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Kardiologe 2018 · 12:415–423 A. Ghanem1,2 · C. Liebetrau3,4 · H.-C. Diener5 · A. Elsässer6 · A. Grau7 · K. Gröschel8 ·
https://doi.org/10.1007/s12181-018-0277-y H. Mattle9 · S. Massberg10 · H. Möllmann11 · H. Nef3,4 · D. Sander12 · C. Weimar5 ·
Online publiziert: 10. September 2018 J. Wöhrle13 · S. Baldus14
© Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - 1
Abteilung für Kardiologie, Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg, Deutschland; 2 Medizinische Klinik und
Herz- und Kreislaufforschung e.V. Published by Poliklinik II, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland; 3 Abteilung Kardiologie, Kerckhoff Herz und
Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Thorax Zentrum, Bad Nauheim, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK), partner-site
Springer Nature - all rights reserved 2018 RheinMain, Frankfurt am Main, Deutschland; 4 Medizinische Klinik I, Abteilung Kardiologie/Angiologie,
Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Gießen, Deutschland; 5 Klinik für Neurologie, Klinische
Neurowissenschaften, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland; 6 Herzzentrum, Universität
Oldenburg, Oldenburg, Deutschland; 7 Neurologische Klinik, Klinikum der Stadt Ludwigshafen/Rhein,
Ludwigshafen/Rhein, Deutschland; 8 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Mainz,
Mainz, Deutschland; 9 Neurologische Klinik und Poliklinik, Universität Bern, Inselspital, Bern, Schweiz;
10
Medizinische Klinik und Poliklinik I, Ludwig-Maximilians-Universität, München, Deutschland; 11 Klinik für
Innere Medizin I, St.-Johannes-Hospital, Dortmund, Deutschland; 12 Zentrum für Neurologie, Tutzing-
Feldafing, Tutzing, Deutschland; 13 Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Ulm, Ulm,
Deutschland; 14 Klinik III für Innere Medizin, Herzzentrum, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
Interventioneller PFO-Verschluss
Konsensuspapier der Arbeitsgruppe
Interventionelle Kardiologie (AGIK) der
Deutschen Gesellschaft für Kardiologie –
Herz- und Kreislaufforschung (DGK)
gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft
für Neurologie (DGN) und der Deutschen
Schlaganfallgesellschaft (DSG)
Bei rund jedem vierten Erwachsenen ist mit „kryptogenem Schlaganfall“ einge- geale Echokardiographie. Die Sensitivität
autoptisch bzw. echokardiographisch ein schlossen wurden, sollten diese Patienten der Untersuchung steigt mit der Gabe
persistierendes Foramen ovale („patent im Verlauf des Indexaufenthaltes inter- von Kontrastmittel unter Valsalva-Ma-
foramen ovale“, PFO) nachweisbar. Et- disziplinär besprochen werden. Zu dem növer. Der unmittelbare Übertritt von
wa 25 % der ischämischen Schlaganfälle Zeitpunkt, als diese Studien begonnen Echokontrast vom rechten in den linken
treten ohne Nachweis einer wahrschein- wurden, lag noch keine operationale De- Vorhof ist dabei diagnostisch für ein
lichen Ursache (Vorhofflimmern, Karo- finition kryptogener embolischer Schlag- PFO mit induzierbarem Rechts-links-
tisstenose etc.) auf, bleiben also „kryp- anfälle vor. Wir empfehlen trotzdem, die Shunt (. Abb. 1). Als Screeningverfahren
togen“. Bei 40–50 % der Patienten mit in . Tab. 1 dargestellten ESUS(Embolic eines induzierbaren Rechts-links-Shunts
kryptogenem Schlaganfall wird ein PFO Stroke of Undetermined Source)-Krite- kann auch die transkranielle Dopplerso-
diagnostiziert. Insbesondere beijüngeren rien anzuwenden [2]. nographie mit Microbubbles verwendet
Patienten ist somit das Risiko für einen Im Vordergrund der bildgebenden werden [3, 4].
kryptogenen ischämischen Schlaganfall PFO-Diagnostik steht die transösopha-
bei Vorliegen eines PFOs erhöht [1].
Tab. 1 Diagnostische Checkliste: kryptogener Schlaganfall
1 Nachweis der zerebralen Ischämie mittel CT oder MRT und den Ausschluss lakunärer
Diagnostisches Vorgehen Infarkte
vor interventionellem
2 Ausschluss einer Makroangiopathie der hirnversorgenden Arterien (>50 % Lumeneinen-
PFO-Verschluss gung) inklusive der intrakraniellen Arterien
Das diagnostische Vorgehen setzt eine 3 Ausschluss von relevanten kardialen Emboliequellen (z. B. Vorhofflimmern)
gute Zusammenarbeit zwischen Neuro- 4 Ausschluss anderer Schlaganfallmechanismen (z. B. Thrombophilie, Vaskulitis, Kollageno-
se, Dissektion, Drogenmissbrauch)
logie und Kardiologie voraus. Da in die
PFO-Verschluss Studien nur Patienten CT Computertomographie, MRT Magnetresonanztomographie
Tab. 2 Design und Baselinedaten der randomisierten Studien zum PFO-Verschluss beim kryptogenen Schlaganfall
Parameter CLOSURE-I [8] PC Trial [9] RESPECT [10, 11] REDUCE [13] CLOSE [12] DEFENSE-PFO [14]
Patienten (n) 909 414 980 664 663 120
Alter 46 44,5 46 42,2 43,3 51,8
RLS (%) 53 65,6 48,8 81,3 100 53
ASA (%) 36,6 23,7 35,7 20,6 32,8 10
ATH ASA, OAK TFH, OAK TFH, OAK TFH TFH, OAK TFH
OAK (%) 34 31 25 0 28 0
Device STARFlex (NMT Amplatzer PFO Amplatzer PFO Cardioform He- Keine Vorgabe Amplatzer
Medical, Boston, (Abbott, Santa lex (W.L. Gore &
MA, USA) Clara, CA, USA) Associates, Inc.,
Newark, DE, USA)
Endpunkt Schlaganfall, TIA, Tod, Schlaganfall, Schlaganfall, früher Schlaganfall Schlaganfall Schlaganfall, vaskulärer
Tod TIA, Embolie Tod Tod, TIMI-Blutung
Follow-up 44 49 70,8 38,4 63,6 24
(Monate)
RLS mittel oder ausgeprägter Rechts-links-Shunt, ASA atriales Septumaneurysma, ATH antithrombotische Therapie, ASA Acetylsalicylsäure, TFH Thrombo-
zytenfunktionshemmer, TIMI „thrombolysis in myocardial infarction“, OAK orale Antikoagulation, TIA transitorische ischämische Attacke
Tab. 3 Ergebnisse der randomisierten Studien zum PFO-Verschluss beim kryptogenen Schlaganfall innerhalb von 6 Monaten
Schlaganfall
vor Studieneintritt mit Nachweis eines
Parameter CLOSURE-I PC Trial RESPECT REDUCE CLOSE DEFENSE-PFO
[8] [9] [10, 11] [13] [12] [14]
PFO mit Vorhofseptumaneurysma oder
einem großen interatrialen Shunt. Etwa
Schlaganfall M 3,1 2,4 5,8 5,4 6,0 10,5
(%)
zwei Drittel der Patienten hatten lediglich
ein großes Shuntvolumen ohne Vorhof-
Schlaganfall C 2,9 0,5 3,6 1,4 0,0 0
(%) septumaneurysma. Insgesamt wurden
664 Patienten eingeschlossen, 238 er-
TIA (%) M 4,1 3,3 4,8 – – 2,0
hielten einen interventionellen PFO-
TIA (%) C 3,1 2,5 3,4 – – 0
Verschluss, 335 wurden mittels TAH
Tod (%) M 0 0 2,2 0 0 0
behandelt und 187 erhielten eine OAK.
Tod (%) C 0 1,0 1,4 0,5 0 0 Nach einer mittleren Beobachtungszeit
M medikamentöse Behandlung, C PFO-Verschluss, TIA transitorische ischämische Attacke von 5,3 Jahren trat in der interventionel-
len Gruppe kein Schlaganfall auf. In der
Gruppe mit alleiniger TAH wurden 14
RESPECT-Studie oder Vorhofseptumaneurysma profitier- neue Schlaganfälle dokumentiert. Dies
ten besonders stark. entspricht einer relativen Risikoreduk-
Die Langzeitergebnisse der RESPECT- tion durch den interventionellen PFO-
Studie (s. oben) in die Patienten zwischen CLOSE-Studie Verschluss von 97 % (HR 0,03 [95 %-
18–60 Jahren mit kryptogenem Schlag- KI 0–0,26]; p < 0,001). Bei 14 Patienten
anfall und PFO eingeschlossen zeigen, Weitere Evidenz für den Vorteil eines (5,9 %) in der interventionellen Gruppe
dass der interventionelle PFO-Verschluss interventionellen PFO-Verschlusses bei kam es zu Komplikationen, u. a. zu neu
der alleinig medikamentösen Therapie in Patienten mit kryptogenem Schlaganfall aufgetretenem Vorhofflimmern. Hierbei
einem medianen Beobachtungszeitraum und PFO erbrachte die 3-armig rando- wurde Vorhofflimmern/-flattern häufi-
von 6 Jahren überlegen ist [11]. Neue misierte CLOSE-Studie [12]. In dieser ger in der PFO-Gruppe als in den bei-
ischämische Insulte traten bei 18 von 499 Studie wurde der interventionelle PFO- den medikamentös behandelten Grup-
(3,6 %) Patienten in der PFO-Verschluss- Verschluss (Gruppe 1) mit einer OAK pen beobachtet (4,6 vs. 0,9 %; p = 0,02).
Gruppe und bei 28 von 481 (5,8 %) Pati- (Gruppe 2) und der TAH (Gruppe 3) Hinsichtlich der rein medikamentösen
enten in der medikamentösen Therapie- bei Patienten im Alter 16–60 Jahren und Therapie (Gruppe 2 vs. Gruppe 3) gab
gruppe auf. Der interventionelle PFO- stattgehabtem kryptogenen Schlaganfall es keinen Unterschied bezüglich des
Verschluss führte in dieser Studie zu ei- hinsichtlich des Auftretens eines erneu- erneuten Auftretens von Schlaganfällen
ner relativen Risikoreduktion von 45 % ten Schlaganfalls verglichen (primärer (HR 0,44 [95 %-KI 0,11–1,48]; p = 0,18),
(HR 0,55 [95 %-KI 0,31–0,99]; p = 0,046). Endpunkt). Sekundärer Studienend- wobei die hierfür vorab berechnete Fall-
Die Subgruppenanalyse zeigte einen The- punkt war die Kombination von TIA oder zahl in der vorzeitig beendeten Studie
rapieerfolg unabhängig von Alter und systemischen Embolien. Einschlusskrite- nicht erreicht wurde.
Geschlecht. Patienten mit großem Shunt rium war ein kryptogener ischämischer
Tab. 5 Unerwünschte Ereignisse in den randomisierten Studien zum PFO-Verschluss beim kryptogenen Schlaganfall
Parameter Gruppe CLOSURE-I [8] PC-Trial [9] RESPECT [10, REDUCE [13] CLOSE [12] DEFENSE-PFO
11] [14]
Device STARFlex Amplatzer Amplatzer HELEX/ Verschiedene Amplatzer PFO
PFO PFO CARDIOFORM Devices
1. Allgemeine unerwünschte Ereignisse
SAE gesamt (%) M 16,9 17,6 40,3 27,8 33,2 –
C 16,6 21,1 36,0 23,1 35,7 –
p 0,90 0,37 0,17 0,22 0,56 –
Vorhofflimmern oder M 0,7* 1,0 1,5 0,4* 0,9* 0
-flattern (%) C 5,7* 2,9 3,0 6,6* 4,6* 3,3
p <0,001 0,17 0,13 <0,0001 0,02 –
Schwere Blutungen M 1,1 1,4 0,2 2,7 2,1 4,9
insgesamt (%) C 2,6 0,5 0,6 1,8 0,8 0
p 0,11 0,62 0,6 0,57 0,28 0,15
Lungenembolie (%) M 0 0 0,6* 0,4 0 0
C 0 0 2,4* 0,5 0,4 0
p – – 0,034 1,0 – –
2. Prozedur- und okkluderassoziierte Komplikationen
Vorhofflimmern oder C 3,5 0,5 1,4 5,4 4,2 3,0
-flattern (%)
Blutung (%) C 2,5 1 0,6 0,9 0 0
Perikardtamponade (%) C 0 0 0,4 0,2 0 0
Kardialer Thrombus (%) C 1,1 0 0,2 0,5 0,4 0
Kardiale Perforation (%) C 0,25 0 0,2 0 0 0
Okkluder-Embolisation C 0 0 0 0,7 0 0
(%)
Seltene, als prozedur- C 0,5a 0 2,8b 2,3c 1,7d 3,3e
oder okkluderassoziiert
gewertete Komplikatio-
nen (%)
SAE „serious adverse events“, M „medical treatment“, C PFO-Verschluss
*Unterschied signifikant für p < 0,05
a
1-mal periphere Nervenläsion und 1-mal Gefäßverletzung mit erforderlichem chirurgischem Eingriff
b
1-mal Perikarderguss ohne Tamponade, 1-mal allergische Medikamentenreaktion, 1-mal vasovagale Reaktion, 2-mal ischämischer Schlaganfall, 1-mal
Brustengegefühl, 1-mal infektiöse Endokarditis, 2-mal Lungenembolie, 1-mal tiefe Beinvenenthrombose, 2-mal residueller Shunt, der einen erneuten
Verschluss erforderte, 1-mal Sepsis, 1-mal nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardie
c
1-mal Aortendissektion, 1-mal AV-Fistel, 2-mal Hypotension, 1-mal Ängstlichkeit, 1-mal Brustengegefühl, 1-mal nichtkardialer Brustschmerz, 1-mal
Müdigkeit, 1-mal Hemiparese, 1-mal Atemstillstand
d
2-mal supraventrikuläre Tachykardie, 1-mal Luftembolie, 1-mal Hyperthermie
e
1-mal Perikarderguss ohne Tamponade, 1-mal ischämischer Schlaganfall
lem PFO-Verschluss ausgemachtwerden. in den aktuellen Leitlinien eine Dauer- Der interventionelle PFO-Verschluss mit
Ableitend aus den durchgeführten Studi- therapie mit einer TAH empfohlen. einem scheibenbasierten Device ist der
en und der allgemeinen klinischen Pra- alleinig medikamentösen Behandlung
xis wird für die ersten 6 Monaten nach Zusammenfassung dieser Patienten überlegen. Die Kompli-
interventionellem Verschluss die duale kationsrate dieser Intervention ist gering.
TAH mit Clopidogrel 75 mg einmal täg- Aus den randomisierten Studien und Für jüngere Patienten (<60 Jahre) mit
lich in Kombination mit Acetylsalicyl- Metaanalysen in den Jahren 2017 und kryptogenem Schlaganfall und PFO mit
säure 100–325 mg für 1–6 Monate emp- 2018 resultiert ein Paradigmenwechsel relevantem Shuntnachweis ist der in-
fohlen. Hieran schließt sich üblicherwei- in der Sekundärprävention von Patien- terventionelle PFO-Verschluss nun die
se eine Monotherapie mit einer der bei- ten <60 Jahren mit PFO mit moderatem Therapie der ersten Wahl. Dies empfiehlt
den Substanzen für weitere 5–18 Monate oder ausgeprägten Rechts-links-Shunt die neue S2e-Leitlinie „Kryptogener
an [8–14]. Bei Patienten mit zusätzlicher und kryptogenem, ischämischem Erst- Schlaganfall und offenes Foramen ovale“
Manifestation einer Arteriosklerose wird ereignis (Schlaganfall/Systemembolie). – gemeinsamer Konsens der Deutschen