Sie sind auf Seite 1von 54
J. Prwz, Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen 79 arbeiten, Fir diese Arbeit bieten sich heutautage auch verschiedene technische Errungenschaften an, nicht zuletzt auch mechanisierte Kartotheken. Sehr wiinschenswert ist auch die Organisation einer gegenseitigen Unterstiitzung der Forschung auf internationaler Ebene. Prag K. HorAtex Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddanischen Inseln 1. Einleitung Die Frage nach dem Vorliegen slavischer Spuren in Orts- und Per- sonennamen der siiddanischen Inseln hat schon lange die Aufmerksam- keit von Historikern und Linguisten auf sich gezogen. Bereits vor tiber hundert Jahren beschiiftigte sich F. Screen zum ersten Mal mit diesem Problem. In der Folge sind besonders Untersuchungen von J. Sreens- rrvr, M. Kristensen, L. Koozy, Sr. Sawicxr und der von A. BsER- Rum und Cu. Lisse bearbeitete 11. Band der Reihe ,,Danmarks Sted- navne” zu nennen. Zulett gab W. THoRNDAHL im Jahre 1963 in zwei Beitragen einen umfassenden Uberblick iiber den Stand der Diskus- sionen, wobei er feststellte (Slaw. Nig. 63, S. 69 f.), da8 trotz aller zwei- follos fruchtbaren Bemithungen auf diesem Gebiete diese Frage vor allem aus linguistischer Sicht nach wie vor nicht befriedigend geklart sei. In der Tat bietet die Lésung dieser Frage besondere Schwierigkeiten. Die historischen Quellen schlieSen zwar die Annahme einstiger slavi- scher Niederlassungen auf stiddinischen Inseln nicht aus, geben aber keinen einzigen sicheren Hinweis auf ihr einstiges Bestehen. Die dini- sche Sprache hat besonders in der ersten Halfte unseres Jahrtausends und gerade in den stiddinischen Inseldialekten einschneidende Ver- ainderungen durchgemacht, wie Schwachung und Schwund unbetonter Vokale und einen starken Wandel der intervokalischen VerschluBlaute bis zu ihrem vélligen Schwund, die sogenannte dinische Klusilachwii- chung. Dadurch ergibt sich vielfach, besonders bei Fehlen alter Belege, eine groBe etymologische Mehrdeutigkeit von Namensformen. Von allen in Frage kommenden Namen ist in dem altesten umfassenden dinischen Orteverzeichnis, dem Landbuch Waldemars aus dem 13. Jh., lediglich 80 J. Prisz ein Name sicher belegt. Im Gegensatz zu den chemals slavischen Gebieten Ost- und Mitteldeutschlands fehlen hier also Belege der in Betracht kommenden Toponyme aus der Zeit, als ein slavisches Element méglicherweise noch lebendig war, fast véllig. Die Arbeiten tiber die zum Vergleich in erster Linie in Betracht kommenden ostseeslavischen Dialekte basieren ihrerseits wieder vor allem auf der Auswertung des betreffenden, gewdhnlich mehr oder minder germanisierten Namen- materials; der sich ergebende ostseeslavische Wortschatz ist also sehr beschrinkt, formenmiiig oft nicht ganz gesichert und bedarf der Er- ginzung durch Heranziehung des Wortschatzes anderer slavischer Idiome. Es ist deshalb kein Wunder, daB sich bei dem zu behandelnden Problem das sehr niitzliche und hier bis jetzt fast ausschlieBlich an- gewandte Verfahren der slavischen Namenparallelen aus anderen Ge- bieten fur sich allein als unzureichend erwies. ‘Nun sind seit der Zeit, als Krisrensen, Koczy und Sawtoxt ihre Uberlegungen anstellten, in der slavischen Namenforschung eine be- achtliche Reihe wichtiger neuer Gesichtspunkte und Verfahren erar- beitet worden, die auch fir unser Problem neue Perspektiven eréffnen. Auch wurden wohl zu viele Erscheinungen und Unterschiede der laut- lichen Entwicklung und auch der Schreibung der Namensformen un- berticksichtigt gelassen. Es erscheint deshalb zweckmiiBig, dieses Problem in einem weiteren Rahmen zu betrachten. 2. Die in Betracht kommenden Namensformen Gegenstand dieser Untersuchung sind Orts-, Flur- und Personen- namen der siiddanischen Inseln, die sich hinsichtlich des Namen- stammes, etwa Dalgehavns Mark zu ossl. *délg ,,lang”, Kampidtze 20 pom. kgpa ,,Werder, inselartig aus Sumpf hervorragendes Geliinde u. a”, oder wegen der verwendeten Formantien, etwa Binnitse, Ku- ditse, Tillitse mit alt belegtem -itse aus ossl. -ica, -ici, -iite mit slavischem Sprachgut in Verbindung bringen lassen, vgl. das Namensregister am Schlu8 dieser Untersuchung. Da die dinische Lautentwicklung vielfach praktisch zu einem laut- lichen Zusammenfall von Namen slavischen und dinischen Ursprungs fiihren kann, ein Umstand, der besonders bei unzureichender histori- scher Uberlieferung ins Gewicht fallt — vgl. etwa Billitse Holme neben Bildtz Ager zum din. PN Bille, Bilde bzw. zum slav. Toponym * Bélica, * Bllici (aus -ifj-), § 8.2.c usw. — erschien es angebracht, auch diejenigen ‘Namen zu behandeln, bei denen sich im Laufe dieser Untersuchung die Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddiin. Inseln 81 ‘Méglichkeit oder Wahrscheinlichkeit eines danischen Ursprungs ergibt. Ortsnamen der vorliegenden Art, die sich nicht durch Belege aus der Zeit der Entstehung der betr. Siedlungen eindeutig motivieren las- sen, sind zuniichst einmal grundsiitzlich mehrdeutig, Dasselbe gilt analog fiir Personennamen, die sich weder in der belegten Form ein- deutig mit den Mitteln einer gegebenen Sprache erkléren lassen noch in dem sprachlichen und historischen Milieu, in dem sie auftreten, be- griindet erscheinen. Es kann kein Zweifel dariiber bestehen, da8 sich solche Namen in vielen Fallen nur mit mehr oder minder groBer Wahr- scheinlichkeit deuten lassen, und da8 vielfach auch bei sorgfiltiger Analyse mehr als eine Lésungsméglichkeit bestehen bleiben kann, be- sonders wenn, wie im vorliegenden Fall, nur ein recht knappes Namen- material zur Verftigung steht. Der Grad der Wahrscheinlichkeit der an sich méglichen Lésungen fiir solche mehrdeutigen Namen ergibt sich aus dem Grad, in dem sie sich in ein durch sprachliche, historische, geographische und andere Tatsachen vorgegebenes System einfiigen lassen. Durch die Synthese eines solchen Systems werden von vornherein eine groBe Zahl zuniichst an sich méglicher Lésungen nahegelegt oder unwahrscheinlich gemacht; und die unumggngliche abschlieBende Erérterung der einzelen Namen wird von sich wiederholenden Darlegungen fiir mehrere Namen gel- tender Gesichtspunkte entlastet. 3. Der historische Aspekt Der geschichtliche Hintergrund, vor dem sich die Entstehung sla- vischer Siedlungen auf stiddiinischen Inseln vollzogen haben kinnte, ist unter anderem in den im Quellenverzeichnis zitierten Arbeiten von J. Sreensreur, Koozy und Sawickt anschaulich dargestellt, so daB es hier geniigt, die wesentlichen Gesichtspunkte zusammenzufassen und die fiir die Lésung der gesteliten Aufgabe notwendigen Schliisse zu ziehen. Ein slavisches Element konnte hier durch Griindung autonomer slavischer Gemeinwesen auf dem Wege der Eroberung oder der Inbe- sitznahme herrenlosen Landes entstehen. Voraussetzung hierfir wire eine entsprechende Entwicklung vor allem der ostseeslavischen See- fart, von der aber nach den geschichtlichen Zeugnissen vor dem 11. Jh. keine Rede sein kann. Nach dem 11. Jh. ist jedoch die historische Uber- ‘Zoltechrift f. lav, Philologie, Ba, XXXUT/1 6 82 J. Prinz lieferung schon so zusammenhiingend, da8 sie ein so spektakulares Ereignis, wie die Griindung autonomer, also in politischer Hinsicht slavischer Gemeinwesen auf den siiddinischen Inseln schwerlich mit Stillschweigen dibergangen hiitte, selbst wenn diese nicht auf dem Wege der Eroberung, sondern der Inbesitznahme brachliegenden Landes entstanden waren, denn in beiden Fallen hiitte dies die Herauslésung von Gebieten aus der dinischen staatlichen Gemeinschaft bedeutet. Die historischen Quellen erwahnen aber an keiner Stelle die Griindung slavischer Niederlassungen auf inseldinischem Boden. Andererseits weisen sowohl indirekte (Saga’s, archiiologische Funde) wie direkte historische Quellen auf alte, auch inseldinisch-slavische Kontakte hin. Hier sind zu nennen die Griindung von Rec, BRANDEN- use (Oldenburg/Wagrien) und Jomszure (Wollin) im 9./10. Jh., das Auftreten slavischer Namen in den dinischen Kénigsfamilien, die Ver- wicklungen Dinemarks in die Geschicke der Ostseeslaven zur Zeit der Wendenfiirsten Gottschalk und Heinrich, die Zeit der Wendenziige im 11. und 12. Jh., die zur Verwiistung groBer Teile Danemarks fiihrte, und die Eroberung Riigens unter Kénig Waldemar. Wendische Krieger und Kriegsverbiinde werden bei dinischen Unternehmungen erwihnt und umgekebrt (Steen. Vend. 12, 36, 37 usw.). Es ist durchaus damit zu rechnen, da hierbei Slaven als Lohn fiir geleistete Kriegsdienste, als Kriegsgefangene oder auf anderem Wege in Dinemark eine neue Heimat fanden, Vgl. hierzu eine ahnliche Erklérung der Entstehung slavischer Streusiedlungen, vorzugsweise mit Siedlungsnamen mit den Namengliedern -winden, Windisch- u. i., auBerhalb des Gebietes kom- pakter slavischer Siedlungen in Nordostbayern bei Scuwarz NOB 8. 344 f, Auch die von Saxo Grammaticus hervorgehobene Entvilke- rung der diinischen Ostseekiiste durch die oben erwahnten Wendenziige konnte die Ansiedlung von Slaven auf dinischem Boden begiinstigen, ebenso wie das teilweise fast an Verrat grenzende Verhiiltnis der Be- vélkerung von Lolland und Falster zu den Wenden in dieser Zeit - so bewahrten die Bewohner von Falster den Wenden sogar ihre Kriegs- gefangenen auf (Saxo Gesta Danorum 739). Allerdings ist 2u betonen, daB gerade Falster und Lolland von der erwahnten Verwiistung weitaus am wenigsten betroffen waren. SehlieBlich sei noch die Ansicht L. Ko- cays erwihnt, derdie Entstehung slavischer Siedlungen auf den stiddini- schen Inseln in die Zeit nach der Eroberung Riigens und der pommer- schen Kiiste durch die Danen verlegt und mit Recht den geringen Umfang dieser Kolonisation betont. Die historischen Quellen geben also keinen konkreten Anhaltspunkt tiber die Zeit der Griindung etwaiger Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddiin. Inseln 83 slavischer Siedlungen. Inwieweit hier das Fehlen oder Vorhandensein von Namen in Kénig Waldemars Landbuch einschl. der sogenannten Falsterliste oder die Ortsnamenformen selbst (Koceliz/Korselitse mit Umlaut, Binnitse mit Kureform eines christlichen Vornamens ?) Aus- kunft geben kénnen, wird weiter unten zu besprechen sein. Als siedelnde slavische Sprachgruppe kommen nach den historischen Quellen fiir die spitere Periode vor allem die Ostseeslaven in Betracht, fiir die dltere Periode ist namentlich im Hinblick auf eine diesbeziig- liche Rolle der Jomswikinger ein ostlechitisches Element nicht auszu- schlieBen. Hier kann man als umgekehrtes Beispiel auf die wohl skan- dinavische Herkunft des Geschlechts der Habdank und einiger ihrer Na- men im Polen der friihen Piastenzeit verweisen, vgl. dazu M. VasMER in Ztschr. f. Osteur. Gesch. 6, S. 11 f., und zuletzt E. Mosxo au den Habdank-Namen Jaszezolt, Jaskuld usw. in Poradnik Jezykowy (1964) 4, 165-169. Dieser Gesichtspunkt spielt bei der Erklérung des schwer motivierbaren ,,c” des Stammes in Kocaliz | Korselitse eine Rolle, das ostlechitisch ein ,,t” vor palatalem Vokal vertreten kénnte. Auf jeden Fall gewinnt man aus den historischen Angaben das Bild, daB etwaige slavische Elemente infolge der langandauernden engen slavisch-dinischen Kontakte auf dem Wege einer allmiblichen Ein- sickerung baw. Unterwanderung, kaum aber auf dem Wege der Griin- dung autonomer slavischer Gemeinwesen auf die stiddinischen Inseln gelangt sind. Es wird im folgenden zuniichst zu untersuchen sein, in- wieweit Verteilung, Art und Struktur der hier auftretenden Toponyme dem Bilde bekannter slavischer Unterwanderungsgebiete und vor allem der Annahme einer Unterwanderung tiberhaupt entsprechen. 4. Der Reflex der Unterwanderung in der Ortenamen- gebung Es wurde in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, daB sich die slavischer Herkunft verdichtigen Namen auf den Siiden Lol- lands und Falsters mit dem Schwerpunkt um den Redby-Fjord an der Siidktiste Lollands konzentrieren, wobei der Rodby-Fjord als natiir- licher Hafen und Kommunikationspunkt mit der slavischen Welt jenseits der Ostsee erscheinen witrde. Ein slavisches Element auf Mon wurde nur von ScHTERN angenommen und in der Folge gewéhnlich ausgeschlossen. o 84 J. Priwz, 4.1, Betrachtet man die Siedlungskarte DS 11, S. X fiir die Ver- tretungen der iiltesten dinischen Namentypen auf -inge, -wm, -lev, -lose, -sted, so ist fiir den Zeitpunkt des praktischen Erléschens ihrer Produktivitat etwa um 1000 bereits wenig Platz fiir die Unterbringung eines geschlossenen slavischen Siedlungsgebietes. Vergleicht man dann die Verteilung der etwas jiingeren, bis in die christliche Zeit hinein lebendigen Schicht von Namentypen auf -torp, -by, -bolle, -tofte nach der Karte DS 11, XI, so bleibt fir die Annahme autonomer slavischer Siedlungsgebiete kein Raum mehr. Die wenigen von den vorsichtigen und niichternen Bearbeitern von DS 11 fiir eine wahrscheinliche slavi- sche Herkunft in Anspruch genommenen Siedlungsnamen auf -itse der Karte S. XI kénnen schon wegen ihrer geringen Zahl keine ge- schlossenen slavischen Gebiete ergeben und gehen in der Uberzahl echt danischer Bildungen véllig unter. Das sich hieraus ergebende Bild bestitigt die im vorhergehenden Abschnitt aus den Angaben der historischen Quellen gezogene Folge- rung, da autonome slavische Gemeinwesen auf dem Boden sitddiini: scher Inseln kaum je bestanden haben. Das sporadische Auftreten sla- vischer Herkunft verdiichtiger Siedlungsnamen hingegen lat eine mehr oder minder begrenzte slavische Unterwanderung als méglich erscheinen. Nimmt man die von DS nicht beriicksichtigten Siedlungs- namen und die Flurnamen méglicher slay. Herkunft hinzu, so kann von einer Konzentration um den Redby-Fjord, wie sie zur Annahme einer slav, Invasion passen wiirde, keine Rede mehr sein. Es ergibt sich vielmehr eine recht regellose Verteilung der slavischen Ursprungs verdiichtigen Toponyme, wie sie im Falle einer relativ schwachen sla- vischen Unterwanderung auch zu erwarten ist. 4.2. Als Parallele kann man hier Beobachtungen von H. NAUMANN in Slaw. Nfg. S. 88-94 fiir das an den ehemals geschlossen slavischen Raum Nordostbayerns westlich anschlieBende Randgebiet heranziehen, das im Sinne der vorliegenden Untersuchung als Unterwanderungs- gebiet zu bezeichnen wire. Kennzeichnend ist das auch nach der iilte- sten Uberlieferung verstreute, nicht riéumlich kompakte Auftreten von Siedlungen mit Zeugnissen slavischen Einflusses. Dabei kann ein einstiges slavisches Element, abgesehen von Namen, die durch ihren Lautkérper slavische Herkunft bezeugen, erkennbar sein: 1. An der urkundlichen Erwahnung slavischer Einwohner bei deutschen Orts- namen — derartige Angaben feblen fiir die stiddinischen Inseln; 2. am Auftreten sogenannter Mischnamen aus einem slavischen Personen- ‘Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddin. Inseln 85 namen und einem deutschen Zweitglied, Kéltmannsdorf, 1109 Chote- maresdorf zum slav. Vornamen Chotimir (Naumann S. 89) - ist hier nicht sicher feststellbar; 3. am Auftreten von Namen mit den Elementen -winden, -wenden, Windisch-, etwa Bernhardswinden, 1288 Bernoltes- winden (Naumann §. 89) ~ fiir unser Gebiet mehrfach belegt durch Vindeby. Es sei bemerkt, daB Typ 1 und 2 auch im Gebiet kompakter slavischer Siedlung auftreten. Vgl. hierzu Scuwanz NOB S. 336 ff, der S. 343, 344, 354, 355 das fiir Namen mit den Bestandteilen -winden, Windisch- u. a. typische Auftreten auferhalb des Gebiets kompakter slav. Siedlungen treffend charakterisiert und begriindet. Eine weitere Parallele fir slavische Unterwanderung bietet der Siidrand der Karpatoukraine und des angrenzenden slovakischen Ge- biets. Es ist kaum zu bestreiten, dai sich, beginnend mit dem 14. Jh., die ostslavische Bevélkerung vor allem als lindliche Arbeitskraft in den chemaligen ungarischen Komitaten Méramaros, Ugocsa, Bereg, Ung und Zemplén immer weiter nach Stidwesten vorschob (vgl. OstUng. V, 402), ohne da8 sich diese Bewegung, die tibrigens bereits mit dem 17. Jh. wieder riickliufig wurde (Remagyarisierung), in den Siedlungsnamen mebralsdurch sporadische Formen bemerkbar gemacht hatte. Sogar tief im slavischen Gebiet erscheinen Formen wie Komloia, Kr. Bardejov (Bartfeld), Slowakei, Chr. 275, zu ung. koml6 ,,Hopfen”, ohnedaBsich dazu bis 1945 bei voll ostslavischer Bevolkerung eineentspr. Ableitung von slav. chmel- durchgesetzt hatte. Gute Belege gibt hier auch I. Siros in Studia Slavica (Budapest) 9 (1963) 211-227 fiir das unga- risch-slavische Grenzgebiet von Michal’any, Kr. TrebiSov, Slowakei. 4.3. Sehr viel gréBer als die Zahl dor mit einem slavischen Bevél- Kerungselement in Verbindung zu bringenden Siedlungsnamen ist bereits die Zahl entsprechender Flurnamen, obwohl hier dem Verfasser im wesentlichen nur die zum groBen Teil unter negative Vorzeichen ausgewahlten wenigen von Sawioxr nach den Markboger des 17. Jh.s tiber unverdffentlichte Flurnamensammlungen zitierten Namensfor- men zur Verfiigung standen. Eine Durchsicht dieser Quellen kénnte die Zahl von Flumamen miglicherweise slavischen Ursprungs sehr gut erheblich vergréGern. Hinsichtlich der Verbreitung dieser Flurnamen ist festzustellen, daB sie weitgehend in Gemarkungen von Orten mit rein dénischem Namen auftreten, man vgl. etwa Dalgehavns Mark, Gemarkung von Gedsergaard, Falsters Sonder-Herred. Wohl nur infolge der Begrenzt- heit der verfiigbaren Informationen beschriinken sie sich vor allem 86 J. Prinz auf den auch durch Siedlungsnamen vertretenen Sonder-Herred von Falster und sind, kaum durch Zufall, auf Mon gut vertreten. DaB die Sprache eines unterwandernden Volkstums sich sehr viel eher der Flurnamen als der Namen der eigentlichen Siedlungen be- miichtigt, namentlich wenn, wie hier, diese Unterwanderung wohl relativ schwach war, ist eine Erscheinung, die sich auch fiir die bereits herangezogenen Parallelgebiete belegen lift. Hinerseits sei auf den Aufsatz von B. MOLLER in Slaw. Nfg. 63, 110-118, verwiesen, der fiir den Kreis Heiligenstadt, also ein Gebiet rein deutschen Gepriiges mit aus- gesprochen schwacher slavischer Unterwanderung, doch neben einigen in dieselbe Richtung weisenden Winden-Namen auch eine kleine Zahl wohl slavischer Flumamen bei vélligem Fehlen von Namen lebender Siedlungen slavischen Ursprungs feststellt. Andererseits sei neben dem bereits erwihnten Aufsatz von I. Siros hier auf die Sammlung von Prrrov aufmerksam gemacht, die namentlich fir das chemalige unga- rische Komitat Ugoesa anschauliche Beispiele fir slavische Flurmamen bei nichtslavischem Siedlungsnamen liefert, man vgl. etwa den Ort Fakobik 8. 31 mit Flumamen wie Veansosuus, Crapocronmus; oder 8. 32 Kirihaza, spiter Krélovo nad Tisou, jetat Koponexo, ung. schriftepr. Kirdlyhdza, mit Flumamen wie [yGonmma, Paiionume. Bs ist darauf hinzuweisen, da8 die slav. Siedlungsnamensformen in diesem Gebiet gréBtenteils neu sind, andererseits ist zu beachten, daB Perrov auch viele oberflichlich slavisierte ungarische und rumé- nische Flurnamenformen bringt. Aus dem Vorliegen slavischer Flunamen in Siedlungen mit rein dinischem Siedlungsnamen wiirde sich ganz allgemein ergeben, daB der diinische Charakter eines Siedlungsnamens das frithere Vorhanden- sein eines slavischen Bevélkerungselementes in dieser Siedlung keines- wegs ausschlieBt, und daB eine solche Erscheinung durchaus dem Phi- nomen der Unterwanderung entspriche. Der Charakter der dominie- renden Schicht blich auch fiir die unterwanderten Siedlungen diinisch; und damit meist auch der Siedlungsname; die Fluren dagegen erhielten bald in weitem Mae ihre Namen von derjenigen Bevilkerungsschicht, die etwa als chemalige Kriegsgefangene oder mit Land bedachte nicht- dinische Gefolgsloute und numehr als Bauern am meisten Kontakt mit dem Gelinde haben muBten. 4.4. Die Lésung der gestellten Aufgabe wird durch einen weiteren Umstand erschwert. Bekanntlich kénnen neugegriindete Siedlungen den Namen der Flur, auf der sie gegriindet wurden, als Siedlungsnamen ‘Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddiin. Inseln 87 iibernehmen. Kin Beispiel aus dem slavischen Gebiet bilden die zahl- reichen als ,,Urotise” bezeichneten Siedlungen, die man z. B. an dem Sp. Wolhynien besonders leicht verfolgen kann. Urotiitée ist ndmlich eine ostslavische Bezeichnung fiir Flur, die als Bezeichnung der Orts- Klasse (Dorf, Flecken u, &.) fiir die auf dieser Flur in einer bestimmten Epoche entstandenen Siedlungen beibehalten wurde. Fiir unseren Fall bedeutot das, daB namentlich spit belegte Siedlungen, wie etwa Kram- nitse, Revitse, durchaus von Dinen an einem Ort gegriindet sein kén- nen, der einen alten slav. Flurnamen trug. 4.5. Diesor Gesichtspunkt ist fiir die Beurteilung der Tatsache wich- tig, daB Kénig Waldemars Landbuch einschlieBlich der Falsterliste yon allen in Betracht kommenden Namen nur fiir Korselitse einen Beleg bietet (Koceliz). Es ist kaum anzunehmen, da8 ein dem fiskalischen Interesse dienendes Ortsverzeichnis dieser Art wesentliche Liicken aufwiese. Siedlungsnamen, wie Glukse, Kramnitse, Revitse mogen daher aus dem eben besprochenen Grunde fehlen, da diese Namen zur Zeit das Landbuches lediglich Fluren bezeichneten, auf denen erst spiiter, und wahrscheinlich wohl von dénischer Seite, unter Uberaahme des slay. Namens der Flur neue Siedlungen gegriindet wurden. Nun bevorzugen slavische Flurnamen im Durchschnitt, ohne da sich eine feste Grenze angeben lieBe, etwas andere Namensstrakturen als die slavischen Siedlungsnamen. So hat etwa das slav. Suffix -iti-, poln. -ice, russ. -uvu seinen ausgesprochenen Schwerpunkt bei den Siedlungsnamen, das slav. Suffix russ. ume, pom. -idée bei den Flur- namen; Baumnamen sind zwar auch in Siedlungsnamen nicht eben selten, aber in Flunamen verhdltnismaBig sehr viel hiufiger, usw. So ist bei den wahrscheinlichen Ableitungen von Personennamen Binnitse und Kuditse und bei Vindeby unmittelbare Entstehung als Siedlungs- name und kein urspriinglicher Flurname anzunehmen. Man kénnte nun annehmen, daB die betreffenden Siedlungen nach der Abfassung des Landbuches von Slaven gegriindet wurden. Gegen diese an sich naheliegende Vermutung spricht der Umstand, dab wir, je spaiter wir die Griindung slavischer Siedlungen ansetzen, um so mehr in die Epoche der Stabilisierung der Familiennamen geraten, so da wir in den Personennamen dieser Siedlungen in erheblichem Umfang slavisches Namengut finden miBten, was nicht der Fall ist. Es ist namlich auch méglich, das Feblen solcher Siediungsnamen im Landbuch durch eine Doppelnamigkeit 2u erkléren, die dadurch entstand, da die eingewanderten Slaven der betreffenden Siedlung 88 J. Prinz einen anderen Namen gaben als der dinische Grundherr. Amtliche Verzeichnisse, wie das Landbuch, bevorzugten begreiflicherweise die danische Form. Erst mit der Dinisierung des slavischen Elements und damit auch der slavischen Variante des Siedlungsnamens erlangte die slavische Namensform in der dinischen Sprache und damit auch im offiziellen Gebrauch Anerkennung. Vielleicht 1aBt sich auf diese Weise erkliren, warum sich eine Reihe dinischer Siedlungsnamen, wie etwa Mathalbolore, Thengilsthorp, Boserup, Ketelscogh, Warlose usw. (DS 11, 8. 4, 55, 170, 170 u. 204) nicht oder nur unwesentlich iiber die Zeit des Landbuches und seiner Falsterliste hinaus verfolgen lassen. Man vergleiche hierzu die Bemihungen von DS 11, 8. 204 £., das War- los des Landbuches mit dem spateren Jerlitse in Verbindung zu bringen. Fir jenen verbreiteten Typ der Doppelnamigkeit, bei der sich neben der im amtlichen Gebrauch oft jahrhundertelang allein herrschenden Namensform der herrschenden Sprache eine oft. villig abweichende Namensform des rezessiven Volkstums hartnickig erhalt, gibt es zahllose Belege. Es seien hier als Beispiele nur Sonnenwalde, Frawen- dorf und Kunersdor}, niedsorb. Grodiiéo, Dubrawka, Kosobuz (Redlich 8. 150); Jasiia und Kosovské Poljana, Kr. Rachov, Karpatoukraine (Chr. 230 und 280), bis OU 1913 (S. 152, 153) trotz des rein ostslavischen Charakters dieser Siedlungen nur unter den ungarischen Formen Kérdsmexé baw. Kaszémex6 bekannt; oder auf Areeso Kr. Sarapul, G. Vjatka, Benorycka Bepxuan/Cocuonuit Kmou ebda. Kr. Malmyz (Vot. A. 0. 34, 4 baw. 250, 58 u. 369), nur russische Namensform be- legt, aber rein votjakische Bevélkerung, genannt. SchlieBlich sei noch eine andere Erscheinung der amtlichen Regi- strierung von Siedlungsnamen in sprachlich heterogenen Gebieten er- wiibnt, die darin besteht, daB die Namen der Herrenhéfe weitgehend der Sprache der herrschenden Schicht entstammen, wihrend die Sied- Iungen selbst meist Namen in der Sprache der das Land bebauenden Bevélkerung tragen. In den offiziellen Verzeichnissen erscheinen da- gegen nur die Namen der fiskalisch erheblichen Herrenhéfe und der Kirchdérfer. Ein anschauliches Beispiel hierfir bietet das halbamt- liche Orteverzeichnis des ehemaligen Gouv. Kurland von Lupmur, das von Namen von Giitern wie Heli-Jlaccen, JycrGepr, Juserexrop (Kurl. I, 137, 18, 168) wimmelt, wahrend man die Namen nichtdeutschen Gepriiges der zu solchen Glitern gehérenden Bauernsiedlungen, etwa TyGonxa, Mypasxa, unweit des Sventener Sees baw. an der Diina, Kr. Illukst, vergebens sucht; so erscheint etwa fir die lit.-lett. Siedlung Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf sitddén. Insen 89 StelmuzéjStelle lediglich der deutsche Name des zugehdrigen Gutes Uretinentse (Kurl. I, 18; Endz. IT, 54; Lit. 59, 586). Die obigen Darlegungen kénnen und sollen nicht beweisen, daB Sied- lungsnamen des Typs Binnitse, Kuditse, Vindeby in nicht lokalisier- baren Ortsnamen des Landbuches und der Falsterliste stecken; es mute aber betont werden, da8 man von einem Verzeichnis von der Art des Landbuches Kénig Waldemars schon sinngemaB wohl eine vollstiindige Aufstellung aller fiskalischen Kinheiten, nicht aber ein vollstiindiges Verzeichnis aller innerhalb dieser fiskalischen Einheiten auftretenden Siedlungsnamen erwarten darf, da die Namen selbst fiskalisch ohne Belang sind. 5. Die Ermittlung méglicher slavischer Grundformen 6.1. Die Namensnorm Erst kiirzlich wieder hat V. A. Nuxonov in Etimologija AN SSSR 1964, 8. 217-235 deutlich gemacht, daB die Worte einer Sprache als Glieder der verschiedensten sich tiberschneidenden Reihen phoneti- scher, morphologischer und semantischer Verwandtschaft, die die Geschichte und die Entwicklung des Wortschatzes bestimmen, gleich- sam Elemente eines geschlossenen Systems darstellen. Eigennamen, die nicht bedeutungsmaBig durch den jeweiligen Sprachstand moti- viert sind, namentlich solche fremden Ursprungs, entbehren weit- gehend der Stiitzung durch solche Reihen. Am Ort selbst ist die Namensform durch den stdindigen Gebrauch allein geniigend motiviert; sobald sie aber in einem auBerértlichen Zu- sammenhang schriftlich fixiert werden soll, setzt die Reffexion ein, die sie mit einer der vorhandenen phonetischen, morphologischen baw. semantischen Reihen der betr. Sprache in Verbindung bringen will. Dadurch entstehen Schwankungen in der Wiedergabe auch der moder- nen Namensformen, wie bei Billitse Holme DS 11, 93 u. LFF 10, Store und Lille Billese bei Schiern S. 452 £., wihrend Steen. 08, 44 Billesholme fiir korrekter als Billese hilt. Die drtliche Aussprache wird mit bil'sa, bilaso angegeben. Tillitse DS 11, 29 u. LFF 38 wird von Krist. 11, 14 als Tilse, 10, 35 als Tillise zitiert, usw. Besonders betroffen von dieser Erscheinung sind die selten schrift- lich fixierten Flurnamen, denen die Stiitze der Tradition fehlt. Der Schreiber der Markboger des 17. Jh.s muBte ihm nicht geléufige Namen, die ihm, was hervorauheben ist, offensichtlich nach seinem Sprachstand nicht motiviert erschienen, schriftlich wiedergeben. Hitte er etwa in 90 J. Prinz Sortelidtz schiffte, Norre ledtz schifft, 1794 Smaae Sortelitser, Store Sortelitser (Saw. 189, 190) tatsichlich ein Namenglied dain, led, artiku- liert ledet, baw. led, artikuliert leden, pl. leder, mit dial. méglichem Ubergang von -d- zu -d- zu -9- und auslautendem -t zu -9-, gehért, so fragt man sich, was ihn zu der absonderlichen Schreibung des bekann- ten din. Appellativs ,,led’” mit ,,dtz” bzw. ,,ts”, also Schreibungen, die offensichtlich auf ein Element ,,s” hinweisen, veranlaft haben sollte, vgl. § 7.1. Pam Pidzerne ist dagegen relativ vertrauenserweckend, da es wenigstens im Danischen iiberhaupt keinen Sinn ergibt, wahrend sich die vorher genannten Formen als ,,Schwarze” bzw. ,,Nérdliche Ackerstiicke” deuten lassen. Die obigen Uberlegungen, deren Gedankengang weitgehend bekannt ist, sollen einem hinderlichen MiBverstandnis des hiufigen Begriffs der »verderbten Schreibung” begegnen. ,,Verderbte” Schreibungen sind als Beleg dafiir anzusehen, da8 die betr. Formen fiir den Sprachstand des Schreibers weder phonetisch, noch morphologisch, noch semantisch motiviert waren, also relativ alte Bildungen darstellen, die sehr wohl fremdes Sprachgut enthalten kénnen. Sie sollen ferner an die bekannte Tatsache erinnern, da einzelne Namensformen nicht fiir sich allein auf Grund des im Einzelfall belegten Schriftbildes, sondern nur im Zu- sammenhang mit anderen Belegen des gleichen Namens oder mit ver- wandten Bildungen beurteilt werden soliten. Das obige Billesholme neben Billitse bedeutet zunichst weiter nichts, als daf der Name im ersten Fall von dem Schreiber mit dem Geschlechtsnamen Bille, im zweiten Fall mit dem traditionellen Schriftbild von Binnitse, Kuditse usw. in Verbindung gebracht wurde. Soweit sich die angedeutete richtige oder falsche Etymologisierung bzw. richtige oder falsche Eliminierung dialektischer Elemente ohne Etymologisierung in den iiberlieferten Namensformen wahrscheinlich nur auf die Schreibung, und nicht auf die Lautform erstreckt, wird im folgenden von ,,graphischer Regression” gesprochen. 5.2. Die Namensstruktur Als nachstes ist zu priifen, inwieweit die Unterschiede der dénischen und der slavischen Namensstruktur Hinweise fir die Zuordnung der behandelten Namen zu einem der beiden Sprachbereiche geben kénnen. Bekanntlich werden in der germanischen Ortsnamengebung Kom- posita mit zwei substantivischen Gliedern bevorzugt. Auch Namen, deren erstes Glied Genitivendung zeigt, sind fir die historische Zeit als echte Komposita zu betrachten. Vor allem, wenn die Wortbedeu- Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf sitddiin. Inseln 91 tung des Zweitgliedes lebendig bleibt, behiilt dieses Glied den urepriing- lichen Nebenton, seine Vokale werden dann nicht geschwicht. Daneben kann Verlust des Nebentons und Vokalschwiichung eintreten. Die Zahl der auftretenden Zweitglieder ist relativ gering und gut tiberschaubar, ebenso wie die der durch Verlust des Nebentons und Vokalschwichung dieser Zweitglieder entstehenden Namenselemente formantischen Charakters, die man nicht als Suffixe bezeichnen kann, da sie nur selten in der Neubildung von Namen produktiv werden. Im folgenden be- zeichne ich sie als Peeudosuffixe (die tschech. ,,polusufixy” nach Sumaver ZMK 3 (1962) 4, 8. 337 schlieBen auch die Zweitglieder mit erhaltenem Nebenton, wie -furt, ein). Die echten Suffixe spielen eine recht untergeordnete Rolle. Auch die bedeutungsmaBige Motivierung spielt bei den germanischen Ortsnamen im Vergleich zu den slavischen eine verhiltnismaBig ge- ringe Rolle. Das kommt bereits bei der primaren, motivierten Namen- gebung durch die bevorzugte Verwendung echter Komposita zum Aus- druck, wodureh schon im ProzeB der Namengebung der klassifizieren- de Charakter des Namens gegeniiber seiner identifizierenden Aufgabe stark in den Hintergrund tritt. In der slavischen Ortsnamengebung dagegen treten die Komposita aus zwei substantivischen Gliedern stark in den Hintergrund. Den Grundstock der slavischen Ortsnamen bilden suffigierte Formen. Auch unverdndert als Ortsnamen verwendete Appellative sind in weitestem ‘Umfang schon als solche mit Suffixen und/oder Priifixen weitergebildet. Die Zabl dieser Suffixe ist, ahnlich wie bei den germanischen Zweit- gliedern und Pseudosuffixen, recht begrenzt, ihre Formen sind recht konstant, sie sind gut tiberschaubar. Die recht geringe Rolle der bedeutungsméBigen Motivierung in der germanischen Namengebung begiinstigt eine gewisse Konservierung des Wortkérpers von Fremdnamen. Dank der Verbreitung des germa- nischen zweigliederigen Typs mit Haupt- und Nebenton werden ent- sprechend der Gestalt des Fremdnamens oft zwei Silben, die des neuen Haupttons und die des neuen Nebentons, mit erkennbarem Ursprung ihres Vokalismus erhalten. Wegen der geringen Rolle der Motiviertheit wird dabei das Element mit dem neuen Nebenton nur selten umgeden- tet. Gelegentlich wird ein erklérendes Appellativ hinzugesetzt, wie hier hobne ,,Inseln” in Billesholme, have ,,Gehege usw.” in Dalgehavns Mark. Hier konnen also fir die zu untersuchenden Namen nur Zweifel in der Zuordnung zum slavischen oder dinischen Bereich eintreten, wenn slavische und dénische Zweitelemente durch die lautliche Ent- 92 J. Prinz, wicklung zufallig das gleiche Resultat ergeben, wie es leider tatsichlich der Fall sein kann. Auf jeden Fall sollte man aber alle Namen, die in einer nachtonigen Silbe einen Vollvokal zeigen, ohne daB dieses Element sich mit einem germanischen Pseudosuffix in Verbindung bringen 1a8t, wie bei den angefiihrten zahlreichen Namen mit alten Belegen auf -itse, zundichst auf slavischen Ursprung priifen. Bei Verlust des Nebentones, wie er etwa bei Glukse anzunehmen ist, hilft diese Uberlegung allerdings nicht weiter, weil unbetonte Silben im Danischen zu stark geschwiicht und verstiimmelt werden. 6. Der Lautwandel In diesem Abschnitt werden die interessierenden Namensformen unter dem Gesichtspunkt des Lautwandels betrachtet, den sie unter dem Einfiu8 der Danisierung und der folgenden allgemeindénischen und dialektischen Entwicklung erlitten haben kénnen. Es werden hier nur die slavischen Lésungen beriicksichtigt; gleichzeitig oder allein mégliche dinische Lésungen werden der Kiirze halber nicht angefithrt, sondern nur bei der abschlieBenden Besprechung der dann nach Na- menstypen geordneten Namen. Die fiir die Beurteilung solcher déni- scher Lésungen erforderlichen Gesichtspunkte sind aber in den folgen- den Darlegungen enthalten. ‘An allgemeinen Gesichtspunkten seien hier noch erwihnt die Még- lichkeit doppelter Entlehnung, etwa bei Korselitse als Koccliz (i-Um- laut ist noch witksam) und spiter als Kotzelitze (ohne Umlaut) (DS 11, 211) und die Beobachtung von H. WatrHEr (MatSOA 64, 116) fir das ehemals slavische Gebiet Mitteldeutschlands, da8 sich der Zeitpunkt des Erléschens des slav. Volkstums einer Siedlung oft deutlich in einer schnell eintretenden und auffallenden Anpassung an die deutsche Laut- struktur bemerkbar macht. 6.1. Die Konsonanten Mehrere fiir das ostseeslavische Grundidiom anzunehmende Kon- sonanten fehlten oder fehlen dem Danischen iiberhaupt und muBten daher entweder entlehnt oder durch die lautlich am niachsten stehen- den dinischen Konsonanten ersetzt werden. a) Fir das slav. ch- kommt als nachster dinischer Laut das k- in Betracht. Motivieren 1aBt sich ein danisches k- fiir ein slav. ch- bei Korselitse und Kuditse durch Kurzformen zu den hiiufigen slavischen Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddéin. Inseln 93. PN mit dem ersten Gliede Chot- neben einem fiir Korselitse wohl aus- scheidenden Zunamen Kol. b) Dem Dinischen feblte urspr. das slav. -é-. InBuseneist os durch das lautlich am néichsten stehende din. -8- reflektiert, sofern man diesen Namen mit einer Ableitung Budef, Budi3, Kurzform von slav. PN mit Erstglied Bud-, etwa als Budigin, in Verbindung bringt. c) Dem slav. -c- (ts), das hier durchgehend in intervokalischer Stel- lung auftritt, vor allem in den oss]. Namensuffixen -ica, -ici, entspricht ein din. -ts-, das im Dan. vor allem durch das Zusammentreffen des -s des gen. sg. mit einem auslautenden dentalen VerschluBlaut des Stam- mes entsteht, vgl. Berritsgdrd aus dem Genitiv von Bycreeth (1397) + gard ,,Hof” oder Merritskov aus dem Genitiv von alt Merethweth + skov ,,Wald” (Krist, 10, 35 u. 36), in intervokalischer Stellung selten ist und in dieser Position an der din. Klusilschwachung teilgenommen haben mag, vgl. Formen mit -dz- wie Kabelidze (Kobelitse) und Tillidse (Tillitse), oder entsprechend der Tendenz zur Beseitigung mehrfacher Konsonanz zu dem dinisch in der Stellung zwischen Vokalen geliufigen -s- aufgelést wurde, vel. Bynessee, Kudise. Die relativ lange Erhaltung des zwischen Vokalen im Dan. ungewéhnlichen -ts- im Suffix -itse iat eines der stirksten Argumente fir slavische Dentungen der interessie- renden Namen. d) Das slav. -8é: ist im Slav, durch das nur dem Polnischen im enge- ren Sinne feblende Suffix ossl. -iie vertreten, das in Flurnamen héufig ist und das man aus semantischen und morphologischen Griinden in einigen der interessierenden Namen voraussetzen michte. Diese ganz undinische Lautverbindung scheint, wohl nicht ohne EinfluB des haufigen -ici, -ica, ebenfalls zu diin. -ts- aufgeldst worden zu sein, 80 daf slav. -ica, ~ici-, ~i8ée in einem diin. -itse zusammentielen und dessen Schicksal von Anfang an teilten. e) Einen grofen EinfuS auf die Lautgestalt der Namen muBte die mit dem Ende des 11, Jh.s im Danischen einsetzende Schwichung der Explosion bei den VerschluBlauten in intervokalischer Stellung (die sogenannte Klusilschwichung) haben, die man durch die Reihen p. t, k > b, d, g; b, d, g zu 9 baw. Gleitlaut v, j symbolisieren kann. Dialektisch, wie auf den siiddinischen Inseln, ging diese Entwicklung noch weiter und fiihrte auch fiir altes p, t, k zu dem Endprodukt 9,¥,j. f) Da das slay. intervokalische -t- also wohl schon im 12. Jh. im Danischen durch die einsetzende Klusilschwichung keine volle Ent- o4 J. Prinz, sprechung mehr hatte, kann man das der Deutung Schwierigkeiten bereitende -c- von Koceliz auch als Reflex des slav. -t-, -t’- auffassen. g) Auf jeden Fall ist die bei unseren Namen mehrfach zu beobach- tende Erhaltung intervokalischer VerschluBlaute angesichts der insel- dinischen Lautentwicklung bemerkenswert. Abgesehen von einer unter bestimmten Bedingungen méglichen regressiven, traditionellen Schreibung kann sie auf sekundiirer zeit- weiliger Doppelkonsonanz durch Schwund eines unbetonten Binnen- vokals beruhen, man vgl. die Reihe Quodevitze-Kotwidtze-Kuditse oder die durchaus denkbare Kette * Glogoviste — *Gloguese — Glochese - Glukse. h) Die konservierende Tendenz kann durch die Ahnlichkeit mit Namen benachbarter, gréBerer Orte mit stirkerer Namenstradition und durch Anklinge an andere Worte verstiirkt werden. Kobelitse, fiir das man ein slav. kobyl- voraussetzen michte, kann durch seine laut- liche Ahnlichkeit mit dem nicht weit entfernten gréferen Kobelev mit -b-, jetzt phonetisch -v-, aus -p-, und mit dem Zeitwort kobe ,,kau- fen” sein -b- bewahrt haben, obwohl man an sich -b- zu -v- erwarten méchte. Dies macht sich auch in historischen Schreibungen von Kobelitse mit -0- statt -o-, wohl ebenfalls nach Kobelev, wie Kisbelods, bemerkbar. i) Bei Namen, die sich im Diinischen lautlich und semantisch nicht motivieren lassen, kann die Wiedergabe geschwiichter intervokalischer VerschluBlaute dem Aufzeichnenden Schwierigkeiten bereiten. So kann man das -ch- der historischen Schreibungen Glochese, Gluchese (Glukse) und Dallecke mit der Klusilschwéichung des zweiten ,,g” eines *@logoviiée baw. des -k- von *Daleka [Niva] in Beziehung setzen. j) Das ,,g” wird auf den siiddanischen Inseln vor vorderen Vokalen weitgehend zu ,,j”; man kann deshalb Krogidtzerne, Gierlitser (sub Jerlitse) als regressive Schreibungen fiir *Krojidtzerne, *Jerlidser auf- fassen. Das etymologisch richtige -g- in Dalgehavns Mark diirfte fiir die Belegzeit des Namens ebenfalls schon ,,j” oder einer Vorstufe hierzu entsprochen haben. 6.2. Die mehrfache Konsonanz Viele slavische Konsonantenverbindungen sind dem Dénischen itberhaupt fremd; sie muBten bei der Ubernahme vereinfacht werden. Hierzu kann man auch einen méglichen Ubergang von slav. ,,38” 2u nts” in -ide au -itse oder den weiteren Wandel dieses -ts- 2u -s- nicht nur im Suffix ~itse au -ise, -ese, sondern auch bei Kocaeliz zu Kosselisse Zur Frage slavischer Orts- und Persononnamen auf stiddan. Inseln 95 u. a. rechnen, Ein ostseeslav. PN Mstibor bzw. Ctibor hitte *Stibor, und nicht das belegte Syborre ergeben; auch die Riickfiihrung auf den etwa in den tsch. ON Zdebot, Zdeborice (Chr. 8. 756) steckenden PN befriedigt nicht, wihrend die din. Form bei Annahme der ostlechiti- schen Namensvarianten *Mécibor, *Cibor lautlich gut motiviert wire. Eine Erklirung aus dem PN westslav. *Vsebor und aus der in dem poln. ON Zdzieborz (SG. 14, 8. 554) steckenden ostlechitischen Form zu dem obigen tsch. Zdeboi stéSt vor allem wegen des ,,e” der ersten Silbe der slavischen Formen auf Schwierigkeiten. Dasselbe Problem stellt sich iibrigens bei Keccliz, falls man es vom Kurznamen Chotel, Chotilo, ostlechitisch mit ,,¢” fiir ,t””, ableitet. Man vgl. weiter die méglichen Lisungen Kramnitse von ossl. *krapnica, Gelindeappellativ, in vielen Gewiissernamen belegt, vielleicht sogar Wommelitze, falls als Weiterbildung eines im Ostslav. belegten russ, ormea, ukr. nizwtins »Sandbank u. 4.” aufzufassen. Die bereits oben erwihnte Vereinfachung von sekundirem -by-, -dv-, -gv- wie in Kotwidtze ~ Kuditse wird uns noch weiter unten bei der Behandlung des Suffixes -itse beschiiftigen, vgl. § 7. Auflésung undénischer Konsonantenverbindungen wie -d’k-, durch Vokaleinschub kann vorliegen bei Budickis Lundager schiffte, falls es zum slav. Kurznamen Bud’ko, Budek gebirt. In Jerlitse kénnte das inlautend vor Konsonant im Lollindischen vom slay. ,,t” ohnehin stark verschiedene lolliindische ,,vokalisierte r” ein Mittel zur Wiedergahe der ungewéhnlichen Verbindung -dl- eines *Jedliste, *Jedlovite (im Slav. in entsprechender Form mehrfach be- legt) darstellen. Eine durch den lollindischen Schwund von -r- vor -s- verursachte Regression stellt das moderne Korselitse aus dlterem Kosselisse (Koceeliz) analog din, kors, lolliindisch gesprochen etwa kos, ,,.Kreuz”, dar. In allen diesen Fallen ist zu beachten, da die in Betracht kommen- den dinischen Dialekte eine besonders starke Abneigung gegen mehr- fache Konsonanz zeigen. 6.3. Die betonten Vokale Dank der Differenziertheit der dinischen betonten Voksle ist zu erwarten, da8 sie unter dem Haupt- und Nebenton die Vokalunter- schiede der slavischen Grundformen bewahren, Die Méglichkeiten einer durch die dinische dialektische Entwicklung hervorgerufenen falschen Regression, vgl. unten unter ,slav. ‘o’” Glukse/Glockese, sind be- 96 J. Prinz grenzt und gut iiberschaubar. Widerspriiche im Vokalismus der dini- sierten Formen, die sich nicht durch eine Regression der genannten Art erkliren lassen, miissen also in einem unterschiedlichen Vokalismus der anzunehmenden slay. Grundformen ihre Erklirung finden. a) Slav. ,,a” Die 2u erwartende din. Vertretung ,,a” findet sich z. B. in Dalleche, falls 2u slav. *Dalek{a Niva], und in der ersten Silbe des PN Danitslof, falls es zu slav. Danislav gehort. Die Wiedergabe des zweiten ,,a” durch ,,0” laBt sich durch Anpas- sung an das hiufige Zweitglied dinischer PN -lef, -lof, -lof erkliren, vgl. etwa Detlef, Detloff, Detloff (DPN 190 f.). Im Ossl, findet sich ein sekundires .,a” im Phonem ,,talt”” neben stolt” aus ,,tslt”, im Gegensatz zu ostlech. ,,telt” > ,,tlut”. Dieses .@” muB natiirlich ebenfalls durch din. ,,a” vertreten sein: Dalge- havns Mark, falls 2u ossl. dalg ,,lang”, und nicht zu dem ebenfalls még- lichen dalek- ,,weit, fern”. Das alte stoBtonige, urspr. lange ,,a” wurde u. a. im Pom. gekitrat, in sekundar geschlossener Silbe vor stimmhaften Konsonanten jedoch erneut gedehnt, wobei eine fortschreitende Verengung in Richtung din. 0”, ,,4” eintrat. Dementsprechend ist slav. krajs ,,Rand” durch pom. kreoj vertreten. In offener Silbe muBte ,,2” kurz bleiben: pom. krajina (Lor. 368), doch konnte das ,,o” von kraj auch durch Analogie in Ab- leitungen verschleppt werden, in denen es lautmaBig nicht berechtigt war: pom. krojina (Lor. 384). Hierhin kann man Krogidtzerne aus *krajiste au tech. krajisté (Kott 1, 780 u. 6, 706) stellen. Ja- tendiert im Dan, zu Je-, vgl. 2. B. Steen. 08, 39 ON Jerslen, alter Jarisle}. Diese Erscheinung kommt vielleicht fir Jerlitse in Betracht, zumal sie auch im Ossl., Pom, und dial. nordpoln. belegt ist, vgl. Jez. 1, 39 f. b) Slav. ,,e”, ,,8” Diese slav. Vokale méchte man u. a. in den Toponymen Billitse, Binnitse, Tillitse, Kleinidser, Revitse annehmen, sofern man sie mit slav. Ableitungen von b8le ,,weiB”, Ben-, Kurzform von Benedikt, tel-, slavisch oft belegt, vor allem mit slav. tele ,,Kalb” in Verbindung gebracht, nicht eindeutig, klens ,,Ahorn” baw. répa ,,Riibe” in Verbin- dung bringt. Es ergeben sich zwei Vertretungen, ,,i” und ,,e”, die sich offensichtlich nicht durch eine unterschiedliche Wiedergabe von slav. e” baw. ,,8” erkldren lassen. Nun bevorzugen die Ableitungen von Pflanzennamen im Slavischen Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddéin. Inseln 97 zwar sekundiir, aber schon seit alter Zeit und mehr oder minder all- gemein das Suffix -ov-, -ev- mit und ohne Erweiterung durch ein anderes Suffix. Gerade diejenigen Toponyme aber, die diin. ,,e” fir slav. ,,0”, 8” au zeigen scheinen, sind Ableitungen yon Pflanzennamen. Slav. klens ,,Ahorn” bevorzugt durchgehend mit -ov- zusammen- gesetzte Suffixe, vgl. auch ON wie Klenovice (Chr. 263 £.), wahrend bei Ableitungen von slav. répa ,,Riibe” sich die -ov-Ableitungen nur ge- bietsweise gegen altere Bildungen durchsetzen konnten, wie etwa tsch. Fepovy ,,Riiben-”, Fepovisté ,,Riibenfeld” neben ailterem Fepny, repni »Riiben-”, fepiéte, fepniste ,,Riibenfeld” (Kott 3, 54 f.). Die zweite Silbe enthielt unter dieser Voraussetzung dann einen hinteren Vokal. Bei den anderen genannten Formen kommt dagegen eine Erweite- rung mit erstem Element -ov-kaum in Betracht, es folgte vielmehr wahr- scheinlich unmittelbar das i-haltige Suffix ossl. -ica, -ici. Daraus ergibt sich folgendes Bild: Das ,,e”, ,,¢” des slav. Grundwor- tes wurde im zugrunde liegenden slay. Dialekt vor Silben mit vorderem Vokal, wie bei -ica, -ici, als sehr geschlossenes palatales ,,’e” gesprochen, vor Silben mit hinterem Vokal, z. B. vor -ovidée, als sehr offenes palatales ,e”. Das offene slav. ,,’e” fand seine nichste Entsprechung in din. 10(@)”, das geschloasene slav. ,,’e” in din, ,,i”. Vgl. hierzu Jez. I, 25 f. Zum Ubergang von alterem -ovitse zu -itse, vgl. oben § 6.1.g. Quode- vitze|Kotwidtze/Kuditse u. unten § 6.4. Das -ei- stat -e- in Kleinidser ist als Wiedergabe einer sekundaren Nasalierung des Vokals durch das folgende ,.n” zu deuten, wie sie im Loll. stark verbreitet ist (LGr. 30 f.). Historische Schreibungen wie Benitze fiir Binnitse reflektieren wohl den Ubergang des kurzen ,,i” desselben Dialekts auch unter dem Ton zu ,,2/e”. Die Deutung von Kramnitse als Ableitung von slav. kremens ,,Kie- sel”, die sich durch entspr. slav. Ortsnamenparallelen morphologisch gut motivieren lieBe, erscheint daher aus lautlichen Griinden ~ slav. »@” wire hier durch ,,0” vertreten — recht unwabrscheinlich. ©) Slav. ,i” Slavisches -i- wurde, wie die zahlreichen Bolege fiir das urspr. wohl meist nebentonige, also nicht unbetonte Suffix -itse zeigen, zuniichst durch -i- wiedergegeben. In Lolland muBte es, soweit os kurz. gesprochen wurde, im Laufe der Zeit gewéhnlich -e(z) ergeben, wie dies durch die zahlreichen Belege mit -ese fir ilteres -itse bestatigt wird. Hierher gehért wohl auch Drebor neben Dribor. Zettecheftf. slay. Philologle, Bd. XXXIU/L 7 98 J, Prove 4) Slav. ,,0” Das slav. ,,0” zeigt eine auffallende, doppelte Behandlung: In Namen wie Boris Ager, Goltze Hoy, Gorke(-), Kobelitse, Korselitse, Koster zeigt sich konsequent ,,0”. Das daneben auftretende ,,4”, ,,0”” 14Bt sich einerseits als dan. dialektische Erscheinung erkléren, etwa bei gaarker statt gorcker — im Loll. wird o vor tautosyllabischem ,,r” stark gedfinet — andererseits durch die im Slav. sehr verbreitete starke Off- nung des ,,0”, wie etwa im Falle der sporadischen, also wohl nicht ein regelrechtes ,,n” wiedergebenden Schreibungen Kabelidze, Kabbelidze fiir Kobelitse. Zu dieser Gruppe gehdrt auch Glukse, bei dessen -u- es sich wegen dilter @lochese und phon. [glogsa] wohl um falsche graphische Regression handelt — im Loll. wird betontes kurzes -u- in den meisten Positionen zu ,,0”, Das -ou- von Bouvidtz kann bei Annahme einer Aus- gangsform, wie pom. b¥obtésiaée (Lor. 67), tach, bobovisté (Kot 1, 76) der Reflex des zu erwartenden Zwischenstadiums *bovvitse sein. Bei Buridtz, Oster Gurkhoj neben Sader Gorekhye und Kuditse zeigt sich ein Ubergang von ,,o” zu ,,u”, der jedenfalls bei Kuditse wegen alt Quodevitze auf das Slav. zuriickzufihren ist. Ein vergleichbarer Uber- gang zeigt sich auch bei dem ins Din. tibernommenen PN Borislav, Boris, vgl. die zahlreichen Belege fiir Buris u. &. in DPN 172 f. Oster Gurkhoj a8t sich nicht nur wegen der mehrfachen Belege desselben Namentyps mit -o- neben -&-, sondern auch wegen der bedeutungs- méaBigen Motivierbarkeit nicht gut mit einem alten din. Adjektiv *gorugh ,feucht, sumpfig” (DS 11, 43 f., s. v. Gurreby) zusammen- bringen, da die Vorstellung etwa des Kreidefelsens Gorkebanke als ,,sumpfige Hihe” recht abwegig erscheint. Dagegen wire falsche gra- phische Regression denkbar. Auch der Ubergang ,,0” zu ,,u"” lift sich aus dem Slav., und zwar aus der z. B. im Pom, konsequent befolgten Labialisierung von ,,0” zu »40” nach Labial und Velar, also auch nach dem hier vorliegenden b-, g-,ch-(zuk-)erkliren. Der Unterschied in der Behandlung des ,,0” wiire also auf unterschiedlichen Dialekt der slav. Namengeber oder auch auf verschiedene Zeiten der Ubernahme ins Din. zuriickzufiihren. Im aweiten Falle wiire wegen der alten Belege fiir den slav. PN Borislav, Boris als Buris u. &, der Umsetzungstyp -o/¥o- zu -u- der diltere, zumal die lokale din. Tendenz ohnehin von kurzem ,,u” zu ,,0” geht, und nicht umgekehrt. e) Slay. ,,u” Slav. ,,u’” muBte im Dan. zunichst ,,u” ergeben. Entsprechend der Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddéin. Inseln 99 Quantitéit des ,,u” kommen lokal die Weiterentwicklung zu ,,0” baw. die Diphthongierung in Betracht, die sich aber in der Schreibung der Namen nicht widerspiegeln, vgl. hierzu die Namen Budickis Lundager schiffte und Busene. f) Slav. ,y” Dem slav. ,y” stand das din. ,,y” lautlich niher als das din. ,,i”. Aus diesem Grunde kommen die auch in Toponymen belegten slavi- schen Wortstamme byn- und tyl- (ftir Binnitse und Tillitse, vgl. Buriono u. a, RGN 1, 616, Tylice, Tylica u. &. SG 12, 699 f.), auch abgesehen von der geographischen Verbreitung und von Schwierigkeiten der bedeu- tungsmiBigen Motivierung, weniger in Betracht. g) Slav. 0” Dieser Nasalvokal kann bereits slavisch zwei verschiedene Ver- tretungen haben, je nachdem, ob seine urspr. Linge aus Griinden der Intonation erhalten oder infolge sekundiirer SchlieBung der Silbe er- neut wiederhergestellt wurde, oder nicht. Im Pom. dufert sich dieser Unterschied in den Vertretungen ,,q” und ,,g”, im Poln. ,,¢” und ,,9”. In den dinisierten Formen tritt hierfiir, wie zu erwarten, -am- oder -om- auf: Kompelmofe, falls zu pom. kapél (Lor. 367); aber Kampidtze, falls 2u pom. kypa (Lor. 341); das von Sawtcxr zitierte Lehnwort kampe sig ,,baden” (Siid-Falster, Ost-Lolland, aussterbend) zum Infinitivstamm von pom. kgpac sq ,,baden (intr.)” ~ der Prisensstamm hat ,,” : koa sq (Lor. 342); Pam Pidzerne sieht aus wie eine Ableitung vom slav. PN poln, Papa, in Ableitungen mit ,,q” und ,,e” belegt, mit voll entsprechenden Siedlungsnamenparallelen; auch Kramnitse refiektiert méglicherweise den slav. velaren Nasalvokal, falls man es mit dem in Toponymen hiufig belegten Stamm krap- in Verbindung bringt. 6.4. Die nachtonigen Vokale Mit dem Ende des 11. Jhs, setat im Dan. die Schwiichung der un- betonten Vokale zu einem indifferenten ,,/e” ein, die in der Folge zum Schwund ganzer Silben fuhrte und u. a. auf den siiddinischen Inseln besonders stark ausgeprigt ist. ‘Wenn nun in den belegten Namen in nachtonigen Silben Volivokale auftreten — es kommt hier vor allem das ,,i” des Suffixes -itse in Be- tracht — so ist das auf die Anpassung des betr. slav. Nemens an den germanischen zweigipfelign Namentypus mit Haupt- und Nebenton zuriickzufithren. ” 100 J. Prisz In der Folge trat vielfach Ubergang zum eingipfeligen Namentypus ein, der sich auch bei Namen din. Ursprungs verschiedentlich durch starken Wandel des Zweitgliedes mehrgliederiger Namen bemerkbar macht. Die Schreibung ,,e” statt:,,i”” im Suffix -itse, etwa als -ese, ist allerdings wegen des lollaindischen Uberganges des kurzen ,,i”” auch unter dem Ton zu ,,2/e” kein Beleg fiir diesen Strukturwechsel, wohl aber natiirlich der Ubergang von -ese zu -se, wie etwa in Byntze gord (Binnitse), Kobelse (Kobelitse); auch Schreibungen wie Kobbelodize kénnen als falsche Regression durch die Schwaichung des -i- des Suffixes erméglicht worden sein. Infolge des genannten lollindischen Lautwandels ist mit falscher Regression ~— betontes ,,z” zu ,,i” — stets zu rechnen, ein Gesichts- punkt, der aber hier nur fiir die formantischen Elemente Bedeutung hat, vgl. § 7.3. Auch der unbetonte Schwiichungsvokal ,,«/e” wird gelegentlich mit ,,i” wiedergegeben, vgl. die nachtonigen ,i” von Budickis Lundager schiffte. Eine Rolle spielen Schwiichung und schlieBlicher Schwund unbeton- ter Vokale weiter fiir den schlieBlichen Zusammenfall von slav. Suffix- paaren wie -ovici und -ici, -ovidée und -iste, vgl. das mehrfach zitierte Quodevitze-Kotwidtze-Kuditse mit Schwichung -o- zu -e-, Schwund des -e- und schlieBlich Beseitigung der mehrfachen Konsonanz, hier -dv-, sofern nicht einfach Vereinheitlichung der dinisch unverstdnd- lichen slav. Formantien mit und ohne -ov- zu einem gemeinsamen -itse vorlag. Wie in allen anderen Positionen wurden unbetonte Vokale auch im Auslaut im Din. frith zu einem indifferenten Vokal -w/e- geschwiicht, der unter anderem in den siiddanischen Dialekten friih eine auagepriigte Tendenz zum villigen Schwund zeigte. So sind Formen wie Kobelotz (1682) neben Kobelodtze (1682, zu Kobelitse), Koceliz (13. Jh., zu Korselitse) u. a. zu erkliren. Ein solches auslautendes -e konnte in der Folge auch an Formen angefiigt werden, bei denen es etymologisch nicht berechtigt war (,,bewegliches ©”). Als Ursprung des ,,beweg- lichen e” kommt auch der SchluBartikel ntr. sg. -et in Betracht, der in den betr. din. Dialekten -e ergab. Zum gelegentlichen Auftreten des SchluBartikels in Flurnamen vgl. Formen wie Pam Pidzerne, Kro- gidtzerne, KraBerne Schiffte (Saw. 190). 6.5. Umlauterscheinungen Der skandinavische i-Umlaut wirkte wohl bis ins 11. Jh. nach. Als Produkt dieses Umlauts wird das unslavische ,,o” im Beleg Koccliz Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddéin. Inseln 101 (Korselitse) angeschen. Hieraus ergitbe sich zwingend eine din. Vor- form Kotil-, evtl. mit -c- statt -t-, da nur vor ,i” ein Umlaut 2u erwarten ist. Das ,,i” der aweiten Silbe kann wiederum auf lav. ,,’e” zuriickgehen, das wegen eines vorderen Vokals der folgenden Silbe stark geschlossen war, vgl. oben § 6.3.b, Man vermutet also eine Ableitung von Kurz- formen der haufigen slav. PN mit erstem Glied Chot-, wie die in ON gut belegten Chotel, Chotilo, mit Hilfe des Suffixes -ici. Wie schon von anderer Seite hervorgehoben wurde, ist dieser Name offensichtlich zweimal entlehnt worden, und awar einmal vor und einmal nach dem Erldschen des i-Umlauts im Danischen. Dieser Siedlungsname miiBte also vor dem Erléschen des i-Umlautes entstanden sein, wihrend sich das slav. Element hier offensichtlich bis nach seinem Erléschen hielt. ‘Auch das ,,” des PN Dobic ist offensichtlich durch den i-Umlaut verursacht. Der Name diirfte demnach mit dem i-haltigen Kurznamen- suffix -ik von einem slav. PN mit dem hiufigen Erstglied Dob-, Dobr- abgeleitet sein. SchlieBlich kommt der i-Umlaut auch noch fiir das leider vieldeutige Jerlitse in Betracht, falls es nicht urspr. einen Flurnamen, sondern von Anfang an einen Siedlungsnamen darstellt und etwa von Jarilo, einer Kureform zu slav. PN mit dem Erstglied Jar-, wie Jaroslav, die gele- gentlich auch in Toponymen auftritt, abgeleitet ist. Hier ist allerdings auch die ossl., pom. und nordpoln. dial. Tendenz Ja- > Je- au beriick- sichtigen. Vgl. § 8.3.2. 7. Die morphologische Struktur und das Suffix -itse Nachdem die lautlichen Aspekte im vorangegangenen Abschnitt besprochen wurden, ist hier vor allem zu priifen, inwieweit die Entwick- lung echt din, Namenselemente ein aus dem Slav. entlehntes Suffix -itse und seine spiteren Vertretungen vortduschen kann. 7.1. Das -s des dain, gen. sg. und der din, Namenbestandteil ,,led”. In diesem Zusammenhang spielt das -s des din. gen. sg. und in Ver- bindung damit das din. Zweitglied led , Stick usw.” eine entscheidende Rolle. Der Genitiv auf -s eines PN als erstes Glied eines zweigliederigen ‘Toponyms ist im Dan. vollig natiirlich und weit verbreitet. Man vgl. hierzu von den interessierenden Namen Benes Agre, wenn vom din. PN Benne u. a. oder von slav. Ben- baw. Bened, din. wie slav. Kurz- 102 J. Prinz, formen zum PN Benedikt; Budickis Lundager schiffte, wenn vom slav. Kurznamen Bud’ko oder vom din. PN Budke (DPN 170). Auch fiir ein Geliindeappellativ als erstes Glied 1éBt sich dieser Typ gut belegen; man vgl. Berritsgdrd, 1397 Bycereth (+ gard ,,Hof”) oder Merritskov (LEF 26: Merretskov), alt Merethweth (+ skov ,,Wald”) (Krist. 10, 35 u. 36). Nun hat Saw. 189 fiir das interessierende Gebiet aus den ,.Mark- boger” des 17. Jhs. eine Reihe von Flumamen zusammengefaBt, die durch die auslautenden Namenselemente -idize, -itze, auch im Plural mit und ohne SchluBartikel : -itser, -idser, -idtzerne u. d., gekennzeichnet sind und bisher nicht mit einem slav. Element in Verbindung gebracht wurden. Dem Suffix-Element geht besonders oft ein ,,” voraus, wo- durch sich zuniichst duBerlich ein Anklang an Namen mit dem din. Zweitglied led ,,Stiick usw.” mit SchluBartikel ledet, leddet, lokal mit Schwund des auslautenden -t, baw. leden, pl. leder, exgibt. Dieses -led spielt auch bei dem Lésungsvorschlag Jerlitze aus *Jernleds- ,,eiserne Stiicken” (vgl. Saw. 189 u. DS 11, 205) eine Rolle. Als Appellative zur Bezeichnung von Gemarkungsteilen baw. Fluren steht neben din. led auch skifte zur Verftigung. Nimmt man din. Ur- sprung des Namenelements -litse an, so ist zunichst das mehrfache Nebeneinander von ,,led” und ,,skifte” in demselben Namen auffallend, vgl. etwa Norre und Sonder Jerlidtze Agerschiffte, Sortelidtz schiffte, Norre ledtz schifft (Saw. 189 f.). Ausgehend von Namen, wie dem genannten Norre ledtz schifft, das der Annahme eines gen. sg. ,,leds”, Bedeutung also ,,Ackerschlag der Nordenden”, nicht widerspricht, kann man, iber Sortelidtz schiffte »Ackerschlag der Schwarzen Enden” mit unmotiviertem Ersatz des e” des hiufigen Appellativs ,,led” durch ,,i”, das spiitere Smaae und Store Sortelitser (1794) als von einem nicht mehr verstandenen Genitiv abgeleitete Pluralformen motivieren. Man wird dann etwa 2u Engelitzer Agre itbergehen und es analog auf din. eng ,, Wiese” + gen. sg. leds + Pluralendung -er zuriickfuihren. Man kann den SchluB, daB Genitiv- formen auf -s wie Nominativformen weitergebildet werden kénnen, etwa auf Kampidtze und Krogidtzerne anwenden und sie als Weiter- bildungen der adin. PN Kampi (DPN 724) bew. Krok (DPN 804) mit Hilfe des beweglichen -e, vgl. § 6.4., baw. der artikulierten Plural- endung -erne ansehen, wobei man das Namenselement -idtze- als falsche graphische Regression fiir-ese- erkléren muB. Diese Haufung ungewohn- licher oder mindestens auffallender Erscheinungen gibt zu denken. Die Schreibungen -itse, -idtze u. a., fast durchweg mit. ,,i”, lassen ‘Zur Frage slaviseher Orts- und Personennamen auf siiddin. Inseln 103 sich zwangloser als Vertretungen fiir alt -itse wie in Korselitse erkliren. Von solchen Formen erscheint die Bildung eines sinngemaBen Plurals als véllig natirlicher Vorgang. Uberlegungen, warum das bedeutungs- miiBig klare Namenglied ,,led” ein ,,i” erhielt und nicht direkt, sondern liber die Genitivform in den Plural gesetzt wurde, entfallen. Die bei der Erklirung aus einem weitergebildeten Genitiv ,,leds” erforderliche Folgerung, das Zweitglied eines mehrgliederigen Toponyms, dessen erates Glied einen Genitiv darstellt, kénne ohne lautliche Motivierung spurlos schwinden, ~ ein Bildungstyp, der sich diin. sonst schwer nach- weisen lat -, wird tiberflissig. Scheint, wie hier, gerade das meist recht sterotype Zweitglied unklar zu sein, und nur das erste Glied, wie oben ,,Sorte”, ,,Norre” Klar, 50 ist es gewohnlich besser, von der Unklarheit des Zweitgliedes auszu- gehen, den ganzen Namen fiir unklar zu halten und bei den Filllen mit scheinbar klarem Erstglied Umdeutung anzunehmen. Entgegen Saw. 189 f. sind solche Formen also keineswegs ein verlaBlicher Beweis, fiir einen Ubergang von -leds zu -lisse w. a. Ohne diese Namen in den Kreis der Deutungen dieser Untersuchung einbeziehen zu wollen, sei darauf hingewiesen, da8 man z. B. Bngelitzer Agre auch mit dem in Flurnamen mehrfach belegten tsch. whlisté (Kott 4, 304) ,,Kohlerplatz”, vgl. den ukr. Flumamen Yramme, Byramme (Petrov mehrfach, s. Reg.) usw., in Verbindung bringen kénnte. In den hier in Betracht kommenden Dialekten ergitbe das ein *waglidée, das gemaB den Lauttendenzen nach § 6.2. zu *Vang(e)litse danisiert und spiiter wegen diin. eng ,, Wiese” als ,,Engelitzer” gedeutet wurde. Nach denselben Tendenzen kénnte ein *Certov Les ,,Teufels- wald” (Verehrung heidnischer Gétter) ein Tserte Les/Serte Les ergeben, wobei zur Erzielung von Sortelidtz nur die naheliegende Umdeutung des unverstindlichen Erstgliedes zu din. sort ,,schwarz” und die An- passung der Schreibung des zweiten Gliedes an den ohnehin gut be- legten Typ auf -itse erforderlich war. 7. . -lose Das niichste Zweitglied, das als din. Vorform fiir ein -itse genannt wird, ist din, -lose, ein altes, frih unproduktiv gewordenes Element din, ON, das schon altdan. als Appellativ nicht mehr belegt ist und daher Anla8 zu spiiteren Umdeutungen und falschen graphischen Regressionen geben konnte. Auf jeden Fall ist es aber unwahrscheinlich, daB das gut dinische ,,s” dieses Elements spontan, d. h. ohne Vorbild, durch das undiinische ,,ts” ersetat wurde. 104 J. Paowz Die altdiin. Schreibungen Hollotze (1547) und Stenlotze (Saw. 193) echt danischer ON auf -lose diirften dadurch entstanden sein, daB die betr. Schreiber von den Inseln Lolland oder Falster stammten und die ihnen bekannte Schreibung -ts- des Namentyps Korselitse, die nach den Belegen bereits damals weitgehend eine Aussprache ,,s” wiedergab, auf das ihnen ebensowenig bedeutungsmaBig klare -lose iibertrugen. Ebenso méchte man bei den Umdeutungen von Namen auf -litse unter dem EinfluB der Namen auf -lse wie bei Cobelodtze (1610, 2u Kobelitse), Katzselosse (1497, 2u Korselitse) und Thelasse (1572, zu Tillitse) ver- muten, daB hier dem Schreiber wiederum der Namenstyp auf -itse nicht geliufig war, d. h. daB er nicht von Lolland oder Falster stammte. Die bei Verlust des Nebentons und folgender Vokalschwichung entstandenen Vertretungen von -lose, wie -les(e), -(e)lse, vgl. otwa Meelse (13. Jh. Micethelosee), Slagelse (alt Slaulose) (Steen. 08, 24) kénnen bei den interessierenden Namen keinen Anlaf zu MiBdeutungen geben, da fiir vereinzelt auftretende Formen dieser Art, wie Kobelse (1682, zu Kobelitse) ausreichende Belege vorhanden sind, die eindeutig auf altes -litse und nicht -lose hinweisen. Téllise Heed (Odense Bymark, Fiinen), das von Srrenstrur (08, 45 f.) als Beleg gegen eine slay. Her- kunft von Tillitse angefiihrt wird, braucht trotz der lautlichen Ahnlich- keit mit Tillitse auf Lolland nicht slavisch erklart zu werden, da Belege mit ,,ts” u. 8. fir ,,s” fehlen und es daher ebensogut ein geschwiichtes -lose enthalten kann, wenn auch dieses alte Geldindeappellativ in Flur- namen, im Gegensatz zu Siedlungsnamen, recht selten ist. 7.3. Dan. nes ,,Kap” Das dan. Zweitglied nas ,,.Kap” deckt sich in seiner bei Verlust des Nebentons entwickelten Lautform -nis, -nisse, -nese, -nse mit den Stufen -nisse, -nese, -nse eines slav. Elements -nitse. Bei der auf Lolland vorauszusetzenden Aussprache ,,e” fiir kurzes ,,i” ist auch nachtriig- liche Deutung eines -nese aus -nitse slavischen Ursprungs als ,,nes” jederzeit miglich. Ein entscheidendes Kriterium dafiir, ob slav. -nitse oder din. -nes vorliegt, ist das Vorhandensein eines als ,,nes” zu bezeichnenden Kaps an Ort und Stelle. So liegt Trannisse Gaard am Kap Tronsehoved] Aalehoved. Diin. hoved ,,Kopf, Haupt” wird in Toponymen vor allem fiir abgerundete, namentlich hohe Kiistenvorspriinge beniitzt (DS 11, XXI). Es handelt sich also tatsiichlich um ein Kap, und man wird in den auslautenden Blementen -nse, -nese, -nisse dieses Toponyms besser Zur Frage slaviseher Orts- und Personennamen auf siiddén. Inseln 105 durch Nebentonverlust entstandene Schwundstufen des din. Zweit- gliedes ,,nes” shen und es nicht mit einer lautlich an sich méglichen slay. Vorform osorb. trawniééo ,,Grasplatz” (Jak. 378) in Verbindung bringen, sondern mit dem Namen T'romness (DS 11, 229) eines Kaps auf Falster. Bei Kramnitse dagegen spricht gegen die Deutung des -nitse als ,,nees” nicht nur der Umstand, daB die alteren Belge kein -n- zeigen, sondern auch, wie DS 11, 51 richtig bemerkt, die Janggestreckte Form der Halbinsel, die der landléufigen Vorstellung von einem ,,nas” nicht entspricht. 7.4. Altdin. ,,with” und ,,tved” SchlieBlich kommen als din. Zweitglieder noch adn. with ,,grofer Wald” und tved ,,ein von zwei Wasserliufen begrenztes oder zwischen zwei Waldstiicken liegendes Stiick Land, Ackerstiick zwischen Bra- chen” (Steen. 08, 107 baw. 105) in Betracht, namentlich wenn sich in Zusammensetzungen mit dem gen. sg. dieser Worte eine Lautverbin- dung -ds- ergibt. Nach dem meist konsonantisch, oft auf genitivisches -s auslautenden Erstglied ist bei den Zweitgliedern with, tved, ahnlich wie bei unserem Typ Quodevitze/Kotwidtze/Kuditse, meist. Schwund des -v- zu erwarten, so da von ihnen oft nur ein Element -ted, -ed, -d iibrigbleibt. Man vgl. das Rathwet der Falsterliste, schon 1472 Rad, Raadh (DSN 11, 169 und Krist. 9, 38), und Bonnet, schon 1364 Boneth, in dem nach DS 11, 215 und Krist. 9, 37 das Zweitglied ,,with” stecken soll, sowie das schon oben erwihnte Merritskov. Von den interessieren- den Namen kommen hier vor allem in Betracht Bowvidtz aggerre|Lille Bouvidtzer, Kortwis (Kortwidtz) agere skifte, Ketweedtz und Rydvidee, jetzt Rejse, Rejser. Bei Zuriickfuhrung auf din. with, tved miBte wie oben bei led ,,Stiick” etwa in Norre Ledtz echifft ein auslautendes geni- tivisches -s angenommen werden, das nach Fortfall des folgenden Na- mengliedes seine flexivische Funktion verlor und danach durch An- fiigung eines beweglichen -e oder mit der Pluralendung weitergebildet werden konnte, wie dann etwa bei Lille Bouvidtzer und Rydvidse. Es gelten daher die bereits oben bei ,,led” gemachten Einwiinde mit der Abschwiichung, daB ,,with” und ,,tved” im Gegensatz zu ,,led’”” als Appellative frith verschwunden sind, die mit ihnen zusammengesetzten, Toponyme daher friih ihre Wortbedeutung verloren und somit eine der urspr. Namensstruktur nicht entsprechende Weiterbildung eher zu erwarten ist. 106 J. Prinz 8 Die semantische und morphologische Motivierung und die Deutung der einzelnen Namen Mit vollem Recht hat V. A. Nrkonov in seinem Beitrag ,,L’étymolo- gie? Non, Vétiologie!” (RIO 12 [1960] 161-166) darauf hingewiesen, daf jedes Toponym in statu nascendi semantisch und morphologisch motiviert ist. Angesichts der phonetisch teilweise beachtlichen Mehr- deutigkeit der interessierenden Namen bietet das Kriterium der seman- tisch-morphologischen Motivierbarkeit einer vorauszusetzenden slav. Grundform ein gutes Mittel, um innerhalb der Fille der lautlich ge- gebenen Méglichkeiten einen Weg zu finden. Deshalb wird die abschlieBende Besprechung der interessierenden Namen im Sinne der in § 5.1. skizzierten Gedanken Nikonovs vom Systemcharakter der sprachlichen Erscheinungen nach semantisch- morphologischen Gruppen durehgeftihrt. Wegen der einzelnen Namen- belege vgl. am Schiu8 das alphabetische Namenverzeichnis, aus dem auch alle Stellen zu ersehen sind, an denen der betr. Name in diesem Beitrag erwihnt wird. Ebenso wird auf die in den vorangegangenen Abschnitten besprochenen allgemeinen Erscheinungen und Gesichts- punkte auch aus Raumgriinden nur dort ausdriicklich hingewiesen, wo dies fiir das Verstandnis der Erluterungen bei den einzelnen Namens- formen unbedingt erforderlich ist. 8.1. Die Personennamen Die auf stiddanischen Insein bis jetzt belegten Personennamen, die sich mit einem slav. Element in Verbindung bringen lassen, sind an Zahl gering. Offensichtlich war das slav. Element zur Zeit der Heraus- bildung eines festen Familiennamensystems bereits erloschen, denn andernfalls wren angesichts der beachtlichen slav. Spuren in den To- ponymen sehr viel mehr Personennamen méglichen slav. Ursprungs zu erwarten. Bei den spiiteren Belegen slav. PN handelt es sich daher wohl um solche slav. Namen, die drtlich als Vornamen aus dem Slay. entlehnt wurden und lange nach dem Erléschen des lokalen slav. Elements weiterlebten. Die Namen selbst wurden vor allem von Sawicxt S. 198 f. ausfiihrlich besprochen. Mit Ausnahme von Dobic handelt es sich um Vollformen slav. PN mit den hiufigen Zweitgliedern -bors, -mére|-mirs und -slavs. Schon in der ailtesten slav. Uberlieferung, einschlieBlich der von PN abgelei- teten Ortsnamen, treten diese Vollformen gegeniiber den weitgehend nur das erste Namenglied verwendenden Kurzformen ziemlich in den Hintergrund, Auch wegen der frithen und oft fast vélligen Verdrdingung Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddin. Inseln 107 der heidnischen slav. Vornamen durch christliches Namengut lassen sich daher wohl die in den Kurzformen enthaltenen, recht vielfiiltigen Erstglieder ebenso wie die recht stereotypen Zweitglieder, nicht aber ihre nur in den Vollformen sichtbar werdenden mannigfachen Kombina- tionen reichlich belegen. Dieser Umstand ist bei der Beurteilung slav. Volinamen stets im Auge 2u behalten. Danitslof (1472) 2u slav. *Danislavs, altruss. belegt durch Danvslav (Tupikov), erstes Glied motiviert durch Ableitungen von Kurzfor- men dieses Vollnamens wie Dannowe (1336, Traut. 50,45) und von anderen Vollformen mit dem Erstglied Dan- wie Dannebur (Zweit- glied -bors, 1426/20/30, Traut. 50, 45) sowie durch die fast unbegrenzte Verwendbarkeit des Zweitgliedes slave in slav. Vollnamen. -slof ist durch das din. Zweitglied -lef, -loff, -loff beeinfluBt, wie in Detlef, Detloff, Detloff (DPN 190 f.); das -i- ist wohl rein graphische Re- gression, die Schreibung -ts- dann aus der anzunehmenden Aussprache *Danslof{|Dantslo/f entstanden. Dobie (12. Th., sprich Dobik), Kurzform ossl. *Dobik 2u einem belie- bigen slav. Vollnamen mit Erstglied Dob-, Dobr-; -ik bekanntes slav. Deminutivsuffix; ,,o” aus ,,o” wegen Entlehnung vor Erléschen des i-Umlautes, daher auch nicht die mehrfach belegte Kurzform Dob-k anzunehmen, wie in den tsch. ON Dobkov, Dobkovice (Chr. 96). Dribor, Drebor (1743, 1714), wegen des in slav. Vollnamen haufigen Zweitgliedes -bors wohl slav. Ursprungs. Ein Erstglied Dri-, etymo- logisch an sich durchsichtig, ist in slav. PN an sich selten; vgl. hierzu bei Sawicxr 8. 199 den Flurnamen Drzyslawy (bei Bytyi, Zweit- glied -slavs) und den PN Drivolk, Driwolk (1232, 1314, Leg Riig 117). Wogen des spiiten Beleges kénnte auch ein anderes, durch die din. Lautentwicklung gekiirztes slav. Erstglied mit anlautendem Dr-vor- liegen. Gnemer (13. Jh.), zum slav. gut belegten PN Gnévoméra|-mirs, vgl. etwa den ossl. ON Gnemere (1320) zum PN pom. Gneomarus (1221), Gnewemarus (1269) (Traut. 50, 58). Schwund der zweiten Silbe der slav. Form im Dan. durch Schwund des unbetonten -o- und des -v-: der Name hat schon eine din. Parallelform entwickelt. Cassemirius (1741) zeigt die fast unverdnderte Gestalt der slav. Voll- form poln. Kazimier2 und ist gerade deshalb in einem so spiiten Beleg verdiichtig. Ob es sich nicht um die sporadische Ubernahme dieses besonders im Poln. lebendig geblicbenen Namens im Zusammenhang mit den Verwicklungen Dinemarks in die poln. Geschicke 1657-1660 108 J. Prise und 1700-1721 oder um einen eingewanderten Polen handelt, also um eine sporadische Erscheinung auSerhalb unseres Themas ? Syborre (1610): In der zweiten Silbe kann wieder das hiufige Zweit- glied -bors der slav. PN stecken, das unter anderem die slav. Voll- namen *Mostibors und *Cestibore bildet. Bei der im Ossl. anzuneh- menden geringen Palatalisierung des ,,t” vor vorderen Vokalen wiire din. an sich eher Stibor zu erwarten, vgl. die vergleichbare Lautform der entspr. Erstglieder in tsch. Mstislav (Kot 1, 1081), Ctibor (Kott 5, 1145), Bei Annahme einer ostlechitischen Vorform mit starker Palatalisierung des ,,t”, etwa pom. Afsca-, Sca-, lieBe sich das einfache ,,s” von Syborre besser begriinden. Hine Riickfhrung auf den PN westslav. *Véebor kommt schon wegen des ,,e” weniger in Betracht. Vendt (1660), Wind (1610) weist zweifellos auf die dan, und dt. Bezeich- nung der Slaven als Familienname hin, Allerdings konnte dieser Name auch aus anderen Gebieten, auch aus Deutschland, einge- schleppt sein, wo seine Entstehung in den slav. Randgebieten ohne- hin begriindet ist. 8.2. Die Flurnamen Hier sind alle Namen zu behandeln, bei denen nach den morphologi- schen Merkmalen und der zu erschlieBenden Wortbedeutung vorzugs- weise Entstehung als Flurname anzunehmen ist, auch wenn auf der betr. Flur in der Folge eine Siedlung entstand, Auch aus den in § 4.3. u. 4.4, dargelegten Gesichtspunkten ergibt sich die Notwendigkeit, die aus Flurnamen entstandenen Siedlungsnamen nach Méglichkeit von den urspriinglichen Siedlungsnamen zu trennen. Zweifellos schlieBen sich die Strukturen urspr. Siedlungsnamen und urspr. Flurnamen nicht gegenseitig aus. Schon aus der Natur der zu bezeichnenden Objekte ergeben sich aber verschiedene Gesichtspunkte bei der Namenbildung fiir Fluren einerseits und fiir Siedlungen anderer- seits. Hier sei deshalb auf die wichtigsten Unterschiede hingewiesen. Spezielle Merkmale des Geliindes, der landwirtschaftlichen Nutzung, der Art des Bodens u. dgl., die sich mehr oder minder in jeder Gemarkung wiederholen kénnen, eignen sich weniger zur Differenzierung von Sied- lungen als zur Differenzierung ihrer Fluren. Daraus ergibt sich bei den Flurnamen ein entschiedenes Ubergewicht der oben genannten Be- deutungsgruppen, wenn sie auch bei den Siedlungsnamen, die aller- dings oft den Namen einer Flur iibernommen haben diirften, keines- wegs fehlen. Vgl. hierzu die Ubersicht der in Flurnamen auftretenden Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddin. Inseln 109 Bedeutungsgruppen anhand von Flurnamenmaterial aus den Gebiot von Lédé (Polen) von Sr. Hrazec in Slaw. Nfg. 1963, 15-20. Eine groBe Rolle spielt hierbei die unmittelbare Verwendung von Adjektiven und Appellativen zur Bezeichnung von Fluren. Der Anteil solcher Namen diirfte in Wabrheit sehr viel gréBer sein, als man gemeinhin annimmt, da die Appellative des Gelindes im weitesten Sine auch von den groBen Worterbiichern meist ungeniigend erfaBt werden, so daB man sie fiir Bildungen mit primiirem Eigennamencharakter hilt. AufschluBreich hierfuir ist eine Untersuchung von M. JuRKowsEr in Por. Jez. (1964) 8, 101-122 mit reichlichem poln. und ukr. Material. Diese Arbeit zeigt auch deutlich die Existenz von morphologischen Reihen, die fiir die Bildung von Appellativen des Gelindes im weitesten Sinne typisch sind und durch die mangelhafte lexikographische Erfassung bisher nicht entsprechend beriicksichtigt wurden, VerhiltnismaBig reichhal- tiges Material bieten in dieser Beziehung das pomoranische Worterbuch von F. Lorenz und das tschechische Wérterbuch von F. Korr, deren Wortschatz deshalb im folgenden im Vordergrund steht. Daneben leistet die Flumamensammlung von A. Perrov gute Dienste. Der Schwerpunkt der Siedlungsnamen liegt bei den Ableitungen von Personennamen, wenn auch andere Bedeutungsgruppen keineswegs fehlen. Daneben spielt die Verwendung von Gewiissernamen eine be- achtliche Rolle. Bei den Siedlungsnamen ist der Eigennamencharakter viel stiirker ausgeprigt als bei den Flurnamen. Zwar fehlen umfassende Untersuchungen, doch kann man sagen, daB die unmittelbare Verwen- dung von Adjektiven und Appellativen eine erheblich geringere Rolle spielt und andere, in Verbindung mit den betr. Wortstdémmen fiir Sied- Iungsnamen typische Formantien verwendet werden. Von den alteren von Personennamen abgeleiteten Bildungstypen treten vor allem Ab- leitungen auf ossl. -ici ,,Angehdrige der Sippe von . . .” hervor, die bei Flurnamen fast villig fehlen, wie bei den letateren tiberhaupt die Per- sonennamen eine geringere Bedeutung haben. Dies ist angesichts der Art der landwirtschaftlichen Nutzung und der sozialen Struktur der alten Dorfgemeinden, vor allem bei den Slaven, auch durchaus zu er- warten. Angesichts der bis jetzt ungentigenden Erfassung der slav. Appella- tive des Gelindes im weitesten Sinne wie auch des slav. Flurnamen- schatzes lassen sich bei der ErschlieBung slav. Vorformen morphologi- sche Interpolationen, die sich natitrlich im Rahmen der erkennbaren Wortbildungssysteme halten miissen, vorldufig nicht ganz. vermeiden. 110 J. Prinz a) Die Ableitungen von Pflanzennamen Die Pfanzennamen spielen bei der Bildung der slav. Flumamen eme groBe Rolle. Die dabei in unserem Gebiet auftretenden Formantien lassen sich vor allem auf ein ossl. -(ov)i8e, -(ov)ica, -(ov)ee 2uriiekfithren, wobei sich nicht nur mebrfach aus dem slav. Ortsnamenschatz Ent- sprechungen anfiihren lassen, sondern auch entsprechende Appellative des Gelindes, vor allem auf pom. -o(v)idée und tsch. -(ov)isté festzu- stellen sind. Zur Vertretung dain. -itse vgl. §§ 6.1.d u. 6.4. Boris Ager, Boridtz schiffte, Lille und Store Buridtz (17. Jh.): zu ossl. *borovisée, *borovica, vgl. pom. b¥oréjaée ,,unfruchtbares Rodeland” (Lor. 70), entsprechend poln. borowisko ,,Feld auf gerodetem Kie- fernwald” (Dor. 1, 615), ~ von den beiden parallelen Suffixen -idte und -isko kennt das Poln. nur das zweite -, ossl. ON Borist (1171, Traut. 50, 30), ON und Fl. Boposua (RGN 1, 495 u. RGW 1, 194 f.) usw., Ableitung von slav. bors ,,Kiefernwald, Heide”; wegen 0:0 vgl. § 6.3.d. Weniger wahrscheinlich Ableitung vom slay. Kurz- namen Boris, s. § 8.2.fa. Bouvidtz aggerre, Lille Bouvidtzer (17. Sh.) : 2u ossl. *bobovisée, vgl. pom. buobvévisée ,,Feld, auf dem Bohnen gestanden haben” (Lor. 67), tsch. bobovisté, bobidé ,,Bohnenbeet, Bohnenfeld” (Kott 1,76), ON karp.-russ. Bobovisée (Chr. 29), russ. BoGonmme, BoSopumm (RGN 1, 409). Weniger wahrscheinlich Ableitung von PN, wie adan. Botwith, Bovi (DPN 155, 156), s. § 8.2.fa. Glukse, iilter Glochese, Gluchese: aus slav. *glogovica o. d., vgl. poln. glég »Weifdorn”, apoln. glogobicz, glogowicz, glogowié ,,verschiedene dor- nige Striucher, wie Weifdorn usw.” (APW 2, 420), ON poln. @lo- gowice, Glogowiec (SG 2, 606), tsch. Hlohovice (Chr. 163); die beiden letzten Namen pl., daher gern als Ableitung von einem PN *Hloh mit dem Suffix ossl. -ici = poln. tsch. -ice gedeutet, eher aber hier nachtréigliche Angleichung eines urspr. Flurnamens auf -ica mit dem Ubergang zur Siedlung an den Siedlungsnamenstyp auf poln. tsch. ~ice; in dieser Richtung auch die Vermutung von Prorous 1, 639. Auch eine Ableitung von dem schwach belegten adin. PN Glug (DPN 374) kommt weniger in Betracht. Jerlitzegaard ist bei Annahme eines urspr. Flurnamens mit einem slav. Appellativ, wie tsch. jedlovidt, jedlidté ,,Nadelholzwald, Tannenwald” (Kott 1, 609) in Verbindung zu bringen, vgl. ON wie osorb. Jédlica, dt. Jiedlitz (Jak. 131), tach. Jedlice (Chr. 232). Das -rl- des Namens, im drtlichen Dialekt mit sogenanntem ,,vokalisiertem r” (die Be- ‘Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddéin, Inseln 111 zeichnung als ,,r” hat hier rein etymologischen Charakter), kann sehr gut lediglich die Auflésung der fiir das Dan. ungewéhnlichen Lautverbindung -dl- bezeichnen. Nimmt man statt eines urspr. Flurnamens einen alten Siedlungsnamen an, so ergeben sich andere Deutungsméglichkeiten, s. § 8.3.0. Lange Kleinidser: von ossl. *klenoviste, *klenovica, au slav. keno ,Ahorn”, vgl. ON wie tsch. Klenovice (Chr. 263 f.) neben Klenice (Chr. 263), poln. Klonowiec (SG 4, 161) - das Poln. zicht in vergleich- baren Bildungen -(ow)iec vor ~, russ. FI. Kaenonmna (RGW 2, 345). Wegen der Bildung vgl. auch oben tsch. jedl(ov)isté und tech. bfe- 2ilté ,,Birkenort” (Kott 1, 96), dubidté, dubovidté ,,Hichenwald” (Kott 1, 320, 821) u. a, Wegen diin. -ei- fiir slav. -e- s, § 6.3.b. Kraferne Schiffte (17. Jh.): In Flurnamen spielen Bezeichnungen der fir das Sammeln von Reisig wichtigen Gehdlze eine gewisse Rolle. Man méchte daher den Namen mit einer ossl. Entsprechung von russ. xpopocr ,,Reisig”, vgl. pom. xarst (Lor. 270) ,,Strandhafer” in Ver- bindung bringen (die Bedeutung schwankt bei diesem Wort in den slav. Sprachen sehr), doch stért die Metathese -ar- 2u -ra-, vgl. aber dain, -torp|trup u. a. Wegen der Ableitung von einem PN s. § 8.2.fb. Die Deutung dieses Namens auf slav. Basis gibt jedenfalls kein ganz befriedigendes Ergebnis. Revitse: Man denkt an ossl. *répiéte, sekundiir auch *répovidée ,,Riiben- feld”, vgl. tsch. repiste, tepnidté, Fepovidtd ,,Riibenfeld” (Kott 3, 54f.), Flurn. Panuma, Ripiéée (Petrov mehrmals, s. Reg.), ON polon. russ. Reepiszeza, Rjepiszcza, Reepiszeze (SG. 10, 147), sik. Repiite, Re- pistia (Chr. 540), tech. Repidté (Chr. 559) usw. Prof. 3, 556 geht wohl zu weit, wenn er bei fast allen tschech. ON des Stammes Rép- den unmittelbaren Zusammenhang mit dem Riibenanbau beiseite schiobt und lieber den Spitznamen fepa ,,Riibe” u. &. voraussetzt. ON, wie poln. Rawicz, gehéren einer dlteren Namensschicht an und sind hier besser nicht heranzuzichen. Wegen einer bei urspr. Flurnamen an sich fernerliegenden Ableitung von einem slav. PN mit dem Erst- glied Rad-, Red- vel. Rydvidse § 8.2.£b. Trannisse Gaard kénnte man mit einem ossl. *travnica, vgl. osorb. trawni8éo, trawi8éo ,,Grasplatz” (Jak. 378), slz. trévni ,,Gras-” (Lor. Slz. Wb. 2, 1229) in Verbindung bringen. Jedoch liegt dieser Hof am Kap Tronsehoved (Aalehoved). Din. hoved ,, Kopf, Haupt” wird in Toponymen vor allem zur Bezeichnung abgerundeter, hoher Kiistenvorspriinge beniitat (DS 11, XXII). 2 J. Prinz, Deshalb wird man in dem auslautenden Element -nisse baw. -nse besser das durch den Verlust des Nebentons bedingte Schwachungs- produkt von diin. ,,ngs” sehen, vgl. z. B. Gaabense, 1489 Gobeness, Falster (DS 11, 176, vgl. Steen. 08, 45), den Namen zum din. Topo- nym Tromnes (DS 11, 229), Kap auf Falster, stellen und ihn als ein Kompositum din, Ursprungs betrachten. Vgl. § 7.3. b) Die Ableitungen von Tiernamen Diese Ableitungen spielen bei der Bildung der slav. Flurnamen eine merklich geringere Rolle als die Ableitungen von Pflanzennamen. Kobelitse, slav. Vorform etwa ossl. *Kobylica, *Kobylisée, Bedeutung etwa ,,Stutenweide, Gestiit”, vgl. tsch. kobyliSt® ,,Stutenstall” (Kott 1, 715), in Toponymen reichlich belegt, vgl. etwa KoSusmna (RGW 2, 366 f.), poln, Kobylica, Kobylice usw. (SG. 4, 215), tsch. Kobylice, volkstiimlich sg., d. h. altes -ica (vgl. Prof. 2, 265), vor allem aber Kobylnice (Chr. 268 f.), letate Form vielleicht ein urspr. Siedlungsname (,,RoBhirtendorf”, vgl. Prof. 2, 267). Vgl. dazu den Namen eines Wiesengelindes im Gedesby S., Sonder-H., Falster: Kobbelso (LFF 22), nach D§ 11, 225 trockengelegter Strandsee (din. 80”), der dann in Koppeln (din. kobbel, neueres Lehnwort) ein- geteilt wurde. Die Motivierung als ,,Koppelsee”’ ist nicht ganz. tiber- zeugend, -so kann durch Etymologisierung von -se entstanden sein, 8, Kobelse (1682)/Kobelitse. Vgl. § 6.1.h. u. DS 11, 2288. v. Skelby Fang. Kortwis (Kortwidtz) agere skifte (17. Jh.) laBt sich angesichts der Tat- sache, da8 loll. tautosyllabisches ,,r” ,,vokalisiert” und dadurch ein rein graphischer AnschluB an din. kort ,.kurz” durch falsche Re- gression erméglicht wird, auch mit der slav. Bezeichnung fiir Reb- huhn, tsch. koroptev, poln. kuropatwa, vgl. auch tsch. korotevnice »,Rebhuhngarten” (Kott 1, 754), erweitert mit dem slav. Flur- namensuffix ossl. -ica, -i&e, in Verbindung bringen. Der Name bleibt mehrdeutig. Vgl. auch Keetweedtz § 8.2.¢. ¢) Flurnamen, die sich auf die Beschaffenheit des Geliindes beziehen In dieser Namengruppe sind im Slav. Appellative allgemeiner Ver- wendung, wie Bezeichnungen fiir ,, Berg” und,,Tal”, ,,Jang” und ,,kura”, stark vertreten. Das Suffix -ica ist recht hiufig. Bildtze (1645), Bildtz ager (1479), Billitee Holme: Als Flurname von oss]. *bélica zu *béle ,,weiB” nach der Farbe und Beschaffenheit des Bodens, vgl. die zahlreichen entspr. ON und Fi. wie Besa (RGN 1, 2 J. Prinz, Deshalb wird man in dem auslautenden Element -nisse baw. -nse besser das durch den Verlust des Nebentons bedingte Schwachungs- produkt von diin. ,,ngs” sehen, vgl. z. B. Gaabense, 1489 Gobeness, Falster (DS 11, 176, vgl. Steen. 08, 45), den Namen zum din. Topo- nym Tromnes (DS 11, 229), Kap auf Falster, stellen und ihn als ein Kompositum din, Ursprungs betrachten. Vgl. § 7.3. b) Die Ableitungen von Tiernamen Diese Ableitungen spielen bei der Bildung der slav. Flurnamen eine merklich geringere Rolle als die Ableitungen von Pflanzennamen. Kobelitse, slav. Vorform etwa ossl. *Kobylica, *Kobylisée, Bedeutung etwa ,,Stutenweide, Gestiit”, vgl. tsch. kobyliSt® ,,Stutenstall” (Kott 1, 715), in Toponymen reichlich belegt, vgl. etwa KoSusmna (RGW 2, 366 f.), poln, Kobylica, Kobylice usw. (SG. 4, 215), tsch. Kobylice, volkstiimlich sg., d. h. altes -ica (vgl. Prof. 2, 265), vor allem aber Kobylnice (Chr. 268 f.), letate Form vielleicht ein urspr. Siedlungsname (,,RoBhirtendorf”, vgl. Prof. 2, 267). Vgl. dazu den Namen eines Wiesengelindes im Gedesby S., Sonder-H., Falster: Kobbelso (LFF 22), nach D§ 11, 225 trockengelegter Strandsee (din. 80”), der dann in Koppeln (din. kobbel, neueres Lehnwort) ein- geteilt wurde. Die Motivierung als ,,Koppelsee”’ ist nicht ganz. tiber- zeugend, -so kann durch Etymologisierung von -se entstanden sein, 8, Kobelse (1682)/Kobelitse. Vgl. § 6.1.h. u. DS 11, 2288. v. Skelby Fang. Kortwis (Kortwidtz) agere skifte (17. Jh.) laBt sich angesichts der Tat- sache, da8 loll. tautosyllabisches ,,r” ,,vokalisiert” und dadurch ein rein graphischer AnschluB an din. kort ,.kurz” durch falsche Re- gression erméglicht wird, auch mit der slav. Bezeichnung fiir Reb- huhn, tsch. koroptev, poln. kuropatwa, vgl. auch tsch. korotevnice »,Rebhuhngarten” (Kott 1, 754), erweitert mit dem slav. Flur- namensuffix ossl. -ica, -i&e, in Verbindung bringen. Der Name bleibt mehrdeutig. Vgl. auch Keetweedtz § 8.2.¢. ¢) Flurnamen, die sich auf die Beschaffenheit des Geliindes beziehen In dieser Namengruppe sind im Slav. Appellative allgemeiner Ver- wendung, wie Bezeichnungen fiir ,, Berg” und,,Tal”, ,,Jang” und ,,kura”, stark vertreten. Das Suffix -ica ist recht hiufig. Bildtze (1645), Bildtz ager (1479), Billitee Holme: Als Flurname von oss]. *bélica zu *béle ,,weiB” nach der Farbe und Beschaffenheit des Bodens, vgl. die zahlreichen entspr. ON und Fi. wie Besa (RGN 1, Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddiin, Inseln 113 322 u. RGW 1, 110), poln. Bielica (SG. 1, 211 f,, 15, 1, 139f.); vielfach auch urspr. Siedlungsnamen entsprechend einem ossl. * Bélici, wie poln. Bielice (SG. 1, 212f.), Ableitungen von einem Spitznamen *Béls ,,der WeiBe” oder analoge Umbildung urspr. Flurnamen, beide Typen oft nicht zu trennen, wie bei den hiufigen ossl. Belitz u. a, (Traut. 50, 25). Bei der Ableitung aus dem Gen. des adin, PN Bilde, in der Folge als Name eines loll. Geschlechts auch Bille (DPN 124, vgl. a. DS 11, 116), bereitet die Erklérung der auftretenden Varianten des Formans, mit Ausnahme von Bildtz ager und Billes- holme, wo sich das -s ohne weiteres als Genitivendung deuten liBt, gewisse Schwierigkeiten, vgl. dazu § 6.4. u. 7.1. Dalgehavns Mark (1809) zu ossl. daly ,.lang” oder dalek- ,,fern” bietet keine Probleme. Dalleche ist besser zu slav. *daleko ,,weit, fern” zu stellen, vgl. § 6.1.i. Goltze Hoy (17. Jh.), von slav. *goliea, zu glav. gos ,,bloB”, vgl. pom. gtoléca ,,von der Sonne ausgebranntes Stick Acker” (Lor. 245), in der Karpatoukraine beliebte Bezeichnung fir kahle Hohen, s. die Belege des Flurnamens Poauua (Petrov mehrfach, s. Reg.) usw. Gorkebanke usw. (17. Jh.), 2u slav. goroka ,,Anhéhe”, im Slav. all- gemein; wegen der bevorzugten Verwendung zur Bezeichnung von Anbéhen in den din. Belegen kaum 2u altdiin, *yorugh- ,,feucht, sumpfig”, din. dial. gurken, vgl. Saw. 196 u. § 6.3.4. Kampidtze (17. Sh.) 2u ossl, *kapica 2u pom. kapa (Lor. 341), poln. kepa (Dor. 3, 654) ,, Werder, FluBinsel, mit Rohr und Binsen bewachsene Untiefe, inselartig aus Sumpf hervorragendes Gelinde”, auch alt- poln. belegt (APW 3, 266). Vgl. ON wie poln. Kepice (SG. 3, 958), ossl. Kampitz (1269), Camptze (1331), Camptz (1320) (Traut. 50, 71). Siche auch § 6.3.g. KompelmoBe Holm u. a. (17. Jh., mose din. ,Sumpf”): 2u pom. kgpél (Lor. 367), poln. kapiel usw. ,,Bad”, schon altpoln. auch auf den Ort baw. das Gewiisser bezogen, in dem man badet (APW 3, 263), mehrfach als Gewiissername belegt, vgl. z. B. Fl. Kapiel/Kompiel (SG 3, 941), ukr. Kyneas, Bach (Petrov 3 x, s. Reg.). Vgl. auch dial. kampe sig ,,baden, intr.” zum Infinitivstamm pom. kapac aq ,,dass.” (Lor. 342), Wegen des Vokalismus vgl. § 6.3.g. Kramnitse: Wegen der in § 6.3.b dargelegten Gesichtapunkte macht die Ableitung dieses Namens vom in Toponymen sehr haufigen slav. Appellativ slz, kfema usw. (Lor. 387 f.), poln. krzemie. ,,Kiesel, Gerdll” usw., vgl. ON wie slk. Kremnica (Chr. 294), FluBn. wie russ. ‘Zaitucheif £. slay. Phllologie. Bd. XXXII & 14 J. Prinz, Kpemenma (RGW 2, 513) Schwierigkeiten, da als Vertretung eines slav. ,,e” vor einer Silbe mit vorderem Vokal, die in allen Ableitungen dieses Stammes vorliegt, keinesfalls ,,a”’, sondern ,,i” oder besten- falls ,,e” zu erwarten ware. Dagegen bietet sich als Bezeichnung einer schmalen Einfahrt wie der des Kramnitse Gab ein ossl. *kr¢pnica an, das namentlich in Gewassernamen des ossl. und des angrenzenden ostlechitischen Bereichs reichlich belegt ist und vor allem eine Durch- fahrt 2u einem Gewésser zu bezeichnen scheint, vgl. die Belege Crampesze (1226), Crampetze (1431) usw. (Traut. 50, 83 f.) ohne ein n-Element, und die von Saw. 194 nach Kozrerowsxt gegebenen Belege wie Crampeniz (1285), sumpfige Gegend, Krampnitz, See u. Siedlung bei Potsdam mit einem solchen Element vor dem voraus- zusetzenden Suffix -ica. Wegen eines méglichen Zusammenhanges mit dem din. und slav. Lehnwort kram, auch ,,Verkaufsbude”, 8. § 8.2.¢. Rydvidse (hist.), jetzt Rejse, Rejser: Dieser Name kénnte zu russ. puirsa, psrrsia ,,vom Regen ausgewaschene Rinne”, tsch. rytvina j,bestimmtes Terrain im Gebirge” (Kott 3, 240) gehdren, vgl. den ukr. Flurnamen Pursuna (Petrov 2 x, s. Reg.), und wiirde dann eine Weiterbildung auf -ica zu einem alten Verbalsubstantiy russ. prsa zu slav. ryti ,,wihlen, graben u, 4.” darstellen. Es wire zu priifen, ob diese an der Steilkiiste von Mon gelegene Flur tatsiichlich durch vom Regen ausgewaschene Rinnen gekennzeichnet ist. Wegen des Vorliegens einer Ableitung von einem PN s, § 8.2.fb, Die Deutung auf dan. Basis hat jedenfalls mit Schwierigkeiten bei der bedeutungs- méaBigen Motivierung und der Erkldrung des auslautenden -dse zu kampfen. Wommelitze Agre, Flur eines Kiistenortes, liefe sich als Ableitung von einem Appellativ russ, ores, poln. odmial, mit Hilfe des slav. Suf- fixes -ica motivieren, falls die Flur direkt am Meer an einer Stelle liegt, die man als *otmelica ,,Sandbankgegend” bezeichnen kann. Der w-Vorschlag vor anlautendem o- scheint im Ossl. obligat zu sein. Zum Ubergang -tm- zu -mm- s. § 6.2. d) Flurnamen, die die Lage zu einem anderen Punkt bezeichnen Zu diesem recht héufigen Typ kénnten gehéren: Dalgehavns Mark, falls 2u dalek- ,,Fern”, vgl. § 8.2.0. Dalleche Land schiffte: Teilitbersetzung eines ossl. *Daleka (Niva] »»Die [dem Dorf] fernsten Enden (Fluren)”, vgl. auch § 6.1.4. Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf siiddin. Insoin 115 Krogidtzerne (17. Jh.): zu ossl. *krajidée, vgl. tach. krajisté ,, Randgebiet, Gebiet, Markgrafschaft” (Kott 1, 780 u. 6, 706), also Ableitung von slav. *krajp ,,Rand”, das, allerdings ganz tiberwiegend mit n-haltigen Suffixen, in der slav. Namengebung allgemein verbreitet ist. Vgl. §6.3.a, 7.1. e) Ableitungen von Kulturwértern Koster, ~ Pergegaard, ~ Koster Vig. Zum eigentlichon Namenkérper gehért nur Koster, nicht aber ,,.Fahrhaus” bzw. ,,Bucht”. Mit dem Erstglied des Siedlungsnamens Kosterslev auf Fiinen (LFF 90), bei dem wegen des Zweitgliedes -lev ein PN als Erstglied wahrscheinlich ist, schwer in Verbindung zu bringen, da ein Namentyp ,,PN ohne Erweiterung” im Din. nicht nachweisbar ist, eher noch mit den Kosterinseln im schwedischen Bohuslin. Die Lage der betr. Ortlich- keiten an der Uberfahrt von Man nach Secland 1éBt es dagegen als méglich erscheinen, da hier das slav. Wort russ. xoerep, pom. kvoscdt (Lor. 419) ,,HolzstoB, Scheiterhaufen” vorliegt, wobei der Scheiterhaufen eine altertiimliche Art von Leuchtfeuer fiir den Not- fall darstellen wiirde. Steen. 08, 70 weist auf die friher auf den siid- danischen Inseln haufige Verwendung von Holzkreuzen als optische Seezeichen hin - din. kors ,,Kreuz” -, woraus auch Toponyme wie Korsnakke (DS 11, 59) entstanden seien. Vgl. eine ihnliche Deutung fiir den mecklenburgischen Flurnamen ,,Upn Koster” bei H. Soman in Slaw. Nfg, 63, 245 nach W. Zdutsporr. Kramnitse: Abgesehen von den in § 8.2.c besprochenen Deutungen wird dieser Name auch mit dem aus dem Mhd. entlehnten poln. u. din. kram, tsch. krém, urspr. und tsch. und poln. noch jetzt auch ,,Ver- Kaufsbude”, dazu apoln. (zuerst 1441 belegt, APW 3, 376) kramnica und tsch. veraltet krémnice (Kott, 1 783), genaue Entsprechungen zu din, Kramnitse, in Verbindung gebracht. Im zweiten Glied wird dabei wegen der Belege mit -mn- din. nes ,,Kap”, wegen der alteren Formen nur mit -m-, wie Kramys (1692), din. hus ,,Hans” gesehen. Es handele sich dabei um Verkaufsbuden, die mit der beginnenden Versandung der alten Einfahrt in den Redby-Fjord, Drageminde, Anfang des 18. Jh.s an der neuen Kinfahrt Krammnitse Gab entstanden seien, Wenn die Einfahrt friher nicht beniitzt wurde und damit friiher auch keine Krambuden anzunehmen waren, kann der Name erst mit dem Versanden der Dragsminde entstanden sein, also zu der Zeit, aus der die altesten Belege des Namens stammen. Es ist denn verwunderlich, warum bereits die Belege aus der Entatehungszeit 116 J, Prinz, des Namens die nach dem damaligen und heutigen Sprachstand véllig klaren Glieder diin. hus und nas so verstiimmelt haben, abgesehen davon, daB die Form der betr., den Rodby-Fjord abschlieBenden Nehrung der iiblichen Vorstellung von einem ,,nees” nicht entspricht (DS 11, 51). Katweedtz, Strandwiesen, klingt an tach. kotvidté ,,Ankerplatz” (Kott 1, 766) an, eine auch in anderen slav. Sprachen motivierbare Ab- Jeitung vom slav. Appellativ pom. ktotdv Anker" (Lor. 422). Der Vokalismus bereitet wegen slay. ,,0”: din. ,,«” Schwierigkeiten. Wichtig wire die Nachpriifung, ob die betr. Ortlichkeit tatsichlich einen guten Ankerplatz bietet oder geboten haben kénnte. Rein lautlich wiirde die vorgeschlagene Deutung besser zu Kortwis passen, 8. §8.2.b. Smalle, brede Simeser: Es kommen drei Lésungen in Betracht: a) Ver- tretung eines Appellativs tsch. semenice, semenisté ,,Pflanzgarten, Baumschule” (Kott 3, 303). b) Ableitung von slav. zima ,,Winter” oder poln. zimny, tsch. zimny ,,kalt’”, vgl. auch den ukr. Flurnamen 3umosku (Petrov 3 x, s. Reg.) und die Einrichtung der Winterweide dicht beim Dorf zum Austreiben des Viehs an milden Wintertagen. ce) Ableitung von einer Kurzform des slav. Vollnamens Sémislavo, wie bei dem ON tsch, Semice (Prof. 4, 40) oder bei ossl. Simitz (1413), heute Siemz usw. (Traut. 50, 137 f.). Ableitungen von Personen- namen, namentlich mit den hier dann vorauszusetzenden Suffixen ossl. -ica und -ici, sind bei Flurnamen jedoch selten. Nach den Dar- legungen des Abschnittes ,,Lautwandel” kénnte nur Lésung a) wegen des vorauszusetzenden Uberganges -men- : -mn- : -m- eine Schwie- rigkeit bieten. Auf jeden Fall bleibt der Name mehrdeutig. Zur Méglichkeit einer slav. Deutung von Engelitzer Agre aus einem aus anderen slav. Sprachen erschlieBbaren ossl. *Wagliéte ,,Kéhler- platz” s. § 7.1., letater Absatz, f) Die Ableitungen von Personennamen Bei den slav. Flurnamen spielen die Besitzernamen, wohl wegen der frither recht geringen Bedeutung des biuerlichen Grundeigentums und der Ast der Bestellung bei den Slaven, eine recht geringo Rolle. Das typische Siedlungsnamensuffix -’ane fehlt fast ganz, das Siedlungs- namensuffix -ici tritt gewohnlich nur in Erweiterung mit einem ad- jektivischen Possessiveuffix auf, etwa -ev-. Dieses -ev- kann aber in den dinisierten Formen lautlich oder durch Angleichung an die moti- vierten Formen auf -itse geschwunden sein. Zur Frage slavischer Orts- und Personennamen auf sidan. Insen 117 fa) Der Flurname ist auf din, Weise gebildet; der Namensstamm kénnte auch slavisch sein Es handelt sich hier um Kombinationen des Genitivs eines Personen- namens mit einem din, Appellativ des Gelindes, wie ager, skifte. Dio betr. Namen selbst sind also auf din. Weise gebildet. Benes Agre (17. Jh.): Die din, und slav. Kurzformen zum christlichen Vornamen Benedikt Ben-, Benne (DPN 107, 108) fallen praktisch zusammen; wenn auch din. Benne relativ selten ist, so stort bei der Annahme slav. Herkunft, daB das -e- nicht wie in Binnitse zu -i- wurde. Auch die slav. Kurzform Beneé, vor allem tachech. verbreitet, ist méglich. Danische Herkunft ist wahrscheinlicher. Bildize (1545), Bildtz ager (1479): Bei der Zuriickfwhrung auf einen din. PN Bilde, Bille (DPN 124) stért das auslautende -e von Bildtze. Wegen der méglichen Herkunft von slav. *bélica s. § 8.2.0. Boris Ager u. &. (17. Jh.): Man kénnte Boris Ager von den Belegen mit -dtz- trennen und eine Zusammensetzung mit dem Genitiv des aus dem Slay. entlehnten Kurznamens Boris, Buris u. a, (DPN 172 £.) annehmen und sogar das -dtz der anderen Formen als falsche Re- gression -s- zu -ts- erkldren. Aus der Gesamtsicht der in Betracht kommenden Namen erscheint diese Lésung weniger wahrscheinlich zu sein als die in § 8.2.0 vorgeschlagene Deutung. Noch weniger in Betracht kommt eine Ableitung vom adin. PN Buri (DPN 172). Bouvidtz aggerce, Lille Bouvidtzer (17. Jh.): Hier steht die flektierte Form Bouvidtzer der Annahme eines din. Genitivs, etwa vom adin. PN Botwith, Bowith (DPN 155, auch auf Falster belegt) oder von anderen din, Verbindungen, entgegen. Siehe § 8.2.2. Budickis Lundager schiffte, Budickelundta Agerschiffte (17. Jh.): Neben dem seltenen PN adin. Budke (DPN 170) kommt die sehr hiufige Kurzform Bud-k-2u slav. Vollnamen mit Erstglied Bud- in Betracht, und zwar wegen der zweiten din. Form auch als Possessivadjektiv *Bud’kova (Niva], wobei das durch keine Parallelen gestiitate -ova zu -e werden konnte und [niva] mit diin. lund tibersetzt wurde. fb) Ableitungen von Personennamen mit Hilfe eines Suffixes Abgeschen von dem in § 8.2.fa besprochenen Budickelundtz Ager- schiffle kénnten derartige Ableitungen vorliegen in: Kraperne Schiffte (17. Jh.), aus ossl. *Krasovi Nivy, pl., Ableitung vom slav. PN tsch. Krdsek, Krdsa (Kott 6, 714), vgl. ON wie tach. Kra- setin, Krasice, Krasovice (Chr. 291 £.), ossl. Crassow (1441), Crassowe (1308) (Traut. 50, 84), falls Ableitungen auf -ova, -ovo, -ovi nicht, wie

Das könnte Ihnen auch gefallen