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Amsterdam Holland im Bann von Asiens Schätzen Haute Couture Roben zum Sammeln
100 Jahre Dada Als die Kunst des Unsinns den Sinn der Kunst neu entdeckte
Marten van Cleve - A Wedding Procession
On canvas - 155.3 x 256 cm
Winter Exhibition
December 2015
www.johnnyvanhaeften.com
Henry Morgenthau, im Zweiten Weltkrieg Anselm Kiefers Bild »Der Morgenthau Plan«, ren. Dann wird den Blumen ihre Unschuld
Finanzminister der USA, ist vor allem durch gemalt 2014, ist jetzt in seiner großen genommen«, erklärt der Künstler dazu. In der
den Plan berühmt geworden, der seinen Na- Ausstellung im Centre Pompidou zu sehen hier gezeigten Version von »Der Morgenthau
men trägt. Im August 1944 ließ er einen Ent- Plan« kommt eine weitere Komponente hin-
wurf ausarbeiten, was mit Deutschland nach die Siegermächte nach der entsetzlichen zu – Kiefer zitiert van Gogh. Wie in dessen
der absehbaren Niederlage zu geschehen Schuld Nazideutschlands mit dem besiegten »Kornfeld mit Krähen« wogt der Weizen vor
habe. Morgenthau empfahl die Zersplitte- Land hätten machen können. tiefblauem Himmel im Wind, schemenhaft
rung des Landes, vor allem aber forderte er Anselm Kiefer, dem wir die Titelge- sind die Vögel zu erkennen. Am oberen Rand
die Rückführung Deutschlands in einen schichte dieser Ausgabe widmen (ab Seite 24), ist in Kiefers typisch krakeliger Schreibschrift
Agrarstaat, der nie wieder zu Macht gelangen hat sich schon in den Neunzigern in einigen »der Morgenthau Plan« zu lesen. So wird die
würde. Präsident Roosevelt war das Memo- Aquarellen auf den Morgenthau-Plan bezo- Natur mit Geschichte und Kunsthistorie auf-
randum zu radikal, und sein Nachfolger Tru- gen. In den letzten Jahren griff er das Thema geladen, sie wird mythenschwer wie das meis-
man zielte ohnehin bald im Kalten Krieg ge- in einer Bildserie wieder auf. »Als ich damals te bei Kiefer. Die Bedeutungsschichten über-
gen den Ostblock auf ein wiedererstarktes diese Blumen in meinem Haus in Paris malte, lagern und durchdringen sich, jeder
Deutschland an der Seite Amerikas. So blieb kam mir ein Gedanke: Ich könnte doch das Pinselstrich trägt seinen Teil an der Last der
der Morgenthau-Plan eine Gruselvision, was Motiv mit dem Morgenthau-Plan kombinie- Geschichte. SEBASTIAN PREUSS
3
INHALT
Kolumnen
10 Die Marktfrau
Drei Messen in München – ein Dada S. 36
Wettbewerb mit fatalen Folgen
12 Drei Wünsche
Schöne Gefäße, ein verborgenes
Porträt bei Thomas Bayrle und
ein prächtiger Lehnstuhl von 1810
14 Heimliche Zwillinge
Hella von Sinnen und ein
blondes Wesen im »Großstadt«-
Panoptikum von Otto Dix
42 Gute Geschäfte
Der Handel mit asiatischen
Luxusgütern machte Amsterdam
reich. Das Rijksmuseum zeigt
den Einfluss der Schätze aus
Fernost auf die Kultur Europas
48
Die Lust der Erkenntnis
Meisterwerke der Jahrhunderte:
Im Martin-Gropius-Bau Berlin
macht die Sammlung Würth
Kunstgeschichte anschaulich
4
Agenda
72 Glossar
Schauen, kennen, kaufen
Personalien
Chantal Pontbriand, Andreas
Beitin, Alexander Kunkel, Gail
Kirkpatrick, Matthias Frehner
89 Hammerpreise 6 Editorial
Meissener Kratervasen, 8 Impressum
ein Porträt von Auguste 9 Mitarbeiter des Monats
Amalie de Beauharnais und 119 Termine
eine kleine Hungana-Figur 121 Vorschau
Drei Tage Zürich S. 58
5
EDITORIAL
Bilder: Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur/2015, Zürich, ProLitteris/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Wolfgang Stahr
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
bei den New Yorker Herbstauktionen herrscht
immer eine ganz besondere Stimmung, nicht
nur, weil sie als Gradmesser des weltweiten
Kunstmarkts gelten. Im Rockefeller Center wird
schon der große Weihnachtsbaum installiert,
während auf der gegenüberliegenden Straßen-
seite Hunderte Sammler und Händler mit Platz-
karten in den Auktionssaal bei Christie’s strö-
men. In manchen Momenten hält das Publikum
den Atem an: wenn Preise Dimensionen anneh-
men, bei denen nur noch Milliardäre mitspielen lar-Marke war schon überschritten, und immer
können. So war es auch diesmal, als der Auktio- noch waren sieben Bieter mit im Spiel. Schließ-
nator Jussi Pylkkänen einen verführerischen lich erhielt ein chinesischer Sammler bei 152 Mil-
Akt mit maskenhaftem Gesicht von Amedeo lionen den Zuschlag, das sind mit Aufgeld 170
Modigliani versteigerte. Die 100-Millionen-Dol- Millionen Dollar. Ein Rekordpreis für Modiglia-
ni, und beinahe sogar ein absoluter Auktionsre-
kord – an gleicher Stelle erzielten im Mai Picas-
sos »Femmes d’Alger« 179 Millionen.
Picasso und Modigliani waren nicht die
einzigen Künstler, die sich von afrikanischer
Kunst beeinflussen ließen. Hannah Höch, die
derzeit mit einer Ausstellung im Kunsthaus
Stade geehrt wird, schuf 1924 die Collage, die Sie
hier sehen: »Aus einem ethnographischen Mu-
seum«. Zum 100. Dada-Jubiläum 2016 (ab Seite
36) wird das Blatt erst im Museum Rietberg in
Zürich und später in der Berlinischen Galerie zu
sehen sein – übrigens zusammen mit der Gu-
Maske von der Elfenbeinküste, die die Künstle-
rin hier neu interpretierte. Wir richten in der
vorliegenden Ausgabe den Blick auf Zürich, und
andere ausgewählte Orte der Schweiz, wo Kunst
und Handel blühen.
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uhren am 12. Dezember 2015 andreas.wellnitz@zeit.de Mecklenburg–Vorpommern, Sachsen,
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Christiane Meixner (frei) Eric Mantei, Herrengasse 1-3,
kultur@weltkunst.de A-1010 Wien, Tel. +43/660/4020865,
Thomas E. Schmidt
Der Berliner Kulturkorrespondent der ZEIT wandelt seit
Langem schon auf den Wegen zur asiatischen Kunst. Er
schätzt ihre Schönheit ebenso wie ihre Fremdheit. »Wer sich
auf die Künste zwischen Indien und China einlässt, muss
lernen, reisen, lernen«, betont Thomas E. Schmidt. Voller
Neugier fuhr er nach Amsterdam, um mehr über den Ein-
fluss der asiatischen Kunst auf Holland zu erfahren (S. 42).
9
DI E M A R K T F R AU
r war enttäuschend: Mein Be- ders Konrad Bernheimer für seine Absage an Standgestaltung und Déjà-vus schwächen
E such der Münchener Kunst- nur eine Messe auf dem Messegelände in
und Antiquitätenmessen in die- Riem. Stattdessen etablierte der gut vernetz-
sem Jahr fiel auf das einzige te Galerist für alte Meister eine internationa-
den originellen Eindruck ab.
Die 2009 gegründeten Highlights traten
zunächst mit musealem Anspruch an. Doch
Novemberwochenende, an dem alle drei Pa- le Messe von Händlern für Händler auf dezi- das internationale Preisniveau musste an die
rallelveranstaltungen geöffnet hatten. 1956 diert hohem Niveau. Die Highlights können bescheideneren Möglichkeiten deutscher Pri-
ging die einst strahlende 1. Deutsche Kunst- ihren erfrischenden neuen Look aber nur vatsammler angepasst werden. Das gab Aus-
und Antiquitäten-Messe im Haus stellern, die weg wollten vom Post-
der Kunst in München an den palast, die Möglichkeit, zu den
Start. 2015 wird im Postpalast ihr Highlights zu wechseln. Denn Qua-
60. Jubiläum gefeiert, weit weg lität bemisst sich nicht automatisch
vom Niveau der einst geschmacks- in astronomischen Preisen. Das füh-
bildenden deutschen Leitmesse. ren auch ein paar profilierte Ausstel-
Das Jubiläum findet nur auf dem ler mit hohen Qualitätsstandards
Papier statt, zu spüren ist es nicht. wie Monika Fahrensons »Brigantine
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Bilder: Ariane Laue; Courtesy the artist and Galerie Barbara Weiss, Berlin/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; art fundus biedermeiermöbel
Schaut man ganz genau hin, so zeichnet sich
unter den Linien und Wellen ein Gesicht ab.
Thomas Bayrle porträtierte 1971 in dem Sieb-
druck (70 x 55 cm) den US-Schriftsteller Norman
Mailer. Wir haben die Arbeit in der Berliner
Galerie Barbara Weiss (030 2624284) entdeckt.
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Bilder: Uwe H. Seyl/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; ddp images/Sven Simon; Frank Röth/F.A.Z.
Großstadt-Kokotte Hella von Sinnen
Wir alle kennen sie als Kassiererin in dem legendären Werbespot zur Aids-
Prävention. »Tina, wat kosten die Kondome?«, schrie sie durch den Laden,
und der schamhafte Käufer wollte im Boden versinken. Anja Gebauer von
der Galerie Maier & Co. Fine Art hat die Komödiantin jetzt im Kunstmu-
seum Stuttgart wiederentdeckt: in Otto Dix’ »Großstadt«-Triptychon. Über
Funde wie diesen freut sich Ihre bildredaktion@weltkunst.de
K R I T I K E R F R AG E
Samuel Herzog Kia Vahland Niklas Maak Lindsay Pollock Hanno Rauterberg
Neue Zürcher Zeitung Süddeutsche Zeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung Art in America DIE ZEIT
Die Frage, warum man Der Wille, NS-Raubkunst Gute Kunst. Die Venedig- Das neue Whitney Museum, Vor allem Okwui Enwezor,
nicht Gastrokritiker zu erkunden. Der Eindruck, Biennale eher nicht. Die Picassos Skulpturen im der dem Kunstsystem
geworden ist – und doch dass die Kunst es gegen Hoffnung, dass am Berliner MoMA oder die Video- »vollständige Machtlosig-
auch die Lust, es immer ihre Verkäuflichkeit immer Kulturforum nicht noch künstlerin Rachel Rose. keit« attestierte, weil es
wieder mit dieser seltsamen schwerer hat, wie auf der ein Privatsammlermuseum Die wuchernden Messen, sich mit den Interessen
Sache zu versuchen, die Venedig-Biennale zu sehen. entsteht, sondern ein Kunstfonds und Online- des Kapitals arrangiert
man gemeinhin als Kunst Was hoffentlich nicht wirkliches neues Museum. Shops ziehen dagegen die habe. Sich selbst schloss er
bezeichnet. bleibt: all die Fälschungen ganze Kunstwelt herunter. dabei nicht aus. Zumin-
und Fehlzuschreibungen. dest das ist rühmlich.
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1 ermöglichte ihr einen neuen Blick auf das derinnen zu fertigen. Zurzeit werden etwa
traditionelle Handwerk ihrer Heimat. 400 Figuren, Spieldosen und Wanduhren an-
Grete Wendt schuf Holzengel, die man geboten. Jedes Jahr kommen neue, großteils
so noch nicht gesehen hatte. Sie schienen in in Handarbeit gefertigte Figuren hinzu.
Bilder: ruemmlerfotografie 2013; Sabrina Rothe 2010; S+M Rümmler (2); Michael Biedowicz
Bewegung zu sein, zu musizieren, zu laufen Zunächst wird der Rumpf der Engel ma-
und zu fliegen. Das erreichte sie, indem sie schinell gedrechselt, und die einzelnen Glie-
die Gliedmaßen schräg anschnitt und wieder der werden gefertigt. Benutzt werden Linde,
neu zusammensetzte. So durchbrach sie die Buche und Ahorn, die teils per Hand zuge-
ie schönsten Dinge entstehen schnitten werden. Das ist Milimeterarbeit,
16
Jackson Pollock (American, 1912—1956)
Mural, 1943 (detail), Oil and casein on canvas, 242.9 x 603.9 cm
Gift of Peggy Guggenheim, 1959.6
University of Iowa Museum of Art; Reproduced with permission from The University of Iowa Museum of Art
© Pollock-Krasner Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2015
Adrian Ghenie
4
Bilder: Christie’s Images Ltd. 2015; Pieke Bergmans; Bokja Design; Studio Job; Simone Post/Jongeriuslab
Mit seinen düster-suggestiven Bildern,
die historische und popkulturelle Re
ferenzen mischen, ist der 1977 geborene
rumänische Maler Adrian Ghenie zum
Liebling des Kunstmarkts geworden.
Sein »Pie Fight Interior« (2012) erzielte
im Oktober bei Christie’s in London
einen Zuschlag von 605 000 Euro
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Bilder: Courtesy of the artist and Pilar Corrias Gallery; Matteo Bosonetto; Fondazione Sandretto Re Rebaudengo, Turin; Milena Carstens; Illustration: Andrea Ventura
Herr Obrist, was haben Sie gesehen? Keine Sorge, ich kann Sie gut hören. Zurück Sie waren in Turin für ein öffentliches
Ich möchte von meinem Besuch in Tu- nach Turin … Gespräch mit dem Künstler ADRIÁN VILLAR
rin vor wenigen Tagen erzählen, aber es ist Ich war sehr begeistert von einer Sechzi- ROJAS (3), richtig?
nicht ganz einfach, weil der Koffer mit mei- gerjahre-Fotografin, die etwa den jungen Ja, in der Fondazione Sandretto Re Re-
nen Notizen von der Reise dorthin verloren Alighiero Boetti und eine ganze Reihe weite- baudengo war sein Gesamtkunstwerk zu se-
gegangen ist. rer Künstler seiner Generation fotografiert hen. Wir haben ja in einer früheren Kolumne
hat. Der hochinteressante Hassan Sharif aus bereits über seine Ausstellung in Istanbul in
Sie sind heute in New York gelandet … Dubai war zu sehen und man konnte den lei- diesem Jahr gesprochen, und von dort hat er
… ja, und mein Koffer ist nicht mitge- der vergessenen italienischen Bildhauer Paolo 98 Steine mit nach Turin gebracht, dafür wa-
kommen. Aber gut, legen wir los. Die kleine Icaro auf der Messe bestaunen. Es war sehr ren sieben Lastwagen nötig! Er hat die Steine
Turiner Kunstmesse Artissima ist ja unglaub- überraschend, wie eigentlich immer in Turin. mit verschiedensten Materialien belebt.
lich aktiv, etwa mit ihrer Plattform »Present
Future«, die Künstler verschiedener Genera- Was ist das Besondere der Kunststadt Turin? Belebt?
tionen zusammenbringt, von den Fünfziger- Der Bürgermeister hat mir erzählt, dass Ja, mit Gemüse, mit Obst, mit Pilzen,
bis zu den Achtzigerjahren. Diesmal waren man jedes Jahr 100 Millionen Euro für Kunst mit Moos, Knochen, Skeletten. Das war eine
besonders interessant: serielle Puppengemäl- ausgibt – für eine Stadt dieser mittleren Grö- richtig belebende Erfahrung. Er hat es außer-
de des deutschen Malers Peter Dreher, von ße ist das richtig viel Geld. Und es gibt jedes dem geschafft, dass für ihn in der ausstellen-
dem man ja vor allem die Wassergläser kennt. Jahr neben den Schauen älterer Künstler den den Fondazione die Elektrizität ausgeschaltet
Die »Puppenköpfe« sind zwischen 1983 und Illy-Preis für jüngere Künstler. Im vergange- wird – man erlebt seine Kunst also in einem
1985 entstanden, kleine Formate, 40 auf 30 nen Jahr hat ihn die großartige RACHEL ROSE wunderbaren Dämmerlicht.
Zentimeter … einen Moment, bitte. (1) gewonnen, die jetzt bei uns in der Serpen
tine Gallery eine Einzelausstellung hat. Die- Und was beschäftigt Sie derzeit außerhalb
Sie sitzen im Auto gerade, oder? ses Jahr fand ich die enzyklopädische Arbeit der Kunstwelt?
Ja, wir fahren von Manhattan nach von Basel Abbas und Ruanne Abou-Rahme Normalerweise erzähle ich an dieser
Brooklyn, und der Verkehr ist schrecklich faszinierend: Es geht um verschiedene Archi- Stelle von Büchern, die ich gerade lese, aber
heute hier. Wir müssen gleich durch einen ve, es ist eine Recherche im Mittleren Osten, diesmal geht es um Musik. Der deutsche
Tunnel, ich hoffe, ich verschwinde nicht. ein Protestzug gegen das Vergessen. Journalist Max Dax hat mich in Turin auf
dem Festival Electronic Beats interviewt und
mich anschließend mitgenommen auf Kon-
zerte. Ich habe Jamie xx erlebt, das war groß-
artig, aber das absolute Highlight war der
junge italienische Klangkünstler LORENZO
SENNI (2) nachts um fünf. Er ist sensationell.
In seinen Sessions bewegt er sich zwischen
Musik und Kunst, und in diesen Zwischen-
1 zonen entstehen ja heutzutage meistens die
interessantesten Dinge.
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25
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Von seiner Kunst heruntergeblickt, sieht gen in Paris, keine 30 Kilometer Luftlinie ent
Anselm Kiefer eher klein aus. Aus drei aufei fernt vom Atelier in Croissy-Beaubourg. Im
nandergestapelten Schiffscontainern besteht Dezember beginnt Kiefers große Retrospek
die Skulptur, die einen ausgezeichneten tive im Centre Pompidou. Daneben läuft be
Beobachtungsposten über das riesige Atelier reits eine Ausstellung in der Bibliothèque na
bietet. Ich könne doch hinaufsteigen, hatte tionale de France mit seinen Künstlerbüchern
die Assistentin vorgeschlagen, und dort war – ein in der Rezeption oft vernachlässigter Be
ten. Aus dieser Höhe wirkt Anselm Kiefer, so reich im Werk des Malers und Bildhauers. Im
wie er jetzt angeradelt kommt, geradezu nor vergangenen Jahr gab es eine Retrospektive
mal: ein netter älterer Herr. Am locker fallen in der Londoner Royal Academy of Arts, im
den Leinenhemd steht der oberste Knopf of kommenden Frühjahr zeigt die Wiener
fen, dazu weite Stoffhose, Baseballmütze Albertina noch eine Schau mit Kiefers Holz
und Schlappen. Das ist nicht der Dress eines schnitten. Der Künstler ist in diesem März
Künstlerfürsten. So zieht sich ein Künstler 70 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass
philosoph an, der auf der Fahrradroute durch und dank der vier Ausstellungen ist nun in
die Weiten seiner Wirkungsstätte nun vor der Europa wirklich einmal der »komplette
Containerskulptur stoppt. Behände er Kiefer« zu sehen. Deutsche Museen sind an
klimmt Kiefer die Stahltreppe, begrüßt den diesem Festreigen nicht beteiligt. »Warum
Gast und wirft dabei gleich einen Seitenblick eigentlich nicht?«, fragt man sich.
auf die Bleibänder voll applizierter Fotogra Als Nächstes bremst Kiefer vor einer
fien, die im Inneren des Containers von der Reihe von Glasvitrinen, um mit zwei Assisten
Decke hängen. Er scheint zufrieden. Das ten zu sprechen, die wie ihr Chef in der riesi
Werk soll bald das Atelier verlassen. gen Halle mit dem Fahrrad unterwegs sind.
Nun müsste man den Künstler eigent »Da müssen noch Buchstaben hinein«, er
lich zu seiner Skulptur befragen, doch der klärt der Künstler und zeigt auf eine Vitrine,
verschwindet schon wieder die Treppe hinab. in der Aluminium-Sonnenblumen aus einer
Die Zeit ist knapp, und wir wollen noch über alten Setzmaschine wachsen. Die Lettern
einiges sprechen an diesem Morgen, unter werden später auf dem Boden der Vitrine in
anderem über seine zwei großen Ausstellun einem ungeordneten Haufen liegen wie ver
28
A N SE L M K I E F E R
streute Samen. »Der fehlende Buchstabe« misst das Areal, dass sich der deutsche Künst- steht, an der noch der Schriftzug des legen-
nennt Kiefer das Werk. Nach einer kabbalis- ler 1992 bei seinem Umzug ins südfranzösi- dären Pariser Warenhauses Samaritaine les-
tischen Theorie fehlt im Alphabet der Thora sche Dorf Barjac kauft. Er interpretiert es bar ist. An der Längsseite der Halle konnten
ein heute nicht mehr bekannter Buchstabe. künstlerisch – mit dem Bagger. Als er 15 Jahre früher 25 Lastwagen gleichzeitig beladen
Würde man ihn finden, verschwände so- später Barjac in Richtung Paris verlässt, ste- werden, heute sind hier Container mit Mate-
gleich alles Negative aus der Welt und der hen hohe Betontürme auf dem Gelände, und rial und einige von Kiefers riesigen Flug-
heiligen Schrift. Böses wird in Gutes verwan- der Untergrund ist durchlöchert von Höhlen zeugskulpturen aus Blei geparkt. Im Inneren
delt, Leid in Freude. Problem erledigt. und Tunneln. Nimmt man dazu Kiefers Bil- verlieren sich in der Leere des riesigen Rau-
Schön wäre, wenn man so das Rätsel der, mit ihren märkischen Morastäckern, an- mes selbst die Türme des Bühnenbilds, das
Anselm Kiefer gleich mit lösen würde. Voll- tiken Pyramiden und anonymen Hochhaus- Kiefer 2009 für die Pariser Opéra Bastille
ends nahe kommt man diesem Künstler wüsten, dann liegt der Verdacht nahe, dass baute. Schüchtert ihn diese gigantische Hal-
nicht. Dem einkreisenden Zugriff entwischt sich hier ein Künstler in der Tradition der le gar nicht ein? »Das ist für mich gemütlich
er im Gespräch durch kühne Ausreißer zu in- Landschaftsmalerei sieht. »Sicher«, antwortet hier drinnen«, entgegnet der Künstler. »Das
Bild vorherige Seite: Ian Reeves/Anselm Kiefer; Bild links: Charles Duprat; Bild rechts: Jörg von Bruchhausen, Berlin/Collection Würth, Künzelsau
tellektuellen Ahnen: Spinoza, der Kabbalist Kiefer. »Landschaften sind Träger von I deen. ist der Unterschied: Sie kommen herein und
Isaak Luria, Brentano. Anselm Kiefer hat um Wie soll ich eine Idee sonst darstellen? Ich bin sind beim Anblick überwältigt. Für mich ist
sich herum ein Labyrinth errichtet, dessen ja Künstler, kein Philosoph.« das Atelier wie meine Haut.« Er fühle sich
Wände aus philosophischen Texten bestehen. Auch das Atelier bei Paris ist eine Art sehr wohl darin. »Ich wusste schon früh, ich
Texte, die untrennbar Teil seiner Persönlich- Landschaft, und wir sind jetzt schon eine brauche in etwa diese Dimension, um die
keit geworden sind. Es bleibt einem nichts an- Weile unterwegs. Kiefers Reich ist vor allem: 40 000 Quadratmeter.«
deres übrig, man muss dem ausgelegten groß. Allein der Weg dorthin braucht seine Und so findet sich nicht nur ausrei-
Ariadnefaden zumindest ein Stück folgen. Zeit. Erst den Vorortzug in Richtung Osten, chend Platz für die Produktion, sondern
»Ein bisschen labyrinthartig ist das hier ja dann vom Bahnhof noch eine gute halbe auch für die Planung seiner Ausstellungspro-
auch«, sagt Kiefer und lächelt, während wir Stunde zu Fuß an Fabriken und Wiesen vor- jekte. Andere Künstler mögen ihre Bilder in
die Regale seines Materiallagers passieren, die bei, bis man schließlich vor einer Lagerhalle kleinen Modellen hin und her schieben. An-
bis in halsbrecherische Höhe mit handschrift- selm Kiefer simuliert seine Auftritte in voller
lich etikettierten Kisten gefüllt sind. Dort Lebensgröße. Es ist ein einzigartiges Erlebnis,
f indet man unter anderem getrocknete
wenn man – Wochen vor der Eröffnung –
Kugelfische, Brennnesseln, Hanf, Asche oder durch die Räume des Centre Pompidou läuft,
Papyrus. Es gibt Schachteln mit kleinen Blei- nur eben akkurat nachgebaut in Kiefers Ate-
U-Booten und welche mit rostigem Stachel- lier, hier einen Blick auf das Meisterwerk
draht. Häufig sei er im Lager, um zu schauen, »Margarethe« (1981) wirft, dort die »Wege der
welches Material ihn inspiriere, erzählt der Weltweisheit« (1976/77) studiert, keine Origi-
Künstler. »Am liebsten, wenn ich müde bin nale zwar, aber doch verblüffend gut gelun-
und nicht mehr so kontrolliert. Dann funk gene Reproduktionen. Vor dem Bild »Für
tionieren die Materialien wie Synapsen: Ein Paul Celan: Ascheblume« mit seinen sieben
Gegenstand beginnt plötzlich mit einem an- einhalb Metern Kantenlänge spürt man
deren zu sprechen. Es entstehen so die er- dann auch wieder, wie gut es einem tut, sich
staunlichsten Dinge.« bisweilen von Kiefers orchestrierter Monu-
Aus seiner Materialsammlung füllt er mentalität überwältigen zu lassen.
Vitrinenskulpturen, oder er integriert die Ge- Er hat sich also richtig vorbereitet für
genstände in seine Leinwände, auf denen sich den Gala-Auftritt in dem Land, das ihm seit
massive Farbschichten wie Sedimente abgela- einem Vierteljahrhundert ein Zuhause bietet
gert haben: Braun- und Grautöne, häufig und das seinen berühmtesten Künstler-
auch Schwarz. In einem Seitentrakt des Ate- migranten nach anfänglichem Zögern nun
liers, den wir an diesem Tag nicht betreten, bedingungslos liebt. 2007 durfte Kiefer sich
warten Dutzende solcher Gemälde darauf, im Louvre mit einem Selbstbildnis verewi-
dass der Künstler sie bearbeitet, weitertreibt, gen, das ihn, splitternackt ausgestreckt, un-
umarbeitet. Ganz fertig werden sie nach sei- ter dem Sternenhimmel zeigt. Im selben Jahr
ner Vorstellung nie. Übrigens: Ein typisches räumte ihm Paris noch das Grand Palais für
Kiefer-Bild, das manchem Betrachter über- seine Monumentalinstallation »Sternenfall«
trieben monumental erscheint, hat für den frei. 2011 hielt er eine Vortragsreihe vor dem
Künstler menschliches Maß. »Ein Bild muss renommierten Collège de France. Und jetzt
man tanzen. Ich arbeite unheimlich körper- das Centre Pompidou und die National
lich. Und ein Bild hat immer das Format, wo bibliothek. In Deutschland dagegen: relative
Blick zurück im Hohn: Kiefers »Heroisches
ich gerade noch hinreichen kann«, erklärt er. Kiefer-Wüste. Die letzte Retrospektive gab es
Sinnbild I« von 1969/1970. Li. Seite: In einem
Dann macht er plötzlich ein Geständnis: »Ich ehemaligen Warenlager bei Paris hat 1991 in der Berliner Nationalgalerie. Danach
kann gar nicht malen. Ich habe kein Talent sich der Künstler ein riesiges Atelier einge blieb es Privatsache, Kiefer größer zu zeigen
dazu, das überrascht jeden, weil es wie Koket- richtet. Dort finden selbst die Türme – 2004 in der Sammlung Würth und 2011/2012
terie klingt. Aber es ist wahr.« seines Opernbühnenbildes von 2009 Platz. mit der Sammlung Grothe im Museum
Nicht leugnen lässt sich Kiefers Gestal- Vorige Doppelseite: »Margarethe« (1981) Frieder Burda in Baden-Baden und in der
tungswillen, der Platz braucht: 60 Hektar nach Paul Celans Gedicht »Todesfuge« Bonner Bundeskunsthalle. Jedesmal war das
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HEA DZEILE
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HEA DZEILE
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Bild vorherige Doppelseite: Charles Duprat; Bild links: Atelier Anselm Kiefer/Seattle Art Museum
»Die Orden der Nacht« (1996) ist ein Selbstbildnis des Künstlers, das der Theorie des Rosenkreuzers
Robert Fludd folgt, wonach Mensch, Pflanzenwelt und Kosmos untrennbar miteinander verbunden sind
Frühwerk sehr schwach vertreten. In Bonn setzte ihn spät nachts vor dem Louvre ab. Da stehst! Das sieht ganz anders aus, wenn man
waren überhaupt keine Arbeiten vor 1990 zu stand er vor einer schwarzen Mauer. »Paris den Gruß richtig macht.« Kiefer lacht.
wichtigen frühen Kiefer-Themen wie Natio- war schmutzig«, erzählt Kiefer. »Heute wirkt Der Künstler hat diese Werke einmal als
nalsozialismus, germanische Sagen oder Ho- die Innenstadt ja wie ein Disneyland.« eine Identitätsfindung bezeichnet. Sie durch-
locaust zu sehen. Umso lauter tönt jetzt na- Maler wollte der Sohn eines Kunstpä brachen das Schweigen der Deutschen in der
türlich der doppelte Paukenschlag aus Paris. dagogen schon seit Kindertagen werden. Ma- Nachkriegszeit. »In der Schule hatten wir
Die Wahlheimat lag schon früh ganz lerei studieren hingegen nicht. »Ich hatte ei- dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr als zwei
nah. Geboren wurde Anselm Kiefer in den nen Geniekomplex. Ich dachte, ich brauche Wochen gewidmet«, erzählt Kiefer. »Und
letzten Kriegstagen, am 8. März 1945, in Do- die Akademie nicht«, sagt Kiefer. Nach eini- auch zu Hause hatte ich nie etwas von der Ju-
naueschingen, aufgewachsen ist er im badi- gen Jura- und Romanistikseminaren landete denverfolgung gehört. Erst durch meine Rei-
schen Ottersdorf in Sichtweite der Rhein er schließlich doch noch beim Kunststudi- sen nach Frankreich und in die Niederlande
auen. »Ich wusste, jenseits des Flusses lag um in Freiburg und Karlsruhe. Ein früher dämmerte mir, dass es da etwas gegeben ha-
Frankreich. Das war für mich das unbekann- Mentor wurde Joseph Beuys, den Kiefer re- ben musste.« Zufällig fiel ihm eine Schall-
te Land«, erzählt er. »Ich lernte ja auch in der gelmäßig aufsuchte. »Ich habe meine Bilder platte mit Hitler-Reden in die Hände. »Diese
Schule als erste Fremdsprache Französisch. eingerollt aufs Autodach geschnallt und bin Stimme, dieser Tonfall, das nimmt man
So war die französische Kultur immer Teil nach Düsseldorf gefahren, um sie ihm zu zei- nicht nur mit den Ohren wahr. Das geht un-
meiner Entwicklung. Corneille und Racine gen.« So bekam Beuys 1969 auch als einer der ter die Haut«, sagt er. »Ich fand das absurd
konnte ich zum Teil auswendig. Meine Mit- ersten Kiefers Buchprojekt »Besetzungen« zu und gleichzeitig extrem faszinierend. Also
schüler machten sich darüber lustig, weil ich sehen, seine Abschlussarbeit. Der Student bin ich dem nachgegangen. Und was tut
diese getragene Sprache imitiert und selbst reiste dafür durch die Schweiz, Italien und man, wenn man etwas untersuchen will?
ein wenig so wie Corneille gesprochen habe.« Frankreich. Er fotografierte sich dabei, wie er Man versetzt sich in die Rolle. Mit dem eige-
Kiefers Stimme wird tief und grollend, als er an verschiedenen Orten seinen rechten Arm nen Körper.« Vom Vater hatte er sich dafür
zu deklamieren beginnt: »Rome, Rome – zum Hitlergruß hob. »Beuys war der Einzige, dessen Wehrmachtsuniform ausgeliehen.
l’unique objet de mon ressentiment!« Eine der damals professionell reagiert hat«, erin- »Heroische Sinnbilder« heißt ein Gemäl-
Mitarbeiterin bringt Kaffee. Wir nehmen in nert sich Kiefer. Er habe gesagt: »Ja, das ist dezyklus, der zwischen 1969 und 1971 auf
der Sitzgruppe seines Büros Platz. eine gute Aktion.« Viele Professoren und Grundlage der »Besetzungen« entstand. Fla-
Zu ersten Mal überquerte er mit 17 Jah- Kommilitonen hätten ihn dagegen heftig an- niert man im ersten Raum der Retrospektive
ren die Grenze, mit einem Stipendium, um gegriffen. »Die halten mich für einen Neo an diesen Bildern vorbei, zieht eines den Blick
auf den Spuren seines Jugendhelden Vincent nazi«, habe er seinem Mentor geklagt. Beuys auf sich: Darin schweben im blauen Himmel
van Gogh zu forschen. Per Autostopp ging es beruhigte ihn: »Unfug, Anselm, du bist kein drei weiß blitzende Mamorskulpturen –
mit dem Lastwagen nach Paris, der Fahrer Faschist. Das ist ja lächerlich, wie du da »Nike krönt den Sieger« (1853) von Friedrich
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Bild: Collection Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam/Anselm Kiefer
Die »Dachboden-Bilder« der frühen Siebziger zeigen das damalige Atelier des Künstlers. Zudem zitiert Kiefer aus
Wagners Opern. So verweist »Notung« (1973) auf das mythische Schwert des glücklosen Helden Siegmund
Drake sowie zwei heroische Kämpfer der Na- Vielleicht wurde diese Ironie nicht verstan- Schulhauses im Odenwald entstehen, lassen
zi-Bildhauer Arno Breker und Josef Thorak. den, weil sich die Kritiker von Anfang an auf Wagners Opern anklingen und die zugrunde
Kiefer selbst ist nur klein mit erhobenem das Pathos stürzten, das er an zahlreichen liegenden germanischen Sagen. Indem er die
Arm am unteren Bildrand abgebildet, in die- Stellen zweifellos entwickelt. Und weil er Verstrickung von Geschichte und Mythos
ser Konstellation erscheint er als eine Art »le- ernsthafte Interessen hatte, die im linksintel- thematisierte, gewann Kiefer den Mythos für
bendige Skulptur«. Das englische Künstler- lektuellen Milieu der Zeit als anrüchig gal- die deutsche Nachkriegskunst zurück. »Es ist
duo Gilbert & George kommt einem in den ten. Richard Wagner zum Beispiel. »Die gan- völlig verkehrt, die deutschen Mythen zu ta-
Sinn, das sich ebenfalls 1969 zum ersten Mal ze Mythologie bei Wagner kam mir sehr buisieren«, sagt der Künstler. Geschätzt wur-
als lebende »Singing Sculpture« inszenierte. entgegen. Ich habe damals viel gelesen über de sein Engagement lange nicht. Als der
Interpretiert man Kiefers Bilder unter die- ihn«, sagt Kiefer. »Adorno hat sich ja auch FAZ-Kritiker Werner Spies 1980 bei der Bien-
sem Aspekt des Performativen, dann wird mit ihm auseinandergesetzt.« Wagner als nale in Venedig die Werke von Kiefer und
deutlich, wie sich hier der Künstlerkörper größte Musikerpersönlichkeit seiner Zeit fas- Georg Baselitz sah, beklagte er eine »Überdo-
den deutschen Heldenplastiken entgegen- ziniere mit seiner Diskrepanz zwischen sis am Teutschen«. Und Petra Kipphoff be-
stellt – die ihm auch noch jederzeit auf den Mensch und Werk. »Da ist natürlich einer- scheinigte in der ZEIT den beiden Künstlern,
Kopf zu fallen drohen. Es ist sonderbar, dass seits sein Antisemitismus, andererseits war er auf dem »deutschen Holzweg« zu sein. »Das
die Ironie daran so selten gesehen wird. Zu- Revolutionär, hat auf den Barrikaden ge- hat mich nicht niedergeworfen. Überhaupt
mal auf dem Titel der »Besetzungen«, für die kämpft, musste fliehen. Und an seiner Musik nicht«, erinnert sich Kiefer, mittlerweile be-
sich der hitlergrüßende Kiefer als Tourist vor ist vieles unglaublich modern. Die unendli- quem ins Sofa gesunken, das rechte Bein an
Sehenswürdigkeiten des Bildungsbürger- che Melodie bei ›Tristan und Isolde‹ etwa – den Körper gezogen, den Arm auf die Lehne
tums wie dem Kolosseum in Rom postierte, das ist für mich wie eine Meditation. Die gestützt – Goethe-Pose. »Ich war damals wie
der verräterisch lakonische Zusatz »Ein paar ›Meistersinger‹ hingegen fand ich eher witzig Siegfried, unverwundbar. Ich hatte noch
Fotos« steht. Überhaupt: Bei Kiefers Künst- und bescheuert. Dazu habe ich viele Bilder nicht einmal ein Blatt auf dem Rücken.«
lerbüchern stößt man auf allerlei Albernhei- gemacht, alle sehr ironisch.« Auf die Frage nach dem möglichen
ten. In »Donald Judd hides Brünhilde« (1976) Gemälde mit Titeln wie »Parsifal«, »Der Grund für die Skepsis der deutschen Kritiker
beispielsweise birgt der Minimalismus- Nibelungen Leid« oder »Notung«, die 1973 und Museumsdirektoren weiß der Künstler
Würfel Fotos aus Erotikmagazinen. auf dem Dachbodenatelier eines ehemaligen keine Antwort. Er interessiert ihn nach eige-
Die zum Teil sehr heftige Kritik an seinen Bildern habe ihn
nicht getroffen, sagt Kiefer: »Ich war wie Sieg fried, unverwundbar.«
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A N SE L M K I E F E R
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DADA
FOREVER
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VON U
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HEA DZEILE
Vor gut hundert Jahren stellte der Dadaismus die Kunstwelt auf den Kopf
und wirkt mit seiner Lust am Banalen und Paradoxen bis heute nach.
Der Urknall geschah in Zürich, wo das Jubiläum vielfältig gefeiert wird
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Eines davon ging so: »gadji beri bimba/
Bilder vorherige Doppelseite: Bibliotheque Historique de la Ville de Paris, France/Archives Charmet/Bridgeman Images/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Landesmuseum Zürich/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Berlinische Galerie, erworben aus Mitteln der Stiftung DKLB,
glandridi lauli lonni cadori/gadjama bim
beri glassala/glandridi glassala tuffm i zim-
brabim/blassa galassasa tuffm i zimbra-
Berlin/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Hugo Ball/Photo PVDE/Bridgeman Images; akg-images; arp museum/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; bpk/CNAK-MNAM/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Bild links: Bridgeman Images/VG Bild-Kunst, Bonn 2015
brim«. Ball hatte sich fest vorgenommen,
während des Vortrags auf jeden Fall ernst
zu bleiben. Und wie er also mit leiernder,
tonloser Stimme seine seltsamen, noch nie
von einem Menschen gehörten Worte
sprach, ergriff ihn eine Epiphanie: »Einen
Moment lang schien mir, als tauche in mei-
ner kubistischen Maske ein bleiches, ver-
störtes Jungensgesicht auf, jenes halb er-
schrockene, halb neugierige Gesicht eines
zehnjährigen Knaben, der in den Toten-
messen und Hochämtern seiner Heimat-
pfarrei zitternd und gierig am Munde der
Priester hängt.« Anschließend erlosch, wie
er es angeordnet hatte, das Licht, und Ball,
der magische Bischof, wurde schweißgeba-
det von der Bühne transportiert.
Was sich an jenem Abend im Juli des
Jahres 1916 im Cabaret Voltaire abspielte,
war künstlerisch gesehen eine Art Urknall:
Von da an war nichts mehr wie zuvor. Und
so kam es, dass ein kleines Lokal in einer
unscheinbaren Gasse der Altstadt von Zü-
rich zum Epizentrum der Kunst des 20.
Jahrhunderts wurde. Die Schallwellen sind
noch immer deutlich vernehmbar, sie lau-
fen in Endlosschleifen um den Erdball. Ein
kühner Plan, gefasst von einer Handvoll
Frauen und Männer, die vor dem Ersten
Weltkrieg in die neutrale Schweiz geflohen
F
waren, ist hundert Jahre später Wirklich-
keit geworden: Dada ist überall.
Der Bildhauer Hans Arp, auch er ein
Dadaist der ersten Stunde, formulierte es
1 so: »Dada war da, bevor Dada da war.«
Dada war kein Stil, sondern eine Geisteshal-
tung: Opposition als Notwendigkeit, Wi-
Für diesen Abend hatte sich Hugo Ball et- derstand mit Witz. Von allen Revolutionen,
was Besonderes vorgenommen. Und beson- die Künstler seit dem Impressionismus in
ders sollte auch das Kostüm sein, in dem er Europa angezettelt haben, war Dada die ra-
vors Publikum treten wollte. »Meine Beine dikalste, umfassendste. Ein Frontalangriff
standen in einem Säulenrund aus blau glän- auf das spätkaiserzeitliche Wertesystem,
zendem Karton, der mir schlank bis zur das in seinem morbiden Wahn gerade dabei
Hüfte reichte, sodass ich wie ein Obelisk aus- war, Millionen junger Menschen in den si-
sah.« In seinem ein paar Jahre darauf veröf-
fentlichten Tagebuch beschrieb der Dichter,
was danach geschah. Über der Säule, in der
er sich befand, trug er »einen riesigen, aus Vorige Doppelseite: Wie alles begann:
Pappe geschnittenen Mantelkragen«, wel- 1 Von Hans Arp gestaltete Dada-Broschü-
re, 1916 2 Marcel Duchamps »Fountain«,
cher sich durch »Heben und Senken der Ell-
1917 3 George-Grosz-Aquarell »Daum
bogen flügelartig bewegen« ließ. Auf dem
marries her pedantic automaton George
Kopf hatte Ball einen hohen, zylinderarti-
in May 1920. Johan Heartfield is very glad
gen, blau-weiß gestreiften Schamanenhut. of it«, 1920 4 Performance von Hugo Ball
Auf diese Weise vollständig bewegungsunfä- im Zürcher Cabaret Voltaire, 1916 5 Pro-
hig geworden, mussten ihn Helfer auf die gramm des »1. Dada-Abends« 1916 in Zü-
Bühne tragen. Dann begann er, seine Laut- rich 6 Erste Dada-Schau in der Zürcher
gedichte vorzutragen, zum ersten Mal über- Galerie Corray 1917 7 »Mechanischer
haupt. Weltpremiere, sozusagen. Kopf« von Raoul Hausmann, um 1919/20
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10 0 J A H R E DA DA
Bilder: Martin Schlecht/John Bock/Courtesy Sprüth Magers; Kunsthalle Tübingen/Bridgeman Images/VG Bild-Kunst, Bonn 2015
Unsinn zu scharfen Waffen. »Dada«, sagt Dadaisten in den renommiertesten Museen
1916/17 5 Die Kunsterneuerer Hans Arp,
der Kurator Burmeister, »war konstruktive Europas und Amerikas zu sehen, in der
Tristan Tzara und Hans Richter vor dem
Destruktion.« Hotel Elite 1918 in Zürich Tate Gallery in London ebenso wie im Cen-
Es sollte eine Weile dauern, bis die Da- tre Pompidou in Paris und dem New Yor-
daisten Teil des allgemein gültigen Kanons ker Museum of Modern Art. Doch fast
wurden. In Deutschland fand die erste Re- noch eindrucksvoller ist die Liste derjeni-
trospektive gut vierzig Jahre nach Grün- gen Künstlerinnen und Künstler, die von
Dada bewusst oder unbewusst geprägt wur-
den. Die Surrealisten aus dem Kreis um An-
dré Breton in Paris hielten dem Vernehmen
nach nicht viel von den Dadaisten, trotz-
dem ist ihre Kunst ohne sie undenkbar.
Das Gleiche gilt für die Pop-Art: Ri-
chard Hamiltons berühmte Collage »Just
what is it that makes today’s homes so dif-
ferent, so appealing?«, in der die drei magi-
schen namensgebenden Buchstaben »Pop«
vorkommen, ist purer Dadaismus. Genauso
Andy Warhol: Er fand erst zu seinem eige-
nen Stil, als er Dada-Prinzipien beherzigte
und sich den vermeintlich banalen Dingen
zuwendete, Siebdrucken von Geldscheinen
etwa oder von Fotos aus Illustrierten.
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10 0 J A H R E DA DA
Bilder: bpk/ Staatsbibliothek zu Berlin/Ruth Schacht/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Jörg P. Anders/bpk/Nationalgalerie, SMB, Verein der Freunde der Nationalgalerie/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Stiftung Arp e.V. Rolandswerth/Berlin/VG Bild-Kunst, Bonn 2015
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HEA DZEILE
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A SI E N I N A M S T E R DA M
Gute Geschäfte
Der Handel mit asiatischen Luxusgütern machte Amsterdam im
Bild links: Collectie Stedelijk Museum Alkmaar; Bilder rechts: Peabody Essex Museum, Salem, USA; Rijksmuseum, Amsterdam, on loan from the Koninklijk Oudhheidkundig Genootschap
17. Jahrhundert zur reichsten Stadt der Welt. Das Rijksmuseum zeigt,
wie die Schätze aus Fernost die Kultur Europas beeinflussten
VON
T HOM A S E . S C H M I D T
D
Der Mann ist ein echter Aufsteiger, aus be-
scheidenen Verhältnissen stammend und
nicht dafür ausersehen, im seidenen Anzug
Ungefähr als Geleynssen de Jongh geboren
wird, entwinden sich die Niederländer nach
einem langen Krieg der spanischen Herr-
zu posieren. Mit 19 trat er in das Unterneh- schaft. Sie sind nun frei, eine Republik eher
men ein und arbeitete sich bis ins oberste wider Willen, ein kleines Land ohne Verbün-
Management empor. Das hieß 35 Jahre Asien, dete. Die einzige Chance, die sie besitzen,
auf Borneo, in den Molukken, in Indien, als liegt auf See. Und weil die bisherigen Herren
»Chefhändler« in der Zentrale Batavia und der Meere, die Portugiesen, gerade in schlech-
in Persien, wo er für die Firma sogar einmal
eine Seeschlacht ausfocht. So rosig und glän-
zend Wollebrand Geleynssen de Jongh sich
im Jahr 1674 auch malen ließ, damals zurück-
gekehrt nach Holland in einen wohlha-
benden Ruhestand – so sehr ist sein
Gesicht doch auch dasjenige der
Vereinigten Ostindischen Com-
pagnie (VOC), der ersten Welt-
macht im Zeichen der guten
Geschäfte: nicht unbedingt
schön, ein genussfähiger,
gelegentlich auch gut ge-
launter Kerl. Nur anlegen
möchte man sich mit ihm
nicht. Wenn es ums Ha-
benwollen geht, versteht
er keinen Spaß.
43
Schätze aus jener Zeit des großen Luxus, so-
fern sie damals aus Asien eingeführt wur-
den. Elfenbeinschnitzereien aus Ceylon
sind zu bewundern, Lackkabinette aus Japan,
Brokate aus Guangzhou, Möbel von der Ko-
romandelküste und Gold aus Goa. Womit
die feinen Häuser an der Herrengracht aus-
gestattet wurden, hier ist es: Perlmuttarbei-
44
sollte diese Offenheit sich als »Chinoiserie«
oder »Japonismus« niederschlagen, Strömun-
gen, die bis weit ins 20. Jahrhundert wirkten.
Am Ursprung dieses Phänomens stand
in der Tat die VOC. Zuvor waren die Schätze
Asiens vornehmlich den Höfen vorbehalten,
Mitbringsel für Königinnen und ihre gieri-
gen Gatten, Geschenke für die gekrönte Ver-
wandtschaft oder nützliche Kirchenfürsten.
Die Republikaner aus den nördlichen Nie-
derlanden verfolgten jedoch andere Ziele:
Sie entwickelten für Luxusgüter die dazuge-
hörigen Märkte, sie nahmen das große Ge-
schäft ins Visier. Sie machten das Exotische
käuflich, handelten mit den Spitzenstücken
des asiatischen Kunsthandwerks, importier-
ten Behältnisse aus Elfenbein, lackierte Tru-
hen und Schränke, bis dahin vollkommen
unbekanntes mehrfarbiges Kakiemon-Por-
zellan aus Japan oder feinste Seidenstoffe aus
China oder Indien. In Amsterdam wie in Ba-
tavia, dem heutigen Jakarta in Indonesien,
wo die VOC ihr Hauptquartier aufgeschla-
gen hatte, markierte man mit solchen Prezio-
sen seinen gesellschaftlichen Status. Gezielt
45
A SI E N I N A M S T E R DA M
wurden solche Stücke auch in der Handels- stellte schon 1614 den Handel mit ihnen ein,
diplomatie eingesetzt, als Bestechungsge- weil sich in Europa einfach keine potenten
schenke für Lizenzen und Ankerplätze. Abnehmer finden ließen. Zwanzig Jahre
Doch die wirklich geniale Idee der später wurden japanische Lacke dann
Niederländer bestand darin, breiten versuchsweise erneut eingeführt: In-
Bevölkerungsgruppen Zugang zum zwischen streiften die Emissäre der
Bilder links: Rijksmuseum, Amsterdam, B. Westendorp-Osieck Bequest, Amsterdam; Rijksmuseum, Amsterdam; Bilder rechts: Rijksmuseum, Amsterdam (2)
Luxus zu verschaffen. Porzellan bei- europäischen Fürstenhäuser durch
spielsweise kauften sie in riesigen die Amsterdamer Luxusläden, und
Mengen ein, meist wenig quali- viele dieser wundervoll dekorier-
tätsvolle, sogenannte »Kraak«-Wa- ten und doch schlichten Möbel
re aus China oder deren japani- wanderten nach Frankreich. Eine
sche Nachahmungen. In den der schönsten Truhen stammt aus
Städten der Republik blühte der dem Besitz von Kardinal Mazarin,
Kunsthandel auf, jedermann woll- dem Chefminister Ludwigs XIV.
te mit Tässchen und Tellerchen Im Jahr 1693 war dann endgültig
spekulieren. Das Angebot ließ die Schluss mit dem Lackhandel. Zu
Preise bald sinken. So schön wie auf klein der Kreis der Reichen, der sich
den »Pronk«-Stillleben Willem Kalfs so etwas leisten konnten. Viele Lack-
ist Kraak-Porzellan nie wieder gewesen, arbeiten in dieser Ausstellung sind Leih-
wo es, Austern, Zitronen oder Pfeffer prä- gaben, aus Schweden, den USA, aus Russ-
sentierend, auf edle persische Teppiche dra- land oder Großbritannien. Nur wenige
piert wird und im Lichte eines magischen Museen können sich glücklich schätzen, eine
Sonnenstrahls funkelt. Beinahe jede hollän- von ihnen zu besitzen.
dische Familie besitzt noch heute chinesi- Selten und begehrt: japanische Porzellan- Für den heutigen Betrachter wirkt der
sches oder japanisches Exportgeschirr aus teller aus Arita mit Kakiemon-Dekor, hier auf den niederländischen Stillleben ausge-
dieser Zeit; die Auktionshäuser im Land bie- ein Exemplar von 1670/90. In Meissen und stellte Prunk manchmal aufdringlich, fast
ten es bis heute in großen Mengen an. anderen europäischen Manufakturen griff geschmacklos. Er lässt auf Gier, Eitelkeit,
Die eigentliche Entdeckung dieser Aus- man später diese Muster vielfach auf. großen Hunger und Durst schließen, so bril-
stellung besteht jedoch in etwas anderem: Unten: Die japanische Truhe von 1635/45 lant die Malerei auch ist. Für ein republika-
ist eines der bedeutendsten Lackobjekte
Versammelt sind japanische Lackobjekte aus nisches und calvinistisches Publikum muss-
im Besitz des Rijksmuseums. Solche
der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in einer te der Luxus damals ein moralisches Problem
Objekte waren so teuer, dass sie sich in
Qualität, wie man sie nur selten zu sehen be- Europa kaum jemand leisten konnte darstellen, denn feudale Pracht war zu Zei-
kommt. Vor allem Kabinettschränke und ten des Krieges gegen Spanien ebenso ver-
Truhen geben von den komplizierten und pönt wie ein »katholisches« Wohlleben. Der
aufwändigen Techniken der japanischen Sinneswandel trat jedoch in wenigen Jahren
Lackkünstler Zeugnis, und zwar in höchster ein, denn mit dem neuen Handelsreichtum
Vollendung. Solche Meisterwerke waren kamen sehr rasch auch die Luxusgüter ins
auch damals sündhaft teuer, und die VOC Land. Und wenn dem Protestanten der ge-
46
Willem Kalf, Stillleben mit chinesischem
Porzellan, Nautiluspokal und Früchten,
1662. Unten: silberner Behälter in Schiffs-
form für kostbare Gewürze aus Fernost
47
Die Lust der Erkenntnis
Meisterwerke aus fünf Jahrhunderten: Im Berliner Martin-Gropius-Bau
macht die Sammlung Würth Kunstgeschichte auf individuelle Art anschaulich
VON
CHR ISTI A N E M EI X N ER
Bild links: Max Beckmann/Sammlung Würth/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Bild rechts: Christo und Jeanne-Claude/Sammlung Würth
49
E
Ein Kuss sollte es werden, doch wie alle Mo-
tive im »Lebensfries« von Edvard Munch ge-
riet die Szene etwas unheimlich und intensiv.
Eine Frau mit flammend rotem Haar beugt
sich über den gekrümmten Oberkörper eines
Mannes. Eine Geste, die schnell dominant
wirkt und im Symbolismus des späten 19.
Jahrhunderts, dem Munch trotz seiner Vor-
reiterrolle für die Expressionisten tief ver-
bunden war, meist den weiblichen Dämon
verriet. So hatte das Gemälde im Freundes-
kreis des Künstlers schnell seinen Titel weg:
»Vampir«. Munch kapitulierte daraufhin und
nahm Abstand von der ursprünglichen Idee,
das Bild »Liebe und Schmerz« zu nennen.
Dennoch betonte er auch später, es zeige
nichts anderes als ein küssendes Paar.
Das Düstere jener Szene, ihre Phantas-
magorie, ist ein eher ungewöhnliches Motiv
in der Sammlung von Reinhold Würth. Als
Bild aber illustriert es wunderbar das Ver-
hältnis des Unternehmers aus Künzelsau zur
Kunst: Sie hat ihn umarmt, gepackt und
nicht wieder losgelassen. Die Frau mit dem
roten Schopf betört nicht bloß in der großen
Ausstellung »Von Hockney bis Holbein. Die
Sammlung Würth in Berlin« im Martin-Gro-
pius-Bau. Sie verkörpert auch jene Macht, die
Würth stets aufs Neue anstiftet und zu einem
der größten europäischen Sammler gemacht
hat, der seinen kulturellen Kosmos immer
noch weiter ausdehnt.
15 Museen zählt Würths Kunstimperi-
um inzwischen, weil mit nahezu jeder neuen
europäischen Niederlassung des Unterneh-
mens ein neuer Ort für die 17 000 Werke um-
fassende Kollektion entstanden ist. Andere
Stücke zirkulieren weltweit durch Museen.
So wie nun jene 400 Werke in Berlin, die
vom späten Mittelalter bis in die unmittelba-
re Gegenwart reichen. Zusammen erzählen
sie die Geschichte von Malerei und Skulptur
allerdings rückwärts, das deutet sich schon
1
im Titel an, der Holbeins großartige »Schutz-
50
2
51
David Hockneys Herbstlandschaft der Se-
rie »Three Trees near Thixendale« von
Bilder vorherige Seite: Pablo Picasso/Sammlung Würth/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Sammlung Würth (4); Bilder diese Seite: Sammlung Würth (2)
2008. Links das Hauptwerk der Sammlung:
Hans Holbein d. J. malte die Madonna
1525/28 für Jakob Meyer zum Hasen. Unten
ein »Lüsterweibchen« von Tilman Riemen-
schneider, das um 1505 entstand
zen wollte. Für eine Summe, die ihn an- Oder ganz wunderbare Dialoge beobachten,
schließend zweifeln ließ. Heute weiß er, wie wie sie sich zwischen einer raren Skulptur
richtig die Entscheidung war, schon weil von Hans Hartung und seinen mit Bürsten
Blätter dieser Qualität immer wertvoller ge- und Besen gemalten Zeichen entspinnen.
worden sind – sagt Würth. Den Kaufmann Was der Besucher nicht ausblenden
blendet er nie aus, und so wird auch die kann, sind die häufig erratischen Werkkom-
Schau zweimal von Räumen unterbrochen, binationen. Viel zu viele Werke streiten in
in denen unter anderem Firmengeschichte den Räumen um Aufmerksamkeit. Auch die
das Thema ist. kuratorischen Setzungen bringen einen Teil
Diese Einladung zum Abschweifen der Exponate in rätselhafte Nachbarschaften.
kann man annehmen oder ignorieren und Manchmal erschöpft sich das Ausstellungs-
sich weiter der Kunst widmen. Den beiden konzept in rein formalen Bezügen, an ande-
Gemälden zum Beispiel, in denen man rer Stelle scheinen inhaltliche Parallelen auf.
Victor Vasarely völlig abseits seiner Op-Art- So wenn mehrere Gemälde mit Bäumen ne-
Bilder als Maler amorpher Formen begegnet, beneinander hängen, ohne dass sich daraus
die ihn Anfang der Fünzigerjahre beschäftig- eine Einsicht, etwa in die Genese der Land-
ten. Man kann sich der monumentalen schaftsmalerei, ablesen ließe. Wenn eine
Skulptur »Large Interior Form« von Henry Sammlung derart von persönlichen Anzie-
Moore oder Picassos Gemälde »Venus und hungskräften lebt wie diese, wäre ein Ausstel-
Armor« zuwenden, das ein altes Sujet auf- lungskonzept der komplett subjektiven Bezü-
greift und zugleich als Selbstbildnis fungiert. ge womöglich angemessener gewesen.
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S A M M LU N G W Ü RT H
Würth kennt viele Künstler persönlich. men: Wo er »Ausdruckswille, Tiefgang und Prunkstück ein kleiner »Gefesselter Sklave«
Christo und Jeanne-Claude etwa realisierten eine gewisse Kraft« erkennt, sei sein Interes- zählt, den Leonhard Kern 1645 aus Birn-
mit ihrem Projekt »Wrapped Floors and Stair- se geweckt. Wobei er fast immer Skulptur baumholz schnitzte.
ways and Covered Windows« 1995 im Muse- und Malerei den Vorzug gibt, weil sich ihm In mehr als 50 Jahren hat die Sammlung
um Würth in Künzelsau ihre größte Innen- dort die »immanenten Qualitäten« direkt of- zu einer inneren Struktur gefunden, in der
raumverhüllung, nachdem der Unternehmer fenbaren. Neue Medien sucht man deshalb sich Werke zu Gruppen und Kunstkreisen
sie in Hamburg bei Freunden kennenlernte vergeblich in der Ausstellung, und auch ordnen. Würth, der vor allem seinem Ge-
und auf seine direkte Art aufforderte: »Chris- sonst verzichtet sie auf Ausgewogenheit. schmack vertraut, weiß aber auch, dass man
to, du könntest auch mal bei uns was ma-
chen!« Später widmete ihm das Paar mit
»Wrapped Magazines (für Reinhold Würth)« Die gewaltige Sammlung erzählt, wie sich Reinhold Würth
Bilder: David Hockney/Sammlung Würth/Foto Richard Schmidt
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V ERSA ILLES
D
Der 1638 geborene Ludwig XIV., König von
Frankreich und Navarra aus der Dynastie der
Bourbonen, starb am 1. September 1715 so,
wie er gelebt hatte: als Protagonist eines von
ihm jahrzehntelang mitinszenierten Schau-
spiels. Der unter den Fenstern seines Schlaf-
und Sterbezimmers von Schloss Versailles
wartenden Menge rief der Oberste Kammer-
herr vom Balkon zu: »Der König ist tot!« Um
gleich wieder abzutreten, die schwarze Feder
seines Huts gegen eine weiße zu tauschen, er-
neut hinauszugehen und dreimal zu prokla-
mieren: »Es lebe der König!«.
Mit dem Ableben des Sonnenkönigs
setzte eine Maschinerie ein, die jetzt Thema
Abschied vom
aber auch auf dem Gebiet von Kunst und
Kultur setzte sein absolutistischer Staat
Maßstäbe. Aus Louis quatorze (für vierzehn)
Sonnenkönig
wurde so Louis le Grand (der Große). Der
Preis dafür waren horrende Schulden, die
Untertanen wurde von der ihnen auferlegten
Steuerlast schier erdrückt. Als Bauern und
einfaches Volk vom Tod des Königs erfuhren,
gab es auch Freudentänze.
Als Ludwig XIV. vor dreihundert Jahren starb, wurde Eine Epoche ging zu Ende, weil mehre-
re Generationen nur ihn als Staatsoberhaupt
eine aufwendige Trauermaschinerie in Gang gesetzt. erlebt hatten (Queen Elisabeth II. feierte un-
Eine Ausstellung in Versailles erinnert an das sorgsam längst ihr 63-jähriges Thronjubiläum, wäh-
rend er es auf 72 Jahre brachte). Und doch
inszenierte Zeremoniell mit teils makabren Zügen blickte man jetzt hoffnungsvoll auf den
Nachfolger. Als mit den Worten »Vive le roi!«
die kontinuierliche Weitergabe der Erbmo
VON narchie verkündet wurde, war Ludwig XV.
P E T E R K ROPM A N N S ein Knabe von fünf Jahren. Erst im Alter von
16 Jahren übernahm er die Regierungsge-
schäfte von seinen während der Regentschaft
eingesetzten Vertretern und erwies sich
dann als ein würdiger Erbe seines Urgroßva-
54
V ERSA ILLES
ters. Das Volk wird ihn schätzen, ja lieben und die von bis zu 900 Fackelträgern be- würfe rekonstruieren. Im Original überlie-
und ihn deswegen den bien-aimé nennen. leuchtet wurde, führte an Paris und am fert sind dagegen Trauerreden und Texte, die
Doch nur einer wird als Roi soleil in die Ge- Montmartre vorbei. dem König huldigten, sowie Partituren für
schichte eingegangen sein. Die Ausstellung in Versailles illustriert Requiems und andere Trauermusik, die der
Der höfische Apparat setzte nun alles mit ihren Exponaten, was man über das ge- Versenkung dienten und der Verbindung
daran, damit Ludwig XIV. zuteil wurde, was samtkunstwerkartige Zeremoniell heute von weltlicher Macht und Religion Ausdruck
toten Königen zustand. Es war ein bis ins noch in Erfahrung bringen kann. Zu den verliehen. Höhepunkt der Feierlichkeiten
letzte festgelegtes, von der Etikette bestimm- ausgestellten Stücken gehören Bildnisse des war die einer Barockoper vergleichbar insze-
tes Zeremoniell. Zunächst wurde der Leich- Königs und einzelner hochgestellter Persön- nierte Totenmesse, die am 53. Trauertag statt-
nam des Monarchen obduziert, wobei ein lichkeiten, darunter solche von der Hand des fand. Langhaus und Chor von Saint-Denis
Protokoll detailliert die Ergebnisse festhielt, Malers Hyacinthe Rigaud. Eine Rarität ist wurden dafür mit aufwendigen Dekoratio-
bevor ihm Innereien wie Lungen und Gedär- das aus Bienenwachs geformte, mit Haaren, nen ausstaffiert.
me sowie das Herz entnommen wurden. Spitze, Seide, Samt und einem Glasauge ge- Eine umfassende Schau über Ludwig
Während Erstere ein Behältnis füllten, das staltete Profil des Königs im Alter von etwa XIV. liegt erst wenige Jahre zurück. Auch des-
zur Beisetzung in der Pariser Kathedrale No- 68 Jahren. Geschaffen hat es Antoine Benoist, halb wurde nicht der Versuch unternommen,
tre-Dame bestimmt war, wurde das Organ, es gilt als gleichsam fotorealistisches Porträt. die 53 im Mittelpunkt stehenden Tage zum
das fast genau 77 Jahre geschlagen hatte, in Zu sehen sind aber auch Stiche, Urkunden, Aufhänger einer Blockbuster-Ausstellung zu
ein Gefäß gelegt, das in die Pariser Jesuiten- Bücher sowie Objekte, darunter chirurgi- machen. In der jetzt touristenärmeren Zeit
kirche Saint-Paul-Saint-Louis gebracht wur- sches Besteck und pharmazeutische Gerät- hat dafür die Wissenschaft Hausrecht erhal-
de. Allein die Überführung der Herzurne in schaft, wie sie bei Autopsie und Einbalsamie- ten, allerdings auch ein namhafter Szenograf.
die Barockkirche an der Rue Saint-Antoine rung zum Einsatz kamen, und Kuriositäten Zahlreiche einzelne Forschungsergebnisse,
im Marais erfolgte durch einen Konvoi aus wie zu Trauerflor und -tracht passende Fä- die detailreich sind, wenn nicht trocken an-
mehreren Kutschen, begleitet von einem cher, mit denen man sich bei langatmigen muten, wurden von den Kuratoren gebün-
Kardinal, mehreren Geistlichen und Adligen Gottesdiensten Luft verschaffen konnte. Teil delt und Pier Luigi Pizzi anvertraut. Die letz-
sowie 20 Pagen, 20 Dienern, 30 Mann der der Inszenierung waren Kulissen, von denen ten Ausstellungsbauten des italienischen
Leibgarde und 30 Schweizergardisten. sich nur die steinernen, wie das Schloss als Bühnenbildners (für das Pariser Petit Palais)
Anschließend wurde der Leichnam ein- Start- und die Kathedrale als Zielpunkt des waren ebenso bemerkenswert wie sachdien-
Bilder: DR; Château de Versailles
balsamiert und eingesargt, erst mit Holz, Trauerzugs, erhalten haben. Vieles jedoch lich und lassen eine angemessene Präsentati-
dann mit Blei, und aufgebahrt. Während der war eigens für diesen Anlass aus Holz, Draht on der fast 280 Exponate internationaler
Tage, die all diese Prozeduren beanspruchten, und Gips, Stuckmarmor oder Stoff entstan- Leihgeber erwarten. ×
bereiteten Hofbeamte und Handwerker die den und nicht aufbewahrt worden. Gerade
weiteren Etappen logistisch vor. Schließlich über ephemere Aufbauten wissen wir wenig; »Le Roi est mort. Louis XIV – 1715«, Schloss Ver-
– gut eine Woche war inzwischen vergangen manches lässt sich mithilfe erhaltener Ent- sailles, bis 21. Februar
– wurde der Leichnam in die Kathedrale von
Saint-Denis gebracht. Deren Grüfte hatten
seit dem 6. Jahrhundert als Grablege vieler
fränkischer Könige gedient, und seit Hugo Amtlich: Die im Kirchen-
Capet (940–996) waren dort fast sämtliche buch der Pfarrei Notre-
Dame zu Versailles hinter-
gekrönten Häupter Frankreichs zur Ruhe ge-
legte Sterbeurkunde
bettet worden. Der Trauerzug, bei dem
von Ludwig XIV. Re. sein
nichts dem Zufall überlassen wurde, legte fünfjähriger Nachfolger,
den Weg vom Schloss zur Kathedrale mit we- porträtiert von Hyacinthe
nigen Karossen und zu Fuß zurück und Rigaud. Li. Seite: Das aus
brauchte dafür fast eine ganze Nacht. Die gut Wachs geformte Profil
30 Kilometer lange Strecke, die der Hofstaat des Sonnenkönigs von
unter Pauken und Trompeten absolvierte Antoine Benoist, um 1706
55
Berliner Festspiele
Martin-Gropius-Bau
© Gemeentemuseum Den Haag, Niederlande
Komposition in Oval mit Farbflächen 2, 1914
Veranstalter: Berliner Festspiele / Martin-Gropius-Bau. Eine Ausstellung des Jeu de Paume in Zusammenarbeit mit Berliner Festspiele / Martin-Gropius-Bau.
Ermöglicht durch den Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes.
Quelle: akg-images / AP
Eine Ausstellung zum 70. Jahrestag
des Endes des Zweiten Weltkrieges
Veranstalter: Eine Ausstellung des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst in Kooperation mit dem Staatsarchiv der Russischen Föderation.
Chinamora Reserve, Chipuku Höhle, 8.000-2.000 v.Chr.,
www.wieleben
wilh
n -ludwigshafen.de
bilder
5.12.15
Zukunfts-
bis Fujimoto
von Malewitsch
28.2.16
helmhackmuseum
Drei Tage in
Zürich
VON
Y VON N E L I E DK E
58
Z Ü R IC H
59
Z Ü R IC H
Bilder: picture alliance/Lisa Hammel/Bildarchiv Monheim; Berrgdorf AG/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Courtesy the artist; Thies Wachter; Salon Theater Herzbaracke
2
1 4
60
3. TAG
Die wichtigsten Kunsthot
spots haben wir jetzt schon
gesehen, aber Zürich und
Umgebung haben natürlich
GRÖSSERalsZ
ürich
:Se
ineMu
seen-
noch weit mehr zu bieten. vielfalt. G rösseralsZ ürich: Seine
Heute ist der Tag der M u seen vielfalt.G rösserA LSZ ürich:
musealen Kleinode. Begin SeineM useenvielfalt.G rösserals
nen wir mit dem Museum
Langmatt in Baden, das Zürich: SeineM useenvielfalt.
unter dem Dach einer G rö sseralsZ Ü R IC H :SeineM usee n-
prächtigen Fabrikantenvilla vielfalt.G rösseralsZ ürich: Seine
6 residiert. Dank des Ver
mächtnisses des letzten
M useenvielfalt.G rösseralsZ ürich:
dem Löwenbräu-Areal, die Nachkommens der Brown- SeineM useenvielfalt. G rösserals
Gegenwartskunst angesie Sulzer-Dynastie kann sich Z ürich: S E IN EM useenvielfalt.
delt. Neben dem Migros nun die Öffentlichkeit an
Museum und der Kunst den zusammengetragenen
G rösseralsZ ürich:SeineM useen-
halle Zürich mit ihrem Familienschätzen erfreuen. vielfalt. G rösseralsZ ürich: Seine
exzellenten Ausstellungs Gemälde von Monet, M useen vielfalt.G rösseralsZ ürich:
programm finden sich hier Renoir, Cézanne treffen auf
auch renommierte Galerien nobles französisches Mobi
SeineM useenvielfalt. G rösserals
wie Hauser & Wirth oder liar sowie ostasiatische und Zü rich:Se ineM U SE E N V IELF A LT.
Eva Presenhuber. Nirgend europäische Keramiken.
wo sonst in Europa kann Abgerundet wird das Ganze
Fü rseineG rösseb ietetZ üricheineM useenvielfalt,die
Bilder: Jan Schuler/fotolia; Lorenzo Pusterla
man zeitgenössische Kunst durch einen wunderbaren ihresgleichensu ch t. EntdeckenSied asb reiteSpekt-
einer solchen Dichte be Garten, in dem die ausge rum der5 4Zü rcherM useen :ww w .museen-zuerich.ch
staunen. Für einen Imbiss stellten Impressionisten
zwischendurch empfiehlt sicher so manches Motiv
sich die Markthalle in den gefunden hätten.
Viaduktbögen. Wem der Sinn mehr
In unmittelbarer Nach
barschaft hat noch eine
nach Moderne steht, der
sollte sich das Centre de
21.11.2015–07.02.2016:
andere Kunstgattung Quar Corbusier/Museum Heidi They Printed It!,
tier bezogen: Das Schau
spielhaus Zürich betreibt in
Weber im Zürcher Seefeld
nicht entgehen lassen. Das Gabriel Sierra,
der Schiffbauhalle drei
Theaterbühnen. Und kuli
farbenfrohe, filigrane Haus
ist der letzte Entwurf, den
Building Modern
narisch bekommen die der berühmte Schweizer Bodies. The Art of
Besucher auch etwas gebo
ten. Das in Form eines Glas
Architekt in den 1960er-Jah
ren verwirklicht hat, und er Bodybuilding
kubus in die Halle gebaute passt so gar nicht zu dem
Restaurant LaSalle besticht von ihm postulierten Diktat
durch sein industrielles des rechten Winkels. Leider
Ambiente und seine vorwie ist das von der Mäzenin
gend französischen und ita Heidi Weber gestiftete Haus
lienischen Gerichte. nur im Sommer zugänglich.
Kunsthalle kunsthalle
7
Zürich zurich.ch
Z Ü R IC H
Bilder: Kunsthalle Zürich; Reto Gehrig; Karte: 123map, Daten: OpenStreetMap, Lizenz ODbL; Grafik: Peggy Seelenmeyer
Zum Schluss noch zwei schon gesichtet worden sein.
Insidertipps für einen amüsan- Und wer das alte Rotlichtviertel
ten Abend: Die Herzbaracke ist im Kreis 4 erkunden möchte,
ein schwimmender Salon (auf das durch eine wachsende Zahl
einem blau gestrichenen Schiff), 1 »They printed it« thematisiert hipper Läden, Restaurants
der jeweils Anfang November die Selbtvermarktung von und Bars immer attraktiver
am Bellevue anlegt und seine Künstlern, bis 7. Februar 2016 in wird, für den ist die Bar Rossi
Gäste mit Musik, Kabarett, der Kunsthalle zu sehen mit ihren wechselnden Aus
Zauberei, Tanz und einem köst- 2 Für Nachtschwärmer: Bar stellungen und DJ-Sets ein per-
1
lichen Abendessen verwöhnt. Plaza im früheren Rotlichtviertel fekter Ausgangspunkt.
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Haute-Couture-Roben sind die edlen Solitäre in der Masse der Vintage-Mode. Und das
Schönste: Die Stücke kosten meist sehr viel weniger als bei ihrer Entstehung
VON
A L E X A N DR A G ON Z Á L E Z