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Das aktuelle Thema: Archäologie in Medien und Öffentlichkeit

Archäologie im Spannungsfeld zwischen staatlichen Institutionen


und privaten Initiativen

Riemer Knoop

In meinen Ausführungen möchte ich drei The­ liche Subvention, das Leidener Museum stellte Räu­
men ansprechen: 1. Das "Archeologisch Informatie me zur Verfügung und so war das AIC im September
Centrum" (AIC), 2. Das "Europäische FORUM der 1990 eine Tatsache. Zwei Mitarbeiter wurden einge­
Altertums- und Denkmalschutzvereine" und 3. Die stellt: ein Leiter und eine Assistentin. Unser Auftrag
Position der Archäologie im Spannungsfeld zwischen lautete nicht so sehr, eine breitere Basis zu schaffen
professionellen Archäologen, staatlichen Einrichtun­ (denn die ließe sich auch gar nicht messen), als viel­
gen und privaten Initiativen. Alle drei Themen sind mehr einen Informationsfluß zu kreieren, der kon­
eng miteinander verknüpft. Das AIC und das FORUM stant, objektiv, qualitativ hochwertig und informativ
sind aufgrund der Erkenntnis entstanden, daß das über die Ergebnisse der Arbeit niederländischer Ar­
kulturhistorische Erbe im europäischen Zusammenle­ chäologen im In­ und Ausland berichten soll. Da wir
ben eine Angelegenheit ist, die Unterstützung seitens der Meinung waren, daß sich ein breites Publikum
eines breiten Publikums nötig hat und keineswegs nur nicht ohne weiteres erreichen läßt, haben wir uns da­
Sache der Facharchäologen ist. Mit der Spannung, für entschieden, uns hauptsächlich an "Zwischenper­
die das archäologische Erbe zwischen der Öffentlich­ sonen" zu richten: die Presse und die audiovisuellen
keit und den Fachleuten hervorruft, und mit mögli­ Medien.
chen Lösungen, schließe ich meinen Beitrag. Wie erreichen wir das? Für eine Kommunikation
hat man drei Dinge nötig: eine Botschaft, eine Ziel­
gruppe und ein Mittel. Die Botschaft lautet ganz ein­
Archäologisches Informationszentrum (AIC) fach: "Archäologie ist schön, macht Spaß (fun!)".
Diese Botschaft läßt sich auch wieder in drei Punkte
Das Archäologische Informationszentrum, das ich untergliedern: das Produkt, die Beurteilung und die
seit der Gründung 1990 leiten darf, wurde vom Rijks­ Form. Um das Produkt, das Resultat der Arbeit von
museum van Oudheden in Leiden, dem nationalen ar­ Archäologen, kennenzulernen, muß man ein Informa­
chäologischen Museum in den Niederlanden und der tionsnetzwerk aufbauen, so daß man andauernd und
Stiftung für die niederländische Archäologie, einer gut über die Entwicklungen informiert ist. Das hat
privaten Einrichtung, die auf nationaler Ebene alle sich als die schwierigste Aufgabe erwiesen. Die mei­
professionellen und größeren nicht­professionellen sten Archäologen zeigen sich desinteressiert an der
archäologischen Organisationen in den Niederlanden Welt um sie herum. Das AIC erhält seine Informatio­
gesellschaftlich und fachlich vertritt, als private Un­ nen, die dann selektiert und gefiltert weitergeleitet
ternehmung gegründet. werden, auf drei Wegen. Zum ersten gibt es einen
Der Grundgedanke, der beim AIC Pate stand, war Zeitungsdienst, von dem wir wöchentlich (für einen
und ist, daß "die Archäologie" eine breitere gesell­ skandalös hohen Betrag) rund 200 Zeitungsausschnit­
schaftliche Basis nötig hat als man es in den achtzi­ te aus allen in den Niederlanden erscheinenden Zei­
ger Jahren wahrzunehmen meinte. Woraus besteht tungen erhalten, in denen das Wort "Archäologie"
diese Basis? Aus der durchschnittlichen Wahrneh­ oder "Ausgrabung" vorkommt. Zweitens erhalten wir,
mung von einigen Schlüsselfiguren und der Bereit­ nach einer längeren Aufbauphase inzwischen unge­
schaft in der Gesellschaft, Geld, Zeit, Aufmerksam­ fragt, die meisten Presseberichte, Einladungen zu
keit und guten Willen für das archäologische Erbe Veranstaltungen, Ankündigungen und schriftlichen
aufzuwenden. Diese Bereitschaft, wie sie sich in den Dokumentationen zu dem, was sich in der Welt der
nationalen und regionalen Forschungsetats, in den Archäologie tut, d.h. zu Forschungen, Ausstellungen,
Medien und in der Kenntnis von der Bedrohung des Ernennungen, Buchpräsentationen, Promotionen,
archäologischen Erbes zeigte, diese Bereitschaft war Kongressen. Drittens versuchen wir, den Kontakt mit
offensichtlich zu gering. Hier mußte etwas getan möglichst vielen Menschen aufrecht zu erhalten, so
werden. daß inzwischen ein Netzwerk von informellen Mitar­
Die beiden nationalen Einrichtungen taten sich zu­ beitern entstanden ist.
sammen. Das Kulturministerium gab eine ansehn­

Archäologische Informationen 17/1, 1994, 31-37


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Damit hat man aber noch keine Botschaft. Erst durch über den öffentlichen Wasserhaushalt in Römischer
die Beurteilung und Neuformulierung kann man et­ Zeit. In den darauffolgenden Monaten konnten wir in
was nach außen bringen. Die Beurteilung fällt uns allen regionalen und überregionalen Tageszeitungen
nicht immer leicht. Allein die Tatsache, daß jemand seitengroße Artikel über die Latrinenausstellung im
ein Thema erforscht, ist noch nicht ausreichend. Vie­ flämischen Koksijde lesen, was nicht verwundert, da
le Forschungsprojekte müssen erst abgeschlossen die Niederländer sich außerordentlich für Hygiene
sein, um darüber eine Geschichte machen zu können, und Reinlichkeit interessieren. Aber es gab immer
andere Forschungen finden nie ein Ende. Auch ge­ auch einen Hinweis auf die Forschungen an der Uni­
schehen Dinge, die einen nicht fröhlicher machen: versität Nimwegen. Der aber stammte von uns, und
Bedrohungen, Zerstörungen, Diebstahl, Skandale. so durften wir schließen: das ganze Thema haben sie
Wichtig ist, den Hintergrund und Kontext der Nach­ durch uns erfahren.
richten auszuleuchten. Anders gesagt, wenn eine Zu­ Im genannten Rundschreiben haben wir außerdem
sammenfassung einer Promotion oder ein Pressebe­ eine Rubrik mit Auszügen aus den wichtigsten ar­
richt mit dem Ergebnis einer Ausgrabung zu uns chäologischen Nachrichten, die in den Zeitungen
kommt und wir wollen die Information weitergeben, standen, eingerichtet. Die Auflage in Höhe von 500
dann müssen wir uns aufs Neue mit dem Thema be­ Exemplaren wird gratis an alle Redaktionen und ar­
fassen; denn die bloße Information kann man auch in chäologischen Institute verschickt. Privatpersonen
der Zeitung lesen. können das Rundschreiben abonnieren.
Damit komme ich zum letzten Teil, nämlich der Andere Zielgruppen erreichen wir mit anderen
Form der Botschaft, die unbemerkt in das Mittel der Mitteln und anderen Botschaften. Für Fachjournali­
Kommunikation eingeht. Das meiste, was wir ma­ sten und für die eigene archäologische Welt geben
chen, geschieht in schriftlicher Form und ist dafür be­ wir eine zweiwöchige Sammlung von Zeitungsaus­
stimmt, auf dem Umweg über die Redaktionen ande­ schnitten mit 40 bis 50 ausgesuchten Artikeln heraus,
rer Medien, ein breites Publikum zu erreichen. Eine die wir aus der Presse übernehmen. Für die Medien
kleine Gruppe erreichen wir direkt mit einigen Seiten und Kulturpolitiker halten wir eine Reihe vierteljähr­
in fünf monatlich erscheinenden archäologischen, hi­ licher Broschüren im Umfang von 40 bis 80 Seiten
storischen und bauhistorischen Publikumszeitschrif­ über Themen bereit, die den Zusammenhang von Ar­
ten. Die Medien, was viel wichtiger ist, wollen wir chäologie und Gesellschaft berühren. In den letzten
durch das Veröffentlichen eines monatlichen AIC­ Jahren gaben wir in diese Reihe Studien über den
Rundschreibens im Umfang von 20 Seiten informie­ Platz, den die Archäologie in der Presse hat, heraus,
ren, worin eine Sammlung von bis zu ca. 40 kurzen ferner über die Organisation niederländischer archäo­
Artikeln zu Themen von öffentlichem Interesse ste­ logischer Projekte im Ausland, über die Entwicklun­
hen: aktuelle Hintergründe (eine Monatsschrift kann gen der städtischen Archäologie in den Niederlanden
natürlich nicht mit einer Tageszeitung konkurrieren), und Europa, und schließlich Sitzungsberichte von
eigene Nachrichten, Ankündigungen von Ausstellun­ Kongressen zu den Themen Archäologie, Gesell­
gen im In­ und Ausland (sofern sie lohnenswert er­ schaft und Ethik. In diesem Jahr stehen eine Untersu­
scheinen), Promotionen, Ernennungen, Eröffnungen chung über Archäologie im Schulunterricht, über Ar­
und Bucherscheinungen. chäologie und öffentliches Mißverständnis und über
Unsere Absicht ist es, daß alles, was wir an Nach­ Analyse der Technik archäologischer Veranstaltun­
richten bringen, von den anderen Medien bebutzt gen auf dem Programm.
wird, wenn es sein muß sogar ohne Copyright. Das Die große Gruppe unter den Jugendlichen, bei de­
geschieht noch nicht so häufig, wie wir es uns wün­ nen für eine kurze, aber intensive Zeitspanne ein In­
schen würden, doch es bewegt sich etwas. Ich möchte teresse an der Archäologie besteht, wollen wir auf
Ihnen ein Beispiel geben, das einen wunderlichen einfacherem Weg erreichen. Wir haben ein Faltblatt
niederländischen Charakter hat. Im Sommer vergan­ entworfen, daß alle zwei Jahre in 20.000 Exemplaren
genen Jahres lasen wir in einem winzig kleinen flä­ direkt an die öffentlichen Bibliotheken und weiterfüh­
mischen Archäologen­Vereinsblättchen einen zwei­ renden Schulen geht, worin alle Stellen angegeben
zeiligen Hinweis auf eine Ausstellung in der Abtei sind, bei denen man Archäologie betreiben kann:
von Koksijde, einem Küstenort in der Nähe Gents, Universitätsangebot, Freizeitaktivitäten, Kurse. Man
über das Thema "Die Latrinen im Laufe der Jahrhun­ kann sich das Grauen der universitären Institute vor­
derte" bzw. die Entwicklung der Toilette und Hygiene stellen, als wir sie baten, einfach und übersichtlich
in Ägypten, Griechenland, Rom, im Fernen Osten anzugeben, welche Art von Archäologie man an der
und so weiter. Nach einigen Nachforschungen konn­ jeweiligen Einrichtung studieren kann. Dennoch sind
ten wir mit den Veranstaltern Kontakt aufnehmen wir für das Sammeln und Verbreiten für Informatio­
und wir setzten einen Artikel ins AIC­Rundschreiben, nen, die frei zugänglich sind, verantwortlich, wir stel­
der auf die Ausstellung hinwies und Hintergrundin­ len uns also gerne den Problemen. Für Schüler, die
formationen brachte. Auch nannten wir ein mehrjäh­ eine Arbeit zu einem archäologischen Thema schrei­
riges Promotionsprojekt an der Universität Nimwegen ben wollen, haben wir in Zusammenarbeit mit der

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niederländischer Nationalstiftung "Öffentlichkeitsar­ Europäisches FORUM der Altertums- und


beit Wissenschaft und Technik" eine Informations­ Denkmalschutzvereine
broschüre geschrieben, in der 25 aktuelle Themen aus
der Archäologie und der Bodendenkmalpflege darge­ In Europa gibt es viele Formen privater Initiativen
stellt werden. auf dem Gebiet der Archäologie. Die meisten Länder
Für das große Publikum gibt es, ganz kommerziell, kennen auf regionaler oder überregionaler Ebene
einen Almanach, einen Wer­Was­Wo der niederlän­ Vereine von freiwilligen Helfern, Amateurarchäolo­
dischen Archäologie. Ursprünglich glaubten wir, ein gen oder Liebhabern. Leider erschweren es die ver­
Umfang von 100 Seiten dürfte ausreichen, doch stell­ schiedenen nationalen Gepflogenheiten, eindeutige
ten wir fest, daß die Anzahl der Institute und Perso­ Bezeichnungen oder Äquivalente zu finden für den
nen, die sich in den kleinen Niederlanden mit der Ar­ idealen, aktiven Liebhaber der Archäologie.
chäologie beschäftigen, auf 225 Seiten untergebracht Ich beginne mit meiner eigenen Sprache.
werden mußte. Zum Preis von 24 Gulden war der "Amateur­archeoloog" nennt man einen, der eine
Band, der 1992 erschien, im Buchhandel erhältlich Passion für die archäologische Vergangenheit seiner
und die 1. Auflage ist beinahe ausverkauft. Der Vor­ Stadt oder seiner Region hat. Darüber liest er oder sie
teil einer kommerziellen Ausgabe ist, so schien uns, gerne in den Zeitungen, in Büchern, man besucht
daß der Verleger entsprechende Maßnahmen ergreift, Ausstellungen und beschäftigt sich in der Freizeit im
um den Verkauf zu stimulieren. Selber sind wir darin Rahmen einer Vereinigung mit aktivem Forschen.
nicht so gut. Das sind dann meistens archäologische Arbeitsgrup­
Auch nicht­schriftliche Informationen wie Anre­ pen einer historischen oder heimatkundlichen Verei­
gungen und Tips können bei uns bezogen werden. Sei nigung (es gibt in den Niederlanden ca. 100 Vereine
es, daß Privatpersonen anrufen und fragen, "Wo lie­ mit insgesamt rund 10.000 Mitgliedern). Man ver­
gen die Reste der Arche Noah" oder "Kennen Sie ei­ folgt, was in der Stadt geschieht, alarmiert das Stadt­
nen Spezialisten auf dem Gebiet der ukrainischen Ar­ archiv, das Museum oder die Polizei, wenn bei Bauar­
chäologie", sei es, daß Betriebe, Kulturämter, Stiftun­ beiten etwas gefunden wird, hilft auf Bitte des Stadt­
gen oder natürlich die Medien eine Information brau­ archäologen gerne aus oder kümmert sich als Verei­
chen. So können wir archäologische Themen anre­ nigung um das Ausführen der Forschungen unter
gen, Kontaktpersonen nennen, Orte anweisen und Aufsicht eines Berufsarchäologen. Auch konserviert
manchmal ganze Radio­ oder Fernseh­Sendungen be­ und verwaltet man Funde und Feldgegebenheiten und
raten. Ferner sind wir Wortführer bei aktuellen Fra­ kümmert sich um kleine Ausstellungen oder Publika­
gen, geben Ratschläge für Filmszenarios, formulieren tionen. Extreme Fälle gibt es hier wie anderswo:
den Standpunkt der archäologischen Welt in parla­ Schatzgräber oder Metalldetektorgänger bezeichnen
mentarischen Anhörungen und bereiten Schriftstücke wir in den Niederlanden nicht als Amateurarchäolo­
für Ministerien und andere Einrichtungen vor. Wozu gen. In anderen Ländern mag sich dies anders
das alles? Zu allererst weil wir glauben, daß eine gute verhalten.
Öffentlichkeitsarbeit der Archäologie sehr nützlich In Großbritannien findet sich der ideale Amateur­
sein kann. Ein weiterer Grund ist aber, daß das ar­ archäologe, wie ich ihn soeben skizzierte, vor allem
chäologische Erbe, zumindest in meinem Land, zum bei den "Young Archaeologists" oder in "Historical
großen Teil von Berufsarchäologen untersucht wird, Societies". Das "Council for British Archaeology"
zugleich aber eine Angelegenheit des öffentlichen In­ (CBA), das in diesem Jahr sein 50jähriges Bestehen
teresses ist. Dies ist auch die Überzeugung der staatli­ feiert und eine Art großer Bruder des AIC ist, ver­
chen Seite, was sich in der großzügigen Unterstüt­ dankt sein Bestehen vor allem dem großen Strom
zung privater Initiativen im Bereich der öffentlichen freiwilliger Helfer, die durch das Council Informatio­
Aspekte des Denkmalschutzes, der Baudenkmalpflege nen über Praktikantenstellen bei Ausgrabungen der
sowie der Bodendenkmalpflege äußert. Das archäolo­ Universitäten oder des County Archaeologists, einer
gische Erbe, so die Überzeugung, gehört uns allen Art Lan­ desarchäologen, erhielten
und darf deshalb nicht nur den Profis zugänglich In Frankreich, um ein weiteres Beispiel zu geben,
sein. Ein Sprecher kommt in der Regel von außen läßt sich die Amateurarchäologie nicht scharf von der
und gebraucht in der Kommunikation nach außen die Assistenz bei der Baudenkmalpflege scheiden. Der
Sprache des Außenstehenden. Die Zuhörer sind ja Bereich ist sehr gut organisiert und erhält großzügige
keine Archäologen und verstehen dessen Sprache staatliche Subventionen. Eine nationale Dachorgani­
nicht unmittelbar. Für diese Kommunikation hat man sation für 125 Kulturorganisationen verteilt jährlich
professionelle Vermittler nötig, und auch gute Ideen, ca. 70.000 Stellen bei Ausgrabungen, Restaurationen,
und das ist, was das AIC sein bzw. liefern will. touristischen Projekten und sensibilization, was soviel
heißt wie Präsentation, Marketing und Öffentlich­
keitsarbeit. Da bekommt der Name für die freiwillig­
en Helfer und Amateur­Archäologen (benevoles, oder

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"Wohlwollende") eine sozialmoralische Bedeutung, organisationen dazu bewegen, gemeinsame politische


die anderswo fehlt. Aktionen durchzuführen. Zu diesem Zweck entwik­
In Italien schließlich gibt es zwei nationale Ver­ kelt FORUM Ideen und fordert ein Netzwerk von In­
bände. Der eine, die "Gruppi Archeologici d'Italia" formationen und Austausch.
mit jungen Mitgliedern und dem Schwerpunkt im Der Grundgedanke der gesellschaftlichen Basis­
Norden, der andere, für etwas ältere Mitglieder vor verbreiterung wurde von dem ehemaligen Generalse­
allem in Mittel­ und Süditalien, der "Archeoclub kretär der Gruppi Archeologici d'Italia, Ludovico
d'Italia" (beide haben jeweils rund 18.000 Mitglie­ MAGRTNI, entwickelt. Seine Vision war, daß Kennt­
der). Diese Verbände von appassionati, wie es dort nis und Würdigung des archäologischen Erbes her­
heißt, fallen unter das volontariato, was, ähnlich wie vorragend entwickelt werden können, indem man die
in Frankreich, sozialmoralische Konnotationen hat. Öffentlichkeit aktiv daran teilnehmen läßt. Das be­
Der Untertitel des Archeoclub lautet entsprechend: deutet: Teilnahme an Untersuchungen, Ausgrabungen
"Ente morale", was im übrigen auf die Steuervorteile und anderen gesellschaftlichen Aspekten des archäo­
abzielt, wie dies auch in Belgien der Fall ist. In Ita­ logischen Erbes. Soweit nichts Neues. Wohl neu war
lien gibt es keine deutliche Unterscheidung zwischen allerdings MAGRINIs Gedanke, dies mit Hilfe von
Boden­ und Baudenkmalpflege, was den einfachen Austauschprogrammen in einer europäischen Dimen­
Grund hat, daß das, was anderswo in Europa im Bo­ sion zu erreichen, die es den Gruppenmitgliedern er­
den liegt, in Italien zum Großteil noch oberhalb des möglichen, bei Projekten in einem anderen Land teil­
Bodens zu finden ist. zunehmen. Ein zweiter Punkt seiner Überzeugung
Das Verhältnis von Amateur­Archäologen zu den war, und für FORUM gilt das auch heute noch, daß
staatlichen Stellen ist in den mediterranen Ländern jede Kulturpolitik, die von oben kommt, mißlingen
gespannter, so scheint es, als in den nordwestlichen muß, wenn nicht etwas Vergleichbares von unten ge­
Ländern Europas. Durch die zentralistische Staats­ tragen und erlebt wird. FORUM richtet sich deshalb
form nach französischem Vorbild begegnet man der vor allem an jüngere freiwillige Helfer, die die Neu­
behördlicher Einflußnahme nach streng hierarchi­ gierde und Anpassungsfähigkeit für neue Situationen
schem Muster überall. Hierbei wird der Bürger eher noch besitzen, und läßt diese also auf großen, interna­
als Widersacher und nicht als Kunde des Apparats tionalen Feldprojekten mitarbeiten. Das Ziel ist, auf
angesehen. Private Initiativen, wenn wir es so nennen jeden Fall das Gefühl der Nachbarschaft wachsen zu
wollen, haben es in Italien entsprechend schwer und lassen, zu sehen, was das Spezifische der eigenen
werden nur selten zugelassen, z.B. wenn der verant­ Kultur ist, zu zeigen, daß dies ein sehr relativer Be­
wortliche Beamte aus der Gruppi Archeologici griff ist und zu vermitteln, was die modernen, zufällig
stammt, oder der Soprintendente oder Museumsdirek­ entstandenen Nationen miteinander verbindet: eine
tor nicht ultra­reaktionär ist. im Wesentlichen gemeinschaftliche Geschichte und
Diese schillernde Landschaft von freiwilligen Hel­ eine gemeinsame Basis für die historisch materielle
fern und privat Interessierten hat seit 1989 in einem Kultur, die sich jedenfalls nicht beschränkt auf die
"Europäischen FORUM" einen Dachverband bekom­ Kelten oder die Bronzezeit, wie es der Europäi­
men, in dem 28 Organisationen aus 18 Ländern von sche Rat uns glauben machen will. Daneben hatte
innerhalb und außerhalb der Europäischen Gemein­ MAGRTNI die Überzeugung, und das wurde der
schaft zusammengekommen sind. Beitreten kann jede Grundstein, auf dem FORUM errichtet wurde, daß
nichtstaatliche, profitfreie Organisation, die älter als Freiwillige nicht nur die Hilfskräfte der professionel­
zwei Jahre ist und aus Europa kommt und die aktiv len Archäologen sind. Im Gegenteil, die Spezialisten
ist auf den Gebieten Studien (Entdeckungen, For­ sind sicherlich unentbehrliche Instrumente zur Erfor­
schungen, wissenschaftliche Publikationen) und Öf­ schung und Interpretation des archäologischen Erbes,
fentlichkeit (Restaurationen, Ausstellungen, Touris­ doch die Gesellschaft, als erste und kollektive Erbin,
mus) im Hinblick auf das archäologische und bauhi­ hat ein unverrückbares Recht auf Kenntnis und Teil­
storische Erbe. Auch staatliche oder professionelle habe am archäologischen Erbe. Und Freiwillige, die
Vereinigungen und Einrichtungen können beitreten, organisiert und anerkannt sind, sind in hervorragen­
sie sind aber keine vollwertige Mitglieder (füll mem­ dem Maße Vertreter der Gesellschaft. Die Rolle des
bers) sondern angeschlossene Mitglieder (associated Amateurs auf dem archäologischen Feld ist dann
members). AIC und CBA sind solche associated auch größer als die eines bloßen Konsumenten; er ist
members. Gewissen, kritischer Begleiter und Beobachter der
Das Hauptziel von FORUM ist es, die gesellschaft­ Staatseinrichtungen und Spezialisten.
liche Basis für das europäische Erbe zu verbreitern: FORUM steht auf zwei Pfeilern." 1. Aktive archäo­
"raising public awareness of a common history in re­ logische Teilnahme der freiwilligen Helfer auf euro­
gional diversity", was so viel bedeutet wie "Vergröß­ päischer Ebene, denn wir teilen eine Geschichte, die
erung der öffentlichen Aufmerksamkeit für die ge­ vor allem geographisch bestimmt wurde. 2. Kritische
meinsame Geschichte bei regionalen Unterschieden". Funktion hinsichtlich der staatlichen Einrichtungen
Daneben will FORUM die nationalen Freiwilligen­ und Spezialisten, die im Namen von uns allen unser

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archäologisches Erbe verwalten und erforschen. Wie Aufenthaltskosten müssen von den Teilnehmern
machen wir das? Auf zwei Wegen: via Ferienlagern selbst getragen werden. Seit diesem Jahr versuchen
und eines Informationsnetzwerkes. Jährlich organi­ wir, für Projekte des FORUM durch die Kommission
sieren die Mitgliedsvereinigungen des FORUM eine der Europäischen Gemeinschaft Gelder zu erhalten.
große Anzahl von Sommerlagern auf dem Gebiet der Das ist nicht ganz einfach, denn der Brüsseler Kultur­
Archäologie und des restaurativen Denkmalschutzes. apparat ist nicht auf das Bestehen von privaten Initia­
Innerhalb des FORUM hat man verabredet, daß eines tiven eingerichtet. Was die Angelegenheit noch
oder mehrere Projekte einer füll mewöer­Mitglieds­ schwieriger macht, ist, daß die Kommission seit 1989
organisation für Mitglieder von ausländischen selbst ein Programm von internationalen Heritage
Schwesterorganisationen unter gleichen Bedingungen Campuses errichtet hat. Auch wenn sie zum Teil In­
offen stehen. Voraussetzung dafür ist, zu wissen, wel­ formationen aus dem FORUM-Netzwerk beziehen,
ches Projekt in welchem Land und wann durchge­ zählt FORUM nach Meinung der Europäischen Kom­
führt wird. Dazu gibt es innerhalb des FORUM ein mission nicht zu einer subventionablen Institution.
zentral gesteuertes Netzwerk zur Informationsverga­ Kritische Europa­Beobachter könnten hieraus wohl
be, das zu Anfang des Frühjahrs alle Aktivitäten der zu recht schließen, daß die Kommission sich hier von
Organisationen gebündelt veröffentlicht. Es gibt zwei dem Subsidiaritätsgrundsatz der Europäischen Ge­
Formen von internationalen Feldlagern: die normalen meinschaft verabschiedet. Besonders erfreulich ist
Feldarbeiten, die sich für internationale Teilnahme hingegen, daß das Europäische Parlament im letzten
offen halten, und besondere Kampagnen, die vom Dezember eine Resolution angenommen hat, in der
FORUM organisiert und auf ausländische Teilnahme die Europäische Kommission explizit aufgerufen
gerichtet sind. Seit Gründung des FORUM haben wird, strukturell mit FORUM zusammenzuarbeiten.
mehr als hundert solcher Projekte in fast allen Mit­
gliedsländern und mit fast allen Mitgliedsorganisatio­ Das FO/?C/A/­Informationsnetzwerk ist das zweite In­
nen stattgefunden. Die Erfahrung hat gelehrt, daß es strument zur Erreichung unserer Ziele. Es gibt zwei
am besten ist, wenn mindestens drei Nationalitäten Manifestationen, die jährlich wiederkehren: die Mit­
bei solchen Projekten vertreten sind und wenn das gliederversammlung und die Studientreffen. Die jähr­
Gastland in der Anzahl der Teilnehmer nicht domi­ liche allgemeine Mitgliederversammlung (General
niert, sonst findet zu schnell die übliche Grüppchen­ Assembly) ist eine mehrtägige Veranstaltung, die
bildung statt. Sprachprobleme gibt es natürlich immer meistens im Frühjahr stattfindet und auf der die Vor­
wieder, doch lassen die sich überraschenderweise standsmitglieder der einzelnen Organisationen zu­
schnell überwinden. Die kulturellen Unterschiede sammenkommen, um Informationen zu den Sommer­
wiegen da etwas schwerer, doch kann man mit etwas lagern auszutauschen. Auch sind dies gute Gelegen­
Humor auch mit diesem Problem leben. heiten, durch Präsentationen und Exkursionen tiefge­
Die archäologischen Projekte variieren vom ge­ hend das kulturelle Erbe des Gastlandes, die Organi­
wöhnlichen Ausgraben bis zur Felderschließung, sationsformen und die spezifischen Probleme im Hin­
Ausarbeitung von Fakten und Erschließung für das blick auf die Arbeit der freiwilligen Helfer des Gast­
Publikum (Texttafeln, Wegweiser, lokale Ausstellun­ landes kennenzulernen. Gastgeber waren bislang Ita­
gen), von der Entwicklung archäologischer Routen lien, Flandern und England. Für die kommenden Jah­
(Archeodrome) bis zum Organisieren europäischer, re stehen die Niederlande, Frankreich und Skandina­
archäologischer Fahradtouren (European Archaeolo- vien auf dem Programm. Von den Studientreffen
gical Bicycletours). Letzteres scheint beim Publikum (Working Parties) ist erst eines zu Stande gekommen,
besonders gut anzukommen. Inzwischen wurden und zwar im vergangenen Oktober in Padua, wo das
sechs Fahrradtouren organisiert, die meistens in Ita­ General Sekretariat von FORUM seinen Sitz hat und
lien mit einer Dauer von drei Wochen durchgeführt wo die internationale Messe von Padua, Padovafiere,
werden und bis zu achtzig, meist jüngere Teilnehmer, uns strukturell unterstützt und sogar ab und zu
haben. sponsort.
Natürlich stellen wir auch Qualitätsanforderungen Selbstverständlich kann eine Vereinigung nicht
bei den jährlichen Sommerlagern. Es darf nicht nur ohne Zeitschrift auskommen. Auch die haben wir, al­
"Assistenten­für­Professionelle­Archäologie" betrie­ lerdings sind erst zwei Nummern erschienen und das
ben werden, sondern sie müssen eine weitere Dimen­ Ganze ist noch in der Aufbauphase. Verkehrssprache
sion haben, die mit den Grundgedanken des FORUM ist Englisch. Die Themen, die wir beleuchten, werden
übereinstimmen. Zu diesem Zweck entwickeln wir aus den folgenden Gebieten ausgewählt: Information
gerade ein Trainingsprogramm für Mitglieder, denen über die angeschlossenen Vereinigungen, Informatio­
die Leitung solcher Projekte anvertraut werden soll. nen über die Feldaktivitäten des FORUM, kulturpoli­
Hier erhoffen wir uns mit dem Europarat enge tische Hintergründe der archäologischen Freiwilli­
Zusammenarbeit. genarbeit aus europäischer Sicht und manchmal Sit­
Die Kosten fallen nicht so sehr ins Gewicht. Häu­ zungsberichte von Kongressen. Bislang haben wir al­
fig gibt es lokale Vergütungen: Reise­ und z.T. le Kosten selbst getragen, die wir aus den

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Jahresbeiträgen (60 ECU, 120 DM) und aus gelegent­ genwärtigen: Zuerst einmal ist besonders die frühe
lichen Subventionen für lokale und regionale Veran­ Vergangenheit nicht objektiv. Wir müssen also be­
staltungen bestritten. Die Teilnehmer der Jahresver­ sonders behutsam und sparsam damit umgehen.
sammlung und von Kongressen übernehmen den Zweitens ist unsere Definition eines optimalen For­
Großteil ihrer Kosten selbst. Die Zeitschrift, die nur schungsniveaus einer Veränderung unterworfen, wie
an die Sekretariate der angeschlossenen Organisatio­ es die neue intersite-Vorgehensweise in der Archäo­
nen geht, finanzieren wir auch selber. logie zeigt. Es geht momentan nicht mehr so sehr um
einzelne Objekte oder isolierte Hausgrundrisse, son­
dern um den räumlichen und konzeptuellen Zusam­
Amateure in der Archäologie zwischen staatlichen menhang von Fundstellen innerhalb alter Kulturland­
Einrichtungen und Wissenschaft schaften. Nicht eine einzelne Stelle ist interessant,
sondern der Zusammenhang eines Fundplatzes mit
Wie stellt sich die Position der archäologischen Ama­ der Landschaft, der Ökologie, der Infrastruktur und
teure zwischen staatlichen Einrichtungen und Wis­ der Position, die der Fundplatz auf regionalem Mi­
senschaft in Europa dar? Doch zuerst: wie definieren kroniveau einnahm. Schutz und Erhalt haben damit
wir Archäologie? In meinem Land bedeutet Archäo­ in den letzten Jahren einen anderen Schwerpunkt be­
logie das Studium der materiellen Überreste der Ver­ kommen. Man erforscht weniger isolierte Objekte als
gangenheit im Hinblick auf Rekonstruktion des frühe­ mehr die Monumente in ihrem Kontext. Dies ist inso­
ren Zusammenlebens oder auch der Veränderungs­ fern relevant, als die Bedrohungen des historischen
prozesse, die zu den historischen und heutigen Zu­ Erbes und des Bodenarchivs immer größer werden,
ständen geführt haben. Momentan neigt man in der wodurch nicht nur einige Fundstellen sondern gesam­
Wissenschaft zu einer Art von professionellem Relati­ te Kulturlandschaften verwüstet werden. Ich brauche
vismus: eine objektive archäologische Vergangenheit nicht an die 150.000 Hektar Bodenarchiv zu erinnern,
gibt es nicht, es gibt höchstens Vorstellungen und die im Rheinischen Braunkohlerevier vernichtet wer­
Bilder davon, die intersubjektiv und nur zeitlich gül­ den oder es schon sind. Die Archäologie spielt beim
tig sind. Die Konsequenz daraus ist, daß wir viel vor­ Braunkohleabbau wohl eine Rolle, doch angeblich ge­
sichtiger als früher mit dem Objekt unserer Erfor­ schieht das, um die öffentliche Akzeptanz für künfti­
schung umgehen müssen. Spätere Generationen, die gen Abbau zu verbessern. Auch die sogenannte Be­
zweifelsohne bessere oder jedenfalls andere Techni­ freiung Osteuropas läßt das Schlimmste befürchten,
ken und Fragestellungen entwickeln werden, müssen was die großangelegte Neustrukturierung der Land­
selbst ein Urteil fallen können. Jede Generation muß schaft und des Bodens betrifft. Drittens gibt es ein
sich ihr eigenes Bild aufgrund eines guterhaltenen, drohendes, kulturelles "Monetarisations"­Risiko. Die
repräsentativen Teils des materiellen Erbgutes ma­ Einführung von Richtlinien, die aus der überarbeite­
chen können. ten Europäischen Konvention zum Schutz des ar­
Hier sind wir nun schon mitten in den Problemen. chäologischen Erbes stammen, welche im Januar
Nicht nur haben wir es mit dem "natürlichen" Prozeß 1992 auf Malta von den Kultusministern des Europäi­
des Verfalls zu tun, wodurch das endliche und uner­ schen Rats unterzeichnet wurde, wird angesichts des
setzbare Bodenarchiv verschwindet, sondern die Qua­ destruktiven Bodengebrauchs u.a. zu einer verpflich­
lität und Quantität der archäologischen Quellen geht teten archäologischen Risikoanalyse führen. Was Pro­
auch gerade in den letzten Jahren sprunghaft zurück, jektentwickler erreichen wollen und auch schaffen,
was meistens auf menschliche Einflüsse zurückzufüh­ wenn wir nicht aufpassen, ist eine "Archäologie­frei"
ren ist. Austrockung, Verschmutzung, Saurer Regen, ­Erklärung. Sie werden sicherlich bereit sein, ein
Ausbeutung, Abgrabung, Rücksichtslosigkeit, intensi­ hübsches Sümmchen zu bezahlen, damit Archäologen
ver Ackerbau und Viehzucht, Straßenbau, Kanalisie­ oder verantwortliche Beamte beschließen, daß ein
rung, führen zur Zerstörung archäologischer Quellen. Platz geopfert werden kann. Wer kontrolliert dann
Für die Niederlande wurde errechnet, daß von allem, die Kontrolleure? Wie werden die Kriterien aufge­
was durch natürliche Erosion und menschliches Han­ stellt? Wie können wir dem zuvorkommen, daß später
deln an archäologischem Erbe verloren geht, nur 1% "alles seinen Preis hat"?
untersucht werden kann, und daß seit 1950 schon Vor diesem dreifachen Hintergrund der "ver­
mehr als ein Drittel des Gesamten unwiederbringlich lorenen Objektivität", der zunehmenden Bedeutung
verschwunden ist. Anders als in der Umwelt oder der der Landschaft, der Gefahr einer großen Käuflichkeit
Natur läßt sich das Erbe im Boden nicht regenerieren. der Kultur, ist das archäologische Erbe ein stets selte­
Einen Wald oder Schwalben kann man wieder zu­ ner werdendes, politisch höchstens als Wechselgeld
rückkehren lassen, eine Niederlassung aus der Eisen­ interessantes Gut. In einer Zeit ökonomischer Rezes­
zeit ist unweigerlich verloren. sion ist es ein Schließposten, und andere als die Be­
Ist das so schlimm? Wird damit die Arbeit der rufsarchäologen und Liebhaber von Archäologie wer­
Freiwilligen in ein anderes Licht gerückt? Ich denke den über den Raum, den Boden und die Landschaft
schon. Vor allem drei Dinge muß man sich verge­ befinden. Bei diesen Beschlüssen brauchen wir einen

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Das aktuelle Thema: Archäologie in Medien und Öffentlichkeit

Wortführer, der im Namen der materiellen Überreste versitätsinstitut zu kümmern. Sie brauchen auch kei­
der Vergangenheit aufsteht, denn sie können sich ne politischen Kompromisse einzugehen, um die fol­
nicht selbst verteidigen. Die Spezialisten (auch Ar­ genden Wahlen zu überleben. Es gibt hier eine über­
chäologen) verdienen Geld mit destruktiven oder kul­ deutliche Analogie zur Umweltbewegung. Es waren
turell schamlosen Untersuchungen wie in der Euregio ja nicht die Politiker, die die Aufmerksamkeit auf die
Maas­Rhein. Das verborgene Erbe macht im Fernse­ Ausbeutung der natürlichen Ressourcen lenkten. Die
hen auch nicht viel her, denn es läßt sich nicht wie Teilnehmer des Clubs von Rom wurden 1973 als no­
das Bild eines traurigen Seehunds zeigen, der aus torische Schwarzmaler ausgelacht. Es hat zwanzig
Profitgier vor laufender Kamera von Schurken er­ Jahre gedauert und auch einiges Blut und Kummer
schlagen wird. Niemand lebt tatsächlich im archäolo­ von einfachen Bürgern gekostet, sei es mit oder ohne
gischen Kulturerbe oder hat rührende Erinnerungen Organisationen, bis auf eine minimal redliche Weise
an seine Großmutter, die dort lebte und arbeitete. mit den natürlichen Ressourcen umgegangen wurde.
Wenn das archäologische Kulturerbe einen Vor­ Meiner Meinung nach brauchen auch die kulturellen
kämpfer braucht, wer soll das sein? Der Staat? Die Ressourcen ein Greenpeace. Als unbequeme Gegen­
Fachwelt? Professionelle heritage managers und Mu­ macht, als Partner in Not, als kritisches Gewissen.
seumsdirektoren? Die Presse? Oder die Gesellschaft Gut informiert, sachkundig, streitbar, in öffentlichen
selbst, die sich in gewisser Hinsicht die moralische nationalen und internationalen Netzwerken. Nicht
Erbin und Eigentümerin nennen darf? Aus der ge­ weil sie es besser wissen, sondern weil die Vergan­
nannten Reihenfolge mag man schon erkennen, daß genheit jedem gehört, das heißt, wenn wir gut aufpas­
ich tief davon überzeugt bin, daß der letzten, der Ge­ sen, niemandem. Im FORUM versuchen wir, dieses
sellschaft als Ganzes, die Funktion zukommt, Vor­ Bewußtsein zu vergrößern.
kämpferin, Anwältin und Meisterin des kulturellen
Erbes zu sein. Und ich möchte anfügen, daß die Frei­
willigenorganisationen in dieser Hinsicht die besten Dr. Riemer Knoop
Vertreter der Gesellschaft sind. Denn sie brauchen
Archeologisch Informatie Centrum
keinerlei Abwägungen zu machen mit kommerziel­
len, ökonomischen oder politischen Einflüssen. Sie
Postfach 11114
brauchen sich nicht um ihre Karriere als Wissen­ NL - 2301 EC Leiden
schaftler oder um die Kapitalbeschaffung für ihr Uni­ Tel. 0031 71 163130

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