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Allmendinger
Im Kapitel über den sozioökonomischen Status, beschreibt die Autorin, dass “die
Chance eines Akademikerkindes, eine Hochschule zu besuchen, [...] mehr als
dreieinhalb Mal so hoch wie die Chance eines Nichtakademikerkindes” (S. 57) ist.
Wenn man 100 Akademikerkinder mit 100 Nichtakademikerkindern vergleicht,
mag es sicher zutreffend sein, dass erstere dreieinhalb Mal häufiger eine
Hochschule besuchen. Diese Statistik sagt jedoch etwas über die
Wahrscheinlichkeit aus, nicht über die Chance.
Chancengleichheit heißt doch, dass jedes Kind dieselbe Chance erhält eine
Hochschule zu besuchen und die Chance ist in weiten Teilen durch das
einheitliche Schulsystem und staatliche Förderungen wie Bafög, durch das auch
Kinder aus armen Verhältnisses das Studium leisten können, gesichert.
Es kann aber viele Faktoren geben, die trotz zumindest augenscheinlicher
Chancengleichheit dazu führen, dass es eine solche Kluft gibt. Um nur ein
Beispiel zu nennen: Akademiker arbeiten häufiger bei größeren Unternehmen,
welche in oder in der Nähe von Städten angesiedelt sind. Berufstätige auf dem
Land haben seltener einen Akademischen Abschluss, ganz einfach weil er für den
eigenen, häufig handwerklichen, Beruf nicht benötigt ist. Die Kinder, deren
Familie auf dem Land leben, wollen häufig nicht aus ihrer Heimat wegziehen um
zu studieren und zu arbeiten. Deshalb entscheiden sie sich für eine Ausbildung
im Handwerk. Klassisch übernehmen auch viele Kinder das Familienunternehmen
oder wollen denselben Beruf wie Mutter oder Vater ausüben. Die Kinder der
städtischen Bevölkerung verlieren ihren Freundeskreis und die enge Beziehung
zur Familie nicht, wenn sie eine Hochschule besuchen. Hieran kann man sehen,
dass der Verlust des privaten Umfeldes oder einfach die eigenen Interessen der
Stadt bzw. Landbevölkerung Faktoren sein könnten die zu der von Frau
Allmendinger genannten Verteilung führt. Der ausdrückliche Wunsch der Kinder
etwas anderes zu machen, lässt sich kaum durch staatliche Eingriffe regulieren.
Man könnte Hochschulen in ländliche Regionen bauen oder versuchen die Kinder
durch Werbung oder mit Geldmitteln zu locken. Doch welchen Nutzen soll das
haben die Wünsche der Kinder umzumodellieren? Und wäre bei einer Erhöhung
des Bafögs für Nichtakademiker nicht auch eine Ungerechtigkeit und eine
tatsächliche Chancenungleichheit gegeben? Schließlich wird nicht jedes
Akademikerkind auch von den Eltern unterstützt.
Einen weiteren Kritikpunkt oder eine Idee, die ich gerne näher untersuchen
würde findet sich in dem meiner Meinung nach viel zu kurz geratenen Kapitel:
Geschlecht. Die Autorin stellt treffend fest, dass Frauen die Gewinnerinnen der
Bildungsexpansion sind und macht dies an Zahlen fest. Leider verliert die Autorin
kein Wort darüber, wie dieser Wandel “gelungen” ist. Einen solchen Unterschied
zwischen den Geschlechtern in nur 50 Jahren auszugleichen und sogar ins
Gegenteil zu wandeln passiert ja nicht ohne Grund. Die Gesellschaft als ganzes
und das Schulsystem, die Art des Unterrichts, die Art der Bewertung etc. im
speziellen bieten bessere Möglichkeiten für Mädchen, als für Jungen eine
erfolgreiche Bildung zu bekommen. Es ist die Struktur der Bildungseinrichtung
selbst, die die Geschlechter bevorzugt / benachteiligt. Frau Allmendinger erkennt
auch, dass Jungen schlechter abschneiden, sie sind viel häufiger ohne Abschluss
oder geraten schon in jungen Jahren ins hintertreffen wenn es um die Kompetenz
des Lesens geht. Bei gleichem Talent und gleicher Hingabe scheinen Mädchen
klar im Vorteil und dies resultierte im “Gewinn” bei der Bildungsexpansion und
zum Überholen der überrepräsentierten männlichen Bevölkerung in solch kurzer
Zeit. Das ganze ist sicherlich auch so beabsichtigt. Man fördert gezielt junge
Frauen, implementiert den Girls Day, bevorzugt Frauen in MINT-Fächern und
durch Frauenquoten erhalten sie auch noch eine bessere Chance auf einen
Arbeitsplatz in diesem Bereich.
Fraglich ist dabei, ob das Ziel schnellstmöglich eine ausgeglichene Verteilung von
Männern und Frauen in Hochschulen wünschenswert ist, wenn sie auf einer
ungerechten Behandlung der männliche Bevölkerung basiert. Es ist toll, wenn
beide Geschlechter eine Chancengleichheit haben, doch die reinen Zahlen der
tatsächlichen Verteilung sagen darüber wenig aus. Die Unterdrückung des einen
Geschlechts bzw. die Bevorteilung des anderen, mit dem Ziel die Zahlen
künstlich auf 50:50 zu korrigieren ist doch bereits selbst keine Chancengleichheit
mehr. Die jungen Männer der letzten 50 Jahre mit einem System zu bestrafen,
um eine historische Ungleichheit auszugleichen ist genauso ungerecht wie die
ungerechte Behandlung der Frauen zuvor. Spätestens jetzt, wo die Frauen die
Männer überholt haben, sollten wir uns überlegen ob es nicht neue Regelungen
geben sollte. Zumindest eine Aufhebung der Bevorzugung der Frauen, ansonsten
werden Jungs immer weiter abgehängt. Ein Trend der schon jetzt ersichtlich ist.
Es Bedarf gezielte Förderungen von jungen Männern und eventuell eine
Anpassung des ganzen Bildungssystems.