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Journal Club
Anaesthesiologie 2023 · 72:130–142
https://doi.org/10.1007/s00101-022-01245-1
Angenommen: 15. Dezember 2022
Fokus Notfallmedizin
Online publiziert: 5. Januar 2023
© The Author(s), under exclusive licence to 2021/2022 – Zusammenfassung
Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von
Springer Nature 2023 ausgewählter notfall-
medizinischer Studien
S. Katzenschlager · M. Obermaier · M. Kuhner · W. Spöttl · M. Dietrich · M. A. Weigand ·
F. Weilbacher · E. Popp
Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
welches innerhalb von 153 min (Q1–Q3 entsprechend der Empfehlung des ERC, Er- Etomidat vs. Ketamin zur
67–242) bzw. 119 min (Q1–Q3 30–205) wachsene nach Kreislaufstillstand gezielt Einleitung der Notfallnarkose –
nach Klinikaufnahme eingeleitet worden auf die Wahrscheinlichkeit einer koronaren eine randomisierte, kontrollierte
war. Ursache zu untersuchen und bei fehlender klinische Studie
dringlicher Indikation für eine Koronaran-
Kommentar zur Studie giographie zunächst die weitere Intensiv-
therapie mit kardiopulmonaler Stabilisie- Originalpublikation
Die vorliegende Arbeit bestätigt die feh- rung,Temperaturmanagementetc.zu initi- Matchett G, Gasanova I, Riccio CA et al (2022)
lende Überlegenheit der sofortigen Ko- ieren und die Koronarangiographie ggf. zu Etomidate versus ketamine for emergency
ronarangiographie bei hämodynamisch- einem späteren Zeitpunkt durchzuführen. endotracheal intubation: a randomized clinical
und rhythmusstabilen Erwachsenen nach Nichtsdestotrotz dürfen Erwachsene mit trial. Intensive Care Med 48:78–91. https://doi.
org/10.1007/s00134-021-06577-x
primär erfolgreicher prähospitaler Reani- einer entsprechenden Indikation für eine
mation ohne ST-Strecken-Hebungen oder sofortige oder frühe Angiographie nicht
Linksschenkelblock im EKG. Es zeigte sich übersehen werden, weshalb eine reflek-
sogar ein Trend hin zu einem schlechteren tierte Beurteilung und Reevaluierung der Hintergrund
Ergebnis bei Erwachsenen, bei denen ei- Notwendigkeit dieser in jedem Falle erfol-
ne sofortige Koronarangiographie durch- gen sollte. Die Substanzen Etomidat und Ketamin
geführt wurde. Es mag daher sinnvoll sein, kommen aufgrund ihrer relativ geringen
Hintergrund Bei persistierender Hypotension wurde die Der primäre (zusammengesetzte) End-
Volumentherapie entsprechend dem loka- punkt wurde in der Interventionsgruppe
Die Exsanguination ist die häufigste To- len Standard mit 0,9 %iger Kochsalzlösung bei 64 % und in der Kontrollgruppe bei
desursache beim Trauma – und stellt dort weitergeführt; auch die prähospitale Ap- 65 % erreicht. Die Mortalität lag bei 43 %
zugleich die häufigste vermeidbare Todes- plikation von Tranexamsäure war möglich. respektive 45 %; eine suffiziente Lactat-
ursache dar [24]. Blutprodukte zur prähos- Die intrahospitale Therapie erfolgte nach Clearance blieb bei 50 % bzw. 55 % der Per-
pitalen Transfusion sind im zivilen Ret- Maßgabe der Weiterbehandelnden und sonen aus. Auch weitere sekundäre Ziel-
tungsdienst auch im deutschsprachigen konnte (weitere) Blutprodukte beinhalten. größen unterschieden sich nicht signifi-
Raum zunehmend verfügbar. Dem Kon- Die Auswertung der Daten erfolgte ent- kant.
zept liegt die Absicht zugrunde, die in sprechend des Intention-to-treat-Prinzips In der Interventionsgruppe betrug
der innerklinischen Versorgung verfügba- in einem „Fixed-effects“-Modell. Zudem der Hämoglobinwert bei Aufnahme mit
ren und etablierten Therapieoptionen an wurden eine bayesianische Statistik sowie 13,3 g/dl signifikant höher als in der Kon-
die Einsatzstelle zu transferieren, um durch zahlreiche Subgruppen- und Sensitivitäts- trollgruppe mit 11,8 g/dl. Nur 9 Personen
deren möglichst frühzeitige Anwendung analysen durchgeführt. aus der Kontrollgruppe wiesen bei Ein-
einen Überlebensvorteil zu ermöglichen treffen in der Klinik ein Hb < 8 mg/dl
[25, 26]. Die Evidenzlage ist allerdings sehr Ergebnisse auf.
inkonsistent. So liegen nur wenige Publi- Von 2016 bis 2021 wurden 580 Erwachsene Ein signifikanter Behandlungseffekt
kationen mit heterogenem Studiendesign, identifiziert und davon 432 in die bei- konnte in keiner der Subgruppenanalysen
oft geringen Patientenzahlen, erheblichen den Studienarme randomisiert. Hiervon nachgewiesen werden. Unerwünschte
qualitativen Unterschieden sowie inkon- waren 209 in der Interventionsgruppe Ereignisse im Allgemeinen und transfu-
gruenten Ergebnissen vor [27]. mit prähospitaler Transfusion und 223 sionsassoziierte Komplikationen im Spe-
in der Kontrollgruppe mit Kochsalzlö- ziellen waren in Interventions- und Kon-
Studie sung. Aufgrund der COVID-19-Pandemie trollgruppe vergleichbar; es traten keine
musste die Studie kurz vor Erreichen transfusionsassoziierten Todesfälle auf.
Methodik der kalkulierten 490 Einschlüsse abge-
Die randomisierte kontrollierte RePHILL- brochen werden. Sowohl demografische Kommentar zur Studie
Studie [28] untersuchte an 4 Notarzt- als auch Patient:innen-, Verletzungs- und
standorten im Vereinigten Königreich, ob Therapiefaktoren waren homogen auf die Die RePHILL-Studie ist die erste große,
die prähospitale Transfusion von jeweils Studienarme verteilt. Der überwiegende qualitativ hochwertige prospektive, mul-
bis zu 2 Einheiten Erythrozytenkonzentrat Anteil der Erwachsenen war männlich tizentrische, randomisierte, kontrollierte
(EK) bzw. lyophilisierten Plasmas (Lyo- (82 %) und im Median 38 Jahre alt. Der Phase-3-Studie, die sich diesem relevan-
Plas) im Vergleich mit bis zu 1 l 0,9 %iger mediane Injury Severity Score lag bei 36, ten notfallmedizinischen Thema widmet
Kochsalzlösung zu einer geringeren Mor- was einer erheblichen Verletzungsschwere und neben laborchemischen und klini-
talität und/oder einer erhöhten Lactat- entspricht, mit einer überwiegenden An- schen Zielgrößen auch die Mortalität
Clearance führte. Primäre Zielgröße war zahl an stumpfen Traumen (78 und 80 %, während der gesamten Akutphase unter-
ein zusammengesetzter Endpunkt aus Tod resp.). Herzfrequenz und Blutdruck lagen sucht [28]. Sie konnte keinen statistisch
in der Akutphase und fehlender Lactat- im Median bei 115 bzw. 109/min und bei signifikanten Vorteil einer prähospita-
Clearance (< 20 %/h). Zu den sekundären 73/47 bzw. 73/46 mm Hg, die Hämodyna- len Bluttransfusion hinsichtlich relevan-
Zielgrößen zählten die Einzelkomponen- mik war somit in beiden Studienarmen ter Outcome-Parameter wie Mortalität,
ten der primären Zielgröße sowie weitere relevant kompromittiert. Morbidität, Versorgungszeiten oder un-
Überlebens- (3 h, 30 Tage), Versorgungs- Bis zur Randomisierung erhielten die erwünschten Ereignissen nachweisen.
(prähospitale Zeiten), Patient:innendaten Personen zur Volumentherapie durch- Damit unterscheidet sie sich von retro-
(Vitalparameter, Serumlactat, Hämoglo- schnittlich 422 bzw. 437 ml 0,9 %ige spektiven Beobachtungsstudien, welche
bin (Hb), traumainduzierte Koagulopa- Kochsalzlösung. Am Einsatzort wurden mitunter erhebliche Überlebensvorteile
thie, Organversagen, Acute Respiratory in der Interventionsgruppe durchschnitt- nach bereits prähospital stattgehabter
Distress Syndrome (ARDS), transfusions- lich 1,57 Einheiten (443 ml) EK sowie 1,25 Transfusion angedeutet hatten [29–31].
assoziierte Komplikationen) und Therapie- Einheiten (266 ml) LyoPlas transfundiert, Um die Ergebnisse mit den bisher vorlie-
faktoren (Infusions-, Transfusionsbedarf). die Kontrollgruppe erhielt 2,55 Einhei- genden Studien in einen Kontext setzen
Eingeschlossen wurden Schwerverletzte ten (638 ml) 0,9 %ige Kochsalzlösung. zu können, ist zu berücksichtigen, dass die
ab 16 Jahren, welche eine Hypotensi- Innerhalb der ersten 24 h (prä- und intra- RePHILL-Studie in einer zivilen Umgebung
on (systolischer Blutdruck < 90 mm Hg hospital) erhielt die Interventionsgruppe durchgeführt wurde und die Intervention
oder fehlender Radialispuls) mutmaß- im Mittel 6,34 Einheiten EK sowie 5,04 neben der Transfusion von Erythrozyten
lich hämorrhagischer Genese erlitten. Die Einheiten LyoPlas. Dies war signifikant auch die Applikation von Plasma bein-
Transfusion bzw. Infusion wurde bis zum mehr als die 4,41 Einheiten EK bzw. 3,37 haltete. Im Unterschied zu zahlreichen
Erreichen der Zielklinik oder einer hämo- Einheiten LyoPlas in der Kontrollgruppe. Studien im militärischen Setting oder im
dynamischen Stabilisierung durchgeführt. US-amerikanischen Rettungsdienst (mit