2/2022
SoNNTAGSBLATT 5
Wassertheurer: Wenn Sie für die Zukunft der Un- je und die gemeinsamen Erlebnisse und Traumata
garndeutschen drei Wünsche offen hätten, wel- der älteren Generationen verblassen langsam. Es
che wären das? müssen Strategien gefunden werden, die helfen,
die Werte und die Identität des Ungarndeutsch-
Mein erster Wunsch ist, dass die ungarndeutsche tums zu bewahren, gleichzeitig muss man sich je-
Gemeinschaft die Wichtigkeit der deutschen Mut- doch auch den sich stetig verändernden Umstän-
tersprache für die Existenz der Minderheiten er- den anpassen.
kennt. Wenn wir das Schicksal einer vollständigen
Assimilation vermeiden wollen, ist es notwendig, Mein dritter und wohl zugleich wichtigster Wunsch
unsere Sprache als Teil unserer Identität zu bewah- ist, dass die Ungarndeutschen, egal wo und wie sie
ren. leben, ihr Glück finden. Denn was nützen uns Iden-
tität und Sprache, wenn Sicherheit und Lebens-
Mein zweiter Wunsch ist, dass die ungarndeutsche unterhalt nicht gegeben sind. Das 20. Jahrhundert
Gemeinschaft die Kraft und die Energie in sich fin- barg schreckliche Erlebnisse in sich, folglich wün-
det, die eigene Identität so zu stärken, dass sie auf sche ich meiner Gemeinschaft, dass sie prosperiert
die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ent- und mit mehr Selbstbewusstsein in die Zukunft
sprechende Antworten geben kann. Wir leben in blickt.
einer Zeit der Möglichkeiten und Herausforderun-
gen: Die Ungarndeutschen leben verstreuter denn Wassertheurer: Danke für das Interview!
6 SoNNTAGSBLATT
AKTUELLES
„TANZEN UND
TRACHTTRAGEN SIND
SCHÖN, ABER SPRA-
CHE GEHÖRT DAZU”
Die Idee des Mundarttages stammt eigentlich von schen Gemeinschaftsleben (Lehrpfadführungen,
mir. 2006 wurde in Tscholnok der „Schwowisch Betreuung des Heimatmuseums, Mitverfasserin
Dischkursch”, ein Mundartstammtisch, ins Leben des Tscholnok-Buches, enger Kontakt zur ehema-
gerufen. Damals ging es mehr um die Vergan- ligen Schule auch durch selbstverfasste Mundart-
genheit. Heute widmen wir uns - darunter auch texte für Schüler usw.) bis heute aktiv.
die Mitglieder der Deutschen Selbstverwaltung,
altersmäßig zwischen 35 und 55 Jahren, unter ih- Ihr 2016 ins Leben gerufene Projekt - der Mundart-
nen sowohl Mundartversteher als auch -sprecher tag - hatte anfangs den Grundgedanken, dass „wir
- der Mundart-Sprache. Ich bereite die Runden nicht nur intern die Sprache sprechen, sondern
immer vor: Ich schreibe auf, was mir an nicht so auch andere mit einbeziehen wollen, aus dem gan-
alltäglichen Wörtern und Wendungen einfällt, so zen Land”, so Hárs. Dabei habe jeder Mundarttag
können diese als Grundlage des Gesprächs in der einen anderen Charakter: am Vormittag mit Ge-
Runde dienen”, erzählt die pensionierte Deutsch- sprächen (unter anderem solle auch in der Mund-
lehrerin Agathe Hárs aus Tscholnok bezüglich des art vorgetragen werden) und am Nachmittag mit
fünften Mundarttages, der Februar 2022 stattge- Kulturprogramm, wo aber auch die Mundart im
funden hat. Agathe Hárs (Holdampf), geborene Fokus stehe. Gut in Erinnerung ist der Deutschpä-
Putz, ist ein ungarndeutsches Urgestein und weit- dagogin der erste Mundarttag 2016 geblieben: „Ich
hin bekannt: Sie unterrichtete von 1970 bis 2008 an habe die Gesprächsrunde am Vormittag geleitet,
der Tscholnoker Grundschule und war dort Fach- jeder konnte über die Mundartsituation vor Ort
schaftsleiterin für Deutsch. Darüber hinaus hatte sprechen. Beim ersten Mal war auch Otto Heinek
sie zwischen 1996 und 2012 leitende Positionen im dabei und sprach seine Burjader Mundart”.
Schulverein Komorn-Gran und BUSCH inne, war
von 1995 bis 2014 Mitglied der Vollversammlung Im Folgejahr probierte Agathe Hárs etwas anderes
der Landesselbstverwaltung der Ungarndeut- aus: Es wurden Mundartstücke vorgetragen. Die
schen und dabei von 1999 bis 2007 acht Jahre lang Tscholnoker griffen dabei auf die Stücke von Sep-
Mitglied im Bildungsausschuss. Die ehemalige pi Veder (Josef Klinger) zurück, beim Einstudieren
Erste Gemeinderätin von Tscholnok ist im deut- half nach Hárs‘ Angaben die ehemalige Leiterin des
SoNNTAGSBLATT 7
Margarethe Tarkövi erzählt über ihre Mutter, die Puschemacherin, die unzählige Brautkränze gebunden hatte
Kulturhauses und Deutschlehrerin Eva Priegl. Da- ben, sind nun zurückgekehrt.
bei kam sie nach eigenen Angaben zur Erkenntnis,
dass die Gesprächsrunde Vorbereitung benötige. Die Corona-Zeit brachte auch hier einschneidende
So schickt sie vor jedem Mundarttag Unterlagen Veränderungen: „In Corona hatte ich zwar über die
zu verschiedenen Themen, so zum Beten in der ungarndeutschen Medien um den Mundarttag
Familie, zu Bräuchen rund ums Schweineschlach- geworben, aber das Echo blieb gering. Deswegen
ten oder zu den Hochzeitsfeierlichkeiten. Zu den haben wir Leute in den umliegenden Ortschaften
Bräuchen gehört in Tscholnok auch das Ratschen angesprochen, und daraufhin kamen aus jedem
ab Gründonnerstag, was als Brauch immer noch Ort ein-zwei Personen. Früher hatten wir Teilneh-
lebendig in der Bergbaugemeinde ist, wo bereits mer aus der Tolnau und der Branau, ich hoffe, dass
1951 eine Kulturgruppe gegründet wurde. Noch bis sie beim nächsten Mundarttag wieder dabei sein
in die 1970er, 80er Jahre sei das Zusammenleben werden.“ Auch ihre gesammelten Begriffe möch-
von mehreren Generationen typisch gewesen, was te Hárs in Form eines dreisprachigen Wörterbuchs
die Übergabe der Mundart in einem Dorf, wo es herausbringen.
keine Vertreibung gab, begünstigte. „Heute kön-
nen wir von einer winzigen Schicht im Großeltern- Dabei beobachtet sie, dass große Unterschiede
alter sprechen, vier-fünf Familien, die versucht, die zwischen den Gemeinden bezüglich des Mundart-
Mundart in den Familien wiederzubeleben. So legt gebrauchs bestehen: „In vielen Orten traute man
man großen Wert darauf, dass die Enkel an den sich nach der Vertreibung nicht die Sprache wei-
Rezitationswettbewerben zum Beispiel teilneh- terzugeben und die Folgen zeigen sich jetzt”. Für
men. Ich beobachte darüber hinaus, dass wir seit Agathe Hárs kommt es, auch wenn sie die sprach-
dem „Schwowisch Dischkursch” bewusster Tschol- liche Zukunft kritisch sieht, stark auf die Sprache
nokerisch sprechen. Wir haben in unserem Kreis an: „Tanzen und Trachttragen sind schön, aber
auch einen Madjaren, der Hochdeutsch spricht, Sprache beziehungsweise Dialekt gehört dazu”.
aber sich als - unter anderem - Esperanto-Spre- Aber wenn Mundartsprechende verschwinden,
cher an die Mundart heranwagt”, berichtet Agathe würden Mundartverstehende diese Lücke nicht
Hárs und ergänzt: „Was den Dialektgebrauch mit- schließen können. „So lange wird es nicht mehr
telfristig angeht, bin ich kein Optimist. Man wird dauern. Dabei habe ich immer die Deutschen in
von heute auf morgen kein Dialektsprecher, man Rumänien, zum Beispiel im Banat, bewundert. Sie
kann die Mundart nur in der Gemeinschaft er- haben jahrhundertelang ihre Sprache bewahrt.”
lernen”. Den massiven Zuzug von Madjaren nach
Tscholnok in den letzten Jahrzehnten betrachtet Und was bringt die Zukunft? „Ein vereinfachtes
dabei die Deutschlehrerin differenziert - zum Teil Deutschtum wird weitergetragen - ohne Dialekt.
positiv, dank konstruktiver Kritik und der Beteili- Dennoch beobachte ich, dass die Identität wächst
gung der Kinder der Zugezogenen an schulischen - diese wird aber eine andere Bedeutung haben.
und außerschulischen Aktivitäten, dennoch „för- Bei den wenigen Sprechern wird man mehr an der
dert dieser Zuzug unser Deutschtum insgesamt Sprache hängen, gerade weil sie verloren zu gehen
nicht”. Wanderungsbewegungen waren in der droht, das ist so wie bei der Gesundheit”, schließt
Vergangenheit (und sind in der Gegenwart) aber Agathe Hárs.
nicht einseitig: Viele abgewanderte Tscholnoker
(oder ihre Kinder), die in der Vorwendezeit in Dau-
rag/Dorog beispielsweise Baugrundstücke erwar-
8 SoNNTAGSBLATT
WENN DIE 70-80-JÄHRIGEN
NICHT MEHR DA SIND
Mit der Dialektwörterbuchautorin Judit Endrész
aus Ratka im Gespräch
SB: Frau Erdész, Sie haben heuer ein Mundart- einheitlichung der Schriftweise geholfen. Heraus-
wörterbuch herausgebracht - wer war Ideen- geber des Wörterbuchs ist der Verein „Schwarz-
geber des Projekts bzw. woher kam die Motiva- wald“. Die Deutsche Selbstverwaltung war diesmal
tion? nicht involviert.
JE: Mein Vater, Georg Endrész, war der Ideengeber. SB: Welche besonderen Erfahrungen haben Sie
Er ist Lehrer für Geschichte, Russisch und Deutsch. bei der Arbeit gemacht?
Er hatte seit Jahren schon vor, dieses Wörterbuch
zu machen, ihm fehlte aber einfach die Zeit. Ich JE: Dass diese Sprache noch viel interessanter ist,
habe Germanistik und Philosophie studiert und als wir uns am Anfang gedacht haben! Es gab vie-
Dialekte haben mich schon immer fasziniert. Der le Wörter, mit denen wir zuerst nichts anfangen
zeitliche Aufwand und die Komplexität der Sache konnten. Ich meine, aus dem Kontext stellt sich
haben mich aber zurückgeschreckt, so dass mein zwar heraus, was sie bedeuten, wir mussten sie
Vater ganz lange gebraucht hat, bis er mich vom aber diesmal schriftlich wiedergeben und dann
Projekt überzeugen konnte. Bei uns in Ratka re- soll man im Idealfall wissen, wo sie herkommen.
den nur noch die 70-80-Jährigen „Schwäbisch“ Zum Beispiel wird das Verb [khoie] sehr oft ver-
und uns hat sehr besorgt, dass, wenn sie sterben, wendet und wir konnten sehr lange nicht heraus-
dann auch dieser wunderbare Dialekt verschwin- finden, worauf es zurückzuführen ist und wie wir
det, den unsere Vorfahren fast 300 Jahre lang in es schreiben sollen. Nach langer Recherche hat
einer ungarischen Sprachumgebung bewahren sich herausgestellt, dass es auf die alten Verben
konnten. Daher kam die Motivation. Wir wollten „geheien“, „keien“ (‚werfen‘, ‚fallen‘, Quelle: Wörter-
einfach nicht, dass er spurlos verschwindet. buch Grimm) zurückzuführen ist, die heutzutage
wahrscheinlich niemand mehr kennt. Es gibt aber
SB: Was war das konkrete Ziel des Projekts, wer noch viele, viele spannende Beispiele und wir ha-
war an der Sammlung und Zusammenstellung ben oft nachgeschaut, in welchen Teilen Baden-
beteiligt? Und welchen Anteil hatte die Deut- Württembergs der eine oder der andere Ausdruck
sche Selbstverwaltung am Zustandekommen heute noch verwendet wird, den unsere Leute hier
des Wörterbuchs? auch verwenden, und so ist in uns irgendeine psy-
chische Verbindung zu dem Herkunftsland unse-
JE: Da es im Fall des Ratkaer Schwäbischen um rer Vorfahren entstanden, auch wenn das sich et-
eine quasi veraltete Sprache geht (Ratka liegt ja was komisch anhört.
nicht inmitten einer deutschen Sprachinsel in
Ungarn (im Sinne von deutschen Sprachinseln in SB: Erzählen Sie bitte ein wenig über den Rat-
einem ungarischsprachigen kaer Dialekt! Wie viele Dialekt-
Umfeld, Red.) und hatte mit sprecher gibt es noch im Ort
Deutschland keinen Kontakt und welche ortsspezifischen
mehr seit der Auswanderung Gründe gab es für den Verlust
Mitte des 18. Jahrhunderts, so des Dialekts?
konnte sich die Sprache nicht
entwickeln), haben wir nicht JE: Das Ratkaer Schwäbische
darauf gehofft, dass es erlernt weicht stark von dem heutigen
wird, weil wir dieses Wörter- Schwäbischen ab, auch wenn
buch haben. Für die sprach- es viele Gemeinsamkeiten gibt.
wissenschaftliche Forschung Es ist eine stark diphthongierte
könnte es aber durchaus in- Sprache mit teilweise hochale-
teressant sein. Unser Ziel war mannischen Merkmalen (dank
einfach, dass die Sprache der Nähe des Schwarzwalds zu
nicht ganz verloren geht, auch den Herkunftsdörfern). Schwer
wenn sie nicht mehr gespro- zu sagen, wie viele Dialektspre-
chen wird. Dieses Wörterbuch cher es in Ratka noch gibt! Es gibt
ist so wie ein Denkmal. Mein viele, die „passive“ Dialektspre-
Vater Georg Endrész hat 90 % cher sind: Ich meine diejenigen,
der Arbeit allein gemacht. Er die ihn verstehen, aber wenn sie
hat die Wörter und Redewen- im Dialekt angesprochen wer-
dungen fast vier Jahre lang den auf Ungarisch antworten.
gesammelt, hat Tonaufnah- Tagtäglich schwätzen nur noch
men gemacht, dann hat er die 70-80-Jährigen schwäbisch,
die Aufnahmen zu Hause be- höchstens 150 Personen.
arbeitet. Er hat sogar Konjuga-
tions- und Deklinationstabel- Ratka war lange ein geschlosse-
len erstellt. Dieses Wörterbuch nes Dorf, lange haben die Dorf-
ist eigentlich sein Wörterbuch, bewohner untereinander Fami-
ich habe ihn nur auf dem Weg lien gegründet. Da Ratka weit
begleitet und ihm bei der Ver- weg von den deutschen Sprach-
SoNNTAGSBLATT 9
inseln in Ungarn liegt, musste es sich irgendwann Jahrzehnten. Es wird aber in Erinnerung behalten
aus praktischen Gründen (Wirtschaft, Arbeit) doch - ganz lange, da bin ich mir sicher. Dazu trägt un-
öffnen. Heutzutage gibt es sehr viele Zugezoge- ser Wörterbuch auch bei.
ne, die mit Schwäbisch überhaupt nichts zu tun
haben. Das ist der eine Grund für den Verlust. Da- SB: Frau Endrész, vielen Dank für das Gespräch!
gegen kann man nichts machen, man kann ja nie-
manden zwingen, in Ungarn einen fremdsprachi-
gen Dialekt zu sprechen. Das Gespräch führte Richard Guth.
SB: Frau Gölcz, was hat die DNSVW Wudigess dazu SB: Welche Erfahrungen haben Sie in den letzten
bewegt 2020 eine eigene Grundschule zu gründen? anderthalb Jahren gesammelt?
Wie ging die Neugründung vonstatten, organisato-
risch und personell? MG: Wie üblich bei strukturellen Veränderungen war
es auch in unserem Fall ein hartes Stück Arbeit, dem
MG: Jede Nationalität in Ungarn hat das Recht auf Trä- neuen ethnischen Konzept Leben einzuhauchen und
gerschaftsübernahme oder Gründung einer sprach- Strukturen zu schaffen, die den Schülern ermöglichen,
lich-ethnisch ausgerichteten Bildungsstätte. Um eine sich wieder - wie ihre Eltern und Vorfahren - mit der
Schule dieses Konzepts zu errichten, die aus einer deutschen Sprache und den typischen Traditionen
anderen Schule hervorging (István-Széchenyi-Grund- und Bräuchen auseinanderzusetzen. Auch das Lehrer-
schule, SZIA), wurden ab Mai 2020 eine Absichtserklä- kollegium befindet sich ständig in Teambildungs- und
rung der zukünftigen Lehrer abgegeben sowie eine Weiterbildungsprozessen. Das Ziel ist, in der nahen Zu-
Betriebserlaubnis mit der dazugehörigen Bildungsbe- kunft eine möglichst homogene Struktur in der Schü-
triebsnummer beantragt wie ein ein neuer Name der ler- und Lehrerschaft bezüglich des „deutschen An-
Schule initiiert. Ebenfalls wurde ein neues pädagogi- teils“ im Lehrkonzept zu schaffen.
sches Konzept entwickelt, in Zusammenhang mit der
Ausarbeitung des konkreten Lehrplans. Der staatliche SB: Erzählen Sie bitte ein wenig mehr darüber.
Bildungsträger des Komitats Pest hatte zuvor die Zusi-
cherung der Benutzung von 13 Klassenräumen in den MG: Die Schüler wurden anfangs aus einem anderen
Räumlichkeiten der Ausgangsschule SZIA bestätigt. Schulkonzept mit geringerem deutschsprachigen An-
Die offizielle Eröffnung fand dann im September 2020 teil übernommen. Teilweise verfügen sie jedoch über
statt. eine Nationalitätenprägung durch Eltern oder Groß-
eltern, dennoch war von den fünf Parallel-Klassen ei-
nes Jahrgangs nur eine am Nationalitätenprogramm
SoNNTAGSBLATT 11
beteiligt. Von den Lehrern stammen 23 aus der Ur- Programm des Goethe-Instituts ermöglicht eine erste,
sprungsschule SZIA, 10 neue Lehrer kamen sukzes- ernsthafte Erfahrung mit Sprachenlernen und bereitet
sive dazu, darunter auch die Schulpsychologin und die Kindergartenkinder spielend auf den schulischen
die Sozialpädagogin. Ständige Weiterbildung sowie Unterricht vor.
Deutschsprachigkeit als grundlegendes Einstellungs-
merkmal bei neuen Lehrern gewährleisten für die Zu- Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Selbstverwal-
kunft eine Progression in der Deutschsprachigkeit des tung ist lebendig. Wir informieren einander gegensei-
Lehrerkollegiums. Vor dem Hintergrund der jahrhun- tig über die aktuellen Ereignisse und organisieren mo-
dertelangen Ansiedlung Deutscher in Ungarn gilt es, natlich gemeinsame Sitzungen und Besprechungen.
die deutsche - und speziell schwäbische Sprache - so- Unsere Schule ist noch zu jung, unsere Schüler wäh-
wie die Bräuche und Traditionen in Form von Sprache, len derzeit lieber die naheliegenden Mittelschulen.
Tanz, Gesang, Musik, Dichtkunst, Speisen und Geträn- Es spielt bei diesen Entscheidungen auch eine Rolle,
ken lebendig zu halten und so die Identität der Un- dass die Mittelschulen wie „Schiller” oder „DNG” von
garndeutschen zu stärken, zu erhalten und weiterzu- uns ziemlich weit entfernt liegen; es würde morgens
tragen. Augenblicklich werden in den A-Klassen eines mehrere Stunden dauern durch die Stadt das DNG zu
jeden Jahrgangs der Oberstufe (Jahrgangsstufe 5-8) 35 erreichen, nach Werischwar gibt es keine direkte Bus-
% - ca 9 - 11 Stunden - pro Woche in deutscher Sprache verbindung.
gelehrt, in den B-Klassen nur das Fach Deutsche Spra-
che und Literatur in fünf Stunden, dazu eine Stunde SB: Was motiviert Sie persönlich, sich am Aufbau
Volkskunde. der Grundschule zu beteiligen?
SB: Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten MG: „Zwei Dinge sollten Kinder von ihren Eltern und
(fünf) Jahre gesetzt? ihrer Schule bekommen: Wurzeln und Flügel.“ Dieser
Ausspruch von J.W. von Goethe bewegte den Deut-
MG: Unser Zukunftsziel ist, die Oberstufenschüler auf schen Stadtrat in Wudigess, als er sich zum Ziel setzte
sprachlich sehr hohem Standard auszubilden, um in eine selbstständige deutsche Nationalitätenschule zu
der Lage zu sein, eine frühe „Abwanderung“ in ande- gründen. Nach dem Abitur habe ich an der Fakultät
re Schulen zu verhindern, aber auch um den Schülern für Grundschullehrer- und Kindergärtnerinnenbildung
den Zugang zu weiterführenden Ausbildungsstätten der Lóránt-Eötvös-Universität Budapest (ELTE) stu-
mit deutschsprachigem Standardangebot zu erleich- diert, anschließend habe ich 12 Jahre lang als Nationa-
tern. Eine Aufstockung des deutschsprachigen Lehr- litätenlehrerin in Schaumar/Solymár gearbeitet. Fünf
körperanteils ist daher genauso wichtig wie Lehrange- Jahre lang habe ich am Schiller-Gymnasium in We-
bote in den naturwissenschaftlichen Disziplinen sowie rischwar Volkstanz und Volkskunde unterrichtet. Ich
im Fach Geschichte in deutscher Sprache. Konkret bin als Pädagogiklehrerin, Mentorin und Bildungsrefe-
streben wir deutschsprachigen Fachunterricht in 50 % rentin tätig. Seit drei Jahren unterrichte ich an der Uni-
der Unterrichtszeit an. versität ELTE. Momentan bin ich PhD-Studentin an der
ELTE PPK, der Fakultät für Pädagogik und Psychologie
SB: Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit der der Lóránt-Eötvös-Universität. Mein Forschungsthema
Deutschen Selbstverwaltung beschreiben? Be- ist die Geschichte und Gegenwart der Ausbildung von
stehen Kontakte zu weiterführenden Nationali- Grundschullehrern für die deutsche Minderheit in Un-
tätenschulen, u. a. zum Schiller-Gymnasium in garn und die Entwicklungsmöglichkeiten. Nationalitä-
Werischwar/Pilisvörösvár und zum Deutschen Na- tensprachunterricht sowie die Pflege der Traditionen
tionalitätengymnasium in Budapest? und Bräuche stehen im Vordergrund in Wudigess im
sog. Pädagogischen Programm der neu gegründeten
MG: Erfolgreich betreibt der Deutsche Stadtrat in Wudi- Schule in Wudigess.
gess schon seit Jahren den Kindergarten Kunterbunt/
Tarkabarka óvoda. Diese Erfahrung gab Mut und Moti- SB: Frau Gölcz, vielen Dank für das Gespräch!
vation zur Schulgründung. Eine Verbindung zwischen
Kindergarten und Schule stellt nicht nur der Deutsche Das Interview führte Richard Guth.
Stadtrat dar, sondern auch ein erfolgreiches Vorschul-
programm. Das sogenannte „Deutsch mit Hans Hase“-
jakob bleyer
GEMEINSCHAFT e.V.
„Der Vertriebenenbeirat ist ein starkes, überparteiliches das Unrecht der Vertreibung der deutschsprachigen Min-
Instrument der Zusammenarbeit in den Anliegen der derheiten aus den heutigen Nachbarländern.“ Deshalb
Vertriebenen“, sagte ÖVP-Vertriebenensprecherin Abg. würden sich der VLÖ und die parlamentarischen Vertreter
Dr. Gudrun Kugler am 19. Mai 2022. Kugler hatte die Ver- nun für die Neugestaltung des Hauses der Heimat in ein
treter des Verbands der deutschen altösterreichischen Museum und Archiv einsetzen.
Landsmannschaften in Österreich (VLÖ) und die Spre-
cherkollegen der anderen Parteien zur zweiten Sitzung Außerdem standen die Zusammenarbeit mit Nachbarlän-
des Vertriebenenbeirats in dieser Gesetzgebungsperiode dern in Bezug auf deutschsprachige Minderheiten - etwa
ins Parlament eingeladen. Vonseiten des Parlaments wa- in Slowenien, der Schutz der Gedenkstätten in Serbien,
ren neben Abg. Dr. Gudrun Kugler auch Nationalratsprä- die Sicherstellung von altösterreichischen Zeitzeugenbe-
sident Wolfgang Sobotka, Abg. Dr. Harald Troch (SPÖ), BR richten sowie die aktuellen Anliegen der einzelnen Lands-
Josef Ofner (FPÖ), Abg. Michael Bernhard (NEOS) sowie mannschaften auf der Tagesordnung.
eine Mitarbeiterin des Grünen Parlamentsklubs anwe-
send. Abschließend lud Kugler die Vertreter des VLÖ zu einer
Filmvorführung anlässlich des Gedenktages der litaui-
Sobotka, der den Präsidenten des VLÖ, Norbert Kapeller, schen Massendeportationen durch die Sowjetunion so-
und die rund 15 Vertreter der insgesamt neun Landmann- wie zu einer gemeinsamen Exkursion zur ehemali
schaften willkommen hieß, begrüßte die Fortführung die- gen Fabrik des bekannten Sudetendeutschen Oskar
ses Austauschformats und betonte seine Unterstützung Schindler nach Brünnlitz ein.
der gemeinsamen Anliegen, die er etwa auch in den Ge-
sprächen mit Amtskollegen anderer Länder regelmäßig Gemeinsam mit allen VLÖ-Verantwortlichen bedankte
anspreche. sich VLÖ-Präsident Kapeller bei den zuständigen Abge-
ordneten sowie bei Nationalratspräsident Wolfgang So-
ÖVP-Vertriebenensprecherin Kugler hob insbesondere botka für die Unterstützung der gemeinsamen Anliegen.
den Beitrag des VLÖ in der Weitergabe der Vertreibungs- „Die parteiübergreifende Arbeit ist für die Verwirklichung
geschichte an die nächste Generation hervor und freu- unserer Ziele genauso wichtig wie die Unterstützung
te sich über die Fortschritte, die in diesem Anliegen seit durch den Nationalratspräsidenten. Der Vertriebenenbei-
der vergangenen Sitzung erzielt werden konnten. Kugler: rat ist zu einem entscheidenden Instrumentarium unse-
„Wenn wir »Niemals wieder!« sagen, denken wir auch an res gemeinsamen Handelns geworden“, so Kapeller.
SoNNTAGSBLATT 13
SCHULE, SPRACHE, VIELFALT IN-
NERHALB DER GEMEINSCHAFT
LdU entsendet erneut eigenen Abgeordneten ins ungarische Parla-
ment – Herausforderungen bleiben trotz deutlich gestiegener Zuwen-
dungen bestehen
Die meisten haben ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei den plötzlich auf sehr wackligen Füßen, hätte es nicht eine
Parlamentswahlen erwartet – wie wir wissen, kam es Zuwendung von der LdU gegeben (Dank dafür!). Dies
anders und die Regierungspartei Fidesz konnte ihre beleuchtet aber die grundsätzliche Problematik des
Mehrheit sogar ausbauen, während das Oppositions- Systems der Bewerbungen: Dieses mag bei einzelnen
bündnis im Vergleich zu 2018, als die sechs Parteien Projekten einen Sinn ergeben, nicht aber beispielswei-
zwar koordiniert, aber eigenständig antraten, deutlich se bei der Unterstützung der Arbeit von etablierten Ver-
an Stimmen eingebüßt hat. Viele haben auch bei der einen und Presseorganen: Sie brauchen feste Rahmen,
Wahl des deutschen Abgeordneten mit einem knap- um ihre Tätigkeit verlässlich zu planen und durchzu-
pen Ergebnis gerechnet, bedenkt man die auch in der führen. Vor kurzem sprach ich mit einem Vertreter des
Öffentlichkeit deutlich wahrnehmbaren Verwerfungen Südtiroler Tagblattes „Dolomiten”, der erzählte, dass sie
zwischen der LdU und Emmerich Ritter sowie seine jährlich sechs Millionen Euro aus Rom erhalten würden,
auch in der Presse thematisierte Vergangenheit als ohne sich jedes Jahr bewerben zu müssen.
Fidesz-Lokalpolitiker. Auch hier kam es anders und so
zieht der aus Wudersch stammende Ritter erneut ins Entscheidender als die Höhe der Zuwendungen sind
Parlament ein: Dreiviertel der registrierten Wählerinnen aber die inhaltlichen Fragen. Übernahme von Bil-
und Wähler stimmten für die Deutsche Liste, die vom dungseinrichtungen ist die eine Sache, diese im Sinne
Wuderscher angeführt wurde, die Zahl derer, die von der LdU-Strategie (Stärkung des zwei- und einsprachi-
der Liste streichen ließen, blieb überschaubar. gen Profils und entsprechender Angebote) die ande-
re. Da hat sich in den letzten Jahren einfach zu wenig
Aber nun beginnt die zweite Legislaturperiode des getan. Fairerweise muss man sagen, dass die Schulen
deutschen Abgeordneten, dabei werden die Rahmen- und Bildungsverantwortlichen Erwartungen von unter-
bedingungen womöglich anders sein als in den ver- schiedlichen Seiten entsprechen müssen und auch die
gangenen vier beziehungsweise acht Jahren mit einem Rahmenbedingungen schränken deren Handlungs-
günstigen makroökonomischen Umfeld und außen- spielraum ein. Konkret: Vielfach wird beklagt, dass vie-
politischer Stabilität. Die letzte Legislaturperiode von len Eltern der Sinn für Zweisprachigkeit fehle. Darüber
Emmerich Ritter brachte nachweislich eine deutliche hinaus wünschen sich Eltern - darunter auch viele mit
Steigerung der Zuwendungen an die Minderheiten in ungarndeutschem Hintergrund - Englisch ab der ers-
Ungarn, sei es im Bereich Gebäudemanagement, in der ten Klasse, was gerade in kleineren Gemeinden mit nur
Förderung von gemeinschaftlichen Aktivitäten oder einer Schule für zusätzlichen Druck sorgt. Die Nach-
auch bei den Zulagen für angehende und bereits akti- wuchssorgen an Schulen und das Phänomen der Auf-
ve Lehrerinnen und Lehrer. Auch die Zahl der Schulen gabe des Lehrerberufs nach kurzer Zeit - Phänomene
und Kindergärten in der Trägerschaft von Nationalitä- der gesamten Bildungslandschaft in Ungarn - werden
tenselbstverwaltungen ist deutlich gestiegen, also man durch ein Stipendienprogramm für angehende Lehr-
vollzog einen deutlich wahrnehmbaren Schritt in Rich- kräfte, die Erhöhung der Nationalitätenzulage und
tung kultureller Autonomie. Ob sich diese Politik groß- durch unter Umständen mehr Freiheiten durch die
zügiger Förderung angesichts des gegenwärtigen Zu- nichtstaatliche Trägerschaft kaum aufgewogen. Den-
standes des Staatshaushaltes fortsetzen lässt, wird sich noch bin ich davon überzeugt, dass nur authentische
in den nächsten Monaten zeigen. Gut möglich, dass das Angebote (zwei- und einsprachig) an Schwerpunkt-
Volumen der Zuwendungen sogar noch steigen wird, schulen (von denen sich bereits viele in eigener Träger-
sprechen wir doch im Vergleich zu anderen Haushalts- schaft befinden) eine Zukunft haben werden, denn wir
posten und Regierungsprojekten um Kleingeld – an wissen: Sprachkompetenz in der (vielfach verlorenen)
dem Abgeordneten mit Managerqualitäten wird es si- (Groß-) Muttersprache hat einen entscheidenden Ein-
cherlich nicht scheitern. In eigener Angelegenheit sehe fluss auf die Identität der Angehörigen einer Minder-
ich mich gezwungen dennoch, auf ein Phänomen hin- heit. Und wo es nicht von unten kommt, muss von oben
zuweisen, was wiederum auch andere betrifft: Nach lan- angestoßen werden, wie es einst Fritzi Batschi auch an-
gen Jahren finanziellen Überflusses versiegten dieses geregt hat, leider mit wenig Erfolg.
Jahr die Geldquellen in Richtung JBG und Sonntags-
blatt. Vor allem die Finanzierung der Zeitschrift stand Apropos Sprachgebrauch: Ich schreibe bzw. tippe mei-
ne Finger wund, um die Fatalität einsprachig unga-
14 SoNNTAGSBLATT
rischen Informationsflusses zu monieren. Manchmal setzen, haben wir in letzter Zeit mehrfach beschrieben.
mit erfreulich positiven Reaktionen, aber viel zu oft mit Aber die Erkenntnis, dass Ritter nicht nur der Abgeord-
Desinteresse und eben keiner Reaktion! Ich kann ver- nete der Ungarndeutschen ist, die Fidesz unterstützen,
stehen, dass Zweisprachigkeit mühselig ist - man muss sondern der von allen ungarndeutschen Wählerinnen
ja seine Komfortzone verlassen - und einem Ungarisch und Wählern, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass
mehr liegt (eigentlich eine bedenkliche Entwicklung). sich jedes Mitglied der Gemeinschaft vertreten fühlt -
Aber man ist Zweisprachigkeit der Gemeinschaft schul- einer Gemeinschaft, die gerade in der Aufbruchszeit
dig, auch wenn man zu oft den Eindruck gewinnt, dass der 1990er Jahre ein viel diskussionsfreudigeres und
Bilingualität an den Bedürfnissen der Leit vorbei gehe – vielfach aktiveres Bild abgegeben hat als heute.
dennoch: Sprache unterscheidet uns von der Mehrheit,
Sprache verbindet uns, erlernt oder von zu Hause mit- Denn Autonomie und bürgerlich-kritisches Selbstbe-
gebracht. wusstsein sind kein Teufelszeug liberaler Demokratien.
Sie müssten die Grundlagen einer Gemeinschaft sein,
Und da sind wir beim meines Erachtens wichtigsten um jedem Mitglied die Möglichkeit zu gewähren, sich
Punkt: der Lethargie oder besser gesagt Passivität wei- zu entfalten und für die Gemeinschaft einzusetzen.
ter Teile der ungarischen und ungarndeutschen Öffent- Denn Nachwuchssorgen plagen nicht nur die Schulen
lichkeit. Das beste Beispiel ist dieser Beitrag – diesen und Kindergärten, sondern auch die Vereine und Na-
sollte ein anderer Ungarndeutscher schreiben, der aber tionalitätenselbstverwaltungen. Dem Gefühl der viel-
dankend ablehnte, mit der Begründung, das wäre oh- fach beschriebenen Politikverdrossenheit kann dabei
nehin sinnlos. Das Ganze wird überlagert von parteipoli- nur durch mehr Freiräume entgegengewirkt werden
tisch motivierten Gegensätzen auch unter den Ungarn- anstelle von mehr Zentralisierung. Dies schließt mehr
deutschen. Die Nation - in diesem Falle die Nationalität Präsenz der LdU vor Ort und Handlungsempfehlungen
- zu einen, sei ein mögliches, wenngleich schwieriges nicht aus, den Wunsch danach hört man hin und wie-
Unterfangen, sagte vor kurzem die neue Staatspräsi- der von Vertretern der Gemeinschaft an der Basis.
dentin Ungarns, Katalin Novák, die erste Frau in die-
sem Amt, die die Öffentlichkeit in der Vergangenheit Denn unsere Gemeinschaft steht aufgrund der Assimi-
als loyale Parteigängerin kennen gelernt hat. Aber je- lation, negativer demografischer Prozesse und der Aus-
der verdient eine (zweite) Chance. So könnte diese Auf- wanderung – letztere betreffen die ganze ungarische
gabe bei uns Ungarndeutschen Emmerich Ritter zu- Gesellschaft - weiterhin vor großen Herausforderungen.
fallen, der sich nun der Parteineutralität verschrieben Der Erosionsprozess der letzten Jahre kann allein durch
hat. Austausch statt Entscheidungen durch Einzelne mehr Geld nicht aufgehalten werden. Es bedarf der
sorgen für mehr Legitimität, gerade in einer zerbrech- Kraftanstrengung einer Gemeinschaft, deren Kraft sich
lichen Gemeinschaft. Wie schwierig es ist, dies in Zeiten gerade aus der Vielfalt und nicht aus dem Uniformis-
einer Übermacht eines einzigen Machtblocks umzu- mus speist.
Gleich am Anfang eine grundsätzliche Aussage: Ja, die erkannt worden sind, sondern es wäre von einem be-
parlamentarische Vertretung des Ungarndeutschtums sonderen Vorteil, wenn wir nicht alleine nur noch unter
ist – wie auch immer betrachtet – eine positive Errun- der Lupe fachkundiger Beobachter, aktualpolitischer
genschaft, die hoffentlich wenigstens mittelfristig Be- Akteure oder verspäteter Ethnologen erscheinen.
stand haben kann. Sie kann nicht nur dazu beitragen,
dass Gelder für diverse Ideen, Programme, Anlässe, Er- Wenn über unsere Existenz gesellschaftlich gesehen
eignisse und Projekte flüssiger fließen, sondern - we- nur so viel rüberkommt wie „Ach so, die, die da so ko-
nigstens halt theoretisch - auch dazu führen, dass man misch herumsingen und an Festtagen auf Kulturhaus-
sich als Minderheit in diesem Land artikulieren kann Bühnen tanzen!” – dann haben wir nicht nur Chancen
– und man es überhaupt lernt, wie eine Selbstbehaup- verspielt, sondern den Sprung in ein noch immer nicht
tung aus der ungarndeutschen Basis in der Richtung ganz unmögliches, sichtbares Dasein in unserem Hei-
der Gesetzgebung und des Spielfelds der politischen matland verfehlt, denn es ist gar nicht egal, wodurch
Macht möglich ist. wir nach den vergangenen Jahrhunderten mit diesem
neuen Jahrtausend noch in Zusammenhang gebracht
Denn das auf der gesellschaftlichen Palette Sichtbar- werden und auffallen.
Werden wäre nicht alleine in dem Sinne wesentlich,
um über sich nicht nur als „Minderheit” reden zu lassen, Wir stellen nämlich nicht mehr ein in sich geschlosse-
sondern überhaupt um als Gruppe, ja als eine Volks- nes Milieu dar. Wie weit sind wir doch schon von einem
Gruppe, in diesem Land noch einmal sich zu behaup- Zustand entfernt, wo ganze Landstriche unter unserem
ten und wahrgenommen zu werden. Dazu wird es nicht tunlichen Mitwirken aufgeblüht sind und als wir ge-
ausreichen, wenn wir noch tiefere Wurzeln in Richtung sellschaftlich und wirtschaftlich dadurch sichtbar und
unserer alten, oft nicht einmal näher definierten Traditi- bekannt gewesen sind? Kein Wunder, dass die Politik
onen und unseres einstigen historischen Glanzes schla- von damals bald auf die Idee gekommen ist, uns einzu-
gen, als wir alleine an unserer Tracht schon wenigstens verleiben und durch erhöhten Druck zu versuchen, uns
auf den Märkten der Nachbarstädte aufgefallen und zu magyarisieren, damit wir viel weniger als eigenstän-
SoNNTAGSBLATT 15
dige Akteure auffallen - besser gesagt, dass wir nicht te Familien stützen, die die Mühe und die eventuellen
mehr die Merkmale von einer eigenständig agierenden Konsequenzen nicht scheuen, den Gebrauch der Spra-
Volksgruppe aufweisen! che als Merkmal der Zugehörigkeit für sich hochzuhal-
ten. Und zwar in einer Art und Weise, dass es gar keine
Wenn es auch als harte Formulierung erscheint, sind wir Frage sein darf, welche Sprache wenigstens im Kreise
eigentlich in einen Reservaten-Status zurückgedrängt der Familie im Mittelpunkt steht!
worden. Das hat hundertfünfzig bis zweihundert Jah-
re gebraucht, aber man muss sagen: Es hat geklappt! Ist dann die Sprache das vorherrschende Merkmal, so
Uns ist auch dem eigenen Anspruch nach kaum mehr kann man auch in einer Zeit (wieder) ankommen, wo die
als das noch wichtig, eine schiefe Kopie dessen aufzu- Vertretungsfrage (wieder) eine relevante ist. Dann wird
weisen, was unsere Ahnen unverfälscht als ihre eigene man zeitgemäße Antworten auf Fragen der Zeit finden
Kultur gelebt haben. Und zwar nicht in Vereinen und und geben wollen. Dann wird die Leitung auf allen Ebe-
(Kultur-) Gruppen, sondern als Teil ihres Alltags – nicht nen die Ansprüche der Basis wahrnehmen und eine
einmal als unbedingter Mittelpunkt ihres Daseins als parlamentarische Vertretung entlang dieser Ansprü-
Volksgruppe in der Flut einer Mehrheit! che lenken und politisch handeln lassen. Über unsere
aktuelle Bildungssituation ganz zu schweigen: Denn so
Wenn das kulturelle Erbe als eine Art eines recht ver- lange gerade Eltern, die ihre Kinder ungarndeutsche
spätet adoptierten Wesensmerkmals gilt, das bald als Schulen besuchen lassen, oft daran interessiert sind,
einziges „Markenzeichen“ erscheint, so müssen wir uns in der Schule in deutscher Sprache unterrichtete Fä-
darüber im Klaren sein, dass das nur noch eine bemes- cher auf ein mögliches Minimum zu begrenzen - in der
sene Zeit der Mode und der Gunst politischer Großzü- Befürchtung, dabei im weiterführenden ungarischen
gigkeit sein wird, wie lange wir in dieser Richtung ge- Schulsystem Aufstiegschancen zu verpassen - ,sind wir
fördert werden – wie lange sich so etwas rechtfertigen gemessen an unserer zaghaften Entschlossenheit noch
lässt. Andererseits besteht dann noch die Frage danach, sehr weit von einem Ziel entfernt, uns selbst als eine Ge-
ob Nachfolgegenerationen bereit sein werden mitzu- meinschaft zu erkennen, die eigene Interessen artiku-
machen, ohne je unsere Kultur in einer authentischen lieren kann und die ganz im Gegenteil zu dem Beispiel
Form gesehen und erlebt zu haben – oder ob das Ganze oben mit kräftigem Einsatz (sprachlich) geeignete Pä-
eines Tages mit all den herangealterten Mitgliedern von dagogen vom Kindergarten bis in die Hochschulebene
selbst einschläft… fordern würde.
In meinem Gedankengang kreise ich um die Frage, Die als Titel dieses Beitrags formulierte Frage müsste
was fähig ist, eine Volksgruppe in einer alle Bereiche meiner Meinung nach ganz anders gestellt werden,
dominierenden Mehrheit zu erhalten. Wenn man will, denn alleine eine (durch wen auch immer) gegebene
als Antwort mein „Steckenpferd“: die Sprache! Die Basis Möglichkeit ist noch viel zu wenig, um als Minderheit
der Zusammengehörigkeit unter uns bildet alleine sie. glücklich zu werden. Das Schicksal unserer Volksgrup-
Alles andere ist pure selbstdarstellende Show, ein Mittel pe liegt nämlich dann erst wieder in unserer eigenen
zum Selbstzweck, irgendwie noch sichtbar zu erschei- Hand, wenn zeitgemäße Ziele nach den Ansprüchen
nen – für mich traurig, das so zu definieren. einer aktiven Basis gesteckt werden, die dann von den
Vertretern in den geeigneten Foren artikuliert werden.
Für das Vorhaben - die Sprache als identitätsbilden- Die eigentliche Frage stellt sich anders: Ist dies noch
den Faktor zu revitalisieren, um uns als Gemeinschaft möglich – gibt es darauf noch Anspruch, dafür noch In-
wiederzufinden - können wir uns alleine auf überzeug- teresse und Einsatzwille in der ungarndeutschen Basis?
16 SoNNTAGSBLATT
geführt. Wie unsere alten Bürgerhäuser und die sehr könnten. Aber da ist es wieder höchst seltsam, dass ge-
zahlreichen Grabmäler unserer Friedhöfe aus der Ba- rade bei jenen, die die nationale Eigenart nicht mit der
rockzeit bezeugen, muss hier eine ganz bedeutende Muttermilch eingesogen haben, auch die nationalen
Bildhauergilde existiert haben. Auf dem Gebiete sowohl Tugenden nicht recht zur Blüte gelangen. Meist sind
der geistlichen als auch der profanen Musik wurde Her- sie unausgeglichen, bizarr, übertrieben und chauvinis-
vorragendes geleistet. Das Theater besaß künstlerische tischer als die der Vollblutmadjaren. Es ist wie mit der
Tradition und Niveau. Die herrlichen alten Möbel, die Pflanze, die im ungewohnten Boden ungewöhnliche
noch heute in vielen Bürgerfamilien vorhanden sind, Blüten treibt. Ich glaube, dass das Wahrwort Goethes
zeigen, auf welch hoher Stufe das Kunstgewerbe stand. vom höchsten Glück der Erdenkinder im gesteigerten
Heute überall Verfall! Die öffentlichen und privaten Ge- Maße auch für den Staat Geltung hat. Was ist denn eine
bäude zeigen Fabrikstil und Kitsch. Die Auflassung der Nationalität anderes als eine Persönlichkeit im Staa-
deutschen Lehrerseminare hatte den rapiden Rück- te?! Diese Persönlichkeiten sollten nicht nur nicht ge-
gang der Musikpflege zur Folge. Seitdem das deutsche hemmt und erstickt, sondern gerade im Interesse des
Theater nur nach Ostern spielen darf, zeigt sich die Staates gehegt und gepflegt werden, eben weil sie das
interessante Erscheinung, dass das Niveau auch des Wertvollste im Staate selbst darstellen. Mir fällt es gar
ungarischen Theaters merklich zurückgegangen ist. nicht ein, in meinem Garten nur die Rosen oder nur die
Zu meiner Jugendzeit (unter den Direktoren Komját- Kirschbäume stehen zu lassen und alle anderen Blüm-
hy, Szendrői und Somogyi) waren die ungarischen Vor- lein und Obstbäume auszurotten. Im Gegenteil! Ich
stellungen ganz exzellent. Seitdem aber die ungarische freue mich umso mehr, je mehr Arten und Gattungen
Gesellschaft vom Oktober bis Ostern spielt und keine ich ziehen kann. Das ist nicht nur schön, sondern auch
deutsche Konkurrenz zu fürchten hat, lässt sich jeder praktisch und vernünftig. Die ganze Idee des extremen
Theaterdirektor gehen - ein Beispiel, von welch wohl- Nationalismus und Chauvinismus ist eitel und unwahr,
tätigem Einfluss die Konkurrenz auch auf künstlerisch- gerade wie Freiheit, Gleichheit und andere Schlagwor-
nationalem Gebiete sein kann. te: Ideen, deren Mutter übertriebene Eigenliebe und
deren Vater nacktes Machtgelüst ist. Was soll denn die
Aber nicht nur die Dinge haben sich verändert, son- nationale Homogenität für Vorteile bieten? Sind - um
dern auch die Menschen. Oder besser gesagt: Weil die bei dem früheren Vergleich zu bleiben - homogene
Menschen anders geworden, sind es auch die Dinge. Staaten weniger der Verwucherung und Verwilderung
Nie hätte ich gedacht, dass sich im Laufe weniger Jahr- einerseits oder der Überfeinerung und Erschlaffung
zehnte die Psyche der Menschen so verändern könn- andererseits ausgesetzt als polyglotte? Gewiss nicht!
te, wie es bei uns geschehen ist. Ich will mich vor jeder Man denke doch an Frankreich, an Italien, an Spanien!
Übertreibung hüten und bedenken, dass vielleicht In Zucht und Ordnung müssen sie gehalten werden,
für jeden Menschen eine Zeit kommt, da er mit Meis- keine Pflanze darf die andere im Wachstum behindern.
ter Anton ausruft: „Ich verstehe die Welt nicht mehr!“ Das ist die ganze – Staatskunst.
Auch im objektiven Sinne muss man zugeben, dass
seit 1848 oder 1870 die europäische Welt bedeutende Ich glaube also nicht zu übertreiben, wenn ich behaup-
seelische Wandlungen erfahren hat. Die großen Evolu- te, dass der Staat sich auch dann schadet, wenn er selbst
tionen auf technischem und wirtschaftlichem Gebiete die höhere Kultur der einen Nationalität der anderen
sind an den Menschen nicht spurlos vorübergegangen aufzwingt. Wenn er aber die Nationalität mit höherer
und vielleicht noch weniger gewisse philosophische Kultur vernichtet um der minderen willen, dann ist dies
Systeme, die erst in unserem Zeitalter zur praktischen ein Verbrechen. Und das ist der Fall des Deutschtums
Auswirkung gelangten. Wer selbst vor dem Weltkriege in Ungarn!
Weimar suchte, wird es gewiss nicht in Hamburg oder
Berlin - und wahrscheinlich in ganz Deutschland nicht Infolge der politischen und kulturellen Farbenblind-
mehr gefunden haben. Trotzdem ist es zweifellos, dass heit des Nationalismus haben wir heute noch gar kei-
bei uns die große Veränderung in Gesittung und Kultur nen rechten Begriff von den spezifischen Eigenschaf-
aufs Engste mit dem Wechsel der Sprache zusammen- ten der verschiedenen Nationalitäten. Radetzky nannte
hängt. Der Beweis ist einfach: Dort, wo man bei uns die die Kroaten die besten Soldaten der Welt, aber es ist
deutsche Sprache aufgab, sind Weltanschauung und sicher, dass dieses tüchtige Volk auch noch andere her-
Lebensauffassung total anders geworden, während sie vorragende Tugenden besitzt. Was wissen wir über
in jenen Kreisen, wo man an dem Deutschtum festhielt, die Slowaken? Dass sie den Tschechen nicht verwandt
im Großen und Ganzen dieselben geblieben sind. sind, das ist jedem klar, der dieses biedere, treue Volk
(nämlich die Slowaken) je gesehen. Ich hatte vor Jah-
Es ist natürlich ungeheuer schwierig, die Unterschie- ren öfters Gelegenheit die an hohen Feiertagen in Tyr-
de in Lebensanschauung, Gesittung usw. festzustellen, nau (dem slowakischen Rom) zusammenströmenden
ohne ungerecht zu werden oder in Übertreibung zu Slowaken zu beobachten und ich muss gestehen, dass
verfallen. Menschen sind wir alle und gerade die köst- ich nirgends - auch nicht in Rom - so edel geschnitte-
lichen und wertvollen Dinge im Leben haben die merk- ne Männerprofile sah wie dort. Ein Volk, das solch einen
würdige Eigenschaft unmessbar und unwägbar zu Typus hervorbringt, ist unbedingt zu Großem berufen,
sein. Ich könnte wohl darauf hinweisen, doch es wür- denn ein Zulukaffer wird nie ein Römerprofil haben.
de die mir gezogenen Grenzen überschreiten, dass ich
bei meinen Kollegen und Jugendgenossen, bei meinen Wie Natur und Geschichte den extremen Nationalismus
Neffen und Nichten, bei jungen und älteren Leuten, die ad absurdum führen, dafür nur einige flüchtige Beispie-
von rein deutschen Eltern stammen, aber von Kindheit le: Napoleon - der Inbegriff der gloire de la patrie - war
an in madjarischem Geiste erzogen wurden, fast alles kein Franzose, sondern Korse. Und seine Muttersprache
vermisse, was mir an Sitte, Art, Gesinnung, Lebensan- war nicht Französisch, sondern Italienisch. Der große
schauung und Betätigung vom deutschen Wesen un- Empereur hatte zwar den Kontinent bezwungen, aber
zertrennlich erscheint. Andererseits müsste ich ihnen die französische Sprache nie ganz beherrscht! – Welch
wohl manche schöne Eigenschaft und Tugend gutbu- ein großer Deutscher Friedrich der Große gewesen, ist
chen, auf die sie als Deutsche kaum Anspruch erheben bekannt. Er hätte am liebsten die französische Sprache
SoNNTAGSBLATT 17
wasser segelt. Unter den jüngeren Elementen der Intel-
lektuellen in Westungarn gibt es heute vielleicht kaum
100 Männer, die für deutsche Kultur überhaupt noch
ein Verständnis haben. In der Landbevölkerung ist es
anders. Dort konnte schon aus praktisch-technischen
Gründen die Madjarisierung nicht in dem Maße durch-
geführt werden. Der wenig tiefgehende Einfluss unse-
rer Volksschule einerseits und der konservative Sinn
unserer Landbevölkerung andererseits bewirkten, dass
die Madjarisierung auf dem Lande ohne irgendwie be-
deutsame Wirkung gewesen ist.
Teil 1 Die Etablierung des Schwabenballs in Darm- bau. Zeitgleich mit der Überwindung der schlimmsten
stadt 1951 wirtschaftlichen Not und des bedrückendsten sozialen
Elends der unmittelbaren Nachkriegszeit wurden hier
In den 1950er Jahren umfasste der Stadtteil Darmstadt- bestimmte Strukturen für kulturelle und sportliche Ak-
Süd/Heimstättensiedlung mehrere Siedlungen: Die tivitäten von den Siedlergruppen bewusst geschaffen,
eigentliche Heimstättensiedlung („Altsiedlung“) der zum Teil sogar organisatorisch manifestiert und da-
Einheimischen aus den 1930er Jahren, die Buchenland- durch schlussendlich verfestigt wie Kultur- und Sport-
siedlung der Bukowinadeutschen und die Donausied- vereine oder Kirchweihfeste.
lung der ungarndeutschen Heimatvertriebenen. Alle
drei „Randsiedlungen“ befanden sich damals kontinu- Der erste „Schwabenball“ der ungarndeutschen Hei-
ierlich im grundsätzlich von verschiedenen Bau- und matvertriebenen fand 1951 in Hessen, genauer in der
Siedlungsgenossenschaften vorangetriebenen Auf- „kleinen Großstadt“ Darmstadt statt, die zu der Zeit ins-
gesamt rund 95.000 Ein-
wohner hatte. Darmstadt
als hessischer Veranstal-
tungsort war eine vortreff-
liche Wahl, weil damals in
der zwischen Griesheim
und Darmstadt liegenden
Sankt Stephan-Siedlung
Schätzungen zufolge bis
zu 100 katholische und in
der Donausiedlung etwa
40 bis 60 evangelische
Zwei- bis Vier-Generatio-
nen-Familien aus Ungarn
lebten. Somit befand sich
in und um Darmstadt-
Südwest zweifellos das be-
deutsamste Zentrum der
heimatvertriebenen Un-
garndeutschen in Hessen.
20 SoNNTAGSBLATT
Die Hauptorganisatoren Etablierung des Schwa-
waren zugleich Grün- benballs diente – durch
dungsmitglieder der eine realitätsbezogene
hessischen Landsmann- Neukonzipierung – der
schaft der Deutschen aus Wiederbelebung der in
Ungarn wie beispielweise Ungarn gepflegten Kul-
Ernst Gori (auf Ung. Góri turtradition. Sein primä-
Ernő) aus der Donausied- res Anliegen war eine
lung oder die in Frankfurt „heimatlich geprägte“ Fei-
a.M. lebende Schlesierin er, ein großes „Familien-
Irma Steinsch. Gori wurde fest“, das den überall in
1949 zum Vorsitzenden der Bundesrepublik zer-
der landsmannschaft- streut lebenden Lands-
lichen Vereinigung der leuten, die sich zuletzt in
sogenannten „Deutsch- den Verteilungslagern ge-
bewussten“ in Hessen ge- sehen hatten, die Chance
wählt. Seit Juni 1950 unter- bot sich wiederzusehen.
richtete er in der gerade Zudem sollte eine sogar
eben aufgebauten Fried- für einheimische Hessen
rich-Ebert-Schule Heimstättensiedlung/Darmstadt. oder US-amerikanische Besatzungskräfte attraktive
Irma Steinsch war die Begründerin der Donausiedlung Plattform für ein gegenseitiges Kennenlernen sowie
Darmstadt, ferner die „Managerin“ und Aufsichtsrats- für fröhliche, gesellschaftsschichtübergreifende Gesel-
vorsitzende der Ungarndeutschen Bau- und Siedlungs- ligkeit geschaffen werden. Mit diesen „laschen“ der ge-
genossenschaft Darmstadt-Süd/Donausiedlung e.V. Sie sellschaftlichen Valenzbildung dienenden Zielsetzun-
nahm auch die Geschäftsleitung der hessischen Lands- gen, denen es an sozialpolitischen Ecken und Kanten
mannschaft wahr. mangelte und die somit zur offensiven vertriebenen-
politischen Profilierung ungeeignet schienen, waren
Als Veranstaltungsstätte fungierte beim ersten Schwa- aber die von Heinrich Mühl (1901–1963) angeführten
benball noch der kleine Concordiasaal, bei den darauf- ehemaligen Volksdeutschen Kameraden und Kamera-
folgenden die viel größeren Säle auf der Mathildenhöhe. dinnen (wie beispielweise Irma Steinsch und Heinrich
„Die Schwabenbälle waren gesellschaftliche Ereignisse, Neun) nicht zufrieden. Sie betätigten sich ab 1951 in der
zu denen die Landsleute von weit her angereist kamen, Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung ungarndeutscher
um Verwandte und Freunde zu treffen und mit ihnen Interessen (Frankfurt a.M.), um sowohl die laufende
‘wie zu Hause‘ zu feiern und die wunderschönen bäu- Ansiedlung und Eingliederung als auch die eventuelle
erlichen Trachten der einzelnen Dörfer stolz zu präsen- gemeinsame Rückkehr der ungarndeutschen Heimat-
tieren“, erinnerte sich der Zeitzeuge Landrat a.D. Josef vertriebenen in das von Kommunisten befreite Ungarn
Lach jun. 2008 an die immense Bedeutung der ersten maßgeblich mitbestimmen und mitgestalten zu kön-
Darmstädter Schwabenbälle beim Heimisch-Werden nen. Sie hatten noch den Usus der vormaligen Volks-
der ungarndeutschen Heimatvertriebenen in der Bun- gruppen- bzw. Volksbundführung in lebhafter (und gu-
desrepublik. Ferner schrieb Lach ebenfalls 2008 zu der ter) Erinnerung. So konnte der alljährliche Budapester
sozusagen Neuerfindung des Schwabenballs und der „Landesschwabenball“ gegenüber den Regierungsstel-
Reaktivierung der Trachtenkleider auf hessischem Bo- len als minderheitenpolitisches Druckmittel zur impo-
den Folgendes: Da viele Frauen nicht mehr im Besitz santen Großkundgebung der inneren Geschlossenheit
ihrer Trachten waren, weil sie sie bei der Flucht oder und Stärke der überwiegend bäuerlichen „Volksgrup-
Vertreibung gar nicht hätten mitnehmen können oder pe“ instrumentalisiert werden. Die gelungene Darm-
aber bereits moderne Kleider für ihre Töchter daraus städter Festveranstaltung wurde von ihnen bereits 1952
gefertigt hätten, hätten die Mütter für die Mädchen zur „würdigen Schau der ungarndeutschen Volksart“
und jungen Frauen in der Regel aus noch vorhandenen verklärt, um ihr einen übergeordneten vertriebenen-
Stoffen extra für die Teilnahme am Schwabenball eine politischen Sinn zu geben und sie auch als Forum für
heimatliche Tracht anfertigen müssen. landsmannschaftliche Agitation und Propaganda zu
nutzen.
Der Erfolg des Schwabenballs inspirierte Ernst Gori, für
den Erhalt des mitgebrachten Kulturguts in der Donau- Nachfolgend einige Beispiele für die 1952–1954 anläss-
siedlung einen Kulturverein zu gründen. Zwei weitere lich des jährlich wiederkehrenden Fests in Darmstadt
Zielsetzungen des Ungarndeutschen Kulturvereins soll- vor einer landesweiten Öffentlichkeit verkündeten The-
ten primär die Chancen für den sozialen Aufstieg der sen des Arbeitskreises um Heinrich Mühl:
Siedlerkinder erhöhen. Man wollte den Bildungsrück-
stand aufholen und die Integration auch durch Kennen- Der Darmstädter Schwabenball sei ein Ball,
lernen der neuen Heimat durch Fahrten und Vorträge der ungarndeutsche Heimat stiftet; daher sei er ein
fördern. Es war geplant, einen Chor und eine Laienspiel- „Heimatball“ der „Volksgruppe“,
gruppe aufzustellen. Die noch bei der Ankunft in der
Notunterkunft des Evangelischen Hilfswerks Darmstadt der die Manifestierung der Anerkennung durch die
entstandene Tradition der gemeinsamen Weihnachts-, Landes- und Stadtregierung sei, dass die Ungarndeut-
Silvester-, Geburtstags- und Trauerfeier der „Siedlerfa- schen „vollwertige Staatsbürger“ seien,
milie” sollte auch der Kulturverein weiterführen.
der die Erinnerung daran sei, dass ein Teil der jetzigen
Teil 2 Der Konflikt innerhalb der landsmannschaftli- ungarndeutschen Vertriebenen über Vorfahren verfügt,
chen Vereinigung der Deutschbewussten in Hessen die vor etwa 200–250 Jahren aus Hessen ausgewandert
sind, folgerichtig sozusagen urhessisch (historisch ge-
Goris persönliches Engagement für die Darmstädter sehen hessischer als die meisten heutigen Hessen) sei,
SoNNTAGSBLATT 21
der (in Bezug auf die Lastenausgleichs-Pläne der Bun- Axiom, dass die Landsmannschaft als explizit politische
desregierung und den Hessenplan) beweisen würde, Organisation die einzige berufene „Wahrerin der Kultur-
dass die Ungarndeutschen für jegliche seelische, geis- güter“ sei, die die Vertriebenen aus der Heimat mit sich
tige, politische und materielle Eingliederungshilfe wür- brachten. Gori versuchte, der drohenden Übernahme
dig seien, der den Kreis um Ludwig Leber (Stuttgart), zuvorzukommen oder zumindest entgegenzuwirken,
der die Ungarndeutschen von den Deutschen segre- indem er 1953/54 einen Schwabenball in Eigenregie, in
gieren und in das nationalungarische Lager überführen Organisation seines gerade eben ins Leben gerufenen
wolle, politisch demaskieren würde, Darmstädter Ungarndeutschen Kulturvereins aufzog.
Diese Veranstaltung in den Mathildensälen wurde auf
der ein Forum sei, das der rechtsgeschichtlichen Auf- den 16. Januar 1954 terminiert und unter den Ungarn-
klärung diene. Bei der Abwägung der Rückkehrchan- deutschen landesweit propagiert. Daraufhin wurde Gori
cen seien die Ungarndeutschen unter den Landsmann- im Presseorgan der hessischen Landsmannschaft als
schaften, die aufgrund des Potsdamer Abkommens „kein rechter Ungarndeutscher“ persönlich angegriffen.
vertrieben wurden, zu positionieren, also kategorisch Ihm wurde absurderweise unterstellt, dass er im Auftra-
nicht unter den „Südostdeutschen“ usw. ge des Kreises um den „Ungarischbewussten“ Ludwig
Leber sowie im Dienste nationalungarisch gesinnter
Es war kommunalpolitisch weise, dass der auf dem Ball Emigranten durch „Quertreibereien“ die friedliche Auf-
anwesende Oberbürgermeister Ludwig Engel (SPD) bauarbeit in Deutschland sabotieren wolle. Die Gesamt-
auf solche einseitig-selbstbezogenen, fast selbstsüch- leserschaft wurde alarmiert und gegen ihn mobilisiert
tigen vertriebenenpolitischen Ausführungen, die die und die Erscheinung auf dem „richtigen“, weil von Vogls
Interessen, Problemlagen, Sichtweisen und bisherigen Landsmannschaft organisierten, (vierten) Darmstäd-
Eingliederungsleistungen der Gesamt-Stadtgemein- ter Schwabenball vom 23. Januar 1954 zur „Pflicht der
schaft Darmstadts schlichtweg außer Acht ließen, nicht Rechten“ gemacht. Dieses Beispiel ist als Fortsetzung
verbindlich reagierte. Stattdessen nahm er auf das da- des in der Minderheitenpolitik Ungarns praktizierten
mals einzigartig integrative Potential des Fests Bezug Nullsummenspiels (durch die altbekannten destruk-
und betonte, dass der jährliche ungarndeutsche Ball tiven Methoden wie Alarmierungen, Mobilisierungen,
für ihn eine Darmstädter Kulturveranstaltung sei und Verleumdungen, Beschuldigungen, Beschwerdefüh-
als solche „aus dem Leben der Stadt nicht mehr weg- rungen, Kränkungen, Abrechnungsbestrebungen und
zudenken“. Somit erklärte er im Namen des Magistrats Gehässigkeiten usw.) in Hessen zu sehen. Es spiegelt die
den Schwabenball bereits 1953 - fünf Jahre nach der An- massiven Schwierigkeiten der deutschbewussten aka-
kunft der ersten ungarndeutschen Heimatvertriebenen demischen Elite der 1950er Jahre wieder, sich auf eine
in der Stadt - sozialpolitisch überaus konstruktiv und vo- demokratische Vertriebenenpolitik auf lokaler wie Lan-
rausschauend kurz und bündig für heimisch. desebene einzustellen.
Die persönliche Konsequenz seiner von der kämpferi- Die unrühmliche Konfliktsituation innerhalb der
schen Volksbundtradition abweichenden kommunal- „deutschbewussten“ Führungselite wegen der Zugehö-
politischen Einstellung war für Gori, dass er den Vorsitz rigkeit des Schwabenballs belastete die Donausiedler
der hessischen Landsmannschaft verlor. Zudem aber- etwa zwei Jahre schwer. Die Konkurrenz wurde erst in
kannte die von Matthias Vogl angeführte neue Leitung der zweiten Hälfte der 1950er Jahre obsolet, nachdem
Gori seinen Beitrag zur Wiederbelebung des ungarn- Irma Steinsch als Aufsichtsratsvorsitzende der ungarn-
deutschen Schwabenballs auf hessischem Boden per deutschen Bau- und Siedlungsgenossenschaft abge-
se. Sie reklamierte für sich selbst das ausschließliche wählt und Ernst Gori weggezogen war.
Recht auf die Neuetablierung. Dies geschah mit dem
22 SoNNTAGSBLATT
EINE VOLKSGRUPPE, DIE ES
EIGENTLICH GAR NICHT GIBT
IM GESPRÄCH MIT VERONIKA HARING, DER OBFRAU DES KULTUR-
VEREINS DEUTSCHSPRACHIGER FRAUEN »BRÜCKE« IN MARBURG/
DRAU (SLOWENIEN)
SB: Frau Haring, erzählen Sie bitte ein wenig von der Deutschen mehr
Organisation, die Sie vertreten. gibt. Durch die Ent-
stehung des selbst-
VH: Sitz des Vereins ist in Marburg an der Drau/Maribor ständigen sloweni-
in der ehemaligen Untersteiermark, wo 100.000 Men- schen Staates 1991
schen leben. Der Kulturverein deutschsprachiger Frau- haben sich die Din-
en »Brücken« wurde über die Initiative von in Marburg ge geändert und
und Umgebung lebenden deutschsprachigen Einwoh- auch die engere
nern Sloweniens im Jahre 2000 gegründet. Zielsetzung zwischenstaatliche
des Vereines ist die Erhaltung von sprachlichen, ethni- Zusammenarbeit
schen und kulturellen Merkmalen der deutschsprachi- mit Österreich und
gen Einwohner von Slowenien, in erster Linie jedoch Deutschland er-
die Anerkennung der deutschen Minderheit. In diesem leichterte das spon-
Sinne werden die Kontakte zwischen den Deutschspra- tanere Bekennt-
chigen in Slowenien und in der Welt und ihren Nach- nis zur deutschen
kommen vertieft und erweitert. Der Verein bemüht sich Abstammung und
um die Herstellung von Verbindungen auch mit ande- die Gründung von
ren Volksgruppen auf dem Gebiet von Slowenien. Vereinen auf dieser
Grundlage. Trotz-
Der Verein bietet im Rahmen seiner Tätigkeit Deutsch- dem haben noch
kurse für Erwachsene und Kinder sowie andere zahlrei- viele Furcht sich
che Weiterbildungen wie Malkurse und Computerkurse wegen den oben
für Erwachsene an. Jedes Jahr veröffentlichen wir einen genannten Grün-
zweisprachigen Sammelband mit literarischen Beiträ- den bei den Volkszählungen als Deutsche anzugeben.
gen der deutschen Minderheit und veranstalten das Die neuen Verhältnisse schlugen sich auch im am 30.
schon traditionelle Dezemberkonzert, Leseabende und April 2001 unterzeichneten Abkommen zwischen der
Kunstausstellungen. Im Rahmen des Vereins ist der Republik Slowenien und der Republik Österreich über
Kammerchor „Hugo Wolf“ aktiv. Wir bemühen uns um die Zusammenarbeit in Kultur, Bildung und Wissen-
eine politisch unabhängige Bewertung des Beitrags, schaft nieder. In Marburg entstanden zwei Vereine:
den bedeutende Marburger mit deutschen Wurzeln zur der Internationale Verein »Freiheitsbrücke« (1990) und
slowenischen und deutschen Kultur geleistet haben. der Kulturverein deutschsprachiger Frauen »Brücken«
Diese waren über Jahrhunderte in Maribor schöpferisch (2000). Letzterer entwickelt eine reiche Kulturtätigkeit,
miteinander verflochten und wurden in unglücklichen es gibt Sprachkurse, Publikationen, literarische und bild-
Momenten der Geschichte leider auch öfter getrennt. nerische Tätigkeit und den Kammersängerchor „Hugo
Unser Wunsch ist es zu zeigen, dass unsere Stadt im Wolf“. Der Verein richtet viel beachtete und hochwertige
gleichen Maße multikulturell war wie andere bedeuten- Kulturveranstaltungen aus - mit dem Ziel, die Tradition
de mitteleuropäische Städte und dass wir uns, indem der Multikulturalität von Marburg zu stärken. Die bishe-
wir dies vergessen oder manchmal sogar verneinen, rigen Veranstaltungen waren solchen wegen deutscher
einen großen Schaden zufügen. Abstammung aus der slowenischen Kulturgeschichte
gestrichenen Künstlern wie Eduard von Lannoy, Franz
SB: Sitz der Organisation ist in Marburg an der Drau Liszt, Erzherzog Johann, Robert Stolz, Hugo Wolf, Ru-
- wie viele Deutsche leben noch in der Stadt und dolf Wagner, Valentin Lechner, Emil Hochreiter, Musik-
im Land und über welche Infrastruktur verfügt die familie Schönherr, Isolde Klietmann oder Elfie Mayer-
deutsche Volksgruppe in Slowenien (Organisatio- hofer gewidmet, die die Kulturgeschichte von Marburg
nen, Kulturgruppen, Schulen/Schulunterricht, Glau- mitgeprägt haben. Der Verein pflegt einen Kulturaus-
bensleben)? tausch mit der deutschen Minderheit aus Reschitza/
Resița in Rumänien.
VH: In der einst deutsch-slowenischen Stadt Marburg
sind nach dem Zweiten Weltkrieg nur wenige Einwoh- SB: Die Ungarndeutschen sind sprachlich im hohen
ner geblieben, die sich als Deutsche bekannten. Die Maße assimiliert und die meisten (insbesondere jün-
Furcht vor Repressalien wegen der »Kollektivschuld« geren) Mitglieder wachsen in Mischehen auf - wie
verhinderte ein solches Bekenntnis zur Volkszugehörig-
sieht es bei Ihnen aus?
keit, denn es konnte bedeuten, dass man die Beschlag-
nahmung des Vermögens, den Verlust des Wahlrechtes
oder etwas noch viel Schlimmeres riskierte. Die Grün- VH: Die Vertreibung und Ermordung der Deutschen
dung von Organisationen auf dieser ethnischen Grund- nach dem Zweitem Weltkrieg und die folgende
lage war unvorstellbar. Es galt, dass es in Marburg keine Zwangsassimilierung haben natürlich ihre Spuren hin-
SoNNTAGSBLATT 23
terlassen. Die ältere Generation stirbt aus, die mittlere Meiner Meinung nach beharrt Slowenien auf der The-
Generation wurde in Ex-Jugoslawien geboren und ist se aus jugoslawischen Zeiten, dass die Frage der deut-
unter der kommunistischen Herrschaft zwangsassimi- schen Minderheit nach dem Jahr 1945 „erfolgreich“ ge-
liert aufgewachsen und die Jugend spricht Englisch löst wurde, was sich bislang auch in der Politik linker
und interessiert sich nicht mehr für das Deutschtum in Regierungen jahrelang wiederspiegelte.
Maribor. Dazu wurde die Geschichte, die in der Schu-
le vorgetragen wird, von dem „Sieger“ geschrieben SB: Sie haben vor etwa anderthalb Jahren eine ös-
und die Alten haben aus Angst die richtige Geschichte terreichische Auszeichnung erhalten - wie groß ist
den Nachkommen nicht weitergegeben. Die deutsche die Unterstützung für die sloweniendeutsche Sache
Sprache wird in den Schulen als zweite Fremdsprache aus Österreich bzw. wie eng sind Ihre Kontakte nach
unterrichtet, meist als Wahlfach. Zum Glück leben wir Österreich, die ja auch historisch begründet sind?
an der Grenze und so konnten wir in Marburg schon
in Ex-Jugoslawien die österreichischen Fernsehsender VH: Unser Verein pflegt rege kulturelle Verbindungen
empfangen. zu Österreich, besonders zu den Bundesländern Steier-
mark und Kärnten, die uns auch neben der Bundesre-
Die deutsche Minderheit hat in Slowenien sieben Ver- gierung finanziell unterstützen. Ohne diese Unterstüt-
eine: zwei in Marburg/Maribor, zwei in Laibach/Ljublja- zungen aus Österreich könnten wir nicht existieren. Zu
na, einen in Cilli/Celje, einen in Abstall/Apače und einen unseren Kulturveranstaltungen kommen immer auch
in Töplitz/Dolenjske Toplice in der Gottschee, die durch unsere österreichischen Freunde aus der Steiermark
einen Dachverband miteinander verbunden sind. und aus Kärnten.
Als nicht anerkannte Minderheit haben wir keine Mög- SB: Was sind die größten Herausforderungen für die
lichkeit für die Ausbildung in deutscher Sprache – keine Sloweniendeutschen und wie sehen Sie insgesamt
Kindergärten, keinen Schulunterricht…. die Zukunft der Gemeinschaft?
SB: Sie sind die einzige deutsche Gemeinschaft in
VH: Ohne rechtliche Anerkennung sehe ich keine posi-
Ost- und Mitteleuropa, die staatlich nicht anerkannt
tive Zukunft für unsere Volksgruppe. Wir haben keinen
wird. Worauf ist dies zurückzuführen und welche
rechtlichen Schutz und keine ausreichende Finanzie-
Konsequenzen hat das für sie?
rung. Slowenien hat zwei EU-Abkommen zum Schutz
der Minderheiten unterschrieben: „Europäische Charta
VH: Die Hauptunterstützung erhalten wir aus Öster-
der Regional- oder Minderheitensprachen“ und „Rah-
reich, das zwar unsere Lage kennt und bei den bilate-
ralen Gesprächen mit Slowenien immer wieder über menübereinkommen zum Schutz nationaler Minder-
unsere Lage spricht - doch ohne Erfolg. Das Einzige, heiten“, doch die werden nur bei den anerkannten Min-
was Österreich gelungen ist, war das „Kulturabkom- derheiten angewandt - bei den Italienern, Ungarn und
men“ im Jahr 2001, wo im Artikel 15 Slowenien das ers- Roma, nicht bei uns.
te Mal amtlich zugegeben hat, dass in Slowenien auch
eine deutschsprachige Minderheit lebt, doch amtlich SB: Frau Haring, vielen Dank für das Gespräch!
sind wir eine „deutschsprachige ethnische Gruppe“.
Seitens des Kulturministeriums von Slowenien erhalten Das Gespräch führte Richard Guth.
die sieben Vereine insgesamt 32.000.-€ pro Jahr Unter-
stützung.
VERLÄSSLICH REGIONAL
INFORMIEREN
Lokalredakteur und Sonntagsblatt-Leser Hatto Schmidt
aus Südtirol im Gespräch
Von Richard Guth
Deutschsprachige journalistische Arbeit im Ausland Südtirol 280.000 beträgt. Das Tagblatt gliedert sich in
stellt wahrlich etwas Besonderes dar. So fühlte es sich Außenpolitik mit besonderem Augenmerk auf die ita-
auch für den gebürtigen Deutschen Hatto Schmidt lienische und österreichische Innenpolitik, Innenpolitik
aus Tübingen an, als er vor 32 Jahren bei dem Südtiro- (Südtirol), Lokales und Sport. Ergänzt wird das Angebot
ler Tagblatt „Dolomiten” angefangen hat. Die Tageszei- um eine Sonntagszeitung und die Internetseite stol.it.
tung gehört zu den renommierten Presseerzeugnissen Letztere beschäftigt fünf feste und zahlreiche freie Mit-
deutscher Sprache. Sie wurde vor über 130 Jahren, noch arbeiter, die eng mit den Printredaktionen zusammen-
zu k. u. k. Zeiten, gegründet und erlebte gerade in der fa- arbeiteten. Das deutschsprachige Medienportfolio der
schistischen Zeit eine bewegte Geschichte. Als das Nazi- Athesia Gruppe, zu der mittlerweile auch Energieunter-
Regime im September 1943 die Macht in Südtirol über- nehmen und Tourismusbetriebe samt eines Skigebiets
nahm, wurde die kritische Zeitung sogar verboten. Die in den Alpen gehören, hat sich nach Hatto Schmidts
Zeitung hat mit 40.000 Printlesern und 3000 E-Paper- Worten - selber Nachkomme von Siebenbürger Sach-
Lesern auch heute noch eine starke Reichweite, wenn sen - der Vertretung der deutschen und der ladinischen
man bedenkt, dass die Zahl der Deutschsprachigen in Sprache verschrieben. Dennoch übernahm die Gruppe
24 SoNNTAGSBLATT
zu leisten, zumal der Verlag nicht auf die Dienste einer
Presseagentur für Südtirol zurückgreifen kann. Das Zei-
tungsgeschäft hat sich in den letzten Jahren massiv
verändert, aber das Tagblatt «Dolomiten» schlug sich
gut. Insbesondere das Wegbrechen des Anzeigenauf-
kommens stellte 2008 viele überregionale italienische
Zeitungen vor große Herausforderungen. Hier konnte
„Dolomiten” nach Worten des Redakteurs auf die starke
Lokalberichterstattung setzen: Während Großkonzerne
ihre Werbeetats zusammengestrichen hätten, seien die
kleinen Unternehmen dem Tagblatt treu geblieben.
Aber es gebe ohnehin viel zu berichten, denkt man
an das rege Vereinsleben in Südtirol: „Dass jemand in
vier, fünf Vereinen aktiv ist, ist auch heute keine Selten-
heit”. Nicht zu unterschätzen sind die sechs Millionen
Euro aus Rom, die das Tagblatt jährlich verlässlich er-
hält – im Gegensatz zu der Förderung von Minderhei-
tenmedien in Ungarn, die über jährliche Bewerbungs-
verfahren läuft, was für alles andere als Berechenbarkeit
sorgt. Was aber weniger als früher geworden ist, sei der
Hatto Schmidt sprachliche Kontakt zwischen Deutsch- und Italienisch-
vor einigen Jahren zwei italienische Zeitungen auf der sprachigen. Dadurch ließen die Sprachkenntnisse bei-
Suche nach Synergien gerade in den Bereichen Anzei- derseits nach - insbesondere die Italienischkenntnisse
genmanagement und Verwaltung. der Deutschsprachigen - trotz vieler tausend Stunden
Sprachunterricht. Auf der anderen Seite gebe es – an-
Aber auch in anderen Bereichen ist der Kontakt zur ders als früher – viel mehr Staatsbedienstete italieni-
italienischen Sprache sehr intensiv, was „höheren Auf- scher Muttersprache, die sich auf Deutsch verständigen
wand” bereitet: Man ist nach Schmidt auf viele italieni- könnten. Es habe sich in den letzten 20-30 Jahren viel
sche Quellen angewiesen, wenngleich in Südtirol vieles getan auf dem Gebiet der Bilingualität in der Öffent-
zwei- oder dreisprachig veröffentlicht wird. Dennoch ist lichkeit. Schmidt nennt dabei das Beispiel von Carabi-
im Alltag eine 100-prozentige Zweisprachigkeit kaum nieri, die in Gruppe patrouillieren – unter ihnen immer
zumeist einer, der deutschsprachig ist.
EINSICHTEN-ANSICHTEN
IN ALMASCH WAR ES
AUCH NICHT ANDERS
Über die Vertreibung und Enteignung sowie Verschleppung schwä-
bischer Familien aus Almasch/Bácsalmás und Umgebung
Von Johann Krix, Vorsitzender der DNSVW Almasch
Am 24. 02. 2022 um 16.30 Uhr wurde in Almasch/Bác- obwohl sie genauso wertvolle Menschen waren wie die
salmás mit der Unterstützung und in der Organisation anderen. Jeden Tag starben viele Menschen in den La-
der Deutschen Selbstverwaltung Almasch der histori- gern wegen der schrecklichen Lebensverhältnisse und
sche Dokumentarfilm „Tiszta sváb“ von Ágnes Sós vor- der lebensgefährlichen Arbeit. Das Verhungern war ihr
geführt. Schicksal. Die meisten Menschen vertrauten auf ihren
Glauben, auf Gott und auf ihre Gebete. Diejenigen, die
In dem Film werden Interviews mit Überlebenden ge- überlebten und es nach Hause schafften, kamen oft in
führt, die über die traurigen, unmenschlichen Ereignis- einem schrecklichen Zustand, abgemagert und krank
se nach dem Zweiten Weltkrieg berichten. am Bahnhof an. Sie versuchten, ihr Leben neu zu begin-
nen, aber das war nicht so einfach, weil sie zu Hause von
In Almasch verliefen die Geschehnisse ähnlich. Die zur “der großen Politik“ und den immer noch existierenden
Zwangsarbeit gezwungenen und bei einer Fahndung „kleinen Königen“ bedroht und verängstigt wurden. Sie
gefangen genommenen Personen wurden zu Fuß in durften über die Geschehnisse nicht sprechen.
die Stadt Baaja getrieben. Man sagte ihnen, dass sie
zur Maisernte gebracht würden, stattdessen wurden sie Das andere schreckliche Verbrechen war die Vertrei-
aber für mehrere Jahre in die Sowjetunion verschleppt. bung der Schwaben. Ihre Häuser, ihre volle Speisekam-
Sie arbeiteten und lebten unter unmenschlichen Bedin- mer, ihr ganzes Vermögen wurden beschlagnahmt. Da-
gungen. Ihr Verbrechen war, dass sie Schwaben waren, bei spielten die örtlichen „kleinen Könige“ eine wichtige
SoNNTAGSBLATT 25
Rolle. Sie suchten sich die schönsten schwäbischen Häuser Hand. Als die Partisanen kamen, gab es einige, die einfach
aus, gingen in das Haus und vertrieben den Besitzer. Als den Partisanenmantel anzogen und später stellte es sich
einer zurückging, um sich einen besseren Hut aufzusetzen, heraus, dass es der Nachbar war.
wurde er sofort mit einem Fußtritt auf die Straße geworfen.
Zur Zeit der Vertreibung haben sich einige Menschen in Al-
Bei der Vertreibung mussten die männlichen Familien- masch zusammengetan und fuhren mit Pferdekutschen
mitglieder aus dem Haus geschleppt werden, aber es gab durch Polen nach Deutschland, um nach ihren Familien-
auch Fälle, in denen man zu einem Haus ging, in dem nur angehörigen, Ehemännern, Frauen und Kindern zu su-
die ältere Frau zu Hause war, sie wurde auf die Straße ge- chen. Es kam oft vor, dass Familien getrennt wurden, Mann
rufen, danach wurde das Tor von außen verschlossen und von Frau und Kindern. Noch schrecklicher war es, als Kin-
sie durfte nicht mehr zurückgehen ins Haus. der im Alter von 4, 5 und 6 Jahren von ihren Eltern getrennt
und in Almasch zurückgelassen werden mussten.
Es gab in der Vergangenheit ähnliche Verbrecher, die
schreckliche Dinge getan haben und an den Folgen ihrer Es ist traurig, dass solche Fälle passieren konnten. Es leben
Taten erkrankt sind. Sie baten die ruinierten Familien um noch immer einige unter uns, die an diesen Ereignissen
Vergebung, aber es stellt sich die Frage, ob es möglich ist, beteiligt waren, aber wir sollten sie nicht verurteilen, sie
solch schreckliche Verbrechen, die man nicht einfach ver- müssen mit ihrem schlechten Gewissen zurechtkommen.
gessen kann, zu vergeben.
Das Sprichwort sagt: Einmal oben, einmal unten.
Es gab auch ganz schlimme Fälle: Diese „kleinen Könige“ Hoffen wir, dass sich solche kriminellen Handlungen nicht
haben Menschen um einen Maislaubschober gestellt und wiederholen werden!
sie gefesselt, dann haben sie den Schober in Brand ge-
steckt. Das ist Mord, denn alle sind gestorben. Die „kleinen Lasst uns auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung
Könige“ durften machen, was sie wollten, sie hatten freie friedlich zusammenleben!
SONNTAGSBLATT-ERSTVERÖFFENTLICHUNG
ERINNERUNGEN EINES
UNGARNDEUTSCHEN
Von San.-Rat Dr. Johannes Angeli
26 SoNNTAGSBLATT
über Jahrhunderte dem Land und seinem Volke nur
Unglück, Krieg und Leid, speziell den einfachen Men-
schen, gebracht hat. Wann werden die verantwortli-
chen Politiker aus der Geschichte lernen?
Somit fühle ich mich keinesfalls ohne Heimat oder gar Ziehe ich ein Resümee über meine wichtigsten schrift-
heimatlos. Ich füge meine Teilheimaten zu einem Gan- lichen Bemühungen während meines Lebensweges,
zen zusammen und habe so eine bunte, weite Heimat war für mich meine Promotionsarbeit vor 58 Jahren
mit vielen Eindrücken und Erkenntnissen gewonnen, eine Aktivität, der ich mich zum erfolgreichen Abschluss
die mir in der Heimat alten Stils sicher verwehrt geblie- meines Studiums verpflichtet fühlte, sowie meine über
ben wäre. 55-jährigen Nachforschungen über meine Ahnen, die
dem Interesse für die Herkunft und den Verbleib eines
Dennoch - man kann es drehen und wenden, wie man großen Isszimmerer Familienstammes geschuldet wa-
will – war Ungarn für mein Leben von Anfang an ein ren, während diese umfangreichen Erinnerungen an
zentraler Fixpunkt und ist es über die Jahrzehnte auch so viele Jahrzehnte meines Lebens ein Eintauchen und
geblieben, zumal – und hier schließt sich der Lebens- einen Rückblick, ja auch eine innere Verarbeitung mei-
kreis – die Vertreibung aus Ungarn 1948 mit der Flucht nes Lebens darstellen.
über Ungarn 1989 in die BRD seinen schicksalhaften
Höhepunkt und Abschluss fand. Schließen möchte ich rückblickend über all die Jahr-
zehnte meines Lebens mit der Erkenntnis und Zuver-
Auch wenn ich heute ein bewusster, der deutschen sicht aus einem Gedicht des deutschen Dichters und
Nation zugewandter Deutscher bin, vielleicht weil es Dramatikers Bertold Brecht (1898-1956) zitieren:
meine Vorfahren auch immer waren, ist mir das Schick-
sal und der Weg Ungarns bis in mein Alter hinein nie Was geschehen ist, ist geschehen. Das Wasser
gleichgültig gewesen – und das wird immer so sein, so Das du in den Wein gossest, kannst du
lange ich lebe. Nicht mehr herausschütten, aber
Alles wandelt sich. Neu beginnen
Deshalb besorgt mich heute, dass Ungarn wieder in kannst du mit dem letzten Atemzug.
sein nationalistisches Denken zurückfällt, was schon
MEIN (UNGARN-)
DEUTSCHTUM (36)
Anton-Rieder-Jugendpreisträgerin Barbara Geiling
aus Sammet/Szomód über die Frage, was ihr Ungarn-
deutschtum ausmacht
„Mein Ungarndeutschtum”. Der Titel meines Artikels Es gibt manche Situationen im Leben eines Menschen,
liegt auf meinem Tisch und ich denke lange Zeit dar- die entscheidend und wichtig sind und erhebliche Aus-
über nach, was mein Ungarndeutschtum für mich be- wirkungen auf den Lebensweg dieses Menschen ha-
deutet. Ich habe mich heutzutage viel mit diesem The- ben können. Eine von diesen Situationen war die Be-
ma beschäftigt, es waren viele Ereignisse, die mich zum gegnung mit der deutschen Kultur und Sprache. Von
Nachdenken bewegt haben. Vor einem Monat (Herbst meiner Familie habe ich gelernt, dass mein Nachna-
2021, Red.) habe ich den Anton-Rieder-Jugendpreis be- me „Geiling” schwäbische Wurzeln hat und dass mei-
kommen, der ein herzliches Geschenk und eine gewal- ne Urgroßeltern noch Deutsch sprechen konnten. Mit
tige Ehre für mich war und was ich bestimmt nie ver- meinem Urgroßvater haben seine Eltern bis zu seinem
gessen werde. dritten Lebensjahr nur Deutsch gesprochen. Meine
SoNNTAGSBLATT 27
Großeltern haben viele Geschichten über diese Zeit,
die ethnische Kultur und die Traditionen erzählt und
ich habe ihnen als Kind immer gern zugehört. Aber es
kam eine Madjarisierungswelle in Sammet, weshalb die
deutsche und schwäbische Sprache fast völlig entwur-
zelt wurden. Deswegen habe ich als Kind kein schwä-
bisches Wort oder Lied mehr gelernt, meine Großmut-
ter hat mit mir nie deutsch gesprochen – das ist nicht
meine ungarndeutsche Geschichte. Meine Geschichte
begann mit der Wiederbelebung der Traditionen. Ich
musste wissentlich den Weg meiner Vorfahren wieder
beschreiten. Mein Mittel für diese Reise war die deut-
sche Sprache. Ich ging in die erste Klasse der Sammeter
Grundschule, als ich mit dem Deutschlernen begonnen
habe. Das wurde fortan Teil meines Lebens.
Der Historiker und Studiendirektor i. R. Ingomar Senz diger Wohnungen, dem Bau von Eigenheimen und ei-
gehört noch zur sog. Erlebnisgeneration. Er wurde 1936 nem beruflichen Neuanfang - letzterer meist erschwert
in Filipowa in der Batschka geboren, heute Provinz Woi- durch die Umstellung oder Umschulung auf neue Be-
wodina in Serbien, und ist Verfasser diverser Bücher rufe und Arbeitsweisen. Viel Fleiß, Zielstrebigkeit, Auf-
über die Donauschwaben, zuletzt erschien als krönen- bauwille, Pionier- und Erfindergeist wurde den Vertrie-
der Abschluss sein Geschichtswerk „Rückkehr ins Sehn- benen abverlangt. Den krisenhaften Erfahrungen in der
suchtsland“, in dem er die Etappen der Integration der Transformationsgesellschaft entspringt die Tatsache,
Donauschwaben in der deutschen Nachkriegsgesell- nicht nur eine Heimat haben zu können - sondern so-
schaft behandelt, von denen er jeden Schritt selbst mit- wohl die durch gestaltende Aneignung neu erworbene
erlebt hat und somit als wissenschaftlich forschender als auch die alte als Sehnsuchts- und Gedächtnisraum.
Zeitzeuge sprechen kann. Dieser Umschichtungsprozess wurde einerseits er-
leichtert durch staatliche Förderung wie Hausratshilfen,
Nach einer gründlichen Definition des Begriffes „Ein- Lastenausgleich sowie gesellschaftliche Absicherung
gliederung“ als freies Spiel der Kräfte mit einem ge- durch Gleichstellungs- und Einbürgerungsgesetze.
genseitigen Geben und Nehmen sowie Lernprozessen Andererseits bauten sich alle Vertriebenengruppen
sowohl bei der hinzukommenden wie auch bei der Organisationen zur Selbsthilfe und Betreuung ihrer
aufnehmenden Gruppe zeigt der ehemalige Lehrer in Landsleute auf; sie gründeten Ortsgemeinschaften
Deutsch und Geschichte an Gymnasien in Bayern den und Landsmannschaften sowie Institutionen, um das
Ablauf dieser Eingliederung, indem er nach der Theorie kulturelle Erbe zu sichern, es aber auch im binnendeut-
des Vertriebenenministeriums von 1959 vier praxisori- schen Raum als Teil einer gesamtdeutschen Kultur zu
entierte Phasen der Eingliederung zur Grundlage der verankern und bekanntzumachen. Beide Komponen-
Einteilung seines Buches macht. ten erwiesen sich als wesentliche Bausteine für das
Heimischwerden der Neubürger. Eine weltweit aus-
In einer ersten Phase der Heimatlosigkeit nach ihrer strahlende Stätte der Begegnung und Kulturpflege er-
Ankunft in Deutschland und ihrer Zerstreuung über hielten die Donauschwaben durch die Patenschaft der
das ganze Land mussten die Flüchtlinge notdürftig Landes Baden-Württemberg in Sindelfingen, regiona-
versorgt und häufig in Barackenlagern untergebracht le Häuser haben sie in Mosbach, Speyer, Frankenthal
werden. Sie suchten ihre weit verstreuten Angehöri- und München. Das Institut für donauschwäbische Ge-
gen und Freunde und kämpften mühsam um Arbeit. schichte und Landeskunde in Tübingen erforscht und
Am konkreten Beispiel dreier Familien mit allen ihren lehrt diese Geschichte mit dem Umfeld der Nachbar-
Mitgliedern veranschaulicht der Autor diese Notjahre völker, das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm
und beschreibt die Situation in fünf verschiedenen La- wahrt das dingliche Kulturgut der Donauschwaben
gern. Dort entstanden langsam Infrastruktur und Hie- und sucht es historisch im multiethnischen Umfeld
rarchien, die denen in den deutschen Gemeinden des der Öffentlichkeit nahezubringen. Diesen Institutionen
alten Heimatgebietes glichen. Die Insassen nahmen ihr und Organisationen, den einzelnen Landsmannschaf-
Schicksal bald selbst in die Hand, organisierten Schulbil- ten der Ungarndeutschen, der Sathmarer und Banater
dung sowie Freizeitbeschäftigung und knüpften Kon- Schwaben sowie der Donauschwaben aus Jugoslawien,
takte nach außen. Die Sehnsucht nach heimatlicher die wesentlich zur Bildung eines donauschwäbischen
Tradition ließ etwa Orchester, Fußballvereine, Volks- Gemeinschaftsbewusstseins beigetragen habmit en,
tumsabende und Kerweihfeste entstehen. Das Zusam- widmet Senz jeweils eigene Kapitel, ebenso der Ju-
mensein mit Menschen des gleichen Schicksals ließ das gendarbeit, den Presseorganen, dem St. Gerhardswerk,
Unsichere der Fluchtzeit in den Hintergrund treten und dem Südostdeutschen Studentenring, den Arbeitskrei-
mehr Selbstbewusstsein aufkommen. Aber auch hem- sen der Familienforscher und Lehrer, dem Südostdeut-
mende Momente bei der Integration wie Heimweh und schen Kulturwerk sowie der Donauschwäbischen Kul-
Diskriminierungen durch die Bevölkerung des Gastlan- turstiftung. Geschichte kann nicht geschrieben werden
des werden klar benannt. Den seelischen Verletzungen ohne die Biographien der gestaltenden und prägenden
durch Heimatverlust und Entwurzelung mit nicht sel- Persönlichkeiten. Senz befasst sich demgemäß näher
ten lebenslanger Schockstarre und psychischen Defor- mit einigen von ihnen wie Josef Haltmayer als „Apos-
mationen ist ein verständnisvolles Kapitel gewidmet. tel der Streusiedler“, Franz Hamm als ausgleichender
Führungspersönlichkeit, Stefan Kraft als bedeutendem
Diese erste Phase wurde abgelöst durch eine Epoche Politiker in drei Epochen, Josef Trischler als erstem do-
des Aufbaus mit der Suche nach neuer Beheimatung nauschwäbischen Vertreter im deutschen Bundestag
und das neue Dasein bejahenden Lebensformen. Dies und Annemarie Ackermann als zweiter. Jakob Wolf wird
geschah vor allem mit dem Beziehen menschenwür- gewürdigt als Alleskönner, Dichter und Seele des Hau-
SoNNTAGSBLATT 29
ses der Donauschwaben, Hans Diplich als bedeutender zusammenfassenden Resultaten und den Registern im
Lehrer, Dichter und Kulturpolitiker. Anhang die gewissenhafte Demonstration eines gewal-
tigen Transformationsprozesses gelungen, eines bei-
War es in den beiden ersten Phasen der Integration spiellosen Erfolgs beim Aufbau neuer gesellschaftlicher
um den Ausgleich von Verlusten und Schäden gegan- Strukturen und gleichzeitiger Integration einer großen
gen und darum, eine neu hinzugekommene Gesell- Zahl von Menschen. Plastisch arbeitet Senz die Art und
schaftsgruppe wieder heil zu machen, wurde in der Weise heraus, wie der unvoreingenommene fremde
dritten Phase eine Plattform erreicht, auf der sich die und doch verwandte Blick der Neubürger dynamisch
Unterschiede zwischen Einheimischen und Fremden Innovation förderte, europäisierungsfreundlich öffnete
abschliffen, ein Austausch möglich wurde, der befruch- und zu einem nicht nur wirtschaftlichen und sozialen,
tend wirkte und das Niveau der Gesamtgesellschaft mit sondern auch kulturellen Mehrwert führte. Wenn – wie
neuen Formen auf eine höhere Ebene hob. die Denker des deutschen Idealismus glaubten – Ge-
schichtsbewusstsein die Basis aller Kultur ist, dann hat
Nach dieser überzeugenden Periodisierung erscheint Ingomar Senz dafür einen bedeutenden, unentbehrli-
in der vierten Phase der Eingliederung der Werdegang chen Baustein bereitgestellt. Er hat eine Epoche in vie-
der Nachfolgegeneration. Sie erhielt bei günstigeren lerlei Aspekten neu beleuchtet und bewertet; auch als
Rahmenbedingungen die Chance, über eine wesent- Gesamtdarstellung ist sein Buch ein Novum.
lich verbesserte Bildung mit überproportional vielen
akademischen Berufen einen höheren Sozialstatus zu Stutzig macht nur der Titel „Rückkehr ins Sehnsuchts-
erlangen. Deshalb konnte sie einen wichtigen, allseits land“. Er scheint zu suggerieren, die Donauschwaben
geschätzten Beitrag in der jetzt die Integration abschlie- hätten sich nach dieser Rückkehr in die Urheimat ge-
ßenden Gesellschaft leisten, von der sie nicht mehr als sehnt. Vielmehr aber verklärten sie das „Mutterland“ als
fremd, sondern als zugehörig betrachtet wird. Die Kin- eine Art Paradies, wo sie keine Fremden waren, von dem
dergeneration konnte den durch die Vertreibung er- sie jetzt jedoch „Welten trennen“, wie der „Schwaben-
folgten Rückschlag mehr als ausgleichen und hat das dichter“ Adam Müller-Guttenbrunn in seinem „Schwa-
bundesdeutsche Gemeinwesen in all seinen Aspekten benlied“ sagt. Nur in diesem Sinne ist „Sehnsuchtsland“
bereichert und gestärkt. zu verstehen.
Für die junge Generation der Donauschwaben gilt es, Die drei Jahrhunderte umfassende Geschichte der
fordert Senz, eine bewusste Erinnerungskultur zu be- Donauschwaben – speziell auch seit ihrer Aufspaltung
treiben, um nicht nur den Vorfahren etwas zurückzuge- 1919/20 in die Länder Jugoslawien, Rumänien und Un-
ben, sondern sich auch das Energiepotential der alten garn – ist mittlerweile von ihren Anfängen 1689 bis zur
Heimat anzueignen. Daraus entspringe, argumentiert Gegenwart 2020 vollständig geschrieben. Innerhalb von
er, „mehr Lebensqualität auch wieder zum Nutzen al- 23 Jahren sind seit 1997 die Werke von drei Historikern in
ler“. Zumal nach dem Fall des Eisernen Vorhangs stelle fünf Bänden auf mehr als 3.500 Seiten im Verlag der Do-
sich den Kindern und Enkeln auch die Aufgabe, für Aus- nauschwäbischen Kulturstiftung erschienen, einer ge-
gleich und Versöhnung mit den Vertreiberstaaten zu meinnützigen privaten Stiftung mit Sitz in München, die
sorgen und eine Erinnerungskultur in der alten Heimat 1978 zur Förderung donauschwäbischer Forschungs-,
ins Leben zu rufen. Dokumentations- und Kulturarbeit gegründet wurde.
Ihr Ziel war und ist eine einzig der Wahrheit verpflich-
Mit dem Ende der Donauschwabentage ausgangs der tete Geschichtsschreibung - eine Ambition, die sie frei
1960er Jahre und der Eröffnung und Inbetriebnahme und ohne politische Bevormundung verfolgen kann,
des Hauses der Donauschwaben in Sindelfingen im Jahr weil sie von keiner offiziellen Stelle, sondern lediglich
1970 sei das Ende der donauschwäbischen Geschichte von privaten Zuwendungen finanziell unterstützt wird.
erreicht worden, weil diese Geschichte institutionalisiert Entscheidender Initiator dieser Stiftung war übrigens
und gleichsam an dieses kulturelle „Weltzentrum“ dele- der Historiker und Volkskundler Josef Volkmar Senz, Va-
giert worden ist. Dieses kühne Postulat begründet Senz ter und Mentor des Historikers Ingomar Senz.
damit, dass eigengeprägtes donauschwäbisches Leben
sich außerhalb dieses Hauses (und weiterer ähnlicher Nachdem ergänzend auch der Band über die Integ-
Häuser) kaum mehr abspiele, sondern fortan daran ge- rationsgeschichte der Donauschwaben in Österreich
koppelt sei. Dass es keinen rein musealen Charakter von Dr. Georg Wildmann erschienen und damit dieses
annimmt, dafür könne der Geist des Hauses noch für Großprojekt vollendet ist, besitzen die Donauschwaben
eine Weile sorgen. Wenn Geschichte nicht mehr aktiv eine einzigartige Darstellung ihrer gesamten Historie,
gestaltet, sondern nur noch passiv hingenommen wird, wie sie meines Wissens keine andere deutsche Volks-
sei auch ihr Ende erreicht. Grundsätzlich lässt sich die- gruppe aufzuweisen hat. Vergleichbar - und gleicher-
sem Finalisierungsbefund schwer widersprechen, zu- maßen von der Donauschwäbischen Kulturstiftung ge-
mindest relativieren könnte man ihn aber mit der im tragen - ist wohl nur die schon vor drei Jahrzehnten von
vorhergehenden Absatz erwähnten Aufgabe der Ju- Zeitzeugen zu ihrem Leidensweg und dem an ihnen im
gend, die durchaus gestaltende Aktivität, geschichtsbe- kommunistischen Jugoslawien verübten Genozid ge-
wusste Gegenwärtigkeit und politische Verantwortung leistete umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung.
verlangt.
Ingomar Senz: Rückkehr ins Sehnsuchtsland. Die
Ingomar Senz’ Aufarbeitung der donauschwäbischen Eingliederung der Donauschwaben in die deutsche
Nachkriegsgeschichte in Deutschland ist mit ihren Nachkriegsgesellschaft, 2020 im Selbstverlag, 432 Sei-
(nicht selten aus eigener Anschauung hinterlegten) Be- ten, Leineneinband mit Schutzumschlag, 25.- € + Ver-
trachtungen und Analysen, Bio- und Monographien, sandkosten, Vertrieb: Ingomar Senz, Auweg 2 a, 94469
Statistiken, Karten, Schautafeln und Bildern, mit ihrer Deggendorf, Tel. 0991 / 34 37 50, Mail: ingomar.senz@
kritischen Nutzung der vorhandenen Quellen, mit ihren gmail.com
30 SoNNTAGSBLATT
NORDIC WALKING AUF STIFOLDISCH
Wie die Finnen Gereschlak veränderten
Von Richard Guth
Großmutter und Großvater geleiteten uns ein Stück des Nun also auch in Klamanok. Wir zogen noch am Abend los
Weges und blieben dann am Dorfrand zurück. Schildtante, in Richtung Heimatdorf, querfeldein, zurück nach Kaposs-
(Annatante, 1914), die Schwägerin mütterlicherseits, sollte zekcső. Die Eisenbahn fuhr aus technischen oder Witte-
ebenfalls mit uns mitkommen, unser Weg führte an ihrem rungsgründen nicht. Onkel Heinrich Nöthling, Großmutters
Haus vorbei, aber sie berief sich auf ihren Jahrgang: „... so Schwester Sohn, Jahrgang 1908, sollte mit uns kommen. Er
mitten in der Nacht und so Hals über Kopf“ und verblieb aber blieb in Kismányok mit Verweis auf seinen Jahr- gang.
lieber im Dorf. Das war ein tödlicher Entschluss, er kehrte aus der Ver-
schleppung nicht zurück.
Wir zogen durch die kalte Winternacht über die Land-
straße nach Csíkóstöttös (Tiedisch), dem Nachbarort und Wir pilgerten heimwärts nach einer Übernachtung in Váral-
fuhren von dort mit dem Mitternachtszug „Dombóvár – Bá- ja, wo der Kleinrichter seine Trommel noch am Haken hatte
taszék“ nach Nagymányok (Großmanok). Es sollte der letzte und Vater seines Kriegskameraden Jakob Schlitts Witwe
Zug der Strecke für längere Zeit sein. Von der Station in Na- eine Aufwartung machte, an Egyházaskozár, Bikal und
gymányok liefen wir bei Nacht und Nebel nach Kismányok Mágocs vorbei. Das Tempo schrieb Vaters Kriegstribut vor.
(Klamanok) hinüber, das zwischen den Ausläufern des Mec- Die Dörfer lagen tiefverschneit und deren Kirchtürme wie-
sekgebirges wie in einem Sack versteckt liegt. Großmutter sen uns den Weg. So kamen wir am übernächsten Tag bei
stammte aus diesem Sackdorf, das auch heute noch von untergehender Sonne im unteren Dorf an, gerade als der
der Welt völlig abgeschottet und unerreichbar scheint. erste Zug im neuen Jahr, von Bátaszék nach Dombóvár, die
Station in Tiedisch dampfend und schnaufend erreichte.
Die Überraschung, die Aufregung war groß, als wir weit
nach Mitternacht vor der Tür von Großmutters Geburts- Von den in den Weinbergen der Dörfer vereinzelt arbei-
haus standen und von ihrer Schwester, Schwestertochter tenden Männern erfuhren wir, dass die Abtransporte der
und -tochtermann in die Arme geschlossen wurden. deutschen Jahrgänge schon erfolgt waren. So war auch
SoNNTAGSBLATT 33
der Transport aus unserem Dorf schon am Tage nach unse- Spenden für das Sonntagsblatt
rer Flucht über Sásd abgegangen, auf Pferdegespannen
deutscher Bauern mit ungarischem und russischem „Poli-
zeigeleitschutz“. Auch Annatante war so zum Dorf hinaus-
Spenden aus Ungarn
gefahren, die sich vergebens auf ihren Jahrgang be- rief
und darauf, dass ihre zwei Kinder bei der brustkrebskranken vom 15.02.2022 bis 31.05.2022
Großmutter, meiner Großmutter mütterlicherseits, allein-
blieben. Mangels „Sollerfüllung“ wurde auf ältere und jünge-
re Jahrgänge zurückgegriffen und Männer und Frauen, die Deutsche
sich sicher wähnten, aus ihren Häusern mit aufgepflanzten Baaja/Baja 100.000,-Ft
Selbstverwaltung
Bajonetten geholt.
Deutsche
Burjad/Borjád 30.000,- Ft
Wie wir, so waren auch andere Männer und Frauen oder Selbstverwaltung
ganze Familien getürmt und den russischen Seeleneintrei-
Deutsche
bern auf dem Gemeindeamt entgangen. Die Seelenfänger Gara 20.000,- Ft
zogen tags darauf in die nächste Ortschaft, wo sie auf gleiche Selbstverwaltung
Art die arbeitsfähigen Deutschen einfingen. Die nach Tagen Deutsche
zurückgekehrten Flüchtigen waren gemeindeamtlich kei- Moor/Mór 10.000,- Ft
Selbstverwaltung
nerlei Tadel oder gar Repressalien ausgesetzt, ihr Leben ver-
lief im Rahmen der Nachkriegstage weiter. Deutsche
Péteri 5.000,- Ft
Selbstverwaltung
Die „Abgeholten“ wurden in zentralen Lagern (Sásd, Tevel, Deutsche
Szekszárd u .a.) gesammelt und von dort in Güterzügen nach Selbstverwaltung
Wetschesch/Vecsés 40.000,- Ft
Russland transportiert, wo sie vorwiegend im Bergbau (Don-
bass) über und unter Tage arbeiteten; teils unter widrigen
Bedingungen. Ihr Lohn war eine karge Verpflegung und ein
Ungarischsek/
dürftiges kaltes Gemeinschaftslogis bei einer zwölfstündigen Abel, Johann 10.000,-Ft
Sechstagesfronarbeit. Viele von den insgesamt über sech- Magyarszék
zigtausend im Winter 1945 nach Russland verschleppten Ay, Zoltán Tschawa/Piliscsaba 10.000,-Ft
Ungarndeutschen sind aus diesen Lagern krank oder nicht
zurückgekehrt. Sie sind vor Erschöpfung, Drangsal, Kum- Czirjak, Josef Dr. Fünfkirchen/Pécs 10.000,-Ft
mer oder Krankheit gestorben, verhungert, erfroren oder er- Pencz, Kornel Dr. Baaja/Baja 4.000,-Ft
schlagen worden. Ihr Kontakt zur Außenwelt war insbeson-
dere in den ersten Jahren stark eingeschränkt, Briefkontakte Czigler-Tompics,
Mohatsch/Mohács 3.000,-Ft
mit den Angehörigen waren verboten. Nur gelegentliche Franciska
Kartengrüße oder sonst wie herausgeschmuggelte Briefe Seereiner, Tibor Ofenpest/Budapest 5.000,-Ft
oder Notizen brachten ein Lebenszeichen und beschrieben
ihre Situation vor Ort, die aus Angst vor Entdeckung teils Emese, Anna Werschend/Versend 6.000,-Ft
schöngefärbt waren. Ihre Bedrückung, ihr Kummer und ihre
Endresz, Georg Ratka/Rátka 10.000,-Ft
Sehnsucht nach der Heimat, ihren Familien, Männern oder
Frauen und Bräuten, kommen in Worten, in Versen gefasst Erdősi, Andreas Ofenpest/Budapest 2.000,-Ft
in Liedern, die die Deutschen in Ungarn, teils deutsch, teils
ungarisch vorgetragen, vertont und gesungen haben, zum Erni, Peter Ofenpest/Budapest 3.000,-Ft
Ausdruck. Zwei davon sind mir besonders erinnerlich, die Frühwirth, Michael Wetschesch/Vecsés 10.000,-Ft
mich immer wieder nachdenklich und noch heute wehmü-
tig stimmen. Eines, das immer ungarisch gesungen wurde, Firle, Ernst Mutsching/Mucsi 4.500,-Ft
ist das „Ukrajnában sok szép kislány van...“, das ins Deutsche Frank, Gábor Dr. Fünfkirchen/Pécs 10.000,-Ft
übertragen, in etwa so lautet:
Hirling, Andreas Dr. Waitzen/Vác 10.000,-Ft
In der Ukraine sind gar schöne Mädchen, Hönig, Klara Fünfkirchen/Pécs 4.000,-Ft
Blonde, braune sind in jedem Städtchen.
Abertausend Blumen nach mir greifen, Huber, Emmerich Dr. Segedin/Szeged 9.000,-Ft
Keine kann mit meiner sich vergleichen. Hart, Stephane Ofenpest/Budapest 20.000,-Ft
In der Ukraine liebt der Sommer heiß. Palej-Kurtz,
Paumasch/Pomáz 5.000,-Ft
Hab’ kein Feuer, fehlt mir mein Edelweiß. Susanne
Niemand den ich küss, mich küsste wider,
Schmerzt mein Herz und alles welkt danieder. Kleinturwall/
Kormos, Hajnalka 10.000,-Ft
Biatorbágy
Das zweite wurde überall deutsch gesungen, eine ungari- Niglo/
sche Version ist mir nicht bekannt. Es ist das Lied: „Gestern Köber, Josef 5.000,-Ft
Szigetszentmiklós
in der Nacht“.
Keller, Rolf Nagyveleg 40.000,-Ft
Gestern in der Nacht, bin ich aufgewacht Lechoczki, Maria Ofenpest/Budapest 15.000,-Ft
und hab geweint.
Oh du stiller Stern, hoch in blauer Fern, Manner, Martin Moor/Mór 10.000,-Ft
sei du mein Freund.
Mattenheim, Richard Sasswar/ Szászvár 5.000,-Ft
Steht dort noch die Bank, wo die Amsel
sang am Waldesrand? Schomberg/
Wenn du mein Mütterlein siehst, sag ihm, Michelisz, Josef 10.000,-Ft
Somberek
wie weh’ es mir ist!
Weißt du was das heißt? Heimweh! Werischwar/
Manhertz, Matthias 15.000,-Ft
Tag auf Tag vergeht, keiner mich versteht Pilisvörösvár
Und mein Herz zergeht, vor Heimweh! Mátéfi, Agnes Fünfkirchen/Pécs 4.000,-Ft
Kleinturwall/
Letzteres war im Walzertakt vertont und wurde von Jung Mayer, Otto
Biatorbágy
3.000,-Ft
und Alt in den deutschen Dörfern gesungen, den Kapel-
len in Tanzsälen und auf Hochzeiten intoniert. Am rhyth- Mayer, Michael Kokrsch/Kakasd 7.000,-Ft
mischsten von der Habich-Kapelle geblasen. Vielleicht Müller, Zoltán Ofenpest/Budapest 5.000,-Ft
waren die Strophen auch von Konrad Habich vertont, der
Nádai, Anna Gara 2.000,-Ft
einer der bedeutendsten Schwabenmusikanten war und
eine der beliebtesten Blaskapellen der Region leitete. Sei- Werischwar/
Peller, Andrea 5.000,-Ft
ne Enkel und Nachkommen blasen heute wieder in Ka- Pilisvörösvár
posszekcső: Venceremos - de azért is - trotz alledem!
34 SoNNTAGSBLATT
Preusser, Tibor Ofenpest/Budapest 5.000,-Ft BEITRITTSERKLÄRUNG
Putterer, Anton Gara 10.000,-Ft
Unterzeichnete/r erkläre mich mit den Zielsetzungen der
Rick, Thomas Dr. Sóskút 10.000,-Ft
Jakob Bleyer Gemeinschaft einverstanden und beantrage
Rieckmann, Patrik Ödenburg/Sopron 15.000,-Ft
somit meine Aufnahme in die Mitgliedschaft des Landesve-
Richter, Otto Balatonfüred 5.000,-Ft reins.
Schäffer, Josef Fünfkirchen/Pécs 10.000,-Ft
Scheuring, Thomas Ofenpest/Budapest 10.000,-Ft Meinen Mitgliedsbeitrag werde ich gerne in Form einer
Fünfkirchen/ Spende entrichten. Ich nehme zur Kenntnis, daß mir das
Schmidt, Elisabeth 3.000,-Ft
Pécs-Vasas Sonntagsblatt frei zugeschickt wird, zu dessen inhaltlicher
St. Gotthard/ Gestaltung und Verbreitung ich meine Mithilfe zusage.
Schultz, Anton Dr. 20.000,-Ft
Szentgotthárd
Szeltner, Andor Wudersch/Budaörs 7.777,-Ft Datum:......................................................................................
Tefner, Zoltán Dr. Ofenpest/Budapest 5.000,-Ft Unterschrift (leserlich):.............................................................
Name:.......................................................................................
Teppert, Anna Waschkut/Vaskút 5.000,-Ft
Adresse:...................................................................................
Troszt, Franz Willand/Villány 5.000,-Ft
.................................................................................................
Tápai, Ildikó Ofenpest/Budapest 5.000,-Ft Tel.:..........................................................................................
Hetting/ E-Post (E-mail) Adresse:..........................................................
Varga, Peter Dr. 5.000,-Ft
Hosszúhetény Geburtsort u. Datum:................................................................
Werner, Gábor Fünfkirchen/Pécs 5.000,-Ft Abstammungsgebiet/Herkunfsort:............................................
Wittendorfer, Ildiko Badesek/Bátaszék 10.000,-Ft Beruf (auch früherer):...............................................................
Zempléni, Anna Tscholnok/Csolnok 3.000,-Ft
Allen Mitgliedern wird das Sonntagsblatt ab sofort und lau-
Weitere Spenden aus dem Ausland fend zugeschickt.
Herausgeber des Mitteilungsblattes: Jakob Bleyer Gemeinschaft e. V. Begünstigter: Jakob Bleyer Gemeinschaft e. V.
Postanschrift der Redaktion: H–2040 Budaörs, Budapesti út. 45 Bank: UniCredit Bank Hungaria Rt., Budapest
Gründer: Georg Krix Forint-Kontonummer für Ungarn:
Redaktion: 10918001-00000428-02970017
Schriftleiter: Georg Kramm • Leitender Redakteur: Richard Guth Devisenkonto in Ungarn:
Mitarbeiter: Nelu B. Ebinger, Armin Stein IBAN: HU81-1091-8001-0000-0428-0297-0000
E-Mail: sonntagsblatt.hu@gmail.com • ISSN 1219-7076
Unsere Webseiten: www.sonntagsblatt.hu • www.jbg.hu Die Spender aus der BRD:
Begünstigter: SUEVIA PANNONICA
Hergestellt von Schwarcz és Társa Kft. IBAN: DE 78545201940333494078
BIC: HYVEDEMM483
Beiträge in diesem Heft, die den Namen des Verfassers tragen, Bank: Bayerische Hypo- u. Vereinsbank AG, Ludwigshafen
müssen nicht unbedingt mit der Meinung der Schriftleitung übereinstimmen. Verwendungszweck: Sonntagsblatt
SoNNTAGSBLATT 35
Unabhängige journalistische Bericht-
erstattung kostet Geld. Das Sonntags-
blatt wird zwar ehrenamtlich erstellt,
dennoch haben wir auch unsere Fixkos-
ten: Druckerei, Postspesen, Stromrech-
nung.