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Ph.u.

249
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‫مل‬ ‫ک‬

ich
enre
Heyd

322

‫تور‬

‫ر‬
ile:
Karl Heinrich Heydenreichs,
ordentl. öffentl. Prof. der Philofophie in Leipzig,

encyclopädische Einleitung
in das

Studium der Philofophie

nach den Bedürfniffen

unfers Zeitalters.

Nebft Anleitungen

2 ur

philofophifchen Litteratur.

LEIPZIG ,
IN DER WEYGANDSCHEN BUCHHANDLUNG.
1793.
HE
RISC
BAYE
STAO ATSEK
L I TH
BI B
CHEN
MUEN
1
Vorrede.

So gewiß es ist, daß falsche Begriffe vom Weſen


der Philofophie , und Mangel an lleberficht ih

res in fo mannigfaltige Theile zerschnittenen Gebie

thes unter die vorzüglichsten Hinderniffe eines glückli

chen Studiums diefer Wiſſenſchaft gehören , ſo wenig

glaube ich für die Unternehmung diefes Entwurfs

einer philofophifchen Encyklopädie eine Entſchuldigung

nöthig zu haben. Sie foll dazu dienen , die gemei

niglich fo fehr verkannte Wenfchaft aus ihrem

wahren Gefichtspunkte darzustellen , diejenigen Vor

urtheile zu entfernen , welche die richtige Anficht

derfelben Vielen fo fehr erschweren , die Quelle der

Erkenntniffe , welche fie liefert , zu bestimmen , den

Umfang aller ihrer Theile zu verzeichnen , ihren

Zweck und Verhältniß zur Bildung und Beglückung

der Menfchheit, ihren Zusammenhang mit den übri

gen Künften und Wiffenfchaften zu entwickeln , end


lich
X
( 2
IV

lich Regeln für die Gründlichkeit und Zweckmäßig

keit des Studiums derfelben mitzutheilen ,

Die Philofophie ift keine Wiſſenſchaft , welche

ibre Erkenntniſſe aus der Erfahrung fchopfte; ihr

eigentlicher nächster Gegenstand find die ursprüngli

chen nothwendigen Grundlagen und Gesetzgebungen

unfrer geistigen Vermögen. Der Begriff diefer



3
Wiffenfchaft und ihrer möglichen Theile Laßt fich

demnach a priori finden, und steht feft , che noch

die Wiffenfchaft vollkommen gebildet und die einzel

nen Theile ausgebaut find. Kein Wunder , wenn

eine Encyklopädie , welche in ietziger Zeit erscheint,"

wo an der Vollendung des philofophifchen Systems

noch ungemein viel fehlt , der Wiſſenſchaft felbft in

vielen Stücken vorspringen muß , und Begriffe von

Theilen derfelben aufflellt , an deren Bearbeitung

noch nicht gedacht worden. Man wird dieß bey

dem gegenwärtigen Verfuche oft genug bemerken,

und es fich hoffentlich nicht befremden laffen.

Da diefe Schrift vorzüglich für den interricht

bestimmt ist , fo habe ich mich in manchen Abfchnit

ten kurz gefaßt , indem ich auf die weitere Ausfüh


1
rung durch den mündlichen Vortrag rechne. Der

ein
V

einfichtsvolle Lebrer wirdfelbft fehr leicht einfehen,

wie weit er gehen muß, z. B. in dem Abschnitte über

die Logik, daß die Entwickelung der Natur derfel

ben bis zur Aufstellung der Formen der Urtheile

und Schliffe fortgesetzt werden muß.

Die litterarifchen Anweisungen habe ich befon

ders defshalb hinzugefügt, weil mehrere der Littera

tur der Philofophie gewidmete Schriften vergriffen,

und fchwer zu bekommen find. Ich hatte diefen

Theil der Arbeit ſchon vollendet , als ich mich bey

einigem weitern Nachdenken überzeugte, daß die Be

bandlung der philofophifehen Litteratur weit frucht.


..
barer gemacht werden könnte , als es bey der gez

wöhnlichen Methode , welcher auch ich folgte , der

Fall ift. Mir ſcheint nämlich , als ob die Anfüb

rung der Schriftfteller mit demgrößten Nutzen nach

einer genauen Entwickelung und Klaffifikation der

mannigfaltigen Syfteme , Meynungen und Methoden

gefchebe , und die chronologische Ordnung das min

der Wichtige fey. Die Menge der Schriftsteller über

die Logik, zum Beyspiel , ift ungeheuer , und man

verliert fich unter der chronologischen Aufzählung

derfelben auf eine zwecklofe Weife. Wie viel inter

effanter
VI

effanter würde die Behandlung, wenn man von einem

Abriffe der möglichen Methoden für die Vernunft

lehre ausgienge, und nun nach demfelben die Ver

faffer ordnete! Dann würde gewiffermaßen Geist in

das trockne Gerippe der Litteratur kommen , und

die beygefügte Kritik würde minder flach , und dem

Anfänger felbft , genießbar feyn. Wenn irgend ein

Gelehrter es unternähme , die Hißmannische Anlei

tung zur philofophifchen Litteratur nach den Be

dürfniffen der ietzigen philofophifchen Welt ienem

Prinzipe gemäß umzuarbeiten , zu ergänzen und

fortzufetzen , fo würde er gewiß auf den Dank

aller Kenner und Freunde der Philofophie rechnen

können.

Leipzig,
in der Oftermeffe 1793.

K. H. Heydenreich.

Ein
L

Einleitung

über die

Encyklopädie

der Wiffenfchaften überhaupt,

und

den Einfluss der Philofophie

auf diefelbé.
BAYERISCHE
STAATS
GIBLIOTHEK
MUENCHEN

§. 1.

ie Nützlichkeit der allgemeinen Encyklopädie


Die
der Wiffenfchaften, far das zweckmaßige Stü 1
dium ieder einzelnen, gehört unter dieienigen Wahr
heiten , welche am allgemeinften anerkannt werden.
Ohne tiefes Nachdenken bemerkt ein Ieder fehr leicht
wenn auch nur oberflachlich , daß die fämmtlichen
li
Wiffenfchaften ein großes Ganzes ausmachen , zú
welchem fie durch natürliche Bande einer gemein
fchaftlichen Abkunft und eines wechfelfeitigen Zu
fammenhangs verknüpft find, und Ieder finder fich #
nach diefer Bemerkung zu der Folgerung bestimmt,
daß nichts die Erlernung der einzelnen Theile des
menfchlichen Wiffens fo fehr erleichtere, als eine vor
Laufige Ueberficht des großen Gebieths aller Difcipliz
nen, eine Kenntnifs des Stammes, aus welchem fie
fämmtlich, entweder ganz oder doch zum Theil ent

Springen, und zugleich der befondern Erkenntnisquel


len, aus denen gewiffe einzelne fchöpfen , Begriffe,
` ibres wahren Wefens , ihrer Theile und Grenzen,
ibres Zufammenhangs , der Grade ihrer Verwandt
fchaft, ihres gegenseitigen Einfluffes auf einander,
A a und
4

und ihres Verhältniffes zu dem höchften Zwecke der


Menfchheit; eine Folgerung , deren Evidenz einem
Ieden um fo heller in das Auge fallen muß, ie mehr
von der lleberzeugung durchdrungen ist , daß ohne
$
Selbstdenken kein zweckmaßiges und würdiges Stu
dium irgend einer Wiſſenſchaft Statt findet.

$
§. 2.

Allein , wie allgemein auch diefe Wahrheit an


erkannt zu werden fcheint , und wie nachdrücklich
man fie auch befonders auf Schulen und Univerfitä
ten einzufcharfen pflegt , fo fehlt dochfehr viel dar 3
an, daß fie ihren Nutzen und Einfluß auf das Stu
dium der Wiffenfchaften nach deffen vollem Umfange
zeigen follte.

Bey aller Achtung , welche ich den Bemü


hungen derer fchuldig zu feyn glaube , welche
allgemeine Encyklopädieen der Wiffenfchaften
lieferten , kann ich mich dennoch des Urtheils
7 nicht enthalten , dafs die Schriften dieſer Art,
welche wir befitzen, mehr dem Namen, als dem
Inhalte nach Encyklopädieen find , und demnach
auch dasienige nur zum kleinften Theile leiften
können , was man fich von ihnen verſpricht.
Gerade das fehlt ihnen , was eigentlich das We
fen einer Encyklopädie ausmacht, die Ableitung
der Wiffenſchaften von ihrem gemeinſchaftli
chen Stamme, die Beftimmung ihrer Erkenntnis
quellen
5

quellen und ihres Zufammenhangs. So klären


uns unfere Encyklopädieen im mindeſten nicht
darüber auf, wie fich die fämmtlichen Difcipli
nen zu den letzten Grundprinzipien aller wif
fenfchaftlichen Erkenntnifs verhalten , eine Be
ziehung , welche , wie mir fcheint , in Werken
diefer Art zu allererft gefasst werden müsste.
So weifen fie der Theologie ihren Platz an,
verfäumen aber, über die ächten Erkenntnis
gründe , und das wahre Verhältnifs derfelben
zur Philofophie gründlich zu entſcheiden ; zu
1
frieden , wenn fie höchftens bemerkt haben, dafs
das Studium der letztern Wiffenfchaft ienes der
erftern vortheilhaft unterſtütze. - Der Be

griff der pofitiven Iurisprudenz wird dem Gan


zen und den Theilen nach entwickelt , allein
man fucht vergebens die Beftimmung des Gra
des von Verwandtſchaft, in welchem diefe Difci
plin gegen die Philofophie fteht, vergebens eine
befriedigende Belehrung über das Verhältnifs
des bürgerlichen Rechts zu dem Rechte der Ver
nunft. Die Mathematik wird gewöhnlich , wie
billig, mit Weitläuftigkeit behandelt ; man wür
de fich aber fehr täuſchen , wenn man darauf
1
rechnete , die Beantwortung der wichtigen Fra
gen zu finden : wie überhaupt mathematiſche
Erkenntnifs möglich fey , wie die mathematiſche
Methode von der philofophifchen verfchieden .
fey , überhaupt , wie fich Mathematik undI Phi
lofophie verhalte. So find unfere Encyklo

pädieen
pädieen faft durchgängig ohne wahren fyftemati
fchen Geift , blofse Aggregate von Difciplinen.

Bey diefem Zuftande der allgemeinen En


cyklopädie ist es kein Wunder , wenn die Ency
klopädieen einzelner Wiffenfchaften fämmtlich
von gewiffer Seite mangelhaft find. Iedes Werk
diefer Art follte unftreitig das Verhältnifs derie
nigen Difciplin , die es darftellt , zu der Wiffen

fchaft der Grundprincipien aller Erkenntnifs ,


der Philofophie beftimmen. Allein keine Unter
fuchung wird gemeiniglich fo ganz übergangen,
oder doch fo flüchtig behandelt, als gerade diefe.
Man erftaunt , wenn man die zahlreichen Ency
klopädieen der Iurisprudenz öffnet, und fich ver
gebens nach einer gründlichen Unterfuchung
über das Verhältnifs diefer Wiffenfchaft zur Phi
lofophie , und befonders dem Vernunftrechte
umfieht.

§. 3.

Ich glaube keinen Fehlblick zu thun , wenn ich


behaupte, daß eine Haupturfache der Mängel unfrer
allgemeinen wiffenfchaftlichen Encyklopädieen, in dem
Zuftande der Philofophie zu suchen ist , welche vor
Kant in der That fo befchaffen war, daß keine be
friedigende Einficht des Verhaltniffes der fämmtli
chen Wiffenfchaften zu der Philofophie und ibres Zu
fammenhangs unter einander, keine richtige Ver
zeichnung
zeichnung des Kreifes aller menfchlichen Erkenntniſſe,
nach demfelben möglich feyn konnte.

Wie gegründet diefes fey , und wie fehr die


Vollkommenheit der allgemeinen " Encyklopädie

von der Verfaffung der Philofophie abhänge,


fieht man ſehr auffallend an dem Beyspiele des
berühmten Bakonifchen Stammbaums der Wif

fenfchaften. Unftreitig würde diefer nicht fo


unzufammenhängend und zwecklos ausgefallen.
feyn , wenn dem für feine Zeiten grofsen Ver
faffer eine gründliche Philofophie zu Gebote ge
ftanden hätte

Unftreitig hat man Bakons encyklopädi


fchen Stammbaum nicht fowohl defshalb fo fehr
bewundert , weil man ihn als Stammbaum voll
kommen fand , fondern weil fich in der Verfer

tigung deffelben ein Geift zeigte , bereichert


mit einer ungeheuern Menge von Kenntniffen
aus allen Wiffenfchaften, und weil die glücklich
ften, feinften Ideen des Verfaffers darein verfloch
ten waren . Als Stammbaum betrachtet ver

dient er nicht nur kein Lob , fondern fogar den


Vorwurf, dafs durch ihn falſche und verworrene
Begriffe über die Prinzipien , Verbindung , Un
terordnung und den Zufammenhang der Wiffen
fchaften , zum Theil neuerdings erzeugt , zum
Theil bekräftigt und im Anfehen erhalten wor
den find. Welche Idee , aus den drey Seelen
kräften
1
kräften : Gedächtnifs , Phantafie , Ver.
nunft , alle Wiffenfchaften herleiten zu wollen .
Die Prinzipien für alle Wiffenfchaften und
Künfte müffen freylich aus den nothwendigen
Grundgefetzen der geiftigen Natur des Menfchen
entwickelt werden, allein, fo wie durch fie allein
die Erfahrungswiffenfchaften und Künfte nicht
entſtehen , fo können diefe auch in keine fyfte
matiſche Ordnung" verzeichnet werden , wenn
nicht nach Rückficht auf die fämmtlichen Be
dürfniffe und Zwecke der Menfchen, einer Seits,
anderer Seits aber auch nach Rückficht auf die
Verschiedenheit der durch Erfahrung gegebenen
Gegenstände.

Die Kenntnifs der Natur und der


Schickfale der Menfchheit blos dem Ge
dächtniffe zuzufchreiben , ift " eine kaum halb
wahre, höchft unreife Idee. 1 ) der Charakter die
fer Wiſſenſchaften , ( er nennt fie natürliche
und bürgerliche Gefchichte ) wiefern er in
der Natur der Gegenstände liegt , ift hier ganz
unbeſtimmt gelaffen . 2 ) Weder die Kennt- >
nis der Natur , noch die der Schickfale
der Menschheit ift ein Werk des blofsen Ge

dächtniffes. Die Faffung der dahin gehörigen


Ideen fowohl , als die Verbindung , Erneuerung,
Anwendung derfelben erfordert das Zufammen
wirken faft aller Vermögen der Seele , und die
Möglichkeit davon beruht auf den reinen Ver
ftandes
W

9.

ftandesgefetzen der menfchlichen Erkenntnifs in


Raum und Zeit. " Es ist offenbar , dafs Bakon

durch fein Prinzip des Gedächtniffes zu


dem grofsen Fehler verleitet wurde , Natur
kunde , und Gefchichte in Eine und diefelbe
Klaffe zu fetzen. Da iede diefer Wiffenſchaften

ihre eigenthümlichen , reinen Prinzipien der


Möglichkeit ihrer Kenntniffe, und in Gemäfsheit
derfelben , ihre eigenthümlichen Gegenftände
hat , fo ift es offenbar Verwirrung , fie zufam
men zu werfen. +

Die Dichtkunft unter den Wiffen


fchaften aufzustellen , ist ebenfalls eine Idee,
die fich fo wenig verantworten läfst , als iene,
ihre Werke blofs von dem Dichtungsvermö
gen abzuleiten. Wegen des letztern verthei
digte fich Bakon , aber nicht hinlänglich. Er

unterſcheidet nämlich zu diefem Behufe 1 ) die


Poeſie den Worten nach ; 2) die Poefie der Sa
chen nach , und behauptet , in der erften Rück
ficht fey fie eine gewiffe Form des Styles, in der
zweyten ein membrum doctrinae principale,
nahe verwandt mit der Gefchichte felbft , als

imitatio hiftoriae ad placitum. Bako bedachte


nicht : 1 ) dafs eben die Form des Styles ein we
fentliches Beftandtheil eines Gedichtes iſt , ia,

daſs im Grunde die Kompofition und Bezeich


nung dem Gedichte feinen Charakter vorzüglich
giebt ; 2 ) dafs die Poefie nicht blos Hiftorie

frey
10

frey bearbeitet , fondern auch Stoffe aus andern


Wiffenfchaften .

Bey der Philofophie hat es grofsen


Schein, als ob Bako fehr gründlich verfahren fey,
indem er fie von der Vernunft ableitete .. Allein
man darf nur feine Skiagraphie der philofophi
fchen Wiffenfchaften überfehen , und feine ein
zelnen Aeufserungen über das eigenthümliche
der philofophifchen Erkenntnifs zufammenneh
men, um fich zu überzeugen, dafs feine Begriffe
von dieſer Wiſſenſchaft nur zu unreif und ver
worren waren. Er theilte fie : 1 ) in die Phi
Jofophie von Gott ; 2 ) in die Philofo
phie über die Natur ; 3 ) in die Philo
fophie über den Menfchen. Der Phi

lofophie von Gott fügte er als Anhang die


Lehre von den Engeln und Geiftern
bey. Die Philofophie über die Natur
theilte er 1 ) in die fpekulative , welche
nach ihm wieder zerfiel ; a) in Phyfik ; b) Me ,
taphyfik; 2 ) die operative , welche enthält :
a) die Mechanik ; b) die natürliche Ma
gie , und zwey Anhänge hat ; a) inventarium

Opum humanarum ; b) catalogum polychrefto


rum . Die Philofophie über die Natur ,

fowohl die fpekulative , als operative hat


noch einen überaus grofsen Anhang , welcher
der lautefte Zeuge der Unreifheit der Bakoni
*fchen Ideen über die Wiffenfchaften ift , nämlich
die
II

die Mathematik, Sie foll nach ihm keine


Grundwiffenfchaft feyn , fondern mit der Logik
in Gefellschaft , der Naturforschung dienen .
Die Philofophie über den Menfchen
theilt er : I.) in philofophiam humanitatis. Sie
handelt : a) vom Körper , und enthält in die
fer Rückficht a ) Arzneykunde , ) Kafme
tik , y) Athletik , d) die Ergötzungskün
fte , Mahlerey , Mufik , Tafchenfpiel9.
kunft etc. b) von der Seele , deren Unter
fuchung fich nach ihm vorzüglich theilt ; in a)
Unterfuchung der verfchiedenen See
lenvermögen , 6) Unterfuchung ihres
Gebrauchs und ihrer Gegenstände ;
diefe zerfällt in : N) Logik , ) Ethik. II.)
philofophiam civilem.

Ganz unftreitig würde 3 der Bakonifche


Stammbaum weniger verworren ausgefallen feyn ,
wenn der berühmte Urheber von einer gründ
lichen Philofophie unterſtüzt gewefen wäre.
Allein , wie fogar wenig diefs der Fall war, zeigt
feine eben dargelegte Skiagraphie ihrer Theile.

§. 4.

Die allgemeine Encyklopädie der Wif


fenfchaften muß der Natur der Sache nach aus vier
Haupttheilen beftehen. Ihr erftes und wefentlichstes
Gefchäft ift im Allgemeinen, die Gründe alles menfch
lichen
12
*
lichen Wiffens und Erkennens auf die Wiffenfchaften
anzuwenden. " Durch die Refultate diefer Unterfu

chung, welche eine Metaphyfik der Wiffen


fchaften ausmachen , wird fie zu bestimmten
Grundfätzen, über die gemeinschaftliche Wurzel al
ler fcientififchen Erkenntniß , über die befondern Er
kenntnisquellen einzelner Difciplinen , über die Na
tur einer ieden, und ihren Zusammenhang mit den
übrigen hingeleitet , und liefert eine wahre Genea
logie der Wiffenfebaften. Nächst diefer in
tereflirt natürlich befonders die Frage , wie fich die
Wiffenfchaften gegen den letzten Zweck der Menfch
beit , ihre moralifche Bestimmung und die vorzüg
lichften untergeordneten Zwecke der menschlichen
Natur verhalten ; dieß macht den dritten Theil, die
Teleologie der Wiffenfchaften nothwendig.
Endlich ergeben fich aus den Betrachtungen aller
diefer Theile fichere Regeln für das Studium der
Wiffenfchaften, und die allgemeine Encyklopädie wird
ihr Geſchäft am zweckmäßigſten mit einer Propä
devtik der Wiffenfchaften vollenden.

§. 5.

Faßt man die allgemeine Encyklopädie aus die


fem Gefichtspunkte und in diefem Umfange , fo läßt
fich die Wahrheit der Behauptung, von dem Einfluffe
des Zustandes der Philofophie auf diefelbe, auf das
genauefte bestimmen. Unftreitig ist es doch wohl das
Gefchäft nur der Philofophie, die Möglichkeit aller
menfcb
13

menfchlichen Erkenntniß , und die mannichfaltigen


Quellen derfelben zu zeigen, unstreitig kommt es nur
ihr zu, die mannichfaltigen Gebiete des menfchlichen
Wiffens zu bestimmen , und ihre Grenzen zu ver
zeichnen, unftreitig endlich vermag nur fie, uns über
den Endzweck und die Rangordnung der Zwecke der
menfchlichen Natur aufzuklären. So lange fie alfo
noch in dem Zuftande der Rohheit ist, wo fie in Ruck
ficht auf diefe Interfuchungen nicht grundlich und .
befriedigend entfcheiden kann , fo lange muß auch
die allgemeine Encyklopädie in ihren wesentlichsten
Theilen mangelhaft bleiben , fo lange kann man von
ihr weder eine wahre Metaphyfik , noch Genealogie,
noch Teleologie , noch Propadevtick der Wiffenfchaf
ten erwarten.

§. 6.

Vollständige, richtige Kenntniß des Wefens


und der Theile der Philofophie muß, der Natur der
Sache zu Folge, der encyklopädifchen Ueberficht der
fämmtlichen andern Wiſſenſchaften vorhergehen.
Alle Encyklopädie alfo fetzt Encyklopädie der Phi
lofophie felbft voraus.

Seit den erften Zeiten , in welchen die


Philofophie das äufsere Anfehen eines Syftems
gewann , hat man die Encyklopädie derfelben.
allgemein und nachdrücklich empfohlen. Und
in der That leuchtet es von diefer Wiffenfcbaft

ganz
14

ganz vorzüglich ein, dafs das Studium derfelben

durch eine vorläufige allgemeine Ueberficht des


Ganzen derfelben , ihrer Theile und deren Zu
fammenhanges befördert werde . Allein die Phi

lofophie musste erft nach ihrem wahren Wefen,


als Wiffenfchaft, dargestellt werden , ehe eine
wahre Encyklopädie derfelben Statt finden
konnte ; und da diefes erft in unfern Zeiten durch
den berühmten Kritiker der Vernunft geleiſtet
worden , fo darf man ohne Vermeffenheit be

haupten , daſs alle vor ihm gemachte Verſuche


von Encyklopädieen der Philofophie nur unvoll
ftändige, unzufammenhängende , verworrene und
unbeſtimmte Skizzen find.

So lange die Möglichkeit noch nicht ent


fchieden ift , aus allgemein geltenden Gründen
darzuthun , dafs das Vorftellungs- und Begeh

rungsvermögen des Menfchen durch urfprüng


lich in daffelbe gelegte Formen , Regelbegriffe ,
Geſetze und Prinzipien beſtimmt werde , dafs
man durch Darſtellung , Entwickelung und Ver
folgung derfelben die Harmonie der nothwendi
gen menfchlichen Vorſtellungsarten von der Ge
fetzmässigkeit und dem unveränderlichen Zu
fammenhange, welcher in der phyfifchen, mora
lifchen und übernatürlichen Welt herrfcht , 阑 in

volles Licht ftellen , und auf diefe Weife den


Menſchen über feine höchfte Bestimmung befrie
digen könne , fo lange weis man noch nicht , ob
eine
T

15

eine Wiſſenſchaft Philofophie möglich fey.


Wenn iene Unterfuchungen aber gründlich und
genugthuend ausgeführt worden, dann erft kann
man mit Fug und Recht fagen : fie fey wirk
lich da.

Ich würde es nicht wagen, mit diefem Ver


fuche einer Encyklopädie der philofophifchen Di
fciplinen hervorzutreten , wenn ich nicht zurei
chenden Grund hätte , überzeugt zu feyn , dafs
dnrch Kant die Philofophie in einen Zuſtand
verfetzt worden , bey welchem fich eine wahr
haft fyftematiſche Darstellung des Ganzen und
der Theile derfelben geben läfst. Zwar ver
danken wir ihm vor der Hand eigentlich• blofs
propädevtifche Schriften , in Beziehung auf die
Hauptwiffenfchaften der Philofophie, allein es ift
in ihnen, wenn mich nicht alles trügt, der Inhalt
und Plan derfelben hinlänglich verzeichnet. Der
wahre Charakter des ächt philofophifchen Wif
fens ift keiner Dunkelheit oder Zweydeutigkeit
mehr unterworfen , die Quelle ift aufgedeckt,

aus welcher alle philofophifche Erkenntnifs her


Aliefst , die Formen der finnlichen Anfchauung,

die Regeln alles Denkens , die Principien alles


Begreifens , find vollständig und beftimmt ent

wickelt , das metaphyfifche Vermögen der Ver


nunft ist durch eine erfchöpfende Zergliede
rung dargelegt , das Verhältnifs des menfchli

then Begehrungsvermögens zur Vernunft ſowohl,


als
10

als zur Sinnlichkeit ift in das Licht einer vollkom

menen Evidenz geftellt, die allgemeine Form un


ferer Vorftellung der Natur , der Uebernatur
und der fittlichen Welt ift aus ihren Gründen

abgeleitet , und mit der reinften Wahrheit ge


fchildert, der Endzweck der Menschheit fo darge
ſtellt, dass man die Beziehung aller menſchlichen
Vermögen, und aller ihrer gefetzmässigen Wirk
famkeit zu demfelben auf die leichtefte, einfach
fte Weiſe überſehen kann ; kurz , es find alle
Hauptprobleme der Philofophie mit einer fol
chen Gründlichkeit gelöft , dafs das wirkliche
Dafeyn derfelben , als einer Wiffenfchaft, nun nicht
mehr bezweifelt werden kann . Ietzt alfo läfst

fich Philofophie fyftematiſch vortragen , iezt


läfst fich eine vollständige fichre Karte der phi
lofophifchen Welt verzeichnen , wenn nur der
ienige, der fich einer folchen Arbeit unterzieht,
die Ideen und Winke des grofsen Reformators
der Wiffenſchaft zu benutzen verſteht.

S. 7.

Die Encyklopädie der philofophifchen Wiſſen


fchaften ift die fyftematische Darstellung des Be
griffs der Philofophie , ihres Inhalts, ihres Umfangs,
ihrer Theile, deren Zusammenhangs unter fich, und
ibres höchften Zweckes , verbunden mit daraus ab

geleiteten Grundsätzen über die Zweckmäßigkeit im


Studium derfelben.

§. 8.
17

§. 8.

Sie zerfällt, diefer Erklärung zu Folge, in vier


Haupttheile.

1
§. 9.

Der erste Theil der philofophifchen Encyklopä


die handelt vom Begriffe des Wefens der Philofophie,
der Möglichkeit und Quelle aller philofophifchen Er
kenntnifs.

§. 10.

Der zweyte ftellt das System der Philofophie


felbft , und den Zufammenhang ihrer fammtlichen
Theile , im Abriffe dar.

§. 11.

Der dritte bestimmt den höchften Zweck aller


Philofophie , und den Einfluß derfelben auf Bildung
und Glückfeligkeit der Menschheit.

§. 12.

Der vierte liefert Grundsätze für das zweck


mäßige Studium diefer Wiffenfchaft , bestimmt die
Richtung der Seelenkräfte für eine iede Unterfu
1
chung, giebt die Hülfsmittel an , wodurch man dem
philofophifchen Forfehen mehrere Leichtigkeit, Schärfe
und Fruchtbarkeit ertheilen kann , fiellt Regeln für
den Gebrauch der philofophifchen Gefchichte, und die
B Lei
18

Leitung der Lektüre überhaupt , auf, bezeichnet die


Abwege , auf welchen man fich verlieren , die Laby
rinthe, in welche man fich verwickeln kann, u. f. w.

Ueberzeugt , dafs diefer Plan vor iedem


andern weſentliche Vorzüge hat , werde ich ihn
felbft in gegenwärtiger Schrift befolgen.

Vorzügliche Schriftfteller über die allge


meine Encyklopädie find :

I.. Baco de Verulamio , de augmentis


1
fcientiarum in feinen gefammelten Wer
ken, und oft befonders herausgekommen.

Als kurzen Abrifs der Bakonifchen En


cyklopädie kann man brauchen :

Bruce erfte Grundfätze der Phi


lofophie , überſetzt vom Herrn Profeffor
Schreiter , Liegnitz 1788 .

2. Cyclopaedia , or an univerſal Dictionnary


of Arts and Sciences , by E. Chambers.
Ed. V. London 1741. 2 Bände , fol. und 2
Bände Supplements. 1753. fol .

3. Encyclopaedie , ou dictionnaire raiſonné


des Sciences , des Arts et des Metiers , par
1
une focieté de gens de lettres ; mis en
ordre et publié par Mr. Diderot. A Paris.
1751. die Bände von VIII - XVII, a Neufcha
tel 1765. nebft 11 Bänden , Planches. fol.
Hieher gehören auch
a) Pre
19

a). Prejugés legitimes contre l' Encyclopé


die par M. Chaumeix.

b) Supplément a l'Encyclopédie ou diction


naire raisonné des Sciences , des Arts et
des Metiers. Par une focieté de gens de "
lettres. Mis en ordre et publié par

M*** A Amſterdam 1776. T. I. III. fol. ,

4. D' Alembert's Abhandlung von dem Ur


fprunge , Fortgange und Verbindung der
Wiffenfchaften und Künfte , aus dem Dis
cours préliminaire der Encyclopédie über
fetzt , mit philofophifchen Anmerkungen
erläutert, und mit einem Anhang , von der

Verbindung der Wiffenfchaften begleitet ;


von Iakob Wegelin. Zürich 176. 8.

5. Iohann Georg Sulzers kurzer Begriff aller


} Wiffenſchaften und andrer Theile der Ge
lehrfamkeit , worinn ieder nach feinem In
halt, Nutzen und Vollkommenheit kürzlich
beſchrieben wird. Leipzig 1759. 8.

6. Tableau des connaiffances humaines. ALyon


1763. 8.

7. Abregé de toutes les fciences à l'ufage des


adolefcens , et de tous ceux , qui veulent
s'inftruire. Par Mr. Formey. A Berlin 1764.
u. f. 8 Tomes , 8. Deutfch , Berlin 1765 .
u . f. 8.

B 2 $. Ed.
20

8. Encyclopédie ou dictionnaire raifonné des


connaiffances humaines , mis en ordre par
Mr. de Felice . A Yverdun 1770. ii. f. 14.

9. Iohannis Mathiae Gesneri Primae lineae


Ifagoges in eruditionem univerfam. Acce ..
dunt nunc praelectiones ipfae. Per Ioh.
Nic. Niclas. Lips . 1774. 2. Vol . 8.

10. Cours d' Etudes du Prince de Parme. Par


Mr. l'Abbé Condillac. A Paris 1776. 16
Tomes. 8.
trinae folidioris.
11. Initia do & Auctore I. A.

Ernefti. Ed. V. Lips . 1769. 8.

12. Encyklopädie der hiftorifchen, philofophi


fchen und mathematiſchen Willenfchaften ,
grofsentheils nach dem Grundrifs des feli
gen Reimarus ausgearbeitet , von Iohann

Georg Büfch. Hamburg 1775. 8.

13. Iohann Georg Buhle Grundfätze ei


ner allgemeinen Encyklopädie der Wiffen
fchaften , Lemgo 1790.

14. Efchenburg I. I. Lehrbuch der Wif


fenfchaftskunde . Berlin 1793

Schriftsteller über die philofophifche Encyklo


pädie :

1. Alex. Gottl. Baumgarten , Philofo


phia generalis. Edidit cum differtatione
prooe
21

prooemiali de dubitatione et certitudine


T. Chr. Foerster. Halae 1770. 8.

2. I. A. Eberhard von dem Begriff der


Philofophie und ihren Theilen . Berl. 1778.

3. Chr. Ad. Cafar's Betrachtungen über


wichtige Gegenftände der Philofophie , I.
St. Leipzig 1780. 8 .

4. Hifsmann , Mich . Anleitung zur Kennt


nifs der auserlefenen Litteratur in allen

Theilen der Philofophie. Göttingen und


Lemgo 1778. &.

5. A. F. Reinhard , kurzer Entwurf zur


Formirung eines richtigen Begriffs der
Weltweisheit. Sammlung vermilchter klei
ner Schriften IV. St. Bützow und Wismar
1770. 8. 1. Abh.

6. I. Kant Kritik der reinen Vernunft , der


tranfcendentalen Methodenlehre drittes
Hauptftück , die Architektonik der reinen

Vernunft , S. 860. A, 3.`

7. Karl Leonhard Reinhold über den

Begriff der Philofophie im 1. B. feiner Bey


träge zur Berichtigung bisheriger Mifsver

ftändniffe der Philofophen . Iena 1790. 8.

8. Eben
22

8, Eben deffelben Abhandlung über denfelben


Gegenstand in Beziehung auf Geſchichte
der Philofophie, im 1. St. der Beyträge zur
Geſchichte der Philofophie.

Erfter
Erfter Theil.

Vom

Begriffe der Philofophie ,

der

Möglichkeit und Quelle

aller philofophifchen Erkenntnifs .


Ueber

den Begriff
und

die Natur der Philofophie.

Erftes Kapitel.

Einige vorläufige Bemerkungen,

S. 1.

Wenn die Philofophie wirklich ein beflimmtes


Wefen, und einen bestimmten Inhalt hat,
fo muß fich eine vollkommen befriedigende Erklä
rung derfelben geben laffen.

S. 2.

Es ift widerfprechend , daß mehrere gleich


·brauchbare Erklärungen der Philofophie Statt fin
den follten,

Ich würde die Feftfetzung der in diefen


SS. ausgedrückten , fich von felbft verftehenden
Wahrheiten für unverantwortlich halten , wenn
nicht
26

nicht in unfern Zeiten mehrere ihres Namens


wegen nicht unbedeutende Gegner der kriti
fchen Philofophie den Muth gehabt hätten , fie 2
entweder ganz zu leugnen , oder doch zu be
zweifeln. Geftünden folche Männer , dafs für
fie die Wiffenfchaft der Philofophie noch kein
beſtimmtes Wefen , keinen beſtimmten Inhalt
habe , fo würde ihre Gleichgültigkeit und ihr
Eifer gegen die Feftfetzung einer einzigen Er
klärung der Philofophie nicht befremden. Wie
fern fie aber allen übrigen Behauptungen zu }
Folge an der Vollſtändigkeit und Beftimmtheit
der Philofophie nicht zweifeln, gerathen fie un
leugbar in Widerfpruch mit fich felbft , indem
fie eine einzig und allein wahre Erklärung der
felben für nicht möglich, mehrere gleich brauch .
bare aber für fehr wohl möglich halten. Sind
wir wirklich fähig , das Wefen , den Inhalt, Um
fang und Gränzen der Philofophie beſtimmt an
zuerkennen , fo müllen wir auch dieienigen Merk
male derfelben vollständig und richtig zufam
menfaffen können , wodurch allein fich diefe
Wiffenſchaft von allen andern unterfcheiden läfst,
müffen vermögend feyn , eine Erklärung derfel
ben zu geben , welche , allen Geſetzen richtiger
Erklärung vollkommen angemeffen , fich als die
einzige befriedigende ankündigt. Diefe einzig
wahre Erklärung der Wiffenfchaft auffuchen,
kann eben fo wenig eine blos fpitzfindige Be .
mühung feyn , als die fcharfe Erforschung des
wahren
L

27

wahren Wefens einer Sache es in irgend einem


Falle feyn würde.
Für einen Gegenstand , welcher feine un
veränderlich beftimmte Natur hat, und nicht zu
mannigfaltigen zufälligen Abfichten der Men .
fchen dienen kann , laffen fich
" mehrere gleich
brauchbare Erklärungen nicht denken . Es ift
für einen folchen nur eine Art der Zufammen

faffung feiner wefentlichen charakteriſtiſchen


Merkmale möglich , wodurch mit Vollständig
keit , Bestimmtheit , Präcifion und Deutlichkeit

der Begriff feines Wefens gebildet wird ,

§. 3.

Alle Wiffenfchaften , im weitern Sinne des


Wortes, find Ganze von Erkenntniffen einer beftimm
ten Art , gebildet und geordnet zu einem Zwecke.

§. 4.

Alle Erkenntniffe find entweder Erkenntniffe


aus Thatfachen der Erfahrung , oder aus Grund
fätzen der Vernunft, ( Hiftorische oder Rationale
Erkenntniffe.)

§. 5.

Wiffenfchaft im engern und firengen Sinne


nennt man nur einen Inbegriff von Erkenntniſſen
aus Grundfätzen der Vernunft,

§. 6.
28

§. 6.

Die vollständige Erklärung einer Wiffenfchaft


muß angeben: 1 ) ihren Gegenstand; * 2 ) ihre Er
kenntnißquelle; 3 ) die ihr eigene Erkenntnißart ;
4) ihren Zweck. Sie muß in allen diefen Hinfich
ten die eigenthümlichen ausfchließlichen Merkmale
der Wiffenfchaft befaffen.

8. 7.
+
Wenn eine Wiffenfchaft blos Erkenntniffe aus
Thatfacben der Erfahrung in Beziehung auf zufäl
lige Zwecke befaßt , fo läßt sich der Begriff derfel
ben nur a pofteriori aus dem wirklich gegebenen
Inhalte derfelben entwickeln.

§. 8.

Wenn eine Wiffenfchaft blos Erkenntnisse aus


Grundfätzen der Vernunft in Beziehung auf we
fentliche, in der Vernunft gegründete Zwecke der
Menfchheit, befaßt , ſo läßt fich der Begriff derfelben
a priori vor Entstehung der Wiffenfchaft felbft be
ftimmen. Eine folche Wiffenfchaft ist nur nach der
Idee ihres Ganzen möglich, die Idee alfo derfelben
vor ihr felbft da.

Der 7. und 8. §. wird durch das Beyspiel


der Naturgefchichte , der Philofophie
(vorläufig gedacht als Syftem reiner Vernunft
wahrheiten, ) und Mathematik erläutert. Der

Begriff
29

Begriff einer Naturgefchichte ift nur a pofteriori


durch den wirklich gegebenen Inhalt derfelben
möglich ; die Begriffe der Philofophie und Ma
thematik laffen fich a priori beſtimmen.

§. 9.

Alle Wiffenfchaften fetzen voraus die ur


Sprünglichen Formen und Gesetze unfers Erkennt
nifstermögens.

§. 10.
Unter den menfchlichen Zwecken, in Beziehung
auf welche Waffenfchaften gebildet werden , findet
ein natürlicher Zufammenhang Statt. Es giebt ei
wen hochften Zweck der Menfchheit , dem alle andere
untergeordnet werden müſſen.

§. 11.

Es lafst fich alfo vorausfetzen , daß es eine


Wiffenfchaft gebe , welche die letzten Gründe der
Möglichkeit aller übrigen enthalte , und den End
zweck aufstelle , in Beziehung auf welchen die Ver
nunft fie fämmtlich ordnen muß.

S. 12.

Alle Wiffenfchaften stehen in einer natürlichen


Verbindung unter einander. Ihre Tabelle läfst fick
fyftematifch verzeichnen.

Zwey
30

Zweytes Kapitel.
Methode den Begriff der Philofophie zu finden.

S. I.

Bey aller Verfchiedenheit der Meynungen über das


Wefen der Philofophie kann doch unmoglich bezwei
felt werden, daß der Zweck aller Philofophie kein
zufälliger, fondern ein in der Vernunft fell ge
gründeter , der Menschheit nothwendiger Zweck ift. 5
Wenn dem wirklich alfo , und es für folchen Zweck
nur ein Mittel der Erreichung in bestimmten Er
kenntniffen giebt , ſo muß man das Wefen der Phi
lofopbie , felbft vor ihrem wirklichen Dafeyn , Jo be
ftimmt faffen können , daß man im Stande fey, ent
fcheidend zu fagen : es gebe entweder gar keine
Philofophie, oder fie müſſe ſchlechterdings ienes We
fen befitzen.

§. 2.

Wenn der Mensch den ganzen Umfang aller


möglichen durch wiffenfchaftliche Erkenntniſſe zu er
reichenden wesentlichen Zwecke feiner Natur über
fieht , fo muß fich ihm als das wichtigste und ange
legentlichste Problem ankündigen : die höchfte Beftim
mung feiner Natur auf eine feine Vernunft voll
kommen befriedigende Weife zu begreifen , und die
letzten Gründe aller Erkenntniß und Wahrheit für
den Menschen zu erforschen. Diefes Problem wird
durch
31

durch die Vernunft felbft gegeben , und iſt demnach


eben fowohl nothwendig , als allgemein gültig.

Der Menfch von entwickelter Vernunft


kann fich nach der Anlage feiner Natur an die
Befriedigung in Beziehung auf einzelne unter
geordnete Zwecke , durch Erkenntniffe , nicht
begnügen. Er fordert für das Ganze feiner
fammtlichen Zwecke genugthuenden Aufſchluſs .
Die fammtlichen wefentlichen Zwecke der
menſchlichen Natur nämlich machen ein Gan
zes aus , welches durch die Vernunft felbft be

ftimmt und gefchloffen wird ; indem alle man


nigfaltige , befondere und höherer Beziehung fä
hige Zwecke dem höchften ohne alle weitere
Beziehung für fich geltenden Zwecke geſetzmä
fig untergeordnet werden . So wie diefe fammt
lichen Zwecke für fich , wefentlich find , fo ift
auch dieienige Verbindung wefentlich und noth
wendig , wodurch die Vernunft fie als ein ge
fchloffenes Syftem der Zwecke darftellt , und
fo bald diefe Verbindung gebildet ift , bleibt die
Wifsbegier des Menfchen nicht bey einzelnen
Zwecken ftehen , fondern ift auf das Ganze aller

Zwecke gerichtet. \ Der höchfte Zweck des


Menfchen ist die Idee feiner ganzen Beftimmung.

Es laufen alfo alle Fragen in Beziehung auf Be


friedigung wefentlicher Zwecke durch Erkennt
niffe , in der höchften und letzten Aufgabe zu
fammen : den Endzweck feiner Natur im Ganzen

befriedigend zu begreifen. So
32

So wie der Mensch von entwickelter Ver

nunft , fehr wohl einfieht , dafs er gewiffe Zwe


cke nur durch Erkenntniſſe erreichen kann , daſs
aber diefe Erkenntniffe auch vollkommen wahr

und richtig feyn müffen , wenn er fich mit Zu


fagung feiner Vernunft ihrer Leitung überlaf
fen foll , fo geht in ihm auf natürliche Weife
das Bedürfnifs hervor , die letzten Gründe zu
erforfchen , auf welchen alle Erkenntnifs und
Wahrheit für den Menfchen beruht. Und die

fes Problem ift um fo dringender, da der Menfch


in Beziehung auf das Ganze feiner fämmtlichen
Zwecke nur durch ein Syftem völlig geficherter
Wahrheiten befriedigt werden kann.

§. 3.

Wenn dieienigen Vermögen des Menschen , ver


mittelft welcher er die Idee des Syftems feine fammt=
lichen Zwecke faffen , festhalten und verfolgen kann,
dicienigen , durch welche er im Stande ift , über die
erften Gründe einer Idee , die Möglichkeit und Noth
wendigkeit ihrer Realifirung Erforschungen anzu
ftellen , keine ursprünglichen , wesentlichen , nothwen
digen , fich gleich bleibenden Regeln und Prinzipien
ihrer Wirksamkeit befaßen , fo ließe fich gar keinė
Befriedigung des Menfchen in Beziehung auf iene
§. 2. genannten Probleme denken.

Wenn man gegen den Inhalt diefes §. ein


wenden wollte , es werde hier fehon etwas noch
erft
$

33

erft zu erweifendes vorausgefetzt : nämlich die


Nothwendigkeit urfprünglicher Regeln und Prin
zipien der geiftigen Vermögen des Menschen zur
befriedigenden Entfcheidung über feine Beftim
mung ; fo dürfte ich mit gutem Grunde bitten,
mir nur irgend eine Möglichkeit zu zeigen , wie
eine folche Entscheidung erfolgen könne , im
Fall die dazu nöthigen Vermögen des Menfchen
der Geſetzlofigkeit und dem Zufalle überlaffen
wären .

§. 4.

Vollkommene Befriedigung des Menschen in


Beziehung auf die §. 2. genannten Probleme ift
nur dann möglich , wenn dieienigen Vermögen deffel
ben, vermittelt welcher er die Idee des Syftems fei
nerfämmtlichen Zwecke faffen , festhalten, und ver
folgen kann , dieienigen , durch welche er im Stande
ift, über die ersten Gründe iener Idee , die Moglich
keit und Nothwendigkeit ihrer Realifirung Erfor
fchungen anzustellen , ursprüngliche , wesentliche,
nothwendige, fich gleich bleibende Regeln und Prin
zipien ihrer Wirksamkeit befitzen.

Man wird nicht unbemerkt laffen , dafs ich


in diefem . noch keinesweges behaupte , dafs
aus der Annalime einer angebohrnen Geſetzge
bung der Vermögen' des Menfchen fich die Be
friedigung deffelben in Beziehung auf iene Pro
bleme als nothwendige Folge ergebe , fondern
C nur
J

34

nur feftfetze ; dafs eine folche Gesetzgebung die


:
Bedingung ift, ohne welche diefe Befriedigung
fchlechterdings nicht erfolgen kann .

S. 5.
MIN
Ohne irgend eine vorgefaßte Meynung über,
das Grundwefen des Menfchen , ܰ die fogenannte Kör
perlichkeit, oder fogenannte Geifligkeit deffelben, zu
begen, ohne fich auf irgend eine Hypothefe des Ma
terialifm , Spiritualifm , oder Dualifm zu stützen,
zeichnet ieder, welcher einer fchärfern Reflexion über
fich felbft fähig ist , in dem ſo ſehr zuſammengeſetz
ten Ganzen feiner Menfchennatur gewiffe Vermögen
55
deren Gefetzgebungen fich in einem und demfel
ben Bewußtfeyn vereinigen , und deren Wirksamkeit
nach diefen Gefetzgebungen einer und derfelben
Spontaneitat untergeordnet ift.

In diefem §. wird eine Thatfache ausge


drückt , welche von keiner Hypothefe über das
Grundwefen von Materie und Geift abhängig ist,
welche vielmehr bey gänzlicher Verzichtleistung
auf alle Einficht deffelben unwandelbar feftfteht.
Alle Menſchen müffen in der Anerkennung die
fer Thatfache übereinstimmen , ieder , welcher
fie leugnet , ift in die Nothwendigkeit gefetzt,
fich felbft zu widerfprechen ; ein Fall , welcher
allezeit unausbleiblich eintritt , fo bald man

Facta des Bewufstfeyns aufhebt.

Unter
35

Unter Spontaneität verftehe ich hier im


Allgemeinen dasienige Vermögen im Menſchen,
vermittelt deffen er fahig ist , nach eignen
Zwecken frey zu wirken . Dieienigen Vermö
gen des Menfchen , deren Geletzgebungen fich
in einem und dem elben Bewufstfeyn vereinigen,
haben zugleich auch das Charakteriſtiſche, dafs
fie fämmtlich zu gefetzmafsiger Wirkfamkeit
durch iene felbftthätige Kraft beſtimmt werden
können.

§. 6.

Man nennt diefe Vermögen die geistigen


Vermogen des Menschen , im Gegensatze andrer,
deren Gesetzgebung außer unserm Bewuß feyn liegt,
und deren geſetzmäßige Wirksamkeit unferer Sponta
neitat nicht unmittelbar untergeordnet ist . d. i. der
korperlichen Vermogen. Nur dürfen wir mit ienem
Ausdrucke des Geiftigen keine eingebildete Erkennt
niß des Wefens der Seele an fich , verknüpfen , wenn
der Begriffnicht blos chimarifch werden foll.

§. 7.

Der Inbegriff der geistigen Vermögen macht


das eigentliche Wefen des Menschen aus , und wenn
man den Begriff derfelben auf die in vorigen §§.
bestimmte Weife faßt , ſo kann man ienen Inbegriff
eben fowohl ohne Nachtheil der Wahrheit Seele
Ca nennen
36

nennen, als den Inbegriff der zweckmäßig verknüpf


ten phyfifchen Vermögen des Menschen Körper.

§. 8.

Drey Hauptvermögen find es , auf welche die


§. 5. angegebenen Merkmale vollkommen paffen : das
Vorstellungsvermögen , das Begehrungsvermögen ,
.
das Gefühlvermögen . Diefe Vermögen haben iedes
feine ursprüngliche Gesetzgebung , die Gesetzgebun
gen aller vereinigen fich in einem und demfelben Be
wußtfeyn, und ihre Wirksamkeit nach denfelben ist
einer und derfelben Spontaneität untergeordnet .
Diefe ift enthalten in der praktischen Vernunft.

Dafs ein Vermögen eine ursprüngliche Ge


fetzgebung habe, mufs man dann als ein Faktum
anerkennen , wenn feine Thätigkeiten nur nach
einer beſtimmten Form möglich find , welehe
durch Erfahrung nicht erworben werden konnte.
Dafs aber die Form der Thätigkeiten eines
Vermögens nicht habe durch Erfahrung erwor
ben werden können , fchliefst man mit Recht
aus der Nothwendigkeit , welche dem Begriffe
und der Anwendung derfelben anhängt. Man
bedarf zu diefem Schluffe keiner Erkenntnifs we

der der Dinge an fich überhaupt , noch des


Grundweſens unfrer Seele ; fondern nur der
Einficht der Bedingungen, unter welchen Ideen
und Urtheile durch Erfahrung erworben werden ,
und
37

und der Art von Gewissheit , welche allein für


folche möglich ift. Dieienige fcheinbare Noth
wendigkeit , welche nicht felten blofsen Erfah-
rungsideen durch Täuſchung der Gewohnheit
anhängt , läfst fich von der Nothwendigkeit,
welche hier gemeynt ift , leichtlich unterſchei
den. ) Sie beruht allezeit augenfcheinlich auf
einem Fehlschluffe , mit welchem man aus Stof
fen der finnlichen Empfindung Folgerungen ab
leitet , zu denen in denfelben gar kein zurei
chender Grund liegt ; 2 ) der logiſche Irrthum,
welcher fie erzeugt , läfst fich nach den blofsen
Geſetzen des Denkens in feiner ganzen Blöfse
darftellen ; 3 ) eine folche Nothwendigkeit kann
eben dadurch wieder aufgehoben werden. Al
les diefs findet nicht Statt bey denen Begriffen,

welche die ursprünglichen Geſetzgebungen der


Hauptvermögen unfrer Natur ausdrücken. Die

Nothwendigkeit , welche diefen anhängt , lässt


fich durch keine logiſche Kritik in Täuſchung
auflöfen.

§. 9

Die Idee des Endzweckes der menfchlichen Na


tur wird beftimmt , durch die in der Vernunft ent
baltene Gesetzgebung für das Begehrungsvermögen,
und den Zuſammenhang des der Vernunft unterge

ordneten Begehrungsvermögens mit dem Gefühlver


mögen.
you
§. 10.
38

S. 10.

Der höchfte Zweck der menschlichen Natur


wird in dem Begriffe der Harmonie der Tugend mit
der Glückseligkeit ausgedrückt.
MACR

A §. 11.

Befriedigender Aufschluß über feine Beftim


mung ist für den Menschen nur dann moglich, wenn
er fich mit Nothwendigkeit ergiebt aus der ursprüng
lichen Gefetzgebung des Vorstellungsvermögens, und
dem Verhältniffe derfelben zur Gesetzgebung des Be
gehrungsvermogens und Gefühlvermogens.

§. 12. L
Wenn fich ein Auffchluß über die Bestimmung
des Menfchen mit Nothwendigkeit aus der urspring
lichen Gesetzgebung des Vorftellungsvermogens und
dem Verhältniffe derfelben zur Gesetzgebung des Be
gehrungsvermogens und Gefühlvermögens ergiebt ; fo
ift es , um ienen Auffchluß gründlich und bestimmt
darzustellen , zuvorderft nothig , diefe Hauptvermö
gen der menfiblichen Natur nach ihren ursprüngli
chen und wefentlichen Gefetzgebungen zu erforschen.

§. 13.

So ergiebt fich das Problem einer Wiffenfchaft ,


deren Gefchäft im Allgemeinen darinn beftünde , die
Natur des Vorftellungsvermögens , des Begebrungs
vermâ
39

vermögens und des Gefühlvermögens, nach ihren ur


Sprünglichen Gesetzgebungen und dadurch bestimm
ten Verhältniffen fo darzustellen , daß dadurch die
wahre Bestimmung des Menfchen vollkommen begrif
fen würde.

Drittes Kapitel.

Begriff der Philofophie und Auseinandersetzung deffelben.

1.z t
Allem dem zu Folge , was im vorigen Kapitel ,
gefagt worden , fcheint fich uns folgende Idee
des Wefens der Philofophie aufzudringen :

50 '1 P**.
§. I. Mat 3

Die Philofophie ift die Wiffenfchaft der menfch


lichen Natur , wiefern ihre Vermögen 11 durch ur
fprüngliche innerhalb eines und deffelben Bewußifeyn's
8
enthaltene Gefetzgebungen bestimmt find , und die
Wirksamkeit und der Endzweck siener Vermögen
durch diefes Bewußtfeyn ihrer unfprünglichen Ge
fetzgebungen allein , mit Nothwendigkeit begriffen
wird. 11 MAY 5. 649 T
soll the bes Andr

Es erhellt aus dem vorigen Kapitel , dafs


iman die Philofophie auch ohne Irrthum durch
die Wiffenfchaft der geifigen Natur
- des
40

des Menfchen ( Kap. H. §. 6. ) und die Wif


fenfchaft der menfchlichen Seele ( § . 7.)
erklären könne.

Folgende Bemerkungen fcheinen die Gül


tigkeit der von mir aufgeftellten Erklärung in
ein helleres Licht zu ftellen .

1. Diese Erklärung ist unabhängig von aller


Hinficht auf bereits vorhandene fogenannte

Syſteme der Philofophie , und keinesweges


auf die gemeinhin angenommenen Theile
f
diefer Wiffenfchaft künftlich berechnet.
Sie fetzt blos die Thatfache voraus : dafs
fich in der menfchlichen Natur , das Vor
ftellungs- Begehrungs- und Gefühlsvermö
gen als folche Vermögen auszeichnen , de
ren urfprüngliche Gesetzgebungen fich in

einem und demſelben Bewufstfeyn vereini


gen , und deren Wirkfamkeit nach denfel
ben einer und derfelben Spontaneität un
tergeordnet ift. Diefe , Thatfache aber ift
fo beftimmt, dafs fich nach ihr allein, ohne
+
alle Hinficht auf bereits vorhandene Sy
fteme , ein Kreis von Erkenntniffen bildet,
deffen Umfang und Gränzen durch die Na
tur felbft beſtimmt find. Alles Mannigfal
tige , was in diefer Thatfache befasst ift ,

ftimmt in einem unzweydeutigen Merk


male
L

41

male zufammen , und ift in fofern einartig,


Dasienige Merkmal aber , in welchem alles
Mannigfaltige diefer Thatfache überein
J
ftimmt , giebt das Kriterium ab , nach wel
chem entfchieden werden mufs, was in die
Sphäre derienigen Wiffenfchaft gehöre,
welche auf iener Thatfache gegründet iſt,

2. Diefe Erklärung giebt unftreitig das letzte


charakteriſtiſche Merkmal derienigen Wif
fenfchaft an , die fie betrift , fo dafs diefe
vermittelft ienes , von allem , was nicht

Philofophie ift, unterfchieden werden kann.


Mehrere Wiffenfchaften haben das Gefchäft,
die menfchliche Natur zu erforschen , aber
iede von einer beftimmten eigenen Seite.
Um nun zum Beyspiel den Unterfchied von
phyfiologiſcher und philofophifcher Erfor
fchung der menfchlichen Natur zu beftim
men , dürfen wir uns nur die Frage vorle
gen : ob der Phyfiolog dieienigen Vermö
gen der menfchlichen Natur behandle, wel- ,
che ihre urfprünglichen Geſetzgebungen in
einem und demfelben Bewufstfeyn vereini

gen, und ob es fein Gefchäft fey, die Wirk


famkeit und den Endzweck iener Vermö

gen durch dieſes Bewusstſeyn ihrer urfprüng


lichen Geſetzgebungen allein , mit Noth
wendigkeit zu begreifen? Es zeigt fich fo
gleich,
है.

42
1

gleich , dafs es ihm um diefes Problem gar


nicht zu thun fey , dafs dieienigen Natur
gefetze , die er 3 erforscht , aufserhalb dem
Bewufstfeyn liegen , und dieienigen Kräfte ,
mit deren Betrachtung er fich befchäftigt,
nach ihrer geſetzmäfsigen Wirkfamkeit unf
rer Spontaneität nicht unmittelbar unter
geordnet find. Dafs die Möglichkeit
diefer Unterfcheidung keine Kleinigkeit fey,
fondern grofsen Vortheil gewähre , zeigt
fich am deutlichften , wenn wir iener Ver
wirrungen gedenken, welche fonft im Ge
biethe der Philofophie Statt fanden , weil
man die mediciniſchen Wiffenſchaften grof
fentheils mit hineinzog.

3. Schon nach dem eben Bemerkten zeigt es


fich , dafs die aufgeftellte Erklärung weder
zu weit noch zu eng fey. Ihre ftrenge Prä
cifion hängt von der beftimmten Angabe
derienigen Vermögen der menschlichen
Natur ab , welche die Wiflenfchaft behan
delt, Vermögen, welche fich fogleich durch
ihre Homogeneität und nothwendigen Zu
fammenhang als den Gegenftand einer und
derfelben Diſciplin ankündigen .

4. Es find in diefer Erklärung , fo weit es in


einer folchen möglich , beftimmt: 1 ) die
Erkenntnifsquelle , 2) der Inhalt ,
3 ) die
43

3 ) die Gränzen , 4 ) der Zweck der


Wiffenfchaft , und zugleich ergiebt fich
auch nach derfelben der allgemeine Begriff
der Methode , welche in ihr befolgt wer
den muss. Diefs wird fich im Folgenden
bey umständlicher Auseinanderfetzung ganz
deutlich zeigen .

5) Dieſe Erklärung vereinigt in fich das Wahre


aller andern Erklärungen, ohne an der Ein

feitigkeit , Unbeftimmtheit und Zufällig


keit der meisten Theil zu nehmen.

Man kann die bisher vorhanden gewefe


"
nen Definitionen der Philofophie füglich
unter folgende Rubriken bringen.

a) Hypothetische Definitionen . Ich


bezeichne mit diefem Ausdrucke folche Er

klärungen , welche der Philofophie Erfor


fchungen zueignen deren Unmöglichkeit
fich nach den Gränzen unfers Vorftellungs
vermögens darthun läfst, Solche Defini
tionen finde 907
#! # 69 # ** 23 PROS

e ) Die Philofophie fey: die Wiffen


fchaft menfchlicher und gött
licher Dinge . ( cognitio rerum hu
sblaulund
manarum et divinarum . )
C
C# 8) Die
44

B) Die Philofophie fey ; die Wiffen


fchaft der Natur der Dinge.

y ) Die Philofophie fey : die Wiffen


fchaft von der Seele , der Welt
und Gott.

Die Philofophie fey : die Wiffen


fchaft der geiftigen Natur des
Menfchen , in dem Sinne , dafs fie
'wirklich das innere abfolute Wefen der
felben ergründe.

* ) Die Philofophie fey: die Wiffen


fchaft der überfinnlichen noth

wendigen Wahrheiten , in dem


Sinne , dafs hier eine wirkliche Erkennt
nifs des Ueberfinnlichen vorausgesetzt
wird.

Die Philofophie fey: die Wiffen


fchaft des Möglichen , in dem
vid Sinne , dafs abfolute reale Möglichkeit
ན་
gemeynt fey.NLI
sim
Von ieder diefer Erklärungen lässt es fich
zeigen , dafs dasienige , was etwa darinn wahr
feyn könnte , in der von mir aufgeftellten ent
7
halten ift. Es giebt kein Wiffen göttlicher
Dinge , der ( abfoluten ) Natur der Dinge, der
Seele , der Welt ; überhaupt gar kein Wif
*
fen des Ueberfinnlichen , aber allerdings noth
wendige
45

wendige Vorftellungsart davon. Und diefe Vor

ftellungsart entſpringt aus der ursprünglichen


Geſetzgebung der geiftigen Vermögen in
dem von mir beſtimmten Sinne , d. i . des Vorftel

lungs- Begehrung- und Gefühlvermögens . ' Die


ienige Wiffenfchaft alfo , welche die menfch
liche Natur als Inbegriff diefer Vermögen nach
ihren urfprünglichen Gefetzgebungnn fchildert,
mufs nothwendig auch iene Vorſtellungsart aus
ihren Gründen entwickeln .

b) Zu weite Definitionen. Die Erklä

rung einer Wiffenfchaft ift zu weit , wenn


fie, ftatt auf einen bestimmten Inbegriff
homogener Erkenntniffe zu paffen , ganz
verfchiedenartige Gegenstände des Wiffens 1
befafst , und mehrern Wiffenfchaften mit

gleichem Rechte gemein feyn kann . Sol


che find :

a ) Die Philofophie fey: die wiffen


fchaftliche Erkenntnifs der Na·

tur und Eigenfchaften der na4


türlichen Dinge.

B) Die Philofophie fey: die Wiffen


fchaft der natürlichen Eigene
fchaften und Wirkungen der Din ..
ge und ihrer Wirkungsgefetze.

*) Die
46

7) Die Philofophie fey: die Wiffen


fchaft der menfchlichen Natur.

Der Fehler zu grofser Weite bey diefen


Erklärungen fallt fogleich in die Augen , wenn
man nach denfelben die Philofophie von den
phyfifchen und medicinifchen Wiffen.chaften un
terſcheiden will . Wiefern aber die Philofophie
$
wirklich die Prinzipien aller Erkenntnifs der Na
tur aufftellt , und einen beftimmten Inbegriff
A
von Vermögen der menfchlichen Natur fchil

dert , liegt das , was an ienen Erklärungen Wah


res ift , unftreitig in der von mir aufgeftellten.

c ) Zu enge Definitionen. Diefe


find :

a ) entweder folche , welche nicht auf alle


in den Kreis der Philofophie gehörende
. Erkenntniffe und Difciplinen paffen ,
als :

N) Die Philofophie fey: die Wiffen


fchaft 選 des unveränderlichen

Zufammenhanges der Dinge ; eine


Erklärung , welche nur auf den Theil
der Philofophie pafst , welchen man Me
taphyfik nennt.

) Die Philofophie fey: die Wiffen


fchaft desienigen , was fich durch
blofse Vernunft erkennen läfst.

*) Die
47

a) Die Philofophie fey : die Wiffenfchaft


des im blofsen Vorstellungsver
mögen Bestimmten. Diese Erklä
rung , ein Werk des Herrn 1 Reinhold,
hat unftreitig das Vorzügliche , das We
fen der Philofophie in ihren reinen theo
retiſchen Theilen mit ganz befonderer
Schärfe anzugeben. Allein ich zweifle
fehr , dafs man fie ohne Zwang auf die
moralifchen Difciplinen und andre Thei
le der Philofophie anwenden könne.

B) Oder folche , welche nur das Eigenthüm


liche der Form philofophifcher Erkennt
niffe , das Unterfcheidende der Methode,
den Zweck angeben , als :

die Philofophie fey: die Vernunft


wiffenfchaft aus Begriffen .

2) Die Philofophie fey ; die Wiffenfchaft


derienigen Bestimmungen der
Dinge , die ohne ein anderes an
zunehmen , können verftanden
1
und ohne Zeugnifs erwiefen wer
den. Diese Erklärung ift nur darauf be-
• rechnet , die Form philofophifcher Er
kenntniffe von 1 der Form der mathemati
fchen und hiftoriſchen zu unterſcheiden.

1) Die Philofophie fey : ein Inbegriff


vernunftmäfsiger Refultate
über
48

! über die Welt und über die wich


tigften Verhältniffe des Men
fchen.

4) Die Philofophie fey: die Anleitung


zur wahren Weisheit.

Es würde zu grofse Weitläuftigkeit ohne


befondern Nutzen verurfachen , 2 wenn ich zei
gen wollte , wie das Wahre einer ieden von die
fen Erklärungen 1 in der von mir aufgestellten
enthalten ist. Ich hebe nur einige der berühm
teren aus. N ) Der unveränderliche Zu
fammenhang der Dinge hängt ab, in Rück
ficht der Natur dinge , von den Formen des
Vorftellungsvermögens , welche durch deffen
urfprüngliche Gesetzgebung beftimmt find ; in
Rückficht der moralifchen Gegenstände
von den Prinzipien des vernünftigen Vorftel
lungsvermögens für das Begehrungsvermögen ,
welche ebenfalls aus urfprünglichen Grundla
gen hervorgehn. Dieienige Wiffenfchaft alfo,
welche die ursprünglichen Geſetzgebungen des
Vorftellungs- Begehrungs- und Gefühls- Ver
7 mögens darftellt , beftimmt damit auch den
unveränderlichen Zufammenhang der Gegen
ftände der Natur und Sitten. ) Das
durch blofse Vernunft Erkennbare

hängt ab von der ursprünglichen Gesetzgebung,


welche diefem Vermögen für feine Thätigkei
ten eingepflanzt ift. Die Vernunft gehört we
fentlich
49

fentlich zum Vorstellungsvermögen . Dieienige


Wiffenfchaft alfo , welche die urfprünglic en Ge
fetzgebungen des Vorftellungs - Begehrungs
und Gefürs Vermögens darftellt , mufs noth
1
wendig das durch bloise Vernunft Erkennbare ,
aus feinen Gründen abgeleitet , darſtellen .
a) Dasienige , was durch das blofse Vor
ftellungsvermögen bestimmt ift , beruht
auf den unveränderlichen Formen der Vorftel

lung , welche von der urfprünglichen Gefetzge


bung des Vorstellungsvermögens abhängen. Nun
ftellt die Philofophie nach der von mir angege
benen Erklärung die urfprüngliche Gefetzge
bung auch des Vorftellungsvermögens dar , fie
mufs alfo auch das durch das blofse Vorfteliungs
vermögen Beftimmte entwickeln.

§. 2.

Die einzig achte Erkenntnißquelle der Philofo


phie ift, nach der §. 1. angegebenen Erklarung , das
Bewußtfeyn.

Unter Bewufst feyn verftehe ich hier oh


ne Rücksicht auf anderweitige Bedeutungen die
fes Wortes : das Vermögen des Menfchen , die
ienigen Vermögen feiner Natur , welche durch

ihre ursprünglich eingepflanzte Geſetzgebung


zu gemeinfchaftlicher Wirkung vereinigt und ei
ner höchften nach Zwecken wirkenden Kraft un

tergeordnet find, zum Gegenfiande einerVorftel


D lung
50

lung zu machen, als beharrenden Grund beſtimm


terWirkungen anzufehn , und auf die nach Zwe
cken wirkende Kraft zu beziehen. Das Bewusst

feyn in diefem Sinne fetzt das urfprüngliche 1 und


nicht aufzulöfende Gefühl des Ich , oder das
Urfelbftgefühl voraus . T lenes ift nicht ein

eigenes ursprüngliches Vermögen unferer Na


tur , fondern das zufammengefetzte Reſultat ge
fetzmässiger Handlungen der innern finnlichen

Empfänglichkeit , der Einbildungskraft , des


Verftandes , ia felbft der Vernunft. Diefe Ver
mögen wirken aber, indem fie ienes Bewulstſeyn
durch ihre fich harmoniſch vereinigenden Hand
lungen hervorbringen , fo unabfichtlich , fchnell.
und mechanifch , dafs man ihren Einfluss nur
bey genauerer Analyfis des Bewufstfeyns aner
kennt , und leicht verführt wird, diefes für ein

eigenes urfprüngliches Vermögen unfrer Natur


zu halten.

a) Hier wird beym mündlichen Vortrage aus


einander zu fetzen feyn , der Unterſchied
der mannichfaltigen Arten des Bewusstleyns.
Folgende Stufenleiter fcheint mir dabey
beobachtet werden zu müffen :

a) Bezeichnung des Urfelbftgefühls , wel


ches bey allem Bewufstfeyn voraus geſetzt
wird.

B) Erörterung des Bewufstfeyns der Arten


der Vorftellung , in wiefern es von den
Ge
51

Geſetzen und Formen der Vorftellungs


vermögen abhängt.

7 ) Bewufstfeyn der geiftigen Vermögen
felbft nach ihren ursprünglichen Geſetz
gebungen , und dadurch beſtimmten
Verhältniffen .

d) Darlegung des Verhältniffes diefer drey


Vermögen, welche das reine Bewufst
feyn ausmachen , zu jedem empiri
fchen Bewufstſeyn .

b ) Ferner wird zu entwickeln feyn , wie das


Bewuſstfeyn in diefer Bedeutung von dein
innern Sinne verfchieden ist , als wel
cher blofs den rohen Stoff zu derienigen

Selbftvorstellung liefert , welche damit aus


gedrückt wird. Zugleich wird der Beytrag
der übrigen Vermögen zu Bildung dieſes
Bewulstieyns angegeben werden müſſen .
4
c ) Schon vorläufig wird fich bey diefer Gele :
genheit die Wahrheit begreiflich machen
.
laffen , dafs alle Philofophie das Wefen der
t
geiftigen Natur des Menfchen nur daritel
len könne , fo wie fie nach der Form des

innern Sinnes und den Regeln des Verſtan


des erfcheint.

d) Ein vollständiges Werk über das Bewufst


feyni des Menschen befitzen wir nicht , und
D 2 man
52

man hat allerdings die darüber vorhandenen ,


meiftens einfeitigen und etwas verworrenen
Schriften mit Vorficht zu lefen.

a ) Sulzers Abhandlung vom Einfluffe des


Bewufstfeyns . Verm. Schr. I. B.

; 6) Etwas über das ich , in Briefen an Herrn


Tiedemann , im deutſchen Muſeum
Novemb . 1778,

7) Meiners über die Verfchiedenheiten des


innern Bewufstfeyns. Verm. Phil . Schr.
II. Th. p . 22.

d) ( Mich. Ign. Schmidts ) Gefchichte des


Selbstgefühls . Frankf. und Leipz. 1772 .

Die neuefte Unterfuchung der Natur des Be


wufstfeyns in Beziehung auf das Vorftellungsver
mögen enthält :

1 ) K. L. Reinhold Verfuch einer Theorie des


Vorftellungsvermögens. Iena 1790.

Fortführungen und Rechtfertigungen davon :

2 ) Ebendeffelben Beyträge zur Berichtigung


bisheriger Misverftändniffe der Philofophen .
1. B. Iena 1790 .

Anwendung davon :

3) C. Ch. E. Schmid empirifche Pfychologie .


lena 1791 .

§. 3.
53

§. 3.

Die Möglichkeit aller philofophifchen Erkennt


1
nifs und alles wahren Philofophierens beruht auf
demienigen Verhältniffe des Vorftellungsvermögens

ì zu fich felbft , und dem Begehrungs- und Gefühls


vermögen, wodurch esfahig ist, die durch ursprüng
liche wefentliche Gesetze bestimmte Form der Wirk
famkeit feiner felbft und diefer Vermogen zum Ge
genftande befonderer beftimmter Vorstellungen zu
machen.

§. 4.

In wiefern wir nur durch Vorstellungen Kennt


niß unfrer geistigen Vermögen bekommen konnen,
unfer Vorstellungsvermögen aber nichts zum Gegen
fande feines Vorftellens machen kann , wenn nicht
in firenger Angemffenheit an die durch ursprüngli

che Gesetze beflimmte Form feines Vorftellens ; fo


erhellet , daß die Unterfuchung des Vorfiellungsver
mogens das erfte und vorzüglichste Gefchaft aller
Philofophie feyn muffe

§. 5.

Das menfchliche Vorftellungsvermögen besteht


aus dem vermogen der finnlichen Empfanglichkeit,
der Einbildungskraft , dem Verftande und der Ver

nunft.

§. 6.
54

§. 6.
Diefe Vermögen haben ihre eigenthümlichen
urfprünglichen Formen.

§. 7.

Durch ihr harmonifches Zufammenwirken nach


diefen Formen wird das System menfchlicher Er
kenntniffe möglich,

§. 8.

In Beziehung auf das Vorstellungsvermögen,


in theoretifcher Hinficht , ift alfo Hauptgeschäft der
Philofophic , die fammtlichen Vermögen , aus denen
es besteht , anzugeben , ihre ursprünglichen wefent
lichen Formen und Gesetze zu entwickeln , und die
davon abhängige unveränderliche Form aller befon
dern Arten der Vorstellung und der fiſtematiſchen
Verbindung derfelben zu beftimmen.

§. 9.
Das menfchliche Begehrungsvermögen ist einer
feits dem vernünftigen Vorftellungsvermögen unter
geordnet, foll und kann die Vorftellung höchfter all
gemein gültiger Gesetze zum Beftimmungsgrunde
feiner Handlungen machen ; andererfeits aber fteht
es im natürlichen Zusammenhange mit Kräften der
finnlichen Natur , woraus fowohl Bedürfniffe als

Reize zu Handlungen erfolgen,

§. 10.
55

S. 10.

Das Hauptgefchäft der Philofopbie in Bezie


bung aufdas Begehrungsvermögen ist , die Gesetz
gebung des vernünftigen Vorstellungsvermögens für
das Begehrungsvermögen zu entwickeln , und dar
nach die unveränderliche Form von guten Handlun
gen zu bestimmen.

§. II. "

Wenn unfer Gefühlvermogen gewiffer Arten


von Gefühlenfahig ist , deren nothwendigen Zufam
menhang mit beſtimmten Zuständen des Vorstellungs
vermögens als ihren Urfachen , man nach Vernunft
gründen begreifen kann , ſo wird es in Beziehung
auf das Gefühlvermögen ein Hauptgeschäft der Phi
lofophie feyn, die ursprünglichen Gesetze des Gefühl
vermögens für iene Arten von Gefühlen zu entwi
ckeln und die unveränderliche Form derfelben zu be
ftimmen.

S. 12.

Man kann alfo fagen, die Philofophie ftelle die


Gründe der ursprünglich bestimmten Form unfers
Vorftellens , Begehrens und Fühlens , und die Form
unfrer Vorstellungen, Begehrniffe und Gefühle felbft
dar , wiefern fie ursprünglich bestimmt ist.

6. 13.
56

§. 13 .

Die eigenthümliche Methode der Philofophie.


bey ihren Hauptgefchäften besteht darinnen , daß fie
die im menfchlichen Bewußtfeyn enthaltenen und ge
fetzmäßig verbundenen Vorstellungen , Begehrniffe
und Gefühle zergliedert , das Nothwendige vom Zu
falligen fcheidet, und fich fo der Begriffe der wefent
lichen Formen der Hauptvermogen unfrer Natur be

mächtigt.

§. 14.

Der Umfang aller Philofophie reicht fo weit,


als man durch Erkenntniffe , gefchepft aus der
Quelle des Bewußtseyns ( in dem S. 4. befiimmten
Sinne , ) die geistige Natur des Menfchen ( in dem
Kap. II. §. 3. beftimmten Sinne) im Einzelnen und
im Ganzen begreifen kann.

§. 15.

Der höchfte Zweck aller Philofophie ift, dem


Menfchen dieBestimmung feines Dafeyns begreiflich zu
machen, und in diefem Zielpunkte müffen fich die Theo
rien des Vorftellungs- Begehrungs- und Gefühlver-
..
mögens vereinigen.

Viertes
57

Viertes Kapitel.

Charakter der Gewissheit der philofophifchen Erkenntniſſe.

Nach demienigen Begriffe der Philofophie , wel


cher im eben vorhergegangenen Kapitel gegeben
worden , erhellet ;

S. 1.

Iedes wahrhaft philofophifche Erkenntniß führt


den Charakter der Nothwendigkeit und Allgemein
beit mit fich. :

Alles , was die Philofophie in Rückficht des


Ganzen der menfchlichen Natur und einzelner

Theile behauptet, gründet fich lediglich auf die


urfprünglichen Gefetze ihrer geiftigen Vermö
gen. Sie zieht alfo nichts Zufälliges oder Indi
viduelles in ihren Kreis , befafst nur das unwan

delbar Beflimmte und für alle Gültige . Dieſe


Bemerkung erstreckt fich eben fowohl auf das

Vorftellungsvermögen , Begehrungsvermögen und


Gefühlvermögen.

§. 2.
Die zureichenden Gründe des unwandelbar

Beftimmten undfür alle Gültigen , in wiefern es Ge


genstand der Philofophie ift , liegen in den ursprüng
lichen Gesetzgebungen des Vorftellungsvermögens ,

Begehrungsvermögens und Gefühlvermögens , und


laffen
58

laffen fich in bestimmten Begriffen darftellen. In fo


fern kann man fagen , die mit einem philoſophiſchen
Erkenntniffe verbundene Nothwendigkeit und Allge
meinbeit rube auf Begriffen.

§. 3.

Iedes wahrhaft philofophifche Erkenntniß ift


• ein Erkenntniß a priori , und von zufälligen Erfah
rungen ganz unabhängig.

§. 4.

Wenn die Vernunft dasienige Vermögen ist,


vermittelst deffen wir fabig find , die Form unfrer
Vortellungen , Begehrniffe und Gefuble aus ihren
urfprünglichen Gesetzgebungen zu begreifen , wenn
fie es ist , welche allen philofophifchen Erkenntniſſen
ibren Endzweck bestimmt , wenn in ihr die hochfien'
Prinzipien für unfre fammtlichen geiftigen Vermö
gen gegründet find, fo kann man die Philofophie mit
Recht die Vernunftwiffenfchaft aus Begriffen nennen.

§. 5.

Die Philofophie ist schon dadurch von iedem

andern Inbegriffe beſtimmter Erkenntniſſe hinläng


lich verfchieden , daß fie die Gründe der Möglichkeit
und der Form aller Erkenntniffe überhaupt zeigt.

6. 6.
59

§. 6.

Die Philofophie ist von der Mathematik unter


fchieden , 1 ) nach ihrer Erkenntnißquelle , welche
das Bewußtseyn iſt , da die mathematiſchen Erkennt
1
niffe aus dem Verhaltniffe der Vernunft zu dem
Raume und der Zeit entspringen ; 2) nach ihrem
Gegenstande; Gegenstände der Philofophic find die
1
urfprünglichen Gesetzgebungen des Vorftellungs- Be
gehrungs- und Gefüblvermögens und die dadurch
bestimmte nothwendige allgemeine Form unfrer Vor
ftellungen, Begebrniffe und Gefühle : Gegenstand der
Mathematik ift die Quantität des Anschaulichen in
Raum und Zeit ; 3 ) nach ihrer Methode ; der Ma
thematiker nämlich ftellt Begriffe in reiner An
fchauung dar, und drückt auf diese Weife in einem
einzelnen Bilde zugleich die Allgemeingültigkeit def
felben für alle mögliche Anschauungen aus , die un
ter denfelben Begriff geboren,

患 Ueber den Unterſchied der philoſophiſchen


und mathematiſchen Erkenntniffe fiehe vornäm
lich Kant in der Kritik der reinen Vernunft,
S. 740. ff. 3 , A.

§. 7.

Die Philofophie hat außerdem noch das inter


effante Verhältniß zur Mathematik , daß fie allein,
die Möglichkeit aller mathematischen Erkenntniß
zeigt.

§. 8.
i
60

§. 8.

Von andern Wiffenfchaften , z. B. der Natur


lehre , Hiftorie , ift die Philofophie hinlänglich durch
die ihr eigenthümliche Erkenntnißquelle , und ihre
Unabhangigkeit von Erfahrungen unterschieden.

Fünftes Kapitel.

Beleuchtung einigerſkeptischen Einwürfe gegen die Mög


lichkeit einer Philofophie nach dem von mir beftimm
ten Begriffe,

Ich habe bey dem aufgeftellten Begriffe der Phi- .


lofophie als Thatfache vorausgefetzt , dafs es ei
ne unwandelbare, nothwendige, allgemeine Form
unfrerVorftellungen Begehrniffe, undGefühle ge
be, welche durch eine Geſetzgebung beſtimmt ſey,
die ursprünglich in denen Vermögen liege , wel
che fie hervorbringen . Diefer Voraussetzung
dürfte der Skeptiker unter andern vorzüglich
folgende Einwürfe entgegenstellen :

§. I.

In Beziehung auf das Vorstellungsvermögen.

a ) Man fchliefse ohne zureichenden Grund aus


der Nothwendigkeit und Allgemeinheit , wel
che gewiffe Begriffe und Grundfatze , die For
I men
61 ™.

men des Vorftellens , des Anfchauens , Den


kens oder Begreifens ausdrücken , begleiten ,
dafs diefelben aus angebohrnen Grundlagen
unferes Gemüths entfpringen , der Charakter

der Nothwendigkeit hänge ia auch ebenfalls


unfern gegenwärtigen finnlichen Anfchauungen
an , und könne fehr wohl durch Gewohnheit,
und öftere Wiederholung gewiffer Affociatio
nen von Vorstellungen entstehen.

b ) Geſetzt auch , wir könnten eine fubiektive


Nothwendigkeit darthun, folche Begriffe und
Grundfätze als Entwickelungen urfprünglicher
Grundlagen zu denken , fo wäre doch diefs noch
kein Beweifs dafür, dafs fie es wirklich wären .

c) Wir müssten, um diefes mit Recht behaupten


zu können , die Natur der Dinge an fich ken
nen.

d) Wir müssten die Natur unferer Seele an fich


kennen .

Folgende Bemerkungen fcheinen die Nich


tigkeit diefer Einwürfe auiser Zweifel zu fetzen :

a. a ) Die Nothwendigkeit , welche gewiffe Be


griffe und Grundfatze , die Formen des Vor
ftellens , es fey nun des Anfchauens , oder des
Denkens , oder des Begreifens ausdrücken ,
begleitet , beruht ganz auf der Einficht , dafs
nur durch fie menfchliches Vorftellen , es fey
nun
62

1 nun Anſchauen , Denken , oder Begreifen, mög


lich ift , ohne fie nicht ; eine Einficht, wel
che aus dem blofsen Bewufstfeyn geſchöpft
ift. B) diefe Nothwendigkeit ift gänzlich
verfchieden von iener Nothwendigkeit , wel
che in dem Einwurfe ( a ) unfern finnlichen ,
Anschauungen zugeeignet wird , und wel
che nichts anders ift ,, als die durch den

finnlichen Eindruck bedingte Un


möglichkeit einen Stoff anders aufzuneh
men , als es die Einwirkung des Gegenstandes
mit fich bringt. Denn die Nothwendigkeit,
welche der Form unfrer Anfchauungen an

hängt , kann im Einwurfe nicht gemeint feyn,

da wir von diefer behaupten , fie gründe fich


auf eine angebohrne Geſetzgebung für die
Sinnlichkeit , weil ohne ihr gar kein Anſchauen
für den Menfchen möglich wäre. 7 ) Die
Nothwendigkeit , welche gewiffen Begriffen
und Sätzen der Erfahrung durch Gewohnheit
und öftere Wiederholung gewiffer Affociatio
nen anhängt, unterſcheidet fich von iener Noth
wendigkeit, welche gewiffe Begriffe und Grund
fätze , die Formen des Vorftellens ausdrücken,
begleitet , hinlänglich dadurch , N ) dafs ihre
Abhängigkeit von der Erfahrung augenblick
lich einleuchtet , und erwiefen werden kann ;
was in Beziehung auf die angeführten Begriffe
und Grundfätze nicht möglich ift ; a ) dafs
" Jan
€3

man nach den Gefetzen der blofsen Logik


fchon zeigen kann , dafs die Nothwendigkeit
und Allgemeinheit, mit welcher zuweilen em
piriſche Begriffe und Grundfätze gedacht wer
den , einen groben Fehler im Denken und
Schliefsen vorausfetzt , indem aus einzelnen
zufälligen Erfahrungen eine Folgerung gezo
gen wird , für welche in denfelben der zurei

chende Grund nicht liegt. Diefs ift offenbar


nicht der Fall bey denen Begriffen und Grund
fätzen , welche Formen der Vorftellung aus
drücken ; a ) dafs man iene falfche Nothwen

digkeit durch logiſche Kritik aufheben kann,


wie ieden andern Irrthum und Schein . Die
Nothwendigkeit, welche Begriffen und Grund
fätzen anhängt , welche Formen des Vorftel
lens ausdrücken , lafst fich auf gar keine Wei
fe aufheben.

b) Es ift falfch , dafs wir diefe ursprünglichen


Grundlagen aus fubiektiver Nothwendig
keit dächten ; wir erkennen fie vielmehr
wirklich an.

c ) Es ist keine Kenntnifs der Dinge an fich


nöthig , um aus der Nothwendigkeit und All
gemeinheit , welche gewiffe Begriffe und
Grundfätze , die Formen des Vorftellens aus

drücken , begleitet , zu fchliefsen , dafs die


felben aus angebohrnen Grundlagen unfers
Ge
64

Gemüths entſpringen . Wir brauchen nur die


Bedingungen genau zu kennen , unter denen
allein , finnliche Gewahrnehmungen für uns
möglich find , und die logiſchen Geſetze , die
uns bey der Ableitung von Folgerungen aus
denfelben leiten müffen .

d ) Eben fo wenig ift Kenntnifs der Natur unf


rer Seele an fich nöthig , wie fich fchon
aus der Gegenbemerkung zu c, ergiebt.

§. 2.
In Beziehung auf das Begehrungsvermögen .

a) Unfer Wille fey ein für uns ganz unbegreif


liches Vermögen .

b) Dieienige Nothwendigkeit , welche dem Schei


ne nach den fogenannten moralifchen Gefe
tzen für den Willen anhängt , könne täuschen,
und fehr wohl herrühren von den erfahrnen

Verhältniffen der Dinge zu unfern Begierden,


von der Erziehung , der Bürgerlichen Gefell
fchaft , u. a.

Hierauf kann erwiedert werden :

-N a ) iedes Vermögen unfrer geiftigen Natur ift


uns nach dem , was es an fich ſeyn mag, un
begreiflich , allein in den Formen feiner
Wirkfamkeit , die wir wirklich anerkennen,
vollkommen verständlich. So der Wille.
Kein Sterblicher wird die abfolute Natur die
Tes
65

1 fes Vermögens erreichen , allein das dadurch

1 bezeichnete Verhältnifs des Begehrungsvermo


gens zur Vernunft und Sinnlichkeit , die all
gemeine Form feiner Beftimmungen iſt uns
gar kein Geheimnifs ,

b ) a) Das Dafeyn fittlicher Vernunftgeſetze ift


durch das Bewufstieyn hinlanglich gefichert ;
B) wenn die fittlichen Vernunftgeſetze au ;
gewahrgenommenen Verhaltniffen der Dinge
1
zu unfern Begierden entflünden , fo würde
die Unbedingtheit , Uneinfchränkbarkeit, Noth
wendigkeit und Allgemeinheit , welche fie mit
fich führen , etwas erweifslich widerfinniges

feyn , und es würde fich diefer widerfinnige


Schein fehr leicht auflöfen und heben laſſen.
Derfelbe Fall wäre es , wenn iene Gefetze
ihren Grund nur in der Erziehung , oder bür 1
gerlichen Gefellſchaft hätten. Y) Anftatt

aber , dafs diefs wirklich gefchehen könnte ,


ftellt die Zergliederung des praktiſchen Ver
nunftvermögens uns die ganze Form der mo .
ralifchen Geſetzgebung für unfern Willen nach
den letzten Gründen ihrer Nothwendigkeit
dar , und rechtfertigt auf diefe Weife dasieni
ge , was fchon das gemeine Menfchengefühl
genug verkündigt.

Man lefe über diefe und ähnliche Einwürfe die



Moralphilofophie des Herrn Schmid in
der Kritik der praktiſchen Vernunft nach.
F §. 3 .
66

1
§. 3.

In Beziehung auf das Gefühlvermögen.

a) Verknüpfung von Luft oder Unluft mit ge


wiffen Zuständen des Vorftellungsvermögens

kann blos empirisch gewahrgenommen wer


den. Man kann die Nothwendigkeit einer
folchen Verknüpfung nach Vernunftbegriffen
nicht darthun.

b ) Die Nothwendigkeit , welche wir gewiffen


Arten unfrer Gefühle zueignen , ift blos eine
Folge der Gewohnheit , und öfterer Wieder

holung derfelben Empfindung.


c) Die nicht zu berechnende Verfchiedenheit
der Menschen in ihren Gefühlen , zeigt hin
länglich die Nichtigkeit urfprünglicher Grund
gefetze für das Gefühlvermögen .
Tey allen Schwierigkeiten , denen ganz unftrei
tig die Idee einer Philofophie über die Gefühle
ausgesetzt ist , und welche ich nach ihrem vollen

Umfange zu kennen glaube , dürfte man doch*


folgende Bemerkungen nicht ungegründet fiu
den müſſen :

a ) Nicht von allen , aber gewifs von einigen Ar


ten der Gefühle läfst fich die Nothwendigkeit
ihrer Verknüpfung mit bestimmten Zuftan
den des Vorftellungsvermögens nach Vernunft
begriffen angeben. Wenn mit allen Gefüh
len der Luft oder Unluft eine fich darauf be

ziehende Thätigkeit des Begehrungsvermögens


ver
2 67

verknüpft ift, und zwar mit der Luft , die Be


gier fie zu erhalten und zu erhöhen , mit der
Unluft , die Begier , fie zu vernichten , wenn
ferner ebenfalls gewiffe beſtimmte Zustände
des Vorſtellungsvermögens mit einer fich auf
felbige beziehenden Thätigkeit des Begehrungs
vermögens verbunden find , einige mit der Be
gier fie zu unterhalten , andre mit der Begier
fie aufzuheben , fo mufs es vermittelft des
Begehrungsvermögens ein folches Verhältnifs
gewiffer Zustände des Vorftellungsvermögens
zu dem Gefühlvermögen geben , nach wel
chem mit gewiſſen Zuſtänden des Vorſtellungs
vermögens Luft , mit andern Unluft nothwen

dig verknüpft ift. Zustände des Vorstellungs


vermögens , mit welchen verknüpft ift die
lebhafte Begier fie zu unterhalten , werden
dasienige Gefühl erregen , welches den Trieb
es zu erhalten , zu erneuern , zu erhöhen , mit
fich führt ; d. i. Luft , Zustände des Vorftel

lungsvermögens aber , mit welchen verknüpft


ift die Begier, fie aufzuheben, wird ienes ent
gegengesetzte Gefühl bewirken , welches von
dem Triebe es zu vernichten , begleitet wird.
b) Bey gewiffen Gefühlen der Men chen ruht
allerdings die Verknüpfung derfelben mit Zu
ftänden des Vorftel ungsvermögens auf Ge
wohnheit und öfterer Wiederholung der Allo
ciation . allein der mit ihnen verbundene Schein

von Nothwendigkeit 1afst fich fehr leicht ent


# a decken,
#

68

decken , und heben. Aber bey andern , z. B.


den moraliſchen, äfthetiſchen, ift es nicht mög
lich, durchKritik den fie begleidenten Charakter
von Nothwendigkeit in Taufchung aufzulöfen,
vielmehr laffen fich die ursprünglichen Gründe
davon aus der menfchlichen Natur entwickeln.

c ) Daraus , dafs die Menfchen in ihrer befon


dern Art von Empfänglichkeit für Luft oder
Unluft auf mannigfaltige Weife von einander
abweichen , kann nicht bündig gefolgert wer
den , dafs keine Art von Gefühlen durch eine

urfprünglich eingepflanzte Gefetzgebung be


ftimmt fey. 1

Der Skeptiziſm , in Beziehung auf welchen un


ter den Altén der klaffifche Schriftsteller ift :

1. Sexti Empirici Opera, graece et latine . Pyr


rhoniarum inftitutionum Libri III. cum H.
Stephani verfione et notis . Contra Mathe

maticos , fiue difciplinarum profeffores Libri


VI. contra Philofophos Libri V. Cum ver
fione Gentiani Herueti. Graeca ex manu

fcriptis codicibus caftigauit , verfiones emen


dauit , fuppleuitque et toti operi notas ad
didit I. A. Fabricius , Lips. 17 : 8.

hat auch in den neuern Zeiten mehrere Verthei


diger von ungleichen Zwecken und Talenten
.
gehabt. Ausser den Werken eines Heinrich
Cornelius Agrippa , eines Peter Bayle , Franz
Sanchez , Hieronymus Hirnhaym , Franz
de
69 .

de la Mothe le Vaver , Peter Daniel Huetius,


d'Argens u. a. deren Skeptizifm noch man
nigfaltigen gegründeten Zweifeln unterworfen

ift , verdient ganz vorzüglich wegen feines grof


fen Scharffinns ausgezeichnet zu werden : -

2. David Hume in f. treatife on human

nature und f. Effays on human Underſtan- ´


ding , in den Effays on ſeveral fubiects.

in Beziehung auf die Kantiſche Philoſophie :

3. Aenefidemus , oder über die Fundamente der


von dem Herrn Prof. Reinhold in lena gelie
ferten Elementarphilofophie, nebft einer Ver
theidigung des Skeptizifmus gegen die Anmaa
fsungen der Vernunftkritik. 1792 .

Der Skeptizim ift mit verfchiedenen Waffen !

und verfchiedenem Glücke von mehreren Welt


weifen bis auf die neuesten Zeiten beftritten
worden :

I. La verité des Sciences contre les Sceptiques ,

par Már. Marfenne. A Paris 1625. 8.

2. De la certitude des connaiffances humaines.


Par le Sr. Silhon. A Paris 1661. 8.

3. Petr. de Villemandy Scepticiſmus debel


latus. Lugd. Bat. 1697. 4.

4. The infallibility of human judgment , its di


gnity and excellency. By Mr. Lyons , Edit .
V. London 1725. 8. * }

5. Delle
79

5. Delle forze dell' intendimento umane , e fia


il Pirronismo confutato. Trattato di Antonio

Muratori , oppofto al libro del pretofo


Monfignore Huet intorno alla debolezza dell'
umano intendimento . Ediz. III. in Venezia
1736 .
6. Examen du Pyrrhonisme ancien et moderne,
par Pierre de Croufaz. A la
\ Haye 1733. fol.
7. Le triomphe de l' evidence. Par Chr. For
mey, avec un difcours préliminaire de Mr.

1 de Haller . A Berlin 1756. 8 , Deutſch : Prü


fung der Sekte , die an allem zweifelt , mit
einer Vorrede des Herrn von Haller. Göttin

gen 1757. 8 ,
1 8. An effay on the nature and immutability of
truth , in oppofition to fophiftry and Scepti
cifm . By lames Beattie , Edinburgh 1770 ,

8. deutsch , Koppenhagen 1772 , 8.


9. Reid inquiry into the human mind.
10. Oswald Appeal to common ſenſe.

11. An examination of Dr. Reid's Inquiry into


the human mind ; Dr. Beattie's Effay on the
nature and immutability of truth ; and Dr.
Oswald's Appeal to common fenfe , By lo
feph Priestley , London 1775. 8.
12. Kant in der Kritik der reinen Ver
nunft , befonders in der transfcendenta
Jen Methodenlehre , von der Unmög

lichkeit einer fkeptifchen Befriedi


gung
71

* gung der mit fich felbft veruneinig-.


ten reinen Vernunft , S. 786.

13. Ebenderfelbe in den Prolegomenen


zu ieder künftigen Metaphyfik. 1

14. H. Iakob Abhandlungen über den Hu


meifchen Skeptizifm , an feiner Uebersetzung
des Werks über die menfchliche Natur von
Hume,

15. K. L. Reinhold in mehrern Theilen fei


ner Briefe über die Kantifche Philo

fophie , und feiner Beyträge..

Ich füge hier nur noch die Bemerkung bey,


dafs Einige der neueften Weltweifen fich zur Be
ftreitung der Kantifchen Philofophie
eines Begriffes vom Skepticiſm bedienen , wel .
cher gar fehr prekär und beliebig ift. Die wal

ren Skeptiker follen nach ihnen eine Art

von Proteftanten in der philofophi


fchen Welt ausmachen , und zwar theils wi
der die Unfehlbarkeit und unverbefferliche Rich

tigkeit eines von den bis ietzt vorhandenen dog


matiſchen Systemen in der Philofophie , theils
darwider proteftiren , dafs die philofophirende
Vernunft iemals aufhören foll perfektibel zu
feyn. Diefe. Skeptiker leugnen das Dafeyn
der Vorftellungen, und die Gewifsheit alles
deffen , was im Bewufstfeyn vorkommt ,
nicht , erklären auch die Fragen , wel
che
72

che die menfchliche Vernunft über

das Dafeyn und Nichtleyn der Dinge


an fich , über ihre realen und obiekti
ven Eigenfchaften und über die Gren
zen der Erkenntnifskräfte , aufwirft ,
nicht für fchlechterdings und ewig un
beantwortlich ; fie fetzen über das , was die
Vernunft im Felde der Spekulation leiften kann,
und vielleicht dereinft auch noch leiften wird,
ganz und gar nichts feft , fondern bezweifeln
*
blos dasienige , was die Dogmatiker über die
Dinge an fich, und über die Gränzen der Macht
oder Ohnmacht des Erkenntnifsvermögens , be
reits zu wiffen und allgemeingültig beweifen
zu können , vorgeben , und behaupten , dafs in
der Philofophie weder über das Dafeyn und
Nichtfeyn der Dinge an fich und ihrer Eigen
fchaften, noch auch über die Grenzen der menfch
lichen Erkenntnifskräfte etwas nach unbeftreit

bar gewiffen und allgemein gültigen Grundfä


tzen ausgemacht worden fey. Diefe Skep
tiker verzweifeln nicht daran , dafs
unfre Unwiffenheit in ienen Stücken

dereinft gehoben werden könne , viel


mehr macht die Hofnung davon einen
wefentlichen Bestandtheil des Skepti
cismus aus , der von demfelben nicht eher
getrennt werden kann , als bis man erwiefen
haben wird , dafs die menfchliche Vernunft des
wegen
73

wegen etwas durchaus nicht zu leiſten vermöge,


weil fie es bisher noch nicht geleiftet hat. "
Aenefidemus S. 22. c. ff.

1. Ich geftehe aufrichtig, dafs ich Schilderungen


diefer Art mit dem ächten Geifte des Skepti
cifm nicht vereinbaren kann , und dafs es
mich befremdet, dergleichen in Schriften zu ,

finden , wo man zugleich Kanten ganz falsche


Vorstellungen vom Skepticiſm anfchuldigt,
und nicht begreifen kann , wie Reinhold von
dogmatifchen Skeptikern reden könne.
Wenn ich mich nicht ganz täuſche , ſo kann
die Behauptung , dafs ietzt noch keine auf
unwiderstehlichen Gründen ruhende Philofo

phie da fey, den Geift des Skepticiſm nicht


ausmachen , vielmehr liegt das einzig Charak
teriſtiſche von demfelben in der ausdrückli
chen Leugnung entfcheidender Kriterien der
Wahrheit und der Verzweiflung an der Mög
lichkeit aller allgemeingültigen Philofophie.

In wiefern der Skeptiker feine Behaup


' tung herleitet aus bestimmten Einfichten
der Natur und Verhältniffe des menfchlichen

Erkenntnifsvermögens , • aus Beobachtungen


der zabllofen Abweichungen menfchlicher Ur
theile und Meynungen, und andern Gründen ,
heifst er mit Recht ein dogmatiſcher Skepti
ker , und nur als ein folcher kann er Gegen
ftand der Kritik feyn , da aufserdem , wenn
er
74

er gar keinen Satz als befriedigend gegründet.


gelten laffen will , gar kein Ideenwechfel mit
ihm möglich ist. Der wahre1 Skeptiker leug
net die Möglichkeit aller befriedigenden
Wahrheit aus Gründen , und läfst eben fo we

nig eine fubiektive als obiektive Allgemein


gültigkeit zu .
2. Ein Skepticismus, welcher aus zureichen
den Gründen darthut , dafs in der Philo

fophie weder über das Dafeyn und Nichtfeyn


der Dinge an fich und ihrer Eigenſchaften ,
noch auch über die Grenzen der menfchlichen
Erkenntnifskräfte etwas nach unbeftreitbar

gewiffen und allgemeingültigen Grundfätzen


ausgemacht fey, mufs ganz unbezweifelt Prin

zipien des menfchlichen Vorftellungsvermö


gens als unbeftreitbar gewifs und allgemein
gültig vorausfetzen , und dieſe Prinzipien kön
nen nicht blos logiſche Denkregeln feyn, fon
dern auch Grundfätze , welche die Obiekte
der Erkenntnifs betreffen . Ohne folche Prin

zipien würde er die Meynungen der Weltwei


fen nicht prüfen, und keine verwerfen kön
nen . Ift er aber im Befitze folcher Prinzi
pien , fo mufs er , um nach ihnen Theorieen
der vorgeblich obiektiven Erkenntnifs zu .
prüfen , vor allen Dingen wiffen , auf welche
Gegenstände iene Prinzipien fich beziehen ,
welches die Sphäre und Gränzen ihrer An
wen
1
75

wendung feyn. Entweder alfo verwirft der


Skeptiker alle Meynungen , ohne Gründe,
oder er fetzt ein Syftem von Grundfätzen des
Denkens und Erkennens als unbezweifelt vor

aus , indem er zugleich leugnet , dafs es ir.


gend eines gebe.

3. Wenn der Skeptiker durch den Glauben an


die nie aufhörende Perfektibilität der philo
fophirenden Vernunft beſtimmt wird, zu leug
nen , dafs irgend ein Syftem die Natur und
Gränzen des menfchlichen Erkenntnifsvermö
gens vollkommen wahr darftelle , fo fcheint
er fich gar fehr zu hintergehen. Weit ent
fernt, dafs der Perfektibilität der philofophiren
den Vernunft dadurch Gränzen gefteckt wer
den follten , dafs man die Untersuchung über
das Wefen und die Gränzen des menfchlichen

Erkenntnifsvermögens erſchöpft, und zu ihrer


Vollendung bringt , bekommt vielmehr ienes
Vermögen der gränzenlofen Selbſtvervollkom
mung der philofophirenden Vernunft da
durch allererst eine fichere Richtung und ganz
unzweydeutige Sphäre. Oder man müfste
ein unaufhörliches Dichten immer neuer,
gleich willkührlicher , dogmatifcher Syfteme .

Vervollkommung der philofophirenden Ver


nunft nennen .

4. Die Vergleichung des Skepticifm mit dem Pro


teftantismus fcheint ein wenig fchief zu feyn .
I 5. Es
7

76 1

5. Es ist nur zu offenbar , dafs der Verfaffer des


"
Aenefidemus , und einige andere, welche ihm
nachſprechen, den Begriff des Skepticiſm ent
ftellen, um die kritiſche Philofophie entweder
herabzuſetzen , ( indem ſie ſchon den Skepti
kern eine befriedigende Kritik der Vernunft
zueignen , ) oder dem Scheine nach zu wider

legen , ( indem fie vorgeben , der Skeptiker


fey der feinfte Kritiker , ohne fich doch ienen
Dogmatifm zu erlauben , welchen fie Kanten
anfchuldigen . )

6. Bemerkt man diefes , fo ift es nicht mehr be

fremdlich, wenn die Schilderungen des Skepti


cifm fich zuweilen in der Schrift eines und
deffelben Weltweifen widerfprechen , wenn
derfelbe Skeptiker , der uns eben als ein Ge
müthşkranker vorgeführt wurde , in der näch
+ ften Scene als ein mufterhafter Kritiker auf.
1
tritt , in noch einer folgenden fo weit gedie
hen erfcheint , dafs er über die Angemeffen

heit der Meynungen gegen den Verſtand und


die Moralität des Menfchen entfcheidet , und

endlich , wegen vollkommener Harmonie der


eigentlichen Hauptmeynungen den Urheber
der Vernunftkritik brüderlich umarmt.

Zwey
1

Zweyter Theil.

Darstellung des Syſtems

der Philofophie

und

des Zufammenhanges

ihrer Theile.
7
F
Ueber

das Syftem der Philofophic


und

den Zufammenhang ihrer Theile.

Erftes Kapitel.

Einleitung.

Es folgt aus der Natur der Sache felbft , dafs


die Erklärung der Philofophie iene leichte Ver
ftändlichkeit nicht mit fich führen kann , wel
che den Definitionen andrer Wiffenfchaften ei

gen ift. Zwar liegt der Gegenstand derfelben


in dem Bewufstfeyn eines Ieden, und ihre fämmt
lichen Probleme gehn aus nothwendigen allge
meinfchaftlichen Bedürfniffen der menschlichen
Natur hervor ; allein um fie fcharf zu faffen,
abgefondert , rein und deutlich vorzustellen," ift
eine befondere Vertiefung in fich felbft und ein
angeftrengteres Nachdenken nöthig . Ich fühle
es nur zu fehr, dafs die von mir im ersten Theile

aufgestellte Erklärung nur von denen fogleich


gefasst werden kann , welchen die intereffanten
Thatfachen unfers Bewufstfeyns , in Beziehung

auf das Vorftellungs- Begehrungs- und Gefühls


vermögen , wenigftens nicht fremd find , und
diefe
9.
80

diefe Erfcheinung ift gewifs eben fo wenig be


"
fremdend, als es Verwunderung erregen könnte ,
wenn man hörte , die Definition der Optik fey
nor denen verftändlich , welche Vorstellungen
vom Licht und vom Sehen haben.

Indeffen läfst fich iene Erklärung der Phi


lofophie ohne grofse Schwierigkeiten vorläufig
fchon , fehr bald begreiflich machen , indem
man die Aufmerkfamkeit derer , welche fie hö
ren , auf das Bewufstfeyn hinlenkt , und durch

ftarke treffende Andeutungen die in Schatten


geftellten Thatfachen deffelben ans Licht zieht.

Die Philofophie , fo wie ich fie in der an


gegebenen Erklärung fchildre , hat kein andres
Gelchäft, als den Charakter der Menfchheit dar
zuftellen , und den Menschen über die Beſtim
mung feiner Gattung , durch in ihm felbft noth
wendig gegründete Wahrheiten , mit fich felbft
vollkommen einig zu machen.

"" Alles Intereffe meiner Vernunft ,


fagt kant , vereinigt fich in den drey
Fragen :

1) Was kann ich wiffen?

2 ) Was foll ich thun ?

Was darf ich hoffen ? "

Wahrheit, Tugend , Glückfeligkeit ,


find die nothwendigen Zwecke der Menfchheit,
1 auf
8.1

auf welche fich am Ende alles philofophifche .


Nachdenken bezieht. Vereinbarung des Zwe-
ckes der Tugend mit dem Zwecke der Glück
feligkeit durch eine vollkommene ungetäuschte
Wahrheit ist der Zielpunkt aller Erforschungen.
Das Intereffe der Tugend leitet zur Unterfu
chung des Begehrungsvermögens , das Intereffe
der Glückseligkeit zur Unterfuchung des Ge .
fühlvermögens , das Intereffe der Wahrheit zúr
Unterfuchung des Vorftellungsvermögens , durch
defien Thätigkeiten allein , eine befriedigende
Auflöſung des Problems wegen unfrer Beftim- .
‫اهی‬ Indem die Philofophie diefe
mung möglich ift.
Unterfuchungen vollendet , giebt fie dem Men
fchen mit dem treffenden Gemählde feiner Na
tur zugleich Plan und Mittel an die Hand , Eins
mit fich felbft zu feyn.

Es gehört zu den Charakterzügen der


Menfchheit , dafs der Menfch allein , in der gan
zen uns erkennbaren Schöpfung uneins mit fich
felbft feyn kann , und dafs gerade fein edelftes
Vermögen, die Vernunft, an dem Zwiefpalte An
theil hat , deffen fein Wefen fähig ift. Aufge
fordert auf der einen Seite durch das Bewusst

feyn der moralifchen Vernunft zur unbedingten


Schätzung der Würde feiner Natur, fühlt er fich
auf der andern durch einen herrschenden Trieb
nach Vergnügen niedergedrückt , und das Ver
langen nach Genufs verbunden mit der troftlo
F fen
:

82

fen Hinficht auf das fo nahgefteckte Ziel des.


Lebens , fetzt ihn in Gefahr , an iener Würde
feiner Natur zu verzweifeln. Das Bewufstfeyn
eines ieden feiner edlen Vermögen führt ihn zu
einem Ideale hin, welches zu erringen ſeine Ver
nunft ihm zur Nothwendigkeit macht , allein
wenn er fich durch die Betrachtung diefer Ideale
bis zum Himmel erhoben fühlt , fchlägt ihn
plötzlich der Gedanke nieder , dafs die ihm un
ter den Verhältniffen des ietzigen Dafeyns ver
liehenen Mittel auf fie hinzuarbeiten , in gar
keinem Verhältniffe gegen fie ftehen. - Diefs

ift ein Gefichtspunkt , wie mir ſcheint , aus wel


chem man einem Ieden das Wefen der Philofo

phie auf eine leichte und einfache Weife vorläu


fig begreiflich machen kann. Man fchildre
alfo den innern Zwift und Selbftkampf , in wel
chen den Menfchen das Nachdenken über fich
felbft verwickelt , nach feinem ganzen Umfange

ſchildre ihn in Beziehung auf Erkenntniſſe,


Handlungen und Gefühle , zeige , dafs nur die
gründliche Erforschung der geistigen Vermögen,
und die Bestimmung ihrer wahren Verhältniffe
den Menfchen zu einer dauernden Einigkeit mit
fich felbft führen könne , und fo wird es gewiss
einem leden einleuchten , dafs die Philofophie

die wohlthätige Vermittlerin eines ewigen innern


Friedens in der menfchlichen Natur ift.
Allein volles Licht verbreitet fich gewifs -
erft dann über den Begriff des Wefens der Phi
lofophie,
83

lofophie, wenn man ihr grofses Gefchäft in feine


einzelnen Theile zerlegt , und fie nach dem gan
zen Umfange von 1 Unterfuchungen betrachtet,
welche in ihr enthalten find. Hier mufs fich
denn auch der Werth oder Unwerth einer Defi

nition der Philofophie am evidenteſten zeigen , in


wiefern es mehr oder weniger gelingt , nach ihr
allein, die ganze Sphäre der Wiffenlchaft zu ver
zeichnen .

Ich gehe gegenwärtig zu diefer Auseinan-


derfetzung über , bey welcher man aber keine
gröfsere Ausführlichkeit erwarten wird , als es
die Gränzen und Erforderniffe einer Encyklo
pädie zulaffen.

Man fucht vergebens in den meiſten Schrif


ten über den Begriff der Philofophie wahr
haft fyftematiſche Entwürfe der Theile die
fer Wiffenfchaft. Gemeiniglich fehlt ein
leitendes Prinzip der Zufammenſtellung ,
und die meiſten Skiagraphieen find eigent
lich nicht, viel mehr als Aggregate zu
nennen.

1. Kant lieferte zuerft einen innerlich zu


fammenhängenden Entwurf des Plans der
reinen Philofophie , in der Kritik der
reinen Vernunft , der transfcen
dentalen Methodenlehre drittem
Hauptftück , der Architektonik
der reinen Vernunft , S. 860.
F 2 Kants
1 84

Kants Entwurf ift feit diefer Zeit unverän

dert in verfchiedene Lehrbücher überge


gangen.
2. Nach Kant ift Herr Reinhold der erfte

geweſen , welcher den Plan des philoſophi


fchen Syftems und die Eintheilung deffel
ben unter uns zu bilden verfucht hat.
Sein Verfuch einer neuen Einthei

lung der Philofophie ift enthalten in


feiner Abhandl. über den Begriff der

Philofophie im 1. B. feiner Bey


trâge , aber noch nicht vollendet.

3) Unter den philofophifchen Lehrbüchern


enthält die brauchbarfte Skiagraphie La
kobs Grundrifs der allgemeinen

Logik.

Zweytes Kapitel.
; Ueber die Eintheilung der Philofophie im Allgemeinen.

§. I.

Das erste Gefchäft der Philofophie kann kein an


deres feyn , als die ursprünglichen Gesetzgebungen,
denen die Natur das Vorftellungs- Begehrungs- und
Gefühlvermogen untergeordnet bat , vollständig,
rein und bestimmt zu entwickeln, und in Gemäßheit

diefer Darstellung die allgemeine nothwendige Form


der
85

der menfchlichen Vorstellungen , Begehrniffe und Ge


fühle darzustellen.

§. 2.

In wiefern die Philofophie bey diefem Geſchäfte


die Gründe ihrer Behauptungen von der Erfahrung
nicht bernimmt , heißt fie die reine Philofophie.

Ich nenne eine urfprüngliche Geſetz


gebung für ein Vermögen , den in ihm
enthaltenen bestimmten Grund für eine fich
gleichbleibende nothwendige Form feiner Thä
tigkeiten . In wiefern eine folche Form aus ie
ner ursprünglichen Geſetzgebung entſpringt , ift
fie a priori bestimmt , Begriffe und Grund
fätze , welche folche Formen darftellen , find
rein , indem ihnen nichts fremdartiges, aus der

blofsen Erfahrung gefchöpftes beygemiſcht ift.

§. 3*

Unerachtet unfer Vorstellungs- Begehrungs


und Gefühlsvermögen durch ursprüngliche Gefetz
gebung eine bestimmte Form feiner Thatigkeiten be
fitzt, fo baben doch auch auf ihre Aeußerungen
·Kräfte und Verhältniffe Einfluß, deren Wirkungsart
nur durch Erfahrung erkannt wird. Wenn die
Philofophie in der Betrachtung iener Vermogen fich -
auch auf alle diefe Beziehungen verbreitet, fo keißt
fie 1
86

fie rein empirifche Philofophie , auch angewandte


Philofophie.

§. 4.

Die Philofophie theilt fich alfo im Allgemeinen


in die reine und rein- empirifche , oder angewandte
Philofophie.

§. 1.5.

Da das Vorstellungsvermögen, das Begehrungs


vermögen und das Gefühlvermögen die eigentlichen
Gegenflände aller Philofophie find, fo theilt fich die
1 reine Philofophie im Allgemeinen in: a ) die reine
Theorie des Vorftellungsvermögens ; b ) die reine
Theorie des Begehrungsvermögens ; c ) die reine
Theorie des Gefühlvermogens ; auf diefelbe Werfe
theilt fich die angewandte Philofophie im Allgemei
nen in: a) die angewandte Theorie des Vorstellungs
vermögens ; b) die angewandte Theorie des Begeh
rungsvermögens ; c ) die angewandte Theorie des

Gefühlvermogens.

Drit
87

Drittes Kapitel.

Darfellung der fämmtlichen wesentlichen Theile der


reinen Philofophie.

§. 1.

Das erste Gefchäft der reinen Philofophie besteht


darinn, die Natur, ursprünglichen Formen und Gefe
tze des Vorftellungs- Begehrungs- und Gefühlver
mögens zu entwickeln. Ich nenne den Theil der
Wiffenfchaft, worinn dieß gefchieht, allgemeine reine
Elementarphilofophie, auch reine formale Philofophie,
im Gegenfatze der reinen Materialen , welche die

durch die ursprüngliche Gesetzgebung des Vorstel


lungs-
"/ Begehrungs- und Gefühlvermögens beftimm
ten Begriffe von Gegenständen darftellt.

`S.
§. 2.

Die reine allgemeine Elementarphilofophie theilt


fich in die des Vorstellungsvermögens , die des Be
gehrungsvermögens , und die des Gefühlvermögens .

§. 3.

Wenn die Philofophie nach denen in der rei


nen Elementarpbilofophie feftgeftellten Wahrheiten
über die Natur , Formen und Geſetze diefer Vermö
gen , ihre Fabigkeit prüft , wiefern fie zweydeutig
und Zweifeln unterworfen feyn dürfte , fie in ihre
Gränzen zurückweift , wo fie durch Ueberschrei
tung
88

tung derfelben ausfchweifend werden können , ihnen


aber auch innerhalb diefer Gränzen ihres Gebietės
ibr Recht und ihre Anfprüche fichert ; fo heißt fie
kritifche Philofophie.

§. 4.

Die kritifche Philofophie betrift vorzüglich das


Vorftellungs- und Begehrungsvermögen. Es läßt
fich aber auch febr wohl eine Kritik des Gefühlver
mögens denken,

S. 5.

In wiefern ohne diefe Kritik die Begriffe des


Wefens und nothwendigen Zusammenhanges der Ge
genstände für das Vorstellungs- Begehrungs- und
Gefühlvermögen nicht mit Sicherheit aufgestellt wer
den konnen , nennt man fie auch Propädevtik der
Metaphyfifchen Wiffenfchaften,

§. 6.

Wenn die reine Philofophie nach denen in der


1 Elementarpbilofophiefeftgesetzten Wahrheiten
reinen
die Begriffe des Wefens und nothwendigen Zufam
menhanges der durch ursprüngliche Formen und
* Ge
Letze beftimmten Gegenstände des Vorstellungs- Be
gebrungs- und Gefühlvermögens nach ihrem gan

zen Umfange fyftematisch aufstellt , fo ift fie reine


materiale Philofophie, Metaphyfik,

§. 7.
89

6.
* §. 7
.

Es giebt alfo eine Metaphyfik des Vorftellungs


vermogens , cine Metaphyfik des Begehrungsvermo
gens und eine Metaphyfik des Gefublvermögens,

§. 8.

So theilt fich alfo im Allgemeinen die reine


Philofophie in: a ) reine Elementarphilofophie , oder
reine formate Philoſophie ; b ) kritische Philofophie,
Propidevtik der Metaphyfik; c ) Metaphyfik, reine
materiale Philofophie.

Nach diefer allgemeinen ' Ueberficht gehe


ich zur Betrachtung der einzelnen Theile über :

Erfter Abſchnitt.

Elementarpbilofophie über das Vorftellungsvermögen.

Es ist hier zuvörderft nöthig zu beftimmen , in


welchem Sinne das Wort Vorftellungsvermögen
genommen wird. 1

S. I.

Unter dem Vorstellungsvermögen verfehe ich


bier den Inbegriff aller derer Vermögen , durch de
ren Zuſammenwirkung unfre Anschauungen, Begriffe,

1 Urtheile und Schlüffe entstehen, und die Verknüpfung


derfel
90

derfelben zu einem innerlich zufammenhängenden


Ganzen möglich wird.

Der Begriff des Vorftellungsvermögens wird


alfo hier als Gattungsbegriff genommen , und da
theilt fich die reine formale Philofophie, oder die
reine Elementarphilofophie über dasVorstellungs
vermögen in : 1 ) die Theorie des Denkens ,
oder die Wiffenfchaft der aus den urfprünglichen

Geſetzen des Verſtandes und der Vernunft abge


leiteten Regeln des Denkens ; reine allge
meine Logik ; a ) Theorie des Erken
nens , oder die Wiffenfchaft der in den · For

men der Sinnlichkeit und den Begriffen des Ver


ftandes beftimmten Prinzipien alles Erkennens.

Ehe wir indeffen zur Betrachtung diefer


beyden Haupttheile der reinen formalen Philo
fophie über das Vorftellungsvermögen überge
hen , müffen wir , fo weit es unferm Zwecke an
gemeffen ift , die in der That originale und in
ieder Rücksicht wichtige Idee einer Theorie des
menfchlichen Vorftellungsvermögens vom Herrn
Reinhold zu faffen verfuchen. Zwar habe ich
mich bis iezt , aus Gründen , deren Entwicke
lung hier am unrechten Orte ftehen würde,
noch nicht überzeugen können , dafs diefe Theo
rie für den Endzweck aller Philofophie fo un
entbehrlich fey , und für die fefte Begründung .
derfelben fo viel leifte , als der Verfaffer derfel
ben
91

ben behauptet ; allein ich müfste gar keinen


Maafsftab wahrer Gröfse befitzen , wenn ich nicht
anerkennte , dafs diefelbe unter den wichtigſten
Denkmälern der philofophirenden Vernunft,
die es nur irgend nach den Kanti chen Werken
geben kann, einen ehrenvollen Platz einnimmt,
und dafs fie, wenn fie auch im Ganzen das nicht
leiften follte , was ihr Verfaffer in Beziehung

auf felbige verſpricht , dennoch von einem Ie


i den ftudiert werden mufs , welchem die Sache

der Philofophie am Herzen liegt,

Herr Reinhold hatte fich bereits durch feine



Briefe über die Kantifche Philofo
1
phie als einen von ienen feltenen Männern
gezeigt , welche fähig find , fich des tiefften
Sinnes 1der Vernunftkritik zu bemächtigen ,
ohne darum den Charakter eigner Originali
tät aufzugeben ; als er mit feiner Idee einer

Theorie des Vorstellungsvermögens auftrat."


Die erfte Ankündigung davon geſchah in ei
Abhandlung über die bisherigen
Schickfale der Kantifchen Philofo
phie ; hier fchilderte Herr Reinhold den Zu
ftand der Wiffenfchaft , unter welchem die
Kantiſche Kritik erſchien , beſtimmte auf das
feinfte die Verhältniffe der mancherley Sy
fteme der Schulen zu derfelben , und erklärte
aus denfelben das auffallende Phänomen der
fo vielen Mifsverſtändniffe ienes Werks , und
des
b
92

des beynahe allgemeinen Widerwillens der


2
Sekten gegen daffelbe. Auf eine überra
fchende Weife findet man aus diefer interef
fanten Unterfuchung das Refultat hervorge
hen : ,,Wenn das in der Kritik der Vernunft

,,vorhandene Syſtem der Prinzipien der eigent


,,lichen Philofophie wirklich allgemein gültig
,,ift, wenn es fo ganz in der Natur des menfch
lichen Geiftes gegründet ift , daſs es von Ie
,,dem , der daffelbe durchgängig verftanden
,,hat , als wahr befunden werden muſs ; fa lie
„gen erftens in der Natur eines folchen Sy
„ſtems , zufammengenommen mit dem gegen.
,,wärtigen Zuftande der Philofophie ; zweytens
,,in der Art , wie diefes Syftem in dem Kanti
,,fchen Werke vorgetragen ift , und vorgetra
„gen werden mufste, Gründe , aus denen fich
,,vollkommen begreifen lässt , warum die Kri
,,tik der Vernunft nicht nur von dem gröfsten,
,,fondern auch von dem beffern Theile gleich
,,zeitiger Philofophen mifsverftanden werden
,,mufste." Merkwürdig ist die Gefchichte fei
nes eigenen Studiums der Kantifchen Philofo

phie , wodurch der Verfaller den Uebergang


zur erften Entwickelung feiner Idee macht. ---
Bey einem fchärfern Hinblicke auf die zwi- .
fchen den Vertheidigern und Gegnern der
Kantifchen Philofophie obwaltenden Streitig
keiten konnte dem Herrn R. die Ueberzeu

gung
93.

gung nicht fehlen , * ) dafs iene Streitigkeiten ,


fo wie fie bis ietzt geführt wurden ,
eben fo Y
wenig iemals geendigt werden könnten , als 1
der Streit zwifchen den bisherigen dogmati
ſchen Syftemen felbft , dafs diefelben vielmehr
immer verwickelter und für die Zuschauer

unverſtändlicher werden müffen , indem fie


mit ganz entgegengesetzten Grundbegriffen
und Grundfätzen über Fragen geführt wurden,
die ohne das vollkommenfte Einverfländniss

über Prinzipien , und ohne die äufserfte Nüch


ternheit der Spekulation abgehandelt , noth
wendig auf unnütze Subtilitäten und mehr als

fcholaftifche Spitzfindigkeiten hinauslaufen


müffen . Es wurde ihm aus unzählichen Bey
fpielen einleuchtend , dafs beyde Partheyen
auch mit denjenigen Sätzen , 1über welche fie
felbft unter fich einig zu feyn glaubten, fehr
verfchiedene , oft auch entgegengesetzte , Be
deutungen verbanden , und dafs fowohl diefe
ihnen felbft verborgene Verfchiedenheit der
Vorftellungsart, als die erklärten Streitpunkte
ihrer

*) Ich halte es für das Befte , bey einer fo feinen


Sache mich durchgängig beynahe der eigenen
Worte des Herrn Reinhold zu bedienen : um fo
mehr, da derfelbe nicht mit Unrecht geklagt hat,
dafs verfchiedene Beurtheiler nicht einmal den
Hauptgefichtspunkt feines Werkes richtig angege
ben haben .
94

< ihrer Fehde fich auf eben daffelbe alte und


allgemeine Mifsverftändnifs des Erkenntnifs
vermögens zurückführen liefsen, welches dem

Mangel allgemein gültiger Prinzipien und al


len Spaltungen in der philoſophiſchen Welt
zum Grunde liegt , und das zwar durch die
Kritik der reinen Vernunft zuerft und völlig
aufgedeckt wurde ; allein , fo wie es in derfel
ben entwickelt worden ist , und werden konn
te, auch noch auf die behutsamften Lefer die
fes Werkes felbft feinen alten Einfluss behal
ten, und fowohl den Gegnern das Verſtehen, "
als den Vertheidigern das Erklären deffelben
äufserft erfchweren mufste. Durch diefe Be

merkungen hatte das Problem , deffen Auflö


fung ihn beſchäftigte , folgenden näher be
ftimmten Sinn erhalten : „ Einen leichtern
Weg ausfindig zu machen, das alte allgemeine
Mifsverſtändnifs , welches zuerft nur auf dem
befchwerlichern Wege einer vollständigen Zer

gliederung des Erkenntnifsvermögens entdeckt


werden konnte, wenigftens in ſofern hinweg
zuräumen , als daffelbe dem Verftehen und
Erklären der neuen Theorie des Erkennt
nifsvermögens im Wege ftände." - Die Na
tur ienes Mifsverftändniffes , welches daring

beſteht , dass man bey der bisherigen Vorftel


lungsart vom Erkennen Prädikate , die der
blofsen Vorftellung von Dingen angehö

ren,
95

ren , auf Dinge felbft übertrug , veranlafste


ihn über den Unterſchied zwiſchen dem in der

Kritik der reinen Vernunft aufgeſtellten Be


griff der Erkenntnifs und dem in derfel
ben blos vorausgesetzten Begriff der Vor
ftellung nachzudenken. * Er wurde äuſserſt

überraſcht , als er an den auf dieſem Wege


gefundenen Reſultaten gewiffe bisher allge
mein verkannte Merkmale fand , welche, voll
ftändig entwickelt, und fyftematiſch geordnet,
einen Begriff von der Vorftellung überhaupt
ausmachten, der durch feine Natur durchgän
xy gig gegen das bisherige Miſsverftändnifs ge

fichert , und der Kantifchnn Theorie des Er

kenntnifsvermögens zum Grunde gelegt, auch


diefer eben diefelbe Sicherheit zu verfchaffen
fchien. Er lafs die Kritik der Vernunft in

diefer Rückficht noch einmal durch , und war


vollkommen überzeugt , dafs er fich des Be
griffes von Vorftellung , den der berühmte

Verfafier diefes Werkes vorausgefetzt hatte,


wirklich bemächtigt habe.. Allein er glaubte
eben fo deutlich einzufehen , dafs gerade der
Umstand , dafs iener Begriff bey der erften
Darstellung der neuen Theorie des Erkennt

nifsvermögens blos vorausgefetzt wer


den musste , unter andern die Urfache fey,
*
warum diefelb bisher fo wenig verftanden
wurde. Er unterfuchte von neuem unter
den
96

den merkwürdigften Einwendungen der Geg


ner dieienigen , von denen die Freunde des

Kantiſchen Syſtems am 2 wenigften begreifen


konnten , wie der ihrer Meynung nach ſo be
ftimmt angegebene Sinn fo ganz zu verfehlen.
möglich war , und er fand , dafs es blos der

von Kant und feinen Prüfern verfchieden ge


dachte Begriff von Vorftellung war,
der in allen, diefen Fällen das Mifsverftändnifs
unterhielt. Ie mehr er davon überzeugt war,
dafs das allgemeine Mifsverftändniss aus dem

Begriffe der Vorftellung hinweggefchaft wer


den müffe , wenn die Kritik der Vernunft
1
felbft gegen die Folgen deffelben gefichert wer
1
den follte , desto mehr liefs er fich es angele
gen feyn , die von ihm gefundenen Merkmale
diefes Begriffs mit aller ihm möglichen Sorg
falt und Behutfamkeit zu entwickeln. Hier
aus entstand ein Verfuch einer neuen
Theorie
* des menfchlichen Vorftel
lungsvermögens , bey welchem es der
Verfaffer mit dem Begriffe der blofen Vor
ftellung allein zu thun hatte , der fich der
geringern Anzahl feiner Merkmale wegen viel
leichter erschöpfen liefs , als der viel kompli
ciertere Begriff der Erkenntnifs , zu def
fen völligen Erörterung in der Kantifchen
"
Kritik Sinnlichkeit , Verftand und Vernunft
unterfucht werden mufsten. Der Grund, auf
welchem
97:

welchem die neue Theorie aufgeführt werden


konnte und musste , beſteht allein aus dem
bey allen Menfchen nach einerley Grundge
fetzen wirkenden Bewufstfeyn , und dem,
was unmittelbar aus demfelben erfolgt und
von allen Denkenden wirklich eingeräumt
wird. Der Begriff der Vorftellung muiste

völlig entwickelt werden , ohne dafs dabey


eine einzige Behauptung gebraucht werden
durfte, die der Philofoph, von was immer für
einer Sekte , feinen bisherigen Grundfätzen
zu Folge, nicht unterfchreiben könnte. In
der ganzen Abhandlung durfte kein einziger,
in der Kritik der Vernunft aufgeſtellter , Satz
als erwiefen oder auch nur als wahrscheinlich
angenommen werden , fo wenig als irgend ein
metaphyfifcher Lehrlatz, unter was immer für
einer Bedeutung. Der Verfaffer muiste fich
VA
der Allgemeingültigkeit feiner Theorie da
durch zu verfichern fuchen , dafs er durchaus

nichts als allgemein gültig vorausſetzte , was


nicht wirklich allgemein geltend iſt.

Ausführlicher entwickelte Herr R. feine


Grundfätze über die Unentbehrlichkeit ei

ner Theorie des Vorftellungsvermögens , ` in


einer tiefgedachten Abhandlung : über das
Bedürfnifs einer neuen Unterfu I

chung des menfchlichen Vorftel


lungsvermögens , die nächſt iener : über
die
G
98

die bisherigen Schickfale der Kan


tifchen Philofophie , das Werk felbft er
öfnet , welches unter folgendem Titel er
fchien :

Verfuch einer neuen Theorie des


menfchlichen Vorftellungsvermö
gens von Karl Leonhard Reinhold.

Prag und lena , 1789. 8 .


So allgemein man auch den Tief- und
Scharffinn bewundern musste , welcher aus
iedem Theile diefes Werkes hervorleuchtete ;
fo erfolgten dennoch in den öffentlichen Beur
theilungen davon viele und ſehr verſchieden
artige Einwürfe. Gewiffe Kritiker der Kan
tifchen Schule felbft verfehlten den Gefichts

punkt ganz , indem fie das Reinholdifche


Werk nur für einen Verfuch anfahen , die

Kantifche Kritik deutlicher und populärer.


darzustellen ; andere griffen geradezu die
Hauptfache felbft an , indem fie behaupteten ,
es fey eine Theorie des Vorftellungsvermö
gens , im Sinne des Verfaffers , keinesweges
etwas Unentbehrliches , und eine folche könne
nicht weitere Prämiffen für die Theorie

des Erkenntnifsvermögens enthalten ; andere


fchränkten blos die Allgemeinheit ein, in wel
cher iene Theorie , als Elementarphilofophie ,
gelten follte ; die Gegner der Kantiſchen Phi
lofophie zeigten durch ihre Recenfionen
durch
99

durchgängig, dafs fie fich bey dem Reinhol


difchen Werke eben fo fehr in Mifsverſtänd
niffe verwickelt hatten, 谁 als bey der Vernunft
kritik felbft.

Unter diefen Verhältniffen fand fich Herr

Reinhold zu der Herausgabe eines andern


Werkes beſtimmt , welches den wahren Ge

fichtspunkt feiner Theorie , und ihr Verhält


nifs zur Kantifchen Philofophie in noch meh.
reres Licht ftellen follte , als es in der Theo
rie felbft gefchehen war :

} Beyträge zur Berichtigung bishe


riger Mifsverftändniffe der Philofo
phen von Karl Leonhard Reinhold .
Erfter Band , das Fundament der Ele

mentar philofophie betreffend . lena


1790. 8.

Aufser einer neuen Darstellung 0 der


Hauptmomente der Theorie felbft
( III, 167. ) findet fich hier eine Reihe von
Abhandlungen, in welchen der Verf. alle Kraft
feines Scharffinns aufbietet, um die Nothwen
digkeit der Theorie über ieden Zweifel zu
erheben , und alle dagegen gemachte Ein
würfe zu entkräften . Man wird fie am nütz

lichften in folgender Ordnung lefen :

a ) Ueber das Bedürfnifs , die Mög .


*
lichkeit und die Eigenfchaften /
G 2 eines
ICO

eines allgemeingeltenden erften


Grundfatzes der Philofophie , II.
S. 93.

b) Ueber die Möglichkeit der Philo


fophie als ftrenge Wiffenfchaft.
" V. S. 341:

c ) Ueber den Begriff der Philofo


phie. I. S. 3 .

d ) Ueber das Verhältnifs der Theo .


rie des Vorstellungsvermögens

zur Kritik der reinen Vernunft.


IV. S. 257.

e ) Erörterungen über den Verfuch


einer neuen Theorie des Vorftel
lungsvermögens . VI. S. 375 .

Die Fortsetzung diefer Beyträge unterbrach


Herr Reinhold durch fein Werk :

Ueber das Fundament des philo


fophifchen Wiffens. Iena 1791 .

Kurzer Abriß der Grundideen der Theorie des


Vorftellungsvermögens.

Zu ieder Wiffenfchaft , welche nicht blos


hiftoriſchen Inbegriff von Thatfachen der Erfah
rung ſeyn foll , ift ein erfter Grundfatz
fchlechterdings unentbehrlich. Nur durch ihn
erhalten alle übrige , zu derfelben Wiffenfchaft

gehö
101

gehörige Sätze , erhält der ganze Inhalt die Ein


heit einer, Wiffenſchaft , indem iener Grundfatz
das allgemeine Prädicat aufftellt , das allen Prä
dicaten und Subiecten im ganzen Umfange der
Wiffenfchaft zukommt , und wodurch fie in die
fen Umfang zufammengefasst werden. \ Indem
er durch die ihm zunächst untergeordneten
Grundfätze , deren Nothwendigkeit einzig
in ihm gegründet ift, der mittelbare Grund der
Nothwendigkeit aller übrigen ift , fo verdankt
ihm das ganze Gebäude der Wiffenfchaft , das
nur durch ihn fyftematiſch wird, feine ganze
Feftigkeit ,
die nur durch den durchgängigen
7 Zufammenhang aller Sätze und durch Zurück
führung aller auf Einen möglich ift. Man würde
aber den Begriff eines folchen Grundfatzes ganz
misverftehen , wenn man glaubte , er beftimme
den Inhalt anderer Sätze ; er beftimmt nur die
Form, nicht die Subiecte und Prädicate anderer
Urtheile , fondern nur ihre Verknüpfung.

Die Philofophie hat bis jetzt noch keinen


erften Grundfatz gehabt , obwohl derfelbe für
ihr Gefchäft ganz unentbehrlich ift. Dieieni
gen Grundfätze , die man ( wenn es noch iá

gefchah ) ihren befondern Difciplinen unter


legte , find im höchften Grade mangelhaft ; das
gemeinſchaftliche bisherige Schickfal der Logik,
der Metaphyfik , der Moral , des Naturrechts.
Kein Wunder ; diefe Wiffenfchaften fetzen eine
Ele

1-
102

Elementarphilofophie voraus , die auf einem er


ften , und zwar auf einem allgemeingeltenden
erften Grundfatze ruht , dieſe iſt keine andere
als die Theorie des Vorstellungsvermögens , in
wiefern fie einen folchen Grundfatz hat.

Die Erforderniffe zu dem allgemeingelten


den Grundfatze der Philofophie find :

1. Er muss die Elementarphilofophie unmit


telbar, und die ganze übrige Philofophie

mittelbar begründen , und darf daher


weder aus der reinen noch aus der ange

wandten, von der Elementarphilofophie ab


geleiteten Philofophie hergenommen feyn,
Nicht einmal aus einem, der Elementarphi
lofophie eigenthümlichen Satze darf er ab
geleitet werden , weil er an der Spitze.
aller diefer Sätze ftehen muss. Der Grund

feiner Nothwendigkeit mufs alſo ganz auf


fer dem Gebiete aller Philofophie liegen,
und fich folglich durch kein philofophi
fches Räfonnement entwickeln laffen.

2. Er muss durchaus keines Räfonnements


bedürfen , um wahr befunden zu werden ,
und wiefern ein folcher Satz nur ein Fak
tum ausdrücken kann , mufs er felbft ein
Faktum ausdrücken,

3. Diefes Faktum mufs allen Menſchen zu


allen Zeiten und unter allen Umständen,
unter welchen fie darüber reflektiren kön

nen,
103

nen , durch die blofse Reflexion einleuch

ten. , Es kann alfo daffelbe in keiner Er


fahrung des äufşern Sinnes beſte
hen , welche fich immer auf individuelle
Umstände bezieht.

Diefes Faktum kann auch nicht in einer


Erfahrung des innern Sinnes befte
hen , in wiefern unter Erfahrung finnliche
Wahrnehmung , innere Empfindung , ver
ftanden wird , die immer individuell iſt, 1
und fich keinesweges allgemein mitthei
. len läfst

5. Diefes Faktum mufs in uns felbft vor


gehen , und da es , wenn es allgemein ein
leuchtend feyn foll , weder an eine be
ftimmte Erfahrung , noch an ein gewiffes
Räfonnement gebunden feyn darf, mufs
es defshalb alle möglichen Erfahrungen
und alle Gedanken , deren wir uns bewusst

feyn können , begleiten können .

6. Diefes Faktum kann eben darum in nichts

anderm als im Bewufstfeyn felbft be


ftehen , und der Satz , durch den es aus
gedrückt wird , mufs diefes Bewufstfeyn,
fo weit daffelbe vorftellbar ist , ausdrücken.

Alle diefe Erforderniffe vereinigen fich in einem


einzigen Satze , der denn der allgemein
geltende erfte Grundfati aller Philo .
fophie
104

fophie ift , und die Elementarphilofophie er


öfnet.

§. I.
Der Satz des Bewußtseyns ,

Die Vorstellung wird im Bewufstſeyn vom


Vorgestellten und Vorftellenden unterſchieden,
und auf beyde bezogen .

§. 2.
+
Der ursprüngliche Begriff der Vorstellung.

Die Vorstellung ift dasienige , was im Be


wufstfeyn durch das Subiekt vom Obiekt und
Subiekt unterschieden , und auf beyde bezogen
wird.

§. 3.
Der ursprüngliche Begriff des Obiekts.

Das Obiekt ist dasienige , was im Bewusst


feyn durch das Subiekt vom Subiekt und der
Vorstellung unterfchieden , und worauf die vom
Subiekte unterfchiedene Vorftellung bezogen
wird.

S. 4.
Der ursprüngliche Begriff des Subiekts.

Das Subiekt ist dasienige , was im Bewusst


feyn durch fich felbft von der Vorstellung und
dem Obiekte unterſchieden , und worauf die
vom
105

vom1 Obiekte " unterfchiedene Vorstellung be


zogen wird.

S. 5.
Der ursprüngliche Begriff der bloßen Vorstellung .

Die blofse Vorftellung ist dasienige , was

fich im Bewufstfeyn auf Obiekt und Subiekt be,


ziehen lässt, und von beyden unterfchieden wird.

§. 6.
Der ursprüngliche Begriff des Vorstellungsver
mögens,

Das Vorftellungsvermögen ift dasienige,


wodurch die blofse Vorftellung , das heifst, das ,
was fich im Bewufstfeyn auf Obiekt und Subiekt
beziehen läfst , aber von beyden unterſchieden
wird , möglich ist , und was in der Urfache der
Vorftellung , d. 1. in demienigen , welches den
Grund der Wirklichkeit einer Vorftellung ent

hält , vor aller Vorftellung vorhanden feyn`


mufs ,

§. 7.

So wie die finnliche Vorftellung , der Be


griff und die Idee gemeinfchaftlich den Namen
Vorstellung führen , und diefer unter dem Prä
dikat der Vorstellung überhaupt dasienige,
was ienen unter fich gemein ift , bezeichnet : fo
heifsen Sinnlichkeit , Verstand und
Ver
106

Vernunft , als die Vermögen der finn


lichen Vorstellung , des Begriffes und
der Idee Vorstellungsvermögen , und das ,
was ihnen unter fich gemeinfchaftlich
ift , das Vorftellungsvermögen über
haupt,

§. 8.

Das Vorſtellungsvermögen überhaupt, kann


zwar nicht aufserhalb der vorftellenden * Kraft,
und aufserhalb der Sinnlichkeit , dem Verftande
und der Vernunft vorhanden feyn , aber der Be
griff deffelben läfst fich nicht aus der Kraft,
fondern nur aus der Wirkung derfelben , näm
lich der blofsen Vorftellung , und zwar nur aus
dem Begriffe derfelben , in wiefern er durch den

Satz des Bewusstleyns beftimmt wird , ableiten ,

S. 9.

Die blofse Vorstellung mufs aus zwey ver

ſchiedenen Bestandtheilen beſtehen , die durch


ihre Vereinigung und ihren Unterfchied , die
Natur oder das Wefen einer blofsen Vorftellung
ausmachen.

§. 10.

Dasienige , was fich in der blofsen Vor


ftellung und wodurch fich die blofse Vorftellung
aufs
"
107

aufs Obiekt bezieht , heifst der Stoff der Vor


ftellung,

§. II.

Dasienige, was fich in der Vorftellung, und


wodurch fich die Vorftellung auf das Subiekt
bezieht , heifst die Form der Vorftellung.

§. 12.

Das Obiekt heifst das Vorgeftellte ; in wie


fern die Vorstellung durch ihren Stoff auf daf
felbe bezogen wird - Ding an fich , in wiefern
es als dasienige gedacht wird , dem der blofse
Stoff der Vorstellung angehört..

§. 13.

Kein Gegenstand ift als Ding an fich vor


ftellbar,

S. 14.

Die Verwechſelung des vorgeſtellten Ob


jekts mit dem Dinge an fich , oder die Uebertra,
gung der Form der Vorftellung von dem Vor
ftellbaren auf das Nichtvorstellbare , ift unver,
meidlich ; fo lange man nicht dasienige , was an
den vorgeſtellten oder vorftellbaren Gegenftän
den dem Vorftellungsvermögen angehört , oder ,
welches eben fa viel heifst , fo lange man die
For

i
1 108

Formen der blofsen Vorftellungen nicht als fol


che entdeckt und erkannt hat.

ļ §. 15.
In der blofsen Vorftellung ist1 der Stoff dem
.
Subiekte gegeben, und die Form von demfelben
hervorgebracht.

§. 16.

1 Das Vorftellungsvermögen beſteht alſo aus


zwey wefentlich verfchiedenen , und wefentlich

vereinigten Beftandtheilen ; erftens aus Recepti


vität , worunter das Vermögen , den Stoff zu ei
ner Vorstellung zu empfangen , zweytens aus
Spontaneität , worunter das Vermögen an dem
Stoff die Form der Vorftellung hervorzubringen ,
verftanden wird.

§. 17 .

Da die Form der Vorftellung nur an dem

gegebenen Stoffe hervorgebracht werden kann ;


der Stoff aber fich nur in fofern geben läfst, als
das Vorftellende Empfänglichkeit für denfelben
hat ; fo hängt die Form , welche der Stoff im
Gemüthe erhält , eben fowohl von den Recepti

vität , als von der Spontaneität ab ; und diefe


kann bey der Hervorbringung der Form nur
der Befchaffenheit von iener gemäss wirken.

§. 18.
109

§. 18.

Wenn die Unterfcheidung des Vorftellen


den und Vorgestellten durch die Vorſtellung im
Bewufstfeyn möglich feyn foll , fo mufs der Stoff

der Vorstellung ein Mannigfaltiges , und


die Form der Vorftellung Einheit des Man
nigfaltigen feyn.

§. 19.

Die Receptivität beſteht in dem Vermögen,


ein Mannigfaltiges zu empfangen , und die im
Vorftellungsvermögen beftimmte Mannigfaltig
keit des Stoffes , in wiefern ' er nur als ein fol
cher empfangen werden kann , heifst die Form
der Receptivität , und macht die Natur derfel
ben als eines Beftandtheils des Vorftellungsvers
mögens aus.
4

§. 20.

Die Spontaneität beſteht in dem Vermögen,


an dem gegebenen Mannigfaltigen Einheit her
vorzubringen , oder daffelbe zu verbinden. Die
im Vorftellungsvermögen beftimmte , und im
Verbinden bestehende Handlungsweife heifst die
Form der Spontaneität , und macht die Natur
"
derfelben , als eines Beftandtheils des Vorftel.

lungsvermögens , aus,

S. 21.
110

§. 21 .

Die Formen der Receptivität und Sponta


neität find in dem vorstellenden Subiekte in und

mit dem Vorftellungsvermögen , deffen Natur


fie ausmachen ,, gegeben , und folglich vor aller
Vorftellung vorhanden .

§. 22.

Die Veränderung , welche in dem Subiekte

dadurch vorgeht , dafs der Receptivität deſſelben


ein Stoff gegeben wird , heifst Afficiert werden ,
und die Handlung , wodurch der Stoff gegeben
wird , Afficieren.

§. 23 .
Der Stoff heifst fubiektiv beftimmt, in wie
fern er durch die Form der Receptivität ; er
heifst obiektiv beſtimmt , in wiefern er durch
das Obiekt , dem er in der Vorftellung korre
fpondirt, bestimmt iſt.

§. 24.
Der Stoff wird durch das Afficiertwer ,

den bestimmt , in wiefern feine obiektive Be


fchaffenheit in der Receptivität lediglich vom
Afficiert werden abhängt ; er wird durch Afficiert
werden gegeben , wiefern fein bloises Vorhan
denfeyn als Stoff in der Réceptivität vom Af
ficiertwerden abhängt.

$. 25 .

1
T
!

111

§. 25.

Der Stoff, der nicht nur in Rücklicht auf


f fein Vorhandenfeyn in der Receptivität als Stoff,
fondern auch in Rückficht auf feine obiektive
Befchaffenheit, durchs Afficiertwerden beftimmt
ift , heifst der empirifche Stoff, und die Vorftel
#
lung , die aus ihm entstanden ist , eine empi
rifche Vorftellung.
8

§. 26.

Der Stoff a pofteriori heifst der fubiektive,


in wiefern er feiner Befchaffenheit nach , durch
ein Afficiertwerden von Innen ( durch eine

Handlung 7 des feine Receptivität afficierenden


B
Subiekts ) ; der obiektive , in wiefern er durch
ein Afficiertwerden von Aufsen . ( durch etwas
vom Subiekte verfchiedenes ) beftimmt ift.

§. 27.

Der Stoff, der in Rückficht feiner obiek


tiven Befchaffenheit in dem Subiekte durch kein
Afficiertwerden , fondern durchs Vorftellungs
vermögen , und nur in Rückficht auf fein Vor

handenfeyn in der Receptivität als Stoff durch


Afficiertwerden von Innen bestimmt ift , heifst

der reine ( a priori bestimmte ) Stoff, und die


aus ihm entstandenen Vorftellungen , welche
die Formen der Vorftellungen zu ihren Gegen
ftänden
112

ftänden haben , heifsen reine Vorftellungen,


øder Vorftellungen a priori,

§. 28.

Durch die Formen der Receptivität und


Spontaneität ift die Form der Vorftellung über
haupt ,und durch diefe ift das Merkmal aller
Gegenflände , in wiefern fie vorftellbar find , a
priori bestimmt ; ein Merkmal, das in fofern ein
nothwendiges und allgemeines Merkmal alles
Vorftellbaren iſt.

Theorie des Bewußtseyns.

§. 29.

57Das Bewufstfeyn überhaupt beſteht im Be


zogenwerden der Vorftellung durch das Subiekt
auf Obiekt und Subiekt , und ift von der Vor
ftellung überhaupt unzertrennlich.

In wiefern ieder der drey wefentlichen Be


ftandtheile des Bewufstfeyns überhaupt , befon
700
ders vor , ftellt , und in fofern Obiekt eines be
fondern Bewufstfeyn werden kann , in fofern
giebt es drey Arten des Bewufstſeyns :

1. Bewufstfeyn der Vorftellung ,


bey welchem eine im Bewufstfeyn wirkliche
und befondere Vorstellung vorgeftellt wird.

2. Bewufstfeyn des Vorftellenden ,


Selbstbewusst feyn , bey welchem das Sub
iekt
113

iekt des Bewufstfeyns, in wiefern es das Vorftel


lende iſt , zum Obiekt einer befondern Vorftel
lung und durch diefelbe eines befondern Re
wufstfeyns wird, durch welches man fich feiner
felbft , feines Ichs bewufst ift.

3. Bewufstfeyn des Vorgeftellten ,


bey welchem ein Obiekt des Bewufstfeyns, das
ein blofses Obiekt , und folglich weder
Vorstellung noch das Subiekt ift , zum Obiekt ·
3
einer befondern Vorstellung und durch diefelbe
eines befondern Bewufstfeyns wird durch wel
ches man fich des Obiektes , in wiefern es ein
1
Vorgestelltes ift , bewust ift , wobey alfo das
fchon Vorgestellte , durch eine neue Vorftellung
als ein folches vorgestellt werden muss.

§. 30.

Das Bewufstſeyn überhaupt heifst klar ,


in wiefern es Bewufstfeyn der Vorstellung ist.

1 1. Das Bewufstfeyn der Vorstellung ist


klar , in wiefern es blofses Bewusstfeyn der
Vorstellung ist.

2. Das Selbstbewufstfeyn ift klar , in wie


fern es von dem Bewufstfeyn der Vorftel
J
lung , durch welche das Subiekt als das Vor
ftellende vorgestellt wird , begleitet ist.
3
3. Das Bewufstfeyn des Vorgestellten ist klar,
< in wiefern es von dem Bewusstleyn der Vor
L H Atellung
114

ftellung , durch welche das Vorgeſtellte vor


1
geftellt wird, begleitet ift.

§. 31.

Das Bewufstfeyn überhaupt heifst


deutlich , in wiefern es Bewufstſeyn des Vor
ftellenden als eines folchen, Selbstbewusstſeyn iſt.

I. Das Selbstbewuſstſeyn ift deutlich, in wiefern


es blofses Selbstbewuſstſeyn iſt.

2. Das Bewufstfeyn der Vorftellung und

3. das Bewufstfeyn des Vorgeftellten find deut


lich , in wiefern fie vom Selbstbewusstleyn
begleitet find.

§. 32.

Das Bewufstfeyn, deffen Obiekt weder eine


blofse Vorftellung , noch das Vorftellende , fon
dern ein von beyden unterſchiedenes Vorgeſtell
tes ift , heifst Erkenntnifs.

Ich breche hier in der Aushebung der


Grundideen der Reinholdifchen Theorie ab.

Denn die angegebenen Sätze fcheinen hinläng


lich zu feyn , um nach denſelben , wiefern es in
einer Encyklopädie gefchehen muſs , zu entwi
ckeln , in welchem Sinne Herr Reinhold feine
Theorie des Vorftellungsvermögens der gefamm
ten Philofophie als Elementarlehre unterlegt,
und
115

und die Prämiffen für die Theorie der Erkennt

niſsvermögen in ihr zu finden glaubt.

Für die Prüfung diefer Grundideen ſchei


nen folgende Fragen intereffant zu feyn :

1 a ) Ift ein abfolut erfter Grundfatz aller Philo


fophie , im Sinne des Herrn Reinhold,
+
nöthig?

b ) Ift ein folcher überhaupt auch möglich, !

da unfer Bewusstleyn uns nothwendige und


allgemeine Thatfachen aufftellt , welche
fich , dem Inhalte nach , fchlechterdings
nicht auf eine Einzige zurückführen laffen ,
der Form nach aber unter denen für alle
mögliche Sätze gültigen formalen Grund
fätzen der Logik ftehen ?

c) Wenn Herr Reinhold ausdrücklich fagt,


fein abfolut erfter Grundfatz begründe un
mittelbar nur die Elementarphilofophie,
mittelbar aber die ganze übrige Philo
fophie ; wie verſteht derfelbe dieſe mit
telbare Begründung ?

d) In wiefern ift der Satz des Bewusstleyns


ein abfolut erfter Grundfatz, da er nach fei
ner Verknüpfung unter dem Satze des Wi

derfpruchs fteht ?

e) Wie kann er ein durch fich felbft beftimm

ter Satz feyn , da die darinn vorkommen.


Ha den
116.

den Wörter männigfaltiger Deutungen fä


hig find?

f) Wie kann er , nach der vorigen Hinficht,


allgemeingeltend feyn ?

g ) Drückt überhaupt der Satz des Bewufst


feyns ein für fich beftehendes unmittelbares
Faktum aus ?

h) Da alles Bewufstfeyn in Beziehung auf das


Vorftellungsvermögen , nur in folgenden
Thatfachen vorkommen kann : Bewulstfeyn
des Anſchauens, Bewusstleyn des Denkens,
Bewufstfeyn des vereinigten Anschauens
und Denkens , oder des Erkennens , Be
wufstfeyn des Begreifens ; -VEPAD kann Bewufst

feyn der Vorftellung wohl irgend als That


fache vorkommen ?

Ift der ganze Satz des Bewufstfſeyns über


haupt nicht eine blofse Abftraktion von
denen Sätzen, welche die befondern wirk
lichen Thatfachen ieder fpezifiſchen Art
des Bewusstleyns ausdrücken ?

k) Können wohl Vorftellung und Vorftel


lungsvermögen im Bewufstfeyn anders,
denn als allgemeine abftrahirte Gattungs
begriffe vorkommen ?

{ 1 ) Sind die Merkmale , nach welchen Herr


Reinhold die Begriffe des Vorstellungsver
mögens
117

mögens, der Vorftellung ; des Obiekts und


Subiekts beſtimmt , nicht, fämmtlich durch

Abstraktion gefunden ? Kann Er mit Recht


fagen , dafs fie unmittelbar aus dem 1 Be
wufstfeyn quillen ?

m ) Entwickelt Herr Reinhold nicht aus dem


Begriffe der Vorftellung mehr, als, feiner
Natur nach , darinn liegen kann ?

n )* Wenn die Theorie des Vorftellungsvermů


1
gens keinesweges auf einer wirklich un
mittelbar gegebenen Thatfache des Bewufst
feyns ruht , die Theorie des Erkenntnifs .
vermögens aber nichts weiter voraussetzt,
als die befondern wirklich unmittelbar ge

gebenen Thatfachen des menfchlichen An


ſchauens, Denkens und Begreifens , fo wie
iede derfelben im Bewufstfeyn vorkommt ;
--- wie kann die Theorie des Vorstellungs
vermögens die Prämiffen für die Theorie
des Erkenntnifsvermögens enthalten ?

o) Ift nicht die Theorie des Erkenntnifsver


mögens vollkommen begründet , wenn fie
ruht auf den befondern Thatfachen , des
Bewufstfeyns einer durch urfprüngliche Fog
men beftimmten Sinnlichkeit, des Bewufst
feyns eines durch urfprüngliche Begriffe
und Grundfätze beftimmten Verftandes,
und des Bewufstfeyns einer durch höchfte
Prin
118

Prinzipien beftimmten Vernunft ? Ift fie


dann noch einer höhern Deduktion fähig?

p ) Hat man fich in diefen Hinfichten des


Geſtändniffes zu ſchämen : dafs Kant in der
Begründung der Theorie des Erkenntnifs
vermögens die äufserfte Gränze erreicht
hat , über welche man zu gehn , fich ledi
glich nur in einem falfchen Wahne ein
bilden kann ?
L
Ich ſetze dieſe Fragen nur als eben fo viel
Winke zum Nachdenken über die Reinholdifche
Theorie her , indem ich zugleich geftehe , dafs
ich über mehrere Punkte , worauf es dabey an
"
kommt , noch zu wenig einig mit mir felbft
bin , um über das Ganze entfcheiden zu können,
oder zu wollen,

Zweyter Abſchnitt.

Weber die Theorie des Denkens ,


Xoder

die Logik.

S. I.

Ieder Mensch ift fich bewußt , daß er in seinem


Gemüthe eine Mannigfaltigkeit von Erkenntniſſen
befitzt , welche in Rückſicht ihrer Abhängigkeit von
nothwendigen , unabänderlichen Geſetzen, ein System
ausmacht.
Er .
119

Erkenntnifs ift die Vorftellung eines be


ftimmten Gegenstandes , den man von fich und
feiner Vorftellung dadurch unterſcheidet , dafs
man fich bewufst ift deffen , was einer Seits die

finnliche Empfänglichkeit , andrer Seits der Ver


ftand zu Bildung derfelben Vorftellung beyge
tragen haben. „ In der Erkenntnifs , fagt
Herr Reinhold : wird der vorgeftellte Ge
genstand fowohl von der vorgestellten
Vorstellung, als auch von den vorge
ftellten Vorftellenden unterfchie
den . - Zum Bewufstfeyn des Gegen
ftandes als eines folchen , und folglich
auch zur Erkenntnifs überhaupt , ge
hören zwey verfchiedene Vorstellun
gen ; die Eine , welche unmittelbar auf
den blofsen Gegenstand bezogen wird,
und Anfchauung , und die Andre , wel
che mittelbar (vermittelt der Erften )
auf den blofsen Gegenftand bezogen

wird , und Begriff heifst.

§. 2.

Der Mensch weiß durch fein bloßes Bewußt


feyn , daß Erkenntnisse für ihn nur durch Zufam
menwirkung zweyer Vermögen entstehen können,
eines leidentlichen , welches Eindrücke von den Din
gen felbft , Stoffe zur Vorstellung empfange, und
eines felbftthätigen , deffen allgemeine Funktion dar
inn
120

inn bestehe , ienen Stoffen Form zu Vorftellung be


fimmter Gegenstände und den mannigfaltigen Vor
ftellungen Einbeit und Zusammenhang zu geben,

§. 3+
Die durch die finnliche Empfänglichkeit über.
kommenen Stoffe können zu Vorstellung beftimmter
Gegenft.nde nur dadurch Form bekommen , daß Be
griffe auf fie angewendet werden. Einheit und Zu

Sammenhang unter den mannigfaltigen Vorstellungen


von Gegenständen ist ebenfalls nur durch Begriffe
möglich.

Ein Begriff ist eine Vorstellung , welche


gemeinfame Merkmale befafst, nach welchen man
einer gewiffen Mannigfaltigkeit von Stoffen zur
Vorstellung die Form beftimmter Gegenstände
1
ertheilen kann , oder eine Vorftellung , die
den Grund möglicher Einheit der Merkmale für
eine Mannigfaltigkeit von Obiekten der Vorftel.
lung enthält.

Die Begriffe find entweder rein , oder


erfahrungsmäfsig ( empirifch ) ; rein find
Begriffe , wenn fie nach Form und Inhalt nur
durch urfprüngliche Grundlagen unferer geifti
gen Vermögen möglich find ; erfahrungs
mäfsig find.Begriffe , wenn der Inhalt der
felben Erfahrung als nothwendige Bedingung

feiner Möglichkeit vorausfezt, Der reinen Be


griffe
121

griffe können wir uns nur als foleher , welche da


find, und uns durch unfre eigne unveränderliche
Natur aufgedrungen werden , bewusst feyn ; die
erfahrungsmässigen können wir uns bewufst
A
werden , felbft bewirkt zu haben. Die Bewir-1
kung erfahrungsmäfsiger Begriffe aber ift
ohne den Einfluss reiner Begriffe nicht mög
lich , wodurch die Form eines jeden Begriffes
überhaupt beſtimmet wird .

§. 4+

Einen Gegenstand vermittelt eines Begriffs


vorstellen , heißt im Allgemeinen Denken. Alle

Erkenntniß alfo fetzt Denken voraus. Ehe wir

unfere Erkenntniffe von irgend einer andern Seite


prüfen können, müffen wir vorber beurtheilen , ob
Richtigkeit des Denkens in ihnen ist,

Die Vorftellung eines Gegenftandes , ver


mittelft eines Begriffs , ift ein Urtheil. Eine
Verbindung von Urtheilen , aus welcher die
Nothwendigkeit folgt , dafs ein gewiffer Gegen
ftand , vermittelft eines Begriffs , auf beftimm
te Weife vorgeftellt werden müſſe , heist ein
Schlufs. Unerachtet man durch die Ausdrü
cke Verftand und Vernunft fehr oft , das
Vermögen alles Denkens in Urtheilen und Schlüf
4
fen bezeichnet , fo beftimmt man doch fehr paf
fend den Verftand als das Vermögen einzelner
Ur
122

Urtheile , die Vernunft als das Vermögen


der Schlüffe .

§. 5.

Die Logik ift die Wiffenfchaft der aus den ur


Sprünglichen Gefetzen des Verftandes und der Ver
nunft abgeleiteten Regeln des Denkens.

་ §. 6.

Die Logik kann in zwiefacher Abficht unter


nommen werden , entweder als Logik des allgemei
1 nen oder des befondern Verftandesgebrauchs. Die

erfte enthält die Schlechthin nothwendigen Regeln


des Denkens , ohne welche gar kein Gebrauch des
Verftandes ftatt findet , und geht also auf diefen,
unangefehen der Verfchiedenheit der Gegenstande,
auf welche er gerichtet feyn mag. Die Logik des
befondern Verftandesgebrauchs enthält die Regeln,
über eine gewiffe Art von Gegenstanden richtig zu
denken. Iene kann man die Elementarlogik nennen,

diefe aber das Organon diefer oder iener Wiffenfchaft.


Die allgemeine Logik ift entweder die reine , oder
die angewandte Logik. In der erstern abftrahiren
wir von allen empirifchen Bedingungen , unter de
nen unser Verstand ausgeübt wird, z. B. vom Ein.
fluß der Sinne , vom Spiel der Einbildung , den Ge .
fetzen des Gedächtniffes, der Macht der Gewohnheit,
der Neigung , u. f. w. mithin auch von den Quellen
der Vorurtheile , in überhaupt von allen Urfa
chen,
123

chen, daraus uns gewiffe Erkenntniffe entspringen,


oder untergefchoben werden mogen. Angewandt
wird die allgemeine reine Logik , wenn fie auf die
Regeln des Gebrauchs des Verftandes unter fubiek
tiven empirischen Bedingungen gerichtet ift.

§. 7.

Die Abfonderung der allgemeinen reinen Lo


gik von den angewandten hat ihre großen Vortheile.
Indeffen läßt fich auch unstreitig viel Empfehlendes
für den vereinigten Vortrag von beydèn ſagen.

S.
§. 8.

Die reine allgemeine Logik ftellt alſo ohne alle


Hinficht auf die Gegenstände des Denkens , und die
äußern ( ausser dem Verftande und der Vernunft
liegenden) Bedingungen und Verbaltniffe des menfch
lichen Denkens, die nothwendige allgemeine Form dès
bloßen Denkens überhaupt dar.

§. 9.

·Der oberste Grundsatz diefer Wiffenfchaft ift:


Die Merkmale eines Gegenstandes müſſen fich durch
die ihnen entsprechenden Vorstellungen verbinden
PS
laffen ; ein Satz , von welchem der gewöhnlich foge-.
nannte Satz des Widerspruchs : ( principium con
tradictionis ) Keinem Gegenstande kommen wider
fprechende Merkmale zu , und der sogenannte Satz

der Einstimmung: ( principium identitatis ) Ieder


Gegen.
124

Gegenstand ftimmt mit fich felbft überein , zunächſt


abbängen,

§. 10.
Man theilt die reine allgemeine Logik wieder
in die Elementarlehre der Logik , welche die in den
urfprünglichen Gefetzen des Verftandes und der Ver
1
nunft felbft gegründeten Regeln alles Denkens ent
wickelt, und die Methodenlehre der Logik , welche die
Art und Weife zeigt , wie durch Anwendung iener,
Regeln unfre Vorftellungen ein Ganzes ausmachen,
in welchem Einheit und gesetzmäßiger Zusammen

bang berrfcht, oder wie unfer Verftand Wiſſenſchaft,


fyftematische Erkenntniß , in Rücksicht der Form
bervorbringe.

S. II.
Die Elementarlehre der Logik betrachtet zucrft
die Vermogen felbft , vermittelst welcher wir denken,
den Verftand und die Vernunft , betrachtet fie aber
auch blofs , wiefern wir vermittelft ihrer denken ;
dann handelt fie von den Begriffen, wiefern durch fie
in Urtheilen und Schlüffen gedacht wird , dann ftellt
fie die Form der Urtheile dar , nach allen Momenten,
nach welchen ein Gegenstand des Denkens beym voll
kommenen Denken beftimmt werden muß, endlich
entwickelt fie die Form der Vernunftfchlüffe nach
allen möglichen Arten , durch Verbindungen mehre
rer Urtheile, die nothwendige Wahrheit eines bestimm
ten Urtheils darzuthun ,
Um
125

Umständlichere Erläuterung davon bleibt.


dem Vortrage aufbehalten,

S. 12.
Wenn die Methodenlehre der Logik dieienigen
*
in der Natur des Verftandes und der Vernunft ge
gründeten Mittel angiebt , durch welche die gefetz-.
mäßige Zuſammen - Neben und Unterordnung unf
rer Vorstellungen bewirkt und befördert wird, fo
handelt fie von der Erklärung , Eintheilung , Be
1 * weifen u. f. w. in Rücksicht ihrer in der Natur 'des

Verftandes und der Vernunft gegründeten Form.

Umständlichere Erläuterung davon bleibt


dem Vortrage aufbehalten.

$. 13.
Das ganze Gefchäft der Elementarlehre der

Logik beruht auf Zergliederung der im Bewußtfejn


des Menfchen enthaltenen und verknüpften Vorftela
lungen.

$. 14.
Alle Sätze der Logik , welche durch diefe Zer
gliederung gefunden werden , und die Form des

Denkens darftellen , find von apodiktifcher Gewiß


beit.

§. 15 .
Betrachtet man die Logik nach dem feſtgeſetz
ren Gefichtspunkte, fo begreift man fehr leicht :
a) daß
126

a) daß fie nicht Grundwiſſenſchaft für die gefamm


te Philofophie nach Inhalt und Form ift ; b ) daß fie
uns keinesweges die fämmtlichen ursprünglichen
Grundlagen der Möglichkeit unfrer Erkenntniffe dar
ftellt'; c ) daß fie kein Organon der Erfindung fach
licher Wahrheiten ſeyn kann ; d ) daß fie blos die
Kriterien der formalen Wahrheit in unfern Gedan.
ken und Gedankenverbindungen angiebt.

Schriften über die Logik.

Schriften über die Natur und Ge


fchichte der Logik überhaupt :

1. Petr. Gaffendi de origine et varietate Lo


gicae liber unus.

2. Ger. Io . Voffii de natura et conftitutione

Logicae et Rhetoricae libri II. Hagae 1658.4.

3. Io. Ge. Walch hiftoria Logicae, in Parergis


eius academicis , ex hiftoriarum et antiquita
tis monumentis collectis. Lipf. 1721. 8.

4. Daries Meditationes in Logicas Veterum ,


Viae ad veritatem , ed. 2. Ien. 1764 .

Diejenigen Schriftsteller , welche die Er


kenntnifskräfte des Menfchen überhaupt zum

Gegenſtande ihrer Behandlung gemacht haben,


find natürlich auch für das Studium der Logik

von Wichtigkeit:

1. Ren .
127

1. Ren. Des Cartes diff. de methodo recte


regendae rationis , et veritatis in fcientiis in

1 veftigandae. Gallice 1657. Amftel. 4. et la


tine recuf. 1685. ibid. 4. Eiusd . Principio
rum philofophiae P. I. Com Ejusd. Meditatt. de
prima philofophia. Amftel. 1650. 4.

De la recherche de la verité , p. Nic. Ma


lebranche Ed. 4. à Paris 1688. 2. Tomes,

12. -- Deutſch mit Anmerkungen, Halle 1776.


u. f. 4. B. 8.

3. B. de Spino tza tractatus de emendatione


- Deutfch , von
intellectus, in Opp . Pofth.
Ewald.

4. Effay concerning human underſtanding , in


four Books. By Iohn Looke. Edit . 9.
London 1720. 2. Vol. 8. S Deutſch mit An

merkungen von H. E. Poley, Altenburg 1754.

4. Franzöfifch. fünfte Auflage. Amfter


dam 175 0.4: Lateinifch, Leipzig 1741.8.
‫در‬
5. Oeuvres philofophiques latines et francaifes
de feu Mr. de Leibnitz, tirées de fes ma
nuſcripts, qui fe confervent dans la bibliothe

que Royale à Hannovre , et publiées par Raf


pe , avec une preface de Mr. Käftner. A. Am

fterdam et à Leipzig , 1765. 4 .


6. Pfychologia empirica , Methodo fcientifica
pertractata , qua ea , quae de anima humana

indubia experientiae fide conftant , continen


tur,
128

tur, et adfolidam univerfae philofophiae practi


cae ac theologiae naturalis tractationem, via
fternitur. Auctore Chrift. Wolfio. Fran
cof. et Lipf. 1732. 4.

7. Hartley's Theory of the human mind, on


the principle of the affociation of ideas ; with
effays relating to the fubject of it. By Iofeph
ww
Priestley. London, 1775. 8.

8. ( la Mettrie ) hiftoire naturelle de l'ame,


traduite de l'Anglais de Mr. Charp ; par feu
M. H ** A la Haye 1745. 8.

9. Effai fur l' Origine des connaiffances humai


nes, par Mr. l'Abbé Condillac , à Amfter
dam 1746. 2. T. 12.

10. Philofophical effays concerning human un


derſtanding. By the Author of the Effays mo
ral and political , (David Hume) London ,
1748. 12. ―――――― Deutfch, mit Anmerkk. von I.
G. Sulzer. Hamburg 1755. 8.

II. Nouvelle theorie de l'homme, Spectacle des


Efprits , des Characteres et des Vertus. A

Avignon , 1753. 3. T. 8.

12. Traité des Senfations. Par Mr. l'Abbé


Condillac. A Londres 1754. 2. Tomes. 12 .

13. Medecine de l'Efprit , ou l'on traite des


difpofitions et des caufes phyfiques , qui en
confequence de l'union avec le corps influent
fur
129

fur les operations de l' efprit ; et des moyens


â de maintenir fes operations dans un bon etat
ou de les corriger , quand elles font vicieux,
ParAntoine le Camus. A Paris 1753 .

2. T. 12.

14. La Phyfique de l'ame , par Mr. Godart.


A Berlin 1755. 8 .

15. Effai de Pfychologie , ou confiderations fur


!
les Operations de l'Ame , fur l'habitude, et
6 fur l'education. Auxquelles on a ajouté des

principes philofophiques fur la cauſe premiere


et fur fon effet. A Londres 1755. 8.

Deutſch , unter dem Titel : des Herrn Karl

Bonnets pfychologiſcher Verfuch , als eine


Einleitung zu feinen philofophifchen Schrif
ten. Mit Anmerkungen , von C. W. Dohm
Lemgo 1773. 8.

16. Effai analytique fur les facultés de l'Ame,


par Charles Bonnet. Ed . ill. à Copenha
gue et à Genere , 1776. 2. T. 8. ------ Deutſch,
mit Zufätzen von Ch. G. Schütz, Bremen
1770. 2. Th .

17. De l' Esprit , par Mr. Helvetius , à Paris
1758. 3. T. 8.

18. Ebendeffelben : de l'homme , de fes


facultés intellectuelles et de fon education.
Ouvrage pofthume de Mr. Helvetius. A
5 1 Lon
130

Londres 1773. 2. T. 8. L Deutſch , Brefs

lau 1772. 2. B. 8.

19. Inquiry into the human mind , on the prin


ciple of common fenfe. By Th . Reid. Ed . II.

Edinb. 1765. 8.

20. Ebendeff. Effays on the intellectual Po

wersof Man. London 1785 .

21. Erfahrungen und Unterfuchungen über den


Menfchen von Karl Franz von Irwing,
Berlin 1777 - 1779. 3. B. 8.

22. Philofophifche Verfuche über die menfch

liche Natur, und ihre Entwickelung , vonIoh.


Nik. Tetens. Leipzig , 1777. 2. B. 8.

23. Unterfuchungen über den Menfchen von

Dieterich Tiedemann . Leipzig 1777.


2. Th. 8 .

24. Pfychologifche Verfuche , ein Beytrag zur


efoteriſchen Logik. Frankf. u. Leipzig 1777.8 .
$
25. I. Kant Kritik der reinen Vernunft. Riga,
1781. Zweyte Aufl . 1787. Dritte Aufl . 1790 .

a6. Meiners Grundrifs der Seelenlehre, Lem

go 1786.

27. (Wezels) Verfuch über die Kenntnifs des


Menfchen. Erster Theil, Leipzig 1784. Zwey.
ter Theil 1785 .

28.
131

28. Ueber den Menfchen nach den hauptfäch


lichſten Anlagen in feiner Natur, v. I. G. Steeb.
Tübingen. 1785. 3. B.

29. I. E. Abels Einleitung in die Seelenlehre,


Stuttg. 1786.

30. Ebendeff. Unterfuchung der Quellen der


menſchlichen Vorftellungen . Stuttgard 1780.

31. K. L. Reinhold Theorie des menfchlichen

Vorftellungsvermögens . Iena 1790. 8 .

32. Empirifche Pfychologie von C. Ch.


E. Schmidt. Iena 1791.

33. E. Plattners neue Anthropologie für


Aerzte und Weltweife, Erfter Theil, Leipzig
1791. 8.

34. Ebendeff. philofophifche Aphorifmen .


1. Theil , dritte Aufl . Leipzig , 1793 .

Verfaffer von wirklichen Theorien des Denkens oder


Logiken :

Unter den Alten nennt man mit Recht den


Ariftoteles als Vater der wiffenfchaftlichen Theo
rie des Denkens :

1. Ariftotelis Opera omnia graece et latine , do


&iffimorum virorum interpretatione et notis
emendatiffima, et nunc tandem in quatuor to
mos diftributa. Guil. du Vallius tertio reco.
I 2 gnovit,
132

gnovit , Synopfin analyticam adjecit , novis


difquifitionibus , notis et appendicibus illuftra
vit. Paris , 1654 , 4. T. ibid. - Eine neue
Ausgabe, durch grofse befonders kritische Vor
züge ausgezeichnet , verdanken wir dem Herrn
Buhle in Göttingen. Bereits find die bey
den erſten Theile erſchienen .

Ueber die Bemühungen der Scholaftiker


des Mittelalters für die Logik fiehe :

1. Ludov. Vives de caufis corruptarum ar


tium . in f. Werken , Bafil. 1555. 2. Tom. 8.

2. Iac, Thomafius de doctoribus fchola


fticis. Lipf. 1676. 4.

3. Adami Tribbechovii , de doctoribus



fcholafticis , et corrupta per eos divinarum
humanarumque rerum fcientia , liber fingu
laris Edit. II. Ienae. 1719. 8.

Unter den Neuern find vorzüglich merk


würdig :

I. Anton le Grand Inftitutio philofophiae


fecundum principia Renati Des - Cartes, nova
methodo adornata et explicata, ad ufum iuven
tutis academicae . Londini 1672. 4.- 1
1
2. Syſteme de la Philofophie , contenant la Lo
gique, la Metaphyfique , la Phyfique et la Mo
rale. Par Pierre Sylvain Regis. A Paris,

1690. 3. T. 4.
3. La
133

3. La Logique ou l ' Art de penſer , contenant,


outre les regles communes , plufieurs obfer
vations nouvelles , propres à former le juge
meat. Edit. VII. A Amfterdam 1699. 12 .

4. Medicina mentis, five Artis inveniendi prae


cepta generalia , auctore Tfchirnhaufen.

Ed. nova auct. Lips. 1695. 4.

5. And. Ridigeri de fenfu veri et falfi , libri IV.


Ed. alt. auct. Lips. 1722. 4..

6. La Logique , ou Système des Reflexions, qui
peuvent contribuer à la netteté et à l'etendue
de nos connaiffances . Par Mr. de Crou

faz. Ed . III. A Amfterdam 1725. 4. T. 8.


Lateiniſch, abgekürzt , unter dem Titel : I.

P. de Crofa Logicae Syftema , iuxta prin


cipia ab ipfo in gallico opere pofita , nunc la
tine confcriptum , emendatum , novis obferg
vationibus ornatum, atque etiam , ubi condu

cibile vifum eft , ad ufum fcholae paulo ple
nius accommodatum. Genevae, 1724. 2. T. 8 .

7. Philofophia rationalis , five Logica , methodo


ſcientifica pertractata , et ad ufum fcientia
(
rum atque vitae aptata. Auct. Chrift. Wol
fio. Francof. et Lips. 1728. 8.

8. Logik, or the right ufe of reafon in the en


quiry ofter truth , with a variety of rules to
guard against error in the affairs of religion and
I 3 Luman
134

human life , as well as in the fciences . By


Ifaac Watts . Edit . VI. London 1736. 8 .

9. Ebendeff. Supplement to his treatiſe of Lo


gick, containing a Variety of remarks and ru
les for the attainment and communication of

uſeful Knowledge in religion , in the ſciences


and in common life. London 1741. 8.

10. Io. Claubergii Logica vetus et nova, in


1
Opp. ej . Amftel. 1691. 4.

II. Antonii Genuenfis Elementa Artis Lo

gico Criticae. Ed . II. Neap. 1749. 8.

12. Iani di Soria Rationalis philofophiae in


ftitutiones. Amftelod . 1741. 8.
I
13. Chr. Wolf. vernünftige Gedanken von den
Kräften des menfchlichen Verftandes und ih
rem richtigen Gebrauch in Erkenntnifs der
Wahrheit . Halle , 1710. 8.

14. Eiusdem Philofophia rationalis, five Logica,


methodo fcientifica pertractata , et ad ufum
fcientiarum et vitae aptata, 1728. 4. Franc.

et Lipf. ibid. 1732. 4ir .

15. Alex. Gottl. Baumgarten Acroafis Lo


gica aucta et in fyftema redacta a Io. Gottl.
Toelnero. Halae 1765. 8.

16. A, F. Müllers Vernunftlehre in f. Einlei

tung in die philofophifchen Wiſſenſchaften .

17. I.
135

17. I. B. Reufchii Syftema Logicum antiquio


rum atque recentiorum , item propria prae
cepta exhibens . Ed. IV. len. 1760 .
t
18. Chr. Aug. Crufius Weg zur Gewissheit
undZuverlässigkeit der menfchlichen Erkennt
nifs. Leipzig 1747. 8.

19. Principes de la certitude , ou Effay fur la


Logique. A Paris 1763. 8 .

20. Sam. Chr. Hollmann Inftitutt. philos.


T. I. Logicam et Metaphyficam complectens.
Viteb. 1727. 8. novifl. ed. 1746.

21. Neues Organon, oder Gedanken über die


Erforschung und Bezeichnung des Wahren und
deffen Unterſcheidung von Irrthum uud Schein ,
durch I. H. La mbert. Leipzig 1764. 2 .
Bände, 8 .

22. Die Vernunftlehre, als eine Anweifung zum


richtigen Gebrauch der Vernunft in der Er
kenntnifs der Wahrheit , aus zwoen ganz na

1 türlichen Regeln , der Einftimmung und des


Widerspruchs hergeleitet von I. S. Reima
rus. Zw. Aufl. Hamburg 1768. 8 .

23. Inftitutiones Logicae et Metaphyficae , fcho

lae fuae fcripfit I. A. H. Ulrich. Ien. 1785.

24. Grundriss der allgemeinen Logik und kriti


fche Anfangsgründe der allgemeinen Meta
phy.
136

phyfic von L. H. Iakob. Zw. Ausg. Halle


1791.

25. Grundrifs einer reinen allgemeinen Logik


nach Kantiſchen Grundfätzen , zum Gebrauch
für Vorlesungen , begleitet mit einer weitern
Auseinanderſetzung für diejenigen , die keine
Vorlesungen darüber hören können , von I. G.
C. C. Kiefe wetter. Berlin 1791 .

Dritter Abſchnitt.

Ueber die Theorie des Erkenntnifsvermögens.

§. 1.

Wenn Erkenntnifs nichts anders ift, denn die Vor


1
ftellung eines bestimmten Gegenstandes , den man
von fich und feiner Vorftellung dadurch unterfchei
det, dafs man fich der Entstehung derfelben Vor
ftellung durch vereinigtes Wirken der finnlichen Em
pfanglichkeit und des l'erftandes bewusstift ; fo'drückt
Erkenntnifsvermögen den Inbegrif dererjenigen Ver
7
´mögen aus , ohne welche Vorstellungen jener Art
nicht erfolgen könnten.
2
§. 2.
Ulnerachtet alles Einfluſſes zufälliger Ilmſtän

de auf die befondre Erkenntniſsart jedes cinzelnen


Menfchen haben die menfchlichen Erkenntniffe eine
gemeinfchaftliche Grundform, und machen, beſtimmt
durch
137

durch diefelben Prinzipien , ein Syftem aus , welches


in jedes Menfchen Bewusstfeyn anzutreffen ist.
Vorläufige Erläuterung davon durch Entwi
ckelung des nothwendigen Einfluffes von Raum
und Zeit, den Begriffen des Verftandes, und Prin
: zipien der Vernunft auf die Form der Erkennt
niffe , bleibt dem Vortrage überlaffen.

§. 3.

Die Theorie des Erkenntnifsvermögens ift die


wiffenfchaftliche Darstellung der Gründe , durch wel
che die menfchlichen Erkenntniffe , nach ihrer ge
meinschaftlichen Grundform undfyftematischen Ver
bindung möglich find.

Meiner Ueberzeugung nach ist der beſtimm


te Begriff des Erkennens erft durch die Kan
tifche Kritik der reinen Vernunft auf
geftellt worden. 1 Man würde alfo vor Erfchei
derfelben eine wahre Theorie des Erkennt
nung
nifsvermögens vergebens fuchen . Indeffen enthält
die Kritik der reinen Vernunft felbft , noch kei
ne vollſtändige Theorie des Erkenntnifsvermö
gens , und kann es auch nach der beſondern Be
ftimmung diefes Werkes nicht.

§. 4.

Die erfte Grundbedingung der Möglichkeit alles


Erkenntniffes befieht darin , dafs der finnlichen Em
pfäng
138

Empfänglichkeit ein Stoff zur Vorstellung zukomme.


Die Theorie des Erkenntnisvermögens geht also von
der Theorie der finnlichen Empfänglichkeit aus.

Das Vermögen der finnlichen Em


pfänglichkeit mufs nicht mit den Sinnen
verwechfelt werden , wiefern fie zur phyſiſchen
Organiſation gehören. Alle Sinne würden eine
mifsige Veranſtaltung der Natur feyn , wenn
wir das innere Vermögen der finnlichen Em

pfänglichkeit nicht befäfsen , welches kein an


dres ift , als das : Stoffe zu Erkenntniffen aufzu
nehmen , durch die Art , wie wir von Gegen
ftänden afficiert werden.

§. 5.

Die finnliche Empfänglichkeit bezieht fich theils


auf die Auffendinge , theils auf die innern Zustände
unfers Gemüths; äussere finnliche Empfänglichkeit,
innere finnliche Empfänglichkeit.

§. 6.

Die finnliche Empfänglichkeit hat ursprüng.


liche Formen, nach welchen fie Stoffe zu Erkennt
L
niffen aufnimmt, und zwar fellt die aufserefinnliche
Empfänglichkeit im Raume, die innere finaliche Em
pfänglichkeit in der Zeit dar.

§. 7.
Durch die finnliche Empfänglichkeit find blofe

Anfckauungen möglich , Vorftellungen eines unmit


telbar
139

telbar gegebenen Mannigfaltigen , welches keine an


dere Verbindung hat , als die des Nebeneinander
feyns im Raum , oder der Aufeinanderfolge in der
Zeit.

Man findet vor Kant viele intereffante


Schriften über die Sinne , aber keine wahrhaft

philofophifche Unterfuchung des Vermögens


der finnlichen Empfänglichkeit.

Ueber die Sinne :

1. Condillac traité des fenfations , London,


1754. 2. T. 12 .

2. Traité de l'exiftence , de la nature et des

proprietés du fluide des nerfs dans le mouve


ment mufculaire, par Mr. le Cat. A Berlin,
1765. 8.

3. Ebendeffelben Traité des fenfations et des


paffions en general et des fens en particulier.
A Paris, 1767. 2. Tomes 8.

19
4. Differtazione fificologico morale fopra i
R fenfi , di Vincenzo Ricci. Brefc. 1762. 4.

3. Caietani Poor Theoria fenfuum , cum "


propriis tum probatiffimis noftrae aetatis phi
lofophorum rationibus et experimentis illu
ftrata et confirmata, c. 2. tabb . Peftini 1781. 8.

6. Explication mechanique et phyſique des fon


Etions de l'ame fenfitive , par Mr. Lamy.
A Paris, 1683, 8.

K 7. Die
140

7. Die bereits angeführten pfychologiſchen Wer


ke von Bonnet , Tetens , Tiedemann,
Irwing , Platner u. a.

Ueber den Gefichtsfinn , welcher für die

Erkenntnifs des Menfchen von der grössten


Wichtigkeit ift :

1. Nouvelle theorie de la vifion , im Alciphron,


ou le petit philofophe, en fept dialogues. A
la Haye, 1734. 2. Tomes 8.

2. Ioh. Gottfr. Zinn Defcriptio anatomica


oculi humani. Göttingae, 1755. 4.

3. A Treatise on the eye and the manner and


phenomene of vifion. By William Potter
field. Edimb. 1759. 2. Vol. 8 .

4. The hiftory and prefent ftate of difcoveries


relating to vifion , light , and colours . By
Iof. Priestley. London, 1772. 2. Vol. 4. -
Deutſch , mit Anmerkk. und Zufätzen , von

Georg Simon Klügel. Leipzig, 1776. 2 Thelle


in 4.

Ueber den innern Sinn :

1. I. G. Feder de fenfu interno.

2. (M. I. Schmidt) Gefchichte des Selbstge


fühls . Frankf. und Leipz. 1772. 8.

Die erfte wahrhaft fo zu nennende Theorie

der finnlichen Empfänglichkeit findet fich in:

t. L.
141

1. I. Kants Kritikder reinen Vernunft. Trans


fcend. Elementarl . Erfter Theil. Transfcen
dent. Aeſthetik.

Vortrefliche Erläuterung und Rechtferti


gung derfelben :

2. Prüfung der Kantifchen Kritik der


reinen Vernunft von Iohann Schulz,
1. Th. Königsberg , 1789. 2. Th. ebendaf
1792. 8. .

Nächst diefem :

3. F. G. Born Anfangsgründe der Sinnenlehre.


Leipzig, 1789. 8.

4. Ebende . Verfuch über die ursprünglichen


Grundlagen der menfchlichen Erkenntnifs.
Leipzig , 1791. 8.

5. Schaumann über die transfcendentale


Aeſthetik , ¡Halle , 1790.8 .

§. 8.

Aus den blofsen Anschauungen der Sinnlich


keit können nur dadurch Erkenntniffe werden , daßs .

der Verftand fie durch Begriffe denke. nd zwar


muf's fie der Verftand, wenn Vorstellungen bestimm
ter Gegenstände erfolgen follen , zuvörderft nach fei
nen erfprünglichen reinen Begriffen denken,

Alle weitere Bestimmung eines Gegenftan


des einer Vorſtellung, fetzt die Vorstellung eines
K a
Ge
142

Gegenstandes überhaupt voraus. Wenn

ich mir z. B. irgend einen individuellen Baum,


als beſtimmten Gegenftand, vorfteilen foll , fo
mufs ich ihn zuvörderft nach allen denen Merk

malen denken , welche einem Gegenstande , als


Gegenſtande überhaupt zukommen .

Die Vorstellung eines Gegenstandes


überhaupt ift nur dadurch möglich , dafs der
Verftand feine urfprünglichen Denkbegriffe auf
die Formen der Sinnlichkeit , Raum und Zeit

anwende .

Da ein jeder Gegenstand , welcher erkannt


werden foll , unter den Formen der Sinnlichkeit

und denen darauf angewendeten Begriffen des


Verſtandes ſteht , fo giebt es Grundfätze , wel
che die allgemeine Form unferer Vorftellung der
Natur ausdrücken, d. h. der Gegenstände finn
licher Gewahrnehmung in nothwendigem fich

gleich bleibenden Zuſammenhange .

§. 9.

Die Vernunft hat keine unmittelbare Beziehung


auf die blofsen finnlichen Anschauungen , fondern
fetzt allezeit wahre gebildete Urtheile des Verftandes
voraus. So wie der Verftand uns Anfchauungen
verstehen lehrt, fo macht die Vernunft das Begrei
fen möglich, indem fie die Bedingung der Wahr
beit
143

heit eines Erkenntnifsurtheils in einem höhern, durch


1
welches es bedingt ist , darstellt.

Die umständliche Erläuterung diefes und


der vorigen Sätze bleibt dem Vortrage über
laffen.

§. 10.

Allgemeine Refultate der Theorie des Erkennt


1
nißvermogens find: a) das menfchliche Erkennen ift
nicht dem Zufalle überlaffen , fondern ruht auf ur.
Sprünglichen unwandelbaren Bestimmungen ; b) dieſe
find die Formen der Sinnlichkeit , die Begriffe und
Grundfätze des Verftandes ; c) der Mensch kann nur
in Gemäßheit dieſer Formen , Begriffe und Grund
JK.
fätze erkennen ; und dasienige, aufwas fichdiese nicht
zugleich anwenden laffen , ist kein Gegenstand des
menfchlichen Erkenntniffes ; d) die Dinge an fich
find auf dem Wege der Erfahrung durch Sinne und
Verftand nicht erkennbar ; e) das lleberfinnliche über
haupt ift nicht erkennbar ; f) die wahre Sphäre des
menfchlichen Erkenntniffes ift die Natur.

Vierter Abſchnitt.

Elementarpbilofopbie über das Begehrungsvermögen.

h Um den richtigen Gefichtspunkt der philofo


phifchen Theorie des Begehrungsvermögens
nicht zu verfehlen , mufs man wohl bedenken ,
dafs

?
144

dafs keinesweges alle menfchliche Beftrebungen


durch Philofophie begriffen werden können ,
fondern nur dieienigen , welche von bewussten
beſtimmten Zuftänden des Vorstellungsvermö ,
gens, abhängen. Wenn ich mich nicht täusche,
zeigt fich hier die Richtigkeit der von mir auf
geftellten Definition der Philofophie auf eine auf
fallende Weife. Das Begehrungsvermögen des
Menfchen ist nur in fofern Gegenſtand der Phi
lofophie , als die urfprünglichen Geſetze für daf
Jelbe innerhalb unfers Bewufstfeyns liegen.

§. I.

Das Begehrungsvermögen ist von dem Vor


fellungs- und Gefühlvermögen wesentlich verfchie
den, obwohl es mit beyden auf das Innigfte zufam.

menhängt.

§. 24

Das Begehrungsvermögen ist das Vermo


gen, fich die Realifirung von Vorstellungen zum Ge.
genftande der Aeufserung feiner thätigen Kräfte zu
machen, das Vermögen, fich Zwecke zu fetzen.

Sehr mannigfaltig und verſchieden find die


Erklärungen vom Begehrungsvermögen.
Kant ftellt in der Vorrede zur Kritik der prak
tiſchen Vernunft folgende auf ; das Begeh
rungsvermögen ift das Vermögen ,
durch
145 1

durch feine Vorftellungen Urfacke von


der Wirklichkeit der Gegenstände die
1
fer Vorstellungen zu feyn. ( S. 16. )
Ich
geftehe , dass ich mich von der Wahrheit diefer
Erklärung nicht überzeugen kann ; fie fcheint
mir nicht fowohl den Begriff des Begehrens
felbft , als den Begriff der einem Begehren voll
$ kommen angemeffenen Aeufserung der That
kraft auszudrücken , in Beziehung auf Zwecke,
die durch Vorftellungen erreicht werden kön
pen , Allein Aeufserung der Thatkraft , ange
meffen einem Begehren , iſt nicht diefes Begeh
ren felbft , und ich fehe nicht ab , wie man
durch blofse Vorstellungen Urfache von der
Wirklichkeit der Gegenstände diefer Vorftellun
+ gen ſeyn könne. Herr Reinhold erklärt
Begehren : durch den Trieb zur Erzeugung
einer Vorftellung beftimint werden ; Begeh
rungsvermögen : das Vermögen , durch den
Trieb beftimmt zu werden . Trieb nennt er
aber das Verhältnis der vorftellenden Kraft zu
der in ihrem Vermögen a priori beſtimmten Mög
lichkeit der Vorftellung , das Verhältnifs der
Kraft zu ihrem Vermögen , des Grundes der
Wirklichkeit zum Grunde der Möglichkeit der
Vorftellung, oder zur Vorftellbarkeit. S. def
felben Grundlinien der r Theorie des

Begehrungsvermögens in der Theorie


des Vorstellungsv . S. 60. 561. G Herr
Schmid erklärt in feiner empirifchen Pfy
cho.
4

146 /

chologie S. 335 das Begehrungsvermögen fol


gendermaasfen : ein Vermögen , welches Vor
ftellungen realifirt, das heiſst, macht (? ) oder
zu machen ftrebt , dafs dasjenige wirklich wer
de, was in der Vorstellung enthalten ift.

§. 3.

Die Elementarphilofophie über das Begehrungs


vermögen hat vorzüglich folgende Obliegenbeiten:
1) fie erörtert den Begriff des Begehrens überhaupt,
nach allen denen Merkmalen , welche ihm eigen find,
undibn von den Begriffen des Vorftellens und Fühlens
unterfcheiden ; 2) fie ftellt die allgemeinen Naturge
fetze für alle menfchliche Begebrniffe überhaupt dar ;
3) fie beftimmt die fammtlichen befondern Arten von
Begehrniffen , wiefern fie von ursprünglichen Grund
lagen und Gefetzen abbängen.

§. 4
.

Die interesanteften Refultate der Elementar


philofophie über das Begehrungsvermögen find: a) iz
der menfchlichen Natur findet fich eine Stufenfolge
mannigfaltiger Arten des Begehrens, von blofs thie
rifch bestimmter Willkühr bis zu vollendeter Frey
heit und Selbstbestimmung durch Vernunft ; b) der
Menfch befitzt, (was ihn von der ganzen thieriſchen
Schöpfung am glänzendeften auszeichnet ; ) einen
Willen , d. h. das Vermögen , fich felbft , frey von
jedem Zwange, was auchfür einer determinirenden
Noth
}

147

Nothwendigkeit , zu Befolgung von Antrieben der


Sinnlichkeit , oder zur Ausübung reiner Vernunft
[ gefetze, zu beftimmen ; c) der Mensch hat nach der

urfprünglichen Verfaſſung feines gesammten Begeb


rúngsvermögens mannigfaltige Zwecke ; d) die Ver
nunft bestimmt für das menfchliche Begehrungsver
mögen einen böchften Zweck, dem alle andre unter

geordnet werden follen.


1.

Schriften über das menſchliche Begehrungsvermögen.

1. Ariftotelis Ethice ad Nicomachum


7
u. a. — Ueberſetzt von leniſch, Danzig 1791 .
+
2. Cicero de finibus bonorum et malorum, Quae
ftiones Tufcul. u . a.

3. Plutarchus de placitis Philofophorum, wo


3 T
von wir die neuefte befondre Ausgabe dem
Herrn Prof. Beck verdanken.

4. Ioh. Stobaei Eclogae phyficae et ethicae.

5. Schriften über die wichtigften moralifchen


Syfteme der Alten. Z. B. Gaffendi , Mei

ners , Kindervater u . a. über den Epiku


reiſm . Lipfius , Tiedemann über die
Stoiſche Philofophie , Reinhold über bey
de u. a.

en 6. Renati Des - Cartes de paffionibus feu affecti


en Deutſch,
bus animi , in Oper. et fepar.
01 Frankfurth 1723.

7. Bene-,
148 1

7. Benedicti de Spinotza Ethica , - in Operibus


pofthumis. Aufser einer zu Anfang diefes
Jahrhunderts mit Wolfs Widerlegung erfchie
nenen Ueberſetzung , befitzen wir noch die
von trefflichen kritischen Kommentarien be

gleitete des Herrn Ewald.

8. Laelius Peregrinus de Affectibus animi . Ar

gent. 1614. 8.

9. De l'ufage des paffions. Par François Senault.


A Paris 1668. 8.

10. De la volonté, de fes principales actions, de


paffions , et de fes egaremens. Ouvrage divi
fée en cinq parties. Par Mr. Nicole . A Paris
4 1684. 12.

11. Chr. Wolf. Philofophia praetica univer


falis. Francof, et Lipf. 1738. 2. T. 4,

12. Ebendeff, Pfychologia empirica.

13. Ebendeff. Pfychologia rationalis.

14. Ifaak Watts Lehre von den Gemüthsbe,


wegungen , oder kurzer und detlicher Un
terricht von denLeidenfchaften , deren Namen ,
Befchaffenheit u. f. w., a. d. Engl . Braun
fchweig 1750. 8.

15. l'Allemand Effai fur le mechanifme des


Paffions , à Paris 1751. 8.

16. Effay
149

16. Effay on the Nature and Conduct of Paffions


and Affections, with illuftrations on the mo
ral fenfe. By Francis Hutchefon,
Edit. IV. London 1756. 8. Deutſch, Lieg.

nitz 1760. 8.

17. Diflertation fur les penchans , qui a rem

porté le prix proposé pour l'année 1768, par


l'Academie R. de Pruffe , avec les pieces, qui
ont concouru. A Berlin 1760. 4.

18. G. F. Meyers allgemeine praktische Welt


weisheit. Halle 1764. 8.

19. Ebendeff. theoretische Lehre von den Ge


müthsbewegungen ,

20. Ch. A. Crufius Anweifung, vernünftig zu


leben , darinnen nach Erklärung der Natur
des menfchlichen Willens die natürlichen
Pflichten und allgemeinen Klugheitslehren in

richtigem Zusammenhange vorgetragen wer


den. Leipzig 1767 ,

21. L. Kochius Unterfuchung über die Nei


gungen. Berlin 1769. 4,

22. The Philofophy of the paffions demonftrat


ing their Nature , Properties , Effects , Uſe
and Abuſe. London 1771. 2. Vol . 8.

23. Garve Verfuch über die Neigungen , in


der bey Dyck erfchienenen Samml, feiner Ab

handlungen.
24. I.
1

150

24. I. G. H. Feder Unterfuchung über den


menfchlichen Willen. Göttingen und Lemgo
1779.8.

25. David Hume über die menfchliche Na


tur, a. d. Engl. v. L. H. Iakob. 2. B. 1791 .

26. E. Platners philofophifche Aphorifmen,


2ter Theil. Leipzig 1782.

27. Ebendeffelben Anthropologie für Aerzte und


Weltweife. N. A. Leipzig , 1791 .

28. I. Kant Grundlegung einer Metaphyfik


der Sitten.
"3

29. Ebendeff. Kritik der praktiſchen Vernunft.

30. I. H. Abicht über das Willensgeſchäft.


1
31 K. L. Reinhold Theorie des Vorftellungs
vermögens enthält Grundlinien einer Theorie
des Begehrungsvermögens .

32. Ebendeff. Briefe über die Kantifche Philofo-,


phie. Zweyter Theil. Leipzig 1792 .

33. C. C. Erhard Schmid empirische Pfy


chologie S. 329. enthält eine pfychologiſche
Unterfuchung über das Begehrungsvermögen.

34. C. H. Iakob Grundrifs der Erfahrungsfee


lenlehre , S. 250.

Vierter
151

Fünfter Abſchnitt.

Elementarpbilofophie über das Gefühlvermögen.

§. I.

Unter dem Gefühlvermögen verstehen wir das Ver


mögen, fich der Luft oder llnluft bewußt zu werden.

§. 2.

Luft oder Unluft können nicht nach innern


Merkmalen zergliedert und erklärt werden. In wie
fern aber mit jedem Gefühle der Luft oder Unluft
gewiffe Bedingungen oder Folgen regelmäßig zuſam
menhangen , läßt fich eine Erklärung des Gefühls
I bilden , in welcher die aufsern charakteriſtiſchen
Merkmale deffelben zufammen gefaßt find,

Eine folche Erklärung enthält alſo nichts


blofs vernünfteltes, oder hypothetisch angenom
menes , fondern besteht aus That achen. Herr
Schmid hat in feiner empirifchen Pfy
chologie S. 258. die Merkmale eines Ge

fühls überhaupt , folgendermaafsen angegeben,


wie mir ſcheint , · vollkommen richtig :

a) Ein Gefühl ift eine Beftimmung meines


Gemüthes , etwas in mir Befindliches.
Denn wenn auch eine Vorftellung damit ver
bunden ist , die auf einen äufsern Gegenstand,

z. B. auf meinen Körper hinweift , fo wird


doch diefer von der Vorftellung fowohl als
von dem Gefühl im Bewusstſeyn unterfchieden .
b. Eine
1.
"‫ض‬

-152

b) Ein Gefühl ift keine Vorftellung. Denn


1 ) nicht jede Beftimmung des Gemüths ift
eine Vorstellung ; 2 ) nicht alles , was vorge
ftellt wird , ift darum felbft eine Vorstellung ;

3 ) nicht alles , was in einer Vorftellung als


Beftandtheil vorkommt , oder vorkommen
kann, ift darum auch für fich felbft eine Vorftel
lung ; 4) was an einem Obiekt einer Vorftel
lung vorkommt, ift defshalb nicht für fich ſelbſt
Obiekt einer Vorftellung ; 5 ) was als Grund
oder Folge mit Vorftellungen zufammenhängt ,
ift nicht iedesmahl felbft eine Vorstellung ;

6) Vorstellungen müffen ein Mannigfaltiges,


Unterſcheidbares enthalten, was verknüpft ift,
fich theils aufs Gemüth, theils auf ein Obiekt
beziehen laffen.

c) Ein Gefühl ift keine bleibende Bestimmung,


fondern eine Veränderung meines Gemti
thes. Gefühle von verfchiedener Art und
Gröfse wechfeln im menfchlichen Gemüthe
mit einander ab,

d) Ein Gefühl ist eine folche Bestimmung des Ge


müthes , die mit andern Beſtimmungen def
felben zufammen genommen , ein Mannig

faltiges darbiethet , welches mit in einer Vor


ftellung enthalten feyn , und alfo in das Be-.
wufstfeyn aufgenommen werden kann. Folg
lich kann ein Gefühl der Luft oder Unluft in
Ver
153

Verbindung mit andern Gemüthsbeftimmun


gen ein Merkmal einer Vorftellung werden.
e) Ein Gefühl kann Obiekt einer Vorstellung

feyn, aber nur als Theil eines andern Obiekts,


und in Verbindung mit andern Theilen von
derfelben , oder von verfchiedener Art, nicht
für fich felbft.

f) Ein Gefühl kann niemals in der Vorstellung


eines vom Gemüthe verfchiedenen Gegenftan
des , auch nur als Merkmal vorkommen, fon
dern nur als Merkmal der Vorstellung vom

Gemüthe , nicht aber von diefem felbft , als


"
Subftanz , fondern nur von den wechſelnden
Bestimmungen oder von dem Zustande def
felben.

g) Wenn fich auch Gefühle zuweilen auf Vor


ftellungen beziehen , fo ift diefs doch nicht

die Beziehung einer Vorftellung , auf eine

andre Vorſtellung , wie beym Bewuſstſeyn ,


fondern das Gefühl bleibt immer eine Verän

derung des Gemüthes, die von derienigen fpe


zifiſch verfchieden ist , welche den Namen
einer Vorstellung im eigentlichen Sinne führt.
h) Das vornehmfte äufsere Merkmal , wodurch
Luft und Unluft unter fich , und von andern
Gemüthsbestimmungen , unterfchieden werden
.

können , ist ihr Verhältnifs


ja zum Begehrungs
3
vermögen. Mit dem Gefühle der Luft ift ein
Beftreben des Gemüthes verbunden , diefen
Zuftand der Luft zu erhalten ; das Gefühl der
Un
154

Unluft dagegen , zieht als feine Folge ein Be


ftreben des Gemüthes nach fich , diefen Zu
ftand des Gemüthes wegzufchaffen , und den
entgegengeſetzten hervorzubringen.

Nach diefen Merkmalen bildet Herr Schmid

die folgende Erklärung :

§. 3.

Ein Gefühl, (der Lüff oder Unluft) iſt eine


folche Veränderung des Gemüthes , welche, oh
ne für fich felbft eine Vorstellung zu
feyn , doch ein Merkmal einer Vorftel
lung von feinem eignen Zuſtande ab
geben kann, und zu dem Beftreben des
Gemüthes , 1 diefen Zustand zu beftim
men , d. h. ihn zu erhalten oder wegzu
fchaffen , in einem regelmässigen Ver
hältniffe fteht.

§. 4.

Wenn: über Gefühle philofophiren , nichts an


ders heißt , als: die nothwendige Verknüpfung einer

1 Luft oder Unluft mit ihrer beſtimmenden Urfacke dar


thun; ſo erhellet , daß man nicht über alle menſch
liche Gefühle philofophiren könne , fondern nur über
: einige Arten derfelben.

§. 5.

Nur über dieienigen Gefühle läßt fich philofo


phiren , im ftrengen Sinne des Wortes , welche von
gewif
551

gewiſſen Zuständen des Vorftellungsvermögens, als "

deren bestimmenden Urfachen , abhängen.

§. 6.

Die Elementarphilofophie über das Gefühlver ,


mögen hat vorzüglich folgende Obliegenheiten :
a) das Dafeyn des Gefühlvermögens , als eines vom
Vorftellungs- und Begehrungsvermögen verschiede
nen Vermögens, darzuthun ; b) den Begriff des Ge
fühls überhaupt , und dann der Luft oder llnluft, im "
Befondern , zu erörtern ; c) die allgemeinen Gefetze
für alle Gefüble , und die befondern für Luft und
Inluft , ohne Vernünfteley and hypothetische Annah
me zu entwickeln ;, d) die verschiedenen Arten der
Gefühle aus einander zu setzen.

Dies wird im Vortrage umständlich erläu


4 tert.

Intereffante Beobachtungen und Zergliede


rungen der Gefühle finden fich fchon in den
Schriften der Alten , z . B. in des Ariftoteles
ethifchen Schriften , und Poetik , des
Cicero Tuskulanen , feiner Schrift über
das höchfte Gut , mehrern Werken des Se
neka u. a. Unter den Neuern find auszu
zeichnen :

1. Renatus Cartefius befonders in dem


Werke : De Paffionibus.

2. Bened. de Spinoza in den letzten Bü

chern der Ethik in operibus pofthumis.

L 3. Chr.
156

3. Chr. Wolf in feinen pfychologiſchen und


praktiſchen Schriften.

4. Alex. Gottl. Baumgarten , in der fei


ner Metaphyfik eingefchalteten Erfahrungs
pfychologie , auch in feiner Aeſthetik.

5. David Hume in f. Werke über die menfch


liche Natur , überf. von Iakob.

6. Briefe über die Empfindungen , von Men


delsfohn. Berlin 1755. u. in d. n . A. feiner
Schriften, 1. Th.

7. I. G. Sulzer über den Urſprung der ange


nehmen und unangenehmen Empfindungen,
inf. Verm.phil. Schr. Leipzig 1773. Ebenderf.
1 in mehrern Artikeln feiner Theorie der fcho
nen Künſte.

8. I. A. Eberhard allgemeine Theorie des Den


kens und Empfindens. Ebenderf. im Amyn
tor und in mehrern Theilen feiner ver
mifchten Schriften.

9. Die Empfindungs- und Erkenntnifskraft der


menfchlichen Seele , die erftere nach ihren
Geſetzen , beide nach ihren ursprünglichen
1 Bestimmungen , nach ihren gegenseitigen Ein
fluffe auf einander, und nach ihren Beziehun
gen auf Charakter und Genie betrachtet, von
1. H. Campe. Leipzig 1726. 8 .
10. Recherches fur la faculté de fentir et fur
celle de connoitre. A Berlin 1776.8. Deutsch :
Unter
157
G

Unterfuchungen über das Empfindungs- und


Erkenntnifsvermögen. Leipzig 1787.

11. Bemerkungen über die Abſtraktion bey un


fern angenehmen und unangenehmen Empfin
dungen , als den Beftimmungsgrund ihrer
Klaffifikation von K. F. Hungar , in Cafars
Denkwürdigkeiten aus der philofophifchen
Welt, 2. 3. B.
-0
12. Verfuch über die Kenntnifs des Menfchen,
von Wezel. 1. Th. 1784. 2. Th . 1785 .

13. Ueber das menfchliche Herz , ein Beytrag


zur Charakteriſtik der Menschheit von S. H.
Ewald. Gotha 1784. 3. B. 8.

}
14. I. Ch. H. Feder über den menfchlichen
Willen , 3. Th. Göttingen 1774
#7
15. E. Platners philofophifche Aphorismen,
2. Th . Ebendeff. Anthropologie .

16. L. C. E. Schmid empirifche Pfychologie,


im dritten Theile vom Gefühlvermögen .
et

17. C. H. Iakob Erfahrungsfeelenlehre. II. Th.


7.
IV, Hauptſt.

Beſondere Schriften über das Vergnügen :


0
‫יכ‬ 1. Theorie des fentimens agreables , où apres
avoir indiqué les regles, que la nature fuit dans

ar la diftribution du plaifir, on etablit les principes


de la Theologie et ceux de la Philofophie mo
I. 2 rale,
158

rale, (par Mr. Pouilly) à Paris, 1747. 12


Deutſch , Berlin 1751. 8.

2. Kaestner reflexions fur l'origine du plaifir


in der Hift. de l'Acad. à Berlin 1749 .

3. Ueber die Natur des Vergnügens , a. d. Ita


lieniſchen von Ch. Meiners.

4. Rehbergs philofophifche Gefpräche über


das Vergnügen. Nürnberg 1785.

5. Vom Vergnügen von Villaume. Zwey


Theile. Berlin 1788.

6. I. H. Abichts Verfuch einer Metaphyfik


des Vergnügens. Leipzig 1782 .

7. Ueber die Natur des Vergnügens von K. L.


Reinhold , im deutfchen Merkur 1788.
Oktober und Nov. 1789. länner.

Ueber das Vergnügen am Guten.

1. I. G. H. Feder über das moralifche Gefühl,


im deutſchen Muſeum, 1776.

2. I. Kant in der Kritik der praktiſchen Ver


nunft. Ebenderf. in der Kritik der aestheti
fchen Urtheilskraft.

3. L. H. Iakob über das moralifehe Gefühl,


Halle 1789 .

Ueber das Vergnügen am Schönen


und Erhabenen , und die äfthetiſchen Ge.
fühle überhaupt :

1. Ele
1
159

1. Elements of Criticism. By H. Home,


Ed. III. Edinb. 1762. 3. Vol. 8. - Deutsch,

Leipzig 1773. 3 Theile 8. Ebendaſelbſt, 1791 .


von Schatz.

2.I. G. Sulzers Theorie der fehönen Künfte,

in denen hieher gehörigen Artikeln .

3 , Die Encyclopädie von Diderot u . A. in denen .


hieher gehörigen Artikeln .

4. Dictionnaire des Arts de Peinture, Sculpture


et Gravure, par Watelet et L'Eveque.
Paris 1792. 5. Th. in denen hieher gehöri
gen Artikeln.

5. Dionyfius Longinus de fublimitate , ex rec.

1 Pearici, animadv. interpp . excerpfit et novam


verfionen adjecit S. I. N. Morus. Lipfiae
1769. 8

6. Traité du Beau ou l'on montre en quoi con


fifte ce que l'on nomme ainfi par des exemples,
1
" tirés
de la plupart des Arts et des fciences,
par 1. P. Croufatz. Ed. II. A Amfterdam 1724.
2. T. 12.

Effai hiftorique et philofophique fur le gout.


Par Mr. Cartaud de la Vilate. A Paris
1
1736. 12.

8. A philofophical Enquiry into the origine of


1
our ideas of the fublim and beautifull. By
Edmund Burke . Ed. V. London 1767. 8 .
Deutsch , Riga 1773. 8,
9 K.
160
1

8. The Analyſis of Beauty , written with a view


of fixing the Fluctuating ideas of taſte. By
William Hogarth . London , 1753. 4 .
Deutſch , Berlin 1754. 4.

9. Effay fur le beau , par le P. André. Avec un


difcours preliminaire et des reflexions fur le
gout, par Mr. Formey.

10. Beobachtungen über das Gefühl des Schö


1
nen und Erhabenen , von M. Immanuel
Kant. Riga 1771 , 8. -

11. Ch. Meiners Revifion der Philofophie,


Erfter Theil , Göttingen und Gotha 1772. im
4ten Abſchnitt : über die Aefthetik.

12. Aliſon Eſſays on the Nature and principles


of Tafte, Edinburgh 1790. Deutſch , mit
einigen Zufätzen von mir , Leipzig 1792,
2. B. in 8. (Original fowohl als Ueber

fetzung werden fortgefetzt.)

13. I. Kant Kritik der Urtheilskraft . N. A.


Berlin 1792. 8.
1

Sechster Abſchnitt.

Weber die Kritik des Vorstellungsvermögens,

Die Elementarphilofophie über das Vorftellungs


vermögen ſchildert diejenigen Vermögen, durch
welche allein alles menfchliche Denken und Er
ken
1t
161

kennen möglich wird. Sinnliche Empfänglich


keit , Verftand und Vernunft find ihre vorzüg

lichften Gegenstände . Wenn nicht durch übel


geleitete Betrachtung diefer Vermögen der
Schein entstehen könnte , als ob man , vermit

telft ihrer , ein Erkenntnifs der Dinge


an fich , des Unbedingten und der letzten
Gründe alles Möglichen und Wirklichen zu er
werben vermöchte , und wenn nicht aus diefem
falfchen Wahne , die gefährlichften Folgen für
den wahrheitforfchenden fowohl , als den mora
lifchen Menschen hervorgingen , fo würde keine
*
kritifche Philofophie über das Vorstellungsver
mögen nöthig feyn. Allein da ienes wirklich der
Fall ift ,་ fo ift diefe ein wefentlicher Theil der

Philofophie , welcher aller Metaphyfik der theo


retiſchen Vernunft vorausgefchikt werden muss.

Die Urheber der dogmatiſchen Metaphyfik


der Schulen fetzten , indem fie ein Syftem aus

reiner Vernunft gefchöpfter Erkenntniffe der


Dinge an fich , und ihrer letzten Gründe , und
eben daher geleitete Wiffenfchaften über Seele,
Welt und Gott ankündigten , ununterfucht und
unerwiefen voraus , dafs in dem menfchlichen
Vorftellungsvermögen ein Vermögen enthalten
.
fey , ohne alle Beyhülfe von Erfahrung, das We
fen der Dinge an fich und ihre letzten Bedin
gungen zu erkennen. Sie bildeten , unter diefer

Voraussetzung mannigfaltige Lehrgebäude ; al


lein,
162

lein , fo wie im Innern von keinem derfelben


Einftimmung und wahre Bündigkeit Statt fand,
fo wichen auch die vielen verfchiedenen Ver.
fuche auf das auffallendefte von einander ab, oh

ne dafs auch nur die Möglichkeit einer Vereini


gung abzufehen gewefen wäre. Unerachtet alles

Scharffinns und philofophifcher Baukunft , wel


che ein Wolf, Baumgarten und Crufius
auf die metaphyfifchen Wiffenſchaften verwendet
hatten , fank dennoch das Anfehen derfelben auf
ſehr natürliche Weife in dem Maaſse , in welchem
man Einigkeit , Harmonie und Ueberzeugungs
kraft vermifste. Empirifche Popularphilofophen,
Synkretiften und Skeptiker konnten fich in die

fem Zeitpunkte mit leichter Mühe in der philo


fophifchen Welt geltend machen. Während auf
der einen Seite die wenigen letzten Römer das
Gebäude der Schule nur noch fchwach verthei

digen konnten , auf einer andern eine grofse


Menge wohlgefinnter Bürger des philofophi
fchen Freyſtaats, nicht fowohl durch gründli
che Auseinanderfetzung aller ftreitigen Fälle,
einen ewigen Frieden herbeyzuführen , als viel
mehr durch Verheimlichung und Uebergehung
der fchwierigen Punkte, durch weichliche Nach
giebigkeit und Ueberredung einen unfichern
Waffenftillstand zu vermitteln ſuchten , auf wie,
der einer andern aber unruhige Köpfe die Anar.
chie mit allen ihren zerstörenden Folgen nähr
ten ; trat der berühmte Kant mit feiner Kritik
der
163

der reinen Vernunft und feinen Prolegomenen


für iede künftige Metaphyfik hervor.

§. I.

Die Kritik des menfchlichen Vorstellungsver.


mögens unterfucht die Möglichkeit, die Dinge an fich,
und die letzten Gründe von allem, was feyn kann
und ist , zu erkennen. Da die dogmatische Meta.

phyfik diefe Möglichkeit als unbezweifelt voraussetzt,


fo zielen alle Erforschungen iener Kritik daraufhin,
zu entfcheiden, ob eine folche Metaphyfik Statt fin
den könne oder nicht.

§. 2.

Die Kritik des menfchlichen Vorftellungsvermö


gens fragt zuerft ; Wie weit führen uns in der Er:
kenntniß der Dinge Sinnlichkeit und Verftand , wenn
fie zufammen wirken ? Ueberzeugen fie uns , daß
wirklich Dinge an fich da find? Tragen fie eine in
ihrer Natur vorber bestimmte Form der Vorstellung
auf die Dinge über , oder nehmen fie die wahre ab.

folute Form der Dinge felbft in ihre Vorstellung un.


verändert auf? Werden uns durch fie nur Erfchei
nungen , oder Dinge an fich dargestellt?

1
§. 3.

Infer Verftand bat ursprünglich Begriffe von


Dingen überhaupt , Grundfätze , welche nothwendige

Bedingungen der Natur der Dinge überhaupt aus


drik
164

drücken, unfre Vernunft hat ein Prinzip für die Er


forfchung der Gründe der Dinge ; diefe Begriffe und
Grundfatze führen Nothwendigkeit und Allgemein
beit mit fich, fie fcheinen über alle Erfahrung hin A
-
aus zu geben ; die Grundsatze find fynthetisch.
In diefen Hinsichten fragt die Kritik des Vorftel?
lungsvermögens ; Können wir vielleicht durch diefe
Begriffe und Grundfätze ohne alle Beyhülfe der Er.
fabrung die Natur der Dinge a priori erkennen ?

§. 4.

In wiefern die Kritik des Vorftellungsvermö


gens über diefe beyden Fragen ( §. 2. §. 3. ) entſchei
det , ift fie Kritik des menfeblichen Erkenntnifsver
mögens.

§. 5.
4
Die Hauptrefultate der Kritik des Erkenntniß
vermögens find : 1 ) Sinnlichkeit und Verſtand kön
nen uns die wirklichen Dinge nicht anders, denn in
Gemäßheit der Formen von iener , und der Begriffe
von diefem darſtellen ; obwohl das Dafeyn der Dinge
felbft keinem Zweifel ausgesetzt ist, ſo vermögen wir
fie doch nicht anders , denn als Erfcheinungen zu
erkennen ; die Form der Natur ist für uns durch die
urfprünglichen unveränderlichen Geſetzgebungen der
Sinnlichkeit und des Verftandes bestimmt. 2 ) Dieie
nigen Begriffe , und fynthetifchen Grundfatze des
Verftandes und der Vernunft , welche nothwendige
allgemeine Bedingungen der Natur der Dinge über
haupi
165

überhaupt auszudrücken fcheinen, kundigen blofs die.


1 in unserm Erkenntnißvermögen vorherbeftimmten Be
dingungen der Möglichkeit aller Erfahrung und Vor
ftellung der Natur an,

§. 6.

Die Vernunft , welche in der Theorie des Den.


kens und Erkennens nur von Seiten ihres logifchen
Vermögens betrachtet worden , befitzt auch ein me
taphyfifches Vermögen , welches mit ienem genau zu
fammenhängt , und vermittelst deffen fie die Ideen
eines abfoluten Subiektes , einer abfoluten Bedin

gung , und eines abfoluten Inbegriffs , und durch.

1 diefe die Ideen einer Seele , cines Weltganzen , eines


Gottes, hervorbringt. Die Kritik des Vorftellungs
vermögens fragt in Beziehung auf diefe Ideen : ob

fie uns von den Gegenfiänden, aufdiefie fich beziehn,


11.0
etivas obiektiv Wabres darftellen , I was fie über
haupt für das Gefchäft der Vern in theoreti

fcher und praktischer Hinficht , leiften. Wiefern


die Kritik des Vorftellungsvermögens diefes erforscht,
ift fie Kritik der reinen Vernunft im engern Sinne,

St /v 7.
Die Hauptrefultate der Kritik der reinen Ver
nunft , im engern Sinne , find: 1 ) Die Ideen der

Vernunft gehen mit Nothwendigkeit aus ihrem meta


phyfifchen Vermögen hervor , als in welchem fie vor
bereitet find; mit ihnen betrachtet die Vernunft alles
Erfahrungserkenntnifs als beſtimmt durch eine” ab.
folute
166

folute Totalität der Bedingungen , und giebt durch


diefelben den menschlichen Vorstellungen Einheit,
Vollendung, fyftematische Form; 2 ) diefe Ideen ge
währen uns kein wirkliches Erkenntnifs der Obiekte,

aufwelche fie fich beziehen ; 3 ) da die Gegenstande


diefer Ideen in keiner Erfahrung vorkommen können,
Lo dürfen auch diefelben nicht nach denen Begriffen
und Grundfätzen des Verftandes vorgestellt werden,
welche die Bedingungen möglicher Erfahrung aus
drücken ; 4) durch die Verkennung, und falsche Be
handlung diefer Ideen entstehen merkwürdige Para
logismen , Antinomicen und trügerische Beweife;
5) genommen als das , was fie find, enthalten dieſe
Ideen keinen Widerspruch , und können Gegenstände
des Glaubens werden,

§. 8.
Wiefern man durch den Ausdruck der reinen

Vernunft das Vermögen aller Vorftellung a priori


bezeichnet , kann man die Kritik des Erkenntnißver
mögens , nnd die Kritik der reinen Vernunft im en.
gern Sinne , zufammen Kritik der reinen Vernunft
nennen.

Ob ich ſchon zugebe , dafs die allgemeine Idee


einer Prüfung des menfchlichen Vorstellungs
vermögens mehrern fcharffinnigen Weltwei
fen vor Kant nicht fremd geweſen iſt , und
dafs vorzüglich die Skeptiker die Kräfte un
fers Erkenntniffes in Hinficht auf die grofsen
Fragen wegen des Erkennbaren , und Nicht
er
167

erkennbaren, Begreiflichen und Nichtbegreif


lichen, der Möglichkeit einer Einficht der Na
tur der Dinge an fich , und metaphyfiſcher
Wiffenfchaften über Seele , Welt und Gott,
allerdings erwogen haben ; fo glaube ich den
noch , dafs eine Kritik der reinen Vernunft,
(§. 8. ) im Sinne Kants , vor diefem Weltwei
fen nicht Statt gefunden , und nicht Statt
finden können. Man darf nur die von mir
angegebenen Erklärungen einer Kritik des Er
kenntnifsvermögens (§. 2. §. 3. §. 4. ) und einer
Kritik der reinen Vernunft im engern Sinne
(§. 6.) zum Grunde legen, um fich zu über
zeugen , dafs der Gedanke einer Kritik der rei

nen Vernunft überhaupt ( 8. ) erft dann


möglich feyn konnte , wenn durch vollständi
ge , reine Auffaffung der Thatfachen im Be
wufstieyn , und durch ſcharfe Zergliederung
des in diefem enthaltenen Syftems menfchli
cher Vorftellungen , die einzelnen Vermögen
aufgefunden waren, aus welchen das gesammte
Erkenntnifsvermögen befteht , und zwar fo
aufgefunden waren , dafs man fich zugleich´
der Formen , Geſetze und Prinzipien ver
fichert hatte , die ienen durch die Natur ur
fprünglich eingepflanzt find. Ohne die fein
fie Trennung von Sinnlichkeit und Verftand ,
ohne Anerkennung der Formen von iener, der
Begriffe und Gefetze von diefem , ift keine
4
Kritik des Erkenntnifsvermögens möglich.
Ohne
168 *

Ohne die bestimmte reine Vorftellung des me.


taphyfifchen Vernunftvermögens felbft , kann
an keine wahre Kritik der reinen Vernunft im
engern Sinne (S. 6. ) gedacht werden. Wie
fern nun vor Kant die Theorie des Erkennt

nifs- und Vernunftvermögens iener Reſultate


ermangelte , war auch die Entstehung des Ge
dankens einer Kritik der reinen Vernunft über
haupt ( §. 8. ) nicht möglich. Die Kantifche
Kritik der reinen Vernunft ift alfo
unftreitig das erfte Werk feiner Art. Die
D
dritte Auflage davon ist zu Riga 1790 er
ſchienen.
"
Zu mehrerm Verſtändniffe diefes Wer
kes leiſten trefliche Dienfte Ebendeff. Pro

legomena zu ieder künftigen Meta


phyfik, welche als Wiffenfchaft wird
auftreten können. Riga 1783 .

Erläuternde Schriften find :

1. Erläuterungen über des Herrn Profeffor


Kant Kritik der reinen Vernunft, von Iohann

Schulz , königlichem preufsifchen Hofpre


diger. Königsberg , 1784..

2. Ebendeff. Prüfung der Kantifchen Kritik der


reinen Vernunft. 1. Th. Königsberg, 1789..
2. Th. 1792 .

3. E. G. Born Anfangsgründe der Sianenlehre.


4. Eben

1
169

4. Ebendeff. Verfuch über die ursprünglichen


1 Grundlagen des menfchlichen Erkenntnifs

vermögens.

5. Kritik der reinen Vernunft im Grundriffe,


1
von C. Ch. E. Schmid. Iena , 1788 . 1

6. Ebendeff. Wörterbuch über die Kantifchen


kritifchen Schriften.

7. L. C. Reinhold Briefe über die Kantifehe


| /
Philofophie. 1. Theil.

8. Ebendeff. Verfuch einer Theorie des Vor- 1

ftellungsvermögens.

9. Ebendeff. Beyträge zur Berichtigung bisheri


ger Misverſtändniffe der Philofophen . 1. Th.

10. Ebenderf. über das Fundament des philofo


phifchen Wiffens. 1

11. C. H. Iakobs Prüfung der Mendelfohni


fchen Morgenstunden.

12. Ebendeff. kritiſche Anfangsgründe der Lo

gik und Metaphyfik.

13. Ebendeff. Abhandlungen zu der Ueberfet.


zung von Hume's Verfuchen über die menfch.
jur
liche Natur.

Sieben
170

Siebenter Abſchnitt.

Ueber die Kritik des Begehrungsvermögens.

§. I.

Wenn die Elementarphilofophie über das menschliche


Begehrungsvermögen gezeigt hat, daß unfrer Natur
ein vernünftiger, Wille zukomme ; fo ist immer noch
vor aller Grundlegung eines Systems der Moralphi
lofophie die Frage auf das fchärffte zu beantworten:
ob die Vernunft für fich allein , ohne alle fremdar
tige, aufser ihr befindliche Triebfedern , den Willen
des Menschen bestimmen , d. b. praktiſch ſeyn kön
ne , ob es reine praktiſche Vernunft gebe. Ein im
Bewußtfeyn iedes Menschen gegründetes Intereffe,
die Abweichungen der moralifchen Systeme , und das
fcheinbare Gleichgewicht von Gründen und Gegen
gründen machen die Beantwortung diefer ' Frage
au der wichtigsten und dringendeſten Angelegenheit.

§. 2. V

Die Kritik der praktischen Vernunft beweist


und entwickelt , daß , und wie die Vernunft einen
reinen Einfluß auf unfer Begehrungsvermögen ha
ben könne.

§. 3.

Die Kritik der praktischen Vernunft muß


Grundsätze auffuchen , nach welchen fich die Mög
lichkeit ableiten läßt , 1 ) zu wiffen, was wir thun

follen ;
171

follen ; * 2) diefs thun zu wollen ; 3) und es wirk


lich zu thun. Sie bat demnach folgende Fragen
zu beantworten : 1 ) Hat die Vernunft apodiktifche

gewiffe Grundsatze für das Thun und Laſſen ver


nünftiger Wefen? a) wie find fie möglich ?
a ) Sind fie anwendbar
b) welches find diefelben ?
auf den Menschen und auf ein endliches Vernunft
weſen berbaupt ? a) Kann man nach ihnen Hand
lungen beurtheilen? b) ihnen gemäss Handlungen bil
ligen oder missbilligen ? c) diefer Billigung oder Mifs
billigung gemafs handeln ? Diefe Grundsatze müffen
auf abfolute Nothwendigkeit und Allgemeinbeit füb
Es wird daber in der Kritik der praktiſchen
Vernunft gefucht : 1 ) eine allgemeingültige , abfo
lut nothwendige praktiſche Regel, ein fittliches Grund
gefetz der Vernunft ; 2) ein allgemeingültiges, abſo
lut nothwendiges Ziel, ein höchftes abfolutes Gutfür
die Vernunft; 3) eine allgemeingültige , abfolut
nothwendige Triebfeder , ienes Gefetz beobachten,
und icnem Ziele nachſtreben zu wollen , eine Triebfe
·
der der Vernunft ; 4) eine allgemein gültige abfolut

nothwendige Bedingung , wodurch der Wille , das


Sittengefetz zu befolgen , dem höchften Gute nachzu.

ftreben , und von der vernünftigen Triebfeder be
ftimmt zu werden , fich gegen alle Hinderniſſe be=
1
dingt nothwendiger, entgegenstehender Antriebe be
haupten , mit allen übrigen natürlichen Bestrebungen
-des Begebrungsvermögens vereinigen , den an fich
nicht vernünftigen Neigungen das Gleichgewicht
balten , undfich mit denfelben verbinden kann,

M Sø
172

So beftimmt Herr Schmid in feiner Mo

ralphilofophie den vollständigen Gegenstand


der Kritik der praktiſchen Vernunft, S. 61-65.

Iedem , welcher die Kritik der praktiſchen


Vernunft ftudiren will , find zuvörderſt zu em

pfehlen:
1. K. C. Reinhold Briefe über die Kantiſche
Philofophie. Zweyter Theil , befonders der
6. 7. 8. Briefe.

2. Kritik der praktiſchen Vernunft von L Kant.

Riga 1788.

3. Ebendefi. Grundlegung zur Metaphyfik der


Sitten.

4. Ebendeff. Kritik der Urtheilskraft , bef. d.


2te Theil.

5. F. W. D. Snell Menon , oder Verfuch in


1 Gefprächen , die vornehmsten Punkte aus der
Kritik der praktiſchen Vernunft des Herrn
Prof. Kant zu erläutern. Mannheim 1789. 8.

6. Ueber das fittlich Gute , von Sebaftian Mut


fchelle , München 1788. 8.

7. C. Ch. E. Schmid Kritik der praktiſchen


Vernunft, in Deff. Verfuche einer Moralphile
fophie.

Achter
173

Achter Abſchnitt.

Ueber die moralifche Gotteslebre.

In der Kritik der praktiſchen Vernunft wird, wie


ſchon aus dem vorigen Abſchnitte erhellet , ein
allgemein gültiges , abfolut nothwendiges Ziel,
ein höchftes abfolutes Gut für die Vernunft be

ftimmt. Dieſes machen bey vernünftigen und


zugleich endlichen Wefen , Tugend und
Glückfeligkeit , in harmoniſcher Vereini
gung, aus ; fie find, in folcher Verbindung , der

letzte unbedingte Gegenstand des Begehrungs


vermögens iener Wefen . Die moralifche Ver

nunft gebiethet diefes höchfte Gut durch einen


ihren reinen Geſetzen vollkommen angemeffe
nen Gebrauch ſeine Freyheit zu bewirken.
{
Tugend und Glückfeligkeit find
zwey ſpezifiſch ganz verfchiedene Elemente des
höchften Gutes , laffen fich weder aus derfelben
Quelle ableiten , noch die eine als natürliche
M
Folge der andern anfehn , noch unter einem
und demfelben Begriffe befaffen . Wenn Ver
bindung von Tugend und Glückfeligkeit gedacht
wird , fo gefchieht diefs nicht analytiſch , fon
dern fynthetiſch.

Die Vernunft geräth im natürlichen Gange .


ihres Denkens über die Möglichkeit des höch
ften Gutes in einen Widerftreit mit fich felbft,
wo fie in Verfuchung kommt , die Ideen davon,
M 2 dem .
174

demnach auch das Sittengefetz felbft , als den


Grund derfelben , als nichtig und fchimäriſch
aufzugeben , weil fie nach den blofsen Geſetzen

der Natur , eine ſynthetiſche Verknüpfung von


Tugend und Glückfeligkeit für unmöglich hal
ten mufs .

Die Idee des höchften Gutes iſt aber , fo


wie das Sittengefetz , fo unabtrennbar von der
Vernunft, dafs der Gedanke der Nichtigkeit der
felben nie in dauernde Ueberzeugung überge
hen kann. Die Vernunft mufs es alfo zu ihrem
höchften Bestreben machen , ienen Widerstreit
auf eine fie befriedigende Weife zu heben. Diefs

gefchieht durch Begründung des Glaubens an


Gott und Unterblichkeit.

§. 1.

Die moralifche Gotteslehre oder Moraltheolo


gie ist der wiffenfchaftliche Inbegriff der in der mora
lifchen Vernunft des Menschen enthaltenen Gründe
für das Dafeyn Gottes , und die damit nothwendig
verknüpften lleberzeugungen.

§. 2.

Die Moraltheologie gehört wefentlich zu der


Kritik der praktischen Vernunft.

Die Moraltheologie ift , als Wiffenſchaft , erst


durch die von Kant gelieferte Zergliederung

und Entwickelung des moralifchen Vermö

gens
1

175

gens unfrer Vernunft , möglich gemacht wor


den. In den vorigen Verſuchen , natürliche
Religion zu bilden , überfahe man entweder

die moraliſchen Gründe genz , oder warf fie


mit den phyfiſchen verworren durch ein
ander ;

J. Kants Kritik der praktiſchen Vernunft,


1. Th. Zweytes Buch,

2. Ebendeff. Kritik der teleologifchen Ur


theilskraft in der Kritik der Urtheils
kraft,

3. K. L. Reinhold Briefe über die Kantifche


Philofophie. Erfter Theil ; betrift vorzüglich
die Reſultate der kritiſchen Philofophie für
Religion , und den Gefichtspunkt der Moral
theologie.

4. C. Ch. E. Schmid Kritik der praktiſchen


«Vernunft in feinem Verfuch einer Mo

ralphilofophie.

5. Betrachtungen über die Philofophie der na


türlichen Religion von K. H. Heyden
reich, 1. Bd. Leipzig 1790. 2. Bd . Leipzig
1791.

6. Grundfätze der moralifchen Gotteslehre von

K. H. Heydenreich. 4 Leipzig 1792 ,

7. L. H. Iakob Beweifs für die Unsterblichkeit


der Seele , aus dem Begriffe der Pflicht. Eine
Preis.
176

Preisſchrift mit einiger Veränderung von dem


Verf. felbft aus dem Lat. überfetzt. Züllichau

1790. 8.

8. Ebenderf. über 'den moralifchen Beweifs für

das Dafeyn Gottes, Libau 1791. 8.

9. Verfuch einer Kritik aller Offenbahrung,


Königsberg 1792.

to. I. Kant: Was heifst fich im Denken orien


tiren, eine Abh. d . Berl. Monatsfchr. Oktobr.

1786. S..302.

II. K. L. Reinhold über die Grundwahrheit


der Moralität und ihr Verhältnifs zur Grund

wahrheit der Religion, im deutſchen Merkur.


März 1791 .

Scharffinnige Einwürfe gegen die Kantiſche


Moraltheologie enthalten :

1. Herrn Feders Recenfionen die Moraltheo

logie betreffender Schriften , in den Götting.


Anz. und feinem in Verbindung mit Herrn
Meiners herausgegebenen philofophifchen Ma- .
gazine.

2. Herrn Eberhards philofophifches Magazin,


und Ebendeff. Archiv.

3. Briefe über den moralifchen Erkenntnifs


grund der Religion überhaupt, und befonders
in Beziehung auf die Kantiſche Philofophie,
von Flatt.

4. Braft
177

4. Braftberger Unterfuchungen über Kants

Kritik der praktiſchen Vernunft.

5. Aenefidemus .

6. Herrn Platners philofophifche Aphorif


men , I. Th. 3. Ausg. 1793 .

§. 3.

Aus der blofsen Naturbetrachtung ergeben fich


keine zureichendenGründe der lleberzeugung vom Da
feyn Gottes und denen damit nothwendig verknüpften
Wahrheiten. Allein die in der Natur allenthalben

bemerkbare Zweckmässigkeit trägt , zur Verstärkung
des Religionsglaubens ungemein viel bey , wenn er
durch moralifche Gründe bewirkt worden. Und nur

durch diefe Gründe auch ist es möglich , die Natur,


und alle ibre Vollkommenheit auf einen Endzweck zu

beziehn , und einen allgemeiner Plan der Heiligkeit
und Weisheit für die Welt anzuerkennen.

1. The Wisdom of God manifefted in the Works

of the creation. By Iohn Ray. Ed. IX.

London 1728. 8. - Deutſch. Leipzig 1732.8 .

2. Aftronomical principles of religion natural


and reveald, By William Whifton. London
1717. 8.

3. Phyficotheologie , or a demonſtration of the


being and attributes of God from the Works
of creation. 乖 By William Derham. London

1714. 8. Deutfch , Hamburg 1730. 8.


EWIDENCIES.

4. Eben
178

4. Ebendeff. Aftrotheologie , or a Demonftra


tion of the being and attributes of God from
4
a Survey of the heavens. London 1715 , 8. —
Deutſch , Hamburg 1765. 8 .

5. Demonftration de l'existence de Dieu tirée


de la connaiffance de la nature et proportion
née a la faible intelligence des plus fimples,
Par Francois de Salignac de la Mo
the de Fenelon . A Paris 1712. 8. -
Deutſch , Hamburg 1714. 8.

6. Bern. van Nieuwentyt regt gebruyk


der Weereld befchouwinge. Amfterdam 1716.
4. - Deutſch , mit Anmerkungen von Io
hann Andreas Segner, lena 1747. 4.

7. Vernünftige Gedanken von den Abfichten der


1
natürlichen Dinge, den Liebhabern der Wahr
heit mitgetheilet , von Chriftian Wolf,
Frankfurth 1723 , 8. 1

8. A furvey of the Wisdom of God in the crea


tion. London 1764. 2 , Vol . 12 , 16

9. Bonnet Contemplation de la nature . Am


fterdam 1764. 2. T. 8.

10. Reimarus Abhandlungen von den vor


nehmften Wahrheiten der natürlichen Reli
gion. ste Aufl. m. Anm. v. I. A. H. Reima
rus, Hamburg 1781. 8.

11. Ebendeff. Betrachtungen über die Triebe

der Thiere, 3te Aufl. ebendaf, 1773. 8.


12. Eben
179

12 , Ebendeff. angefangene Betrachtungen über


die befondern Arten der , thierifchen Kunft
.
triebe , aus f. Handfchr. m. Anm. u. e. Ah.
von I. A. H. Reimarus , ebendaf. 1762. 8.

13. Kants Naturgefchichte des Himmels.

14 Ebendeff. einzig möglicher Beweifsgrund für


das Dafeyn Gottes , Königsberg , 1764.

15. Mehrere phyfikotheologiſche Schriften fin


det man angezeigt im 1. Th. von Walchs,
I. G. bibliotheca theologica felecta. T. L
und Hifsmanns Anleitung zur
Kenntnifs der auserlefenen Littera

tur in allen Theilen der Philofophie.


S. 267. u . f.

Neunter Abſchnitt,

Ueber die Kritik des Gefühlvermögens.

Wenn die Elementarphilofophie über das Ge


fühlvermögen die allgemeinen Naturgefetze def
felben , und die befondern Arten menfchlicher
Gefühle entwickelt hat ; fo dringen fich in Be
ziehung auf ienes Vermögen dem Forscher ver
fchiedene Fragen auf, welche beantwortet wer
den müffen, bevor etwas Allgemeingültiges über
eine der Würde der Menfchheit angemeffene
Form unfrer Gefühle ausgemacht werden kann,
Der fühlende Menfch ftrebt nach Vergnügen,
von
180

von der möglichsten Stärke , und der möglich.


ften Dauer ; obfchon es leicht fcheinen dürfte,
es fey iedes Vergnügen dem andern gleich, wenn
man blofs auf das Gefühl fieht , fo zeichnen fich
dennoch gewiffe Vergnügen durch eine kaum
zu verkennende Würde aus, die Vergnügen über
das Wahre , Gute und Schöne ; der Menſch kann
der Ueberzeugung nicht widerftehen , dafs diefe
allein feiner werth find , iede andre , ihrer felbft

wegen , gefuchte Luft ihn herabſetze , er ent


wirft fich ein Ideal von Glückfeligkeit , oder der
möglichst grofsen Menge, möglichft ftarker, und
möglichſt dauernder angenehmer Gefühle , be
wirkt durch Wahrheit, Güte und Schönheit. Die
Kritik des Gefühlvermögens rechtfertigt diefe
Weiſe, über Vergnügen zu urtheilen, und unter
den mannigfaltigen Arten deffelben eine Rang
ordnung zu beſtimmen, fie hebt den Widerſtreit,
in welchen fich der Menfch fehr natürlich ver

wickelt , wenn er über den Werth des Vergnü


gens nachdenkt , fie fichert das dem Menfchen
eigne Ideal von Glückfeligkeit , vor dem Vor
wurfe des Widerfprechenden oder der Schwär
merey.

Zehn
181

Zehnter Abſchnitt .

Ueber die Metaphyfile des Vorftellungsvermögens .

§. I.

Die Kritik des Vorstellungsvermögens hat gezeigt,


dafs eine Erkenntnifs der Dinge an fich und ihrer
letzten Gründe , für den Menfchen unmöglich ist.
Es kann alfo keine Metaphyfik im Sinne der dogma
k
tifchen Schulengeben , d. i. kein Syftem aus der rei
nen Vernunft gefchöpfter Erkenntniffe der unverän
derlichen Natur, und des nothwendig bestimmten Zu
fammenhangs der Dinge an fich , keine Wiffenfchaf
ten (im ftrengen Sinne des Wortes :) von Seele, Welt.

und Gott.

§. 2.
Allein , wenn theils die Elementarphilofophie
über das Vorftellungsvermögen, (als Theorie des Den
kens fowohl , denn als Theorie des Erkennens , )
theils die Kritik des Vorstellungsvermögens , (als Kri
tik des Erkenntnifsvermögens fowohl , denn als Kri
tik der Vernunft im engern Sinne , ) binlänglich dar
gethan hat , dafs durch die ursprünglichen Gesetz
gebungen dererienigen Vermögen , aus welchen un
fer Vorftellungsvermögen besteht , nothwendige Vor
ftellungen des Wefens und Zusammenhang's der Ge
genftande der Natur , ia auch nothwendige Vorftel
lungen gewiffer Gegenstande der llebernatur bestimmt
find; fo ergiebt fich der Begriff einer Wiffenfchaft,
welche
182

welche diefe Vorstellungen aus den ursprünglichen


Grundlagen unfers Vorstellungsvermögens entwickelt,
undfyftematisch aufftellt ; ich nenne fie die Metaphy
fik des Vorftellungsvermögens. Wenn man das Ver

mogen aller Vorstellung von Gegenständen a priori


mit dem Ausdrucke der reinen theoretischen Ver.
nunft bezeichnet , ſo kann man auch jene Wiſſen
fchaft die Metaphyfik der reinen theoretischen Ver
nunft nennen.

S. 3.

Die Metaphyfik des Vorstellungsvermögens ,


oder der reinen theoretiſchen Vernunft ſtellt zuvör
derft die aus den ursprünglich im Vorstellungsver
mögen beftimmter Formen abgeleiteten nothwendigen
und allgemeinen Merkmale der vorzustellenden Ob
iekte überhaupt dar ; allgemeine Metaphyfik der rei
nen theoretischen Vernunft; dann ftellt fie aber auch
befondere Gegenstände der überfinnlichen Welt dar,
welche fich nur durch reine Vernunft vorstellen laffen,
aber in der Form diefer Vernunft beſtimmt , und
# darum nothwendig denkbar find; befondere Meta
physik der reinen theoretischen Vernunft , Meta
phyfik der reinen Vernunft im engern Sinne,

§. 3.

Die allgemeine Metaphyfik der reinen theoreti


fchen Vernunft ftellt zuvörderft dar die in den For
men des Denkens beſtimmten nothwendigen allgemei
new
183

nen Merkmale für alle gedenkbare Obiekts, als folche ;


allgemeine Ontologie ; dann ftellt fie aber auch dar,
die in der Natur des Erkenntnifsvermögens , ` d. i.
der Sinnlichkeit und des Verftandes beftimmten noth
wendigen allgemeinen Merkmale für alle erkennbare
Obiekte als folche ; befondere Ontologie , Ontologie
der finnlichen Natur.

§. 5.

Die befondere Metaphyfik der reinen theoreti

ſchen Vernunft hat drei Gegenstände, deren Vorstellung


in der Form der reinen Vernunft beftimmt ist : Seele,
Welt , Gott. Sie besteht alfo aus drei Theilen :
i) einer rationalen Seelenlehre , Seelenlehre der
reinen Vernunft ; 2 ) einer rationalen Weltlehre,

Weltlehre der reinen Vernunft ; 3) einer rationalen


Gotteslehre , einer Gotteslehre der reinen Vernunft.

So wie hier die Begriffe der metaphyfifchen


Wiffenſchaften nach den Reſultaten der Vernunft
kritik aufgeftellt find , können fie fehr leicht von
den Begriffen eben derfelben Wiffenſchaften, nach
dem Sinne der dogmatifchen Schulen unterfchie

den werden. Die allgemeine Metaphyfik, nach


dem Sinne der dogmatifchen Schulen , giebt vor,
in ihrer Ontologie die nothwendigen allgemei .
nen Eigenſchaften der Dinge an fich , die abfo
lute Natur der Dinge an fich zu beftimmen ; die

auf Kritik der Vernunft gegründete allgemeine


Metaphyfik ftellt blofs die nothwendigen, allge
mei
184

meinen Merkmale vorzustellender 1Obiekte dar,


wiefern fie in den Formen des Vorftellungsver
mögens vorher beftimmt find. Obiekte find

entweder Obiekt des blofsen Denkens , oder des


Erkennens. 2 Die auf Kritik der Vernunft ge
gründete, Ontologie unterſcheidet die Merkmale
1 des Denkbaren und Erkennbaren in ihren befon

dern Theilen auf das genauefte. In der Ontolo


gie der Schule liegen aus ſehr natürlichen Grün
den diefe Merkmale verworren durch einander
gemengt , als Merkmale der Dinge an fich. Die
befondere Metaphyfik der Schule glaubt wirk
lich Syfteme von Erkenntnifien über Seele, Welt
und Gott aufzustellen , glaubt wirklich in ihrer
Pfychologie das abfolute Wefen eines Geiſtes, in
ihrer Kofmologie das abfolute Wefen eines Uni
verfums , in ihrer Theologie das abfolute Wefen
eines Gottes zu beftimmen. Die auf Vernunft

kritik gegründete befondere Metaphyfik ftellt


diefe Gegenstände blofs dar , als Gegenstände
. nothwendiger in der Form der Vernunft vorher
beſtimmter Vorstellungen.

Wir befitzen gegenwärtig noch keine nach


den Grundfätzen der Vernunftkritik entwor

fene Metaphyfik der reinen theoretischen Ver


nunft. Nur der Plan zu einer folchen ift in
* den kritischen Schriften Kants entworfen, und

die * metaphyfifchen Anfangsgründe


einer Naturwiffenfchaft deffelben
Welt
185

Weltweifen find ein wichtiger Beytrag zur


Ontologie der finnlichen Natur.

Die Werke der Metaphyfiker vor Kant,


find für die Bildung der neuen Metaphyfik
nach Grundfätzen der Vernunftkritik in mehr
als einer Rückficht, von der grössten Wichtig
keit. Nicht zu gedenken , daſs fie reich find
an fcharfsinnigen Entwickelungen und Beftim
mungen nothwendiger Begriffe , fo enthalten

fie die vollgültigften Belege für die Wahrheit,


dafs unfre fpekulative Vernunft , ohne durch
Kritik ihres Vermögens geleitet zu werden,
den auffallendeſten Verirrungen ausgefetzt ift.

Ueber den Begriff der Metaphyfik.

r. I. T. Sattler de notione metaphyfices an


tiqua. Lips. 1769. 4.

2. Lambert in der Architektonik , erftem


Hauptft.

3. 'Discours fur la Metaphyfique , par Mr. Me


rian. A Berlin 1765..

4. Ueber die allgemeine ſpekulative Philofophie,


( von Tetens ) Bützow und Wismar 1775. 8.

5. Ch. Meiners in der Revifion der Philofo


phie. 1. Th.

6. Begvelin über die gehörigen Grenzen der


metaphyfifchen Spekulationen. Mem. de l'Ac.

de Berlin 1780. edit. 1782 .


7. I.
186

7. 1. B. Mon bod do Ancient Metaphyfiks,


or the fcience of Univerfals.

8. Tiedemann über die Natur der Meta

phyfik im 1. St. der heffifchen Beyträge.

9. Kant in dem bereits angeführten kritischen


Schriften.

Ueber die Schickfale der Metaphyfik , und befonders


die ältern Syfteme :

J. Iac. Thomafii hiftoria variae fortunae


quam difciplina metaphyfica , iam fub Arifto
tele , iam fub fcholafticis , iam fub recenti
bus experta eft, vor der letzten Ausgabe Deff.
Erotematum Metaphyfices. 1705. 8.

2. S. F. Buchneri hiftoria Metaphyfices , ex


Mto Io. Hermanni ab Elswich maximam par
tem eruta. Viteb. 1723. 8.

3. The history of philofophy. By Thomas


Stanley. Edit. III. London 1701. 4.

4. I. I. Brucker hiftoria Critica philofophiae.


Lips. 1742. 1767. 6. T. 4.
;
5. Della Iftoria e della indole di ogni Filofofia.
Di Agatopifto Cromaziano. In Lucca
1767 W 1769. s. T.8.

6. Dictionnaire hiftorique et critique Par Mr.


Pierre Bayle .

7. Die neueſten Werke und Abhandlungen über


die philofophifche Gefchichte von Meiners,
Tie
187

Tiedemann , Pleffing , 1 Tennemann,

Buhle , Reinhold , Eberhard , Plat


ner , Kindervater , Bardili , Flatt,
Fülleborn u. a.

Die vorzüglichften neuern Syfteme der ge


fammten Metaphyfik find :
#

1. Das Syſtem des Des Cartes , enthalten ſo
wohl in feinen principiis philof. als in den
Meditatt. de deo, anima et mundo.

Hieher gehört aufser andern Schriften


berühmter Cartefianer , le Grand , Regis , la
Forge , Malebranche u. a. Renati des Cartes

principiorum philofophiae P. I. et II. more


geometrico demonftratae per B. de Spinoza.
Accefferunt eiusdem cogitata metaphyfica ,

in quibus difficiliores , quae tam in parte Me


taphyfices generali , quam fpeciali occurrunt,
quaeftiones breviter explicantur. Amftelod.
1663.4.

2. Das Syftem des Spinoza , enthalten in fei


1
ner Ethik , in den operr, pofth. Unter den
mehrern Darstellungen diefes Syſtems bleibt
immer noch die von Iako bi in f. Briefen
über die Lehre des Spinoza unüber
troffen .

3. Das Syftem Leibnitzens , enthalten in


mehrern einzelnen Schriften . S. Gothofr.
Guil. Leibnitii Opera omnia. Nunc primum
collecta , in claffes diftributa , praefationibus
4 N et
IƐ8

et indicibus exornata, ftudio Ludovici Dutens.


Genevae 1768. 6. T. 4.

Hieher gehören auch : Leibnitii principia


philofophiae , more geometrico demonftrata.
Francof. et Lips . 1728. 4.

4. Das Syftem Wolfens , enthalten in meh


rern grössern und kleinern Werken , deffel
ben philofophia prima , Cofmologia generalis,
Pfychologia empirica , Pfychologia rationalis,
theologia naturalis , vernünftige Gedanken
von Gott , der Welt und der Seele des Men
fchen , auch allen Dingen überhaupt u . a.

Hieher gehören die fcharffinnigern Wolfia


Fer, ein Bilfinger, Hollmann , Baumgar !
ten , Meyer u. a.

5. Das Syftem Crufiuffens in Deff. Entwurf


der nothwendigen Vernunftwahrheiten , wie
fern fie den zufälligen entgegen geletzt wer
den. Leipzig 3. Ausg. 1766. 8.

6. Ploucquet (Godofr. ) principia de fubftantiis


et phaenomenis. Francof. et Lips. 1764. 8.
Eiusd. elementa philofophiae contemplativae,
f. de fcientia ratiocinandi , de notionibus fci
entiarum fundamentalibus , Deo , univerfo et
4
fpeciatim homine. Stuttg. 1778. 8.

7: Lambert Architektonik , øder Theorie des


Einfachen und Erften in der philofophifchen
und
189

und mathematiſchen Erkenntnifs . Riga. 1771 .


2. B. 8.

Es wird nicht unfruchtbar feyn , bey diefer


Gelegenheit dieienigen fcharffinnigen Männer
zu charakteriſiren , welche durch Einficht der
Unzulänglichkeit aller dogmatifchen Schulme

taphyfik zur eklektiſchen und fynkretiftifchen
" Behandlung der Metaphyfik beftimmt wurden.

Eilfter Abſchnitt.
4
Metaphyfik des Begehrungsvermögens,
oder

Metaphyfik der Sittlichkeit.

§. 1.

Wenn die Kritik des Begehrungsvermögens, oder


der praktiſchen Vernunft überzeugend darge
than hat , dafs die reine Vernunft nothwendige
allgemeine Grundfätze für die Beftimmungen
unfers Willens enthalte ; fo mü