Riemer Knoop
In meinen Ausführungen möchte ich drei The liche Subvention, das Leidener Museum stellte Räu
men ansprechen: 1. Das "Archeologisch Informatie me zur Verfügung und so war das AIC im September
Centrum" (AIC), 2. Das "Europäische FORUM der 1990 eine Tatsache. Zwei Mitarbeiter wurden einge
Altertums- und Denkmalschutzvereine" und 3. Die stellt: ein Leiter und eine Assistentin. Unser Auftrag
Position der Archäologie im Spannungsfeld zwischen lautete nicht so sehr, eine breitere Basis zu schaffen
professionellen Archäologen, staatlichen Einrichtun (denn die ließe sich auch gar nicht messen), als viel
gen und privaten Initiativen. Alle drei Themen sind mehr einen Informationsfluß zu kreieren, der kon
eng miteinander verknüpft. Das AIC und das FORUM stant, objektiv, qualitativ hochwertig und informativ
sind aufgrund der Erkenntnis entstanden, daß das über die Ergebnisse der Arbeit niederländischer Ar
kulturhistorische Erbe im europäischen Zusammenle chäologen im In und Ausland berichten soll. Da wir
ben eine Angelegenheit ist, die Unterstützung seitens der Meinung waren, daß sich ein breites Publikum
eines breiten Publikums nötig hat und keineswegs nur nicht ohne weiteres erreichen läßt, haben wir uns da
Sache der Facharchäologen ist. Mit der Spannung, für entschieden, uns hauptsächlich an "Zwischenper
die das archäologische Erbe zwischen der Öffentlich sonen" zu richten: die Presse und die audiovisuellen
keit und den Fachleuten hervorruft, und mit mögli Medien.
chen Lösungen, schließe ich meinen Beitrag. Wie erreichen wir das? Für eine Kommunikation
hat man drei Dinge nötig: eine Botschaft, eine Ziel
gruppe und ein Mittel. Die Botschaft lautet ganz ein
Archäologisches Informationszentrum (AIC) fach: "Archäologie ist schön, macht Spaß (fun!)".
Diese Botschaft läßt sich auch wieder in drei Punkte
Das Archäologische Informationszentrum, das ich untergliedern: das Produkt, die Beurteilung und die
seit der Gründung 1990 leiten darf, wurde vom Rijks Form. Um das Produkt, das Resultat der Arbeit von
museum van Oudheden in Leiden, dem nationalen ar Archäologen, kennenzulernen, muß man ein Informa
chäologischen Museum in den Niederlanden und der tionsnetzwerk aufbauen, so daß man andauernd und
Stiftung für die niederländische Archäologie, einer gut über die Entwicklungen informiert ist. Das hat
privaten Einrichtung, die auf nationaler Ebene alle sich als die schwierigste Aufgabe erwiesen. Die mei
professionellen und größeren nichtprofessionellen sten Archäologen zeigen sich desinteressiert an der
archäologischen Organisationen in den Niederlanden Welt um sie herum. Das AIC erhält seine Informatio
gesellschaftlich und fachlich vertritt, als private Un nen, die dann selektiert und gefiltert weitergeleitet
ternehmung gegründet. werden, auf drei Wegen. Zum ersten gibt es einen
Der Grundgedanke, der beim AIC Pate stand, war Zeitungsdienst, von dem wir wöchentlich (für einen
und ist, daß "die Archäologie" eine breitere gesell skandalös hohen Betrag) rund 200 Zeitungsausschnit
schaftliche Basis nötig hat als man es in den achtzi te aus allen in den Niederlanden erscheinenden Zei
ger Jahren wahrzunehmen meinte. Woraus besteht tungen erhalten, in denen das Wort "Archäologie"
diese Basis? Aus der durchschnittlichen Wahrneh oder "Ausgrabung" vorkommt. Zweitens erhalten wir,
mung von einigen Schlüsselfiguren und der Bereit nach einer längeren Aufbauphase inzwischen unge
schaft in der Gesellschaft, Geld, Zeit, Aufmerksam fragt, die meisten Presseberichte, Einladungen zu
keit und guten Willen für das archäologische Erbe Veranstaltungen, Ankündigungen und schriftlichen
aufzuwenden. Diese Bereitschaft, wie sie sich in den Dokumentationen zu dem, was sich in der Welt der
nationalen und regionalen Forschungsetats, in den Archäologie tut, d.h. zu Forschungen, Ausstellungen,
Medien und in der Kenntnis von der Bedrohung des Ernennungen, Buchpräsentationen, Promotionen,
archäologischen Erbes zeigte, diese Bereitschaft war Kongressen. Drittens versuchen wir, den Kontakt mit
offensichtlich zu gering. Hier mußte etwas getan möglichst vielen Menschen aufrecht zu erhalten, so
werden. daß inzwischen ein Netzwerk von informellen Mitar
Die beiden nationalen Einrichtungen taten sich zu beitern entstanden ist.
sammen. Das Kulturministerium gab eine ansehn
Damit hat man aber noch keine Botschaft. Erst durch über den öffentlichen Wasserhaushalt in Römischer
die Beurteilung und Neuformulierung kann man et Zeit. In den darauffolgenden Monaten konnten wir in
was nach außen bringen. Die Beurteilung fällt uns allen regionalen und überregionalen Tageszeitungen
nicht immer leicht. Allein die Tatsache, daß jemand seitengroße Artikel über die Latrinenausstellung im
ein Thema erforscht, ist noch nicht ausreichend. Vie flämischen Koksijde lesen, was nicht verwundert, da
le Forschungsprojekte müssen erst abgeschlossen die Niederländer sich außerordentlich für Hygiene
sein, um darüber eine Geschichte machen zu können, und Reinlichkeit interessieren. Aber es gab immer
andere Forschungen finden nie ein Ende. Auch ge auch einen Hinweis auf die Forschungen an der Uni
schehen Dinge, die einen nicht fröhlicher machen: versität Nimwegen. Der aber stammte von uns, und
Bedrohungen, Zerstörungen, Diebstahl, Skandale. so durften wir schließen: das ganze Thema haben sie
Wichtig ist, den Hintergrund und Kontext der Nach durch uns erfahren.
richten auszuleuchten. Anders gesagt, wenn eine Zu Im genannten Rundschreiben haben wir außerdem
sammenfassung einer Promotion oder ein Pressebe eine Rubrik mit Auszügen aus den wichtigsten ar
richt mit dem Ergebnis einer Ausgrabung zu uns chäologischen Nachrichten, die in den Zeitungen
kommt und wir wollen die Information weitergeben, standen, eingerichtet. Die Auflage in Höhe von 500
dann müssen wir uns aufs Neue mit dem Thema be Exemplaren wird gratis an alle Redaktionen und ar
fassen; denn die bloße Information kann man auch in chäologischen Institute verschickt. Privatpersonen
der Zeitung lesen. können das Rundschreiben abonnieren.
Damit komme ich zum letzten Teil, nämlich der Andere Zielgruppen erreichen wir mit anderen
Form der Botschaft, die unbemerkt in das Mittel der Mitteln und anderen Botschaften. Für Fachjournali
Kommunikation eingeht. Das meiste, was wir ma sten und für die eigene archäologische Welt geben
chen, geschieht in schriftlicher Form und ist dafür be wir eine zweiwöchige Sammlung von Zeitungsaus
stimmt, auf dem Umweg über die Redaktionen ande schnitten mit 40 bis 50 ausgesuchten Artikeln heraus,
rer Medien, ein breites Publikum zu erreichen. Eine die wir aus der Presse übernehmen. Für die Medien
kleine Gruppe erreichen wir direkt mit einigen Seiten und Kulturpolitiker halten wir eine Reihe vierteljähr
in fünf monatlich erscheinenden archäologischen, hi licher Broschüren im Umfang von 40 bis 80 Seiten
storischen und bauhistorischen Publikumszeitschrif über Themen bereit, die den Zusammenhang von Ar
ten. Die Medien, was viel wichtiger ist, wollen wir chäologie und Gesellschaft berühren. In den letzten
durch das Veröffentlichen eines monatlichen AIC Jahren gaben wir in diese Reihe Studien über den
Rundschreibens im Umfang von 20 Seiten informie Platz, den die Archäologie in der Presse hat, heraus,
ren, worin eine Sammlung von bis zu ca. 40 kurzen ferner über die Organisation niederländischer archäo
Artikeln zu Themen von öffentlichem Interesse ste logischer Projekte im Ausland, über die Entwicklun
hen: aktuelle Hintergründe (eine Monatsschrift kann gen der städtischen Archäologie in den Niederlanden
natürlich nicht mit einer Tageszeitung konkurrieren), und Europa, und schließlich Sitzungsberichte von
eigene Nachrichten, Ankündigungen von Ausstellun Kongressen zu den Themen Archäologie, Gesell
gen im In und Ausland (sofern sie lohnenswert er schaft und Ethik. In diesem Jahr stehen eine Untersu
scheinen), Promotionen, Ernennungen, Eröffnungen chung über Archäologie im Schulunterricht, über Ar
und Bucherscheinungen. chäologie und öffentliches Mißverständnis und über
Unsere Absicht ist es, daß alles, was wir an Nach Analyse der Technik archäologischer Veranstaltun
richten bringen, von den anderen Medien bebutzt gen auf dem Programm.
wird, wenn es sein muß sogar ohne Copyright. Das Die große Gruppe unter den Jugendlichen, bei de
geschieht noch nicht so häufig, wie wir es uns wün nen für eine kurze, aber intensive Zeitspanne ein In
schen würden, doch es bewegt sich etwas. Ich möchte teresse an der Archäologie besteht, wollen wir auf
Ihnen ein Beispiel geben, das einen wunderlichen einfacherem Weg erreichen. Wir haben ein Faltblatt
niederländischen Charakter hat. Im Sommer vergan entworfen, daß alle zwei Jahre in 20.000 Exemplaren
genen Jahres lasen wir in einem winzig kleinen flä direkt an die öffentlichen Bibliotheken und weiterfüh
mischen ArchäologenVereinsblättchen einen zwei renden Schulen geht, worin alle Stellen angegeben
zeiligen Hinweis auf eine Ausstellung in der Abtei sind, bei denen man Archäologie betreiben kann:
von Koksijde, einem Küstenort in der Nähe Gents, Universitätsangebot, Freizeitaktivitäten, Kurse. Man
über das Thema "Die Latrinen im Laufe der Jahrhun kann sich das Grauen der universitären Institute vor
derte" bzw. die Entwicklung der Toilette und Hygiene stellen, als wir sie baten, einfach und übersichtlich
in Ägypten, Griechenland, Rom, im Fernen Osten anzugeben, welche Art von Archäologie man an der
und so weiter. Nach einigen Nachforschungen konn jeweiligen Einrichtung studieren kann. Dennoch sind
ten wir mit den Veranstaltern Kontakt aufnehmen wir für das Sammeln und Verbreiten für Informatio
und wir setzten einen Artikel ins AICRundschreiben, nen, die frei zugänglich sind, verantwortlich, wir stel
der auf die Ausstellung hinwies und Hintergrundin len uns also gerne den Problemen. Für Schüler, die
formationen brachte. Auch nannten wir ein mehrjäh eine Arbeit zu einem archäologischen Thema schrei
riges Promotionsprojekt an der Universität Nimwegen ben wollen, haben wir in Zusammenarbeit mit der
32
Das aktuelle Thema: Archäologie in Medien und Öffentlichkeit
33
Das aktuelle Thema: Archäologie in Medien und Öffentlichkeit
34
Das aktuelle Thema: Archäologie in Medien und Öffentlichkeit
archäologisches Erbe verwalten und erforschen. Wie Aufenthaltskosten müssen von den Teilnehmern
machen wir das? Auf zwei Wegen: via Ferienlagern selbst getragen werden. Seit diesem Jahr versuchen
und eines Informationsnetzwerkes. Jährlich organi wir, für Projekte des FORUM durch die Kommission
sieren die Mitgliedsvereinigungen des FORUM eine der Europäischen Gemeinschaft Gelder zu erhalten.
große Anzahl von Sommerlagern auf dem Gebiet der Das ist nicht ganz einfach, denn der Brüsseler Kultur
Archäologie und des restaurativen Denkmalschutzes. apparat ist nicht auf das Bestehen von privaten Initia
Innerhalb des FORUM hat man verabredet, daß eines tiven eingerichtet. Was die Angelegenheit noch
oder mehrere Projekte einer füll mewöerMitglieds schwieriger macht, ist, daß die Kommission seit 1989
organisation für Mitglieder von ausländischen selbst ein Programm von internationalen Heritage
Schwesterorganisationen unter gleichen Bedingungen Campuses errichtet hat. Auch wenn sie zum Teil In
offen stehen. Voraussetzung dafür ist, zu wissen, wel formationen aus dem FORUM-Netzwerk beziehen,
ches Projekt in welchem Land und wann durchge zählt FORUM nach Meinung der Europäischen Kom
führt wird. Dazu gibt es innerhalb des FORUM ein mission nicht zu einer subventionablen Institution.
zentral gesteuertes Netzwerk zur Informationsverga Kritische EuropaBeobachter könnten hieraus wohl
be, das zu Anfang des Frühjahrs alle Aktivitäten der zu recht schließen, daß die Kommission sich hier von
Organisationen gebündelt veröffentlicht. Es gibt zwei dem Subsidiaritätsgrundsatz der Europäischen Ge
Formen von internationalen Feldlagern: die normalen meinschaft verabschiedet. Besonders erfreulich ist
Feldarbeiten, die sich für internationale Teilnahme hingegen, daß das Europäische Parlament im letzten
offen halten, und besondere Kampagnen, die vom Dezember eine Resolution angenommen hat, in der
FORUM organisiert und auf ausländische Teilnahme die Europäische Kommission explizit aufgerufen
gerichtet sind. Seit Gründung des FORUM haben wird, strukturell mit FORUM zusammenzuarbeiten.
mehr als hundert solcher Projekte in fast allen Mit
gliedsländern und mit fast allen Mitgliedsorganisatio Das FO/?C/A/Informationsnetzwerk ist das zweite In
nen stattgefunden. Die Erfahrung hat gelehrt, daß es strument zur Erreichung unserer Ziele. Es gibt zwei
am besten ist, wenn mindestens drei Nationalitäten Manifestationen, die jährlich wiederkehren: die Mit
bei solchen Projekten vertreten sind und wenn das gliederversammlung und die Studientreffen. Die jähr
Gastland in der Anzahl der Teilnehmer nicht domi liche allgemeine Mitgliederversammlung (General
niert, sonst findet zu schnell die übliche Grüppchen Assembly) ist eine mehrtägige Veranstaltung, die
bildung statt. Sprachprobleme gibt es natürlich immer meistens im Frühjahr stattfindet und auf der die Vor
wieder, doch lassen die sich überraschenderweise standsmitglieder der einzelnen Organisationen zu
schnell überwinden. Die kulturellen Unterschiede sammenkommen, um Informationen zu den Sommer
wiegen da etwas schwerer, doch kann man mit etwas lagern auszutauschen. Auch sind dies gute Gelegen
Humor auch mit diesem Problem leben. heiten, durch Präsentationen und Exkursionen tiefge
Die archäologischen Projekte variieren vom ge hend das kulturelle Erbe des Gastlandes, die Organi
wöhnlichen Ausgraben bis zur Felderschließung, sationsformen und die spezifischen Probleme im Hin
Ausarbeitung von Fakten und Erschließung für das blick auf die Arbeit der freiwilligen Helfer des Gast
Publikum (Texttafeln, Wegweiser, lokale Ausstellun landes kennenzulernen. Gastgeber waren bislang Ita
gen), von der Entwicklung archäologischer Routen lien, Flandern und England. Für die kommenden Jah
(Archeodrome) bis zum Organisieren europäischer, re stehen die Niederlande, Frankreich und Skandina
archäologischer Fahradtouren (European Archaeolo- vien auf dem Programm. Von den Studientreffen
gical Bicycletours). Letzteres scheint beim Publikum (Working Parties) ist erst eines zu Stande gekommen,
besonders gut anzukommen. Inzwischen wurden und zwar im vergangenen Oktober in Padua, wo das
sechs Fahrradtouren organisiert, die meistens in Ita General Sekretariat von FORUM seinen Sitz hat und
lien mit einer Dauer von drei Wochen durchgeführt wo die internationale Messe von Padua, Padovafiere,
werden und bis zu achtzig, meist jüngere Teilnehmer, uns strukturell unterstützt und sogar ab und zu
haben. sponsort.
Natürlich stellen wir auch Qualitätsanforderungen Selbstverständlich kann eine Vereinigung nicht
bei den jährlichen Sommerlagern. Es darf nicht nur ohne Zeitschrift auskommen. Auch die haben wir, al
"AssistentenfürProfessionelleArchäologie" betrie lerdings sind erst zwei Nummern erschienen und das
ben werden, sondern sie müssen eine weitere Dimen Ganze ist noch in der Aufbauphase. Verkehrssprache
sion haben, die mit den Grundgedanken des FORUM ist Englisch. Die Themen, die wir beleuchten, werden
übereinstimmen. Zu diesem Zweck entwickeln wir aus den folgenden Gebieten ausgewählt: Information
gerade ein Trainingsprogramm für Mitglieder, denen über die angeschlossenen Vereinigungen, Informatio
die Leitung solcher Projekte anvertraut werden soll. nen über die Feldaktivitäten des FORUM, kulturpoli
Hier erhoffen wir uns mit dem Europarat enge tische Hintergründe der archäologischen Freiwilli
Zusammenarbeit. genarbeit aus europäischer Sicht und manchmal Sit
Die Kosten fallen nicht so sehr ins Gewicht. Häu zungsberichte von Kongressen. Bislang haben wir al
fig gibt es lokale Vergütungen: Reise und z.T. le Kosten selbst getragen, die wir aus den
35
Das aktuelle Thema: Archäologie in Medien und Öffentlichkeit
Jahresbeiträgen (60 ECU, 120 DM) und aus gelegent genwärtigen: Zuerst einmal ist besonders die frühe
lichen Subventionen für lokale und regionale Veran Vergangenheit nicht objektiv. Wir müssen also be
staltungen bestritten. Die Teilnehmer der Jahresver sonders behutsam und sparsam damit umgehen.
sammlung und von Kongressen übernehmen den Zweitens ist unsere Definition eines optimalen For
Großteil ihrer Kosten selbst. Die Zeitschrift, die nur schungsniveaus einer Veränderung unterworfen, wie
an die Sekretariate der angeschlossenen Organisatio es die neue intersite-Vorgehensweise in der Archäo
nen geht, finanzieren wir auch selber. logie zeigt. Es geht momentan nicht mehr so sehr um
einzelne Objekte oder isolierte Hausgrundrisse, son
dern um den räumlichen und konzeptuellen Zusam
Amateure in der Archäologie zwischen staatlichen menhang von Fundstellen innerhalb alter Kulturland
Einrichtungen und Wissenschaft schaften. Nicht eine einzelne Stelle ist interessant,
sondern der Zusammenhang eines Fundplatzes mit
Wie stellt sich die Position der archäologischen Ama der Landschaft, der Ökologie, der Infrastruktur und
teure zwischen staatlichen Einrichtungen und Wis der Position, die der Fundplatz auf regionalem Mi
senschaft in Europa dar? Doch zuerst: wie definieren kroniveau einnahm. Schutz und Erhalt haben damit
wir Archäologie? In meinem Land bedeutet Archäo in den letzten Jahren einen anderen Schwerpunkt be
logie das Studium der materiellen Überreste der Ver kommen. Man erforscht weniger isolierte Objekte als
gangenheit im Hinblick auf Rekonstruktion des frühe mehr die Monumente in ihrem Kontext. Dies ist inso
ren Zusammenlebens oder auch der Veränderungs fern relevant, als die Bedrohungen des historischen
prozesse, die zu den historischen und heutigen Zu Erbes und des Bodenarchivs immer größer werden,
ständen geführt haben. Momentan neigt man in der wodurch nicht nur einige Fundstellen sondern gesam
Wissenschaft zu einer Art von professionellem Relati te Kulturlandschaften verwüstet werden. Ich brauche
vismus: eine objektive archäologische Vergangenheit nicht an die 150.000 Hektar Bodenarchiv zu erinnern,
gibt es nicht, es gibt höchstens Vorstellungen und die im Rheinischen Braunkohlerevier vernichtet wer
Bilder davon, die intersubjektiv und nur zeitlich gül den oder es schon sind. Die Archäologie spielt beim
tig sind. Die Konsequenz daraus ist, daß wir viel vor Braunkohleabbau wohl eine Rolle, doch angeblich ge
sichtiger als früher mit dem Objekt unserer Erfor schieht das, um die öffentliche Akzeptanz für künfti
schung umgehen müssen. Spätere Generationen, die gen Abbau zu verbessern. Auch die sogenannte Be
zweifelsohne bessere oder jedenfalls andere Techni freiung Osteuropas läßt das Schlimmste befürchten,
ken und Fragestellungen entwickeln werden, müssen was die großangelegte Neustrukturierung der Land
selbst ein Urteil fallen können. Jede Generation muß schaft und des Bodens betrifft. Drittens gibt es ein
sich ihr eigenes Bild aufgrund eines guterhaltenen, drohendes, kulturelles "Monetarisations"Risiko. Die
repräsentativen Teils des materiellen Erbgutes ma Einführung von Richtlinien, die aus der überarbeite
chen können. ten Europäischen Konvention zum Schutz des ar
Hier sind wir nun schon mitten in den Problemen. chäologischen Erbes stammen, welche im Januar
Nicht nur haben wir es mit dem "natürlichen" Prozeß 1992 auf Malta von den Kultusministern des Europäi
des Verfalls zu tun, wodurch das endliche und uner schen Rats unterzeichnet wurde, wird angesichts des
setzbare Bodenarchiv verschwindet, sondern die Qua destruktiven Bodengebrauchs u.a. zu einer verpflich
lität und Quantität der archäologischen Quellen geht teten archäologischen Risikoanalyse führen. Was Pro
auch gerade in den letzten Jahren sprunghaft zurück, jektentwickler erreichen wollen und auch schaffen,
was meistens auf menschliche Einflüsse zurückzufüh wenn wir nicht aufpassen, ist eine "Archäologiefrei"
ren ist. Austrockung, Verschmutzung, Saurer Regen, Erklärung. Sie werden sicherlich bereit sein, ein
Ausbeutung, Abgrabung, Rücksichtslosigkeit, intensi hübsches Sümmchen zu bezahlen, damit Archäologen
ver Ackerbau und Viehzucht, Straßenbau, Kanalisie oder verantwortliche Beamte beschließen, daß ein
rung, führen zur Zerstörung archäologischer Quellen. Platz geopfert werden kann. Wer kontrolliert dann
Für die Niederlande wurde errechnet, daß von allem, die Kontrolleure? Wie werden die Kriterien aufge
was durch natürliche Erosion und menschliches Han stellt? Wie können wir dem zuvorkommen, daß später
deln an archäologischem Erbe verloren geht, nur 1% "alles seinen Preis hat"?
untersucht werden kann, und daß seit 1950 schon Vor diesem dreifachen Hintergrund der "ver
mehr als ein Drittel des Gesamten unwiederbringlich lorenen Objektivität", der zunehmenden Bedeutung
verschwunden ist. Anders als in der Umwelt oder der der Landschaft, der Gefahr einer großen Käuflichkeit
Natur läßt sich das Erbe im Boden nicht regenerieren. der Kultur, ist das archäologische Erbe ein stets selte
Einen Wald oder Schwalben kann man wieder zu ner werdendes, politisch höchstens als Wechselgeld
rückkehren lassen, eine Niederlassung aus der Eisen interessantes Gut. In einer Zeit ökonomischer Rezes
zeit ist unweigerlich verloren. sion ist es ein Schließposten, und andere als die Be
Ist das so schlimm? Wird damit die Arbeit der rufsarchäologen und Liebhaber von Archäologie wer
Freiwilligen in ein anderes Licht gerückt? Ich denke den über den Raum, den Boden und die Landschaft
schon. Vor allem drei Dinge muß man sich verge befinden. Bei diesen Beschlüssen brauchen wir einen
36
Das aktuelle Thema: Archäologie in Medien und Öffentlichkeit
Wortführer, der im Namen der materiellen Überreste versitätsinstitut zu kümmern. Sie brauchen auch kei
der Vergangenheit aufsteht, denn sie können sich ne politischen Kompromisse einzugehen, um die fol
nicht selbst verteidigen. Die Spezialisten (auch Ar genden Wahlen zu überleben. Es gibt hier eine über
chäologen) verdienen Geld mit destruktiven oder kul deutliche Analogie zur Umweltbewegung. Es waren
turell schamlosen Untersuchungen wie in der Euregio ja nicht die Politiker, die die Aufmerksamkeit auf die
MaasRhein. Das verborgene Erbe macht im Fernse Ausbeutung der natürlichen Ressourcen lenkten. Die
hen auch nicht viel her, denn es läßt sich nicht wie Teilnehmer des Clubs von Rom wurden 1973 als no
das Bild eines traurigen Seehunds zeigen, der aus torische Schwarzmaler ausgelacht. Es hat zwanzig
Profitgier vor laufender Kamera von Schurken er Jahre gedauert und auch einiges Blut und Kummer
schlagen wird. Niemand lebt tatsächlich im archäolo von einfachen Bürgern gekostet, sei es mit oder ohne
gischen Kulturerbe oder hat rührende Erinnerungen Organisationen, bis auf eine minimal redliche Weise
an seine Großmutter, die dort lebte und arbeitete. mit den natürlichen Ressourcen umgegangen wurde.
Wenn das archäologische Kulturerbe einen Vor Meiner Meinung nach brauchen auch die kulturellen
kämpfer braucht, wer soll das sein? Der Staat? Die Ressourcen ein Greenpeace. Als unbequeme Gegen
Fachwelt? Professionelle heritage managers und Mu macht, als Partner in Not, als kritisches Gewissen.
seumsdirektoren? Die Presse? Oder die Gesellschaft Gut informiert, sachkundig, streitbar, in öffentlichen
selbst, die sich in gewisser Hinsicht die moralische nationalen und internationalen Netzwerken. Nicht
Erbin und Eigentümerin nennen darf? Aus der ge weil sie es besser wissen, sondern weil die Vergan
nannten Reihenfolge mag man schon erkennen, daß genheit jedem gehört, das heißt, wenn wir gut aufpas
ich tief davon überzeugt bin, daß der letzten, der Ge sen, niemandem. Im FORUM versuchen wir, dieses
sellschaft als Ganzes, die Funktion zukommt, Vor Bewußtsein zu vergrößern.
kämpferin, Anwältin und Meisterin des kulturellen
Erbes zu sein. Und ich möchte anfügen, daß die Frei
willigenorganisationen in dieser Hinsicht die besten Dr. Riemer Knoop
Vertreter der Gesellschaft sind. Denn sie brauchen
Archeologisch Informatie Centrum
keinerlei Abwägungen zu machen mit kommerziel
len, ökonomischen oder politischen Einflüssen. Sie
Postfach 11114
brauchen sich nicht um ihre Karriere als Wissen NL - 2301 EC Leiden
schaftler oder um die Kapitalbeschaffung für ihr Uni Tel. 0031 71 163130
37