strategisch günstigen Position relativ d’Asie mineure (491/713) = Réalités byz. 13
zentral in der Ägäis. Bekannt wurde die In- (ebd. 2006). – G. REGER, The Aegean: Han-
sen / Nielsen 732/93. – A. A. SAMPSON (Hrsg.),
sel als Ort, an dem Achilles in Mädchenklei-
Arxaiologikh eÂreyna stiw BoÂreiew SporaÂdew
dern unter den Töchtern des Königs Lyko- (AlonnhÂsow 2001). – A. G. VLACHOPOULOS
medes versteckt wurde. Ebenfalls auf Sky- (Hrsg.), Archaeology. Aegean islands (Athens
ros soll Theseus getötet worden sein; ,seine 2006).
Gebeine‘ wurden 476–75 vC. von Kimon nach
Georgios Deligiannakis (Übers. Elisabet Enß).
Athen überführt (Plut. vit. Cim. 8, 3/6; vit.