vorgelegt von
Guo Xiu
Matrikelnummer: 2766447
Modul (M.06.880.0510):
Sprach- und/oder Translationswissenschaft (Deutsch): Übersetzen und Dolmetschen
als Forschungsfeld
Veranstaltung (06.880.0511):
Übersetzungstheorien der deutschen Klassik und Romantik
0
Einleitung
Die Bedeutung von Romantik ist vielschichtig. Außer der Bedeutung einer
Literaturepoche wird sie auch als eine historische Epoche angesehen. Die Romantik
gilt in der Geschichte als eine turbulente Zeit, wo zahlreiche tiefgreifende
gesellschaftliche Ereignisse geschehen sind. Von den Folgen des Dreißigjährigen
Kriegs über den napoleonischen Eroberungskrieg bis zum Befreiungskrieg ist auf
den allen gesellschaftlichen Ebenen wie Bürgerleben, Politik und Literatur die starke
Gegenkraft entstanden, und zwar eine Art Nationalgefühl, weshalb diese Epoche
auch Nationalromantik genannt wird. Große Änderungen wurde auch vorgenommen
auf der Ebene der deutschen Sprache: Auf der Suche nach einer einheitlichen Nation
wurde großer Wert auf eine einheitliche Sprache gelegt und die deutsche
Nationalsprache hat im Laufe der Zeit Form angenommen. Die heutigen gängigen
Sprach- sowie Translationsauffassungen sind genau auf diese Zeit zurückzuführen.
Schleiermacher zählt zu den Vertretern dieses Gebiets und fördert aktiv den Aufbau
der deutschen Nationalsprache, und zwar dadurch, dass er die Fremdelementen der
ausländischen Werke bei der Übersetzung ins Deutsche begrüßt. Im vorliegenden
Essay wird rund um das Thema „die Entstehung der deutschen Nationalsprache“ auf
die Epoche selbe, seine historischen und geistigen Hintergründe sowie die konkrete
Übersetzungsfassung von Schleiermacher eingegangen.
Vor allem ist es wichtig, den Begriff Romantik zu erklären. Das Wort Romantik ist
deutlich älter als die Epoche selbst und ist schon im 17. Jahrhundert entstanden.
Gemeint wird damit die Eigenart romanhaften Erzählens im Roman und der
Romanze, die abenteuerlich, fantastisch, erfunden und zugleich volkstümlich sind
und in der jeweiligen Volkssprache verfasst wurden 1, womit Romantik sich von der
Klassik unterscheidet, da sie ist nur für wenige Gebildete zugänglich. Diese Epoche
beginnt in Deutschland ca. im Jahr 1798 und endet im Jahr 1835. Es können
eigentlich keine genauen Grenzen gezogen werden, weil die Übergänge zwischen
1
Vgl. https://www.pohlw.de/literatur/epochen/romantik/ (letzter Zugriff: 12.03.2022)
1
Klassik und Romantik fast nahtlos und die beiden Epochen sogar überlappt sind.
Klar ist aber, dass diese Bewegung mit seinen Nachwirkungen in Deutschland sehr
lang gedauert hat.
Die Sprache in der romantischen Zeit lässt sich mit einem Wort zusammenfassen,
und zwar „zersplittert“. Die Entwicklung der Sprache ist auf drei Phasen
zurückzuführen. Die erste Phase war die Zeit in dem dreißigjährigen Krieg, wo vor
allem sich das alte Reich von einer Einheit in zahlreiche Territorien und
Landesfürstentümer aufgelöst hat. Dies hat bis zum Befreiungskrieg gedauert, was
direkt dazu führt, dass die Sprache nur sehr schwer vereinheitlicht werden konnte.
Wegen des Kriegs war die Entwicklung dieses Gebiets sowohl wirtschaftlich und
politisch als auch kulturell stark eingeschränkt. Während in Frankreich, England,
Niederländern und Italien sich ihre Nationalsprachen ab und zu geformt haben, hat
für das damalige Deutschland aber eine territoriale Basis für die Entstehung und
Pflege einer Sprache gefehlt.
Die zweite Phase ist die Zeit, wo Latein und Französisch die herrschende Stellung in
den Fürstenhöfen angenommen haben. In dem 30-jährigen Krieg waren Fürsten und
Hochadel die größten Sieger. Was sie vom Krieg profitiert haben, war nicht nur der
Boden und ihre Privilegien, sondern auch einen besseren Bildungsstand, wodurch sie
im Laufe der Zeit immer stärker von den Mittel- und Unterschichten unterschieden
haben. Fürsten und Adel in der sogenannten Oberschicht haben zu jener Zeit dazu
tendiert, in der Bildung und Wissenschaft Latein zu benutzen. Nachdem die aus
Frankreich stammende Aufklärung in Europa starke geistige Welle erregt hat, ist die
deutsche Kultur der französischen Vorbildstellung unterlegen, weshalb auch die
französische Sprache allmählich ins Leben und die Bildung der oberschichtlichen
Menschen durchgedrungen ist. 2 Die Zeit war durch eine Dreisprachigkeit von
Französisch, Latein und Deutsch geprägt, wobei die deutsche Sprache der
Hinwendung der Oberklassen zu Französisch und Latein ausgesetzt war und als
Sprache der Mittel- und Unterschichten, also „Volkssprache“ gesehen wurde. So
wurde im 17. und 18. Jahrhundert die Entwicklung der deutschen Sprache zu einer
Nationalsprache stark verzögert.
2
Polenz, Peter von: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Berlin: New
York: De Gruyter, 2011. Band 2, S.1.
2
Die dritte Phase war die Zeit um 1806, wo das damalige Preußen von Napoleons
Armee erobert wurde. Vor allem haben sich Fürsten und Adel politisch gedemütigt
gefühlt und wegen der hohen Kriegskosten und der Härte französischen Armee war
die mittel- und unterschichtliche Bevölkerung auch nicht zufrieden. Somit wurden
bei den preußischen Menschen eine anti-französische Einstellung und eine Art
patriotischen Gefühls erzeugt, weswegen die Epoche auch mit Nationalromantik
bezeichnet wurde. Das ist der eine Grund dafür, dass am Anfang 19. Jahrhundert eine
starke Neigung zu der eigenen deutschen Kultur sowie der deutschen Sprache
entstanden ist.3 Ein anderer Grund liegt darin, dass die Mittel- und Unterschichten
stark gegen Französisch als Bildungs- und Wissenschaftssprache für die Oberschicht
protestiert haben, weil ohne lateinische und französische Sprachkenntnis eine bessere
Erziehung für sie nicht leicht erreichbar war wie für die Hochgestellten. Die deutsche
Sprache hat auf diese Art und Weise an immer größerer Bedeutung gewonnen und
wurde von einer Landessprache ständig zur Nationalsprache.
Dann durch die Befreiungskriege am Anfang 19. Jahrhunderts, und zwar nachdem
die deutsche Sprache die Stellung von Latein und Französisch allmählich ersetzt und
nicht mehr der Existenzgefährdung konfrontiert hat, hat sich der Patriotismus aus der
napoleonischen Zeit mit irrationalen und fremdfeindlichen Komponenten weiterhin
zum Sprachpurismus verstärkt. Der Umgang mit Sprache wurde politisiert, mehr
Interessierten haben sich auf die Pflege und Weiterreinigung ihrer Sprache
3
Vgl. Ebd. Band 3, S.11.
3
konzentriert und diese sind zu einer spezielleren Aufgabe übergangen.4 Anhänger der
sprachpuristischen Idee gehen davon aus, dass ausländische Sprachelemente die
Reinheit der deutschen Sprache beeinträchtigt. Lehnwörter und fremde
Sprachwendungen wurden pauschal als negativ und schädlich für die deutsche
Sprache betrachtet, wobei das damalige Deutsch wegen Einflüsse der lateinischen
und französischen Sprachen im eigentlichen Sinne schon längst eine Mischsprache
war.5
Die Zeit von 1789 bis 1819 gilt als eine Übergangsphase der deutschen Sprache. Bis
zu dem Befreiungskrieg ist das damalige Deutschland durch die territoriale
Zersplitterung geprägt, wobei die Sprache insofern auch eine nicht-festgelegte
romantische Sprache war. In den Kriegszeiten sowie der politischen und kulturellen
Instabilität schien eine naturgewollte politische und gesellschaftliche Ordnung zu
jener Zeit wertvoller zu sein als in einer friedlichen und ruhigen Zeit, so ist es auch in
der Sprache.
4
Vgl. Ebd. Band 3, S. 266.
5
Vgl. Ebd. Band 1, S.5.
6
Vgl. Ebd. Band 2, S.107.
4
Übersetzung für Schleiermacher
Bevor auf seine konkrete Übersetzungstheorie eingegangen wird, soll erklärt werden,
warum Schleiermacher die Übersetzung als Weg zur Nationalsprache betrachtet. Ihm
zufolge findet Übersetzung nicht nur in der zweisprachigen Kommunikation, sondern
innerhalb einer Sprache und sogar innerhalb des Denkens einer Person zu
verschiedenen Zeitpunkten statt. Die Worte des anderen, der die gleiche Sprache wie
wir spricht, werden nach unserer Wiedertonung uns zum Gedanken gemacht und der
Wirkungskreis seiner Worte werden dadurch vergrößert, wobei wir dem Geist der
Worte nährgebracht wird. Und was wir vor einer langen Zeit geschrieben oder
gesprochen haben, müssen wir noch durch unsere „Übersetzung“ neu begreifen. Egal
5
ob die Worte aus anderen Kulturen und Sprachen, aus der gleichen Sprachen oder
aus der gleichen Person stammen, sind sie Schleiermacher zufolge beim Verstehen
mit anderen Worten neu interpretiert, „übersetzt“, oder metaphorisch gesagt, auf
anderen Boden „verpflanzt“.7
„Entweder der Uebersezer läßt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt den
Leser ihm entgegen; oder er läßt den Leser möglichst in Ruhe und bewegt den
Schriftsteller ihm entgegen.“9
Im ersten Fall meint er, dass der Übersetzer zuerst ein Bild durch seine Kenntnis der
Ursprache aus dem Werk erhält und er den Lesern das Bild dann auf der Zielsprache
mitteilt. Auf diese Weise ergänzt er die fehlende Kenntnis der Leser über das Werk
7
Schleiermacher, Friedrich (1813). „Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens“. Der Text
ist gescannt aus: Das Problem des Übersetzens, Hg. von Hans Joachim Störig, Stuttgart 1963.
In: https://sites.unimi.it/dililefi/costazza/programmi/2006-07/Schleiermacher.pdf (letzter
Zugriff: 15.03.2022). S.1.
8
Ebd. S.2.
9
Ebd. S.5.
6
bzw. die Zielsprache und bringt die Leser an eine für sie fremde Stelle, wobei sowohl
die Leser als auch der Autor zu ihm bringt werden und der Autor möglichst in Ruhe
gelassen wird. Im zweiten Fall ist die Situation umgekehrt: Was man davon erwartet,
ist den Autor wie ein Mensch der Zielsprache reden zu lassen, d.h. der Autor wird
über die Stelle des Übersetzers an die der Leser gebracht. Man spricht auch für eine
für die Leser anpassende oder verfremdete Übersetzung. Wenn man an das
Lesegefühl denkt, sind im ersten Fall die Leser der Existenz der Fremdheit bewusst
und sich darüber im Klaren, dass der Text aus einer fremden Sprache übersetzt wird,
was sie im zweiten Fall nicht merkt. Die erstere hat das Verstehen des Werks und der
Zielsprache zum Ziel, während die letztere das glatte Lesen und eine Überwindung
fremder Elemente sowie das ungewöhnliche Lesegefühl betont. Das Problem bezieht
sich genau darauf, wie sich der Übersetzer mit der Beziehung zwischen dem Autor
und den Lesern umgeht. Die jeweilige Richtung Schleiermachers beiden Methoden
lassen so verdeutlichen:
Er metaphorisiert im ersten Fall das Werk mit einem Kind, dessen Mutter der Geist
des Autors und Vater die Ursprache ist und der Zieltext ist nicht anders als ein
anderes Kind, geboren von einem anderen Vater. Schleiermacher zufolge ist die
Anwendbarkeit dieser Methode „fast gleich Null“ 10 , da es im alltäglichen Leben
schon wenige Wörter gibt, deren Bedeutungsbereich so vollkommend mit den der
anderen Kultur gleich ist, damit sie in jeder Anwendungssituation benutzt werden
können. Und je mehr der zu übersetzende Text philosophischen Gehalt beinhaltet,
desto schwieriger ist dann das Problem. Er geht davon aus, dass die Begriffe der
einzelnen Kultur basiert auf ihrer Wirklichkeit geschaffen werden und deshalb ihre
Eigentümlichkeit verfügt. Und die Begriffe berühren, verbinden und ergänzen sich
beim Zusammenstoßen in der Kommunikation und bilden zusammen das ganze
System, das sich von den anderen Systemen unterscheidet. Was der Übersetzer tun
soll, ist, den Lesern den Geist des Autors sowie der Sprache zu übermitteln, und zwar
10
Ebd. S.12.
7
dadurch, dass er in der Zielsprache Änderungen vornimmt, damit die Andersheit der
Ursprache nicht verloren geht.
Denkt man an den oben erwähnte Sprachzustand vom 17. bis Anfang 18. Jahrhundert,
wird der Zusammenhang zwischen einer für die Leser verfremdete Übersetzung und
dem Aufbau der Nationalsprache erstellt. Schleiermacher las in seiner Abhandlung:
Im Gegensatz zu der Ablehnung fremder Elemente sieht er die positive Seite ihrer
Integration. Der Grund lässt sich insgesamt aus zwei Aspekten begründen: Auf der
sprachinternen Seite nehme ich an, dass Schleiermacher das Zusammentreffen
ausländischer Sprachsysteme mit dem einheimischen erwartet, weil nicht nur sich die
Begriffe in derselben Sprache verbinden und ergänzen, sondern auch die Begriffe
zweier Sprachen. Oder in anderen Worten, in der eigenen Sprache soll die
zersplitterten Ausdrücke normiert und zugleich beim Umgang mit Fremdsprache soll
die vorhandener Bedeutungsbereich der Wörter erweitert, sollen die fehlenden
Begriffe ergänzt und unnötige ausgestoßen werden. Schleiermacher wirft seinen
Blick auf das zukünftige Leben, und zwar die heutige internationalisierte Zeit, wo
man die interkulturelle Kommunikation überall findet. Wenn man schon zu jener
Zeit darum bemüht hätten, und zwar durch eine solche Übersetzungsweise, würde
11
Ebd. S.14
8
man „für die Fortbildung der Sprache weniger des Übersetzens bedürfen“.12 Ich gehe
davon aus, dass die Sprachfortbildung nicht das einzige Nutzen sein könnte, weil
dies das Lernen der Fremdsprache und zudem die zweisprachige Kommunikation
auch erleichtert. Schleier meint, dass die Vorteile fremder Wissenschaft und Kunst
mit denen der einheimischen zusammen das geschichtliche Ganze aufbauen, das für
jeden zugänglich ist.
„Dagegen dürfen wir nicht verkennen, daß viel schönes und kräftiges in der Sprache
sich erst durch das Uebersezen theils entwikkelt hat, theils aus der Vergessenheit ist
hervorgezogen worden.“13
Schleiermacher ist der Ansicht, dass sich die damalige deutsche Sprache nicht genug
ernst genommen wurde, nämlich man „plaudert“ zu viel aber „redet“ wenig. Das
Übersetzen kann dabei helfen, strengere Regel der Schreibart aufzubauen, die
Stellung und das Ansehen zu bekommen und eine Kulturnation werden zu können.
19. Jahrhundert war es notwendig, Elemente aus dem Griechischen und Lateinischen
zu importieren und auf Deutsch darzustellen, weil sie die deutsche Sprache und
Kultur bereichern können, um die sprachlichen und kulturellen Einflüsse
französischen Armee entgegenzusetzen, aus ihrem Schatten zu entkommen sowie
eine deutsche nationale Identität aufzubauen. Genau aus diesem Grund wurden zu
jener Zeit zahlreiche Übersetzungsaktivitäten unternommen.
Schleiermacher beschäftigte sich mit der Übersetzung nicht als ein bloßes Instrument
für die Kommunikation, sondern er versucht durch sie herauszufinden, wie man mit
der Fremdheit in Harmonie leben und sie in die deutsche Sprache integrieren kann.
Für Schleiermacher ist die für die Leser verfremdete Übersetzung eine sprachliche
Erneuerung bzw. Bereicherung, während die einbürgernde eine Unterwerfung der
Fremdheit ist. Der Übersetzer muss sich an diesem Punkt auf die Andersheit
zubewegen, anstatt einen eingebürgerten Kompromiss zu akzeptieren.
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Ebd. S.14
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Ebd. S.14
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Verwendete Literatur
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