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Musikalische Akustik Version 2017

Kapitel 6

Maßeinheiten der Schallstärke

6.1 Der Schalldruck

Eine Schallquelle, die von Luft umgeben ist, gibt Schalleistung ab und erzeugt da-
durch Luftdruckschwankungen (16 bis 20.000 mal pro Sekunde), die wir als Schall
wahrnehmen. Diese Luftdruckschwankungen, Schallwechseldruck oder kurz Schalldruck
genannt, sind äußerst gering.
Die Maßeinheit für den Druck, also auch für den Luftdruck ist das Pascal.
1 Pascal = 1 Newton / m2
1 Newton (Krafteinheit) entspricht ca. 102 Gramm Gewicht

Der normale Luftdruck beträgt ca. 105 Pascal = 100.000 Pascal = 1000 hPascal,
das entspricht 1,02 kg / cm2 (auf der Erde).
Durch das Wettergeschehen (Hoch-, Tiefdruck) ergeben sich gar nicht selten Schwan-
kungen von 20 hPascal (1 hPascal = 1 hektoPascal = 100 Pa = 1 Millibar).
Dagegen sind die Luftdruckschwankungen beim Schall höchstens 1/100 davon, also
20 Pascal, und damit wäre beinahe schon die Schmerzgrenze erreicht!
Die zweite erstaunliche Tatsache besteht im enormen Schalldruckbereich, den das Gehör
verarbeiten kann:
Von der Hörschwelle (geringster Schalldruck, den man noch hört = 20 µPascal) bis zur
Schmerzschwelle besteht ein Schalldruckbereich von 1 : 1 Million!

Zusammengefasst:

Normaler Luftdruck ca. 1000 hPascal


Wetterdruckschwankungen ca. 20 hPascal
Schmerzschwelle (für Schall) ca. 20 Pascal
Hörschwelle (bei 1000 Hz) 20 µPascal

Der Schalldruck ist in der Akustik eine wichtige Größe, da er

1. in der Praxis gut messbar ist und


2. für den Lautstärkeeindruck maßgebend ist, weil das Gehör ausschließlich auf den
Schalldruck und nicht auf die Schallschnelle reagiert.

Robert Höldrich, Marian Weger IEM - KUG 1


Kapitel 6. Maßeinheiten der Schallstärke Musikalische Akustik

6.2 Die Schallintensität

Eine schwingende Schallquelle enthält Schallenergie. Jene Schallenergie, die pro Zeit-
einheit abgestrahlt wird, ist die Schalleistung, gemessen in Watt (z.B. Lautsprecher-
leistung). Für das Hören genügen geringste Schalleistungen, so erzeugt beispielsweise ein
Orchester im ff etwa soviel Leistung wie eine Glühbirne (ca. 60 Watt).
Für den Schallempfänger ist von Interesse, welchen Anteil der Schalleistung er auf seine
„Empfangsfläche“ (z.B. die Ohrmuschel oder ein Mikrofon) erhält. Diese auf die Fläche
bezogene Schalleistung heißt Schallintensität I, gemessen in Watt / m2 .
Zwischen der Schallintensität und dem Schalldruck (Kap. 6.1) besteht folgender Zusam-
menhang:
I = Schallintensität [Watt/m2 ]
p = Schalldruck [Newton/m2 = Pascal]
c = Schallgeschwindigkeit [m/s]
p2 ρ = Luftdichte [kg/m3 ]
I= Watt/m2
c·ρ ca. 1,21 kg/m3 bei 20°C
c·ρ = Schallkennwiderstand Z der Luft
= ca. 410 [Newton·s/m3 ]
Der Schallkennwiderstand der Luft Z = c · ρ, auch Schallkennimpedanz (engl. cha-
racteristic impedance) genannt, ist eine frequenzunabhängige Materialkonstante und
kann für die bei Musikdarbietungen üblichen Temperaturen mit dem Wert 410 eingesetzt
werden, sodass man die

p2
Schallintensität I = Watt / m2
410

leicht aus dem Schalldruck berechnen kann.


z.B. Schalldruck p = 20 Pa (knapp an der Schmerzgrenze)

440
I= = ca. 1 Watt / m2
410

Welche Schallintensität nun tatsächlich an einer Stelle des Schallfeldes zu hören oder
zu messen ist, hängt ab von:
1. der Energie der Schallquelle
2. der abstrahlenden Fläche
3. dem Medium
4. der Entfernung von der Schallquelle
5. dem Abstrahlsektor
1. Beim Spielen eines Musikinstrumentes wird der Schallquelle einmalig (z.B. Zupfen
einer Saite) oder laufend (z.B. Streichen einer Saite) Energie zugeführt. Die Ener-
gie der Schallquelle (kinetische Energie Ekin = 12 · m · v 2 ) hängt von der Masse
und dem Quadrat der Schnelle des schwingenden Körpers ab.
Die Schnelle ist umso größer, je größer die Amplitude ist, aber auch je größer die
Frequenz der Schwingung ist:

2 IEM - KUG Robert Höldrich, Marian Weger


Musikalische Akustik 6.2. Die Schallintensität

2-fache Amplitude 



oder → 2-fache Schnelle → 4-fache Energie

2-fache Frequenz

Beispiel: Damit der Ton A1 die gleiche Energie wie der Ton a1 enthält, muss er
mit 8-facher Amplitude schwingen (3 Oktaven Unterschied).

Diese großen Amplituden sind bei schwingenden Basssaiten gut zu beobachten.

Dafür, dass die in der Schallquelle enthaltene Energie auch als Schalleistung (= Schall-
energie / Sekunde) abgestrahlt werden kann, sind die nächsten 2 Punkte maßgebend:

2. Zur Übertragung der Schwingungen von der Schallquelle auf das Medium be-
darf es einer genügenden Abstrahlungsfläche. Bei einer schwingenden Saite ist
diese viel zu klein. Daher benötigen Saiteninstrumente zur Vergrößerung der Ab-
strahlungsfläche einen Korpus. Dieser kann durch seine große Fläche wesentlich
mehr Luftteilchen zum Schwingen bringen und damit mehr Energie pro Sekunde
(= Schalleistung) der in der Saite vorhandenen Energie abstrahlen.
(Der Korpus der Saiteninstrumente hat allerdings noch andere Aufgaben, z.B. die
Klangveredelung, siehe Kap. 8).
Aus dem selben Grund wird die Stimmgabel auf eine Platte gesetzt (für Idiophone
eine seltene Ausnahme). Durch die raschere Energieabstrahlung ist eine angeschla-
gene Saite oder Stimmgabel wesentlich lauter zu hören, schwingt allerdings auch
viel kürzer als ohne Korpus.
Auch bei Blechblasinstrumenten wird die abstrahlende Fläche durch den Schall-
becher vergrößert.

3. Für die Fortleitung der Schallenergie (1/2 m·v2) im Medium kommt es neben
der Schnelle auch auf die Masse des Mediums an. Je dichter das von der Schall-
quelle unmittelbar zum Schwingen gebrachte Medium ist, umso mehr Energie wird
weitergeleitet (Uhrticken, das in Luft 3 m weit gehört wird, ist in Wasser 7 m weit
zu hören).
Schall, der einmal in eine Betondecke eingedrungen ist (Trittschall), wird sehr
gut weitergeleitet, daher muss dieses Eindringen durch geeignete Konstruktionen
(„schwimmender Fußboden“) verhindert werden.
Auch für Luft gilt: dichte, kalte Luft leitet besser als dünne, warme Luft.
Ein Teil der in das Medium abgegebenen Energie wird vom Medium absorbiert
(dh. in Wärme umgewandelt).

In Luft hängt diese Absorption von der relativen Feuchtigkeit und von der Frequenz
ab (siehe Abb. 6.1). Bei langen Sälen muss die Dämpfung hoher Frequenzen be-
rücksichtigt werden.

Robert Höldrich, Marian Weger IEM - KUG 3


Kapitel 6. Maßeinheiten der Schallstärke Musikalische Akustik

Abbildung 6.1: Absorption in Luft bei 20°C, in Abhängigkeit von Frequenz und relativer
Luftfeuchtigkeit. [HCU67]

4. Abhängigkeit der Schallintensität von der Entfernung: Bei ungestörter Schallaus-


breitung (= freies Schallfeld, d.h. ohne Hindernisse wie z.B. Reflexionen eines
Raumes) breitet sich der Schall einer punktförmigen Schallquelle nach allen Rich-
tungen gleichmäßig in Form von Kugelwellen aus. Diese Kugelflächen nehmen mit
dem Quadrat der Entfernung von der Schallquelle zu, sodass sich die Schalleistung
auf immer größere Flächen verteilen muss. Die Schallintensität (= Leistung pro
Fläche) nimmt daher mit dem Quadrat der Entfernung zur Schallquelle ab: Abb. 6.2
P
P = I · 4πr2 I=
4πr2

Abbildung 6.2: Abhängigkeit der Schallintensität von der Entfernung r. [Sen98]

Das Gegenstück zum freien Schallfeld bildet das vollkommen diffuse Schallfeld (to-
tal halliger Raum). Hier ist die Schallintensität im ganzen Schallfeld gleich groß.
Das bedeutet, dass man in einem solchen Raum an jeder Stelle gleich laut hört.
Die praktisch vorkommenden Fälle eines Schallfeldes in einem Raum liegen zwi-
schen diesen beiden Extremen:
In der Nähe der Schallquelle nimmt die Schallintensität etwa mit dem Quadrat der
Entfernung ab, und in größerer Entfernung herrscht das diffuse Schallfeld vor.
(Hörbeispiel 7).

4 IEM - KUG Robert Höldrich, Marian Weger


Musikalische Akustik 6.3. Das Schallpegelmaß – Dezibelmaß

5. Häufig wird die Schalleistung nicht in alle Richtungen gleich stark abgestrahlt,
sondern auf einen Sektor konzentriert. Durch den Kegel eines Sprachrohres läßt
sich die Leistung einer Schallquelle in eine Richtung (auf Kosten aller anderen
Richtungen) bündeln.
Die Abhängigkeit der abgestrahlten Schalleistung von der Richtung bezeichnet
man als Richtcharakteristik.
Auch Musikinstrumente haben Richtcharakteristiken. Diese sind meist sehr stark
frequenzabhängig, wie am Beispiel des Cellos in Abb. 6.3 zu sehen ist.1
So ist verständlich, dass die Klangfarbe eines Instrumentes (besonders im Freien
oder in einem hallarmen Raum) von der Richtung abhängt, in der man sich zum
Instrument befindet.
Das ist von großer Bedeutung für die Sitzordnung im Orchester und für die Position
der Mikrofone. Auch der Musiker selbst hört sein Instrument anders als der Zuhörer.

Abbildung 6.3: Hauptabstrahlungsrichtungen des Violoncello in der Horizontal- (oben)


und Vertikalebene (unten). [Dic97]

Bei Hochtonlautsprechern kann der Abstrahlwinkel durch ein Sektoren-Horn ver-


größert werden.

6.3 Das Schallpegelmaß – Dezibelmaß


Der Hörbereich zwischen der Hörschwelle (Schalldruck p = 20 µPa) und der Schmerz-
schwelle (p = 20 Pa) ist ungeheuer groß.
Das Schalldruckverhältnis beträgt 1 : 1.000.000 = 1 : 106
Da der Schalldruck quadratisch in der Schallintensität enthalten ist (Kap. 6.2), ist das
entsprechende Schallintensitätsverhältnis 1 : 1.000.000.000.000 = 1 : 1012 !
1
Die Richtcharakteristik der meisten Instrumente ist im Buch „Akustik und musikalische Auffüh-
rungspraxis“ von Jürgen Meyer angegeben.

Robert Höldrich, Marian Weger IEM - KUG 5


Kapitel 6. Maßeinheiten der Schallstärke Musikalische Akustik

Da so große Zahlen beim Vergleich von Schalldrücken und -intensitäten unübersichtlich


sind, wählt man bei der Maßeinheit dafür statt eines linearen, einen logarithmischen
Maßstab. Damit wird auch die Lautstärkeempfindung insofern berücksichtigt, als diese
nicht im Verhältnis wie der Schalldruck (z.B. von 1 : 106 ) ansteigt.
Beim logarithmischen Maßstab zur Basis 10 (Zehnerlogarithmus) ergeben sich die glei-
chen Einheiten für jede Verzehnfachung:
Wert 1 10 100 1000 10.000
Logarithmus davon 0 1 2 3 4 usw.
Der Logarithmus eines Wertes zählt also die Nullen dieses Wertes (Zwischenwerte liefert
jeder bessere Taschenrechner).
Auf das Schallpegelmaß angewendet, bedeutet das:
Ein Schallintensitätsverhältnis von 10 : 1 100 : 1 1000 : 1
ergibt eine Schallpegeldifferenz von 1 2 3 Bel
bzw. in feineren Stufen: Dezi-Bel 10 20 30 dB
Die Unterteilung des Bel-Maßes in Dezibel ist eine zweckmäßige Anpassung an das
Gehör, weil 1 dB-Unterschiede gerade noch hörbar sind. (Hörbeispiel 12)
Bei gegebenem Schallintensitätsverhältnis I1 /I0 wird die Schallpegeldifferenz L nach der
Formel
I1
L = 10 · log10 [dB]
I2
berechnet.
Beispiel: Gegeben: I1 /I0 = 1000 : 1 Gesucht: Schallpegeldifferenz L
I1
L = 10 · log10 = 10 · log10 1000 = 10 · 3 = 30 dB
I0

Da die Schallintensität mit dem Quadrat des Schalldruckes steigt (Kap. 6.2), gilt für
Schalldruckverhältnisse:

p21 p1
L = log10 2
= 20 · log10 dB
p0 p0

Analog zur Schallintensität gilt für den Schalldruck:


Ein Schalldruckverhältnis von 10 : 1 100 : 1 1000 : 1
ergibt eine Schallpegeldifferenz von 20 40 60 dB
In dieser Form dient das Dezibelmaß immer zum Vergleich zweier Schalldrücke oder
zweier Schallintensitäten – es handelt sich bei der Schallpegeldifferenz also um ein rela-
tives Maß.
Anwendungsbeispiele:
Technische Daten bei allen elektroakustischen Geräten (Verstärker, Kassetten-recorder,
Mischpulte, Mikrofone, Lautsprecher, usw.), z.B.:
Signal-Rauschabstand 60 dB bedeutet: die Schallintensität des lautesten Mu-
siksignals ist 106 mal stärker als die des (gerätebedingten) Störgeräusches.

6 IEM - KUG Robert Höldrich, Marian Weger


Musikalische Akustik 6.4. Addition von Schallkomponenten

Bassanhebung ±20 dB: Die Schallintensität der tieferen Töne kann auf das 100-
fache angehoben oder auf 1/100 abgesenkt werden.
Am Aussteuerungsanzeiger eines Tonbandgerätes oder eines Mischpultes wird
ein Unterschied von 40 dB zwischen lautester und leisester Stelle eines Musik-
stückes (= Dynamik) festgestellt. Die entsprechenden Schallintensitäten verhalten
sich wie 10.000 : 1, die Schalldrücke wie 100 : 1.
Von der Anwendung des dB-Maßes als Vergleichsmaß gibt es einige Ausnahmen, bei
denen es durch Festlegung eines Bezugswertes für I0 oder p0 absolut benützt wird.
Als Vergleichswert kann z.B. die Hörschwelle dienen:
p0 = 20 µPa
bzw. I0 = 10-12 Watt/m2
Bei tontechnischen Anlagen, d.h. wenn das Signal noch als elektrische Spannung vorliegt,
wird oftmals der Spannungspegel angegeben. Der Vergleichswert ist dann eine bestimmte
Referenzspannung, wie z.B. 1 Volt für den LV (dBV) oder 0.775 V für den Lu (dBu).

6.4 Addition von Schallkomponenten

Bei der Addition von Schallkomponenten muss zuerst betrachtet werden, ob die Signale
kohärent oder inkohärent zueinander sind.

6.4.1 Addition kohärenter Signal

Kohärente Signale stammen aus ein und derselben Quelle und haben daher eine stabile
Phasenbeziehung zueinander. Beispiele:
• Monosignal über zwei Lautsprecher
• Übliche Panoramisierung einer Quelle zwischen links und rechts
In diesem Fall können ausschließlich Pegel- und Laufzeitunterschiede auftreten. Die Über-
lagerung beider Signale ergibt sich nach den Interferenzregeln (Kap. 10). Die Amplitude
der Überlagerung zweier gleich starker Signale kann je nach Phasenlage zwei Extremwerte
annehmen:
• doppelt so groß wie jedes Einzelsignal (+6 dB), bei gleichphasiger Superposition,
oder
• 0 (−∞ dB), bei gegenphasiger Superposition.
Die Addition der Schalldruck- oder Spannungspegel zweier kohärenter (und gleichphasi-
ger) Signale ist:  
LA LB
LA+B = 20 log10 10 10 + 10 10

Allgemein ergibt sich bei n kohärenten Signalen:

n
X Li
LGes = 20 log10 10 10
i=1

Robert Höldrich, Marian Weger IEM - KUG 7


Kapitel 6. Maßeinheiten der Schallstärke Musikalische Akustik

Klingt hingegen das selbe Schallsignal L1 mit gleicher Amplitude mehrmals (n mal)
gleichzeitig, so gilt:
LGes = L1 + 20 log10 n

Bei gleichphasiger Superposition zweier kohärenter Signale mit gleicher Amplitude (dop-
pelter Schalldruck) ergibt sich ein Summenpegel von

LGes = L1 · log 2 = L1 + 6 dB ,

also eine Lautstärkeerhöhung um 6 dB. Analog dazu bewirkt eine Halbierung des Schall-
drucks eine Lautstärkeabsenkung um 6 dB:
1
LGes = L1 · log = L1 − 6 dB
2

6.4.2 Addition inkohärenter Signale

Inkohärente Signale stammen aus verschiedenen Quellen oder aus verschiedenen Fre-
quenzbändern einer Quelle. Hier muss keine Überlagerung nach den Interferenzregeln
erfolgen, sondern Leistungsaddition:
 
LA LB
LA+B = 10 log10 10 10 + 10 10

Allgemein ergibt sich bei n inkohärenten Signalen:


n
X Li
LGes = 10 log10 10 10
i=1

Bei Überlagerung zweier inkohärenter Signale mit gleichem Pegel L1 ergibt sich ein
Summenpegel von
LGes = L1 · log 2 = L1 + 3 dB ,
also eine Lautstärkeerhöhung um 3 dB.
Als Daumenregel für den Pegelzuschlag bei zwei inkohärenten Schalldruck- oder Span-
nungspegeln kann folgende Tabelle herangezogen werden:
Pegeldifferenz L1 − L2 (dB): 1 2–3 4–9 ≥ 10
Pegelzuschlag ∆L (dB): +3 +2 +1 0

6.5 Phonmaß und bewertetes dB-Maß


Das bisher behandelte Dezibelmaß (unbewertetes dB-Maß) nimmt nicht auf folgende
Eigenschaften des Gehörs Rücksicht:
Die Empfindlichkeit des Gehörs hängt sehr stark von der Frequenz ab. Im Bereich zwi-
schen 2000 und 5000 Hz ist das Ohr am empfindlichsten; die geringsten Schalldrücke
genügen. In tieferen und höheren Frequenzbereichen sind viel höhere Schalldrücke erfor-
derlich, um den selben Lautstärkeeindruck zu erhalten.

8 IEM - KUG Robert Höldrich, Marian Weger


Musikalische Akustik 6.5. Phonmaß und bewertetes dB-Maß

Abbildung 6.4: Kurven gleicher Lautstärkepegel = Phonkurven für reine Sinustöne. Auf
der senkrechten Achse ist der Schalldruckpegel in dB angegeben (Referenzschalldruck
p0 = 20 µPa). Die waagrechte Achse beschreibt die Frequenz in Hertz. [ST04]

Die Kurven gleicher Lautstärkepegel (= Phonkurven, siehe obige Abb. 6.4) wurden als
Mittelwerte aus Hörtests an Versuchspersonen mit gutem Gehör ermittelt. Als Bezugs-
werte dienten die dB-Werte des 1000 Hz Tones, wobei der kleinste wahrnehmbare Schall-
druck bei 1000 Hz, das sind 20 µPa = 2·10-5 Pa, als Ausgangswert p0 gewählt wurde.
Für jeden dieser dB-Werte wurde nun ermittelt, wie stark der Lautstärkepegel bei den
Frequenzen unterhalb und oberhalb des 1000 Hz Tones sein muss, damit die Versuchs-
personen ihn gleich laut wie den 1000 Hz Ton hören. Bewegt man sich also mit einem
Sinuston von 20 Hz aufsteigend eine Phonkurve entlang, so muss dieses Glissando stets
gleich laut sein.
Die Phonkurven werden manchmal auch Fletcher-Munson-Kurven genannt, nach der ers-
ten Messung dieser Art durch Fletcher und Munson um 1933. Die in 6.4 dargestellten
Kurven beruhen auf neueren Messungen von 2003 (siehe [ST04]) und bilden die Basis
für den internationalen Standard ISO 226:2003.
Beispiel: Aus der 20-Phonkurve kann man ablesen:
Verglichen mit dem 1000 Hz Ton (20 dB) sind beim 150 Hz Ton ca. 40 dB und beim
30 Hz Ton ca. 80 dB Schalldruckpegel notwendig, um diese drei Töne gleich laut zu hören.
Ein Pegelzuwachs von 20 dB bedeutet einen 10-fachen Schalldruck; ein Pegelzuwachs
von 60 dB führt demnach zum 1000-fachen Schalldruck. Der 30 Hz Ton muss also im

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Kapitel 6. Maßeinheiten der Schallstärke Musikalische Akustik

Vergleich zum 1000 Hz Ton bei 20 dB mit 1000-fachem Schalldruck gespielt werden,
um gleich laut empfunden zu werden.

Die Fläche zwischen der unteren Grenze (Hörschwelle) und der oberen Grenze (Schmerz-
grenze) aus Abb. 6.4 wird Hörfläche genannt. Sie beschreibt den gesamten für den
Menschen wahrnehmbaren Frequenz- und Lautstärkebereich. Musik und Sprache bewe-
gen sich jedoch vorwiegend in einem Teilbereich in der Mitte der Hörfläche.

Abbildung 6.5: Hörfläche: Die Fläche zwischen Hörschwelle und Schmerzgrenze.

Wie aus Abb. 6.4 zu sehen ist, verlaufen die Kurven für geringe Lautstärken viel stärker
gekrümmt als für höhere Lautstärken, d.h. die erforderlichen Lautstärkepegelunterschiede
für gleich lautes Hören aller Frequenzen sind bei geringer Phonzahl viel größer. Das hat
z.B. praktische Auswirkungen beim Radio hören: Will man Musik sehr leise hören und
dreht daher den Lautstärkeregler zurück, so wird dadurch der Pegel aller Frequenzen
gleich stark zurückgenommen und dadurch Tiefen und Höhen zu stark (evtl. sogar unter
die Hörschwelle) abgesenkt. Daher haben gute Geräte für diesen Zweck eine Loudness-
Taste (oder einen Regler), wodurch Tiefen und Höhen wieder angehoben werden.
Für praktische Messungen von Lautstärkepegeln waren die Phonkurven zu kompliziert.
Daher verwendet man in den Schallpegelmessgeräten standardisierte Kurven, meist
die Kurve A und bezeichnet das Messergebnis dann mit dB(A) = bewertetes dB-Maß.

10 IEM - KUG Robert Höldrich, Marian Weger


Musikalische Akustik 6.5. Phonmaß und bewertetes dB-Maß

Die Bewertungskurve A war für gerin-


ge Lautstärken (ca. 40 Phon), die Kur-
ve B für mittlere (ca. 70 Phon), die
Kurve C für höhere (ca. 100 Phon)
Lautstärken gedacht, praktisch wird
fast immer mit der Bewertungskur-
ve A gemessen.
Kurve D dient zur Messung von Flug-
zeuglärm.
Wie beim Phonmaß dient auch hier
der Schalldruck von 20 µPa bei
1000 Hz als Bezugswert.

Abbildung 6.6: Bewertungskurven.

Beispiel: Bei 200 Hz zeigt ein auf die Bewertungskurve A eingestellter Schallpegelmesser
um 10 dB weniger als beim unbewerteten dB-Maß.
Das bewertete dB-Maß unterscheidet sich also in 2 Punkten vom unbewerteten dB-Maß:

1. Das bewertete dB-Maß ist ein absolutes Maß (Bezugsschalldruck p0 = 20 µPa)


2. Es berücksichtigt die Frequenzabhängigkeit der Lautstärkeempfindung des mensch-
lichen Gehörs in Form der Bewertungskurven.

Seine Anwendung ist überall dort sinnvoll, wo es den Menschen betrifft und nicht Geräte
(für die der Schallpegel und nicht die Gehörkurven des Menschen maßgebend sind).
Insbesondere Lärmmessungen werden mit dem bewerteten dB-Maß durchgeführt, aber
auch Lautstärkeangaben in der Musik sind mit diesem Maß sinnvoll.

Tabelle 6.1: Beispiele für Lautstärken in dB(A):

0 dB(A) Hörschwelle
10 Atmen
20 leises stimmloses Flüstern (1m Entfernung)
30 ppp Flageolett-Gitarre, Streichen über Papier
40 pp Violine, pp Klarinette, Konzertsaal mit Publikum
50 pp Oboe, pp Fagott
60 pp Trompete, leise Unterhaltungssprache
70 ff Violine, Straßenbahn
80 ff Klarinette, Fagott, Lkw
90 ff Trompete, Motorrad
100 ff Orchester, Presslufthammer (10m)
110 Diskothek
120 Rockkonzert (Schmerzschwelle)
130 Flugzeug (3m)
160 Raketenstart
Alle Instrumente wurden in 9 m Entfernung in einem Studio mit 1,5 Sek. Nachhall gemessen; ff -Werte in dB(C).

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Kapitel 6. Maßeinheiten der Schallstärke Musikalische Akustik

Als Dynamik bezeichnet man den Unterschied zwischen leisestem und lautestem Ton
eines Instrumentes.

Tabelle 6.2: Durchschnittlicher dynamischer Umfang einiger Instrumente:

pp dB(A) ff dB(C) Dynamik dB


Violoncello 40 - 75 35
Flöte 60 - 80 20
Trompete 64 - 90 26
Klarinette 40 - 80 40
Pauke 40 - 98 58
Die eigentlich nicht korrekte Differenzbildung zwischen dB(A) bei pp und dB(C) bei ff wurde gewählt, weil sie recht gut
dem Lautstärkeunterschied in Phon entspricht.

Besonders großen dynamischen Umfang haben Klarinette, Posaune und Pauke, geringe-
ren Umfang haben z.B. Flöte und Cembalo.
Der Dynamikumfang hängt jedoch auch von der Tonhöhe/Lage ab. Während die Schall-
pegel und der verfügbare Dynamikbereich bei Streichinstrumenten weitgehend unabhän-
gig von der Tonhöhe sind (Abb. 6.7 oben), so nehmen diese bei Blasinstrumenten in der
Regel mit der Tonhöhe zu (Abb. 6.7, [Wei14, S. 181]). Eine Ausnahme bilden hierbei
Blechblasinstrumente, wie die Trompete (s. Abb. 6.8), bei denen hohe Töne nur mit
relativ hoher Lautstärke gespielt werden können kaum leise gespielt werden können: Der
leisest mögliche Ton in hoher Lage ist hier genau so laut, wie der lautest mögliche Ton
in tiefer Lage.

Abbildung 6.7: Schallleistungspegel im pp und im ff in Abhängigkeit von der Tonhöhe


über den Tonumfang für eine Violine und eine Querflöte [Wei14, S. 181].

12 IEM - KUG Robert Höldrich, Marian Weger


Musikalische Akustik 6.5. Phonmaß und bewertetes dB-Maß

Abbildung 6.8: Dynamikumfang der Trompete in Abhängigkeit der Lage.

Für die musikalische Dynamik eines Orchesters können etwa folgende dB-Werte ange-
nommen werden:
ppp pp p mp mf f ff fff
40 50 60 68 76 84 92 100 dB(A)
Ein Orchester hat also einen dynamischen Umfang von 60 dB. Nicht alle Musikgattungen
oder Besetzungen haben einen derartigen Umfang. Besonders geringe Dynamik haben
z.B. Marsch-, Tanz-, Disko- und Popmusik.
Ein großer dynamischer Umfang (z.B. 60 dB beim Orchester) führt zu Schwierigkeiten
bei Rundfunkaufnahmen und zwar nicht aus technischen Gründen (mit der derzeitigen
Aufnahmetechnik sind 60 dB Dynamik ohne weiteres zu bewältigen), sondern weil dem
Radiohörer 60 dB Dynamik (= Orchester im Wohnzimmer) nicht zumutbar ist.
Daher muss bei Platten- oder Tonbandaufnahmen eine Komprimierung der Dynamik
erfolgen.
Dazu gibt es folgende Möglichkeiten:
1. Der Begrenzer regelt alle Pegel, die einen einstellbaren Schwellwert überschreiten,
automatisch auf diesen zurück. Für Musik ist dies kaum vertretbar (siehe Hörbei-
spiel 13), er dient hauptsächlich als Schutzbegrenzer zur Verhinderung von Über-
steuerungen (meist in Kombination mit einem Kompressor), aber auch bei Sprach-
aufnahmen, die lauter (und damit verständlicher) aufgenommen werden können,
wenn er die Pegelspitzen zurückregelt. (Einen Ausnahmefall der Begrenzeranwen-
dung in der Musik stellt auch die Erzeugung einer Sustain-Phase bei E-Gitarren
dar).
2. Der Kompressor engt die Dynamik einer Musikdarbietung dadurch ein, dass er
automatisch leise Pegel anhebt und mit wachsendem Pegel diese Verstärkung all-
mählich auf 0 dB zurücknimmt. Übergänge von piano zu forte kann er sehr rasch
regeln, von forte zu piano werden längere Rücklaufzeiten eingestellt, da er sonst
Ausschwingvorgänge und Nachhall durch Hochziehen verfälschen würde.
Eine Dynamikkompression findet auch bei Rauschunterdrückungsverfahren (wie
Dolby oder dbx, usw.) während der Aufnahme auf Tonband statt. Bei der Wieder-
gabe erfolgt die entsprechende Dynamikexpansion, wobei das leise Bandrauschen
noch leiser wird.
3. Die händische Regelung durch den Tonmeister kann künstlerische Gesichtspunk-

Robert Höldrich, Marian Weger IEM - KUG 13


Kapitel 6. Maßeinheiten der Schallstärke Musikalische Akustik

te am besten berücksichtigen, da diesem der Lautstärkeverlauf eines Werkes aus


der Partitur bekannt ist (Ausnahme: improvisierte Musik) und er auch Regelun-
gen, die von Kompressorkurven abweichen, vornehmen kann. Soll beispielsweise ein
Crescendo möglichst unverfälscht erhalten bleiben, so kann man in Erwartung des
Fortissimos den Pegel schon vorher kaum merklich langsam herabregeln (Abb. 6.9).

1 Pegelverlauf des Orchesters


4 Regelung durch Begrenzer
3 Regelung durch Kompressor
2 Regelung durch Tonmeister

Abbildung 6.9: Möglichkeiten der Pegelregelung


zur Dynamikkompression. [Web07]

6.6 Lautheit und Sonemaß


Die Lautheit ist ein Begriff aus der Psychoakustik und bedeutet die Stärke einer Schall-
empfindung.
Die Maßeinheit der Lautheit ist das Sonemaß.
Es beruht auf der Annahme, dass eine Zunahme von 10 Phon eine Verdopplung der
Laut-stärkeempfindung (der Lautheit) und damit der Sone-zahl bewirkt.

Als Ausgangspunkt wurde dabei die Laut-


heit eines 1000 Hz-Tones mit 40 Phon
gleich 1 Sone festgelegt. Bei praktischen
Messungen mit Versuchspersonen erge-
ben sich leichte Abweichungen von der
Geraden.
Im Gegensatz zu dB-Werten können
Sone-Werte mehrerer Schallquellen unter
gewissen Bedingungen addiert werden.

Abbildung 6.10: Sonemaß.

14 IEM - KUG Robert Höldrich, Marian Weger


Musikalische Akustik Version 2017 Literatur

Literatur

[Dic97] Michael Dickreiter. Handbuch der Tonstudiotechnik. K. G. Saur, 1997.


[HCU67] Cyril M Harris, George C. Marshall Space Flight Center und Columbia Univer-
sity. „Absorption of sound in air versus humidity and temperature“. English.
In: (1967). „Prepared under contract no. NAS 8-11002 by Columbia Univer-
sity ... for George C. Marshall Space Flight Center.“
[Sen98] Eberhard Sengpiel. Pegelabnahme von Schalldruck und Schallintensität
mit der Entfernung. Nov. 1998. url: www . sengpielaudio . com /
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Robert Höldrich, Marian Weger IEM - KUG 15

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