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In dem vorliegenden Text „Erfahrungen in Amerika“ rekapituliert Theodor W.

Adorno die
unterschiedlichen Stationen und Forschungsprojekte während seines Exils in den Vereinigten
Staaten von Amerika, sowie im Anschluss erschienen Publikationen. Den größeren Teil
nimmt die Wiedergabe der gesammelten Erfahrungen ein, vor allem der teilweise
kulturbedingten Unterschiede im wissenschaftlichen Forschen und Arbeiten, verglichen mit
seinen Tätigkeiten in Europa. Ich werde kurz chronologisch die einzelnen Etappen während
seiner Exilzeit wiedergeben und anschließend versuchen seine Erlebnisse und persönliche
Entwicklung zusammen zu fassen.
Im Herbst 1937, Theodor W. Adorno lebte da schon im Londoner Exil, erfuhr dieser von
seinem Freund und Mitarbeiter Max Horkheimer, er könne ihm ebenfalls nach New York
folgen, wenn er „bereit wäre, an einem Radioprojekt mitzuarbeiten.“. Schon früher hatte
Adorno sich mit musiksoziologischen Themen beschäftigt und z.B. einen Aufsatz über den
amerikanischen Jazz verfasst. Nach seiner Ankunft in New York im Februar 1938 leitete er
zum einem die „Music Study“ am Princeton Radio Research Project. Zum anderen arbeitete
Adorno für das, ebenfalls emigrierte, Institut für Sozialforschung (IfS), welches nun an der
Columbia University angesiedelt war. Durch Forschung an ähnlichen wissenschaftlichen
Themen, wurde versucht die Arbeit zu kombinieren, Beobachtungen aus dem Radio Project
flossen in andere, für das IfS verfasste, soziologische, philosophische und analytische
Schriften. Bis 1940 erarbeitete er im Rahmen der „Music Study“ 4 große Abhandlungen,
welche in den darauffolgenden Jahren veröffentlicht wurden.
1941 beendete er seine Tätigkeiten in New York und zog nach Kalifornien um, wo Max
Horkheimer bereits lebte. Hier begann die gemeinsame Arbeit an dem Buch „Dialektik der
Aufklärung“, welches bis 1945 zu Ende geschrieben wurde. Horkheimers Tätigkeiten in
leitender Position für die „Research Abteilung des American Jewish Committee“
ermöglichten ihm, Adorno und befreundeten Wissenschaftler*innen („Berkeleygruppe“) über
Jahre ohne Druck wissenschaftlich tätig zu sein. In gemeinsamer Arbeit entstanden die
Studien zum Autoritärem Charakter („Authoritarian Pesonality“), welche 1949 unter einem
gewissen Zeitdruck veröffentlicht werden musste, da Ende 1949 die Möglichkeit bestand,
nach Deutschland zurückzukehren und das IfS in Frankfurt abermals zu etablieren. Zwar
reiste Adorno nochmals für kurze Aufenthalte zurück, erkannte jedoch, dass seine Zukunft
am neugegründeten IfS in Frankfurt lag.
Zu Beginn seines Aufsatzes beschreibt Adorno seine Diskrepanzen zwischen dem Anpassen
an seiner neuen kulturellen und wissenschaftlichen Umwelt und dem Festhalten an der
Selbstidentifikation als Europäer, sowie die damit einhergehenden Spannungen zwischen
Denkweisen und Forschungsmuster. Seine soziologischen Abhandlungen über den Jazz hatte
laut Kritiken „den Makel des Unbewiesenen“, da sich Adorno zumeist darauf beschränkte
„Phänomene zu deuten“ und nicht mittels statistischer Erhebungen Nachweise zu erbringen.
Er jedoch bemängelt, die Versteifung einzig auf die Empirie, führe zur Unmöglichkeit frei
Theorien zu entwickeln. Nicht die ideologischen Zusammenhänge von Musik und
Gesellschaft sollten erforscht werden, viel eher wurden durch die Kulturindustrie direkt oder
indirekt verwertbar Ergebnisse erwartet. Im Textverlauf geht Adorno detaillierter auf die
Differenzen zwischen ihm und seinen amerikanischen Kolleg*innen ein. Er habe große
Zweifel daran, dass „Kultur zu messen“ möglich wäre, was sich in seiner Arbeit darin
niederschlägt, wo er kaum in der Lage war, Evaluationen, Fragebögen und Interviews zu
entwickeln, während von ihm verfasste Theoreme und These hohen Zuspruch von seinen
Kolleg*innen erhielt. In dem Text gesteht er rückblickend kritisch ein, in seinen vier
Abhandlungen für das Projekt, sei es ihm kaum gelungen gesellschaftstheoretische
Überlegungen zu der Ideologie der Durchsetzung von Popmusik und Massenkultur mittels
Radios zu verfassen.
Weitaus mehr Gefallen fand Adorno an der Arbeit mit befreundeten Wissenschaftler*innen in
Kalifornien, so an der mit Horkheimer gemeinsam verfassten “Dialektik der Aufklärung” und
der darauf fußenden Studien zum Autoritären Charakter. Nach der militärischen Niederlage
Nazideutschlands drängte sich den Soziologen auf, zu erforschen, warum Menschen anfällig
für antisemitische und faschistische Propaganda sind. In einem sehr gut harmonierenden
Team wurden unterschiedliche Fragebögen für die Evaluationen entwickelt, in deren Zentrum
die F-Skala stand. Adorno beschreibt weiter in seinem Text, wie die Studien aufgebaut
waren, wer welche Aufgabenbereiche übernahm, welche Probleme auftraten und warum die
Arbeit so erfolgreich verlief. Dies begründet er unteranderem mit mehr empirischer Freiheit,
verglichen zu seinen vorherigen Projekten, als auch die Verzahnung verschiedener Methoden
und Theorien, wodurch Teilergebnisse untermauert und ihre Hauptthesen erfolgreich bestätigt
wurden. Abermals geht Adorno auf Kritiken ihrer Arbeit ein und räumt mögliche
Schwachstellen, wie der Überrepräsentation von Studierenden in den Forschungsgruppen
verglichen zur Gesamtbevölkerung, ein. Die Ergebnisse waren Anstoß für einige weitere
Studien und Forschungen, etwa zum Themenkomplex Aberglaube und Horoskope. Zum Ende
des Textes resümiert er seine persönliche Entwicklung in Amerika und bewertet die
gemachten, aber auch prägenden Erfahrungen als durchaus positiv. Unsicherer ist seine
Einschätzung darüber, wie sich die politische Situation in Europa und Deutschland
entwickeln wird, vor allem in wie weit die Demokratisierungsprozesse, welche der Deutschen
Bevölkerung verordnet worden sind, von Erfolg gekrönt sein werden. Ebenfalls kein Urteil
möchte er sich, über die Auswirkungen der Verbreitung der (amerikanischen) Massenkultur
auf die Kultur Europas aber vor allem auf die weniger (kapitalistisch) entwickelter Länder,
anmaßen. Abschließend tut Theodor W. Adorno, seinen Aufsatz mit Worten tiefer
Dankbarkeit gegenüber seines Exillandes.

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