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Informationen
Sonderheft
2017
■ Erste Leitlinie Nebennieren-
Inzidentalom
■ Behandlung der Struma
nodosa
■ Moderne Lipidtherapie
■ Therapie des Diabetes
mellitus Typ 1
■ Medulläres Schilddrüsen-
karzinom
■ Gestationsdiabetes
■ Cushing-Syndrom
■ Metyrapon-Test
Editorial | Impressum
Im Namen der Akademie für Fort- und Weiterbildung der DGE und der Organisatoren möchten
wir Sie schon jetzt zum 20. Intensivkurs vom 15.–18. November 2017 in Göttingen einladen.
Nähere Informationen hierzu können Sie der Homepage des Intensivkurses (www.intensivkurs-
endokrinologie.de) bzw. der Internetseite der DGE (www.endokrinologie.net) entnehmen.
Wir verweisen ebenfalls auf die neuesten endokrinologischen Nachrichten auf unserem Blog:
Prof. Dr. med.
Matthias Schott blog.endokrinologie.net.
Herzliche Grüße
Ihre
Prof. Dr. med. Martin Reincke Prof. Dr. med. Matthias Schott Prof. Dr. med. Martin Fassnacht
Präsident der Deutschen Schriftleiter der Deutschen für das Intensivkurs-Organisationsteam
Gesellschaft für Endokrinologie Gesellschaft für Endokrinologie
Prof. Dr. med. und Herausgeber der
Martin Fassnacht Endokrinologie Informationen
IMPRESSUM Mit dem Abdruck des Beitrages erwirbt der Verlag haben, dass diese Angaben dem Wissensstand bei
das alleinige und ausschließliche Recht für die Ver- Fertigstellung entsprechen. Für Angaben über Do-
Endokrinologie Informationen
öffentlichung in sämtlichen Publikumsmedien sowie sierungsanweisungen, Applikationsformen und La-
Sonderheft 2017
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Diese Publikation enthält Beiträge, die auf Unterneh- tung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe
Dr. Silke Fanta
mensinformationen basieren. Einzelne Beiträge sind in dieser Zeitschrift abweicht. Eine solche Prüfung
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sponsert und sind separat gekennzeichnet. raten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht
Anzeigenleitung worden sind. Jede Dosierung oder Applikation er-
Ulrike Bradler Hinweis folgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Laborwerte
Telefon (07 11) 89 31-466, Fax -624 Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen müssen immer auf ihre Plausibilität geprüft werden
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nische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnis, ins- Testkit. Autoren und Verlag appellieren an jeden
Satz: F.-M. Stephan, Stuttgart
besondere was Behandlung, medikamentöse Thera- Benutzer, ihm auffallende Ungenauigkeiten dem
Titelbild: Thieme Verlagsgruppe / Silke Fanta
pie sowie Diagnostik (Laborwerte etc.) anbelangt. Verlag mitzuteilen.
Druck: Cuno GmbH & Co. KG, Calbe
Soweit in dieser Zeitschrift Dosierungen, Applikati-
ISSN 0721-667-X onen oder Laborwerte erwähnt werden, darf der © 2017 by Georg Thieme Verlag KG
Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Heraus- Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart
geber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt Printed in Germany
Endokrinologie
Informationen · Sonderheft
März 2017
Fassnacht M. Erste Leitlinien fürs Nebennieren-Inzidentalom – was ändert sich? Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 5–10 5
State of the Art
I NFO BOX 1 *
Alle Patienten mit NN-Inzidentalom sollten in einem inter eindeutig benigne, (ii) Nachweis eines Hormonexzesses,
disziplinären Tumorboard besprochen werden, wenn nur eines (iii) Größenwachstum der Raumforderung oder (iiii) Neben
der folgenden Kriterien erfüllt ist: (i) Bildgebung ist nicht nierenoperation ist geplant.
5 Sonderfälle
▪▪ Bei Patienten mit bilateralen Inzidentalomen wird jede ▪▪ Die einzige relevante Indikation für eine Biopsie der
Läsion bildmorphologisch einzeln beurteilt und die gleiche NN-Raumforderung liegt dann vor, wenn alle der folgenden
Hormondiagnostik durchgeführt (plus zusätzlich 17-OH-Pro Kriterien erfüllt sind: (i) extraadrenales Malignom in der
gesteron zum Ausschluss eines adrenogenitalen Syndroms). Anamnese, (ii) Hormonaktivität (insbesondere Phäochromo
▪▪ Bei allen Patienten mit einem extra-adrenalem Malignom in zytom) ausgeschlossen, (iii) Läsion bildmorphologisch nicht als
der Anamnese sollte – auch wenn die Nebennierenläsion benigne einzustufen und (iiii) Biospieergebnis hat Einfluss auf
wahrscheinlich eine Metastase ist – ein Phäochromozytom Patientenmanagement.
mittels Metanephrin-Diagnostik ausgeschlossen werden.
*Die Qualität der Evidenz der Empfehlungen ist nach dem GRADE-System von sehr niedrig ( ) bis sehr stark ( ).
Fehlt die Angabe, basiert die Empfehlung auf Expertenmeinung der Autoren.
6 Fassnacht M. Erste Leitlinien fürs Nebennieren-Inzidentalom – was ändert sich? Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 5–10
State of the Art
▶ Abb. 1 Zusammenfassung des klinisches Managements bei Patienten mit Nebennieren-Inzidentalom [2].
8 Fassnacht M. Erste Leitlinien fürs Nebennieren-Inzidentalom – was ändert sich? Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 5–10
▶ Abb. 2 Untersuchung und Management einer „autonomen Cortisol-Sekretion“ bei Patienten mit NN-Inzidentalom [2].
Fassnacht M. Erste Leitlinien fürs Nebennieren-Inzidentalom – was ändert sich? Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 5–10 9
State of the Art
dann wurden dennoch viele Patienten, die wegen Mali- zytom, Cushing- und Conn-Syndrom ausgeschlossen.
gnomverdacht operiert wurden, laparaoskopisch adrena- Jeder Patient bekommt einen 1mg Dexamethason-
lektomiert (unter der Begründung, dass der Tumor meist Test, der die Diagnose einer „autonomen Cortisol-
benigne wäre). Sekretion“ erlaubt. Das weitere Management dieser
Patienten hängt dann aber wesentlich von den
Wie in ▶ Abb. 3 dargestellt gibt es jetzt eine Gruppe von Komorbiditäten ab, die in jedem Fall adäquat zu
Tumoren (≤ 6 cm) ohne Hinweis auf Lokalinvasion, die auch behandeln sind.
bei Malignomverdacht laparoskopisch operiert werden ▪▪ Bei Indikation zur Operation erfolgt bei allen
können (bzw. gar sollten). Erst bei Verdacht auf Lokalinva- Patienten die Vorstellung in einem interdisziplinären
sion besteht die eindeutige Indikation zur offenen Adre- Tumorboard. Bei den meisten Patienten ist heute die
nalektomie (▶Infobox 1.3). Patienten mit einer endokrin- laparoskopische Operation vertretbar.
inaktiven, eindeutig benignen Raumforderung benötigen ▪▪ Die Nachsorge kann aufgrund der genaueren
keine Operation. Initialdiagnostik deutlich vereinfacht werden.
Basierend auf den oben ausgeführten Einschätzungen wird Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
auch die Nachsorge der Patienten vereinfacht, da eine Fol-
gebildgebung nur bei einem Teil der Patienten notwendig
Korrespondenzadresse
ist und nicht mehr alle Patienten eine komplette jährliche
Hormondiagnostik benötigen (▶Infobox 1.4).
Prof. Dr. M. Fassnacht
In den Leitlinien wird dann noch ausführlich auf 4 Sonder- Medizinische Klinik und Poliklinik I
fälle eingegangen (bilaterale NN-Inzidentalome, Patienten Schwerpunkt Endokrinologie&Diabetologie
< 40 Jahre bzw. gebrechliche Patienten sowie Patienten mit Universitätsklinikum Würzburg
einer Anamnese eines extra-adrenalen Malignoms). Auch Oberdürrbacher Str. 6
wenn bei den bilateralen Raumforderungen v. a. an eine 97080 Würzburg
bilaterale Hyperplasie gedacht werden muss, ist es wich- Deutschland
tig, dass beide Raumforderungen bezüglich der Dignitäts- Tel. 09 31-2 01-3 90 21
beurteilung strikt getrennt betrachtet werden. Bei den Pa- Fax 09 31-2 01-6 03 90 21
tienten mit Malignomanamnese werden klare Vorgaben Fassnacht_m@ukw.de
zur Hormondiagnostik gemacht und Kriterien aufgestellt,
bei denen im Ausnahmefall doch eine Nebennierenbiop- Literatur
sie sinnvoll sein kann (▶Infobox 1.5) [5].
1. Grumbach MM, Biller BM, Braunstein GD et al. Management
of the clinically inapparent adrenal mass (“incidentaloma”).
Fazit für die Praxis Ann Intern Med 2003; 138: 424–429
Ziel der initialen Diagnostik bei NN-Inzidentalom ist es, 2. Fassnacht M, Arlt W, Bancos I et al. Management of adrenal
incidentalomas: European Society of Endocrinology Clinical
eine genaue Entitätszuordnung vorzunehmen, was in den
Practice Guideline in collaboration with the European
meisten Fällen gelingt. Am häufigsten liegen benigne, Hor- Network for the Study of Adrenal Tumors. Eur J Endocrinol
mon-inaktive Adenome vor. Um dies bereits bei der Dia- 2016; 175: G1–G34
gnosestellung zu belegen, wird bei allen NN-Inzidentalo- 3. Mansmann G, Lau J, Balk E, Rothberg M, Miyachi Y, Bornstein
men die vorhandene Bildgebung genau evaluiert, ggf. er- SR. The clinically inapparent adrenal mass: update in
gänzt sowie eine entsprechende Hormondiagnostik diagnosis and management. Endocr Rev 2004; 25: 309–340
10 Fassnacht M. Erste Leitlinien fürs Nebennieren-Inzidentalom – was ändert sich? Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 5–10
State of the Art
Mit Abstand die häufigste Ursache eines erniedrigten Se- des PTH-Mangels bisher nicht durch die Gabe von PTH er-
rumcalciumspiegels durch Mangel an Parathormon (PTH) folgen konnte, sondern durch eine Kombination mit Vita-
stellt der sog. iatrogene Hypoparathyreoidismus dar. min-D- und Calcium-Präparaten (▶ Abb. 1). Eine Wieder-
Dabei handelt es sich um eine fehlende oder verminderte herstellung der präoperativen Situation bzw. eine kom-
Parathormonsynthese durch fehlendes Nebenschilddrü- plette Normalisierung der Stoffwechsellage ist somit mit
sengewebe nach Operation der Schilddrüse bzw. der Ne- den bisher für diese Indikation zugelassenen und verwen-
benschilddrüsen oder nach einer sog. „Neck dissection“ deten Medikamenten gar nicht möglich. Der Hypopara-
im Rahmen von Operationen im Halsbereich. Die Häufig- thyreoidismus stellt somit aktuell die einzige Erkrankung
keit des iatrogenen Hypoparathyreoidismus korreliert mit
dem Ausmaß des operativen Eingriffs und ist daher häu-
figer bei totaler Strumektomie bei großer Struma nodosa, PTH 1,25-D3
bei einem Schilddrüsenkarzinom oder bei einem M. Base- Serum Serum
dow. In 75 % der Fälle tritt der postoperative Hypoparathy- Calcium
reoidismus postoperativ transient auf mit dem niedrigsten
Phosphat
Wert am ersten postoperativen Tag und allmählicher Bes- Calciumabsorption
Phosphatausscheidung
serung der Nebenschilddrüsenfunktion. Bei ca. 1–1,5 %
persistiert der Hypoparathyreoidismus. Bei ca. 100 000 Einziges Organ in der
Endokrinologie ohne
Struma-Operationen / Jahr bedeutet das ca. 1000–1500 Substitution des
neue Patienten jedes Jahr [1]. fehlenden Hormons
Siggelkow H. Standardtherapie und Ausblick bei der Behandlung des Hypoparathyreoidismus. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 11–14 11
State of the Art
in der Endokrinologie dar, die nicht mit dem Hormon be- ▪▪ Behandlung individualisieren, Wohlbefinden und die
handelt wird, welches fehlt. Durch eine Zulassung des Lebensqualität (QoL) während des Therapievorge-
1-84-Parathormon für diese Indikation könnte sich das in hens in den Mittelpunkt stellen.
Zukunft ändern. ▪▪ Die Patienten so informieren, dass sie in der Lage
sind, mögliche Symptome einer Hypo- oder Hyper-
kalziämie und / oder Komplikationen der Erkrankung
Aktuelle Therapie des zu erkennen.
Hypoparathyreoidismus
Die Zielvorgaben der Leitlinien können meist nur durch
Die Therapieziele der langfristigen Therapie bei chro- eine Therapie mit Vitamin D in der Kombination mit Cal-
nischem Hypoparathyreoidismus basierten bisher auf Ex- cium erreicht werden. Eine Übersicht über die Therapie-
pertenempfehlungen. Seit 2015 gibt es eine europäische möglichkeiten ist in der ▶Tab. 1 dargestellt. Die verschie-
und seit 2016 eine amerikanische Stellungnahme zur op- denen Vitamin-D-Präparate unterscheiden sich deutlich
timalen Einstellung der Therapie [2, 3]. Hier wird auch bezüglich der Galenik, Wirkeintritt und -dauer und der un-
empfohlen welche Patienten überhaupt behandelt werden gefähren Tagesdosis. Nur im Ausnahmefall ist ein dauer-
sollen: hafter Hypoparathyreoidismus mit Calcium allein thera-
pierbar. Nur bei leichteren Formen kommt natives Vitamin
Behandlungsindikation D zum Einsatz, für die ausgeprägten Formen werden die
▪▪ Behandlung bei Symptomen und / oder einem aktiven Vitamin D-Präparate benötigt. Eine Calciumgabe
Albumin-korrigierten Calciumwert < 2,0 mmol / l als Basis erscheint sinnvoll, um immer ein ausreichendes
(< 8,0 mg / dl bzw. ionisiertes Serum-Calcium Calciumangebot zur Verfügung zu haben, 0,5–1,0 g sind
(S-CaÇ+) < 1,00 mmol / l) bei vielen Patienten ausreichend. Der Genuss von calcium-
▪▪ asymptomatischen Patienten mit chronischem reicher Kost, insbesondere der Genuss von Milch ist wegen
Hypoparathyreoidismus soll eine Behandlung des hohen Phosphatanteils weniger empfehlenswert. Viele
angeboten werden, wenn Albumin-korrigiertes Patienten vertragen bereits 2 g Calcium regelmäßig / Tag
Calcium zwischen 2,0 mmol / l (< 8,0 mg / dl bzw. nicht mehr, bei höheren Dosen kommt es häufig zu abdo-
ionisiertes Serum-Calcium (S-CaÇ+) < 1,00 mmol / l) minellen Beschwerden. Zusammen mit fortgesetzten Te-
und dem unteren Referenzbereich liegt, um zu sehen, tanien kann dies komplexe Krankheitssymptome auslösen.
ob dies ihr Wohlbefinden verbessern kann Gut steuerbar sind bereits an der 1-alpha-Position hydro-
xylierte Präparate, die nicht mehr durch die PTH-Wirkung
Zielvorgaben der Therapie an der Niere aktiviert werden müssen. Wie in der ▶Tab. 1
▪▪ Serumcalcium-Spiegel (Albumin-korrigiertes Calcium dargestellt, ist die Aktivität von Alpha-Calcidol und Calci-
oder ionisiertes Calcium) sollte im unteren Bereich triol über 1000-fach stärker als die des genuinen Vitamin
oder ein wenig unter dem unteren Referenzbereich D. Bei ausgeprägten Tetanien und Beschwerden sollten
(Zielbereich) ohne Symptome oder Anzeichen einer möglichst schnell und kurz wirksame Präparate zur Anwen-
Hypokalzämie. dung kommen. Üblicherweise werden Calcitriol und Al-
▪▪ Calcium-Ausscheidung im 24-Stunden-Urin sollte im pha-Calcidol für die Therapie verwendet.
geschlechtsspezifischen Referenzbereich liegen.
▪▪ Serumphosphat-Spiegel im Referenzbereich. Therapieempfehlungen
▪▪ Calcium-Phosphat-Produkt unter 4,4 mmol2 / l2 ▪▪ Einsatz von aktiven Vitamin-D-Analoga und Calcium-
(55 mg2 / dl2). Supplementen in aufgeteilter Dosierung als primäre
▪▪ Serummagnesium-Spiegel im Referenzbereich. Therapie.
▪▪ Es ist ein angemessener Vitamin-D-Status anzustre- ▪▪ Wenn aktive Vitamin-D-Analoga nicht verfügbar sind,
ben. die Behandlung mit Cholecalciferol (in manchen
Ländern auch D2) durchführen.
12 Siggelkow H. Standardtherapie und Ausblick bei der Behandlung des Hypoparathyreoidismus. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 11–14
▪▪ Dosiseinstellung ohne Hypokalzämie und Calcium- Problematik der aktuellen
spiegel im Zielbereich.
Therapie
▪▪ Vitamin-D-Zufuhr 400–800 IE / Tag bei Therapie mit
aktiven Vitamin-D-Analoga. Mit der bisher existierenden Therapie kann der Normalzu-
stand nicht reproduziert werden, da nicht das Hormon er-
Kontrolluntersuchungen setzt wird, welches fehlt. Somit kann auch das Wohlbefin-
Kontrolluntersuchungen unter der Einstellung sollen initi- den der Patienten nicht komplett wieder hergestellt wer-
al mehrfach mindestens in 2-wöchentlichen Abständen den [4, 5]. Das schlechtere Befinden war unabhängig von
durchgeführt werden. Eine Umstellung der Medikation der Ursache des Hypoparathyreoidismus, der Dauer der
nach bereits einer Woche reagiert oft auf eine noch nicht Erkrankung oder der Güte der Einstellung bezüglich Calci-
ganz ausgeglichene Situation, wobei die Einstellung na- um und aktivem Vitamin D.
türlich von der Art des verwendeten Vitamin-D-Präparates
abhängt. Dihydrotachysterol hat eine längere Halbwerts- Große Betroffenheit hat die Studie vom Mass. General Hos-
zeit, wirkt langsamer und länger, so daß Therapieände- pital in Boston ausgelöst, welches 120 Patienten unter-
rungen damit nur 14-tägig entschieden werden sollten. sucht hat und ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Nieren-
Weitere Kontrollen sind initial auf jeden Fall monatlich und funktionseinschränkung im Vergleich zur normalen Bevöl-
später auch ¼-jährlich erforderlich. Leicht kann eine sta- kerung zeigte [6]. So hatten bereits 30 % (normal ca. 5 %)
bile und ausgeglichene Situation durch eine reduzierte der unter 30-Jährigen eine eingeschränkte glomeruläre
Trinkmenge im Rahmen eines heißen Sommers oder eine Filtrationsrate und bei den > 69-Jährigen waren es sogar
Resorptionsstörung im Rahmen eines gastrointestinalen 80 % (normal ca. 38 %) [6]. Von den bezüglich der Niere un-
Infektes zu einer Hyper- oder Hypokalzämie führen. Ins- tersuchten hatten 38 % eine Hyperkalziurie, 31 % Verkal-
besondere bei älteren Menschen mit bereits grenzwertiger kungen in der Niere und 52 % Basalganglienverkalkungen.
Nierenfunktion ist hier äußerste Vorsicht geboten. Daten aus der dänischen Kohortenstudie mit 1849 Betrof-
fenen mit postoperativem Hypoparathyreoidismus und
Kontrollen unter Therapie 180 mit nicht-chirurgisch bedingter Erkrankung zeigte
▪▪ Analyse ionisiertes Ca oder Albumin-korrigiertes Ca, eine 3-fach erhöhte Morbidität an renalen Komplikationen
Ph, Mg Krea (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate, und einer Niereninsuffizienz. Für die genetisch erkrankten
eGFR) sowie Symptome der Hypo- oder Hyperkalzi stieg das Risiko für eine Niereninsuffizienz auf das 6-Fache.
ämie (z. B. alle 3–6 Monate). Diese Gruppe hatte auch ein 2-fach erhöhtes Risiko für
▪▪ Bei Veränderungen in der Therapie wöchentliche oder eine kardiovaskuläre Problematik. Signifikant erhöhte Ri-
14-tägige Laborkontrollen. siken bestanden für neuropsychiatrische Erkrankungen,
▪▪ Kontrollen des Calcium / 24-h-Urin regelmäßig (z. B. Infektionen und Krampfanfälle sowie eine Katarakt [7–9].
alle 1 oder 2 Jahre).
▪▪ Bildgebung der Nieren bei Nierenstein-Symptomatik Die somit nachweisbar erhöhte Morbidität hat zu einem
oder Anstieg des Serumkreatinins. Umdenken in Bezug auf diese Erkrankung geführt, so dass
▪▪ Regelmäßig Anzeichen oder Symptome für Begleit auch die schon in den USA seit Anfang 2015 zugelassene
erkrankungen evaluieren (z. B. jährlich). Therapie mit Parathormon vorrausichtlich auch in Europa
▪▪ Kein routinemäßiges Monitoring der Knochendichte in Zukunft zur Verfügung stehen wird.
(BMD) mit DXA-Scans.
Treten unter den Kontrollen erhöhte Phosphatwerte oder Indikation zur Therapie
eine erhöhte Calciumausscheidung auf, muss die Thera-
mit Parathormon
pie adaptiert bzw. geändert werden.
In den letzten 10 Jahren wurde intensiv an dem Effekt von
Maßnahmen bei Komplikationen 1–84 Parathormon gearbeitet, unter der Vorstellung, dass
▪▪ Hyperkalziurie: Reduzierung der Calciumzufuhr, das wirklich fehlende Hormon ersetzt wird. Die Halbwerts-
kochsalzarme Diät und / oder die Behandlung mit zeit von PTH 1–34 beträgt 45 Minuten, so dass multiple
einem Thiazid-Diuretikum überlegen. Dosierungen erforderlich sind [10]. Mit der längeren Halb-
▪▪ Bei Nierensteinen, Nierenstein-Risikofaktoren: wertszeit von PTH 1–84 soll eine täglich einmalige Dosie-
Vorgehen nach LL Nierensteine. rung ermöglicht werden. Die Ergebnisse unterstützen
▪▪ Bei Hyperphosphatämie und / oder erhöhtem diese Vorstellungen und geben über 6 Jahre eine relative
Calcium-Phosphat-Produkt: ggf. diätetische Maßnah- Sicherheit bezüglich der Medikation [11]. Die Medikation
men und / oder eine Anpassung der Behandlung mit führt zu einer Verbesserung des reduzierten Knochenum-
Calcium und Vitamin D-Analoga. satzes und verbessert die Lebensqualität [12, 13].
▪▪ Bei Hypomagnesiämie: Serummagnesiumspiegel
erhöhen (cave Protonenpumpeninhibitoren). Ein Ersatz der aktuellen Medikation mit Calcium und ak-
tivem Vitamin D wird mit diesem Medikament jedoch auch
Siggelkow H. Standardtherapie und Ausblick bei der Behandlung des Hypoparathyreoidismus. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 11–14 13
State of the Art
Es ist möglich, dass das Medikament vor allem von Endokri- 8. Underbjerg L et al. Postsurgical hypoparathyroidism--risk of
fractures, psychiatric diseases, cancer, cataract, and
nologen verordnet werden muss, so dass es wichtig ist sich
infections. J Bone Miner Res 2014; 29: 2504–2510
klar zu werden, welche Patienten damit behandelt werden
9. Underbjerg L et al. The Epidemiology of Nonsurgical
sollten. Insbesondere unter dem Aspekt, dass in den USA
Hypoparathyroidism in Denmark: A Nationwide Case Finding
die Jahrestherapiekosten ca. 111 000 Dollar betragen. Study. J Bone Miner Res 2015; 30: 1738–1744
10. Winer KK et al. Long-term treatment of hypoparathyroidism:
a randomized controlled study comparing parathyroid
Andere künftige Therapieoptionen hormone-(1–34) versus calcitriol and calcium. J Clin
Es werden parallel weitere Möglichkeiten entwickelt, wie Endocrinol Metab 2003; 88: 4214–4220
die Wirkung von PTH am Rezeptor durch eine Medikament 11. Rubin MR et al. Therapy of Hypoparathyroidism With
ersetzt werden kann, hierzu gibt es einige Ansätze, die PTH (1-84): A Prospective Six Year Investigation of Efficacy
and Safety. J Clin Endocrinol Metab 2016; 101: 2742–2750
aber noch keine Zulassung in Kürze erwarten lassen wür-
12. Rubin MR et al. Effects of Parathyroid Hormone Administrati-
den [16]. Weiterhin führte bei einer Patientin eine erfolg-
on on Bone Strength in Hypoparathyroidism. J Bone Miner
reiche Allotransplantation von Nebenschilddrüsengewebe Res 2016; 31: 1082–1088
eines verwandten Spenders mit regulärer Immunsuppres- 13. Cusano NE et al. PTH (1-84) is associated with improved
sion auch nach 35 Monaten zu einer normalen Funktion quality of life in hypoparathyroidism through 5 years of
des transplantierten Gewebes [17]. therapy. J Clin Endocrinol Metab 2014; 99: 3694–3699
14. Cusano NE, Rubin MR, Bilezikian JP. Parathyroid hormone
Interessenkonflikte therapy for hypoparathyroidism. Best Pract Res Clin
Endocrinol Metab 2015; 29: 47–55
15. Clarke BL et al. Pharmacokinetics and pharmacodynamics of
Vortragshonorare: MSD, Lilly, Amgen, GSK, Servier.
subcutaneous recombinant parathyroid hormone (1-84) in
Advisory Board: MSD, Lilly, Amgen, Servier, Shire.
patients with hypoparathyroidism: an open-label, single-
dose, phase I study. Clin Ther 2014; 36: 722–736
Korrespondenzadresse 16. Shimizu M et al. Pharmacodynamic Actions of a Long-Acting
PTH Analog (LA-PTH) in Thyroparathyroidectomized (TPTX)
Rats and Normal Monkeys. J Bone Miner Res 2016; 31:
Prof. Dr. Heide Siggelkow 1405–1412
MVZ Endokrinologikum Göttingen 17. Agha A et al. Living-donor parathyroid allotransplantation for
In Kooperation mit der Universitätsmedizin Göttingen therapy-refractory postsurgical persistent hypoparathyroi-
Von-Siebold-Str. 3 dism in a nontransplant recipient – three year results: a case
37075 Göttingen report. BMC Surg 2016; 16: 51
Tel. 05 51-63 37 46-22, Fax 05 51-63 37 46-46
heide.siggelkow@endokrinologikum.com
14 Siggelkow H. Standardtherapie und Ausblick bei der Behandlung des Hypoparathyreoidismus. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 11–14
State of the Art
In über 98 % der Fälle besteht jedoch kein Malignomver- Nachdem bei diesem Patienten ein Malignom und eine
dacht – wie bei folgendem Fall: Thyreoiditis weitgehend ausgeschlossen werden kann, bie-
ten sich die folgenden Therapieoptionen an:
1. medikamentöse Therapie
Kasuistik eines 61-jährigen Patient A.R.
2. ablative Therapie
Anamnese: Keine wesentlichen Vorerkrankungen, ––Operation
seit 2 Monaten vermehrt Druckgefühl im Halsbereich. ––Radiojodtherapie
Deutliche familiäre Strumabelastung (Mutter, Vater, ––gezielte Knotentherapie mittels
Großvater). •Alkoholinstillation (PEIT)
•Lasertherapie (LT)
Klinischer Befund: Struma II, knotig verändert, links
•Hochfrequenzablation (HFA)
bohnengroßer Knoten palpabel, schluckverschieb-
•Mikrowellenablation (MWA)
lich, klinisch Euthyreose.
•„High Intensity Focused Ultrasound Ablation“ (HIFA)
Sonografie: Inhomogen strukturierte, bds. vergrö- 3. Abwarten und Beobachten
ßerte Schilddrüse, Volumen rechts 27 ml, links 36 ml.
Keine eindeutige Echoarmut. Im rechten Seitenlap-
Medikamentöse Therapie
pen 2 echoarme Areale, Durchmesser 9 und 10 mm.
Links echoarmer Knoten, palpabel Durchmesser In den derzeitig verfügbaren Leitlinien wird eine medika-
14mm, kaudal davon echoarmes Areal Durchmesser mentöse Therapie in der Regel nicht empfohlen [1]. Dies
12mm, 3 weitere kleine echoarme Areale (alle liegt vor allem daran, dass die meisten Leitlinien in jod-
duplexsonografisch mit Typ-2-Durchblutung). reichen Ländern (insbesondere den USA) erstellt wurden
in denen neu auftretende Schilddrüsenknoten eine völlig
Labor: fT4 1,4 ng / dl (0,8–1,9); fT3 3,3 pg / ml andere Bedeutung haben. Die Probleme in (ehemaligen
(1,8–4,2; TSH 1,2 uU / ml (0,4–4); TPO-AK und oder derzeitigen) Jodmangel-Endemiegebieten werden in
Tg-AK negativ, Calcitonin 3 pg / ml. diesen Leitlinien meist nicht berührt.
16 Grußendorf M. Wie behandelt man heute eine Struma? Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 16–19
Trotzdem lag nach der Untersuchung von Meisinger et al.
im Jahr 2012 die durchschnittliche Prävalenz von Schild-
drüsenknoten noch bei 59,3 % (in Augsburg) bzw. 36,3 %
(in Greifswald) in allen Altersgruppen; bei 65- bis 88-jäh-
rigen Patienten lag die Prävalenz erwartungsgemäß deut-
lich höher (ca. 69 % bzw. 52 %) [2]. Dies ist (unter anderem)
der Grund, warum in Deutschland immer noch so häufig
die medikamentöse Struma-Therapie durchgeführt wird.
Bis 2009 war jedoch die Datenlage bezüglich der medika-
mentösen Strumatherapie sehr dünn, da die Patienten-
zahlen in den Studien sehr niedrig waren und alle publi-
zierten prospektiven Studien (fast alle in jodreichen Gebie-
ten) mit einer voll TSH-suppressiven Therapie durchgeführt ▶ Abb. 1 Hauptergebnis der LISA-Studie: Regredienz der Gesamtvolumina
wurden [3]. aller Knoten [3].
Niederlande 16 Finnland 40
Fazit für die Praxis
Estland 21 Lettland 42
Durchschnittliche
Es sollte bei allen Patienten mit einer Struma nodosa, bei
Anzahl Operationen /
denen eine Autoimmunthyreoiditis ausgeschlossen und 100 000 Einwohner
eine medikamentöse Therapie geplant ist, eine niedrigdo-
sierte Thyoxin-Therapie (nicht > 50 µg / d) zusammen mit Zypern 27 Luxemburg 50
Jodid gegeben werden. Nach 3 Monaten sollte der TSH- Ukraine 24 Belgien 51
Wert (Ziel: 0,2–0,8 mU / l) überprüft werden, nach 1 Jahr
Frankreich 56 Europa 45
der sonografische Befund: bei Zunahme des Volumens der
Knoten unter der Therapie sollte die Behandlung beendet Polen 56 USA 42
Tschechien 57
Operation Litauen 60
Leider wurden in den vergangenen Jahren immer häufiger In den neuen amerikanischen Leitlinien der ATA wird eine
totale Thyroidektomien durchgeführt, die (meist in nicht Operation erst ab einer Knotengröße von 4cm Durchmes-
spezialisierten Abteilungen) eine relativ hohen Komplika- ser empfohlen [1].
tionsrate nach sich zogen. Dies gilt insbesondere für den
schwer zu behandelnden parathyreopriven Hypoparathy- Fazit für die Praxis
reoidismus und die Recurrensparese: die Literatur gibt für In Deutschland wird die Schilddrüsenoperation viel zu
diese Komplikationen eine durchschnittliche Rate von ca. häufig durchgeführt! Bei euthyreoter Stoffwechsellage
je 1–2 % an, für die totalen Thyreoidektomie jedoch eine sollte eine Operation der Struma entsprechend den Leit-
deutlich höhere Komplikationsrate (insbesondere den per- linien nur bei Verdacht auf Malignität oder bei akuten
manenten Hypoparathyreoidismus: bis 10,5 %) [6]. Dies lokalen Problemen erfolgen, im letzteren Fall sollten un-
hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren von führenden bedingt vorher die anderen Therapiealternativen erwogen
Schilddrüsenchirurgen zunehmend empfohlen wird, das werden.
Resektionsausmaß individuell bei jedem Patienten fest-
zulegen [6].
Grußendorf M. Wie behandelt man heute eine Struma? Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 16–19 17
State of the Art
Radiojodtherapie Mikrowellenablation
Die Radiojodtherapie ist bei großen, euthyreoten Knoten- Auch bei Mikrowellenablation (microwave ablation, MWA)
strumen durchaus eine Alternative, insbesondere wenn wird eine intern gekühlte Mikrowellenelektrode unter sono
auch lokale Beschwerden bestehen: Untersuchungen grafischer Kontrolle im Knoten platziert und aktiviert, es
haben gezeigt, dass es auf Dauer zu einer Verkleinerung werden ähnliche Therapieerfolge wie mit der RFA erreicht.
der Struma um ca. 40 % im Durchschnitt kommt, wobei
der Therapieerfolg bei sehr große Strumen prozentual lei- „High Intensity Focused Ultrasound Ablation“
der geringer ist [7]. (HIFA)
Bei dieser Methode muss keine Knotenpunktion durchge-
Die verwandten Dosen 131-Jod sind relativ hoch, dies kann führt werden. Der Schallkopf wird extern platziert und mit
man signifikant durch die vorherige Gabe von rekom- einem hochintensiven Ultraschallsender verbunden, der
binantem TSH reduzieren, letzteres ist besonders wirksam, die Energie in der Mitte eines Knotens konzentriert und
wenn die Struma vor Therapie eine geringe Radiojodauf- dort ebenfalls eine Gewebskoagulation durch die entste-
nahme zeigt [7]. hende Hitze bewirkt. Allerdings dauert diese Therapie min-
destens eine, eventuell auch mehrere Stunden und ist bis-
Fazit für die Praxis her nur in sehr wenigen Zentren untersucht.
Bei großen Strumen mit großen Knoten ist die Radiojod-
therapie sehr wirksam in Hinblick auf die Volumenreduk- Fazit für die Praxis
tion und durchaus eine Alternative zur Operation. Die vor- Die Alkoholinstillation wird in Deutschland häufig ange-
herige Gabe von rekombinantem TSH ist sinnvoll, insbe- wandt und ist vornehmlich bei der Behandlung von rezidi-
sondere bei Strumen und Knoten, die nativ wenig Radiojod vierenden Schilddrüsenzysten indiziert. Die anderen 4
aufnehmen. thermoablativen Methoden sind in Deutschland wenig ver-
breitet und haben daher bisher bei uns keinen relevanten
Stellenwert in der Strumatherapie, da diese Methoden nur
Andere Verfahren mit einer großen Erfahrung in speziellen Zentren durch-
In den letzten Jahren werden immer häufiger invasive, geführt werden können.
nicht operative Verfahren bei der Behandlung von Schild-
drüsenknoten diskutiert und publiziert die hier kurz dar-
gestellt werden sollen [8, 9]. Abwarten und Beobachten
Da sich die Jodversorgung im Endemiegebiet Deutschland
Alkoholinstillation deutlich gebessert hat, kann man bei kleineren Strumen
Die wichtigste Indikation für die Ethanolinstillation (per- (< 50–60 ml) durchaus ein abwartendes Verhalten wählen.
cutaneous ethanol injection therapy, PEIT) stellt die große Dies wurde in einer prospektiven, multizentrischen Unter-
Zyste dar, insbesondere auch das Rezidiv einer großen suchung von Durante et al. gezeigt: in 5 Jahren hatten
Zyste, wenn die Patienten Beschwerden haben. Es wurde 88,2 % der 992 beobachteten Knoten ihre Größe nicht ver-
auch versucht, solide Knoten mit dieser Therapie zu be- ändert, 9,4 % waren größer geworden, 2,4 % kleiner [10].
handeln, davon wird jedoch in der Regel abgeraten. Außerdem berichteten die Autoren, dass sich die Trends
der Größenentwicklung bereits bei der ersten Untersu-
Lasertherapie chung nach einem Jahr gezeigt haben: alle Knoten, die
Bei der Lasertherapie (LT) wird unter sonografischer Kon- nach 1 Jahr gewachsen waren, haben dann auch in den fol-
trolle eine intern gekühlte Lasersonde im Knoten platziert genden 4 Jahren an Größe weiter zugenommen. Gleiches
und dann aktiviert, wie bei den anderen thermoablativen gilt für die Größenkonstanz und -abnahme. Im Verlauf
Verfahren kommt es zu einer Gewebskoagulation in der seien nur 5 neue Karzinome (0,3 %) nachgewiesen worden,
Umgebung der Lasersonde. Die Erfolgsraten liegen bei ca. davon seien 4 größer geworden, einer habe sonografische
40 % Volumenreduktion der behandelten Knoten, die LT Malignitätskriterien entwickelt.
kann mit einer Radiojodtherapie verbunden werden.
Fazit für die Praxis
Radiofrequenzablation Im Zeitalter der besseren Jodversorgung und der hoch auf-
Zur Radiofrequenzablation (RFA) wird eine mit einem Ra- lösenden Ultraschalldiagnostik kann das abwartende Ver-
diofrequenzgenerator verbundene Elektrode unter sono- halten bei kleineren euthyreoten Strumen durchaus die
grafischer Kontrolle in einen Knoten eingebracht und ak- beste Wahl sein. Jährliche Ultraschallkontrollen sollten in-
tiviert. Durch die entstehende Hitze kommt es zur Koagu- itial ausreichen, später alle 3–5 Jahre.
lation des umliegenden Gewebes. Die Knoten nehmen ca.
50–80 % an Größe ab, manchmal sind mehrere Therapie-
sitzungen notwendig. Verlauf der o. g. Kasuistik
Da kein Verdacht auf ein Malignom oder eine Thyreoiditis
bestand und der Patient subjektiv Beschwerden hatte,
18 Grußendorf M. Wie behandelt man heute eine Struma? Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 16–19
haben wir eine Therapie mit L-Thyroxin-50 plus Jodid-150 Literatur
begonnen, darunter wurde ein TSH-Wert von 0,43 mU / l
erreicht. Nach 3 Monaten hatte das Druckgefühl subjektiv 1. Haugen BR, Alexander EK, Bible KC et al. 2015 American Thy-
deutlich abgenommen, ebenso das sonografisch ermit- roid Association Management Guidelines for Adult Patients
telte Strumavolumen (von 63 auf 52 ml). Die Therapie with Thyroid Nodules and Differentiated Thyroid Cancer:
The American Thyroid Association Guidelines Task Force on
wurde fortgeführt.
Thyroid Nodules and Differentiated Thyroid Cancer. Thyroid
2016; 26: 1–133
Grußendorf M. Wie behandelt man heute eine Struma? Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 16–19 19
State of the Art
20 Merkel M. Moderne Lipidtherapie – Ziele und Wege dahin. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 20–24
über 80 % der Betroffenen diagnostiziert und behandelt
▶Tab. 1 Therapeutische LDL-C-Zielwerte in Abhängigkeit vom kardiovasku-
sind, sind es in Deutschland nicht einmal 10 %. Leider wird lären Risiko [6]. Non-HDL-C ist ein alternatives Therapieziel bei erhöhten
die Diagnose FH in Deutschland – wenn überhaupt – meist Triglyzeriden.
erst nach dem ersten kardiovaskulären Ereignis gestellt.
Vor diesem Hintergrund werden derzeit mehrere Pro- Zielgruppe Zielwerte
gramme zum Screening in der Primärprävention etabliert.
Dabei entsteht der Verdacht auf FH zunächst durch er- Patienten mit sehr hohem Risiko LDL-C < 70mg / dl (< 1,8mmol / l)
höhtes LDL-C. Anhand von Scoring-Systemen (z. B. Dutch ▪▪ dokumentierte CVD oder Plaque Non-HDL-C <100mg / dl
Lipid Clinic Network Score) kann dann die Wahrscheinlich- ▪▪ Diabetes mellitus (< 2,6mmol / l)
– mit Endorganschäden (auch bei LDL-C 70–135 mg / dl
keit des Vorliegens einer FH ermittelt werden; alternativ
Proteinurie) (1,8–3,5 mmol / l): –50 %
kann abhängig von der Höhe des LDL-C und bei entspre- – mit anderem RF
chendem Verdacht direkt eine genetische Diagnostik (ins- ▪▪ schwere Niereninsuffizienz (GFR
besondere LDL-Rezeptor und ApoB3500) initiiert werden < 30 ml / min)
[3]. Bei gestellter Diagnose erfolgt die Untersuchung von ▪▪ SCORE-Risiko ≥10 % / 10 a
▪▪ PROCAM / Framingham-Risiko ≥ 20 %
Familienangehörigen (Kaskadenscreening).
Patienten mit hohem Risiko LDL-C < 100mg / dl
Fazit ▪▪ SCORE-Risiko 5–10 % (< 2,6 mmol / l)
▪▪ Procam / Framingham-Risiko 10–20 % Non-HDL-C < 130mg / dl
Die Familiäre Hypercholesterinämie ist in Deutschland un-
▪▪ Diabetes ohne Endorganschäden (< 3,2 mmol / l)
terdiagnostiziert und untertherapiert. Abhängig vom ▪▪ prominente einzelne Risikofaktoren bei LDL-C 100–200mg / dl
LDL-C kann eine genetische Diagnostik bei der Identifika- (z. B. familiäre Hypercholesterinämie (2,5–5 mmol / l): –50 %
tion von Betroffenen helfen. oder ausgeprägte Hypertonie)
Patienten mit moderatem Risiko LDL-C < 115 mg / dl (< 3 mmol / l)
▪▪ SCORE-Risiko 1–5 %
Metabolisches Gedächtnis ▪▪ Procam / Framingham-Risiko < 10 %
Die Therapieziele für das LDL-C richten sich nach dem in- Diät- und Lebensstil
dividuellen kardiovaskulären Risiko. In der Primärpräven- Nahrungscholesterin senkt die Aktivität der LDL-Rezep-
tion kann dieses berechnet werden (z. B. SCORE, Framing- toren und erhöht damit das LDL-C. Patienten sprechen al-
ham oder PROCAM-Kalkulatoren); in der Sekundärpräven- lerdings sehr unterschiedlich auf Diätinterventionen an.
tion und in Sonderfällen wie bei FH und Diabetes mellitus Ursache hierfür ist die individuelle Kinetik der Cholesterin-
wird es durch die zugrundeliegenden Erkrankungen defi- resorption. Während bei vielen Patienten die Cholesterin-
niert. Resorption einen Sättigungscharakter aufweist – das
heißt, der Erfolg einer Cholesterinreduktion in der Nah-
Die Zielwerte für das LDL-C unterscheiden sich je nach rung ist begrenzt – gibt es „High-Absorber“, bei denen das
Fachgesellschaft etwas; derzeit sind in Deutschland die LDL-C wesentlich durch den Nahrungscholesteringehalt
gemeinsamen Empfehlungen der European Society of Car- determiniert wird. Der Versuch einer cholesterinarmen
diology (ESC) und der European Atherosclerosis Society Diät (200–300 mg / d) ist in jedem Fall zunächst sinnvoll.
(EAS) die gebräuchlichsten (▶ Tab. 1) [6]. Bei ausbleibendem Erfolg kann die Diät dann womöglich
wieder gelockert werden.
Merkel M. Moderne Lipidtherapie – Ziele und Wege dahin. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 20–24 21
State of the Art
Statine
89:#,&,&+#23456#
!"!# Statine senken das LDL-C deutlich, die TG leicht und erhö-
!"!$%#
!"!# hen etwas das HDL-C. Der Nutzen einer Statintherapie zur
kardiovaskulären Risikoreduktion ist unbestritten und gilt
4&7-&01+#
spätestens seit einer Metaanalyse mit über 170 000 Pa-
tienten als bewiesen [9]. Eine Therapie mit Statinen, meist
mit Atorvastatin, die primäre Maßnahme zur Senkung des
23456# kardiovaskulären Risikos und wird auch in der Primärprä-
!"!$%## vention eingesetzt.
%&'(')*+,#
Die wichtigsten Nebenwirkungen sind Muskelschmerzen,
!"!$%##
"&,-./.01+# die in der Regel ohne den Nachweis einer strukturellen
!"!$"&,-./.01+# !"!$"&,-./.01+#
Muskelerkrankung einhergehen. Weitere Nebenwir-
kungen sind allergische Reaktionen oder die sehr seltene,
lebensgefährliche Rhabdomyolysen (< 1:100 000 / Jahr).
Regelmäßige CK- und GOT-Bestimmungen sind obligat.
▶Abb. 1 Interaktion von Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9
(PCSK9) mit dem LDL-Rezeptor (LDL-R). Ohne lysosomales PCSK9 wird der Statine erhöhen abhängig von ihrer Stärke das Risiko einer
LDL-R recycelt (links); bei Vorliegen von PCSK9 (rechts) wird der LDL-R Diabetes-Manifestation; diese Nebenwirkung steht aber
degradiert, das Plasma-LDL-C steigt [12]. MAB: therapeutische monoklo- weit hinter ihrem Nutzen bei der KHK-Prävention zurück.
nale Antikörper gegen PCSK9. Die Substanzgruppe ist während Schwangerschaft und
Stillzeit kontraindiziert.
22 Merkel M. Moderne Lipidtherapie – Ziele und Wege dahin. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 20–24
Die Anwendung von PCSK9-Inhibitoren unterliegt wegen Primärprävention bei multifaktorieller
vergleichsweise hoher Kosten Regelungen des Gemein-
Hypercholesterinämie
samen Bundesausschusses (G-BA); eine Erstverordnung
darf nur durch bestimmte Facharztgruppen oder Lipid Die Indikation zur lipidsenkenden Therapie in der Primär-
ambulanzen erfolgen. Nebenwirkungen sind selbst bei prävention bei erhöhtem LDL-C bereitet immer wieder
sehr niedrigen LDL-C-Spiegeln selten; möglicherweise tre- Probleme. Dies insbesondere, da das individuelle kardio-
ten neurokognitive Ereignisse vermehrt auf. Endpunktstu- vaskuläre Risiko oft nur schwer abgeschätzt werden kann.
dien werden Ende 2016 / Anfang 2017 erwartet; eine Me- Die Risikokalkulatoren können eine Hilfe darstellen, versa-
taanalyse über Daten aus den Zulassungsstudien lässt aber gen aber bei höheren LDL-C-Werten; insbesondere bei FH
einen kardioprotektiven Effekt erhoffen [11]. unterschätzen sie das Risiko deutlich. Andererseits führt
eine Risiko-Berechnung dazu, dass ab einem bestimmten
Lebensalter der überwiegende Teil der Patienten ein Sta-
Lipidapherese tin verordnet bekäme. Unter praktischen Gesichtspunkten
Die Lipidapherese wird angewendet, wenn mit einer über kann die Familienanamnese sehr hilfreich sein, da hier-
zwölf Monate dokumentierten maximalen diätetischen durch die polygenetische Suszeptibilität für Arteriosklero-
und medikamentösen Therapie das LDL-C nicht ausrei- se berücksichtigt werden kann. Mitunter wird ein LDL-C
chend gesenkt werden kann. Für die Indikation der Lp(a)- von über 160 mg / dl (4 mmol / l) als Indikation für eine li-
Reduktion ist zusätzlich der Nachweis eines Progresses der pidsenkende Therapie gesehen, jedenfalls wenn die Fami-
kardiovaskulären Erkrankung notwendig. Durch die ver- lienanamnese nicht völlig frei von kardiovaskulären Ereig-
schiedenen Auftrenn-Prinzipien (Heparin-induzierte ex- nissen ist. Unumstrittene Therapieziele existieren erst bei
trakorporale LDL-Präzipitation (HELP), Lipidfiltration, Dex- mittlerem, nicht aber bei niedrigem kardiovaskulären Ri-
tran-Sulfat-Cellulose-Adsorption (DSA), Immunadsorpti- siko (▶ Tab. 1).
on oder Polyacrylatadsorption (DALI)) werden LDL-C und
Lp(a) um bis zu 60 % reduziert; das Therapieintervall be-
trägt ein bis zwei Wochen. Die medikamentöse Therapie Primärprävention bei familiärer
wird hierbei – wenn vertragen – weitergeführt.
Hypercholesterinämie (FH)
Patienten mit nachgewiesener heterozygoter FH haben
Fibrate ein über den aktuellen LDL-C-Spiegel hinausgehendes
Fibrate aktivieren Peroxisom-Proliferator-aktivierte Rezep- hohes kardiovaskuläres Risiko. Eine medikamentöse Lipid-
toren α (PPARα) und modulieren damit den intrazellulären senkung wird spätestens nach Abschluss der Pubertät
Metabolismus. Das Ergebnis ist eine deutliche Senkung empfohlen; Statine sind die primären Mittel der Wahl; eine
der TG und leichte Erhöhung des HDL-C in Verbindung mit Therapieeskalation mit Ezetimib und / oder PCSK9-Inhibi-
einer leichten LDL-C- und Remnant-Senkung. Leitsubstanz toren ist häufig notwendig. Bei homozygoter FH wird eine
ist Fenofibrat. LDL-Apherese meist schon in der Kindheit initiiert.
Merkel M. Moderne Lipidtherapie – Ziele und Wege dahin. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 20–24 23
State of the Art
24 Merkel M. Moderne Lipidtherapie – Ziele und Wege dahin. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 20–24
State of the Art
Dabei wird die basale Insulinsubstitution durch die einmal durch die Variation des abendlichen Injektionszeitpunkts
tägliche Injektion eines ultralang wirksamen oder die zwei- des Verzögerungsinsulins nicht unter Kontrolle zu bekom-
oder sogar mehrmalige tägliche Injektion eines interme- men. Eine Dosiserhöhung des Verzögerungsinsulins ist an-
diär wirksamen Verzögerungsinsulins gewährleistet, die dererseits wegen des Risikos nächtlicher Blutzuckerabfälle
Substitution des mahlzeitenabhängigen Insulinbedarfs er- oder gar nächtlicher Hypoglykämien nicht möglich. Eine
folgt (heute) in aller Regel mit einem kurz wirksamen Ana- pathophysiologisch ähnliche Situation kann sich am späten
loginsulin. Die Therapie wird durch den Patienten selbst Nachmittag bei nachlassender Wirkung des morgendlich
anhand der Ergebnisse der Blutzuckerselbstkontrolle vor injizierten Verzögerungsinsulins oder die nachlassende
den Hauptmahlzeiten und vor dem Schlafengehen gesteu- Wirkung des am Vorabend injizierten ultralang wirksamen
ert. Die Ergebnisse der präprandialen Messungen und die Verzögerungsinsulins und ansteigendem Insulinbedarf
jeweils geplanten Kohlenhydratmengen dienen zur Be- entwickeln und wird als sog. „Dusk-Phänomen“ (Dunst-
rechnung der Mahlzeitendosis des kurz wirksamen Insu- Phänomen) bezeichnet. An diesem Beispiel wird deutlich,
lins („Mahlzeitenbolus“ plus Korrektur). Die routinemä- dass bei einer intensivierten Insulintherapie (intensified
ßige präprandiale Selbstkontrolle wird durch gelegentliche conventional therapie, ICT) durch die Wirkcharakteristik der
postprandiale und nächtliche Blutzuckermessungen er- Verzögerungsinsuline bestimmte Rhythmen für die Insu-
gänzt. Die Verwendung moderner, analoger, ultralang lininjektion vorgegeben sind. Verzögerungsinsuline zeigen
oder intermediär wirksamer Verzögerungsinsuline wird darüber hinaus eine mehr oder weniger ausgeprägte inter-
jedoch im Einzelfall durch Unverträglichkeit bestimmter , aber auch intraindividuelle Variabilität im Tagesablauf,
Insulinpräparationen, den Bedarf nach mehr Flexibilität die möglicherweise durch Variation der Insulinabsorption
(z. B. bedingt durch sportliche Aktivitäten, Schichtarbeit verursacht ist und ggf. bei starker Ausprägung die Einstel-
mit unterschiedlicher körperlicher Belastung oder Ver- lung deutlich erschweren kann. Bei der Insulinpumpen
schiebung der Rahmenbedingungen o. ä.) oder ausge- behandlung (kontinuierliche subkutane Insulininfusion,
prägte Unterschiede des Insulinbedarfs im Rahmen der CSII) wird das Verzögerungsinsulin durch die nahezu kon-
circadianen Rhythmik limitiert. tinuierliche Gabe (z. B. ¹⁄₂₀ der stündlich eingestellten Rate
alle 3 min) kurz wirksamer humaner oder analoger Insu-
Das sog. „Dawn-Phänomen“ (Dämmerungs-Phänomen) line ersetzt. Diese Präparationen zeigen in geringerem
stellt eine Sonderform dieses Umstands dar: Es beschreibt Maß intraindividuelle Variationen als die verschiedenen
den durch die zirkadiane Rhythmik der kontrainsulinären Verzögerungsinsuline und führen somit zu einer stabileren
Hormone bedingten Anstieg des Insulinbedarfs in den frü- Einstellung bzw. erlauben eher die Erarbeitung von indivi-
hen Morgenstunden. Dieser Blutzuckeranstieg ist oft auch duell passenden Steuerungsalgorithmen.
Lippmann-Grob B. Therapie des Typ-1-Diabetes-mellitus unter Insulinpumpentherapie und kontinuierlicher Glukosemessung. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 25–28 25
State of the Art
Die Berechnung der mahlzeitenabhängigen Insulingaben Da in der Schwangerschaft die zu erreichenden Blutzucker-
erfolgt wie bei der ICT, die Dosis wird jedoch jeweils aktu- Zielwerte besonders eng gezogen sind, ist oft die Überle-
ell in die Pumpe eingegeben und dann appliziert. Die ak- gung zum Einsatz einer Insulinpumpe für die Schwanger-
tuell auf dem Markt erhältlichen Pumpen erleichtern die schaft sinnvoll. Dafür spricht auch, dass sich im Lauf der
Berechnung der Insulingaben durch „Boluskalkulatoren“. Gravidität der Insulinbedarf ändert und die Insulindosie-
Für deren korrekte Funktion ist die Erarbeitung adäquater rung jeweils kurzfristig angepasst werden muss. All das
Algorithmen zur Steuerung der Pumpentherapie und da- lässt sich mit einer Insulinpumpenbehandlung schneller
nach deren richtige Übertragung in die Pumpe wesentliche und effektiver als im Rahmen einer ICT erreichen.
Voraussetzung. Ihre Erarbeitung ist Bestandteil der Er-
steinstellung einer Pumpentherapie, die Vermittlung des Pat. mit sehr kleinem Insulinbedarf profitieren oft von der
adäquaten Umgangs mit dem Hilfsmittel und die Nutzung Behandlung mit einer Insulinpumpe, weil die Verteilung
seiner Möglichkeiten ist Bestandteil der Schulung im Rah- eines kleinen Basisinsulinbedarfs besonders die Problem-
men der Einstellung. konstellation von kleiner Insulinmenge und daraus resul-
tierend zu kurzer Wirkdauer des Insulins (insbesondere im
Wenn im Tagesablauf körperliche Aktivität unternommen Hinblick auf die basale Insulinversorgung) erkennen lässt.
wird, kann bei ICT nur in engem Zusammenhang mit einer Die drei- oder mehrmalige Gabe eines Verzögerungsinsu-
Mahlzeit ein kurz vor der Belastung für eine Mahlzeit ge- lins könnte hier eine Alternative darstellen, bedeutet aber
planter Bolus modifiziert werden; das ggf. einige Stunden oft für die Betroffenen eine starke bis nicht mehr hinnehm-
vorher injizierte Verzögerungsinsulin kann jedoch nicht bare Einschränkung der Lebensqualität und eine schlech-
mehr verändert werden. Unter Pumpenbehandlung kann tere Übersichtlichkeit der Therapie.
auch die Basisinsulinversorgung (zumindest in gewissen
Grenzen) kurzfristig modifiziert werden, um Hypoglykä-
mien zu vermeiden. Kontraindikationen
Eine Insulinpumpe ist ein technisches Gerät, das über einen
Mikroprozessor gesteuert wird. Für die Eingabe der erfor-
Indikationen derlichen Parameter muss beim Nutzer ein Grundver-
Eine gewissermaßen „klassische“ Indikation für den Ein- ständnis für Aufbau und Nutzung eines Bedienungsmenüs
satz einer Insulinpumpe ist das Vorliegen eines sog. vorhanden sein. Erfahrungsgemäß sollte ein potentieller
„Dawn-Phänomens“ (siehe oben). Mit der Pumpe kann be- Pumpenpatient zumindest ein Mobiltelefon benutzen kön-
stimmten Zeiträumen in den frühen Morgenstunden je- nen, um auch mit einer Insulinpumpe entspannt umgehen
weils eine eigenständige Insulinmenge zugeordnet wer- zu können. Bei Fehlen eines informationstechnologischen
den, ohne dass vorher in der Nacht eine bestimmte Insu- Grundverständnisses entwickelt sich sonst jede Bolusga-
linwirkung in Kauf genommen werden muss. be, besonders aber eine temporäre Anpassung oder gar
Änderung der Basalrate zu einer stresshormonbeladenen
Auch wenn häufige Hypoglykämien eine Therapie bela- Aktion, die die Stabilität der Einstellung nicht fördert.
sten, ist oft mit einer Insulinpumpe eine Reduktion der
Zahl der Hypoglykämien möglich, da erfahrungsgemäß Für das Füllen der Ampulle und das Überprüfen und An-
bei einer Pumpenbehandlung kleinere Insulinmengen als schließen des Katheters sind ein Minimalvisus und eine ge-
unter ICT benötigt werden. Allerdings sollte in Fällen mit wisse Fingerfertigkeit (oder die Unterstützung durch An-
gestörter Wahrnehmung von Hypoglykämien die Pumpen- gehörige) unabdingbar.
einstellung auf jeden Fall mit einem Hypoglykämie-Wahr-
nehmungstraining verbunden werden, damit der Patient Patienten mit mangelnder Akzeptanz ihres Diabetes und
die durch die Pumpe eröffneten technischen Möglich- daraus resultierender Ablehnung von BZ-Selbstkontrollen
keiten durch Erlernen neuer Sichtweisen besser nutzen und Insulininjektionen oder auch nur mit fehlender Doku-
kann. mentation werden die Vorteile der Pumpenbehandlung
nicht nutzen und mit einer Pumpenbehandlung ihre Ein-
Eine weitere mögliche Indikation für eine Pumpenbehand- stellung nicht wesentlich verbessern können. Für gute Er-
lung wäre das Vorliegen dysregulativer Blutzucker-Ver- gebnisse benötigt die Pumpenbehandlung mindestens so
läufe mit starken Schwankungen, die weder durch zusätz- viel Engagement wie eine ICT, andererseits hat die Pum-
liche Mahlzeiten noch durch zusätzliche Bewegung erklärt penbehandlung durch die erleichterte Bolusgabe ein
werden können. Möglichweise sind Variabilitäten in der hohes Verführungspotential, dem Diabetes nicht die er-
Insulinabsorption dafür verantwortlich; das in der Pumpe forderliche Aufmerksamkeit zu schenken. Pat. mit Dro-
meist verwendete kurz wirksame Analoginsulin zeigt sol- gen-, Medikamenten- oder Alkoholabusus oder tiefgrei-
che Schwankungen in deutlich geringerem Maße, sodass fenden psychologischen oder psychosozialen Problemen
von einer Umstellung auf eine Pumpenbehandlung ein sta- werden oft ebenfalls die Vorteile der Pumpentherapie
bilerer Blutzuckerverlauf mit weniger intraindividueller nicht nutzen können.
„von-Tag-zu-Tag-Variabilität“ erwartet werden kann.
26 Lippmann-Grob B. Therapie des Typ-1-Diabetes-mellitus unter Insulinpumpentherapie und kontinuierlicher Glukosemessung. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 25–28
„Prothese“ seinen Träger an die Erkrankung erinnert und
Diskussionswürdige Indikationen bei aufmerksamen Mitmenschen auch Fragen nach einer
Alleinstehende Patienten mit gestörter Hypoglykämie- Erkrankung provozieren kann. Auch eine Paarbeziehung
Wahrnehmung sind eine Gruppe, die an die Behandler be- kann durch die Verwendung einer Pumpe belastet werden,
sondere Anforderungen stellt; für die betroffenen Patien- wenn sich der oder die Betroffene und sein / ihr stoffwech-
ten steht (oft) die Angst vor nicht bemerkten und entspre- selgesunder Partner nicht schon vor Beginn der Behand-
chend nicht behandelten Hypoglykämien im Vordergrund. lung mit dem Hilfsmittel auseinandersetzen und um die
Dagegen sollte durch den Einsatz der Pumpe die Hypogly- Besonderheiten dieser Behandlungsform wissen.
kämiehäufigkeit sinken; aus naheliegenden Gründen sollte
eine solche Einstellung unbedingt mit einem Hypoglykä- Um die Besonderheiten der Handhabung der Insulinpum-
mie-Training kombiniert werden. pe mitsamt den Kathetern zu erlernen und die spezifisch
für die Pumpenbehandlung etablierten Behandlungsrich-
Ein bisher nicht erwähnter Vorteil der Pumpenbehandlung tlinien anwenden zu können, müssen die Patienten, bei
ist die Möglichkeit, die Bolusabgabe an Besonderheiten denen eine Indikation zur Pumpenbehandlung gestellt
der Nahrungsaufnahme anzupassen, was für diätetische wird, ambulant oder stationär an einer speziellen Schulung
Freiheiten genutzt werden kann, gelegentlich auch miss- für diese Therapieform teilnehmen, in denen nicht nur
braucht wird; aus medizinischen Gründen kann es aller- theoretisches Wissen vermittelt, sondern auch praktische
dings ebenfalls erforderlich sein, eine Bolusmodifikation Fähigkeiten zum Umgang mit der Pumpe und ihrem Zube-
für Patienten vorzusehen. Weisen Pat. mit einer entspre- hör eingeübt werden können (z. B. Indikation zum Einsatz
chend langen Diabetesdauer regelmäßig keine postpran- einer temporären Basalrate, Indikation zur Bolusmodifika-
dialen Blutzuckeranstiege auf und bieten damit Hinweise tion, Nutzung des Boluskalkulators – theoret. Grundlagen,
für eine verzögerte Magenentleerung, kann es sinnvoll prakt. Durchführung und Beurteilung der Ergebnisse und
sein, die Mahlzeitenboli nicht wie üblich in voller Menge entsprechende Modifikation des Vorgehens). Dabei hat es
vor den Mahlzeiten zu geben, sondern nur 50–30 % sofort sich bei Erwachsenen als sinnvoll erwiesen, dass in der
und den Rest über 90 bis zu 120 min zu verzögern. Damit Regel eine mind. einjährige Erfahrung mit einer ICT vor-
kann in vielen Fällen einer verzögerten Magenentleerung handen sein muss, um eine Pumpentherapie ohne zuviel
das Auftreten postprandialer Hypoglykämien vermieden Stress durchführen zu können. Auch auf der „Anbietersei-
und damit die Einstellung geglättet werden. Unter diesem te“ muss sichergestellt sein, dass eine genügende Erfah-
speziellen Aspekt kann die Pumpenbehandlung auch den rung mit Einleitung einer Pumpentherapie vorhanden und
oft schwer einstellbaren Patienten mit autonomer Neuro- in der Zahl der jeweils behandelten und neu oder zur Kor-
pathie in der Manifestationsform einer Gastroparese eine rektur eingestellten Patienten nachvollziehbar sein muss.
Verbesserung der Einstellung ermöglichen.
Als weit entwickelte Behandlungsform des Insulin-abhän-
gigen Diabetes mellitus bietet die CSII heute viele Vorteile,
Nachteile und Limitationen die bei Einstellungsschwierigkeiten und bei wechselhaften
Bei der Versorgung mit einer Insulinpumpe wird durch den Tagesabläufen zu einer Verbesserung der Einstellung bei-
subkutan eingestochenen Katheter eine dauerhafte Ver- tragen können. Unverzichtbar ist aber auch bei dieser Be-
bindung zwischen dem Insulinreservoir und dem subku- handlungsform die Bereitschaft des Betroffenen zu einer
tanen Fettgewebe hergestellt. Die Einstichstelle des Ka- intensiven Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung und
theters und die umgebende Haut sind dabei eine Schnitt- der konsequenten Arbeit an der eigenen Einstellung („Em-
stelle mit multiplen Komplikationsmöglichkeiten: Kleine powerment“). Unter dieser Voraussetzung stellt die
lokale Infektionen bis hin zu größeren subkutanen Abszes- Pumpe ein wesentliches Hilfsmittel für das Erreichen einer
sen, allergische Reaktionen direkt an der Einstichstelle optimierten Einstellung dar.
durch die Stahlnadel oder die Kunststoff-Verweilkanüle
oder durch den Klebstoff am Fixierpflaster perifokal sind Seit im Jahr 1999 erstmalig ein Sensor zur kontinuierlichen
möglich. Katheterverschlüsse oder -leckagen stellen typi Messung der Glukose im subkutanen Interstitium zum Ein-
sche Komplikationen der Pumpentherapie dar und führen satz kam, hat sich diese Methode zur Messung der Glukose
ebenso wie das unbemerkte Herausrutschen der Nadel aus konzentration rasant weiterentwickelt. Die Sensoren sind
der Haut oft zu Stoffwechselentgleisungen, die bei inadä- zuverlässiger und genauer geworden; durch Studien wurde
quater Behandlung durch den Betroffenen selbst auch in sowohl die Verwendung in Verbindung mit der ICT als auch
eine Ketoazidose übergehen können. mit der CSII untersucht und der Nutzen nachgewiesen. Da
bei der Pumpentherapie die Möglichkeiten der Therapie-
Von psychologischer Seite sollte nicht vernachlässigt wer- anpassung größer als bei der ICT sind, wurden insbeson-
den, dass die Verwendung einer Insulinpumpe eine neue dere zur Sensor-unterstützen Pumpentherapie (SuP) viele
Auseinandersetzung mit der Stoffwechselerkrankung be- Studien durchgeführt und hat sich inzwischen ein umfang-
deutet: der Betroffene hat dauernd ein Hilfsmittel am Kör- reicher Erfahrungsschatz etabliert. Sogar in der politischen
per, das nach der subjektiven Einschätzung im Sinne einer Landschaft hat sich diese Erfahrung niedergeschlagen: am
Lippmann-Grob B. Therapie des Typ-1-Diabetes-mellitus unter Insulinpumpentherapie und kontinuierlicher Glukosemessung. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 25–28 27
State of the Art
16. 06. 2016 hat sich der G-BA positiv zur kontinuierlichen einem Android-Smartphone, das mit einer speziellen App
Glukosemessung (CGM) geäußert und erkennt den Nutzen ausgestattet ist und über NFC verfügt) ausgelesen wird
(niedrigerer HbA1c-Wert oder / und weniger Hypoglykämien) („Freestyle Libre“ von Abbott Diabetes Care). Mittels einer
an, sodass für Menschen mit einer ICT oder Pumpenthe- Software können die Glukoseverläufe dargestellt und aus-
rapie die CGM als Leistung der GKV verordnet werden gewertet werden. Für die Betroffenen ist durch dieses Sys-
kann, nachdem das Bundesgesundheitsministerium zur tem die Vision von einer „verletzungsfreien Blutzucker-
gleichen Einschätzung kam. messung“ (auch wenn es sachlich nicht richtig ist) wahr
geworden und wird deshalb überwältigend akzeptiert und
Die heute verwendeten CGM-Systeme sind in verschie- nachgefragt. Wegen des günstigen Preises und der auf der
denen Integrationsgraden in Verbindung mit einer Insu- Hand liegenden Vorteile erstatten bereits jetzt viele Kran-
linpumpe einsetzbar: kenkassen die Kosten für dieses System ohne gesetzliche
▪▪ Das CGM-System kommuniziert mit der Insulinpumpe Grundlage. Bleibt zu hoffen, dass die anbietende Firma
und schaltet direkt bei einer Unterzuckerung oder auch für die Betroffenen, die nach einiger Zeit auf den
einstellbar bereits vorbeugend die Pumpe ab Klebstoff des Sensors eine Allergie entwickeln, eine Lösung
(Medtronic Minimed), natürlich sind bei dieser anbieten kann.
Variante auch die Glukoseverläufe auf dem Display
der Pumpe sichtbar. Die Verwendung von CGM und FGM und die Ableitung the-
▪▪ Die Pumpe stellt die Glukoseverläufe der kont. rapeutischer Konsequenzen aus den Verläufen haben be-
Messung auf ihrem Display dar, eine Beeinflussung reits zu einer neuen Begrifflichkeit in der Beurteilung der
der Pumpe durch den Sensor findet nicht statt Stoffwechsellage geführt. Da der HbA1c-Wert ausschließ-
(Pumpe Animas, Sensor Dexcom). lich die mittlere Glukoselage und nicht ihre Auslenkungen
▪▪ Pumpe und CGM werden vom Betroffenen als nach oben und unten erkennen lässt, hat sich – wo verfüg-
2 getrennte Einzelsysteme genutzt. Eine gegenseitige bar – aus der Analyse der Verläufe der Begriff der „time in
Beeinflussung der Systeme erfolgt nicht. range“ entwickelt, der erkennen lässt, zu wieviel Prozent
der Zeit die interstitielle Glukose im individuell gewünsch-
Bei oberflächlicher Betrachtung liegt nun fast der Schluss ten Zielbereich lag.
nahe, dass damit die Therapie des insulinabhängigen Dia-
betes mellitus zu einem gewissen Abschluss gekommen So verändern neue diagnostische Möglichkeiten unsere
sei. Das ist mitnichten der Fall. Auch der Einsatz eines CGM- Beurteilung der Therapie und führen zu neuen Begrifflich-
Systems verlangt einen kompetenten und mitdenkenden, keiten; ob eines Tages die Glukoseverläufe wichtiger als
in bestimmten Fällen auch proaktiven Betroffenen. Das be- punktuelle kapilläre Messungen werden oder sie mögli-
ginnt schon bei der Festsetzung der Alarmgrenzen des Sys- cherweise sogar ablösen könnten, wird derzeit diskutiert
tems und findet seine Fortsetzung in der Verführung zur – die Herausforderung, mit Betroffenen immer wieder neu
kritiklosen Korrektur postprandialer Glukosespitzen (wich- eine individuell adäquate Therapie zu entwickeln, bleibt,
tiger Gefahrenpunkt!); die umsichtige und die Rahmenbe- vielleicht wird sie mit den neuen Möglichkeiten noch
dingungen berücksichtigende Kalibration des Sensors größer.
stellt einen essenziellen Punkt in der Durchführung der
Sensor-unterstützten ICT oder Pumpentherapie dar. Für Interessenkonflikte
die Nutzung der Vorteile des Systems muss dann gelernt
werden, im Gegensatz zu den bisherigen Analysen der Advisory Board und honorierte Vortragstätigkeit für
punktuellen kapillären Messungen die Glukoseverläufe zu Abbott GmbH & Co KG; Advisory Board für Animas / Johnson
beurteilen und daraus die entsprechenden Konsequenzen & Johnson GmbH; Drittmittelprojekt und honorierte
zu ziehen. Es wird erkennbar, dass der Einsatz des CGM Vortragstätigkeit für Berlin Chemie AG; Advisory Board für
NovoNordisk Pharma GmbH.
erneut einen erheblichen Schulungsbedarf mit sich bringt,
wenn auch diese neuen Therapieformen für und durch die
Betroffenen sicher eingesetzt werden sollen. Korrespondenzadresse
In den letzten beiden Jahren wurde nun das therapeutische Dr. Bernhard Lippmann-Grob
Spektrum durch den Einsatz des „Flash Glukose Monito- Facharzt für Innere Medizin und Diabetologie,
ring“ (FGM) zusätzlich erweitert. Bei diesem System wird Medizinhygiene
ein Sensor im subkutanen Fettgewebe der Dorsalseite des Marktplatz 13
Oberarms getragen, der seine Daten nicht selbständig an 97980 Bad Mergentheim
einen Empfänger sendet, sondern der durch „Scannen“ Tel. 0 79 31 / 48 28 95
mit einem speziellen Lesegerät (oder neuerdings auch mit bernhard@lippmann-grob.de
28 Lippmann-Grob B. Therapie des Typ-1-Diabetes-mellitus unter Insulinpumpentherapie und kontinuierlicher Glukosemessung. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 25–28
State of the Art
Medulläres Schilddrüsenkarzinom:
Calcitonin-Screening und risikoadaptierte Nachsorge
Karin Frank-Raue und Friedhelm Raue, Heidelberg
Eine wesentliche Verschiebung des klinischen und epide- ten Ctn-Werte nicht ausreichend evaluiert sind und vor
miologischen Profils wie beim papillären Karzinom in den allem mit den neuen Ctn-Meßsytemen geschlechtsab-
letzten 3 Jahrzehnten in Richtung kleinerer, lokalisierter hängige Basal-Werte mit verbesserter Sensitivität de-
und asyptomatischer Formen ist beim MTC nicht zu beob- tektierbar sind, werden zunehmend die basalen Ctn-
achten. Werte zum Ctn-Screening bei Struma nodosa verwen-
det. Aufgrund der aktuellen Datenlage und eigener
Das MTC hat insgesamt eine relativ günstige Prognose. Die Erfahrung wird ein individuelles risikoadaptiertes Vor-
mittlere 10-Jahres-Überlebensrate liegt bei 70 %. Da nur gehen bei erhöhtem Ctn (Bestätigung durch einen Kon-
ca. 30 % der Patienten durch die primär chirurgische The- trollwert) abhängig vom Geschlecht und vom RET-Sta-
rapie geheilt werden können, wird sich bei den übrigen tus vorgeschlagen (▶ Tab. 1) [1]. Ctn-Basal-Werte bis
70 % der Patienten meist im Laufe der Zeit ein Rezidiv oder ca. 20pg / ml wurden im Rahmen der klinischen Validie-
Metastasen entwickeln. Patienten im Stadium der Fern- rung eines neueren Ctn-Assays bei Patienten mit Stru-
metastasierung haben eine 40–50%-ige 10-Jahre-Überle- ma nodosa und thyreoidalen Autoimmunerkrankungen
benschance meist mit guter Lebensqualität. Patienten im detektiert und sind sehr selten mit einem klinisch rele-
Stadium I werden in der Regel geheilt. vanten MTC assoziiert.
▶Tab. 2 Prognose des MTC in Abhängigkeit vom Ansprechen auf die Primärtherapie [6].
1. exzellent (ca. 30 %) Ctn < 10 pg / ml bzw. nicht messbar niedrig < 1–8 % 100 95 87
Mit dieser Vorgehensweise ist eine gewisse Balance zwi- lyse zur Klassifikation in die hereditäre oder sporadische
schen Übertherapie, d. h. Schilddrüsenoperationen bei Variante das weitere Vorgehen in der Nachsorge des MTC.
erhöhtem Ctn und benigner Histologie und dem Risiko Im weiteren Verlauf kann eine risikoadaptierte Nachsorge
von wenigen Prozent ein im Frühstadium befindliches aufgrund der Erfassung des Progresses mittels Ctn / CEA-
MTC von wenigen mm Größe erst im weiteren Verlauf Verdopplungszeiten und bildgebenden Untersuchungen
durch Verlaufsmessungen im 3 bis 6 Monatsabstand zu durchgeführt werden (▶Abb. 1).
erfassen [2].
30 Frank-Raue K, Raue F. Medulläres Schilddrüsenkarzinom: Calcitonin-Screening und risikoadaptierte Nachsorge. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 29–33
2. Biochemisch inkomplettes Ansprechen: Der Calcitonin-
▶Tab. 3 Prognostische Aussagekraft der Calcitonin-
spiegel ist persistierend gering bis mäßig erhöht (meist Verdopplungszeit beim MTC [13].
unter 1000 pg / ml; meist Stadium II und III). Es ist von
verbliebenem Tumorgewebe auszugehen, sollte die Calcitonin- 5 Jahre 10 Jahre
bisherige Operation nicht adäquat gewesen sein, Verdopplungszeit Überleben Überleben
schließt sich nach einem „Staging“ eine komplettieren-
de adäquate Operation an. Eine chirurgisch kurative < 6 Monate 25 % 8 %
Therapie ist in dieser Situation nur möglich, wenn keine
6–24 Monate 92 % 37 %
Fernmetastasen, keine Infiltration in die Weichteile in
> 24 Monate 100 % 100 %
der Primärhistologie beschrieben wurden und wenn
weniger als 10 befallene zervikale Lymphknoten in der
bisherigen Histologie oder weniger als 3 befallene Kom-
partimente in der bisherigen Histologie nach systema- häufig sehr langsam ist. Eine Strategie „wait and see“
tischer Lymphadenektomie nachweisbar sind [9, 10]. ist möglich. Mithilfe der Ctn-Verdopplungszeit lässt sich
Liegt diese günstige Situation vor, sollte der Versuch auch bei fortgeschrittener Erkrankung die Prognose
einer kurativen chirurgischen Therapie erfolgen. Sind einschätzen (▶ Tab. 3) [13].
diese Grenzen jedoch überschritten, ist ein kurativer
Ansatz nicht mehr möglich, deshalb sollten alle weite- Bei einem eindeutigen Progress der Metastasen (RECIST-
ren therapeutischen Maßnahmen unter dem Blickwin- Kriterien), Tumormaker Verdopplungszeit weniger als
kel des Morbiditätsrisikos und unter Berücksichtigung 1 Jahr und drohenden bzw. vorhandenen tumorbedingten
der meist guten Lebensqualität mit der Tumorerkran- Symptomen, Funktionseinbußen oder Komplikationen
kung abgewogen werden. Häufig findet man trotz in- sollte zunächst die Möglichkeit einer lokalen Therapie eva-
tensiver Suche bei nur mäßig erhöhtem Ctn kein siche- luiert werden z. B. palliative Operation oder Strahlenthe-
res Tumorkorrelat. In der Literatur wird davon ausge- rapie. Wenn eine lokale Therapie nicht möglich ist, sollte
gangen, dass bei Ctn-Spiegeln unter 150 pg / ml keine die Indikation für eine systemische Therapie mit Tyrosin-
Lokalisation des Rest-Tumors mit bildgebenden Verfah- kinase-Inhibitoren evaluiert werden. Auch bei einer Pri-
ren gelingt [3]. märdiagnose des MTC im fortgeschrittenenen metasta-
Die Progredienz der Tumorerkrankung im weiteren Ver- sierten Zustand ist eine Operation des Primärtumors mit
lauf kann sehr unterschiedlich sein und lässt sich an- zentraler Lymphknoten-Dissektion unter palliativen Ge-
hand der Calcitonin- und CEA-Verdopplungszeit relativ sichtspunkt in jedem Fall anzustreben, um Komplikationen
gut einschätzen (www.thyroid.org/professionals/cal- bezüglich Trachea und / oder Ösophagus zu vermeiden.
culators/CDTC.php) [11]. Voraussetzung für eine gute
Aussage sind mindestens 4 Ctn-Werte über 2 Jahre. Pa- Die Behandlung des metastasierenden MTC ist ausgespro-
tienten mit Tumormarker-Verdopplungszeiten < 24 Mo- chen symptomorientiert, dazu gehört auch die konse-
naten hatten zu 94 % auch bildmorphologisch eine Pro- quente antidiarrhöische Behandlung im fortgeschrittenen
gression, lagen die Tumormarker-Verdopplungszeiten Tumorstadium mit Loperamid und / oder Tinctura opii,
> 24 Monaten, hatten 86 % der Patienten kein nachweis- dies wird oft zu Lasten der Lebensqualität vernachlässigt
bares Tumorwachstum [12]. bzw. zu vorsichtig dosiert.
Im weiteren Verlauf sind halbjährliche Verlaufskontrol-
len in der Regel ausreichend. Die Häufigkeit der bildge-
benden Diagnostik kann anhand des Primärbefundes Lokale Behandlung von
und der Tumormarker-Verdopplungszeit geplant wer-
Fernmetastasen und dem
den, eine engmaschige Maximaldiagnostik ist nicht
sinnvoll, die bildgebende Diagnostik sollte im Zusam- lokoregionären Rezidiv
menhang mit therapeutischen Optionen geplant Re-Operationen unter palliativem Ansatz sind vor allem
werden, z. B. Sonografie alle 6 Monate, Computertomo bei progredientem Lokalrezidiv oder schmerzhaften
grafie / MRT alle 12 Monate. Auf jeden Fall gilt: keine Be- Lymphknoten-Filiae im zentralen Halsbereich (Trachea-
handlung von Tumormarkern! oder Ösophagus-Nähe / Infiltration) sinnvoll, um lokale
Komplikationen zu reduzieren. Nicht sinnvoll ist eine so-
3. Strukturell inkomplettes Ansprechen: Der Calcitonin- fortige Operation von morphologisch neu aufgetretenen
spiegel ist deutlich (in der Regel mehr als 1000 pg / ml) Metastasen zervikal, da dies zu zahlreichen nicht zielfüh-
erhöht: Hier ist von lokal infiltrierendem Tumorgewe- renden Operationen führt, die den Gesamtverlauf nicht
be (Stadium III) oder von einer Fernmetastasierung beeinflussen und häufig zu Nebenwirkungen wie Recur-
(Stadium IV) meist in Lunge, Leber und / oder Knochen rensparese, Hypoparathyreoidismus und Armmuskelläh-
auszugehen. Ein kurativer Ansatz ist nicht mehr mög- mungen führt. Die Strahlentherapie ist hilfreich bei
lich. Trotz Fernmetastasen haben viele Patienten über schmerzhaften Knochenmetastasen oder bei inoperablen
Jahre eine gute Lebensqualität, da das Tumorwachstum Lokal- oder Mediastinal-Rezidiven. Da nach einer Strahlen-
therapie eine Operation erschwert ist, sollte zunächst 140 mg / Tag Cabozantinib, die bei 79 % der Patienten
immer die Operabilität unter palliativen Gesichtspunkten reduziert werden musste, ein signifikant längeres pro
geprüft werden. gressionsfreies Überleben (11,2 Monate) im Vergleich zur
Therapie mit Placebo (4,0 Monate) [15].
Lebermetastasen sind häufig und verursachen meist wenig
Beschwerden. Deutlich progrediente und schmerzhafte Die Ergebnisse beider Studien sind aufgrund konzeptio-
Lebermetastasen sollten behandelt werden. Singuläre neller Unterschiede im Studiendesign nicht vergleichbar.
oder wenige große Metastasen lassen sich chirurgisch ent-
fernen, meist handelt es sich jedoch um eine multiple und Die Therapie mit TKI ist häufig mit Nebenwirkungen ver-
diffuse Metastasierung, eine lokale Therapie mittels bunden: Diarrhoe, Hautauschlag, Übelkeit, Hypertonie,
(Chemo-)Embolisation oder selektiver interner Radio Kopfschmerzen, und auch schwere Nebenwirkungen wie
therpie (SIRT) ist von beschränkter Wirksamkeit. Eine sys- EKG-Veränderungen. Diese Nebenwirkungen beeinträch-
temische Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren wäre bei tigen in der Regel die Lebensqualität z. T. erheblich, kön-
raschem Progress sinnvoll. nen z. T. durch symptomatische Therapien gelindert wer-
den, erfordern manchmal aber auch eine Dosisreduktion
Knochenmetastasen sind selten osteolytisch, frakturge- oder ein Absetzen der Therapie. Da der Nachweis eines
fährdend oder schmerzhaft. Bei schmerzhaften Knochen- Nutzens im Frühstadium der Erkrankung eindeutig fehlt,
metastasen ist eine externe Radiatio, bei Frakturgefähr- wird derzeit die Indikation zur Therapie mit TKI bei hoher
dung eine externe Radiatio oder chirurgische Intervention Tumorlast und progredienter (RECIST-Kriterien, kurzer Tu-
angebracht. Über eine Bisphosphonat / Denosumabthera- mormarker-Verdopplungszeit) sowie ausgeprägt sympto-
pie gibt es beim MTC keine evidenzbasierten Studien. In matischer Erkrankung gesehen wenn lokale Therapiemaß-
Analogie zu anderen Tumorerkrankungen würde man nahmen ausgeschöpft sind. Da ein Großteil der Patienten
diese Therapien individuell vor allem bei Schmerzen oder auch im Stadium der fortgeschrittenen Metastasierung
Frakturgefährdung zusätzlich einsetzen. nur langsam progredient sind und eine kaum einge-
schränkte Lebensqualität haben ist der alleinige Nachweis
der Metastasierung keine Therapieindikation, ebensowe-
Systemische Therapie mit nig der alleinige Nachweis eines erhöhten Tumormarkers
Calcitonin.
Tyrosinkinase-Inhibitoren
Die üblichen Therapieformen wie Chemotherapie oder ex- Interessenkonflikte
terne Radiatio sind beim metastasierten MTC nur sehr
schlecht wirksam. Seit etwa 10 Jahren werden bei fortge- Die Autoren erklären, dass sie Honorare (Advisory Board
schrittenen Schilddrüsenkarzinomen Tyrosinkinse-Inhibi- Meetings, wissenschaftliche Beratung) von den Firmen Sobi,
toren (TKI) in Studien erprobt. Seit Februar 2012 steht der Astra Zeneca und Sanofi erhalten haben.
Tyrosinkinase-Inhibitor Vandetanib in Deutschland zur
Therapie des aggressiven und symptomatischen MTC zur Korrespondenzadresse
Verfügung, seit Oktober 2014 ist Cabozantinib in Deutsch-
land bei progredientem MTC zugelassen. Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Karin Frank-Raue
Vandetanib ist ein oral zu verabreichender TKI, der auf den Prof. Dr. Friedhelm Raue
beim MTC häufig mutierten RET-Tyrosinkinase-Rezeptor Endokrinologische Gemeinschaftspraxis
aber auch auf EGF-Rezeptor und VGEF-Rezeptor wirkt. Brückenstr.21
Vandetanib zeigte in 2 Phase-II-Studien mit 100 und 69120 Heidelberg
300 mg / Tag Anti-Tumor-Wirkung. Im Rahmen einer ran- Tel. 0 62 21-43 90 90
domisierten Phase-III-Studie (331 Patienten) mit Vande- Fax 0 62 21-43 90 99
tanib 300 mg / Tag konnte gezeigt werden, dass das pro- karin.frankraue@raue-endokrinologie.de
gressionsfreie Überleben im Vergleich zu Placebo signifi-
kant verlängert war, 45 % der Patienten erreichten unter Literatur
Vandetanib eine partielle Remission nach RECIST Kriterien
[14]. Eine Verlängerung der Überlebenszeit ist mit keinem
1. Mian C, Perrino M, Colombo C et al. Refining calcium test for
TKI beim metastasierten MTC bisher nachgewiesen wor- the diagnosis of medullary thyroid cancer: cutoffs,
den. procedures, and safety. J Clin Endocrinol Metab 2014; 99:
1656–1664
Cabozantinib wird ebenfalls oral verabreicht und wirkt auf 2. Lorenz K, Elwerr M, Machens A et al. Hypercalcitoninemia in
den RET-Tyrosinkinase-Rezeptor, den c-Met- sowie den thyroid conditions other than medullary thyroid carcinoma:
a comparative analysis of calcium and pentagastrin
EGF- und VEGF-Rezeptor. In der zulassungsrelevanten
stimulation of serum calcitonin. Langenbecks Arch Surg
Studie hatten 330 Patienten unter einer Initialdosis von 2013; 398: 403–409
32 Frank-Raue K, Raue F. Medulläres Schilddrüsenkarzinom: Calcitonin-Screening und risikoadaptierte Nachsorge. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 29–33
3. Wells SA Jr, Asa SL, Dralle H et al. Revised American Thyroid thyroid carcinoma patients by quantitative lymph node
Association guidelines for the management of medullary analysis. Cancer 2000; 88: 1909–1915
thyroid carcinoma. Thyroid 2015; 25: 567–610 10. Fialkowski E, DeBenedetti M, Moley J. Long-term outcome of
4. Frank-Raue K, Raue F. Hereditary Medullary Thyroid Cancer reoperations for medullary thyroid carcinoma. World J Surg
Genotype-Phenotype Correlation. Recent Results Cancer Res 2008; 32: 754–765
2015; 204: 139–156 11. Kloos RT, Eng C, Evans DB et al. Medullary thyroid cancer:
5. Frank-Raue K, Rybicki LA, Erlic Z et al. Risk profiles and management guidelines of the American Thyroid Associa-
penetrance estimations in multiple endocrine neoplasia type tion. Thyroid 2009; 19: 565–612
2A caused by germline RET mutations located in exon 10. 12. Laure Giraudet A, Al Ghulzan A, Auperin A et al. Progression
Hum Mutat 2011; 32: 51–58 of medullary thyroid carcinoma: assessment with calcitonin
6. Lindsey SC, Ganly I, Palmer F, Tuttle RM. Response to initial and carcinoembryonic antigen doubling times. Eur J
therapy predicts clinical outcomes in medullary thyroid Endocrinol 2008; 158: 239–246
cancer. Thyroid 2015; 25: 242–249 13. Barbet J, Campion L, Kraeber-Bodere F, Chatal JF, Group GTES.
7. Raue F, Frank-Raue K. Long-Term Follow-up in Medullary Prognostic impact of serum calcitonin and carcinoembryonic
Thyroid Carcinoma. Recent Results Cancer Res 2015; 204: antigen doubling-times in patients with medullary thyroid
207–225 carcinoma. J Clin Endocrinol Metab 2005; 90: 6077–6084
8. Leidig-Bruckner G, Bruckner T, Raue F, Frank-Raue K. 14. Wells SA Jr, Robinson BG, Gagel RF et al. Vandetanib in
Long-Term Follow-Up and Treatment of Postoperative patients with locally advanced or metastatic medullary
Permanent Hypoparathyroidism in Patients with Medullary thyroid cancer: a randomized, double-blind phase III trial. J
Thyroid Carcinoma: Differences in Complete and Partial Clin Oncol 2012; 30: 134–141
Disease. Horm Metab Res 2016; 48: 806–813 15. Elisei R, Schlumberger MJ, Muller SP et al. Cabozantinib in
9. Machens A, Gimm O, Ukkat J, Hinze R, Schneyer U, Dralle H. progressive medullary thyroid cancer. J Clin Oncol 2013; 31:
Improved prediction of calcitonin normalization in medullary 3639–3646
Gestationsdiabetes
Michael Hummel, Rosenheim
Tag morgens 1 h nach vor 1 h nach vor 1 h nach
nüchtern Frühstück Mitagessen Mitagessen Abendessen Abendessen
1 X X X X
2 X X X X
3 X X X X
4 X X X X
5 X X X X
6 X X X X
7 X X X X
… X X X X
14 X X X X
international einheitlich. Sie wurden anhand von mütter- Neben konventionellen Insulinen kann in der Schwanger-
lichen und fetalen Komplikationsraten in der HAPO-Studie, schaft auch Analog-Insulin eingesetzt werden. Die Analog-
einer Multizenter-Beobachtungsstudie (kein klinischer Insuline bieten bei GDM in der Regel keine Vorteile. Patien-
Trial) mit ca. 25 000 Teilnehmerinnen, erstellt [4]. ten mit präexistentem Typ-1-Diabetes führen aber gerne
die Therapie mit den Analoginsulinen fort; dies kann im
individuellen Fall auch sinnvoll sein. Bei GDM besteht (in
Therapie der Regel) keine Indikation für eine Insulinpumpen-Thera-
Entscheidend für eine optimale Therapie des Gestations- pie. OAD können in Deutschland während der Schwanger-
diabetes ist eine gut geschulte Patientin, die Ernährungs- schaft nicht eingesetzt werden. Zukünftig könnte der Ein-
empfehlungen wie vorgeschriebene Stoffwechselkontrol- satz von FGM und CGMS-Systemen die Insulintherapie und
len einhält. In der Regel ist die Compliance der Patien- die Überwachung der Glukosewerte in der Schwanger-
tinnen extrem hoch, da sie wissen, dass die durchgeführten schaft verbessern, ausreichende Daten hierzu liegen aber
Maßnahmen der Gesundheit des Kindes zu Gute kommen. noch nicht vor.
Während der Erstberatung werden die Grundlagen der Er-
nährungs- und Bewegungstherapie sowie der Blutzucker- Neben den Blutzuckerwerten ist auch das Verhältnis des
selbstkontrolle (BZSK) erläutert. Die initiale Häufigkeit der fetalen Abdominalumfanges (AU) zum Kopfumfang (KU)
BZSK ist in ▶ Tab. 1 dargestellt, ▶ Tab. 2 zeigt die BZ-Ziel- ein Kriterium, das die Therapie beeinflusst. ▶Abb. 1 zeigt,
werte während der Schwangerschaft. dass bei asymmetrischer Makrosomie (AU größer KU)
strengere BZ-Zielwerte gelten und somit die Insulinthera-
Bzgl. der Ernährung soll vermittelt werden, dass mehrere, pie öfter initialisiert bzw. intensiviert werden muss. Paral-
über den Tag verteilte Mahlzeiten zielführend sind. Nah- lel zu den BZ-Werten soll auf die mütterliche Gewichtsent-
rungsmittel mit hohem glykämischen Index sind zu mei- wicklung während der Schwangerschaft geachtet werden.
den, insbesondere zuckerhaltige Getränke. Die Nährstoff- In Abhängigkeit vom BMI vor der Schwangerschaft gelten
verteilung wird folgendermaßen empfohlen: Kohlenhy- die Zielwerte in ▶Tab. 3.
Unter der Geburt fällt der Insulinbedarf stark ab. Sobald Geburt wird der BZ für 1–3 Tage kontrolliert, in der Regel
die Wehen einsetzen, wird bei GDM kein (Basal)-Insulin ist keine weitere Therapie mehr notwendig. 6 bis 12 Wo-
mehr gespritzt. Der BZ wird 1- bis 2-stündlich gemessen, chen nach Entbindung sollte bei der Mutter – unabhängig
der Zielwert liegt jetzt bei etwa 80–130 mg / dl. Nach der vom Stillen – ein erneuter 75 g oGTT durchgeführt werden.
Nü < 105 mg/dl Nü < 95 mg/dl Nü < 85 mg/dl Etwa 50 % der Frauen mit GDM entwickeln innerhalb der
< 5,8 mmol/l < 5,3 mmol/l < 4,7 mmol/l ersten 10 Jahre postpartal einen Diabetes. In Dänemark
1h < 160 mg/dl 1h < 140 mg/dl 1h < 120 mg/dl hat sich innerhalb von einem Jahrzehnt die Inzidenz von
< 8,9 mmol/l < 7,8 mmol/l < 6,7 mmol/l
postpartal aufgetretenem Diabetes verdoppelt – dies ist
IUGR = intrauterine Wachstumsverzögerung dem höherem Gewicht und Alter der Mütter geschuldet.
Die Kinder sollen zumindest 4–6 Monate gestillt werden.
▶Abb. 1 Modifizierte BZ-Zielwerte bei bekanntem Abdominalumfang (AU) Dies senkt das kindliche Adipositas- und das mütterliche
des Fetus. Typ-2-Diabetes-Risiko [5, 6, 7].
Diabetologische Schwerpunktpraxis Rosenheim & 5. Gunderson EP, Huston SR, Ning X et al. Lactation and
Progression to Type 2 Diabetes Mellitus After Gestational
Forschergruppe Diabetes, TU München
Diabetes Mellitus: A Prospective Cohort Study. Ann Intern
Max-Josefs-Platz 21
Med 2015; 163: 889–898
83022 Rosenheim
6. Much D, Beyerlein A, Kindt A et al. Lactation is associated
Tel. 0 80 31-23 23 80 with altered metabolomic signatures in women with
Fax 0 80 31-2 32 38 23 gestational diabetes. Diabetologia 2016; 59: 2193–2202
michael.hummel@lrz.uni-muenchen.de 7. Ziegler AG, Wallner M, Kaiser I et al. Long-term protective
effect of lactation on the development of type 2 diabetes in
women with recent gestational diabetes mellitus. Diabetes
2012; 61: 3167–3171
Zu den ACTH-abhängigen Formen gehört neben dem ek- net ist, kann das Krankheitsbild bei ektopen Formen ab-
topen ACTH-Syndrom, bei dem vermehrt ACTH durch hängig von dem Ausmaß der malignen Transformation des
nicht-hypophysäre Tumoren sezerniert wird, der mit einem zugrundeliegenden Tumors rasch fortschreiten. Die we-
Anteil von 70–80 % weitaus häufigere Morbus Cushing, der sentliche klinische Symptomatik ist in (▶ Abb. 1) zusam-
auf eine gesteigerte hypophysäre ACTH-Produktion zu- mengefasst.
rückzuführen ist. Ursache einer ektopen ACTH-Produkti-
on können kleinzellige Bronchialkarzinome, ACTH-produ- Pathognomonisch sind Striae rubrae, die sich durch Deh-
zierende Bronchial- und Thymuskarzinoide sowie neuro- nung der fragilen Haut von Abdomen, Mammae, Hüften
endokrine Neoplasien des Gastrointestinaltrakts sein, sehr und Oberschenkeln entwickeln und auf Grund durchschei-
selten auch CRH-produzierende neuroendokrine Tumo- nender Blutgefäße rötlich erscheinen. Auch ist die Atro-
ren. Bei den ACTH-abhängigen Formen des Cushing-Syn- phie der Extremitätenmuskulatur ein wichtiger Hinweis.
droms entwickelt sich konsekutiv häufig eine bilaterale Ne- Insbesondere ältere Patienten beklagen eine allgemeine
bennierenrindenhyperplasie, parallel ist die Sekretion von Schwäche, die am deutlichsten beim Aufrichten aus einer
Kortisol erhöht. liegenden Position sowie beim Treppensteigen auffällt. Die
der Muskelatrophie zugrundeliegende katabole Wirkung
Das ACTH-unabhängige Cushing-Syndrom ist meist durch von Kortisol wird durch zunehmende Inaktivität gestei-
ein einseitiges Nebennierenrindenadenom oder -karzinom gert, letztere zudem gelegentlich durch eine begleitende
bedingt, sehr selten auch durch eine makronoduläre Ne- Hypokaliämie verstärkt. Viele der Symptome sind unspe-
bennierenhyperplasie (AIMAH), durch eine primäre pig- zifisch; die gleichzeitige fortschreitende Entwicklung der
mentierte noduläre Nebennierenerkrankung (PGNAD), beschriebenen Symptome sollte aber an ein Cushing-Syn-
oder durch ein McCune-Albright-Syndrom. drom denken lassen. Die Erkrankung ist mit einer erhebli-
chen Morbidität und Mortalität verbunden, besonders auf-
fällig im ersten Jahr nach Diagnosestellung. Todesfälle sind
Klinisches Bild immer wieder noch vor Beginn der Therapie zu beobach-
Die Vielzahl der durch Glukokortikoide beeinflussten Ge- ten, so dass die Erkrankung einen „endokrinen Notfall“
webe bedingt eine sehr heterogene Ausprägung des Hy- darstellt, mit der Notwendigkeit einer raschen und geziel-
perkortisolismus. Während der Morbus Cushing durch ten Diagnostik.
einen mäßigen chronischen Hyperkortisolismus mit eher
sich schleichend entwickelnden Symptomen gekennzeich-
38 Petersenn S. Diagnostik und Therapie des Cushing-Syndroms. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 38–43
neuropsychologische
Symptomatik
Mondgesicht
Büffelnacken Glukoseintoleranz
Hirsutismus
verstärkte arterielle
Neigung zu Hypertonie
Blutungen
Osteo-
Stammfettsucht porose
Striae rubrae
distensae
proximale
Muskelatrophie
schlechte
thromboembolische
Wundheilung
Risiken
1. Besonders geeignet ist die Untersuchung des Zu bedenken ist, dass eine Vielzahl von Medikamenten Ein-
Kortisolspiegels in Serum oder Speichel um 23:00 Uhr fluss auf die Ergebnisse dieser Screening-Teste besitzen
zum Nachweis einer aufgehobenen Tagesrhythmik. und daher bei der Interpretation berücksichtigt werden
Die Untersuchung des Speichels bietet die Vorteile müssen (▶ Tab. 1).
der Messung des freien Kortisols sowie einer
selbstständigen Gewinnung ambulant, adäquate,
möglichst schriftliche Instruktion des Patienten ▶Tab. 1 Medikamente mit Einfluss auf die Ergebnisse der Screening-Teste
vorausgesetzt. Bei der Bestimmung von eiweiß- bei Vd. auf Hyperkortisolismus [1].
gebundenen Kortisol im Serum ist dagegen die
Erhöhung des kortisolbindenden Globulins und damit Dexamethason-Metabolismus Dexamethason-Metabolismus
des Gesamtkortisols z. B. durch orale Kontrazeptiva beschleunigt (Cyp3A4↑): verlangsamt (Cyp3A4↓):
Petersenn S. Diagnostik und Therapie des Cushing-Syndroms. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 38–43 39
State of the Art
ACTH-abhängig ACTH-unabhängig
Morbus
Cushing
ektopes
ACTH-Syndrom
↑ ACTH ↓
Nebennierenrinden-
adenom
Nebennierenrinden-
karzinom
primär pigmentierte noduläre
Nebennierenerkrankung
makronoduläre
Nebennierenhyperplasie
Cortisol
40 Petersenn S. Diagnostik und Therapie des Cushing-Syndroms. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 38–43
produzierbare Suppression lässt auf einen M. Cushing durch einen in der Operationstechnik erfahrenen Neuro-
schließen. Ektope Tumoren sind dagegen bis auf wenige chirurgen erfolgen. Bei kleinen, gut lokalisierbaren Tumo-
Ausnahmen nicht supprimierbar. Der CRH-Test kann eben- ren bleibt die Funktion der übrigen Hypophysenachsen
falls zur differentialdiagnostischen Klärung herangezogen häufig erhalten. Postoperativ lässt sich der Operationser-
werden, bei dem die Reaktion der hypophysären ACTH- folg durch Bestimmung des morgendlichen Kortisols und
Sekretion und folgend der Nebennierenkortisolsekretion ACTH aus Proben, entnommen vor Einnahme der täglichen
auf die Gabe des physiologischen Stimulanz CRH gemes- Substitutionsdosis an Glukokortikoiden, überprüfen. Er-
sen wird. Bei einem kortikotropen Hypophysenadenom ist niedrigte Konzentrationen sind aufgrund der Suppression
im Gegensatz zu den bei ektoper ACTH-Produktion sup- der nichtadenomatösen kortikotropen Hypophysenzellen
primierten kortikotropen Zellen eine relevante Stimulati- zu erwarten und deuten auf ein gutes Operationsergebnis
on zu erwarten. hin, während Normalwerte auf ein hohes Rezidivrisiko
schließen lassen. Die Substitution mit Glukokortikoiden
Erst wenn durch die endokrinologischen Teste die Genese sollte bereits perioperativ begonnen werden und folgend
der Erkrankung weitgehend geklärt ist, sollten bildgeben- nur sehr langsam über Wochen bis Monate auf eine Erhal-
de Verfahren zur Lokalisationsdiagnostik eingesetzt wer- tungsdosis von 10–25 mg / Tag oral gesenkt werden, da
den. Die Kernspintomographie der Sellaregion in korona- sonst gelegentlich eine Art Entzugssymptomatik mit psy-
ren Schichten mit paralleler Untersuchung nach Gabe des chischen Alterationen beobachtet wird. Nach effektiver
Kontrastmittels Gadolinium erlaubt den Nachweis von Hy- Behandlung ist häufig eine eindrucksvolle Rückbildung der
pophysentumoren, bei bis zu 50 % der Patienten sind die Symptome zu beobachten, die jedoch bis zu einem Jahr
sehr kleinen Adenome als Ursache eines M. Cushing aber dauern kann. Ist nach der Erstoperation keine Normalisie-
nicht darstellbar. In diesen Fällen sowie bei nicht eindeuti- rung der Kortisolausschüttung zu beobachten oder ent-
ger Zuordnung durch die endokrinologische Funktions wickelt sich ein Rezidiv, kann im Einzelfall auch die Zweit-
diagnostik sollte durch gezielte Katheterisierung des Sinus operation durch einen spezialisierten Neurochirurgen dis-
cavernosus oder Sinus petrosus mit selektiver Entnahme kutiert werden. Bei Resttumor oder Rezidiv kann alternativ
venöser Proben eine Zuordnung der ACTH-Produktion zu eine Bestrahlung überlegt werden, die bei nachweisbarem
einer zentralen versus einer peripheren Quelle erfolgen. Tumor möglichst gezielt in stereotaktischer Form erfolgen
Die Aussagekraft wird durch Stimulation mit CRH gesteigert. sollte, z. B. mittels „Gamma-Knife“ oder Linearbeschleu-
niger. Im Vergleich zur klassischen Konvexbestrahlung ist
Bei Zweifeln an einer hypophysären Genese bzw. Vd. auf eine geringere Inzidenz von Hypophyseninsuffizienz,
eine ektope Quelle sollten ein Computertomogramm des Zweittumoren sowie neurologischen und psychischen
Thorax und ein nuklearmedizinisches Verfahren zum Nach- Alterationen zu erwarten. Der Effekt der Bestrahlung tritt
weis der Somatostatinrezeptor-Expression ACTH-produ- allerdings erst nach Monaten bis mehreren Jahren ein.
zierender Bronchial- und Thymuskarzinoide sowie neuro-
endokriner Neoplasien des Gastrointestinaltrakts (Octreo- Bei ektoper ACTH-Produktion neuroendokriner Tumore
tidszintigrafie oder heute besser ein 68Ga-DOTATOC-PET) sollte die Behandlung leitliniengemäß erfolgen, wie sie unter
durchgeführt werden. anderem von der ENETS publiziert worden sind. Neben-
nierenadenome als Ursache eines ACTH-unabhängigen
Für die Differentialdiagnose wie auch zur Lokalisation der Cushing-Syndroms werden in der Regel minimal-invasiv
ACTH-unabhängigen Formen eines Cushing-Syndroms operiert; die Behandlung deutlich seltener Differential
werden bei eindeutigen endokrinologischen Testergeb- diagnosen wie des Nebennierenkarzinoms sowie der AIMAH
nissen bildgebende Verfahren herangezogen. Sowohl Ade- und PGNAD sollten aufgrund der Komplexität der Therapie-
nome als auch Karzinome lassen sich mit der Dünnschicht- auswahl besonders erfahrenen Zentren überlassen werden.
Computertomographie oder mittels Kernspintomographie
darstellen. Der Stellenwert einer FDG-PET-Untersuchung Medikamentöse Therapien werden zur Überbrückung bis
zur Abgrenzung benigner von malignen Nebennierentu- zur Operation oder bis zum vollem Wirkeintritt bei Be-
moren ist unklar. strahlung eingesetzt, bzw. bei fehlender Remission durch
diese Verfahren. Erfreulicherweise sind in den letzten Jah-
ren mehrere Substanzen zur medikamentösen Therapie
Therapie zugelassen worden. Aufgrund ihres Wirkprinzips werden
Die Behandlung eines Hyperkortisolismus sollte rasch er- hierbei Substanzen mit Hemmung der kortikotropen Zel-
folgen, da er mit potentiell letalen Komplikationen verbun- len in der Hypophyse von Inhibitoren der Steroidsynthese
den ist. Bei den meisten Formen des Cushing-Syndroms in der Nebenniere unterschieden.
steht die operative Behandlung des zugrundeliegenden
Tumors im Vordergrund. Steroidsynthese-Inhibitoren eignen sich für alle Formen
des Cushing-Syndroms. Ketoconazol senkt die Cortisol-
Beim Morbus Cushing erfolgt diese in der Regel mittels ausschüttung durch Hemmung einer Vielzahl von Cyto-
eines transsphenoidalen Zugangs. Die Operation sollte chrom-P450-Enzymen. Es wird hierfür in einer Dosierung
Petersenn S. Diagnostik und Therapie des Cushing-Syndroms. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 38–43 41
State of the Art
von 2-mal 200mg / Tag bis zu 3-mal 400 mg / Tag einge- (Fludrocortison 0,05–0,1 mg / Tag). Allerdings sind immer
setzt. Auf Grund der relativ rasch einsetzenden Wirkung wieder Schwierigkeiten bei der Dosisadaption der Gluko-
sollte mit Therapiebeginn die Substitution mit Glukokor- kortikoidsubstitution im Langzeitverlauf zu beobachten.
tikoiden begonnen werden, zudem sollten aufgrund einer Da in ca. 10 % der Fälle die Entwicklung eines sog. Nelson-
seltenen, dann aber erheblichen Lebertoxizität regelmä- Tumors der Hypophyse mit aggressivem Wachstum und
ßige Kontrollen der Leberenzyme erfolgen. Während ein starker Braunfärbung der Haut bei ACTH-Spiegeln
milder, meist vorübergehender bis zu 3-facher Anstieg > 500 pg / ml zu beobachten ist, sollte – wenn nicht zuvor
toleriert werden kann, ist bei weiterem Anstieg ein Thera- bereits geschehen – insbesondere bei Makroadenomen
pieabbruch ratsam. Ein nachlassender Therapieeffekt ist eine Bestrahlung der Hypophyse bedacht werden.
bei einigen Patienten bereits nach kurzer Therapiedauer
beschrieben worden. Da es auch zu einer Hemmung der
Testosteron-Synthese führt, mit Entwicklung einer Gynä Fazit für die Praxis
komastie bei bis zu 13 % der behandelten Männer, wird es Ein Hyperkortisolismus ist mit erheblicher Morbidität und
eher bei Frauen eingesetzt. Weitere Nebenwirkungen sind Mortalität assoziiert. Aufgrund der teils unspezifischen
Magen-Darm-Beschwerden, Ödeme und Hautausschläge. Symptome wird die Diagnose häufig erst spät im Krank-
heitsverlauf gestellt. Bei Verdacht sollte rasch zunächst
Alternativ kann die Kortisolsekretion durch Metopiron ein Kortisol-Exzess geprüft und dann die ACTH-Abhängig-
(3-mal 250 mg / Tag bis zu 4-mal 1500 mg / Tag) effektiv keit überprüft werden. Therapeutisch stehen operative
gehemmt werden. Nebenwirkungen beinhalten gastro Verfahren zur Resektion des zugrundeliegenden Tumors
intestinale Beschwerden, Hypertonus, Hypokaliämie und an erster Stelle. Medikamentöse Therapien werden zur
Ödeme, sowie Hautauschläge und zentralnervöse Effekte Überbrückung bzw. bei fehlender Remission nach opera-
mit Schwindel und Trägheit. Letztere begrenzen nach ei- tiver Behandlung eingesetzt. Hier bestehen die meisten
gener Erfahrung gelegentlich die Therapie. Ansteigende Erfahrungen mit Steroid-Synthese-Hemmern. Der Soma-
Androgene bedingen bei bis zu 19 % der Frauen einen tostatin-Rezeptor-Multiligand ist zur Behandlung des Mor-
Hirsutismus, auch mit Akne. Es wird daher eher bei Män- bus Cushing zugelassen. Bei Therapieresistenz sollte auch
nern eingesetzt. eine bilaterale Adrenalektomie in Betracht gezogen werden.
Aufgrund der Komplexität der Diagnostik und Therapie
Bei ausgeprägtem Hyperkortisolismus kann akut Etomi- sollten Patienten mit Verdacht auf ein Cushing-Syndrom
date intravenös eingesetzt werden, das in niedriger Dosie- in entsprechend erfahrenen Zentren vorgestellt werden.
rung (Bolus 0,03 mg / kg KG, dann Infusion mit 0,03–
0,3 mg / kg / h) bei nur geringer zentralnervöser Wirkung Interessenkonflikte
die Kortisolsynthese ebenfalls effektiv hemmt. Bei schwe-
ren Verläufen ist eine medikamentöse Vorbehandlung Honorare für Vorträge und Beratung in Advisory Boards
hiermit vor der Operation zu überlegen, um die periope- durch die Firma Novartis.
rative Morbidität und Mortalität zu senken.
Korrespondenzadresse
Alle diese Substanzen wirken primär in der Nebenniere. Als
zentral an der Hypophyse ansetzende Substanz ist der So-
Prof. Dr. Stephan Petersenn
matostatinrezeptor-Multiligand Pasireotid zur Therapie
ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie
des Morbus Cushing zugelassen, der in einer Dosierung
Erik-Blumenfeld-Platz 27A
von 2 × 600 bis 2 × 900 ug s. c. / Tag bei der Mehrzahl der
22587 Hamburg
Patienten zu einer relevanten Senkung der Cortisolaus-
stephan.petersenn@endoc-med.de
schüttung im 24 h-Urin führt. Die anhaltende Wirkung
wurde auch in Langzeitbeobachtungen über 6 Jahre bestä-
Literatur
tigt. Die Nebenwirkungen entsprechen im Wesentlichen
denen der bereits für die Therapie der Akromegalie zuge-
1. Nieman LK, Biller BM, Findling JW et al. The diagnosis of
lassenen Somatostatinanaloga, ausgenommen einer
Cushing’s syndrome: an Endocrine Society Clinical Practice
höheren Hyperglykämierate von etwa 70 %. Guideline. J Clin Endocrinol Metab 2008; 93: 1526–1540
2. Biller BM, Grossman AB, Stewart PM et al. Treatment of
Bei Therapieresistenz sollte bei allen ACTH-abhängigen adrenocorticotropin-dependent Cushing’s syndrome: a
Formen des Cushing-Syndroms auch die bilaterale Adre- consensus statement. J Clin Endocrinol Metab 2008; 93:
nalektomie diskutiert werden, die, laparoskopisch durch- 2454–2462
geführt, mit nur sehr geringen Nebenwirkungen verbun- 3. Nieman LK, Biller BM, Findling JW et al. Treatment of
den ist. Die Komplikationen bei anhaltendem Hyperkor Cushing’s Syndrome: An Endocrine Society Clinical Practice
Guideline. J Clin Endocrinol Metab 2015; 100: 2807–2831
tisolismus sind deutlich schwerer einzuschätzen als die
4. Reincke M, Sbiera S, Hayakawa A et al. Mutations in the
Einschränkungen aufgrund der dann notwendigen Sub
deubiquitinase gene USP8 cause Cushing’s disease. Nat
stitution von Glukokortikoiden und Mineralokortikoiden Genet 2015; 47:31–38
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activation of PKA catalytic subunit in adrenal Cushing’s assessing criteria used to define remission and recurrence.
syndrome. N Engl J Med 2014; 370: 1019–1028 Eur J Endocrinol 2015; 172: R227–239
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cortisol as a diagnostic tool for Cushing’s syndrome and Metab 2015; 100: 4146–4154
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9. Petersenn S, Beckers A, Ferone D et al. Therapy of endocrine syndrome. Eur J Endocrinol 2015; 173: M23–32
disease: outcomes in patients with Cushing’s disease
Petersenn S. Diagnostik und Therapie des Cushing-Syndroms. Endokrinologie Informationen Sonderheft 2017: 38–43 43
Forum der Industrie
ACTH-Insuffizienz
Der Metyrapon-Test
Metyrapon ist ein Pyridin-Derivat, das liche Konzentration um 8 Uhr mit den Er- oxycortisol-Konzentration von 5,0 µg/dl
als Inhibitor der 11β-Hydroxylase fun- gebnissen aus dem Urin des traditionellen (144,3 nmol/l) eine Sensitivität von 64,3 %
giert und damit einen essenziellen „Liddle-Testes“ [4]. Einige Jahre später bei einer Spezifität von 82,4 %.
Schritt der Cortisol-Biosynthese hemmt. führte die Arbeitsgruppe eine 11-Desoxy-
Hieraus resultieren ein schneller Abfall cortisol-Konzentration von 7 µg/dl (ca. Insgesamt wird man sich jedoch die Frage
der Serum-Cortisol-Konzentration sowie 200 nmol/l) als Grenzwert ein, der gesunde stellen müssen, ob vergleichende Studien
ein präenzymatischer Substratanstieg, Probanden von corticotrop insuffizienten zwischen Insulin-Hypoglykämie-Test und
vor allem des 11-Desoxycortisols, ehe- Patienten unterscheiden sollte – ein Ergeb- Metyrapon-Übernacht-Test letzterem ge-
mals auch als „Compound S“ bezeichnet. nis, zu dem auch andere Arbeiten kamen recht werden. Nicht nur aus verschiedenen
Obwohl schon seit langer Zeit bekannt, [5, 6]. Der Blick auf nicht endokrinologische theoretischen Überlegungen heraus beste-
nimmt das Interesse an der diagnos- Patientenpopulationen, in denen aus ver- hen Vorbehalte gegenüber dem Insulin-
tischen Verwendung von Metyrapon schiedenen Gründen Metyrapon-Tests Hypoglykämie-Test, der einen unphysiolo-
erst seit dessen kommerzieller Verfüg- durchgeführt wurden, lässt jedoch Zweifel gischen Stimulus nutzt. So konnte in der
barkeit im Dezember 2014 in Deutsch- an der Zuverlässigkeit des Schwellenwertes Vergangenheit auch mehrfach praktisch
land (Metopiron® 250 mg Weichkapseln, aufkommen; sie deuten auf einen deutlich gezeigt werden, dass der Metyrapon-Test
HRA Pharma) merklich zu. niedrigen Cut-off in der Größenordnung mehr Patienten mit erhöhtem Risiko für
von 4,2 µg/dl (120 nmol/l) hin [7–10]. (sekundäre) Nebenniereninsuffizienzen zu
identifizieren vermag als der Insulin-Hypo-
Entwicklung des Der Vollständigkeit halber soll erwähnt glykämie-Test und somit vor allem bei
Metyrapon-Tests, wie werden, dass auch Metyrapon-Testproto- subklinischen Insuffizienzen dem Insulin-
kolle untersucht wurden, die eine Testdau- Hypoglykämie-Test überlegen sein könnte
wir ihn heute kennen er von maximal 4 Stunden aufweisen [11– [14, 15].
Liddle et al. waren wohl die Ersten, die mit 13]. Obwohl diese Testprotokolle sehr prak-
ihren Arbeiten aus den Jahren 1958 / 59 tikabel sind, ist jedoch anzumerken, dass
e rkannten, dass Metyrapon (auch als sie bis heute nicht ausreichend validiert Interpretation der
SU-4885 bezeichnet) geeignet ist, die Inte- wurden, um den Einzug in den klinischen Testergebnisse
grität der Hypophysen-Nebennieren-Achse Alltag zu schaffen. Ferner ist auch nach wie
zu überprüfen [1–3]: Durch Hemmung der vor die Durchführung des traditionellen Zur Bestätigung einer intakten Hypophy-
11β-Hydroxylase kommt es zum Abfall der Liddle-Testes möglich, der aber de facto in sen-Nebennierenrinden-Achse werden
Cortisol-Konzentration bei gleichzeitigem der klinischen Praxis, wie oben beschrie- heute üblicherweise 11-Desoxycortisol-
Anstieg von Cortisol-Vorstufen. Liddle er- ben, aus mehreren Gründen obsolet ist. Konzentrationen nach Stimulation von min-
kannte, dass das Ausmaß des Anstieges die- destens 7 µg/dl (200 nmol/l) angesehen.
ser Vorstufen als Surrogat-Marker der Funk- Weniger etabliert ist die Verwendung der
tion der Hypophysen-Nebennieren-Achse Metyrapon-Test im ACTH-Konzentration, wobei hier üblicher-
dienen kann. Vergleich mit dem Insulin- weise ein Schwellenwert von 200 ng/l
(44 pmol/l) angewandt wird. Die Cortisol-
Das ursprünglich von Liddle vorgestellte
Hypoglykämie-Test Konzentration wird nur bestimmt, um eine
Test-Protokoll verwandte eine repetitive Wie verhält es sich nun jedoch mit dem ausreichende Metyrapon-Wirkung sicher-
orale Anwendung von Metyrapon und die Metyrapon-Test im Vergleich zum Insulin- zustellen und damit „falsch negativen“ Er-
Bestimmung von 17-Ketosteroiden im Urin. Hypoglykämie-Test (IHT), der häufig als gebnissen vorzubeugen. Hiermit können
Es war damit einigermaßen „unhandlich“, Goldstandard angesehen wird? gleichzeitig Compliance sowie mögliche
langwierig und durch die Verwendung von Wechselwirkungen mit verändertem Abbau
Sammelurin ferner in der Präanalytik stör- Valide Vergleiche zwischen dem Metyra- von Metyrapon beispielsweise durch andere
anfällig. Schließlich war es die Arbeitsgrup- pon-Übernacht-Test und dem Insulin-Hy- Medikamente erfasst werden (▶ Tab. 1).
pe um Jubiz, die 1970, etwas mehr als 10 poglykämie-Test sind rar. Giodano et al. ver-
Jahre später, ein Protokoll vorstellte, das glichen in einer 2008 publizierten Arbeit die Unzureichende Anstiege von 11-Desoxy-
noch heute das am meisten angewandte Ergebnisse von 31 Patienten, die sowohl cortisol und/oder ACTH bei gleichzeitig
ist: Sie zeigte, dass die einmalige orale An- mittels Insulin-Hypoglykämie-Test als auch nicht ausreichend supprimiertem Cortisol
wendung einer Metyrapon-Dosis von ca. mittels Metyrapon-Test untersucht wur- müssen als nicht aussagekräftig und somit
30 mg/kg Körpergewicht um Mitternacht den. Sah man die Ergebnisse des IHT als Re- nicht primär als pathologisch interpretiert
zu einem Anstieg von 11-Desoxycortisol im ferenz (kategorial als „gesund“ oder „nicht werden.
Blut führt. Dabei korrelierte die morgend- gesund“), so lieferte ein Cut-off der 11-Des-
80 % Risikosteigerung
Jetzt entdecken Die Autoren erfassten dazu die Angaben zur
Intimreinigung von über 50 000 Frauen,
Was sind die C
ommunities? deren Schwestern an einem Brustkrebs er-
krankt waren. Sie stellten fest, dass die im
Studienzeitraum aufgetretenen 154 Fälle
an Ovarialkrebs mit dem Anwenden einer
Intimdusche assoziiert waren. Das Risiko
war umgerechnet um 80 % erhöht, keine Ri-
sikosteigerung trat dagegen unter der An-
wendung von Puder im Intimbereich auf.
Schilddrüse
Nach Hysterektomie
besteht höheres Risiko für
papilläres Schilddrüsen-CA
Immer wieder stoßen Forscher darauf,
dass bestimmte Krebsarten durch ande-
Die Fachcommunities sind kostenfreie ▪▪ Den direkten Zugang zu aktuellen re Erkrankungen bzw. deren Therapie
Online-Angebote der Thieme Verlags- Leitlinien, neuesten Medikamenten- begünstigt werden. So scheint es auch
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Vernetzen mit Kollegen munities finden, lesen Sie hier:
dungen über den Urin assoziiert. Schon mutter nicht entfernt wurde, erkrankten
lange weiß man um die weiteren, negativen Patientinnen mit Hysterektomie wahr-
Folgen der übertriebenen Reinigung, so scheinlicher an einem papillären Schilddrü-
steigt z. B. das Risiko für Infektionen und senkarzinom (HR: 1,70). Das Risiko für diese
Geschlechtskrankheiten an. Trotzdem wen- Frauen war signifikant erhöht. Dagegen