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Ich wünsche allen, denen es in die Hände fällt, viel Spaß an den Ideen
eines großen Fans.
S. P. Esch
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Schadensaufnahme
Nachdem etwa eine Stunde vergangen war und alle ihr Frühstück
beendet hatten, ertönte erneut Professor McGonagalls Stimme. »Alle, die
beim Wiederaufbau von Hogwarts helfen wollen, versammeln sich in
einer halben Stunde im Unterrichtsraum für Verwandlung. Für diejeni-
gen, die nicht wissen, wo das ist: folgen Sie einfach den Schülern! Ich bin
sicher, von ihnen werden sich ebenfalls ein paar beteiligen wollen. Die
Gruppe der Freiwilligen, die die Gräber vorbereiten, trifft sich ebenfalls
in einer halben Stunde an Dumbledores Grabstätte. Das Mittagessen
findet zur gewohnten Zeit statt, weitere Absprachen erfolgen danach.
Noch Fragen?« Niemand meldete sich, und somit verließ Professor
McGonagall den Saal.
»Ich würde auch gerne helfen, Hogwarts wieder mit aufzubauen«,
seufzte Hermine, »aber ob Bellatrix Lestranges Zauberstab dafür das
richtige Instrument ist? Mein eigener wäre mir tausendmal lieber. Dieses
Ding der Todesser-Hexe fühlt sich einfach immer noch fremd und
bösartig an, wenn ich es in meiner Hand halte. Jetzt kann ich nachvoll-
ziehen was du meintest, Harry, als du sagtest, du könnest mit dem
Schwarzdornstab nicht richtig zaubern. Damals hab ich es nicht verstan-
den, aber jetzt habe ich selbst erfahren, wie es ist, wenn es sich einfach
falsch anfühlt.«
Ein Geistesblitz durchfuhr Harrys Gedanken. »Dein Stab ist in Malfoys
Gutshaus geblieben. Ich glaube nicht, dass die ganzen schwarzen Zauber
um das Anwesen noch intakt sind. Es müsste doch möglich sein, ihn mit
einem Aufrufezauber hierher zu befehlen.«
»Aber Harry, über diese Entfernung?« Hermines Stimme klang un-
überhörbar zweifelnd.
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Am nächsten Morgen erwachten sie spät. Fast alle anderen, die sich
noch im Schloss aufhielten, saßen schon an den Tischen und aßen.
Glücklicherweise hatten die vier in der Nacht ihren Schlafplatz so
gewählt, dass sie nicht im Stehbereich der Tische lagen. So bestand keine
Notwendigkeit, sie zu wecken, und man hatte sie in Ruhe lassen. Ron,
Hermine, Ginny und Harry hatten sich eben aus ihren Schlafsäcken
geschält und bei ihren Freunden Platz genommen, als Professor
McGonagall sich von ihrem Stuhl erhob und das Wort ergriff:
»Liebe Schüler, verehrte Kollegen, ich habe Ihnen allen eine betrübli-
che Nachricht zu unterbreiten. Der Wiederaufbau unserer geliebten
Schule scheint unmöglich. Das Mauerwerk weist dermaßen viele gefähr-
liche Fluchschäden auf, dass selbst die Fachleute nicht sagen können, ob
diese jemals alle beseitigt werden können. Ein sicherer Wiederaufbau
setzt jedoch genau das voraus. Das Ministerium ist bereits unterrichtet,
und ich erwarte im Laufe des heutigen Tages ein Fluchbeseitigungs-
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Ignotus
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Stimmen, die seinen Namen riefen, weckten ihn. Er hatte tief und fest
geschlafen, fühlte sich erholt, frisch und voller Tatendrang. Er wusste,
was er zu tun hatte, und das würde er heute Nacht in Angriff nehmen,
wenn niemand mehr wach war und er ungestört arbeiten konnte. Harry
erhob sich, klopfte das Gras von T-Shirt und Hose und ging auf die
Stimmen zu.
»Ich bin hier, es ist alles OK!«, rief er ihnen entgegen.
»Mensch Harry!«, polterte Ginny, »uns so zu erschrecken! Wir haben
uns Sorgen um dich gemacht als du nicht da warst!«
»Was soll mir schon geschehen?«, entgegnete Harry. »Voldemort ist tot,
schon vergessen? Mir droht keine Gefahr mehr! Ach kommt, hört auf zu
schmollen. Ich bin jetzt schon ein großer Junge und kann selbst auf mich
aufpassen!«
Harrys Heiterkeit wirkte so ansteckend, dass kurze Zeit später auch
von seinen Freunden die Anspannung abfiel. Bald tobten Ginny, Ron,
Hermine, Neville, Harry und Luna ausgelassen über die Wiese, sich
gegenseitig neckend und Scherze zurufend. So gelöst war die Stimmung
der Freunde lange nicht mehr gewesen. Eine ganze Weile rannten sie
übermütig herum wie kleine Kinder, rempelten einander an, fielen ins
Gras, rappelten sich wieder auf, alberten weiter. Schließlich kamen sie
am Ufer des Sees an und ließen sich, allesamt nach Luft japsend, im
Schatten der großen Buche nieder.
»Wie kommt’s, dass du so gute Laune hast, Harry?«, fragte Ron, noch
ganz außer Atem. »Ich hätte erwartet dich kreuzunglücklich zu sehen
nach allem, was McGonagall gestern gesagt hat. Nie wieder Hogwarts,
das ist doch eigentlich ein Grund zum Trauern.«
Harrys Gesicht wurde ernst. »Ich glaube, ich habe eine Lösung für
dieses Problem gefunden, aber ebenso wenig wie ich euch erklären kann,
was ich vorhabe, weiß ich, ob ich es alleine schaffe. Ich denke, ich werde
dazu eure Hilfe brauchen – und euer Vertrauen. Das Einzige, dessen ich
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Snapes Vermächtnis
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Wahre Freundschaft
Auch Hermine zog sich schon früh in Ginnys Zimmer zurück. Sie
musste unbedingt den Brief lesen, den McGonagall ihr geschickt hatte.
Nachdem Ginny berichtet hatte, Harry fühle sich nicht gut und sei schon
zu Bett gegangen, machte sie sich ernsthafte Sorgen.
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Hermine keuchte auf. Auch diese Zeilen erinnerten sie an das, was
Aberforth ihnen über seine Schwester Ariana gesagt hatte. Beunruhigt,
aufgewühlt und ängstlich las sie weiter.
Ein Vorrat an Stärkungstrank wäre offenbar auch recht sinnvoll, da ihn die
Kontrolle seiner wachsenden magischen Potenziale wahrscheinlich eine Menge Kraft
kosten wird. Eventuell hilft es ihm, wenn er seine überbordende Energie auf ungefähr-
liche Weise austoben kann, zum Beispiel beim Quidditch oder körperlicher Arbeit.
Er sollte nicht zu viel Zeit zum Grübeln haben. Ablenkung, egal welcher Art, täte
ihm mutmaßlich gut.
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Viele Grüße,
Minerva McGonagall
Schulleiterin von Hogwarts
PS: Schicken Sie mir eine Eule, wenn Sie Hilfe brauchen!
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In Godric’s Hollow
James Potter
geboren am 27. März 1960, gestorben am 31. Oktober 1981
Lily Potter
geboren am 30. Januar 1960, gestorben am 31. Oktober 1981
Der letzte Feind, der zerstört werden wird, ist der Tod
An dieser Stelle verloren in der Nacht des 31. Oktober 1981 Lily und James
Potter ihre Leben. Ihr Sohn Harry ist bis heute der einzige Zauberer, der jemals den
Todesfluch überlebt hat. Dieses Haus, für Muggel unsichtbar, wurde in seinem
zerstörten Zustand belassen zum Gedenken an die Potters und zur Erinnerung an
die Gewalt, die ihre Familie zerriss.
»Schau Ginny, ist das nicht wundervoll? Dieses Schild muss schon hier
stehen, seit Dumbledore mich zu den Dursleys gebracht hat. Hermine
fand es unanständig, dass so viele darauf geschrieben, oder in es
hineingeritzt haben, aber ich finde es prima. Ich werde ihm einen
Ehrenplatz zukommen lassen!«
Zum ersten Mal besah er sich nun sein Elternhaus bei Tageslicht. Es
war umrankt von Efeu. Im ersten Stock war das Mauerwerk wegge-
sprengt und mehrere Fenster geborsten, sodass man ins Innere sehen
konnte. Dort musste das Kinderzimmer gewesen sein, denn in einer
Nische an der Wand erkannten seine Sucheraugen die Überreste eines
kleinen Bettes. Um das Haus herum zog sich ein von dichten Hecken
gesäumter Garten, in dem Gras, Blumen und andere Gewächse hüfthoch
und ungepflegt vor sich hin wucherten. Hinter dem Haus schien ein
Baum zu stehen. Vorsichtig öffnete Harry das Gartentor und betrat
bedächtig das Grundstück, auf dem er das erste Jahr seines Lebens
verbracht hatte. Nur wenige Schritte trennten ihn von der zertrümmer-
ten Eingangstür, durch die in jener verhängnisvollen Nacht Voldemort
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Überraschungen
Die Nacht war lau. Sie legten die Schlafsäcke im Garten aus und schlie-
fen, eng aneinander gekuschelt, unter dem klaren Sternenhimmel ein.
Die Sonne stand schon hoch am Firmament, als Ginny erwachte.
Liebevoll sah sie Harry an, der noch immer tief schlummernd und
vollkommen entspannt neben ihr lag. Welche Wohltat musste es für ihn
sein, endlich ohne Alpträume schlafen zu können und nicht mehr von
rasenden Kopfschmerzen aufgeschreckt zu werden. Ein Lächeln schlich
sich auf Harrys Gesicht. Wovon er wohl träumte? Ginny fuhr ihm sanft
durchs verstrubbelte Haar und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Mit
nach wie vor geschlossenen Lidern begann Harry sich zu recken und
strecken, dann öffneten sich seine grünen Augen und blickten Ginny
ebenso liebevoll an wie sie ihn.
»Ich habe wunderbar geschlafen, und jetzt habe ich einen Bärenhun-
ger!« Er zog Ginny zu sich herunter und begann mit einem schelmischen
Glitzern in den Augenwinkeln, an ihrem Ohrläppchen zu knabbern.
»Friss nicht alles auf einmal auf«, gluckste diese, »sonst musst du heute
Mittag verhungern!« Sie balgten sich im Gras, bevor sie sich endlich dazu
bequemten, aufzustehen.
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Harry wandte sich um und zog die bereits ein wenig vorstehende
Schublade vollständig auf. Ein einziges versiegeltes Dokument lag darin,
ansonsten war sie völlig leer. Vorsichtig nahm er es heraus, drehte das
Siegel zu sich hin und erschrak, als es sich mit einem leisen Knall
auflöste. Langsam entrollte er das Papier. Irgendetwas fiel mit einem
leisen Klirren zu Boden, aber er achtete nicht darauf. Sein Blick wurde
von dem Pergament, das nun vor ihm lag, gebannt: Seine Geburtsurkun-
de! Lange starrte er auf das Dokument. Immer wieder las er die Zeilen,
und jedes Mal blieben seine Augen am Eintrag seines eigenen Namens
hängen. Harry James Sirius Potter stand da. Bisher hatte er nur gewusst,
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Dieses Originaldokument ist das Einzige, auf dem dein vollständiger Name je
erfasst wurde. Niemand außer uns weiß davon, dass du auch den Namen deines
Paten trägst. Außer dir kann ihn auch niemand auf dem Dokument finden, denn er
ist ausschließlich für deine Augen geschrieben. Wir wollten sichergehen, dass die
Erinnerungen, die wir dir zurücklassen, nur von dir und niemand anderem angesehen
werden können, es sei denn, du selbst stimmtest dem zu.
Der Ring, der in diese Urkunde eingewickelt ist, ist die einzige Hinterlassenschaft
aus meiner Familie. Mehr als ihn wirst du wahrscheinlich nie von der Welt, in der
ich aufgewachsen bin, zu sehen bekommen, denn deine Großeltern leben bereits nicht
mehr, und deine Tante, meine Schwester Petunia, verleugnet mich. Sollte mir und
James etwas zustoßen, gehört er dir. Er ist ein sehr altes Familienerbstück. Meine
Mutter gab ihn mir an meinem 17. Geburtstag. Es war ihr Abschiedsgeschenk an
mich, als sie mich, wie es mein Wunsch war, in die Zaubererwelt entließ. Ich habe ihn
nur drei Jahre lang getragen und ihn nun hier, zusammen mit unseren Erinnerungen,
für dich zurückgelassen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Harry den Text vollständig entziffert
hatte, denn an vielen Stellen war das Pergament fleckig, als hätte seine
Mutter beim Schreiben der Zeilen geweint. Die Tinte war derart verlau-
fen, dass er seine ganze Konzentration für dessen Erarbeitung aufbieten
musste. Nun jedoch wanderten seine Augen aufmerksam über den Tisch,
aber einen Ring konnte er nirgends entdecken. Undeutlich erinnerte er
sich, beim Öffnen der Urkunde ein schwaches Klirren gehört zu haben
und wandte sich, den leuchtenden Zauberstab seiner Mutter als Lampe
benutzend, dem Boden zu. Seine freie Hand tastete suchend umher, bis
er nahe eines Tischbeines etwas erfühlte. Vorsichtig griff er danach.
Seine Finger umschlossen einen glatten, runden Gegenstand. Harry
richtete sich auf und nahm erneut auf dem einsamen Stuhl Platz.
Langsam öffnete er seine Hand – und schnappte überrascht nach Luft.
Das Licht des Zauberstabes war auf den in den Ring eingelassenen Stein
gefallen und wurde in hunderten grüner Facetten in den gesamten Raum
hinein reflektiert. Wände und Decke glitzerten wie ein schimmerndes
Sternenmeer, das jeder Bewegung Harrys folgte. In gebannter Faszinati-
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Sieh dir die Vitrine an, Harry. Hier haben James und ich all die Erinnerungen
gespeichert, von denen wir glauben, dass sie dir einen Einblick in unser Leben geben,
dir zeigen, wie wichtig Freundschaft und Vertrauen sind – und wie sehr wir dich
lieben.
Die Fläschchen sind aus unzerbrechlichem Glas, versiegelt mit einem Zauber, der
nur durch deine Berührung und die gedankliche Nennung deines vollständigen
Namens aufgehoben werden kann. Im Gartenteich ist eine steinerne, runenbedeckte
Schale verborgen. Man nennt sie »Denkarium«. Dort hinein musst du den Inhalt
der Flaschen geben. Beuge dich über die Schale, und du wirst die Erinnerung mit uns
teilen.
Ich höre Schritte, mein Sohn. Wahrscheinlich kommt dein Vater nach Hause. Ob
ich noch eine Gelegenheit bekomme, an diesem Brief weiterzuschreiben, weiß ich nicht.
Auch nicht, ob du ihn jemals lesen wirst. Aber sei versichert, dass dein Vater und ich
dich von ganzem Herzen lieben.
Deine Mutter
Ganz schwach konnte Harry den Abdruck eines Kusses auf dem
Pergament erkennen, und seine Hand, die zärtlich über das Papier strich,
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Träume
Die Dämmerung kroch schon langsam über das Land, als Ginny und
Harry mit ihren Besen auf dem Platz vor dem Pub landeten. Drinnen
waren bereits die Lampen angezündet. Das An- und Abschwellen der
Stimmen, die durch die geöffneten Fenster nach draußen drangen, ließ
vermuten, dass der Pub gut besucht war. Die beiden traten ein und
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In dieser Nacht schlief Harry tief und traumlos fast bis zum Morgen.
Draußen kroch bereits die Sonne über den Horizont, als er sich plötzlich
in einem Zimmer wiederfand, das ihm, trotzdem er es nur schemenhaft
erfasste, irgendwie bekannt vorkam. Er schien in einem Bett zu liegen.
Verwaschen nahm er eine in sich zusammengesunkene Gestalt wahr,
deren Schultern in lautlosem Schluchzen bebten, und deren Gesicht in
ihren Händen vergraben war. Sie saß auf einem Stuhl ganz nah bei ihm.
Von einer Sekunde zur Nächsten wurde Harrys Sicht einen Augenblick
lang klar – aber dieser kurze Moment reichte aus, ihn die gekrümmte
Gestalt erkennen zu lassen.
Ginny weckte ihn, ihm liebevoll eine Tasse dampfenden Kaffees
entgegenstreckend. Eine Schale voll Haferbrei hatte sie bereits neben ihn
auf den Boden gestellt. »Wie fühlst du dich heute?«, wollte sie von ihm
wissen, nachdem sie ihn sanft auf die Stirn geküsst hatte.
»Ich glaube, es ist Neville, der meine Hilfe braucht«, antwortete Harry
stattdessen. Seine Hand fuhr sachte über Ginnys Wange. »Danke«, sagte
er leise, seinen Blick auf die Tasse und die Frühstücksschale richtend.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Kann ich dich nachher mit den
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Ginny saß, ein Glas Wein in der Hand, mit Ben, Harold, Kim und
Carlo auf der Veranda. Eine Platte mit Sandwichs stand auf einem Tisch
zwischen ihnen, und sie unterhielten sich angeregt.
Carlo war der Erste, der Harry entdeckte, als dieser durch das Garten-
tor kam. Er winkte ihm, schon etwas weinselig, fröhlich zu. »Na du
Spätheimkehrer. Wir feiern hier Richtfest, und du kommst nicht bei!«
Ein Lächeln umspielte Harrys Mund, als Carlo ihn so leutselig begrüß-
te. Ginny lief auf ihren Freund zu und umarmte ihn. Er wirkte jetzt
wesentlich entspannter als am Morgen. Der Druck, der auf ihm gelastet
hatte, schien sich verringert zu haben.
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Erst kurz vor Mittag erwachten sie. Harrys Schlaf war in den letzten
Stunden wieder zusehends unruhiger geworden, und diese Unruhe hielt
an, so sehr er sich auch bemühte, sie zu unterdrücken. Nach einem
kurzen Bad im Gartenteich apparierte er zusammen mit Ginny in den
Garten des Fuchsbaus, jedoch nicht, ohne vorher den Tarnumhang unter
sein T-Shirt geschoben zu haben. Ginnys fragenden Blick beantwortete
er lediglich mit einem kurzen Heben der Schultern und dem Senken der
Lider.
Molly und Arthur Weasley freuten sich, die beiden nach fast dreiwö-
chiger Abwesenheit wieder einmal bei sich zu haben. Auch George und
Percy trafen, etwas später als Harry und Ginny, in ihrem Elternhaus ein.
Es wurde eine unbeschwerte, fröhliche Mahlzeit mit viel Gelächter und
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Geburtstag
Ginny und Harry hatten die Nacht im Garten verbracht. Zwei ruhige
Tage, in denen sie viel Zeit füreinander gehabt hatten, lagen hinter ihnen.
Sie hatten lange, gemeinsame Flüge unternommen, viel miteinander
geredet, bis weit in die Nacht eng umschlungen auf der Veranda gesessen
und in den sternenübersäten Himmel geblickt, waren spazieren gegan-
gen, und Harry hatte sich so wohlgefühlt wie seit Langem nicht mehr.
Die Alpträume hatten aufgehört, seit er die Longbottoms aus ihrem
Wahnsinn herausgeführt hatte.
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Erinnerungen
Die Ferien waren nun schon zu fast zwei Dritteln herum. Harry und
Ginny begannen erste Blicke in die Bücher zu werfen, die sie zwar schon
vor langer Zeit besorgt, bisher aber geflissentlich ignoriert hatten.
»Oje«, stöhnte Harry, als er neben Ginny auf einer Decke im Garten
des Fuchsbaus liegend, in Zauberkunst für Fortgeschrittene II blätterte. »Ich
bin das Lernen gar nicht mehr gewöhnt. Wie sehr einen ein ganzes Jahr
Pause doch raus bringen kann.«
Ginny lachte. »Der allergrößte Bücherfreund warst du doch noch nie.
Du bist eher der Typ fürs Praktische. Da macht dir so schnell keiner
mehr was vor. Das hast du, denke ich, hinreichend bewiesen.« Sie beugte
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Auf einer ihnen wohlvertrauten Wiese fanden sie sich wieder. Lily und
James waren, ihre Hände ineinander verschränkt, auf dem Weg zum
Schwarzen See. Sie mussten etwa in Harrys jetzigem Alter sein.
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Hier endeten die Erinnerungen. Harry drückte sanft Ginnys Hand, zog
sie behutsam mit sich, und Augenblicke später fanden sie sich vor dem
Denkarium kniend wieder.
Ginnys Augen waren feucht. Auch Harry musste mehrmals schlucken,
bevor seine Stimme ihm wieder gehorchte.
»Sie müssen einander sehr nahe gestanden haben, und trotz der heite-
ren Stimmung haben sie die immerwährende Bedrohung nicht vergessen
können. Dumbledore muss deine Eltern sehr gemocht haben, wenn er
sogar zu ihrer Hochzeit gekommen ist«, flüsterte Ginny ergriffen.
»Davon hat er nie etwas erwähnt. Aber das ist nicht verwunderlich. Er
hat nie viel über seine Beziehung zu meinen Eltern gesprochen. Er hat
überhaupt nie viel über sein Leben gesprochen, sonst hätten mich Rita
Kimmkorns Enthüllungen nicht so sehr aus der Bahn werfen können.
Alles, worüber er mit mir gesprochen hat, hatte irgendwie mit meinem
Leben und meiner Zukunft zu tun. Aber das ist nun vorbei. Voldemort ist
tot.« Harry war sehr nachdenklich geworden. »Vielleicht ist es gar nicht
so gut, zu viele Erinnerungen anzusehen. Mein Leben liegt in der
Zukunft, nicht in der Vergangenheit. Für heute habe ich jedenfalls
genug.« Eine Erkenntnis jedoch hatte sich tief in Harrys Gedächtnis
eingebrannt: Liebe in all ihren Facetten war ein sehr dominierender
Bestandteil im Leben seiner Eltern gewesen! Und wenn er ehrlich war,
hatte auch er selbst, seit ihn sein Weg zum ersten Mal nach Hogwarts
geführt hatte, auf verschiedene Arten und durch sehr unterschiedliche
Wesen mehr davon erfahren, als ihm lange Zeit bewusst war.
Am nächsten Morgen fand Ginny Harrys Schlafsack bereits leer als sie
erwachte. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Eilig schlüpfte sie in
ihre Kleider und stieg die Treppe hinunter. Harry saß, ebenfalls bereits
angezogen, im Wohnzimmer auf dem Sofa. Schräg neben ihm stand eine
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Der Schlaf hatte ihm gutgetan. Als er am nächsten Morgen sehr früh
erwachte, waren seine Schmerzen verschwunden. Auch sein Gesicht
fühlte sich wieder normal an. Ginny lag, tief und regelmäßig atmend, mit
vollkommen entspannten Gesichtszügen, neben ihm. Wie schön sie war,
mit ihren langen, roten Haaren, die im Laufe der Jahre dunkler geworden
waren und mittlerweile fast den gleichen Farbton erreicht hatten wie die
seiner Mutter.
Das unbemerkt belauschte Gespräch zwischen ihr und Mrs. Weasley
schob sich in sein noch etwas träges Bewusstsein, und er lächelte in sich
hinein. Zärtlich streichelte seine rechte Hand ihre Wange, ihre Stirn, glitt
durch ihr Haar. Wie gesponnenes Kupfer sickerte es durch seine Finger,
während die erste Morgenröte langsam am Horizont herauf kroch.
Ginnys kleines Zimmer begann sich mit warmem Licht in Rot-, Orange-
und Goldtönen zu füllen. Kleine Staubteilchen schwebten glitzernd in
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Zurück in Hogwarts
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Unvermutete Zusammenhänge
Der Sonntag war ebenso verregnet wie der Tag davor, daher verbrach-
ten sie die meiste Zeit wie alle ihre Mitschüler im Gemeinschaftsraum.
Ron und Neville lieferten sich einige haarsträubende Zauberschach-
Duelle. Hermine genoss es, in einer Ecke am Kamin zu sitzen und in
aller Ruhe den Sonntagspropheten zu lesen. Harry und Ginny hatten das
Sofa für sich ergattert. Harry lag über dessen gesamte Länge, den Kopf
in Ginnys Schoß, die Augen geschlossen, ließ sich von ihr das Haar
zausen und mit Popcorn füttern.
Einige der Erst- und Zweitklässler tobten durch die Gänge. Von
weitem hörte man Sir Nicholas sie immer wieder ermahnen, nicht gar so
laut zu schreien. Jedoch erst das energische Einschreiten Professor
Sinistras beendete schließlich das Gebrüll.
Je weiter die Zeit fortschritt, desto mehr Schüler füllten den
Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Die Unruhe nahm deutlich zu. Alle
schienen erleichtert zu sein, als es endlich Abendessenszeit war.
Ein ganz klein wenig tauten mittlerweile auch die Siebtklässler von
Slytherin auf, nachdem sie bemerkt hatten, dass die Blätter, die Harry
und Ron vor fast drei Wochen an alle verteilt hatten, es ihren Benutzern
tatsächlich ermöglicht hatten, einen einwandfreien Felix Felicis zu brauen.
Professor Slughorn war des Lobes voll gewesen und hatte jedem ein
Fläschchen überlassen. Harry war zufrieden. Er hatte nicht geglaubt, dass
sich die bisherige, fast feindschaftliche Beziehung zwischen den Häusern
Gryffindor und Slytherin schnell beseitigen ließe, aber erste kleine
Erfolge zeichneten sich bereits ab, auch in den anderen Jahrgangsstufen.
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Harry schreckte aus dem Schlaf. Alles war dunkel, nur der schwache
Schimmer des abnehmenden Mondes drang durch die geöffneten
Fenster herein und zeichnete silberne Streifen auf seine Bettdecke. Seine
Stirn war mit einer Schweißschicht bedeckt, aber er konnte sich nicht
erinnern, geträumt zu haben. Sein Blick glitt zu seiner Armbanduhr.
Undeutlich nahm er die Stellung der Sterne darauf wahr und interpretier-
te die Uhrzeit als kurz vor fünf. Noch einmal einzuschlafen lohnte sich
nicht, aber er konnte die Zeit, bis auch die anderen erwachen würden,
sinnvoll nutzen.
Leise erhob er sich, zog sich an, setzte seine Brille auf, steckte seine
Zauberstäbe ein, öffnete seinen Koffer und zog den Tarnumhang
heraus. Dann schlich er die Treppe hinunter, suchte sich die am wenigs-
ten einsehbare Nische im Gemeinschaftsraum, zog den Umhang über
den Kopf und rief leise nach seinem Urahn. Wie Harry es bereits
zweimal erlebt hatte, erstrahlte ein sanftes gelbes Licht, aus dem dieser
Gestalt annahm.
»Hallo Harry«, sprach Ignotus ihn lächelnd an, »wir haben uns eine
ganze Weile nicht gesehen. Gibt es irgendetwas, wobei ich dir helfen
kann?«
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Okklumentik
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Nachhilfe
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Quidditch
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Magische Rückschläge
Nach acht Stunden Unterricht war auch diese Woche geschafft. Gutge-
launt saßen die Freunde im ›Raum der Wünsche‹ zusammen. Warum
sollten sie hier immer nur Arbeiten? Ein gemütliches Feuer prasselte im
Kamin, ein Kessel voller Punsch, der an einem großen eisernen Haken
darüber hing, blubberte leise vor sich hin und verströmte einen aromati-
schen Duft. Karaffen mir Kürbissaft und Butterbier rundeten das
Getränkeangebot ab. Berge von Gebäck, belegten Broten, Würstchen
und Frikadellen türmten sich auf den Tischen (die Elfen waren wie
immer sehr spendabel gewesen), lebhafte Gespräche schwirrten hin und
her. Fast die gesamte Siebte war versammelt. Sogar von den Slytherins
waren die meisten anwesend. Carter Blackfoot hatte sich ihnen ebenso
angeschlossen wie Martin Ball, den Harry ebenfalls eingeladen hatte
mitzukommen. Es war eine so friedvolle, gelöste Atmosphäre, wie Harry
sie selten erlebt hatte. Ganz offensichtlich verlor sich allmählich die
Rivalität zwischen den einzelnen Häusern. Wie sehr es sich doch
bemerkbar machte, dass die hauptverantwortlichen Hass-Schürer Draco
Malfoy, Vincent Crabbe und Gregory Goyle die Schule nicht mehr
besuchten und auch Professor Slughorn als Hauslehrer der Slytherins
erkannt hatte, dass unterschiedliche Charaktereigenschaften nicht
unbedingt zu Feindseligkeiten aufgebauscht werden mussten. Längst
nicht alle Slytherins waren Anhänger Voldemorts gewesen. Ein Großteil
von dessen Gefolgsleuten hatte sich aus Harrys Jahrgang und unter
Snapes Protektion rekrutiert. Wie auch bei Draco waren hauptsächlich
deren Eltern, die selbst Anhänger des Dunklen Lords waren, die Initiato-
ren gewesen. Die Schüler der jetzigen siebten Klasse waren anders, und
die Jahrgänge unter ihnen auch. Das erkannte Harry deutlich. Eigentlich
hatte er sich nie vorstellen wollen, dass es tatsächlich Salazar Slytherins
Ziel gewesen sei, eine einzige reinblütige Elite in seinem Haus heranzubil-
den. Er glaubte auch noch immer nicht wirklich daran, dass der Basilisk
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Er trieb dahin in einem Meer aus Flammen. Alles brannte, seine Haut,
seine Haare, sogar sein Blut rann wie ein Strom aus Lava durch seine
Adern. Etwas berührte seine Stirn, zog sich augenblicklich zurück. Ein
Schrei, der ihn beben ließ, marterte seine Ohren, seinen Geist – noch
mehr Schmerz. Verzweifelt warf er seinen Kopf hin und her … endlich,
der Schrei verstummte, die Pein ließ ein wenig nach – aber nur für einen
kurzen Moment. Ein Film aus brodelndem rotem Nebel flimmerte hinter
seine Augen, begann, sich wie eine Spirale in seinen Kopf zu bohren und
schien sein Gehirn entzwei sprengen zu wollen. »Neiiiiiiin!«, brüllte er,
schlug mit aller Kraft auf sie ein. Sein Schädel barst, und er versank in
unendlicher Schwärze …
Harry schwebte – orientierungslos, blind. Undurchdringliche Finsternis
umgab ihn, während er selbst nichts war als Schmerz und Feuer. Von
weit weg wehten Stimmen zu ihm heran, kamen näher, hämmerten
unbarmherzig lärmend auf ihn ein, trieben wieder davon. Irgendetwas
tropfte auf sein Gesicht, zischte, sickerte durch ihn hindurch, verlor sich
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Er glühte. Sein Körper war ein einziger Schmerz. Die Helligkeit um ihn
herum stach wie Nadeln durch seine geschlossenen Lider. Eine bebende
Hand hielt die Seine, und irgendjemand schien diese immer wieder mit
einem kalten Tuch zu umwickeln. Seine Hand, die einzige Stelle seines
Körpers, die augenscheinlich nicht mehr brannte. Nicht weit von sich
entfernt vernahm er Stimmen, die ihm vage bekannt vorkamen.
»Ich kann ihm nicht helfen, Minerva, er lässt mich nicht.« Madam
Pomfrey war ratlos. »Solange er nicht wenigstens so weit zu sich kommt,
dass er uns verstehen kann, ist es aussichtslos. Was eine geistige Kon-
taktaufnahme zur Folge hat, haben Sie und Mr. Shacklebolt hinreichend
erfahren. Er bräuchte dringend eine Entlastung, aber er lässt sie nicht zu.
Ich kann ihm nicht helfen.«
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Verwandlung
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Geheimnisse Hogwarts
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Der Lärm seiner Mitbewohner riss Harry unsanft aus dem Schlaf.
»Müsst ihr so einen Radau machen?«, fuhr er die vier an.
»Was ist los, Mann?«, feixte Neville. »War dir die Nacht nicht lang
genug? Oder warste wieder mal auf Wanderschaft?« Mit einem breiten
Grinsen deutete er auf den halb vom Bett gerutschten Tarnumhang.
»Ach lass mich in Ruhe!«, blaffte Harry, der wirklich noch gar keine
Lust zum Aufstehen hatte.
»Wie Mylord wünschen!«, säuselte Ron. »Wir werden Professor
Dumbledore geflissentlich darüber in Kenntnis setzen, dass der junge
Herr zurzeit unpässlich ist und dringend der Erholung bedarf!«
Ein Kissen flog und riss Ron von den Füßen. Er landete in Deans
Armen, der ihn reflexartig auffing und wieder aufstellte. Neville und
Seamus brachen in schallendes Gelächter aus.
Harry setzte sich auf. »Ihr seid so was von gemein!«, brummte er, aber
ganz konnte er das Grinsen, dass sich auf sein Gesicht schlich, nicht
verbergen. Er verschwand im Bad, ließ sich in der Dusche eine Weile
kaltes Wasser über den Körper laufen, rubbelte sich kräftig ab und fühlte
sich danach dem Tag gewachsen.
Als er in der Großen Halle zum Frühstück erschien, sahen ihm sogar
Hermine, Ginny und Luna mit so angestrengt ernst gehaltenen Gesich-
tern entgegen, dass er genau wusste, Ron, Neville, Dean und Seamus
hatten seinen morgendlichen Auftritt bereits mit Genuss zum Besten
gegeben.
»Hast du deine Ausflüge jetzt verlegt?«, frotzelte Ginny.
Sie wollten es nicht anders, also gab er ihnen, wonach sie verlangten.
»Klar doch, was dachtest du denn?«, antwortete Harry mit todernster
Miene. »Da hab ich so viel mehr Ruhe, muss mir keine Suchaktionen
gefallen lassen, keiner vermisst mich, und niemand prügelt mich halbtot,
wenn ich zurückkomme!« Der Schalk sprühte aus seinen Augen, als er
Ginny ansah. Mit einem entrüsteten Aufschrei schwang sie sich auf
seinen Schoß und begann, ihn kräftig zu Kitzeln.
»Erbarmen«, keuchte Harry, als auch Hermine und Luna über ihn
herfielen. Gegen diese geballte weibliche Übermacht war er chancenlos.
Mit Lachtränen in den Augen ließen sie schließlich von ihm ab.
»Das kommt davon, wenn man so frech ist!«, kommentierte Ginny die
Aktion würdevoll. Eine weitere Lachsalve barst durch die Halle.
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Sichtbare Erfolge
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Die Tage glitten dahin. Der Februar ging in den März über. Harry hatte
in einer der donnerstagnachmittäglichen Privat-Doppelstunden
McGonagall mit einigen abgedrehten Verwandlungen überrascht, ihr
aber auch etliche sehr gelungene Veränderungen seines eigenen Erschei-
nungsbildes präsentiert, sodass diese ihm mit einem hintergründigen
Lächeln zu verstehen gab, sie sei zu der Überzeugung gelangt, er wäre
nun durchaus in der Lage, sich den neugierigen Blicken der Öffentlich-
keit wirkungsvoll zu entziehen. Harry lächelte ebenso hintergründig
zurück, und mit einem Kopfnicken entließ sie ihn aus ihrem Büro.
Im ›Raum der Wünsche‹ brodelte der Vielsafttrank in einer der Nischen
vor sich hin, und Ginny gelang es mittlerweile einigermaßen regelmäßig,
in ihren Reifen zu apparieren. Am ersten Dienstag des neuen Monats
folgten die Schüler des Apparierkurses Mr. Twycross erstmals auf das
weitläufige Gelände der Schule, um das Apparieren über eine längere
Strecke zu üben. Neville, Dean, Seamus, Harry und Hermine hatten sich
als anzuvisierende Ziele angeboten, daher begleiteten sie die Truppe. Es
wurde ein anstrengender, aber auch vergnüglicher, und für die meisten
erfolgreicher Nachmittag. Auf dem Rückweg wurden lautstark die
Anforderungen der auf sie zukommenden Prüfungen diskutiert, auch
wenn diese erst nach den Osterferien stattfinden würden.
Eines Nachmittags, sie hatten gerade als letzte Stunde Zusammenarbeit
Magischer Geschöpfe gehabt, hielt Bill, der sie diesmal gehalten hatte,
Harry am Ärmel fest, als er zusammen mit den anderen den Raum
verlassen wollte. »Geht ruhig schon vor«, wandte er sich an seine
Schwester, Hermine und Ron, »Harry kommt gleich nach. Ich will ihn
nur ganz kurz sprechen.« Als alle Schüler den Raum verlassen hatten,
verschloss Bill gewissenhaft die Tür, was Harry ein wenig erstaunte.
»Was gibt’s so geheimnisvolles, dass du die Tür derart verrammeln
musst?«, feixte er.
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Als die Freunde am nächsten Morgen zum Frühstück die Große Halle
betraten, saß Harry bereits zusammen mit Luna am Tisch der
Ravenclaws und schaufelte genüsslich eine riesige Portion Rührei mit
Schinken in sich hinein. Er wirkte entspannt und winkte ihnen fröhlich
zu, kaum dass sie in sein Blickfeld gerieten.
»Alles OK?«, fragte er, als sie sich gesetzt hatten, und sowohl Ron, als
auch Hermine und Ginny nickten. Damit war der gestrige Tag endgültig
abgeschlossen.
»Noch diese eine Woche, dann haben wir Osterferien«, seufzte Luna.
»Ich kann euch gar nicht sagen, wie ich mich darauf freue. Ich war so
lange nicht mehr zu Hause. Wie Paps wohl ohne mich klargekommen
ist?«
»Du hättest ihm eine Eule schicken und nachfragen können«, meinte
Neville, aber sie schüttelte nur den Kopf.
»Er hätte sich gemeldet, wenn er mich gebraucht hätte. Aber ganz
allmählich vermisse ich ihn doch.«
»Apropos Eule. Was war das eigentlich vor drei Wochen für eine
Nachricht, die du bekommen hast, Harry? Du hast doch gar keine Briefe
weg geschickt, oder?«, fragte Ron.
»Doch, einen einzigen. Hatte ich euch nicht erzählt, dass ich ein paar
Vorbereitungen für die Ferien treffen will, wenn ich den ›Schutz‹
Hogwarts’ verlassen muss? Ich hab mir einen Vorrat an Vielsafttrank
zusammengebraut, einen Verjüngungstrank und einen Alterungstrank. In
einem der Bücher, die ich benutzt habe, stand auch die Rezeptur des
Wolfsbanntranks, und da musste ich an Teddy denken. Ich hab bei
Andromeda nachgefragt, ob sich der kleine Kerl bei Vollmond verwan-
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Die Osterferien waren vorbei. Für Ron, Hermine, Ginny und Harry
brachen nun die endgültig letzten Wochen in Hogwarts an. Mit Riesen-
schritten ging es auf die Abschlussprüfungen zu. Die Siebtklässler hatten
den Eindruck, noch nie so hart arbeiten gemusst zu haben wie jetzt. In
allen Unterrichtsstunden wurde ihre volle Konzentration und Aufmerk-
samkeit verlangt. Praktische Übungen aller bisher gelernten Zauber
standen ebenso auf der Tagesordnung wie mündliche Wiederholungen
und Abfragungen. Den Schülern der Abschlussklasse rauchten die
Köpfe. Ihre Stimmung bewegte sich nicht selten knapp unterhalb des
Siedepunktes. Hermine wurde, wie immer vor Prüfungen, zusehends
nervöser. Ron fauchte jeden, der ihm irgendwie in die Quere kam,
unbarmherzig an, und Ginny wirkte oftmals verzweifelt, obwohl sie
eigentlich gar keinen Grund dazu hatte, denn sie beherrschte alles, was
gefordert wurde. Neville sah alles ziemlich locker. Er hatte es sich zur
Gewohnheit gemacht, nach spätestens eineinhalb Stunden zusätzlichen
täglichen Übens aufzuhören, egal ob er sein sich selbst gestecktes
Pensum erfüllt hatte oder nicht. Luna nahm alles mit der ihr eigenen
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Abschiedsgeschenke
Als die Schatten allmählich länger wurden füllte sich der Eberkopf
zusehends. Daraufhin verließen die Freunde Hogsmeade und begaben
sich auf den Rückweg zum Schloss. In der Eingangshalle brannten
bereits die Fackeln, und die flackernden Flammen tanzten über die
Wände.
Luna hielt Harry am Arm fest, als dieser sich anschickte, zusammen
mit Neville, Ron, Hermine und Ginny die Marmortreppe zum
Gryffindor-Turm hinaufzusteigen. »Wollten wir nicht noch zu
McGonagall?«, fragte sie, und Harry fiel siedend heiß ein, dass Helena
darum gebeten hatte, nach Einbruch der Dunkelheit zusammen mit der
Direktorin zum Büro ihrer Mutter zu kommen.
»Geht schon vor«, rief er den anderen hinterher, »ich hab noch was zu
erledigen.«
»Wie immer«, schallte es fast einstimmig die Treppe herab. Vier grin-
sende Gesichter blickten zu Harry hin.
»Ist wichtig!«, rechtfertigte er sich. Wieder ertönte es: »Wie immer!«,
bevor eine Lachsalve in die Eingangshalle hinunter jagte.
Luna zog erneut an Harrys Arm. Zusammen machten sie sich auf den
Weg zu McGonagalls Büro. Der Wasserspeier machte auch diesmal
bereitwillig Platz, als Harry ihn in Parsel ansprach, und die beiden ließen
sich von der gewundenen Treppe nach oben tragen. Luna betätigte den
bronzenen, geierköpfigen Türklopfer.
»Ja bitte?«, erklang McGonagalls kaum noch überraschte Stimme. Als
Harry die Tür aufzog und sich als erster ins Büro schob, lag ein Lächeln
auf ihrem sonst meist ernst blickenden, strengen Gesicht. »Ich hätte es
mir eigentlich denken können«, empfing sie die beiden. »Wer außer
Ihnen, Harry, kommt schon an dem steinernen Wächter vorbei, ohne
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