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Anatomie
Zusammenfassung operativen Therapie dar. Wesentlich
für das Behandlungsresultat ist das Die Phalangen werden nicht von Musku-
Frakturen der Finger gehören zu den Ausmaß der Schädigung der Bänder, latur, sondern am Grund- und Mittelglied
häufigsten Brüchen des Menschen. Sehnen und Gleitschichten. Dem Un- von Sehnen umgeben. Die Nähe der Seh-
Oft bagatellisiert, haben sie dennoch fallschaden sollte deshalb nur ein nen zum Knochen begünstigt die Entste-
nicht selten erhebliche Beeinträchti- möglichst geringer operationsbeding- hung von Verklebungen, insbesondere
gungen der Gebrauchsfähigkeit der ter Schaden hinzugefügt werden. An nach Ruhigstellung. Beträgt die Dauer
gesamten Hand zur Folge. Die über- Implantaten werden kleindimensio- der Immobilisation maximal 4 Wochen,
wiegende Anzahl der Frakturen sind nierte Platten und Schrauben aus Titan so kann die aktive Funktion zu 80 % wie-
primär oder nach geschlossener Repo- sowie Kirschner-Drähte verwendet. dererlangt werden [9]. Jedoch ist nicht
sition stabil und können nichtoperativ Der Einsatz des Fixateur externe be- nur die Dauer, sondern auch die Art der
behandelt werden. Eine Ruhigstellung schränkt sich auf Frakturen mit höher- Ruhigstellung von entscheidender Wich-
der Mittel- und Endgelenke in Stre- gradigem Weichteilschaden. tigkeit.
ckung, der Grundgelenke in Beugung
für nicht länger als 4 Wochen oder Frakturen mit Gelenkbeteiligung, ins-
& Die Mittel- und Endglieder müssen in
Streckstellung, das Grundgelenk in
eine frühfunktionelle Bewegungsthe- besondere am Mittelgelenk, haben
70 – 808-Beugestellung und das Hand-
rapie sind ausreichend. häufig schlechtere funktionelle Ergeb- gelenk in 30 – 408-Streckstellung immo-
nisse zur Folge als Schaftfrakturen und bilisiert werden.
Instabile, offene oder gelenkbetreffen- erfordern spezielle Verfahren.
de Frakturen stellen Indikationen zur In dieser so genannten Intrinsic-plus-Po-
sition kommt es nicht zur Verkürzung der
Seitenbänder im Mittel- und Grundge-
lenk, Einsteifungen in ungünstiger Stel-
achsgerechter Stellung mit der Möglich- lung werden so vermieden (Abb.1).
Einleitung
keit der frühzeitigen Bewegung der Ge-
Bunnell sagte 1956: Frakturen der Finger lenke sowie weichteilschonende Zugänge Klassifikation
sind so häufig und haben derartig hohe sind hierfür grundlegende Voraussetzun-
Folgeschäden, dass sie den Versiche- gen und somit Behandlungsziel. Für die Frakturen im Handbereich wurde
rungsträgern vergleichbar hohe Kosten die AO-Klassifikation der Frakturen 1997
wie die Frakturen der langen Röhrenkno- erweitert [6]. Die ersten drei Ziffern be-
chen verursachen [2]. Es ist schwer nach- zeichnen den Strahl und die Lokalisation.
prüfbar, ob diese Aussage in der heutigen
Zeit noch gültig ist, aber dennoch sind Abb.1 Intrinsic-
Fehlstellungen oder Einsteifungen durch- plus-Stellung.
aus keine seltenen Folgen nach Finger-
frakturen, die zu den häufigsten Kno-
chenbrüchen beim Menschen zählen.
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Abb. 2a – c AO-
Klassifikation der Tab. 1 Indikation zur operativen Therapie
Hand. Schaftfraktu-
offene Frakturen
ren (a), metaphysäre
Frakturen (b), Ge- Gelenkstufen
lenkfrakturen (c). nicht reponierbare oder auf der Schiene
retinierbare Fehlstellungen (Rotations-
fehler, Verkürzungen, Achsfehlstellun-
gen)
relative Indikation ist der Wunsch des
Patienten, längere Ruhigstellung zu ver-
meiden.
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In Leitungsanästhesie wird die Fraktur
durch Längszug reponiert. Die Reten-
tion erfolgt auf einer palmaren Schiene
in Intrinsic-plus-Stellung. Grundsätzlich
sollte die Ruhigstellung außer am Endge-
lenk nicht länger als 3 Wochen andauern,
gefolgt von einer funktionellen Übungs-
behandlung. Nach insgesamt 6 Wochen
besteht im Allgemeinen volle Belastbar-
keit.
Operative Behandlung
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OP-JOURNAL 3/2001
Abb. 4 Mini-Implantate.
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Endgliedfrakturen
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OP-JOURNAL 3/2001
a b a
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Abb. 6 Dorsale Endgliedbasisfraktur mit
mehr als 50 % Gelenkflächenanteil, präopera- a
tiv (a) mit Zuggurtung versorgt (b).
b
b
4 Wochen entfernt werden, können
Schrauben und Platten belassen bleiben.
Schaftfrakturen
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OP-JOURNAL 3/2001
Die Drähte dürfen sich nicht in Höhe der als die seitliche, verlangt jedoch eine
Tab. 2 Osteosyntheseverfahren zur Be-
Fraktur überkreuzen, da dies die Rotati- schonende Präparationstechnik, um Ver-
handlung von Schaftfrakturen
onsstabilität erheblich vermindert. Es klebungen der Strecksehne zu vermei-
Kirschner-Drahtosteosynthese sollte niedrigtourig gebohrt werden, um den. Die Technik der interfragmentären
Zugschraubenosteosynthese Hitzeschäden und ein frühes Lockern Kompresssion unter Ausnutzung des
der Drähte zu vermeiden. Nach Kirsch- Gleitlochprinzips oder durch Verwen-
Plattenosteosynthese ner-Drahtstabilisierung muss für drei dung von Zugschrauben unterscheidet
Fixateur externe Wochen ruhiggestellt werden, da im All- sich prinzipiell nicht von den Osteosyn-
gemeinen keine Übungsstabilität zu er- thesen an großen Knochen (Abb.13 a, b).
reichen ist. Die Drähte werden nach 5 Die heute verfügbaren flachen Titanim-
a
Wochen entfernt. plantate verursachen kaum Weichteilirri-
tationen, so dass eine Materialentfernung
& Schräg- oder Torsionsfrakturen weisen nicht nötig ist.
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immer einen Rotationsfehler auf, der
sich mittels konservativer Methoden & Die offenen oder geschlossenen Fraktu-
oft nicht korrigieren lässt. Bei diesen Brü- ren mit erheblichem Weichteilschaden
chen empfiehlt sich die exakte Reposi- sind die Domäne des Fixateur externe.
tion und Zugschraubenosteosynthese. Die Schanz-Schräubchen werden seitlich
eingebracht um den Strecksehnenappa-
Gelingt die Reposition unter Bildverstär- rat möglichst wenig zu irritieren.
ker geschlossen, so können die Schrauben
auch durch Stichinzisionen eingebracht Die Montage kann gelenküberschreitend
b werden (Abb.12 a, b). erfolgen, auch Kombinationen mit
Kirschner-Drähten oder -Schrauben sind
Liegen mehrere Fragmente vor, besteht möglich. (s. Abb.14). Nach knöcherner
die Indikation zur Plattenosteosynthese. Ausheilung (6 Wochen) kann der Fixateur
entfernt werden).
Die dorsale Plattenlage auf der Zuggur-
tungsseite ist biomechanisch günstiger Proximale Gelenkfrakturen
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a Fraktur über Ligamentotaxis und die Be- bei der notwendigen Stabilisierung insta-
seitigung der Luxationstendenz durch biler Frakturen. Spezielle Verfahren er-
Hebelwirkung über die eingebrachten möglichen die Anwendung des Grundsat-
Drähte (Abb.15 a, b, c). zes der frühestmöglichen Bewegung auch
bei den weiterhin problematischen Frak-
Durch Überstreckung kommt es sehr turen des Mittelgliedes.
häufig zum knöchernen Abriss der pal-
maren Platte von der Mittelgelenksbasis. Literatur
Diese kräftige bindegewebig-knorpelige
1
Platte bildet beugeseitig die Gelenkkap- Bayer-Sandow T, Brüser P. Die dynamische
sel und wirkt in Verbindung mit den Sei- Behandlung von intraartikulären Mittel-
gliedbasisfrakturen mit dem Bewegungsfi-
tenbändern als Bremse gegen überstre- xateur nach Suzuki. Handchir Mikrochir
ckende Kräfte. Die Behandlung erfolgt Plast Chir 2001; 33: 267 – 270
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2
b überwiegend in Form einer 2-wöchigen Bunnel S. Surgery of the hand. Lippincott,
Ruhigstellung in Streckstellung z. B. mit Philadelphia London 1956
3
Ender HG, Hintringer W. Die perkutane Ver-
der PIP-Stack-Schiene, gefolgt von einer sorgung von knöchernen Ausrissen der
Freigabe der Beweglichkeit, ggf. zusätz- Strecksehnen und Seitenbänder an den Fin-
lich geschützt durch Tape-Fixierung an gern mit dem „Hakendraht“. Unfallchirugie
den Nachbarfinger. Lediglich große ver- 1986; 12: 143 – 147
4
Hintringer W, Ender H-G. Perkutane Versor-
drehte Fragmente mit zusätzlicher Insta- gung von intraartikulären Frakturen der Fin-
bilität der Seitenbänder erfordern die germittelglieder. Handchir Mikrochir Plast
operative Refixierung durch transossäre Chir 1986; 18: 356 – 362
5
Naht mit nichtresorbierbarem Faden Hintringer W, Leixnering M. Knöcherne oder
ligamentäre Verletzungen am Mittelgelenk
der Stärke 3-0, wobei die palmare Platte und ihre Behandlung. Handchir Mikrochir
c von palmar u-förmig gefasst und der Fa- Plast Chir 1991; 23: 59 – 66
6
den über eine Stichinzision in der Mitte Petracic B, Siebert H. AO-Klassifikation der
des Mittelgliedes streckseitig verknotet Frakturen des Handskeletts. Handchir Mik-
rochir Plast Chir 1998; 30: 40 – 44
wird [5]. Die Ruhigstellung ist die gleiche 7
Pezzei Ch, Leixnering M, Hintringer W. Die
wie bei nichtoperativer Therapie. funktionelle Behandlung von Grundglied-
frakturen der dreigliedrigen Finger. Hand-
Knöcherne Abrisse des Mittelzügels der chir Mikrochir Plast Chir 1993; 25: 267 – 270
8
Schaefer M, Siebert HR. Finger- und Mittel-
Strecksehne haben eine Knopflochdefor- handfrakturen, Operative und nicht operati-
mität zur Folge, bei der das Mittelgelenk ve Behandlungsverfahren, Teil 1. Der Unfall-
nicht mehr vollständig gestreckt werden chirurg 2000; 103: 482 – 494
9
kann und das Endgelenk in Überstre- Strickland JW, Streichen JB, Kleinmann WB,
Abb.15 Dynamische Extensionsbehandlung Flynn N. Factors influencing digital perform-
einer Pilon-Fraktur der Mittelgliedbasis durch ckung steht. Diese Abrissfragmente soll- ance after phalangeal fracture. In: (eds) Dif-
die Montageanordnung kommt es zur Reposi- ten deshalb exakt reponiert und mittels ficult problems in hand surgery. Vol 15, Mos-
tion der vorher luxierten Fraktur (a) unter blei- Zuggurtung oder Zugschraube übungs- by, St. Louis 1982; 126 – 129
bendem Längszug (b) kann das Gelenk früh- stabil fixiert werden.
zeitig beübt werden (c).
An der Grundgliedbasis gibt es ebenfalls Dr. med. Peter Laier
Impressionen der Gelenkfläche; im Un- Oberarzt
terschied zur Mittelgliedbasis sind funk- Dr. med. Philipp Morakis
tringer [4] ist die Aufstößelung der Ge- tionelle Störungen jedoch gering. Die Assistenzarzt
lenkfläche gegen das intakte Grundglied- operative Wiederherstellung der Gelenk- Prof. Dr. med. Ulrich Pfister
köpfchen durch einen von distal einge- fläche ist oftmals schwierig. Größere Klinikdirektor
brachten hockeyschlägerförmig umgebo- Fragmente mit mehr als 40 % Gelenk-
genen K-Draht von 0,8 mm Stärke unter flächenanteil und Stufen von mehr als Klinik für Unfall-, Hand-
Bildverstärkerkontrolle. Die so reponierte 1 mm sollten jedoch mit Zuggurtungen und Wiederherstellungschirurgie
Gelenkfläche wird durch perkutan einge- oder Zugschrauben möglichst anato- Klinikum Karlsruhe
brachte K-Drähte gitterförmig unterfüt- misch übungsstabil fixiert werden. Be- Moltkestr. 90
tert und abgestützt. Die Nachbehandlung steht keine Chance auf Rekonstruktion, D-76133 Karlsruhe
erfolgt früh funktionell, da bei diesen sollte frühfunktionell ohne Ruhigstellung
Frakturen mit erheblicher und schnell behandelt werden.
eintretender Gelenksteife zu rechnen ist.
Schlussfolgerung
Das zweite Verfahren ist eine Reposition
der Fraktur durch kontinuierlichen Der Grundsatz, nur kurz ruhigzustellen,
Längszug über spezielle Fixateur externes wenn möglich sogar sofort funktionell
oder externer K-Drahtmontagen [1], die zu behandeln, ist bei den Fingerfrakturen
eine sofortige aktive und passive Beweg- auch in der nichtoperativen Behandlung
lichkeit im betroffenen Gelenk ermögli- etabliert. Weichteilschonende Operati-
chen. Das gemeinsame Prinzip dieser äu- onstechnik sowie verbesserte Implantat-
ßeren Montagen ist die Reposition der designs vermeiden zusätzliche Schäden
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