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Urmas Nõmmik

Die Freundesreden des ursprünglichen Hiobdialogs


Beihefte zur Zeitschrift für die
alttestamentliche Wissenschaft

Herausgegeben von
John Barton · Reinhard G. Kratz
Choon-Leong Seow · Markus Witte

Band 410

De Gruyter
Urmas Nõmmik

Die Freundesreden
des ursprünglichen Hiobdialogs

Eine form- und traditionsgeschichtliche Studie

De Gruyter
ISBN 978-3-11-022435-1
e-ISBN 978-3-11-022436-8
ISSN 0934-2575

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek


Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

쑔 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York


Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier
Printed in Germany
www.degruyter.com
Meinen Eltern
Vorwort

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um die leicht überarbeitete


und ergänzte Druckfassung der im Wintersemester 2008/09 an der Phi-
lipps-Universität Marburg angenommenen Dissertation des Verfassers.
Die Arbeit wurde von meinem verehrten Lehrer und Erstgutachter
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Otto Kaiser, angeregt und während vieler Jahre
begleitet und gefördert. Er hat mich bereits vor fünfzehn Jahren für das
Alte Testament begeistert und in die deutschsprachige akademische
Welt eingeführt. Ihm gilt mein herzlicher Dank.
Den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Fachbereichs Evangeli-
sche Theologie der Philipps-Universität Marburg, insbesondere des
Fachgebiets Altes Testament, danke ich für die vielseitige Hilfe sowohl
bei der Forschung durch die Doktorandenkolloquien und Gespräche
als auch bei der Lösung der praktischen Fragen. Für die Übernahme
des Zweitgutachtens bedanke ich mich besonders bei Herrn Prof. Dr.
Rainer Kessler. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg Jere-
mias für die gute Begleitung während der Marburger Jahren.
Zu danken habe ich zudem dem Deutschen Akademischen Aus-
tauschdienst, dessen Promotionsstipendium den dreijährigen Aufent-
halt in Marburg sowie diese Arbeit überhaupt ermöglicht hat. Und: Die
Forschung wurde von der Europäischen Union durch den Europäi-
schen Fonds für Regionale Entwicklung (Exzellenzzentrum CECT) ge-
fördert.
Viele haben mir mit wichtiger praktischer Hilfe, anregenden Ge-
sprächen oder auch mit verständnisvoller Einstellung in Zeiten, wo es
dringend nötig war, beigestanden. Ich danke an dieser Stelle Herrn PD
Dr. Juha Pakkala (Helsinki), Herrn Prof. Dr. Christoph Levin (Mün-
chen), Herrn Prof. Dr. Winfried Thiel (Bochum), dem inzwischen ver-
schiedenen Prof. Dr. Timo Veijola (Helsinki), Frau PD Dr. Elisabeth von
der Osten-Sacken (Marburg), allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen
der AT-Seminare München-Helsinki-Tartu, meinen guten Kollegen und
Kolleginnen an der Theologischen Fakultät der Universität Tartu sowie
am Theologischen Institut der Estnischen Evangelischen Lutherischen
Kirche und meinen Freunden in Deutschland, insbesondere Dietmar
Becker.
Zu danken habe ich auch Herrn Dr. Helmut Diekmann und Herrn
Pfarrer Matthias Burghardt für die Hilfe bei der Korrektur der Arbeit.
VIII Vorwort

Mein Dank gilt weiterhin den Herausgebern der Reihe Beihefte zur
Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, besonders Herrn Prof. Dr.
Markus Witte, sowie dem Verlag Walter de Gruyter für die Aufnahme
der Arbeit.
Schließlich möchte ich mich für die Geduld und Begleitung bei mei-
ner geliebten Frau Evelyn bedanken. Dieses Buch ist aber meinen El-
tern Jaan und Maie Nõmmik gewidmet, denn ohne meine gute Kinder-
stube wäre ich nie so weit gekommen.

Uudeküla, im Oktober 2009 Urmas Nõmmik


Inhaltsverzeichnis

Vorwort ................................................................................................ VII

Inhaltsverzeichnis .............................................................................. IX

I. Einleitung ......................................................................................... 1

II. Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden .......................... 17


1. Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden ........................... 17
1.1. Die erste Elifasrede (Hi 4-5) .......................................... 17
1.1.1. Kolometrie ............................................................. 17
1.1.2. Übersetzung .......................................................... 20
1.1.3. Text- und Literarkritik ......................................... 22
1.2. Die zweite Elifasrede (Hi 15) ........................................ 33
1.2.1. Kolometrie ............................................................. 33
1.2.2. Übersetzung .......................................................... 35
1.2.3. Text- und Literarkritik ......................................... 37
1.3. Die dritte Elifasrede (Hi 22) .......................................... 44
1.3.1. Kolometrie ............................................................. 44
1.3.2. Übersetzung .......................................................... 46
1.3.3. Text- und Literarkritik ......................................... 48
2. Die ursprüngliche Gestalt der Bildadreden ......................... 53
2.1. Die erste Bildadrede (Hi 8) ........................................... 53
2.1.1. Kolometrie ............................................................. 53
2.1.2. Übersetzung .......................................................... 55
2.1.3. Text- und Literarkritik ......................................... 56
2.2. Die zweite Bildadrede (Hi 18) ...................................... 59
2.2.1. Kolometrie ............................................................. 59
2.2.2. Übersetzung .......................................................... 60
2.2.3. Text- und Literarkritik ......................................... 62
2.3. Exkurs: Die sogenannte dritte Bildadrede (Hi 25) ..... 65
2.3.1. Kolometrie ............................................................. 65
2.3.2. Übersetzung .......................................................... 65
2.3.3. Textkritik und Begründung des sekundären
Charakters ............................................................ 66
3. Die ursprüngliche Gestalt der Zofarreden ........................... 69
3.1. Die erste Zofarrede (Hi 11) ........................................... 69
X Inhaltsverzeichnis

3.1.1. Kolometrie ............................................................. 69


3.1.2. Übersetzung .......................................................... 70
3.1.3. Text- und Literarkritik ......................................... 71
3.2. Die zweite Zofarrede (Hi 20) ........................................ 75
3.2.1. Kolometrie ............................................................. 75
3.2.2. Übersetzung .......................................................... 77
3.2.3. Text- und Literarkritik ......................................... 78

III. Der Aufbau und die Stilistik der Freundesreden .................... 85


1. Strophengefüge und Kolometrie ........................................... 85
1.1. Der ursprüngliche strophische Aufbau ...................... 85
1.2. Kolometrie ...................................................................... 89
2. Poetologie und Rhetorik ......................................................... 92
2.1. Parallelismus membrorum ........................................... 92
2.2. Anakrusis ........................................................................ 101
2.3. Kausale, konditionale, syntaktische u.a. Fügungen .. 103
2.4. Nominal- und Verbalsätze in der Poetologie ............. 109
2.5. Fragen als stilistisches Mittel ........................................ 113
2.6. Sonstige für die Rhetorik und den Strophenbau
relevante Merkmale ........................................................ 117
2.7. Anmerkungen zum Wortschatz .................................. 122
3. Klangfiguren ............................................................................ 130
3.1. Alliteration ...................................................................... 130
3.2. Assonanz ......................................................................... 133
3.3. Reim ................................................................................. 136
3.4. Sonstige Klangfiguren ................................................... 138
4. Aufbau ...................................................................................... 139
4.1. Mahnung und Lehre ...................................................... 140
4.2. Zur Mahnung ................................................................. 144
4.3. Zur Lehre ........................................................................ 147
4.4. Zur Anrede und zum Summary appraisal .................... 151
4.5. Ergebnis: Tabellen zum Aufbau .................................. 153
4.5.1. Die erste Elifasrede (Hi 4–5) ............................... 153
4.5.2. Die zweite Elifasrede (Hi 15) .............................. 154
4.5.3. Die dritte Elifasrede (Hi 22) ................................ 155
4.5.4. Die erste Bildadrede (Hi 8) ................................. 156
4.5.5. Die zweite Bildadrede (Hi 18) ............................ 156
4.5.6. Die erste Zofarrede (Hi 11) ................................. 157
4.5.7. Die zweite Zofarrede (Hi 20) .............................. 157
Inhaltsverzeichnis XI

IV. Die Theologie der Freundesreden und ihr


alttestamentlicher Kontext ........................................................... 159
1. Die theologisierte Vergeltungslehre als Ausgangspunkt
der Reden ................................................................................. 159
1.1. Die Vergeltungslehre und die Gerechtigkeit
Gottes ............................................................................... 159
1.1.1. Die Vergeltungslehre der Freunde .................... 159
1.1.2. Der alttestamentliche Kontext
der Vergeltungslehre der Freunde .................... 162
1.2. Die Lehre vom Untergang der Gottlosen
und die Metaphorik ....................................................... 171
1.2.1. Die Löwenmetapher in der ersten Elifasrede ... 171
1.2.2. Die Vegetationsmetaphorik in den Bildad-
und Elifasreden .................................................... 173
1.2.3. Feuer, Flut und Finsternis in den
Freundesreden ..................................................... 177
1.2.4. Weitere Illustrationen in den Elifasreden ......... 183
1.2.5. Weitere Illustrationen in den Bildadreden ....... 184
1.2.6. Weitere Illustrationen in den Zofarreden ......... 189
2. Die drei Hauptdarsteller der Lehre und ihr Verhältnis
zueinander: Die Gottlosen, die Frommen und Gott ........... 192
2.1. Die Gottlosen .................................................................. 192
2.1.1. Zur Terminologie ................................................. 192
2.1.2. Der Gottlose in den Elifasreden ......................... 193
2.1.3. Der Gottlose in den Bildadreden ....................... 196
2.1.4. Der Gottlose in den Zofarreden ......................... 197
2.2. Die Frommen .................................................................. 199
2.2.1. Zur Terminologie ................................................. 199
2.2.2. Die Frommen in den Elifasreden ....................... 201
2.3. Gott .................................................................................. 203
2.3.1. Zur Terminologie ................................................. 203
2.3.2. Das harmonische Verhältnis zu Gott
in den Elifasreden ................................................ 204
2.3.3. Der gerechte Gott der Bildadreden .................... 208
2.3.4. Der allmächtige Gott der Zofarreden ................ 209
3. Der Mensch und sein Schicksal ............................................. 210
3.1. Die Verantwortung des Menschen
für sein Schicksal ............................................................ 210
3.1.1. Die Verantwortung des Menschen für sein
Schicksal in den Elifasreden .............................. 210
3.1.2. Die Verantwortung des Menschen für sein
Schicksal in den Bildad- und Zofarreden ......... 214
XII Inhaltsverzeichnis

3.2. Die Aufforderungen der Freundesreden .................... 215


3.3. Die Verheißungen der Freundesreden ........................ 219
3.3.1. Die Verheißungen der Elifasreden .................... 219
3.3.2. Die Verheißungen der Bildadreden ................... 223
3.3.3. Die Verheißungen der Zofarreden .................... 224
4. Die Legitimationen der Lehren der Freunde ....................... 225
4.1. Die Erfahrung des Elifas ............................................... 225
4.2. Die Weisheit der Väter in den Bildadreden ............... 232
4.3. Die ewige Weisheit des Zofar ...................................... 233

V. Die außerbiblischen Parallelen zu den Freundesreden ............ 235


1. Einleitendes .............................................................................. 235
2. Die aramäischen Ahiqarsprüche und ihre Parallelen
zumal in den Zofarreden ....................................................... 237
2.1. Die aramäischen Ahiqarsprüche ................................. 237
2.2. Die Unersättlichkeit der Bösewichter in den Zofarreden
und in den Ahiqarsprüchen .......................................... 238
2.3. Einige Parallelen zwischen den Ahiqarsprüchen
und den anderen Freundesreden ................................. 247
3. Die Weisheit der Väter in den Bildadreden und
in der mesopotamischen Weisheitsliteratur ........................ 249
3.1. Die Bedeutung der akkadischen Vorläufer
zur biblischen Hiobdichtung ........................................ 249
3.2. Die Vergänglichkeit der Gottlosen in den
Bildadreden und die Bedeutung des Šamaš
in den akkadischen Texten ............................................ 250
3.3. Weitere Parallelen zu den anderen Freundesreden
in der mesopotamischen Weisheitsliteratur ............... 262
4. Anmerkungen zum möglichen Hintergrund der
Elifasreden ............................................................................... 265
4.1. Nimmt Elifas Bezug auf die ägyptische Weisheit? .... 265
4.2. Besitzen die Elifasreden Parallelen in der
südöstlichen Weisheit? .................................................. 268

VI. Ergebnisse und traditionsgeschichtlicher Ausblick ................ 271


1. Ergebnisse: Der Inhalt und die Gestalt der
Freundesreden ......................................................................... 271
1.1. Wichtigste Gemeinsamkeiten der Freundesreden .... 271
1.2. Elifas ................................................................................ 272
1.3. Bildad .............................................................................. 275
1.4. Zofar ................................................................................ 277
Inhaltsverzeichnis XIII

2. Ausblick I: Die Freundesreden im Rahmen des


ursprünglichen Hiobdialogs .................................................. 279
2.1. Die Funktion der Freundesreden im Hiobdialog ...... 280
2.2. Die Poesie der Freundesreden im Rahmen der
Hiobdichtung .................................................................. 286
3. Ausblick II: Die traditionsgeschichtliche Stellung der
Freundesreden und des ursprünglichen Hiobdialogs ....... 288
3.1. Die Hiobdichtung als Teil der Entwicklung der
Weisheitsliteratur ........................................................... 288
3.2. Die Hiobdichtung im Spannungsfeld von Weisheit
und Psalmen .................................................................... 291
3.3. Die Hiobdichtung vor dem Hintergrund der
Prophetenliteratur .......................................................... 295
3.4. Die Hiobdichtung und andere alttestamentliche
Texte ................................................................................. 297
3.5. Die Hiobdichtung vor dem Hintergrund der
außerbiblischen Traditionen und mythischen
Motive .............................................................................. 298
4. Der Hiobdichter und die Freundesreden ............................. 299

Abkürzungs- und Literaturverzeichnis .......................................... 303


Allgemeine Abkürzungen .......................................................... 303
Bibliographische Abkürzungen ................................................. 304
Literaturverzeichnis .................................................................... 305

Stellenregister ..................................................................................... 331


I. Einleitung

„Warum werden wir wie Vieh geachtet?“

Mit dieser Frage eröffnet Bildad seine zweite Rede an Hiob und fordert
seinen Freund auf, den leeren Worten ein Ende zu setzen und seine
Diskussionspartner nicht zu unterschätzen. Er hat zusammen mit sei-
nen beiden Freunden Elifas und Zofar zahlreiche Thesen und Bilder
zum Thema Untergang des Gottlosen geliefert und will ernsthaft, daß
ihre vernünftigen Ratschläge zur Umkehr nicht auf taube Ohren oder
unangemessene Erwiderungen stoßen. Damit, daß die Freunde ganz im
Sinne der Tradition von Hiob das Nachdenken über das Verhältnis
zwischen Gott und Mensch verlangen, aber am Ende doch von Gott
verurteilt werden, wirft das Buch Hiob eine der großen und kompli-
zierten Fragen der alttestamentlichen Exegese auf. Denn wie ist die
Rolle der Freunde zu beurteilen, wenn ihre Reden im alttestamentli-
chen Vergleich als traditionelle Lehren bestehen? Was hat den ur-
sprünglichen Hiobdichter dazu bewogen, drei Freunde oder überhaupt
jemanden neben Hiob und Gott in sein Meisterwerk der Weltliteratur
aufzunehmen? Wenn es drei Weisen sind, wie sind ihre Reden und ihre
Rollen zu bewerten?
Aus diesen Fragen ergibt sich die Aufgabe der folgenden Studie
über die Reden des Elifas, Bildad und Zofar.1 Sie werden auf ihre ur-
sprüngliche Gestalt und Form, auf ihren Charakter und Sinn, auf ihren
traditionsgeschichtlichen Hintergrund und schließlich auf ihre Rolle im
Gesamtzusammenhang der Hiobdichtung untersucht. Dabei können
wir die Reden des vierten Freundes Elihu gleich auf sich beruhen las-
sen, denn nach dem berechtigten, längst bei der Mehrheit der Alttesta-
mentler erreichten Konsens gehören sie nicht zum ursprünglichen Hi-
obdialog.2 Weiterhin bildet der literar- und redaktionskritische Befund, daß
die Reden der Hiobdichtung ursprünglich teilweise wesentlich kürzer

1 Im folgenden werden entsprechend Abkürzungen wie ER für Elifas-, BR für Bildad-,


ZR für Zofar-, HR für Hiob- und GR für Gottesreden benutzt. Die Abkürzungen be-
ziehen sich nur auf die von uns für ursprünglich gehaltene Gestalt der Reden des
Hiobdialogs.
2 Siehe den Forschungsüberblick und die Behandlung der Bedeutung der Elihureden
bei H.-M. Wahl (1993); zu ihrem sekundären Charakter a.a.O., 156ff.172ff.
2 Einleitung

gewesen sind als in ihrer überlieferten Gestalt, eine wesentliche Vor-


aussetzung unserer Studie. Wenn wir dieses Ergebnis im zweiten Kapi-
tel in hohem Maße bestätigen, betreten wir also kein Neuland. In der
Forschungsgeschichte3 begegnen nicht nur kleinere, sondern auch grö-
ßere, überaus drastische Ausscheidungen.4 Die Schlüsselrolle in diesem
Prozeß kommt der erst 1994 von Markus Witte vorgelegten Studie über
den sogenannten dritten Redegang zu, in dem er nachweisen konnte,
daß in der Dichtung zwischen einer Niedrigkeits-, einer Majestäts- und
einer Gerechtigkeitsredaktion zu unterscheiden ist. Im Hinblick auf die
Freundesreden verdient sein entscheidendes Ergebnis, daß Hi 4,12–21;
15,11–16 und 25,1–6 zur Niedrigkeitsredaktion gehören und nach c. 22*
keine Spuren der ursprünglichen Freundesreden zu finden sind, be-
sondere Erwähnung.5 Bekanntlich bilden die genannten Abschnitte
einen Eckpfeiler der Auslegung der Freundesreden, ja haben es immer
gebildet.6 Wittes Thesen sind erst wenig rezipiert (und auch nicht wi-
derlegt!) worden, sie bilden aber eine große Herausforderung für die
weitere Forschung. Von den wenigen, die sich mehr oder weniger
durch sie herausgefordert gefühlt haben, sind hier zu nennen Wolf-
Dieter Syring, der weitere wichtige redaktionskritische Beobachtungen
zur Rahmenerzählung und zu ihrer Verknüpfung mit dem Hiobdialog
gemacht hat,7 sowie Otto Kaiser und Jürgen van Oorschot, die die The-
sen Wittes und Syrings aufgenommen und in kritischer Auseinander-
setzung weiterentwickelt haben8.9 Viele früher beliebte Lösungsversu-

3 Zur Geschichte der Hiobforschung siehe vor allem H.-P. Müller (1995) und J. van
Oorschot (1995), zum Stand der Diskussion über die Entstehung des Buches J. van
Oorschot (2007), 166–171, aber auch ältere Überblicke wie C. Kuhl (1953; 1954),
W. Baumgartner (1962) und J.A. Emerton (1979). Zur Forschung der Weisheit gene-
rell siehe K.J. Dell (2000), 360–364, und C. Westermann (1991).
4 So z.B. F. Baumgärtel (1933a) oder J. Vermeylen (1994).
5 Siehe bes. die Synopse der redaktionellen Schichten: M. Witte (1994), 190–192, und
die Zusammenfassung, 223–228. Weiterhin betreffen seine Thesen auch die redaktio-
nellen Antworten Hiobs auf die Reden Jahwes. Siehe dazu auch J. van Oorschot
(1995), 360–362.
6 Auch in den jüngeren Untersuchungen sind sie der Hauptanhaltspunkt für die Aus-
wertung der Freundesreden, ihrer Legitimierung oder ihres Inhalts, vgl. z.B.
G. Fuchs (1993), 133–135; H.-J. Hermisson (1998a), 293–295; M. Köhlmoos (1999),
182ff.242ff; A. Scherer (2005), (2008), 40–56.156f.; W.A.M. Beuken (2007a), und
K. Schmid (2007), 252–258.
7 W.-D. Syring (2004), hinsichtlich von M. Witte siehe bes. 165f. Sein wichtiger Beitrag
besteht im Beweis der sekundären Hinzufügung der Rahmenerzählung und ihres
mehrstufigen Wachstums; darunter befinden sich aber auch die wegen der Verurtei-
lung der Freunde wichtigen Verse Hi 42,7–9 (siehe a.a.O., 166ff.).
8 Siehe O. Kaiser (1994b), 73–75.85ff., (2006), bes. den redaktionsgeschichtlichen Ent-
wurf, S. 114–119.125–127; er hat zusätzlich mit einer Unschuldserweiterung gerech-
Einleitung 3

che wie die umfangreiche Rekonstruktion der dritten Bildad- und Zo-
farrede oder umfangreiche Umstellungen der Verse sind daher nicht
mehr aktuell. Auch die mehrmals vertretene Ansicht, daß in der Hiob-
dichtung eine beabsichtigte und assoziative Anhäufung von unter-
schiedlichstem traditionellem Material vorliege, hat dadurch ihre
Glaubwürdigkeit verloren.10
Auf den Ergebnissen der Text-, Literar- und Redaktionskritik auf-
bauend werden im dritten Kapitel unserer Arbeit die poetische Form
und der Aufbau der ursprünglichen Freundesreden gründlich unter-
sucht. Methodisch erhebt unsere Behandlung einen hohen Anspruch,
weil die Bedeutung der poetologischen Analyse, darunter auch der von
uns erneut verwendeten kolometrischen Methode, nicht nur bei der
Auslegung des Hiobbuches, sondern auch des ganzen Alten Testa-
ments immer noch unterschätzt wird.11 Eine poetologische Analyse und
rhetorische Kritik12, die demonstrativ die Ergebnisse der literar- und

net. J. van Oorschot (2007), 171–184, beschäftigt sich mit den Redaktionsschichten
aus einer anderen Perspektive, z.B. bezeichnet die Majestätsbearbeitung als Gottes-
furcht-Redaktion.
9 Siehe auch I. Kottsieper (2004), 782ff. Weiterhin möge der Hiobkommentar von
H. Strauß (2000) erwähnt werden, weil er Hi 20* für das letzte ursprüngliche Kapitel
der Freundesreden hält und Hi 22–28* als ein sekundäres Werkstattgespräch behan-
delt.
10 Vgl. z.B. F. Hesse (1978), 53; H. Graf Reventlow (2000), 284f.
11 Wir verzichten grundsätzlich auf die traditionelle Untersuchung der Metrik der
Hiobdichtung, weil sich hier nach mehr als hundert Jahren immer noch keine ein-
heitliche Meinung gebildet hat und die Ergebnisse manchmal mehr Fragen als Ant-
worten bieten; siehe z.B. G. Fohrer (1963a), 54 (das Problem des Metrums sei viel-
leicht unlösbar). Tatsächlich schimmert bei der ursprünglichen Hiobdichtung die
Grundstruktur von 3+3 Tonsilben hindurch (so z.B. K. Budde [1896], iv; S.R. Driver /
G.B. Gray [1950], I lxxvii), aber es reicht manchmal nicht aus, um korrupte Stellen
text- oder formkritisch zu korrigieren. Dagegen gelingt es der Kolometrie, dem Ideal
des Messens und Vergleichs viel näher zu kommen, weil die Konsonanten (unab-
hängig von matres lectionis) viel sicherere Stützpunkte bilden als Vokale oder Silben
oder ihre Akzente. Zur Einführung in die Methode siehe O. Loretz / I. Kottsieper
(1987), zu der heutigen Stellung und den Einzelaspekten O. Loretz (2002), 1–9;
U. Nõmmik / R. Tasmuth (2006), 64–69, und mehrere praktische Anwendungen wie
O. Loretz (1979; 1988; 2002), T. Veijola (1982); M. Nissinen (1991) und U. Nõmmik
(2000). Im Anschluß an den Vergleich verschiedener metrischer Methoden zieht
K. Seybold (2003), 102–127, den Schluß (S. 126), daß die Kolometrie „für die poetolo-
gische Analyse von erheblichem Wert sein“ kann. Vgl. die kritischen Anmerkungen
bei M. Mark (2007), 45f.60–63.
12 Zur Methode siehe R. Meynet (1998), bes. 350, der den Ertrag der rhetorischen Ana-
lyse, erstens, in der Einsetzung der wissenschaftlichen Kriterien zur Bestimmung der
literarischen Einheiten und des ‚Kontextes’, und daher zweitens, in der Einsetzung
dieser Kriterien zur Interpretation sieht: „that is to grasp the significant relations
4 Einleitung

redaktionskritischen Arbeit verachtet und oft unter der Flagge einer


„synchronen Exegese“ daherkommt, vermag allein nicht zu befriedi-
gen.13 Als eine einschlägige Illustration kann die durch mehr als hun-
dert Jahre diskutierte Frage der strophischen Gliederung der Hiobdich-
tung und der regelmäßigen Gestalt ihrer Verse herangezogen werden.
Die Forschungsgeschichte verfügt über (in seltenen Fällen extreme)
Beispiele der Optimisten14 und Skeptiker15. Ein Mittelweg, in dem die
literar- und redaktionskritische Arbeit mit der formkritischen, darunter
poetologischen, und rhetorisch-kritischen Analyse gekoppelt wird,
wird selten gewählt.16 Unsere Studie will im zweiten und dritten Kapi-
tel eine Synthese der text-, literar-, form- und redaktionskritischen Me-
thoden mit den poetologischen und rhetorisch-kritischen Methoden
vorlegen, damit die ursprüngliche bemerkenswert regelmäßige Gestalt
der Freundesreden, ihre kleinsten poetischen Nuancen und Akzente
deutlicher hervortreten und schließlich auch ihr Inhalt besser verstan-
den wird. Der kolometrischen Methode, die formkritischen Grundsät-
zen folgt und doch sinnvoll nur in Verbindung mit der Redaktionskri-
tik eingesetzt werden kann, kommt bei dieser Synthese fast die

between the literary units, at the different levels of structuration of the text, as if they
had been ‚com-posed’ by the authors themselves“.
13 M. Cheney (1994), 20–23, hat mit Recht die Praxis der Verwendung des Begriffs
„synchron“ kritisiert, weil es sich oft eigentlich um „achrone“ Behandlung handelt.
Unsere formkritische Studie ist laut Cheney synchron, denn analysiert wird eine
Gestalt des Hiobbuches, nämlich die ursprüngliche, die in ihrer Zeit für die Leser als
eine Gesamtheit mit eigenen formalen und inhaltlichen Grundsätzen verfaßt worden
ist.
14 Vgl. bereits F. Delitzsch (1876), vi.13f., der Strophen, obwohl nicht mit gleicher Län-
ge, behauptet (ähnlich G. Fohrer [1963a], 55); G. Beer (1895/97), viii, der im Aufbau
einzelner Kapitel von vierzeiligen Strophen ausgeht; B. Duhm (1897), ix; G. Hölscher
(1952), 8; A. de Wilde (1981), 63f.; N.C. Habel (1985), 47. Besonders ist S. Terrien
(1963), 33f., hervorzuheben, weil bei ihm nicht nur Strophen, sondern auch die Un-
terstrophen („sous-strophe“) ähnlich zu uns markiert werden. Als ein Extremum gilt
das durchgehend regelmäßige strophische Schema von P. Skehan (1971).
15 Trotz literarkritischer Arbeit äußert sich K. Budde (1896), v, sehr skeptisch zu den
Strophen in der hebräischen Dichtung und läßt neben den Bikola auch Trikola zu.
Vgl. auch R. Gordis (1978), 506f.
16 Z.B. können die von uns herausgearbeiteten Grundsätze zur Abgrenzung der Bikola,
Unterstrophen und Strophen durchaus mit den von P. van der Lugt zur Hiobdich-
tung (1995) und den Psalmen (2006) verglichen werden, da er aber keine literarkriti-
sche Schichtung der Texte vornimmt, sind die Ergebnisse der Stropheneinteilungen
der Freundesreden im Gegensatz zu uns sehr unterschiedlich. Vgl. K. Seybold
(2003), 192, daß die Form eines Psalms „auf den verschiedenen Ebenen sich an unter-
schiedlichen Mustern orientieren“ kann. Vgl. auch E. Talstra (1994), 339f., der die
Diskussion über Hi 21 richtig als dominiert von der einseitigen Analyse der theolo-
gischen Aussagen auf Kosten der Analyse der linguistischen Form kritisiert.
Einleitung 5

Schlüsselrolle zu.17 Aber auch weitere Analysen, wie z.B. die des Paral-
lelismus membrorum, der Syntax, der syntaktischen Fügungen und
Klangfiguren, verdient schon hier ihre Hervorhebung, weil ihre Rolle
bei der Einteilung der Kola, Bikola und Strophen keinesfalls zu unter-
schätzen ist.18 Damit wird erst durch die „Wiederherstellung des ur-
sprünglichen Textes“ mit Hilfe der kritischen Methoden der Boden für
die folgende „Erforschung der intertextuellen Verbindungen“19 im vier-
ten und fünften Kapitel dieser Arbeit vorbereitet.
Im dritten Kapitel wird neben dem Befund, daß dem ursprüngli-
chen Hiobdichter ein bemerkenswert hohes dichtungstechnisches Ni-
veau zuzumessen ist, die Frage berührt, ob es in seiner Absicht stand,
die Freunde ursprünglich als unterschiedliche Charaktere darzustellen,
d.h. ob ihre Unterschiede (weil alles menschliche Reden, auch fiktives,
nicht ohne gewisse Eigenarten auskommen kann) sich auch in inhaltli-
chen Abwandlungen spiegeln.
Blickt man in die Forschungsgeschichte, so ist der Gedanke, daß die
Freunde als Individuen und keine (vollkommen) einheitliche Partei
dargestellt werden, im Zeitalter der kritischen Exegese freilich nicht
neu.20 Seit Johann Gottfried Herder21 und Johann Gottfried Eichhorn22

17 Siehe ein einschlägiges Beispiel zur Analyse von Hi 3* bei O. Loretz (2000). Der Tat-
sache, daß das kolometrische Argument niemals allein eine These begründen kann,
ist sich der Verfasser der vorliegenden Arbeit freilich bewußt, sowie der Probleme
von der Art: Ob ein poetischer Text vorerst inhaltlich oder formal (Kolometrie und
Strophenbau) gegliedert werden soll (so O. Loretz [2002], 5).
18 Als klassische Handbücher gelten immer W.G.E. Watson (1984) und L. Alonso-
Schökel (1988), die nun durch eines von K. Seybold (2003) wesentlich ergänzt wor-
den sind. Als eine besonders wichtige Studie ist die text-, literar- und formkritische
Untersuchung der Tempora des Hiobdialogs von H. Bobzin (1974) hervorzuheben.
Des weiteren siehe die Behandlungen von W.B. Stevenson (1947), 56–72.98–101, über
das Metrum, die Strophen, die Alliteration, die Assonanz (beide als ‚assonance’ be-
zeichnet) und den Reim, von L.J. de Regt (1996) über die rhetorischen Fragen im Hi-
obbuch und von T. Muraoka (1985) über die rhetorisch gewichtigen Wörter im Alten
Testament. Von den Kommentatoren haben E. Dhorme (1967), clxxx–clxxxix; R. Gor-
dis (1978), 501–518 u.a., und N.C. Habel (1985), 46–49, mehr Raum dem Stil gewid-
met.
19 Vgl. die Kritik der gegenwärtigen Psalmenforschung bei O. Loretz (2002), 5, und S. 6:
„Ein allzu fortschrittgläubiges Vertrauen auf Sinnzuwachs mit steter Wertsteigerung
ohne Gefahr von Verlusten und Fehlentwicklungen bildet ein wenig tragfähiges
Fundament für philologische, poetologische und historische Überlegungen“. Der
vorliegenden Arbeit ist eine text- und literarkritische und zugleich poetologische
Analyse von Hi 4f.* vorausgegangen (U. Nõmmik [2003]).
20 Siehe zur Einleitung H.-P. Müller (1995), 73f.; M. Remus (1993), 13–15, und A. Sche-
rer (2008), 5–17.
21 Vgl. ein Zitat nach einer Neuausgabe des zuerst in 1782–83 erschienenen Werkes
von J.G. Herder (1993), 776: „Durch alle geht ein seidener Faden fort. Die drei Wei-
6 Einleitung

hat es nicht an Anmerkungen oder zumindest entsprechenden Be-


obachtungen, welche auf eine persönliche Charakterisierung der Freun-
de hinweisen, in den Hiobkommentaren gefehlt. Nach dem Kommen-
tar von August Dillmann23 und fast gleichzeitig mit Bernhard Duhm24
hat Karl Budde am Ende des 19. Jahrhunderts die Freunde mit folgen-
den Worten einprägsam beschrieben:
„Und doch ist ihm [dem Hiobdichter] dies glänzend gelungen. Eliphaz der
würdevolle, der weise vor andren, der sich auf seine Lebenserfahrung und
selbstempfangene Offenbarungen beruft, Bildad der eitle Schönredner, der
sich auf Zeugnisse und Überlieferung stützt, Sophar der rohe Polterer, der
mit Allerweltsweisheit und Gemeinplätzen um sich wirft. Bis in die Wahl
der Bilder nicht nur, sondern selbst in den Wortschatz lässt sich diese Ab-
sicht der Charakter- und Typenzeichnung verfolgen.“25
In den 1920er Jahren hat Johannes Hempel der Frage nach der Eigenart
der Freunde einen größeren Raum gewidmet und sogar von verschie-
denen „Frömmigkeitstypen“ gesprochen. Neben der Hochschätzung
der „Kunst der Menschenzeichnung“ des Dichters26 hat er die Haupt-
züge des bewußten Elifas27, des gefühllosen Bildad28 und des die Ge-

sen sprechen charakteristisch, und Hiob überwindet sie als Weiser und Dichter.
Eliphas ist der bescheidenste, so gar daß er die erste Lehre, die er Hiob geben will,
nicht selbst sagt, sondern einem Orakel in den Mund legt. Bildad greift Hiob mehr
an und Zophar übertreibt meistens nur, was Bildad sagte. Er verliert sich auch zu-
erst vom Schauplatz.“
22 So nach H.-P. Müller (1995), 73.
23 A. Dillmann (1891), xx: „... hat der Dichter sie auch individuell etwas verschieden
gezeichnet: Elifaz ist der älteste (15,10), reicher Erfahrung (4,8.12. 5,3. 15,17f.), der
Wortführer, der immer zuerst redet u. den Ton angibt, ein Mann fast profetischer
Würde, besonnen u. mässig; Bildad, jünger, hält an Weisheit, Kampfesgewandtheit
u. maassvollem Takt die Mitte zwischen dem ersten u. dritten; Sofar der jüngste ist
der hitzigste, leidenschaftlichste u. derbste, aber auch an eigenen Gedanken dürf-
tigste, der am frühesten verstummt.“ Auf S. xxii werden Ansätze aufgezählt, die die
Sprechweise der Freunde auseinander halten: Bei Elifas hf)r : yi , daxk: ni , }aks
f ; bei Bildad die
blumige, sentenziöse Redeweise; hfn) f -da( in 8,2; 18,2 und lLim, )fg& f , byib$ : ; bei Zofar die
derben, unedlen Bilder (11,11; 20,7.14f.20.23).
24 B. Duhm (1897), 24.46.61, läßt „nach Temperament, Anschauungsweise und Beweis-
führung und sogar in ihrer Redeweise“ die Nuancierung der Freunde zu.
25 K. Budde (1896), xiv. Das hat er (1913), xxi, wiederholt. Es sei gemerkt, daß er auch
die Elihureden zum ursprünglichen Bestand und zu den Charaktergestalten zählt.
26 J. Hempel (1961), 148.
27 A.a.O.: „Lebendig tritt uns im Eliphaz das Abstandsbewußtsein des Israeliten Gott
gegenüber entgegen /.../ das Bewußtsein um die Macht des Schöpfers und um sein
sittliches Walten, vor allem, der sozialkaritativen Einstellung des israelitischen Got-
tesglaubens entsprechend, zugunsten der Armen und Schwachen“.
28 A.a.O., 152: „Wie Eliphaz auf dem Gesangbuch, so steht er [Bildad] auf der Tradition
der alten Zeit /.../ und der Sachkunde der Väter /.../ Vergeltungslehre“.
Einleitung 7

danken des Wissens und der Macht Gottes wiederholenden Zofar29


nachzuzeichnen versucht. Im Laufe der folgenden Forschung hat man
hauptsächlich die Meinung vertreten, die Freunde stritten, lehrten und
ermahnten mehr oder weniger ähnlich. Den variierenden Grad der
meistens formalen und weniger inhaltlichen Unterschiede hat man
flüchtig zugegeben und hauptsächlich die besondere Stellung des Elifas
unterstrichen.30 Von anderen heben sich Friedrich Baethgen,31 Paul
Krieger,32 Hans Wilhelm Hertzberg,33 Curt Kuhl,34 David J.A. Clines35
und durch die Behauptung der unterschiedlichen Typisierung der
Freunde als Theologen besonders Otto Kaiser36 hervor.37 In der neueren

29 A.a.O., 156f.
30 Davon, daß auf die Frage nicht gründlich eingegangen wird, zeugen im deutsch-
sprachigen Raum Wendungen, auf die man seit hundert Jahren durchgehend stößt.
Bei Elifas sind es „Würde“ und „Milde“ und bei Zofar „Ungestüm“. Bezeichnend ist,
daß bei Bildad die Meinungen am meisten auseinander gehen. Vgl. ein Florilegium
der Meinungen in A. Scherer (2008), 17–19.
31 F. Baethgen (1898), x f.xvi, der bei Hiob und seinen Freunden unterschiedliche Dia-
lekte vermutet.
32 P. Krieger (1930), 44: Gleiches Denken, aber unterschiedlich dargestellt. Elifas sei am
schonendsten, mit schwerfälligem Pathos, Bildad sei ein starrer Vertreter der Tradi-
tion und Zofar als jüngster sei am abfälligsten.
33 H.W. Hertzberg (1949), 28.40.50f.71.80.89: Elifas sei am sachlichsten, ein Typus des
„Weisen“, „ganz folgerichtiger Vertreter der Glaubens- und Lebensrichtung, die mit
dem Worte Chokhma, Weisheit, gekennzeichnet wird“, mit dem „fast seelsorgerli-
chen Ton und Charakter“; Bildad gebe „sich keinerlei Mühe, in Güte und wohlwol-
lender Belehrung zu Hiob zu sprechen“, „ein sturer Vertreter der Weisheitslehren“;
Zofar sei temperamentvoll und orthodox.
34 C. Kuhl (1953), 272: Elifas als alter Weiser „von Besonnenheit und Erfahrung“ sei am
liebevollsten, Bildad sei aggressiver und der jüngste Zofar schroff und die Situation
verschärfend, „da er als erster und am schwersten Hiob anklagt“.
35 D.J.A. Clines (1989), xl f., sieht bei den Freunden „difference in opinion over what
precisely Job's sufferings signify“; laut Elifas müssen auch die Unschuldigen leiden,
aber nicht lange; Bildad sei mehr von der Vergeltungslehre überzeugt, aber sei die
Tatsache, daß Hiob noch lebt, Beweis dafür, daß er kein großer Sünder sei; Zofar
stehe für das Prinzip, und einen Grund für das Leiden müsse es immer geben. Wei-
terhin hält Clines (a.a.O., 344) die Beschreibungen der Gottlosen für unterschiedlich:
„For Eliphaz it is a picture of what Job is not; for Bildad (chap. 18) it is a picture of
what Job may become; for Zophar (chap. 20) it is a picture of what Job must avoid.“
36 O. Kaiser (1985), 57f.: „Da erscheinen die drei Freunde, die, scharf charakterisiert,
jeder ein Typos des Theologen vertreten: Eliphas von Theman, der älteste unter ih-
nen, verfügt über eine große Lebenserfahrung und beruft sich jedenfalls darauf wie
auf eigene Offenbarungen. Er ist also gleichsam ebenso gebildeter Theologe wie reli-
giöser Experte. Bildad von Suah erscheint daneben als ein selbstgefälliger System-
theologe, der sich bei seiner Argumentation auf die Überlieferung der Väter beruft.
Und schließlich tritt uns in Zophar von Naama der schülerhafte „junge Theologe“
entgegen, der aufbrausend mit seinem Wissen um sich wirft. Eliphas wartet zu-
nächst ab, geht behutsam vor, um Hiob zu selbständiger Erkenntnis seines vermeint-
8 Einleitung

Forschung wird immer mehr die Tendenz spürbar, die Freunde unter-
einander und mit Hiob unter einem besonderen Blickpunkt oder einer
neuen Methode zu vergleichen. Im Lichte des altorientalischen Chaos-
kampfmotives hat Gisela Fuchs die Freunde unterschiedlich betrachtet
und besonders bei Zofar (Hi 20) die individuellen, sich auf eine drasti-
sche Form der Chaostradition gründenden Züge behauptet.38 Michael
Cheney hat in seiner umfangreichen Studie die Endgestalt (3. Jh. v.
Chr.) des Hiobbuches, seine Teile und die Reden auf Charakter, Struk-
tur, Gattung, Poetologie, Syntax und Wortschatz hin untersucht.39
Hans-Jürgen Hermisson hat die Freundesreden bzw. die Thematik
ihrer Reden verglichen: Dabei entwerfe Elifas das Programm, und seine
beiden Freunde nähmen Einzelthemen auf.40 Eine spezielle Untersu-
chung des Charakters und der inhaltlichen Nuancen der Freundesre-
den ist stets gefordert worden, aber eine solche ist wegen anderer For-
schungsschwerpunkte noch nicht zustande gekommen. In gewisser
Hinsicht ist jüngstens Andreas Scherer am weitesten gegangen, indem
er gezielt die Reden des Elifas „als Teil eines kommunikativen Gesche-
hens“ und auf ihre Eigenart hin untersucht hat.41 Im Gegensatz dazu
fehlen nicht einschlägige Studien, die die Argumentation der Freunde

lich selbstverschuldeten Schicksals zu führen. Bildad redet von vornherein unver-


blümter, während Zophar Gemeinplätze von sich gibt.“ Vgl. O. Kaiser (2006), 111:
Elifas sei ein erfahrener Seelsorger, Bildad gebildet und energisch und Zofar tempe-
ramentvoll.
37 Weiterhin vgl. W. Volck (1889), 22.35.56; P. Volz (1921), 43f.48.50; H. Masing (1931),
80ff.; G. Hölscher (1952), 21.27.33.52; C. Westermann (1956), 17.67; A. Weiser (1980),
15.17; G. Fohrer (1963a), 185f.191.194.223.232 (die Freunde seien gleichaltrig!); S. Ter-
rien (1963), 40.67.89.91.104 (Bildad repräsentiere den „type du paléo-orthodoxe“);
A. Guillaume (1963), 109 („Job’s friends are not only champions of an untenable
theology: they are rivals in a poetic contest“); H.H. Rowley (1980), 3f.; F. Hesse
(1978), 18; R. Gordis (1978), 46; A. de Wilde (1981), 105.156; H. Groß (1986), 23.35.45
(Bildad verfüge über „nicht zu leugnende Überzeugungskraft“); J.E. Hartley (1988),
154 (Bildad sei ein „champion of „old-time“ religion“); H.-M. Wahl (1993), 157f., und
I. Müllner (2003), 176, die aufgrund der persönlichen Anreden besonders den am
persönlichsten Elifas hervorhebt.
38 G. Fuchs (1993), 125, und ebendort insgesamt zum zweiten Redegang: „In der
Eliphasrede ist der Frevler noch ein fast ebenbürtiger Gegner, der gegen Gott mit
steifem Nacken anrennt. In der Bildadrede wird er schon zur Beute dämonischer
Mächte. Die Zopharrede aber hat die Tendenz, in mythisches Urgestein, in fast ar-
chetypische Schichten vorzustoßen.“
39 M. Cheney (1994).
40 H.-J. Hermisson (1998a), 287f.: Die Freunde beschreiben im zweiten Redegang ent-
sprechend Hiob auch in „verschiedenen Spielarten: als Tyrannen (Eliphas), als Rei-
chen / reichen Ausbeuter (Zophar) oder auch nur als den in jeder Hinsicht Unter-
gangsgeweihten (Bildad)“.
41 A. Scherer (2008), bes. 149–169.
Einleitung 9

ausdrücklich als eine Einheit betrachten. Aus der neueren Zeit sind
besonders die Monographien von Martin Remus im Hinblick auf das
Menschenbild der Freundesreden42 und von Klaudia Engljähringer im
Bezug auf die Dynamik der Dialoge des Hiobbuches als „eine(r) faszi-
nierenden Einheit“43 hervorzuheben.44
Tatsächlich hinterläßt die Dichtung selbst den Eindruck, daß die
Freunde als eine Einheit anzusehen sind. Bekanntlich redet Hiob die
Freunde in der 2. Person plur. an (6,24–30*; 13,5–13 u.a.) und auch Eli-
fas und Bildad sprechen von „uns“ (5,27; 18,3). Der literar- und redak-
tionskritische Befund kann aber die Einheitlichkeit in ein anderes Licht
rücken. Denn seit langem hat man beobachtet, daß inhaltlich ähnliche
Aussagen nicht nur bei allen Freunden, sondern auch bei Hiob und den
Freunden vorkommen. Mithin muß man auch fragen, ob der einheitli-
che Eindruck nicht hauptsächlich auf Kosten der späteren Redaktions-
arbeit zurückzuführen ist. Daher rechnet man in der neueren For-
schung, z.B. in den Studien von Hans-Peter Müller und Jacques
Vermeylen, bereits mit der Möglichkeit, daß die ursprüngliche Rolle
der Freunde (und freilich auch des Hiob) im Hiobbuch durch Redakti-
onen entstellt worden ist.45 Mit den Worten von M. Witte:

42 M. Remus (1993); zu den Freundesreden als eine Einheit siehe S. 13–18 und zur Ar-
gumentation S. 16–36.
43 K. Engljähringer (2003), zu den Freunden siehe S. 37–75, bes. 74f. und 190f.: Das
Reden der Freunde zerstöre Beziehung und das Reden Hiobs und Gottes stifte Be-
ziehung.
44 Ähnlich gründlich und relativ einheitlich behandeln die Existenzauffassung der
Freundesreden noch E. Würthwein (1970), 227–252, und C. Westermann (1956), 66–
78; weiterhin aber auch J. Lévêque (1970), 239–277; J. Vermeylen (1986), 36–43;
(1994), und R. Albertz (2003). Ferner vgl. die stärksten Vertreter der These, die
Freunde seien verschieden charakterisiert, aber eine Einheit in ihrer Theologie: S.R.
Driver / G.B. Gray (1950), I lvi; H. Gese (1958), 75; F. Horst (1968), 166; V. Maag
(1982), 125ff., und J. Vermeylen (1986), 36.
45 So im Hinblick auf die Traditionsgeschichte der der Rahmenerzählung zugrundelie-
genden Hioblegende und ihrer Verknüpfung an den Dialog bei H.-P. Müller (1970;
kritisch dazu A. Scherer [2008], 7–9) und auf die drastisch verminderten Freundes-
und Hiobreden bei J. Vermeylen (1994). Vermeylen hat bereits früher (1986) behaup-
tet, daß im ursprünglichen Dialog Hiob die radikale Gruppe und Freunde die mode-
rate Gruppe der theologisch-politischen Diskussion in der Perserzeit vertreten haben
und daß der Elihu-Redaktor erst später versucht hat, in Hiob einen Frommen zu se-
hen. Selbstverständlich ergibt sich die Verschiebung der Bedeutung der Freunde
auch aus den Studien von M. Witte (1994), W.-D. Syring (2004), I. Kottsieper (2004)
und J. van Oorschot (2007). Daß der Elihudichter oder andere die Wichtigkeit des
Vergeltungsgedankens, damit gewisserweise auch der Freunde, zu rehabilitieren
versucht hat, haben z.B. B. Duhm (1897), xi f.; G. Hölscher (1952), 6f., und V. Maag
(1982), 99, unterstrichen.
10 Einleitung

„Im Verlauf der unterschiedlichen Redaktionen der Hiobdichtung ist im-


mer stärker die Figur Hiobs in die Mitte der theologischen Betrachtung ge-
treten. In der ursprünglichen Dichtung waren Hiob und seine Freunde
zwei allein schon kompositionell gleichgestellte Größen.“46
Durch diese Beobachtungen gewinnt unsere „scheinbar periphere Fra-
gestellung“47 hinsichtlich der Theologie und Traditionsgeschichte des
Hiobbuches immer mehr an Gewicht. Will man solche Fragen beant-
worten und weiß man auch, daß keine umfangreiche Studie der Freun-
desreden mit ähnlichen Prämissen vorliegt, scheint der einzige metho-
dische Weg der zu sein, bei ihrer Analyse und im Aufbau dieser Arbeit
von Anfang an die ursprünglich unterschiedliche Gestaltung vorauszu-
setzen. Außerdem ist man fast einig darüber, daß es im Hiobdialog
keine Entwicklung im heutigen Sinne der Diskussionskultur gibt. So ist
eine gesonderte Untersuchung der Freundesreden, auch ohne auf die
Hiobreden gründlicher einzugehen, berechtigt. Daher stellt sich die
vorliegende Studie der Aufgabe, die genannten Probleme zu lösen.
Kann man einen wesentlichen Einfluß der Text-, Literar- und Re-
daktionskritik auf die Auswertung der ursprünglichen Rolle der Freunde
in der Hiobdichtung voraussetzen, so muß man die Frage der mögli-
chen unterschiedlichen Theologie der Freunde im vierten Kapitel unse-
rer Studie von neuem stellen. Im Anschluß an das Ergebnis der poeto-
logischen Analyse und begründet in der Prämisse, daß eine dermaßen
detaillierte und dichterische Gestaltung der Freundesreden vom Hiob-
dichter nicht umsonst geschehen ist, wird ein Versuch gewagt, der Tra-
ditionsnähe und theologischen Tauglichkeit der Freundesreden und
damit ihrer wichtigen Rolle gerecht zu werden. Seitdem das Buch Hiob
über die göttliche Verurteilung der Freunde und die Wiederherstellung
Hiobs in der Rahmenerzählung (42,7–9.10ff.) verfügt, geht die Tendenz
dahin, die Freunde als lebensferne Dogmatiker zu verurteilen.48 Von
der Mehrheit der Forscher werden die Freundesreden als ein Beispiel

46 M. Witte (1994), 227.


47 So H.-P. Müller (1995), 73.
48 So mit Variationen sehr viele, z.B. B. Duhm (1897), 35; H.H. Rowley (1980), 20ff.;
V. Maag (1982), 165f.190ff.; M. Köhlmoos (1999), 364ff. Als extreme Beispiele gelten
A. Weiser (1980), 21 u.a., und G. Fohrer (1963a), 157 u.a., die dazu neigen, den Satan
der Rahmenerzählung hinter den Freunden zu sehen (vgl. die berechtigte Kritik da-
gegen bei M. Remus [1993], 31f.). Als ein symptomatisches Urteil kann das von
U. Berges (1994), 300, angeführt werden: „Das Hiobbuch ist nicht nur ein Protest ge-
gen ein weisheitliches Ordnungsschema, gegen ein deuteronomistisches Retributi-
onsdogma oder gegen die Engführung durch eine priesterschriftliche Heiligkeits-
ideologie, sondern gleichzeitig die notwendige Konsequenz aus all diesen
geschlossenen Systemen“.
Einleitung 11

für die zeitgenössische gelehrte Weisheit verstanden.49 Gleichzeitig


werden sie dann der Lebensferne und des Dogmatismus bezichtigt.
Sämtliche Forscher, die die Rolle der Freundesreden positiver beurtei-
len, sehen im Hiobbuch den Stimmenchor von verschiedenen Antwor-
ten auf die komplizierte Wirklichkeit dieser Welt. Denn die Forscher
haben die Spannung zwischen dem hohen dichterischen Anspruch und
der Traditionsnähe der Freundesreden auf der einen Seite und ihrer
Verurteilung in der Rahmenerzählung auf der anderen Seite freilich
seit langem bemerkt.50 Angesichts unserer Analyse im zweiten und
dritten Kapitel muß man aber wohl fragen, was aus dieser Menge ver-
schiedener Antworten im Hiobbuch wird, wenn es abgesehen von sei-
nen zahlreichen Bearbeitungen und seiner Rahmung gelesen wird. Der
hier vorgelegte Versuch wird zeigen, daß einige Tendenzen der ur-
sprünglichen Reden, z.B. das von vielen Forschern angesprochene seel-
sorgerliche Bemühen des Elifas, sich klarer abzeichnen und sie eine
Bedeutung für die Endlösung des gesamten Dialogs besitzen.51 Es sei
vermerkt, daß ein Teil der jüngsten Forschung ohnehin dazu neigt, in
den Freundesreden mehr als ein bloßes Gerede zu sehen, wie es beson-
ders Hans-Jürgen Hermisson trefflich formuliert hat:
„Man soll die Freunde Hiobs nicht, wie es oft geschehen ist, zu einer Kari-
katur bornierter orthodoxer Theologen werden lassen, die angesichts der
realen Fragen des Lebens nur ihre Sprüche klopfen können. Vielmehr
steckt in den Reden der Freunde eine Menge praktischer Lebenserfahrung
und ein großes seelsorgerisches Bemühen. Und der Hiobdichter läßt sie
nicht so ausführlich zu Worte kommen, um am Ende bloß die Absurdität
der alten Weisheit zu konstatieren.“52

49 Vgl. z.B. S. Terrien (1963), 41: Satire der Orthodoxie; N.C. Habel (1985), 118: Parodie
der weisheitlichen Beratung.
50 Vgl. z.B. H.-J. Hermisson (1998b), 300: „Wenn der Hiobdichter so viel Mühe auf die
kunstvolle Gestaltung auch der Freundesreden verwandt hat, so ist das ein Argu-
ment dafür, daß er die Freunde nicht einfach „Ungereimtes“ reden ließ, sondern die
Vielzahl der Antworten im Sinn hatte, mit denen allein man versuchen kann, der
disparaten menschlichen Wirklichkeit zu entsprechen.“ Vgl. auch ders. (1996), 213ff.
51 Vgl. die Analyse der ersten ER als seelsorgerlichen Rede bei A. Scherer (2005) und
a.a.O., 283, Anm. 8.9, genannte weitere Literatur. H. Strauß (2000), 34, zieht aus der
Analyse die Konsequenz, daß die zweite ZR das leistet, was sie leisten soll: „Orien-
tierung zu schaffen mitten in dieser Welt und in diesem Leben, so daß der Mensch
seinen (guten!) Anteil darin erkenne“. A. de Wilde (1981), 16, hat übrigens Hiob, Eli-
fas und Jahwe für die Hauptdarsteller des Hiobbuches gehalten, Bildad und Zofar
spielen nur Schelt- und Drohrollen.
52 H.-J. Hermisson (1996), 213. Vgl. auch die Kritik bei M. Remus (1993), 30–32, bes.
Anm. 113.117.118. Weiterhin vgl. H.L. Ginsberg (1969), 111; D.J.A. Clines (1989), 121;
R.B. Murphy (1996), 38, und I. Kottsieper (2004), 776 (vgl. G. von Rad [1992], 292).
12 Einleitung

Ein Vergleich der Freundesreden und eine systematische Behandlung


ihrer Theologie macht freilich die Untersuchung ihres form- und traditi-
onsgeschichtlichen Hintergrunds erforderlich. Im vierten Kapitel unserer
Studie sollen die Aussagen der Reden durch Erörterung ihrer alttesta-
mentlichen Parallelen präzisiert, ihre inhaltlichen Schwerpunkte festge-
stellt und verglichen werden und schließlich dadurch auch ein wenig
Licht in die Frage der Verortung der ursprünglichen Hiobdichtung in
der alttestamentlichen bzw. israelitischen (weisheitlichen) Tradition
gebracht werden. Zum einen muß bemerkt werden, daß die Frage nach
der Gattung des Hiobbuches immer noch offen steht, zumal es im Al-
ten Testament keine Parallele besitzt.53 Zum anderen ist daran zu erin-
nern, daß man im Verlauf der Forschungsgeschichte zunehmend und
reichlich fast zitathafte Hinweise auf verschiedene alttestamentliche
Texte und Gattungen bemerkt hat, besonders seit den wichtigen Stu-
dien und dem bis heute in seiner Gründlichkeit immer noch unüber-
troffenen Kommentar von Georg Fohrer.54 Seine Beobachtungen zu der
Art und Weise, wie der Hiobdichter die verschiedensten Elemente,
Motive der alttestamentlichen Gattungen und Sprache, zumal der
Weisheit, der Psalmen und des Rechts kombiniert hat, sind noch nicht
überholt worden. Er selbst faßt das Phänomen wie folgt zusammen:
„Dieser klare Aufbau der Hiobdichtung ist um so erstaunlicher, als dem
Dichter im Hebräischen nur begrenzte Stil- und Ausdrucksmöglichkeiten
zur Verfügung standen. Er hat sein Ziel besonders dank dreier Methoden
erreicht, deren er sich mit großem Geschick bedient hat. Ausdrucksmäßig
verwendet er eine überaus vielfältige Bildsprache, die er durch die um-
fangreiche Einbeziehung des Bildungsgutes der übrigen altorientalischen
Weisheitslehre bereichert; offensichtlich schreibt er als Gebildeter für Ge-
bildete. Ferner zeigt die formgeschichtliche Untersuchung, daß die Reden
der Hiobdichtung nach dem Grundsatz der Gattungsmischung komponiert
sind. Der Dichter hat die Redeformen in einer sehr mannigfaltigen und
bunten Weise den Bereichen der Weisheitslehre, des Rechtslebens und der
Psalmen entnommen. Schließlich läßt sich eine dritte Methode feststellen:
Der Hiobdichter vergrößert den Anwendungsbereich der Redeformen, in-
dem er sie in einer anderen als ihrer eigentlichen Funktion verwendet.“55
Bei diesem Befund fällt jedoch auf, daß Fohrer die Redeformen der
prophetischen Verkündigung nicht in Betracht gezogen hat und daß er

53 So besonders K.J. Dell (1991), 83: „Job questions the wisdom tradition to such an
extent that it breaks out of the areas of Israelite life“. Zu den neuen Tendenzen in der
Forschung neben den klassischen, aber überholten (C. Westermann [1956]; H. Rich-
ter [1959]) siehe J. van Oorschot (1995), 377–383; (2007), und K.J. Dell (2000), 361–363.
54 G. Fohrer (1963a; 1963b).
55 G. Fohrer (1963b), 70, ferner siehe a.a.O., 68–86, und (1963a), 48–53.
Einleitung 13

in den Freundesreden hauptsächlich Weisheitsformen entdeckt hat.56


Wir wollen diese Beobachtungen hinsichtlich der Freundesreden über-
prüfen und ein Stück weitergehen, indem wir die von Katharine J. Dell
als „Parodie“ bezeichnete Technik des abweichenden Einsetzens der
Formen (Sitz im Buch)57 und nach der Verwendung einzelner im Alten
Testament belegter Wörter und Wortpaare in den Reden fragen. Wir
wollen aber zusätzlich auch die Entwicklung der Formen und des
Wortgebrauchs in der alttestamentlichen Tradition im Auge behalten,
weil unser Verständnis von der Form-, Redaktions- und Traditionsge-
schichte durch die neueren Studien dazu herausgefordert wird. Schon
längst kann man nicht mehr einfach mit ganzen Textblöcken oder Bü-
chern operieren, sondern muß man auf der Ebene der kleinsten Text-
einheiten arbeiten. Die redaktions- und traditionsgeschichtliche Erfor-
schung des Alten Testaments ist damit zu einer exakten philologischen
Wissenschaft geworden. So wird unten ein Versuch vorgelegt, den
Hiobdichter zumindest relativ in die Weisheits- und übrige alttesta-
mentliche Tradition einzuordnen. Dabei sind die nach Meinung der
Forscher das zeitgenössische Normdenken verkörpernden Freundesre-
den auf ihr Verhältnis zu den von Jürgen van Oorschot (Proverbien),
Christoph Levin (Psalmen), Klaus Koenen (Propheten) und M. Witte
(Hiobbuch) behaupteten übergreifenden Gerechtigkeitsredaktionen58

56 G. Fohrer (1963a), 51. Die prophetischen Formen seien nach ihm ([1963b], 82) über
einen Umweg in die Weisheit aufgenommen worden. Zumindest bei den Verhei-
ßungen der Freundesreden werden die prophetischen Einflüsse oft beteuert, vgl. z.B.
J. Lévêque (1970), 252.259.
57 K.J. Dell (1991), 64ff.109f.148ff. Vgl. K.J. Dell (2000), 361: „The author may have been
some kind of renegade sage, working at the edge of the wisdom tradition and paro-
dying earlier material in order to critique the easy conclusions of the earlier wisdom
quest.“ Ihre Beobachtungen treffen zwar hauptsächlich die HR. Die Verwendung
der traditionellen Formen im abweichenden Kontext behaupten noch z.B. F. Hesse
(1978), 11; A. de Wilde (1981), 28f.; V. Maag (1982), 99 u.a. Die Kolorierung der Bilder
und Argumente der Freundesreden mit Hilfe von Psalmen- und Prophetensprache
hat bereits E. Dhorme (1967), 227, behauptet. Vgl. die Tabellen der Parallelstellen bei
J.E. Hartley (1988), 11f., und J. Vermeylen (1986), 57–61. Hinsichtlich der Psalmen-
formen und -sprache empfiehlt sich immer die Studie von C. Westermann (1956).
Durch Zitate und nur wenige originelle Hinzufügungen läßt der Hiobdichter die
Tradition mit ihr selbst diskutieren nach H. Graf Reventlow (2000).
58 Siehe J. van Oorschot (1998); C. Levin (1993); K. Koenen (1994); M. Witte (1994),
183ff., aber auch O. Kaiser (1997), 129ff.; (2006) und U. Nõmmik (2000). Vgl. auch
J. van Oorschot (2007), 170: „Als Desiderat der Hiobforschung verbleibt in diesem
Zusammenhang auch eine Rezeption der neueren Ergebnisse der Psalmen- und
Psalterforschung. Sie führte in den zurückliegenden Jahrzehnten zu einem differen-
zierteren Bild des literarischen Wachstums und der Kult- und Frömmigkeitsge-
schichte. Ihre Ergebnisse über die alte formkritische Debatte zum Hiobbuch hinaus
zu nutzen, steht noch aus.“
14 Einleitung

oder zu den sogenannten Weisheitspsalmen hin befragt werden. Es sei


an dieser Stelle der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß aus unserer Ana-
lyse einige Ansätze auch für die zeitliche Anordnung der ursprüngli-
chen Hiobdichtung gewonnen werden können. Eine in der breiten
Spanne zwischen dem 6.–3. Jh. v. Chr.59 vorgeschlagene Datierung ver-
langt jedenfalls nach ihrer Präzisierung.
Beim Hiobdichter handelt es sich unumstritten um einen genialen
und gebildeten Dichter. Daher sind zahlreiche seltene oder einzigartige
Wörter, Wendungen, Metaphern, Motive und ursprünglich mythische
Vorstellungen im Hiobbuch seit langem anhand außerbiblischen und
-israelitischen Materials erklärt worden.60 In den Freundesreden gibt es
sogar Verse, bei deren Auslegung die Hinweise auf einen bestimmten
außerisraelitischen Hintergrund zur „kanonischen“ Exegese gehören.61
Die Frage des Verhältnisses des Hiobbuches zur sogenannten mesopo-
tamischen Hiobliteratur ist nach heutiger weitverbreiteter Ansicht im
Sinne einer Verwandtschaft und nicht einer Abhängigkeit zu lösen.62
Neue Funde und Texteditionen liefern für den Motivvergleich jedoch
ständig neues Material und neue Behandlungen, wie die von Gisela
Fuchs, halten die Diskussion über die möglichen nahöstlichen oder
mythischen Reminiszenzen wach.63 Deswegen kann eine Studie wie die
unsere ohne eine eingehende Suche nach Parallelen in den altorientali-
schen und -ägyptischen Literaturen nicht auskommen und wird sie im

59 Mit der Datierung des entweder ursprünglichen oder ganzen Buches tendieren zu
einer früheren Zeit ([6.–]5. Jh.) z.B. A. Guillaume (1963), 108; S. Terrien (1963), 23;
J. Lévêque (1970), 116; H. Gese (1991), 171; H.H. Rowley (1980), 22; E.A. Knauf
(1988); M. Köhlmoos (1999), 72; S. Burkes (2003), 236; und zu einer eher späteren Zeit
(4.–3. Jh.) z.B. P. Volz (1921), 26f.; G. Hölscher (1952), 7; W. Baumgartner (1961), 220;
A. de Wilde (1981), 52ff.; K.J. Dell (1991), 160ff.; P. Sacchi (2000), 187; H. Graf Revent-
low (2000), 293, Anm. 59; O. Kaiser (2006), 104. Es verdient erwähnt zu werden, daß
die Elihureden von H.-M. Wahl (1993), 184, ins 3. Jh. und weitere drei wichtigste Be-
arbeitungsschichten von M. Witte (1994), 219f. ins 3.–2. Jh. datiert werden.
60 Zur Einleitung in die Beziehungen zwischen den Weisheitsliteraturen des Alten
Testaments und des Nahen Ostens siehe R.E. Murphy (1996), 151–176, zum Verhält-
nis des Hiobbuches zur außerbiblischen Literatur J. Gray (1970); H.-P. Müller (1995),
57ff., bes. 67ff.; A. Schellenberg (2007); F. Sedlmeier (2007), und bes. C. Uehlinger
(2007). Vgl. aber schon K. Budde (1896), xiv.
61 Bei Hi 8,11f. handelt es sich um ein markantes Beispiel, weil hier fast alle den ägypti-
schen Einfluß annehmen; siehe dazu unten, S. 251f.
62 Vgl. H.-P. Müller (1991); F. Sedlmeier (2007), bes. 124, und C. Uehlinger (2007), bes.
S. 159–163.
63 G. Fuchs (1993) erklärt zahlreiche Motive im Hiobdialog durch Anspielungen auf
altorientalische Chaoskampfmythen. Vgl. auch N. Sarna (1963); L.G. Perdue (1991;
1994). C. Uehlinger (2007), 101ff., stellt dagegen einen „Rückgang des komparatisti-
schen Interesses“ bes. in der deutschsprachigen Forschung fest.
Einleitung 15

fünften Kapitel auch durchführen. Allzu viel Hoffnung kann auf einen
solchen Vergleich nicht gesetzt werden, weil man analog zur Diskussi-
on über die mesopotamischen „Vorlagen“ schon im Voraus mit vermit-
telter Tradition und indirekten Einflüssen zu rechnen hat. Nimmt man
im Lichte der redaktionskritischen Forschung den sekundären Charak-
ter der Prosatexte einschließlich der Redeeinleitungen im Hiobbuche
wahr,64 erhebt sich die dringende Frage, woher die dort genannten
Namen und Herkunftsorte stammen. Oder anders ausgedrückt: Gibt es
in den Reden des Elifas, Bildad oder Zofar Anzeichen für ihre unter-
schiedliche (und außerisraelitische) Herkunft, auf die der Redaktor
zurückgreifen konnte?65
Als Ergebnis der einzelnen Analysen werden im sechsten Kapitel
unserer Studie eine Darstellung der Gestalten der Freundesreden, die
Auswertung ihrer Rolle im Gesamtgefüge der Hiobdichtung und ihre
Verortung in der alttestamentlichen Traditionsgeschichte vorgelegt. Da
es im vorliegenden Zusammenhang keinen Raum für eine umfangrei-
che kritische Behandlung der Hiob- und Gottesreden geben kann, gel-
ten unsere Ergebnisse im Blick auf die ganze ursprüngliche Hiobdich-
tung als vorläufig. Einige Vorschläge für weitere Untersuchungen
können jedoch gemacht werden, weil mehrere grundlegende Fragen
und die Vielzahl unterschiedlicher Meinungen über das Hiobbuch es
fordern. Wird eine existentielle oder eine theologisch-theoretische Ziel-
setzung der ursprünglichen Hiobdichtung bestätigt? Wird die Fehllei-
stung der Freunde demonstriert, oder stehen sie doch als gleiche Dis-
kussionspartner Hiob gegenüber? Spielt ihre mögliche unterschiedliche
Argumentation eine Rolle? Ergeben sich aus ihr Hinweise auf die Ursa-
che der Entstehung der Hiobdichtung? Aber auch die Frage, worauf
sich die Autorität der ursprünglichen Hiobdichtung gründet, so daß sie
trotz und vielleicht gerade wegen der kühnen Reden Hiobs so beliebt
bei den Ergänzern und Fortschreibern gewesen und schließlich kanoni-
siert worden ist, verlangt nach einer Antwort.
Nachdem das Hiobbuch Objekt zahlreicher und kaum mehr zu
überblickender Behandlungen geworden ist und allgemein zu den
Lieblingsthemen der alttestamentlichen Wissenschaft gehört, wird man
fragen, ob eine weitere Studie wie die unsere noch gerechtfertigt ist. Pro
domo mea kann man jedoch behaupten, daß kein Zeitalter, besonders
kein anderes als das unsere, ohne neue Versuche der Auslegung dieses
wichtigen Buches auskommen kann. Wenn auch hunderte von Unter-

64 W.-D. Syring (2004).


65 Den Forschungsüberblick siehe unten, S. 235–237. Eine die vorliegende Untersu-
chung vorbereitende Studie ist bereits erschienen: U. Nõmmik (2007b).
16 Einleitung

suchungen bereits vorliegen, haben viele von ihnen zur Auslegung des
Hiobbuches sowohl im Blick auf seine Endgestalt als auch in dem auf
seine Entstehung beigetragen und damit weitere Studien geradezu
provoziert. So ist es auch dem Verfasser der vorliegenden Studie er-
gangen: Je länger er sich mit dem Buch und seiner Auslegung beschäf-
tigt hat, desto mehr fühlte er sich zumal durch die redaktionskritischen
Untersuchungen der letzten Jahrzehnte herausgefordert, durch eine
gründliche und vielseitige Untersuchung der Freundesreden einen Bei-
trag zu dieser Diskussion zu leisten.
II. Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

1. Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden


Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden
1.1. Die erste Elifasrede (Hi 4–5)

1.1.1. Kolometrie1

4,1 wycn 'lypz htymny wy'mr 20


IA 4,2a hnsh dbr 'lyk tl'h 15
2b wcsr bmlyn my ywkl 15
3a hnh ysrt rbym 11
3b wydym rpwt thzq 13
4a kwšl yqymwn mlyk 14
4b wbrkym krcwt t'ms 15
B 5a ky cth tbw' 'lyk wtl' 17
5b tgc cdyk wtbhl 12
6a hl' yr'tk ksltk 13
6b [w]tqwtk <w>tm* drkyk 13

IIA 4,7a zkr n' my hw' nqy 'bd 16


7b w'yph yšrym nkhdw 15
8a k'šr r'yty hršy 'wn 16
8b wzrcy cml yqsrhw 14
9a mnšmt 'lwh y'bdw 14
9b wmrwh 'pw yklw 12

1 In den folgenden kolometrischen Tabellen und Übersetzungen wird die Grundge-


stalt der Freundesreden in gewöhnlicher Schrift dargestellt, die Konjekturen sind
kursiv wiedergegeben und die Ergänzungen des Textes in einen Punkt kleinerer
Schrift. [ ] deuten auf eine konjizierende Ergänzung hin und < > auf eine Glosse in M
bzw. L. Die Begründungen zu den Konjekturen, falls mit * angemerkt, befinden sich
in den Unterkapiteln für Text- und Literarkritik unten. In der ersten Spalte bezeich-
nen die römischen Zahlen die sukzessiven Strophen und die Buchstaben A oder B
die jeweilige Unterstrophe. In der vierten Spalte ist die Konsonantenzahl angegeben
(in Klammern die Zahl laut M bzw. L, falls konjiziert) und in der fünften Spalte ist,
falls nötig, die Textform von M bzw. L wiedergegeben.
18 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

B 10a š'gt 'ryh wqwl šhl 15


10b wšny kpyrym ntcw 14
11a lyš 'bd mbly trp 13
11b wbny lby' ytprdw 14
12a w'ly dbr ygnb 11
12b wtqh 'zny šms mnhw 15
13a bścpym mhzynwt lylh 17
13b bnpl trdmh cl 'nšym 16
14a phd qr'ny wrcdh 13
14b wrb csmwty hphyd 14
15a wrwh cl pny yhlp 13
15b tsmr ścrt bśry 12
16a ycmd wl' 'kyr mr'hw 16
tmwnh lngd cyny 13
16b dmmh wqwl 'šmc 12
17a h'nwš m'lwh ysdq 14
17b 'm mcśhw ythr gbr 14
18a hn bcbdyw l' y'myn 15
18b wbml'kyw yśym htlh* 16 (L: thlh)
19a 'p škny bty hmr 12
19b 'šr bcpr yswdm 12
ydk'wm lpny cš 12
20a mbqr lcrb yktw 12
20b mbly šm* lnsh y'bdw 15(17) (L: mśym)
21a hl'nsc
ytrm bm 12
21b ymwtw wl' bhkmh 13

IIIA 5,1a qr' n' hyš cwnk 12


1b w'l my mqdšym tpnh 14
2a ky l'wyl yhrg kcś 14
2b wpth tmyt qn'h 12
3a 'ny r'yty 'wyl mšryš 17
3b w'qwb nwhw pt'm 13
4a yrhqw bnyw myšc 13
4b wydk'w bšcr w'yn msyl 18
5a 'šr qs<y>rw* rcb y'kl 14(15)
w'l ms[p]nym* yqhhw 14(13)
5b wš'p sm<'>(ym)* hylm 11/13(12)
B 6a ky l' ys' mcpr 'wn 14
6b wm'dmh l' ysmh cml 15
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 19

7a ky 'dm lcml ywld 13


7b wbny ršp ygbyhw cwp 16

IVA 5,8a 'wlm 'ny 'drš 'l 'l 15


8b w'l 'lhym 'śym dbrty 16
9a cśh gdlwt w'yn hqr 15
9b npl'wt cd 'yn mspr 15
10a hntn mtr cl pny 'rs 15
10b wšlh mym cl pny hwswt 17
11a lśwm šplym lmrwm 14
11b wqdrym śgbw yšc 13
12a mpr mhšbwt crwmym 15
12b wl' tcśynh ydyhm twšyh 19
13a lkd hkmym bcrmm 13
13b wcst nptlym nmhrh 15
14a ywmm ypgšw hšk 12
14b wklylh ymššw bshrym 17
15a wyšc mhrb tpyhm* 13 (L: mpyhm)
15b wmyd hzq 'bywn 12
16a wthy ldl tqwh 11
16b wclth qpsh pyh 12
17a hnh 'šry 'nwš ywkhnw 'lwh 21
17b wmwsr šdy 'l tm's 14
18a ky hw' yk'yb wyhbš 15
18b ymhs wyd[y]w* trpynh 15(14)
B 19a bšš srwt ysylk 12
19b wbšbc l' ygc bk rc 14
20a brcb pdk mmwt 11
20b wbmlhmh mydy hrb 14
21a bšwt lšwn thb' 12
21b wl' tyr' mśd ky ybw' 17
22a lšd wlkpn tśhq 12
22b wmhyt h'rs 'l tyr' 15

VA 5,23a ky cm 'bny hśdh brytk 17


23b whyt hśdh hšlmh lk 15
24a wydct ky šlwm 'hlk 15
24b wpqdt nwk wl' tht' 15
25a wydct ky rb zrck 13
25b ws's'yk kcśb h'rs 15
20 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

26a tbw' bklh 'ly qbr 14


26b kclwt gdyš bctw 13
B 27a hnh z't hqrnwh kn hy' 17
27b šmcnh w'th dc lk 13

1.1.2. Übersetzung

4,1* Da hob Elifas von Teman an und sprach:


IA 4,2a Wagt sich ein Wort zu dir, das dich ermüdet?*
2b Aber Worte zurückhalten – wer kann es?
3a Sieh’, du hast viele ermahnt*
3b und schlaffe Hände gestärkt.
4a Deine Worte richteten die Strauchelnden auf
4b und die wankenden Knie festigtest du.
B 5a Aber nun: Wenn es an dich kommt, wirst du müde,
5b wenn es bis an dich reicht, bist du erschrocken.
6a Ist nicht deine Gottesfurcht deine Hoffnung,
6b [und]* deine Hoffnung die Unschuld deiner Wege?

IIA 4,7a Bedenke doch: Wer ging schuldlos* zugrunde


7b und wo wurden die Redlichen vertilgt?*
8a Soweit ich sah: Die, die Unrecht pflügen
8b und Unheil säen, ernten es.
9a Durch den Odem Gottes gehen sie zugrunde,
9b durch seines Zornes Hauch werden sie vertilgt.
B 10a Das Brüllen der Löwen und die Stimme der Leuen –*
10b die Zähne der jungen Löwen sind ausgeschlagen*.
11a Der Löwe geht zugrunde ohne Beute,
11b die Jungen der Löwin werden zerstreut.
12a* Zu mir ist heimlich ein Wort gekommen
12b und mein Ohr vernahm von ihm ein Flüstern.
13a In Gedanken über Nachtgesichte,
13b wenn Tiefschlaf auf die Menschen fällt,
14a befiel mich Schrecken und Zittern
14b und ließ alle* meine Gebeine erschrecken.
15a Und ein Hauch fuhr an mir vorüber;
15b die Haare* meines Leibes sträubten sich.
16a Da stand – und ich erkannte nicht seine Gestalt* –
ein Gebilde vor meinen Augen.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 21

16b Eine stille Stimme hörte ich*.


17a Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott,
17b oder ein Mann vor seinem Schöpfer rein?
18a Siehe*, sogar seinen Dienern traut er nicht
18b und seinen Boten wirft er Irrtum* vor,
19a wieviel mehr* den in Lehmhäuser Wohnenden,
19b die auf Staub gegründet sind,
die zerstört werden wie eine Motte*.
20a Vom Morgen bis zum Abend werden sie zerschlagen,
20b vertilgt für ewig ohne Namen*.
21a Werden nicht ihre* Zeltstricke ausgerissen?
21b Sie werden sterben, ohne es zu wissen*.

IIIA 5,1a Rufe doch! Ist jemand da, der dir antwortet?
1b Und an wen von den Heiligen wirst du dich wenden?
2a Ja, einen Toren tötet Unmut,
2b und einen Unverständigen bringt Eifer um.
3a* Ich sah den Toren Wurzeln schlagen,
3b und plötzlich habe ich seine Stätte verflucht.*
4a Seine Kinder blieben fern vom Heil,
4b wurden unterdrückt im Tor; und kein Retter war da.
5a Was sie geerntet hatten*, aß der Hungrige,
und holte es mit ins Versteck.*
5b Und der Durstiger* schnappte sein Gut.
B 6a Doch Unrecht geht nicht aus dem Staub hervor,
6b und Unheil wächst nicht aus der Erde,
7a sondern der Mensch erzeugt* die Mühsal,
7b und die Funken fliegen hoch empor.

IVA 5,8a Aber ich, ich würde mich zu El wenden


8b und meine Sache vor Gott* bringen,
9a* – der große Dinge tut, zwar unerforschlich,
9b und Wunder ohne Zahl,
10a der den Regen auf die Erde gibt
10b und Wasser sendet auf die Gefilde,
11a um die Niedrigen zur Höhe heben,
11b daß die Trauenden sich zum Heil erheben.
12a Ihm, der die Pläne der Listigen vernichtet,
12b daß ihre Hände nicht Erfolg haben,
22 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

13a der die Weisen in ihrer Hinterlist fängt,


13b daß der Verschlagenen Rat sich überstürzt.
14a Indem sie tags auf Finsternis treffen
14b und mittags tappen wie bei Nacht.
15a Er rettet vor ihrem Munde den Vernichteten *,
15b und den Armen aus der Hand der Starken.
16a Den Elenden aber wird Hoffnung zuteil,
16b die Bosheit schließt ihren Mund.
17a* Heil dem Mann, den Gott zurechtweist.
17b Darum verachte die Zucht Schaddais nicht! –
18a denn* er verwundet und verbindet,
18b er zerschlägt und seine Hände* heilen.
B 19a Er wird dich retten in sechs Bedrängnissen,
19b im siebten wird dich kein Übel berühren.
20a In Hungersnot erlöst* er dich vom Tode,
20b und in der Schlacht vom Schwerte*.
21a Von der Geißel* der Zunge kannst du dich verbergen,
21b und brauchst dich nicht zu fürchten, wenn Verwüstung naht.*
22a* Über Verwüstung und Hunger wirst du lachen
22b und dich vor den Wildtieren des Landes nicht fürchten.

VA 5,23a Ja, mit den Feldsteinen wirst du im Bunde sein


23b und die Wildtiere des Feldes werden Frieden mit dir haben.
24a Du wirst erfahren, daß dein Zelt im Heil ist;
24b schaust du deine Wohnstätte an, wirst du nichts vermissen.
25a Du wirst erfahren, daß deine Nachkommen viele sind
25b und deine Sprößlinge wie das Kraut der Erde,
26a daß* du in reifem Alter* zu Grabe kommen wirst,
26b wie man Garben einbringt zur rechten Zeit.
B 27a Siehe, das haben wir erforscht – so ist es;
27b was wir hörten*, das merke du dir!

1.1.3. Text- und Literarkritik

4,1 Die Überschriften der Freundes- sowie der Hiobreden sind im Ge-
gensatz zur übrigen ursprünglichen Dichtung als kolometrisch über-
lange Monokola und in Prosaform verfaßt worden.2 Die Namen der

2 Zur Kolometrie der ursprünglichen Dichtung siehe unten, S. 89–91.


Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 23

Parteien – Hiob, Elifas, Bildad und Zofar – werden ausschließlich in


ihnen angegeben. In einem Dialog, in dem die Anfänge und Enden der
durchgehend in Bikola gedichteten Reden ohne Mühe zu erkennen
sind und dessen jeweilige Teilnehmer sich durch den Inhalt und die
Sprache auszeichnen, sind solche Redeeinleitungen an sich nicht unbe-
dingt nötig. Daraus ergibt sich der Verdacht, daß sie sekundär sind. Mit
Wolf-Dieter Syring könnte man sie der die Dichtung und Rahmener-
zählung verknüpfenden „Hiob-Redaktion“ zurechnen3, aber die end-
gültige Lösung dieser Frage hängt davon ab, ob die ursprüngliche
Dichtung jemals irgendwelche prosaischen Anmerkungen besessen hat.
4,2 Die fragende Satzkonstruktion hat seit den alten Übersetzungen
zahlreiche Lösungen oder Verbesserungen angeregt. Dabei wird haupt-
sächlich ein zwischen das Fragewort und das abhängige Verb einge-
schobener Bedingungssatz angenommen.4 Berechtigt ist aber mit
B. Duhm und H. Bobzin die Deutung von he)l : T
i als asyndetischer Rela-
tivsatz.5 Obwohl eine solche Auflösung im Blick auf die Satzteilfolge
ohne Fragepartikel ungewöhnlich ist, ist sie doch dank des Frageparti-
kels selbst und des chiastischen Parallelismus (in a-Kolon Frage am
Anfang, in b-Kolon Frage am Ende) gut möglich, ungeachtet der be-
sonderen Prägung der Konstruktion durch seine Position am Redean-
fang. Darüber hinaus besteht keine Notwendigkeit, das Verb hsn, „prü-
fen“, „versuchen“, gegen )&n, „erheben“6, zu tauschen.7
4,3 Die Imperfekta in den weiteren Kola sind von diesem Perfekt
abhängig.8
4,6 Die Kopula muß am Anfang stehen. Dabei ist ihre Position vor
dem Subjekt nicht außergewöhnlich.9
Die Grundschicht der ersten ER hat die klare Tendenz, das Kolon b
mittels der Kopula einzuleiten.10
4,7a Wörtlich: „Wer ist es, der als Unschuldiger zugrundeging“.

3 Zu den wichtigen Argumenten zur sekundären Verknüpfung der Dichtung und Er-
zählung siehe gründlich W.-D. Syring (2004), 129–131.159–168.
4 So vor allem GK28, § 150m.
5 B. Duhm (1897), 24f.; H. Bobzin (1974), 87f.
6 So z.B. G. Beer (1895/97), 22; E. Dhorme (1967), 42f.; F. Horst (1968), 60, u.a.
7 Z.B. lassen G. Fohrer (1963a), 129; H. Bobzin (1974), 87f., das Verb stehen.
8 Siehe H. Bobzin (1974), 88; GK28, § 107e; Joüon, § 112dN.
9 So auch BHS nach einigen Handschriften, G und S; K. Budde (1913), 18; S.R. Driver /
G.B. Gray (1950), II 24; G. Hölscher (1952), 18; E. Würthwein (1970), 240; Anm. 58,
und H. Bobzin (1974), 89.
10 Siehe dazu unten, S. 121f. Dagegen betonen aber GK28, § 143d; E. Dhorme (1967),
44f.; F. Horst (1968), 60; M.H. Pope (1985), 36, u.a., daß w das wichtigste Wort im Ko-
lon betone.
24 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

4,7b Das Verb am Kolonende kann auch als asyndetischer Relativ-


satz gedeutet werden.11
4,10 Alle Nomina sind kollektive Singulare.
4,10b Das Verb U(fTni beendet direkt die Aussage in 10b, schließt da-
mit aber symbolisch auch die beiden Aussagen in 10a ab.12 G. Fohrer
erklärt das Verb als „verschwinden“, um die Deutung zu retten,13 die
anderen versuchen, V. 10a und b (w) zu kontrastieren.
4,12–21 Dieser ganze Abschnitt ist laut der triftigen These M. Wittes
dem Niedrigkeitsbearbeiter zuzuordnen.14 Der Einschub besteht aus
zwei Teilen, aus der Schilderung vom Erhalten des Nachtgesichts
V. 12–16 und aus der Inhaltsangabe dieser Offenbarung V. 17–21. Beide
unterscheiden sich von der Lehre des Elifas. Auffallend ist der Verweis
auf eine unmittelbare Gottesoffenbarung als Basis für die Argumentati-
on im Gegensatz zu 4,8; 5,27 und 5,17, die eindeutig von der eigenen
Erfahrung und den daraus gezogenen Konsequenzen reden. Außerdem
entspricht die Behauptung, der Mensch könne vor Gott nicht rein sein,
und die entsprechende Radikalisierung der Sünde, nicht dem Geiste
der von Elifas vertretenen theologisierten Vergeltungslehre und der
von ihm erhobenen eindeutigen Anschuldigungen (vgl. bereits die Ein-
leitung der Rede 4,6 u.a.). Ja sogar die Auslegung der ganzen ursprüng-
lichen Hiobdichtung hängt in hohem Maße von diesem Detail ab.15
Überdies sind die Verse kolometrisch uneinheitlicher als die vo-
rausgehenden (sie enthalten u.a. zwei Trikola16 V. 16 und 19, ein zu
kurzes Bikolon in V. 12a [11:15] und gleich in V. 13 ein zu langes
[17:16]). Andererseits erweist es sich zumal in V. 12–15 und 20, daß der

11 So H. Bobzin (1974), 90; ähnlich auch L. Hirzel (1852), 29.


12 So richtig K. Budde (1913), 18, und E. Dhorme (1967), 47 (!); ähnlich A. Weiser (1980),
45; G. Hölscher (1952), 18, und Dav3, § 41b.
13 G. Fohrer (1963a), 130, nach Israel Eitan.
14 Zur Redaktion zählt man auch 15,11–16 und die sog. dritte Bildadrede Hi 25 (siehe
unten, S. 38 und 66–68). Die Theorie M. Wittes (1994), 69ff. und 175ff., ist bahnbre-
chend (ihm anschließend auch O. Kaiser [2006], 12f.116, und J. van Oorschot [2007],
182–184), weil früher nur G. Hölscher (1952), 18, die Verse 4,19b–20 und G. Fohrer
(1963a), 131, und F. Hesse (1978), 51, die Verse 4,16aα1.19bβ gestrichen haben, aber
keiner den Charakter des ganzen Abschnitts als Interpolation erkannt hat. Dagegen
hat N.H. Tur-Sinai (1981), 88ff., vorgeschlagen, ihn als Teil einer Hiobrede, sei es der
c. 3 oder 9, zu verstehen (ähnlich H.L. Ginsberg [1969], 102–107, und G.V. Smith
[1990] zu c. 3), und E. Würthwein (1970), 234ff., hat gewisse Bedenken erhoben.
J. Vermeylen (1994), 108ff., streicht 4,12–5,1. Viele haben ein fehlendes Kolon oder
Umstellungen vermutet.
15 Siehe dazu unten, S. 210f., bes. Anm. 286, und S. 230f., Anm. 408, und vgl. unten,
S. 280ff.
16 Trikola fehlen vermutlich in der ganzen ursprünglichen Hiobdichtung; siehe unten,
S. 89.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 25

Abschnitt vom Wortschatz der ZR (vgl. z.B. 20,8), von dem des Hi 25
(vgl. V. 4–6) und vor allem von dem der sekundären Elihurede Hi 33f.
abhängig ist. Stilistisch zeichnen sich V. 12–21 durch zahlreiche die
Kola eröffnenden Alliterationen (V. 13.14b.15a.16 und 19f.), die Vorlie-
be für Präpositionen wie z.B. }im (V. 12.13.17.20)17 und eine inkonsequen-
te Verwendung der Kopula (besonders w-Apodosis in V. 12a18) aus. Da-
rüber hinaus ist V. 12 den Kola 4,2a und 4,11b nachgebildet (vgl. die
Wendung rbd yal) " :w und U-Laut am Ende von V. 12b19), ganz zu schwei-
gen von der Tatsache, daß der Ergänzer sich durch den Verweis auf das
Reden (rfbfD in V. 12a) den Einleitungsformeln der Freundesreden gut
anzupassen meint.20 Die Frage, ob sich in diesem von Gedankensprün-
gen nicht freien Abschnitt mehrere Redaktorenhände nachweisen las-
sen (vgl. z.B. V. 13 oder die mögliche Zitation in V. 17), muß vorerst
offen bleiben. Richtig ist auch die Wahrnehmung H. Bobzins, daß man
in V. 21 den Eindruck von Poesie verliert und deswegen V. 21 schwie-
rig zu übersetzen ist.21
4,14b Statt bor (wörtlich „die Menge“) ist auch byir, „Zittern“, vorge-
schlagen worden.22 Mit G. Fohrer ist die Verbesserung nicht nötig.23
4,15b In M sind sowohl tarA(& a als auch r"Ms
a T
: sing. G. Fohrer möchte
tr(& als plur. vokalisieren,24 von uns wird das Wort aber einfach als
collectivum verstanden25. H. Bobzin schlägt wegen des Tempus-Prob-
lems in V. 15a und b vor, in b hfr(f &
: , „Schaudern“, statt tar(a &
A zu lesen.26
4,16a G. Fohrer und F. Hesse möchten Uh")r : m
a ryiK)
a -)olw: als Glosse
streichen, G. Beer dagegen das zweite Kolon.27 Es ist nicht ausgeschlos-
sen, daß es sich in V. 16aα um eine tertiäre Glosse handelt. E. Dhorme
vermutet, in V. 16aα sei das Subjekt von dom(A ya verloren gegangen.28 Wir

17 Insgesamt ist sie in diesem Abschnitt in zehn Versen sechsmal, in der ursprüngli-
chen ER 4,2–11; 5,1f.6–8.18–21.23–27 mit insgesamt 32 Versen nur zehnmal vertreten.
18 So M. Witte (1994), 70.
19 Trotz des durchgehenden U-Lauts am Ende von 4,7–11 (siehe unten, S. 136f.), kann
4,12 inhaltlich auf keinen Fall an den vorhergehenden Abschnitt angeschlossen wer-
den.
20 Zu den Einleitungen der Freundesreden und zum Wortschatz siehe unten,
S. 122f.151f.
21 H. Bobzin (1974), 95. Zur Frage siehe GK28, § 150m. Zu den weiteren Besonderheiten
im ganzen Abschnitt siehe M. Witte (1994), 69ff.
22 G.R. Driver (1955), 73; BHS.
23 G. Fohrer (1963a), 130.
24 A.a.O.
25 Etwa wie Dav3, § 14; N.C. Habel (1985), 115, und M. Köhlmoos (1999), 183, Anm. 12.
26 H. Bobzin (1974), 93. Vgl. auch G. Beer (1895/97), 25f., und E. Dhorme (1967), 50f.
27 G. Fohrer (1963a), 131; F. Hesse (1978), 51; G. Beer (1895/97), 25f.
28 E. Dhorme (1967), 51f.; ähnlich G. Hölscher (1952), 18.
26 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

gehen davon aus, daß hier ein sekundäres Trikolon und in V. 16aα ein
Schaltsatz vorliegt.
4,16b Wörtlich: „Eine Stille und eine Stimme hörte ich“.
4,18a Die Interjektion }"h kann auch als „wenn“ übersetzt werden.29
4,18b BHS schlägt hflp: T i , „Anstößiges“, oder hflTf ah, „Irrtum“ (aus
llt30) und N.C. Habel mit anderen hfLh i T
: , „praise“, statt hflhF fT vor31.
G. Fohrer bleibt bei diesem Hapaxlegomenon. Das Wort könnte aber
32

mit E. Dhorme und L.L. Grabbe aus llh, „verrückt sein, über die Gren-
ze gehen“, hergeleitet werden.33
4,19a K. Budde und E. Dhorme setzen hier yiK-va) (wie in Hi 9,14;
25,6) voraus.34
4,19b Es wäre auch möglich, mit G. Fohrer und F. Hesse in V. 19bβ
eine Glosse zu vermuten, weil V. 20 sonst den Gedankengang gut fort-
setzt.35
4,20b In M steht die verdächtige Wendung {yi&m " yil:Bm
i , „ehe man es
bemerkt“. BHS schlägt metri causa und nach M. Dahood richtig vor, ein
{"$ yilB
: m
i zu lesen.36
4,21a BHS und F. Horst schlagen {OYaB statt {fB vor: „werden nicht ih-
re Zeltstricke ausgerissen am Tage“.37 Die Änderung ist aber nicht nö-
tig, weil hier eine schlichte Wiederholung des Suffixes vorliegt.38
4,21b Wörtlich „und ohne Wissen“.
5,3–5 Diese Strophe ist nachträglich durch die textkritisch sehr
schwierigen V. 3–5 erweitert worden.39 Es ist nahezu unmöglich, in

29 Siehe unten, S. 68.


30 G. Beer (1895/97), 27.
31 N.C. Habel (1985), 117.
32 G. Fohrer (1963a), 131.
33 E. Dhorme (1967), 53; L.L. Grabbe (1977), 41ff.,
34 K. Budde (1913), 20; E. Dhorme (1967), 53.
35 G. Fohrer (1963a), 131; F. Hesse (1978), 51. Dagegen hält G. Hölscher (1952), 18,
V. 19bβ zusammen mit V. 20 für eine Randbemerkung. K. Budde (1913), 20, würde
das dritte Versglied lieber an V. 20 anknüpfen.
36 So auch G. Fohrer (1963a), 131; M.H. Pope (1985), 38, und N.C. Habel (1985), 116.
37 F. Horst (1968), 16.
38 So K. Budde (1913), 20; vgl. G. Fohrer (1963a), 131. E. Dhorme (1967), 55ff., stellt
V. 21a zwischen 5,5a und b um. Zum Fragesatz vgl. GK28, § 150m.
39 Die textkritischen und poetologischen Schwierigkeiten haben zu einer Reihe von
Theorien geführt. Eine der interessantesten findet sich bei E. Dhorme (1967), 56–63,
der hier zahlreiche Umstellungen vornimmt: 4,21b.5,2–5b.4,21a.5,5c–7.1.8 usw. Alle
drei Verse hat erst O. Kaiser (2006), 13, für sekundär erklärt. G. Hölscher (1952), 18f.,
streicht V. 4 und 5aβ, weil V. 5 direkt V. 3 fortsetze. BHS, B. Duhm (1897), 31;
P. Volz, (1921), 30f.; G. Fohrer (1963a), 132, und F. Hesse (1978), 51, streichen V. 5aβ
als unnütze Dublette und G. Fohrer darüber hinaus in V. 4b ra(< a b
a , um die Verslänge
in Grenzen zu halten.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 27

diesen Versen einen ursprünglichen Kern zu entdecken, obwohl hier


einmal ein inhaltlich und stilistisch-poetologisch passender Vers ge-
standen haben könnte. Jedenfalls dürfte hier primär weder ein Trikolon
noch ein kolometrisches Ungleichgewicht vorgelegen haben, was aber
entsprechend in V. 5 (dreigliedrig) und in V. 3f. (17:13 und 13:18) der
Fall ist. Inhaltlich bildet yityi)r f -yin)
A in V. 3 eine überflüssige Wiederho-
lung von 4,8, wobei noch das Wort yin) A charakteristisch für die HR
(zwölfmal in c. 6f.*; 9*; 13* usw.), aber nicht so sehr für die Freundesre-
den ist.40 Ähnlich unnötig verdoppelt das im Hiobbuch nur hier begeg-
nende Wort lyiw) E in V. 3 den V. 2. Die Wendung lyiCam }y")w: in V. 4b wirkt
wie eine stereotype, direkt aus den Psalmen übernommene Äuße-
rung.41 Die Konjunktion re$) A am Anfang von V. 5 ist ebenfalls nicht
überzeugend, weil nicht kennzeichnend für die Freundesreden. Außer-
dem treten V. 3–5 störend zwischen V. 1f. und 6f., in denen jeweils die
Aussage des Vordersatzes mit den mit yiK eingeleiteten Sätzen fortge-
setzt wird.42 Sie sind zudem wegen der maßgeblichen )- und (-Allite-
ration aus einem Guß.43 Ebenfalls paßt die allumfassende Vorliebe des
Verfassers der V. 3–5 für die maskulinen Formen der Substantive nicht
mit V. 1f. und 6f. zusammen.44
5,3b BHS und F. Horst schlagen statt bOQe)fw vor r"q(f "Ywa , „wird zer-
stört“. K. Budde plädiert für d"qfPYi wa , „stand leer“; G. Hölscher, G. Fohrer
und H. Bobzin für baqr : Yi wa , „verfiel“.45 Wir lassen aber den Text mit
E. Dhorme unverändert, weil bei den kürzeren Ergänzungen die
Grundsätze der Redaktoren nicht mehr nachvollzogen werden kön-
nen.46
5,5a Statt Oryic:q lies Ur:cfq.47
Der Vers ist verdorben, so daß z.B. F. Horst, A. Weiser und H. Bob-
zin V. 5aβ sogar nicht mehr zu übersetzen versuchen.48 Wir schließen

40 Siehe unten, S. 119.


41 Ähnlich E. Dhorme (1967), 59.
42 Zumal die Konjunktion yiK in den ER eine besonders wichtige Rolle spielt; siehe
unten, S. 117.
43 Siehe unten, S. 120, Anm. 243. Daher hat man Umstellungen versucht; vgl. E. Dhor-
me (1967), 62f., der V. 1 nach V. 7 umstellt.
44 Vgl. unten, S. 99.
45 F. Horst (1968), 61; K. Budde (1913), 21; G. Hölscher (1952), 19; G. Fohrer (1963a),
132; H. Bobzin (1974), 97.
46 E. Dhorme (1967), 58; vgl. N.C. Habel (1985), 117; J. E. Hartley (1988), 115, Anm. 4.
47 So BHS; G. Beer (1895/97), 30; K. Budde (1913), 21; E. Dhorme (1967), 59f.;
S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 28; G. Fohrer (1963a), 132; F. Horst (1968), 61;
A. de Wilde (1981), 111. Dagegen G. Hölscher (1952), 19, in sing.
48 F. Horst (1968), 61f.; A. Weiser (1980), 45; H. Bobzin (1974), 98.
28 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

uns der Konjektur von E. Dhorme an, der {yinuPc : m


a , „hiding places“, statt
{yiNC
i m
i liest.49
5,5b Der Text ist erneut verdorben. Sollte der Ergänzer noch den
Parallelismus eingehalten haben, dann lies nach Aquila, Symmachus, S
und V und mit neueren Exegeten statt {yiMc a , „Fallstricke“50 (nur noch in
BR 18,9), )"mc f oder {yi)m
" c
: , weil es mit V. 5aα übereinstimmt.
5,7a Lies mit BHS und den Kommentatoren dilOy statt dfLUy wegen
des gedanklichen Zusammenhangs der ER und des Hifils in V. 7b.51
5,8b Die Vermutung G. Fohrers, daß hier ursprünglich yaD$ a gestan-
den hat,52 oder die von F. Horst (wyfl) e ),53 müssen in Betracht gezogen
werden, weil {yihol) E in den Freundesreden kaum begegnet (vgl. ZR
20,29). Andererseits haben wir es hier mit der auffallend schönen )-
Alliteration zu tun, die höchstwahrscheinlich ursprünglich ist.54
5,9–16 Dieser umfangreiche Hymnus paßt nicht in den Rahmen der
ER bzw. der Freundesreden überhaupt. Er umfaßt acht Verse, denen
von derselben Hand oder später V. 17 hinzugefügt worden ist.55 Der
Hymnus56 gliedert sich inhaltlich und stilistisch in drei Teile, von denen
der erste (V. 9–10) durch eine Reihe von charakteristischen Partizipien
eingeführte Abschnitt einleitend die unzähligen Wunder Gottes preist
und der zweite das für die ganze Rede relevante Thema des Heils der

49 E. Dhorme (1967), 60; vgl. BHS, N.H. Tur-Sinai (1981), 95f., und M. Witte (1994), 72.
50 BHS; G. Beer (1895/97), 30; E. Dhorme (1967), 59f.; G. Hölscher (1952), 19; A. Weiser
(1980), 45; F. Horst (1968), 62; H. Bobzin (1974), 98; N.C. Habel (1985), 117, u.a.
51 Vgl. G. Beer (1895/97), 31; F. Baethgen (1898), 12; K. Budde (1913), 22; E. Dhorme
(1967), 61; H. Masing (1931), 38; H.W. Hertzberg (1949), 27.32; G. Hölscher (1952), 19;
S. Terrien (1963), 74f.; H.H. Rowley (1980), 53; A. Weiser (1980), 45; J. Lévêque (1970),
247f.; E. Würthwein (1970), 227; H. Bobzin (1974), 99; R. Gordis (1978), 35; A. de Wil-
de (1981), 111; J.E. Hartley (1988), 116, und O. Kaiser (2006), 14. Dagegen sind aber
auch viele, wie G. Fohrer (1963a), 132.148; H.-J. Hermisson (1998a), 287; G. Fuchs
(1993), 93f.; M. Köhlmoos (1999), 185.228; A. Scherer (2008), 55f. Diese unbestritten
wichtige Konjektur wird unten, S. 210 (Anm. 286!), auch theologisch begründet.
52 G. Fohrer (1963a), 132; vgl. G; M.H. Pope (1985), 43, und M. Witte (1994), 93.
53 F. Horst (1968), 62.
54 Zu den Klangfiguren siehe unten, S. 130f., und zu den Gottesbezeichnungen, S. 203f.
55 Nach der Mehrheit der Exegeten werden V. 8–16 als eine Strophe und V. 17 als
Anfang der nächsten Strophe behandelt. Wegen der stilistischen und inhaltlichen
Disharmonien wird V. 10 öfters als einziger Vers ausgesondert, so P. Volz (1921), 31;
G. Hölscher (1952), 19; G. Fohrer (1963a), 132; H. Bobzin (1974), 100; F. Hesse (1978),
52, und M. Witte (1994), 72. F. Horst (1968), 64, äußert aufgrund von Strophik und
Inhalt, der „ohne alle Beziehungen zum Fall Hiobs ist“, den Verdacht, daß 5,10.12–16
sekundär sein könnten, streicht sie am Ende aber nicht. Erst O. Kaiser (2006), 13f.,
streicht den Hymnus.
56 Zu den Hymnen im Psalter u.a. siehe F. Crüsemann (1969), 19–154, und H. Gunkel /
J. Begrich (1985), 32–93.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 29

Niedrigen und der Vernichtung der Listigen in V. 11–14 erörtert. In der


dritten Unterstrophe (V. 15f.) hebt der Verfasser refrainmäßig erneut
die Hoffnung der Armen hervor. Durch die Partizipien knüpft der
Hymnus zwar schön an das Subjekt Gott in V. 8 an und verleiht dem
Abschnitt die Gestalt eines Kommentars, wird aber durch dieselben
acht aneinandergereihten Partizipien stilistisch zu einer Ausnahme in
den Freundesreden. Außerdem ist das Partizip am Anfang von V. 10a
durch den Artikel determiniert und wird dadurch zu einer absoluten
Ausnahme in den Freundesreden.57 Auch der Infinitiv in V. 11 wäre
keinesfalls charakteristisch für die ursprüngliche Dichtung. Neben den
zahlreichen stilistischen Merkmalen in V. 9f. weist der Hymnus eine
Reihe von ihn von der übrigen Rede abgrenzenden Reimen und Allite-
rationen auf, so z.B. {- am Ende der Verse 11a.12a.13a.14b.15a und
mehrmals innerhalb der Verse sowie die Kopula jeweils am Anfang der
Zeilen in V. 15f.58 Darüber hinaus fallen V. 9–16 durch drei weitere
Disharmonien gegenüber der ursprünglichen ER auf: Es sind keine
rhetorischen Figuren oder Formeln wie Interjektionen, Konjunktionen
oder Fragewörter zu sehen, die jedoch immer die zwei- bis maximal
fünfversigen Abschnitte charakterisieren sollten.59 Im Strophenbau
dürften wir im Rahmen dieser Rede vier- oder fünfversige Strophen er-
warten, was aber wenigstens in der heutigen Gestalt des Hymnus nicht
nachweisbar ist. Das kolometrische Schema der Passage ist in hohem
Maße unruhig, weil drei Kola (V. 10b.12b.14b) mit ihren 17 und 19 Kon-
sonanten unbegründet lang sind, während dagegen die Verse 15f. eine
anormale Kürze zeigen (13:12 + 11:12).60
Wendet man sich dem Wortschatz und den inhaltlichen Tendenzen
des Abschnitts zu, um nach der Herkunft dieser Erweiterung zu fragen,
ist folgendes festzustellen:
1.) V. 9 wiederholt sich wortwörtlich in dem von M. Witte der Ge-
rechtigkeitsredaktion zugeschriebenen61 Vers Hi 9,10, wo er sich in
einem die Schöpfermacht Gottes beschreibenden hymnischen Absatz
9,2–14 befindet.
2.) Akzeptiert man die These M. Wittes über das Vorliegen einer
Gerechtigkeitsredaktion und sieht man sich dann die längeren Beleg-
stellen in 9,2–14; 12,4–6; 24,5–8.13–25; 27,7–10.13–2362 näher an, befindet
man sich in einem Begriffsfeld, das so sehr dem des Hymnus in 5,9–16

57 Alle Kommentatoren heben es hervor. Vgl. zum Satzbau unten, S. 109f.


58 Vgl. unten, S. 121f. und 136f.
59 Besonders die in den ER geliebte yiK; siehe unten, S. 117.
60 Vgl. unten, S. 89–91.
61 Siehe M. Witte (1994), 183ff.
62 M. Witte (1994), 183ff.192.
30 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

ähnelt, daß die oben hervorgehobene Parallele von 5,9 und 9,10 keine
Überraschung mehr bietet. Da der Redaktor viel mit Tag und Nacht
bzw. mit Licht und Finsternis spielt, begegnen {fmOy63, |e$ox und hfly: l a aus
V. 14 in 24,14.16, das letzte weiterhin in 27,20. Das im Hiobbuch nur
zweimal benutzte Verb jpq aus V. 16 trifft man in 24,24, des letzten
Subjekt aus demselben Satz – die Bosheit, hflO(, – in 24,20; das Verb rrp
für Vernichtung in V. 12 kehrt in 40,8 zurück; dem Negativen werden
die Niedrigen ({yilpf $ : in V. 1164), die Armen (}Oy:b)
e in V. 15) und die
Hoffnung (hfw:qT i in V. 16) entgegengesetzt (entsprechend in 40,11 als
Verb; 24,14 und 27,8). Darüber hinaus besitzt die Wurzel {kx in der
ursprünglichen Hiobdichtung eine besondere Bedeutung und erweist
sich in den Redaktionen als überflüssig.65 Die weiteren aus 5,9–16 be-
kannten Wörter wie {y& (V. 11, vgl. 40,14), {Orfm (V. 11, vgl. 31,2), ($y
(V. 11.15, vgl. 24,15.2866) und hyh (V. 16, vgl. 12,4; 24,13.14; 27,7) begeg-
nen beim Gerechtigkeitsredaktor.
3.) Mithin liegt die Vermutung nahe, daß V. 9–16 aus der Hand des
Gerechtigkeitsredaktors stammen. Daß viele Begriffe wie hfmr : (f , rhm,
ltp (alle V. 13) und $gp (V. 14) innerhalb des Hiobbuches Hapaxlego-
mena sind, verstärkt den Eindruck.
4.) Einige Überschneidungen liegen mit c. 12 vor: Die Wörter {iym a ,
jer)e und xl$ aus V. 10 befinden sich alle drei in 12,15; day h&( aus V. 12
in 12,9; hfY$
i UT ebenfalls aus V. 12 in 12,16; das Wort hfc"( und die Wurzel
{kx aus V. 13 in 12,13; und der Sinn des V. 14 zusammen mit den Wör-
tern $$m und |e$ox in 12,25. Der größte Teil dieses Kapitels wird von
M. Witte (12,7–25) und O. Kaiser (12,3b–25) der Majestätsredaktion
zugeordnet.67 Wenn man noch das Verb ($y (V. 11.15) und das Nomen
hfY$
i UT (V. 12) in 26,2f. ebenfalls als Produkt des Majestätsredaktors wie-
derkehren sieht, wird die Herkunftsfrage des Hymnus 5,9–16 kompli-
zierter. Trotzdem ist sie mit der These M. Wittes, daß die Gerechtig-
keitsredaktion auf die der Majestätsredaktion zurückblickt und ihr
sogar eine neue Dimension verleiht, in dem sie 12,7–25 mit einer Einlei-

63 In der Hiobdichtung überhaupt nur zweimal.


64 In der Hiobdichtung nur noch in ER 22,29 (als Verb und zusammen mit ($y, vgl.
5,11). Die Abhängigkeit des Gerechtigkeitsredaktors von oder die Ähnlichkeit mit
den die Gerechten und Gottlosen gegenüberstellenden Zusammenfassungen der
Freundesreden ist inhaltlich verständlich. Die anderen naheliegenden Beispiele sind
ZR 20,29 und Hi 27,13.
65 Nur HR 13,5 (hfmk: x
f ); ER 15,2 ({fkx
f ); 15,8 (hfmk: x
f ) und GR 38,36f. (hfmk: x
f ) gelten als sicher.
Dagegen begegnet die Wurzel sekundär in 4,21; 5,13; 9,4; 12,2(?).12f.; 15,18; 17,10(?);
26,3; viermal in c. 28; 39,17 und achtmal in den Elihureden. Zur programmatischen
Rolle siehe unten, S. 284.291 und Anm. 87.
66 Zu ER 22,29 siehe oben, Anm. 64. Merke das Verb auch im sekundären Vers 5,4.
67 Siehe M. Witte (1994), 179ff.; O. Kaiser (2006), 25f.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 31

tung (V. 4–6) versehen hat,68 auch gleich beantwortet, weil nämlich so
die begrifflichen Querbeziehungen und die gleichzeitige inhaltliche
Uneinigkeit erklärbar wären. Darüber hinaus läßt sich die Tendenz der
Majestätsredaktion, Hiob gegenüber den Freunden mit seiner Gottes-
furcht zu rechtfertigen, nicht mit der der Freunde in Einklang bringen,
sehr wohl aber mit der Tendenz der Gerechtigkeitsredaktion.69
5,15a {ehyiPim berx
e m
" ist sinnlos. Wegen des Parallelismus70 sollten wir
entweder {ehyiPm i bfrx F m
f , „den ruinierten Mann vor ihrem Munde“,71
{otyf {fB:rx
a m
" , „aus ihrem Rachen die Waise“,72 oder {yiy+ f P: , „simple ones“,73
lesen.
5,17 Nach dem Einschub des Hymnus und der gewaltsamen Tren-
nung der vermutlich ursprünglich zusammengehörenden Verse 8 und
18–21 mußten nun V. 18–21 mit einer neuen Einleitung versehen wer-
den. Durch den Makarismus $OnE) y"r$ : )
a in V. 17 wird also die Rede mit
neuer Kraft über die Zurechtweisung (xky Hif. und rasUm) Gottes fortge-
setzt. Gegen die Ursprünglichkeit dieses Bikolons in der Hiobdichtung
sprechen folgende Tatsachen: Es weist eine extreme kolometrische
Überlänge auf (21:14), die auch nach der Entfernung der Interjektion
h"Nih nicht wesentlich besser aussieht (18:14), obwohl die Kommentato-
ren oft so verfahren.74 Der Makarismus ist im Hiobbuch ein Hapaxlego-
menon, der mit dem folgenden H a OlE) vermutlich auch die )-Alliteration
aus V. 8 nachbilden will. Die Zurechtweisung Gottes in V. 17 stimmt
mit den Gedanken der Gerechtigkeitsredaktion überein, zumal die Ter-
minologie es zuläßt: Das Paar H a OlE) und yaD$a zusammen mit dem Verb
xky75 kommt in 40,2 wieder vor; der Aramaismus $OnE)76 gehört nicht

68 M. Witte, a.a.O., 188.


69 Vgl. z.B. 5,14 und 12,25, wo $$m und |e$ox vorkommen, die sich aber durch das im
Hiobbuch sehr seltene adverbiale {fmOy in 5,14 unterscheiden (wiederum bei der Ge-
rechtigkeitsredaktion in 24,16 vorhanden) – d.h. die Gerechtigkeitsredaktion hat den
Gedanken der Majestätsredaktion übernommen, aber in ihrem eigenen Kontext ver-
wendet.
70 In V. 13.14.16 ist er ja vorhanden.
71 E. Dhorme (1967), 66f.; G. Hölscher (1952), 20.
72 K. Budde (1913), 23; S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 32.
73 M.H. Pope (1985), 44.
74 So G. Beer (1895/97), 33; N. Peters (1928), 47; G. Hölscher (1952), 20; G. Fohrer
(1963a), 132; A. Weiser (1980), 46, und F. Hesse (1978), 52. Die Streichung von h"Nh i
oder die Annahme der rhetorischen Figur ohne Rücksicht auf Kolonlänge (vgl. aber
N.C. Habel [1985], 117) ist vor dem Hintergrund der sekundären Prägung eine Ge-
schmacksfrage, weil uns die Kriterien für solche Entscheidung fehlen.
75 Das Verb wird zweimal in 13,3 und 16,21 (vgl. ebenfalls h a OlE) und yaD$
a ) auch in den
HR benutzt, aber in anderem Kontext. Die Wörter h a OlE) und yaD$ a stellen bei der Ge-
rechtigkeitsredaktion keine Ausnahme dar.
76 M. Wagner (1966), 26.
32 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

zum Grundbestand der Freundesreden, auffallend ist er aber in 9,2,


viermal bei der Niedrigkeitsredaktion (4,17; 15,14; 25,4.6) und viermal
bei Elihu; rasUm kommt zwar ursprünglich in 20,3 vor, wird aber noch in
12,18 und zweimal bei Elihu benutzt. Mithin ist V. 17 gewiß ein späte-
rer Zusatz. Die Herkunft aus der Zeit der Gerechtigkeitsredaktion ist
dabei nicht ausgeschlossen.77 Daß aber V. 8 und 18–21 ohne V. 9–17*
nichts verlören, sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich erwähnt.
5,18a Wenn V. 17 ursprünglich wäre, würde die Meinung H. Bob-
zins, daß yiK die Voraussetzung für V. 19 ist, richtig sein.78 Weil V. 17
aber ausfällt und V. 8 unmittelbar dem V. 18 vorangestellt ist, begrün-
det yiK den V. 8.79
5,18b Lies mit vielen Versionen wyfdyf w: .
5,20a Das Perfekt in Bedeutung der vollkommenen Gewißheit des
Geschehens in der Zukunft.80
5,20b Wörtlich: „aus der Hand des Schwertes“.
5,21a Der Vorschlag von BHS und K. Budde, +U$:B statt +O$:B zu le-
sen, ist zu erwägen.81 Daß vorne die Präposition }im gestanden hat (ob-
wohl so Ms, G, S, V und viele Kommentatoren), ist wegen V. 19a.20a
nicht sicher.
5,21b Wörtlich: „und brauchst dich nicht vor Verwüstung zu fürch-
ten, wenn sie kommt.“
5,22 Wie breit angenommen, handelt es sich bei V. 22 erneut um ei-
ne spätere Ergänzung.82 Thematisch liegt in ihr eine überflüssige und
ungewöhnlicherweise mit der Präposition l : eingeleitete83 Doppelzusa-
ge zu V. 20f. und 23 vor (vgl. do$, )fryiT und }fpKf , „Hunger“, mit V. 20f.
und jer) f h
f taYx
a mit her>
f ah taYax in V. 23). Ein Wort gibt uns auch diesmal
Auskunft über den vermutlichen Verfasser dieser Glosse, nämlich der
Aramaismus }fpfK,84 der im Alten Testament nur dreimal begegnet, außer

77 O. Kaiser (2006), 14, rechnet ihn zum Gerechtigkeitsbearbeiter.


78 H. Bobzin (1974), 103f.
79 Siehe unten, S. 103f.
80 Vgl. GK28, § 106n; Dav3, § 416; E. Dhorme (1967), 69; G. Fohrer (1963a), 133, und
J.E. Hartley (1988), 123, Anm. 4.
81 K. Budde (1913), 24.
82 So K. Budde (1913), 24; P. Volz (1921), 31; G. Hölscher (1952), 20; G. Fohrer (1963a),
133; F. Horst (1968), 59; H. Bobzin (1974), 105; F. Hesse (1978), 52; M. Witte (1994), 73;
M. Köhlmoos (1999), 186, Anm. 8; A. Scherer (2005), 297; (2008), 65, und O. Kaiser
(2006), 14. G. Beer (1895/97), 34, würde V. 22f. streichen.
83 Am Anfang der Zeile ist die Präposition l : insgesamt nur zweimal in den Freundes-
reden und in ganz besonderer Position belegt, nämlich am Anfang der Rede in ZR
20,2a und ER 22,2a.
84 E. Kautzsch (1902), 43; M. Wagner (1966), 66.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 33

Hi 5,22 in Ez 17,7 und Hi 30,3. Die letzte Stelle ist laut M. Witte und
O. Kaiser ein Produkt der Gerechtigkeitsredaktion.85
5,23a Der Überlänge wegen streichen G. Fohrer und F. Hesse den
yiK,86 der V. 23 eröffnet aber eine neue Strophe und so sind 17 Konsonan-
ten hier keine Ausnahme.87
5,26 H. Bobzin muß Recht gegeben werden, wenn er V. 26 von
yiK Tf (: d
a yf :w am Anfang von V. 25 für abhängig hält.88
5,26a Das Wort xalke b : bietet Deutungsschwierigkeiten, muß aber in-
haltlich das hohe Alter bedeuten.89
5,27b Der in M stehende Imperativ hfN(e m f $
: könnte mit G, S, T und
mehreren Kommentatoren besser punktiert werden: h f nu A(m
a $
: .90

1.2. Die zweite Elifasrede (Hi 15)

1.2.1. Kolometrie91

1 wycn 'lypz htymny wy'mr 20


IA 2a hhkm ycnh dct rwh 14
2b wyml' qdym btnw 13
3a hwkh bdbr l' yskwn 15
3b wmlym l' ywcyl bm 14
B 4a 'p 'th tpr yr'h 12
4b wtgrc śyhh lpny 'l 15
5a ky y'lp cwnk pyk 13
5b wtbhr lšwn crwmym 15
6a yršyck pyk wl' 'ny 15
6b wśptyk ycnw bk 12

IIA 7a hr'yšwn 'dm twld 14


7b wlpny gbcwt hwllt 15

85 M. Witte (1994), 183f.; O. Kaiser (2006), 53.


86 G. Fohrer (1963a), 133, und F. Hesse (1978), 52.
87 Vgl. auch V. 27 (17:13) und zu den kolometrischen Regeln unten, S. 90f.
88 H. Bobzin (1974), 106f.
89 Vgl. A. Dillmann (1891), 47f.; E. Dhorme (1967), 73 (aus hlk, „to be completed“, oder
aus llk, „to be whole, perfected“); S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 33 (verwandt mit
einer arabischen Wurzel KLH); L.L. Grabbe (1977), 43ff. (xlk als Variante zu xlq, also
„old age“).
90 Siehe die Begründung von G. Fohrer (1963a), 134; vgl. G. Beer (1895/97), 35.
91 Siehe oben, Anm. 1.
34 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

8a hbswd 'lwh tšmc 13


8b wtgrc 'lyk hkmh 13
B 9a mh ydct wl' ndc 12
9b tbyn wl' cmnw hw' 14
10a gm śb gm yšyš bnw 13
10b kbyr m'byk ymym 13
11a hmct mmk tnhmwt 'l 15
11b wdbr l't cmk 10
12a mh yqhk lbk 9
12b wmh yrzmwn cynyk 14/13
13a ky tšyb 'l 'l rwhk 14
13b whs't mpyk mlyn 13
14a mh 'nwš ky yzkh 12
14b wky ysdq ylwd 'šh 14
15a hn bqdšw l' y'myn 14
15b wšmym l' zkw bcynyw 16
16a 'p ky ntcb wn'lh 13
16b 'yš šth kmym cwlh 14
17a [...]* 'hwk šmc ly 9[+n](9)
17b wzh hzyty w'sprh 14
18a 'šr hkmym ygydw 13
18b wl' khdw m'bwtm 13
19a lhm lbdm ntnh h'rs 15
19b wl' cbr zr btwkm 13

IIIA 20a kl ymy ršc hw' mthwll 17


20b wmspr šnym nspnw lw* 16(19) (L: lcrys)
21a qwl phdym b'znyw 14
21b bšlwm šwdd ybw'nw 15
B 22a l' y'myn šwb mny hšk 16
22b wspw hw' 'ly hrb 13
23a ndd hw' llhm 'yh 13
23b ydc ky nkwn pydw <...>* 13(19) (L: bydw ywm hšk)
24a [ywm hšk]* ybcthw <...>* 12(14) (L: + sr wmswqh)
24b [sr wmswqh]* ttqphw <kmlk 14(20)
c tyd lkydwr>*

IVA 25a ky nth 'l 'l ydw 12


25b w'l šdy ytgbr 11
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 35

26a yrws 'lyw bsw'r 13


26b bcby gby mgnyw 12
B 27a ky ksh pnyw bhlb<w>* 13(14)
27b wycś pymh cly ksl 14
28a wyškwn crym nkhdwt 16
28b btym l' yšbw lmw 13
'šr htctdw lglym 14
29a l' y šr wl' yqwm hylw
c 17
29b wl' yth l'rs slmw* 14 (L: mnlm)

30a l' yswr mny hšk 12


VA 30b ynqtw tybš šlhbt 14
wyscr brwh prhw* 13(12) (L: wyswr ... pyw)
31a 'l y'mn bšw[']* ntch 14(13)
31b ky šw' thyh <tmwrtw>* 9(15)
32a [zmwrtw]* bl' ywmw tml<'>* 16(10)
32b wkptw l' rcnnh 12
33a yhms kgpn bsrw 12
33b wyšl(y)k* kzyt nstw 13/14(13)
B 34a ky cdt hnp glmwd 13
34b w'š 'klh 'hly šhd 14
35a hrh cml wyld 'wn 13
35b wbtnm tkyn mrmh 13

1.2.2. Übersetzung

1* Da hob Elifas von Teman an und sprach:


IA 2a Antwortet ein Weiser mit windigem Wissen
2b und füllt er seinen Bauch mit Ostwind,
3a rechtend mit Worten, die nichts nützen,
3b und Reden, die nicht helfen?
B 4a Wirst du sogar die Gottesfurcht* zerbrechen,
4b die Andacht vor El schmälern?*
5a Wenn es deine Schuld ist, die deinen Mund belehrt*
5b und du die Zunge der Listigen* wählen willst,
6a möge dein eigener Mund dich verurteilen und nicht ich,
6b und deine Lippen gegen dich zeugen.

IIA 7a Wurdest du als der erste Mensch geboren,


7b und vor den Hügeln zur Welt gebracht?
36 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

8a Hast du im heimlichen Rat Gottes zugehört


8b und Weisheit an dich gerissen?
B 9a Was weißt du, was wir nicht wissen,
9b was verstehst du, was nicht schon bei uns wäre?
10a Auch ein Ergrauter, auch ein Greis ist unter uns,
10b reicher an Tagen als dein Vater.
11a* Sind dir die Tröstungen Els zu gering,
11b und ein Wort, das sanft mit dir umgeht?
12a Was reißt dein Herz dich fort,
12b und warum winken deine Augen so*,
13a daß du deinen Zorn* gegen El richtest
13b und Worte aus deinem Munde hervorbringst?

14a Was ist der Mensch, daß er rein wäre,


14b und recht hätte, der vom Weibe geboren?
15a Siehe*, sogar seinen Heiligen traut er nicht;
15b und die Himmel sind nicht rein vor seinen Augen,
16a wieviel weniger ein Abscheulicher und Verdorbener,
16b ein Mann, der Unrecht wie Wasser trinkt.
17a [...] ich will zu dir reden*, hör mich an!
17b Was ich geschaut habe, will ich erzählen!*
18a* Was die Weisen verkünden,
18b was ihnen* ihre Väter nicht verhehlt haben,
19a denen allein das Land gegeben war,
19b und kein Fremder zog unter ihnen umher.

IIIA 20a Tagtäglich* leidet der Gottlose Qualen,


20b und durch viele Jahre, die für ihn* aufgespart.
21a Schreckenslaute sind in seinen Ohren,
21b zur Friedenszeit kommt der Verwüster über ihn.
B 22a Er glaubt nicht, aus dem Dunkel zurückzukehren,
22b er ist bestimmt* für das Schwert.
23a Hingeworfen ist* er zum Fraß des Habichts*,
23b er weiß, daß sein Untergang* bereit ist <...>.*
24a [Ein Tag des Dunkels]* erschreckt ihn <...>*,
24b [Not und Bedrängnis]* packen ihn <wie ein König,
der für den Angriff bereit ist>*.

IVA 25a *Denn er hat seine Hand gegen El gereckt,


25b sich gegen Schaddai erhoben,
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 37

26a er lief mit hartem Nacken gegen Ihn,


26b mit dicken Buckeln seiner Schilde.
B 27a *Weil er sein Gesicht mit Fett* bedeckte
27b und Schmer auf den Lenden tat,
28a die zerstörten Städte bewohnte,
28b Häuser, in denen man nicht mehr wohnt,
– *die bestimmt sind zu Steinhaufen –,
29a bleibt er nicht reich und sein Gut nicht bestehen,
29b sein Schatten* breitet sich nicht über dem Lande aus.

30a* Er wird der Finsternis nicht entrinnen;


VA 30b seinen Sproß verdorrt die Flamme,
verweht* vom Wind wird seine Blüte*.
31a* Er glaube nicht an Eitles* – er irrt*,
31b denn Eitles wird, was er eintauscht, sein <...>*.
32a Noch vor ihrer Zeit welkt* [seine Ranke]*
32b und sein Sproß wird nicht grünen.
33a Wie ein Weinstock läßt er seine Beeren* fallen,
33b wie ein Ölbaum wirft er seine Blüte ab*.
B 34a Ja, unfruchtbar ist des Heuchlers Versammlung,
34b und Feuer frißt der Bestechung Zelt,
35a *da sie mit Mühsal schwanger und Unheil gebären,
35b und ihr Leib Trug bereitstellt.

1.2.3. Text- und Literarkritik

1 Die Überschrift ist vermutlich sekundär.92


4 H. Bobzin hat richtig beobachtet, daß das Bikolon eine an die Fra-
gepartikel hA in V. 2 anschließende Frage ist (vgl. Mare’ und die Über-
setzung von G).93 Dies wird von der Beobachtung unterstützt, daß die
Redeeröffnungen der Freunde als Kettenfragen aufgebaut sind.94
5–6 Die erste Strophe besteht aus zwei Unterstrophen mit 3+2 Biko-
la, und V. 5–6 müssen daher eine Unterstrophe im Sinne einer Protasis
und Apodosis bilden.95
5b Wortwörtlich: „der Klugen“.96

92 Zur Überschrift siehe oben zu 4,1 (S. 22f.).


93 H. Bobzin (1974), 217f. Vgl. auch L.J. de Regt (1996), 53.
94 Siehe unten, S. 113–117.
95 Das haben E. Dhorme (1967), 209f., und H. Bobzin (1974), 218, mit Recht erkannt.
Dagegen aber G. Hölscher (1952), 38, der V. 6 vor V. 13 stellen möchte.
38 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

11–16 Die zweite Strophe wird zwischen den Versen 10 und 17


durch den umfangreichen sekundären Abschnitt V. 11–16 unterbro-
chen. Er besteht aus zwei dreiversigen Einheiten: In V. 11–13 wird ge-
fragt, warum Hiob die Tröstungen Gottes geringschätze und wohin ihn
sein Herz treibe, in V. 14–16 wird dann die Niedrigkeit des Geschöpfs,
besonders aber des Menschen vor Gott hervorgehoben. Seit der Studie
M. Wittes97 sind beide Einheiten wahrscheinlich dem Niedrigkeitsbearbei-
ter zuzuordnen, wie es mit Sicherheit bei V. 14–16 der Fall ist. Ein in-
haltlicher Vergleich mit den von uns diesem Redaktor zugeschriebenen
Versen 4,12–21 und der sog. dritten Bildadrede Hi 25 bestätigt diesen
Verdacht.98 Den Versen 15,14f. entsprechen 25,4f. fast wörtlich (es wei-
chen nur vier Wörter ab), die Verse 15,16 und 25,6 setzen ähnlich ein
und äußern die gleichen Niedrigkeitsgedanken. Aus der Bearbeitung in
der ersten ER ist 4,18 mit 15,15 vergleichbar. Weiterhin tritt eine Reihe
von Wörtern und Parallelen in den sekundären Elihureden oder in der
stark überarbeiteten Antwort Hiobs auf die dritte ER99 auf: Vgl. z.B. +(m
in V. 11 mit 24,24 und 32,22; V. 13b mit 37,2b; V. 15 mit 24,22 und die in
den Freundesreden einzigartige Kombination yiK va) in V. 16 außer 25,6
mit 35,14. Ein auffallender Aramaismus $OnE) und ein Hapaxlegomenon
zmr100 in V. 12 sowie die Verben hkz und \kz in V. 14f. anstelle des in den
Freundesreden üblichen Adjektivs |az (8,6; 11,4) sprechen auch nicht
gerade für die Ursprünglichkeit dieses Abschnitts. Ebenso pflegen die
Wörter hfLm i und rfbfD (V. 11 und 13) eher in den Anfangsversen der
Freundesreden zu begegnen.101 Der Redaktor ist darüber hinaus beim
Einhalten von dem in c. 15 höchst regelmäßigen kolometrischen Sche-
ma inkonsequent verfahren: V. 11b und 12a mit ihren 10 und 9 Konso-
nanten sind auffallend kurz, V. 15b enthält zum ersten Mal in der Rede
mehr als 15 Konsonanten. Bei der Verwendung der Partikel h A und ham
(11a.12a.b.14a) und der Konjunktion yiK (13a.14a.b.16a!) ist er aber zu
weit gegangen – damit verlieren diese Verse deutlich den Charakter
der Originalität.

96 Siehe dazu unten, S. 192.


97 Siehe M. Witte (1994), 75f.91ff. (vgl. O. Kaiser [2006], 30f.). Es gibt nicht viele Exege-
ten, die hier eine sekundäre Erweiterung vermutet haben. G. Hölscher (1952), 38, hat
Umstellungen vorgenommen in der Reihenfolge V. 11f.6.13f. Er streicht V. 15.
P. Volz (1921), 59, und J. Vermeylen (1994), 108ff., streichen V. 14–16. H.L. Ginsberg
(1969), 102ff., hält 15,14–16 in Verbindung mit 4,12–21 für ein Zitat aus der Hiobrede
(siehe oben, Anm. 13).
98 Näher zu c. 25 siehe unten, S. 66–68; zu 4,12–21 siehe oben, S. 24f.
99 Siehe dazu M. Witte (1994), 116ff.
100 Wenn konjiziert; siehe unten zu V. 12b.
101 Zu den weiteren vokabularen Besonderheiten siehe M. Witte (1994), 75f.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 39

12b Einige Manuskripte schreiben }Uz:mr : yi , „winken“, statt des Hapax-


legomenons }Um:zr
: yi in M. Das Wort ist wahrscheinlich als Metathesis von
*zmr zu betrachten.102 Die Lesart von G ἐπήνεγκαν = !yeny"( }UmUr:y, „sich
erheben“, sei aber unbedingt bemerkt.103
13a Wörtlich: x a Ur, „Geist, Wind“, als Schnauben auf Gott bezogen.
15a Die Interjektion }"h ist wiederum auch als „wenn“ übersetzbar.104
17a Da die Rede an dieser Stelle so umfangreich überarbeitet wor-
den ist, hat V. 17 wahrscheinlich darunter gelitten: V. 17a fällt wegen
der kolometrischen Kürze auf und ist nicht mehr vollständig105 – oder
sollte man anstatt !:Ux a )
A etwas anderes lesen (auf den aramäischen spä-
ten Charakter des Verbs und auf sein Vorkommen in den Elihureden
32,10 ist mehrmals hingewiesen worden). Vgl. aber inhaltlich 5,27 und
31,35.
17b Der Vorschlag von H. Bobzin, w vor hfrP" as) A an das Ende von yityizx
f
anzuknüpfen, ist in Betracht zu ziehen.106
18–19 Diese sekundären Verse lehnen sich im Gegensatz zur eige-
nen Erfahrung des Elifas in V. 17 an die Autorität der alten Weisen und
deren Väter an. Dieser Einschub ist weder mit V. 17 noch mit den alten
Weisen in V. 9f. (vgl. BR 8,8.10) in Verbindung zu bringen. Die beiden
Verse wirken wie eine – wie M. Witte zu recht angemerkt hat – Legiti-
mation des Elifas „im Stil des Targums“ eingefügte Ergänzung.107 Auch
das unpoetisch wirkende Relativpronomen re$) A in V. 18 gehört nicht
zum gewöhnlichen Grundbestand des Wortschatzes der Freunde.108
Darüber hinaus heben sich die Verse wegen des m-Reims im Gegensatz
zu den Alliterationen in der ursprünglichen Dichtung hervor. Fragt
man nach der traditionsgeschichtlichen Position der Verse, muß man
trotz des verhältnismäßig populären Vokabulars und der Parallelen
zum Majestätsredaktor (z.B. dgn, jer) e , rwz) besonders die Querverbin-

102 So G. Beer (1895/97), 92; E. Dhorme (1967), 212f.; A. Weiser (1980), 110; G. Fohrer
(1963a), 263; L.L. Grabbe (1977), 66f.; N.C. Habel (1985), 247; J.E. Hartley (1988), 243,
Anm. 7; M. Köhlmoos (1999), 243, Anm. 11.
103 So konjizieren auch K. Budde (1913), 78; N. Peters (1928), 155; H. Bobzin (1974), 220f.
104 Siehe zu Hi 25,5 unten, S. 68.
105 So auch M. Witte (1994), 76, Anm. 64.
106 H. Bobzin (1974), 222; vgl. GK28, § 143d.
107 M. Witte, a.a.O. (vgl. O. Kaiser [2006], 31); außer ihm wird V. 19 von G. Hölscher
(1952), 38; M.H. Pope (1985), 116; H. Bobzin (1974), 223; A. de Wilde (1981), 184, und
M. Köhlmoos (1999), 244, gestrichen.
108 Von den sieben Belegen in den Freundesreden werden von uns nur der in ER 22,16
als ursprünglich angenommen; vgl. zu 4,12–21 und 5,3–5 oben, S. 24f.26f.; und zu
V. 28bβ unten, S. 42.
40 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

dungen zum Gerechtigkeitsredaktor betonen: dxk (40,11), }tn (5,10109;


24,23), jer)
e (5,10.22110; 9,6; 24,18; 30,8), rb( (9,11).111
18b Lies {ftObA) {UdAxki .112
20a Wörtlich: „Alle Tage“.
20b Un:Pc
: ni ist ein asyndetischer Relativsatz.113 Das Wort jyir(f l e er-
weckt den Verdacht, weil V. 20 kolometrisch unter deutlicher Überlän-
ge leidet (17:19), die nach unseren Beobachtungen mit der Stilsicherheit
der Freundesreden nicht in Verbindung zu setzen ist.114 Darüber hinaus
wären vier so lange Wörter, zusätzlich mit Präposition und Suffix usw.,
in einer Zeile eine Ausnahme. Vielleicht ist das Wort dem jer) f fh am
Ende des sekundären V. 19a als Stabreim nachgebildet worden. Ur-
sprünglich hat das Kolon entweder nur aus drei Wörtern bestanden
(d.h. }pc ohne Objekt, vgl. z.B. 21,21) oder es ist mit Ol abgeschlossen
worden. Unsere These wird dadurch bestätigt, daß in der ursprüngli-
chen Gestalt der Strophe V. 21 und 24 mit U und V. 23 mit O geendet
haben115 und daß in der zweiten ER die Zeilen sich mehrmals mit suffi-
gierten Präpositionen schließen (vgl. V. 3b.6b.10a.28aβ).
22b Man braucht nicht die Qere-Form wiederherzustellen.116 Ebenso
ist eine Konjektur in }upc f w: unnötig,117 ebenso die Ergänzung mit y"dy: we-
gen der kolometrischen Überlänge.118
23a Lies unter Berufung auf das κατατέτακται δὲ εἰς σῖτα γυψίν in
G dfdon (Nif. Partizip von ddy) statt d"don, „umherirrend“,119 und hfY) a {exl e l
:
statt h"Y)
a {exLe l
a , „nach Brot: wo ist’s“120.
23b Statt des unverständlichen Wortes OdfyB : , „in seiner Hand“ lies
mit der Mehrheit der Exegeten OdyiP. Die die Zeile in die Länge ziehende

109 Siehe zu 5,9–16 oben, S. 28–31.


110 Siehe a.a.O.
111 Siehe M. Witte (1994), 191. Auffallend ist aber, daß hier keine Rede über die Gerech-
tigkeit vorliegt.
112 G. Beer (1895/97), 93; N. Peters (1928), 155; A. Weiser (1980), 110; G. Hölscher (1952),
38; G. Fohrer (1963a), 264, und H. Groß (1986), 60.
113 Siehe H. Bobzin (1974), 223f., aber auch K. Budde (1913), 79f.; E. Dhorme (1967),
215f.; G. Fohrer (1963a), 264.
114 Siehe unten, S. 89–91.
115 Vgl. das kolometrische Schema oben, S. 34, und besonders zu 4,7–11 unten, S. 136f.
116 Siehe dazu E. Dhorme (1967), 217, und 41,25.
117 Siehe E. Dhorme (1967), 217, und Est 2,9; Thr 4,17. G. Hölscher (1952), 38; G. Fohrer
(1963a), 264; H. Bobzin (1974), 224, möchten konjizieren.
118 Vgl. G.R. Driver (1955), 78.
119 So auch E. Dhorme (1967), 217f.
120 So G. Beer (1895/97), 94; E. Dhorme (1967), 217f.; G. Hölscher (1952), 38; G. Fohrer
(1963a), 264; A. de Wilde (1981), 185; M.H. Pope (1985), 117; N.C. Habel (1985), 247;
H. Bobzin (1974), 224f. Vgl. auch M. Köhlmoos (1999), 244, Anm. 9.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 41

Wendung |e$ox-{Oy knüpfe an V. 24 an. Diese breit angenommene Um-


stellung findet ihre Begründung in G und wird durch die sichere Alli-
teration des o-Lauts am Anfang aller Bikola in dieser Strophe unter-
stützt.121
24a Zur Umstellung dieser Wörter siehe oben zu V. 23b. Das Wort
Uhut(A b
a y: ist damit als Singular Uh"t(A b
a y: und Uh"pq: t
: T
i als Plural Uhupq: t
: T
i zu
punktieren (so G, S und V).122
24b Noch einmal sind die Wörter umzustellen.
Nach der Wiederherstellung der ursprünglichen Wortfolge und
Zeilenteilung in V. 23f. erweist sich V. 24bβ als drittes Glied in V. 24
poetologisch überflüssig. Es handelt sich um einen inhaltlich bedeu-
tungslosen Einschub, der die Not, die Bedrängnis und den dunklen Tag
aus V. 24 durch das vielleicht von V. 26 inspirierte Schlachtbild stark
hervorheben sollte. Darüber hinaus fällt das Kolon wegen des Nicht-
Einhaltens der in dieser Strophe vorliegenden stilistischen Regeln wie U-
Reim, der symmetrisch verwendeten Doppelkonsonanten oder des ver-
balen Aufbaus aus dem Rahmen.123 Welche Hand die Zeile an diese
Stelle eingetragen hat, ist wegen ihrer Kürze, wobei rOdyiK ein Hapaxle-
gomenon ist, nicht mehr feststellbar. Die Verwandtschaft des Wortes
dyit(f zu der Glosse V. 28bβ (dt() ist jedoch bemerkenswert.
25–28 B. Duhm hat behauptet, daß V. 25–28bα sekundär seien, weil
sie den Kontext von V. 24 und 28bβ.29 unterbrächen.124 Grundsätzlich
ist diese These zu erwägen, weil das Redegefüge tatsächlich ohne
V. 25–28 einheitlicher wäre. Außerdem sprechen massive textkritische
Probleme in der zweiten Hälfte der Rede zusammen mit den sicher als
Ergänzungen zu beurteilenden V. 11–16.18f. dafür, daß wir möglicher-
weise überhaupt nicht mehr in der Lage sind, die ursprüngliche Gestalt
der zweiten Redehälfte zu rekonstruieren (ähnlich wie in 5,1–7*). Wir
bleiben daher wegen fehlender Anhaltspunkte für eine sinnvolle Re-
konstruktion bei der Ursprünglichkeit dieser Verse.
27–29 Da wir V. 25–28* als ursprünglich gelten lassen, muß ihr logi-
sches Verhältnis zu den vorausgehenden und folgenden Versen be-
stimmt werden. V. 25f. und 27–28bα stehen poetisch einander sehr
nahe (vgl. yiK am Anfang von V. 25 und 27, die unmittelbar daran an-

121 Siehe auch unten, S. 134.


122 E. Dhorme (1967), 218f.; N. Peters (1928), 155; H. Bobzin (1974), 225f., u.a.
123 Das Kolon ist eine Ergänzung nach G. Fohrer (1963a), 262ff., F. Hesse (1978), 107;
M. Witte (1994), 76, und O. Kaiser (2006), 31. G. Hölscher (1952), 38f., und H. Bobzin
(1974), 225, vermuten, in V. 24 sei ein Kolon verloren gegangen.
124 B. Duhm (1897), 84f.; E. Würthwein (1970), 231f. vgl. G. Beer (1895/97), 96. H. Bobzin
(1974), 226f., äußert ähnlich den Verdacht, P. Volz (1921), 59, streicht V. 27f.29a und
O. Kaiser (2006), 31, V. 25.
42 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

schließenden Perfekte und andererseits die Imperfekte symmetrisch in


V. 25b.26a und 27b.28a und vor allem den elliptischen Parallelismus in
V. 26 und 28a.bα).125 Beide Vierzeiler begründen das schlechte Los der
Gottlosen. Fast ausschließlich hat man bisher angenommen, daß ein
Bezug auf vorhergehende Verse bestehe. Das läßt sich unter folgender
Voraussetzung und Präzisierung annehmen: Wenn die Einteilung der
Strophen in der zweiten Rede durchgehend 2+3 wäre, mit einer Aus-
nahme am Ende (3+2),126 und wenn in ER 22,6–10 eine zwei Strophen
übergreifende kausative Fügung, dabei mit Begründung vor der These,
möglich ist,127 dann erwiese sich hier die Lösung, daß V. 25f. auf V. 20–
24* und V. 27–28bα auf V. 29 bezogen sind, als passend. Dabei wären
V. 27–28bα als Begründung und V. 29 als Folgerung zu fassen.128
27a Das Suffix am Ende von OB:lx e B
: ist anscheinend eine Dittogra-
phie.129
28bβ Vielleicht hat der Gedanke vom Wohnen in zerstörten Häu-
sern in V. 28 die Leser verwirrt, jedenfalls hat ihn ein späterer Redaktor
durch ein erklärendes Kolon ergänzt.130 Der Gottlose wohnt in den
Städten, die nämlich „zu Steinhaufen bestimmt sind“. Die Nahtstelle
läßt sich genau erkennen: Die Relativpartikel re$) A 131, die einen syndeti-
schen Relativsatz im Gegensatz zu dem asyndetischen in V. 28bα132 ein-
leitet und von einer in der Reihe von Präfixkonjugationen in V. 27b–32
auffallenden Afformativkonjugation Gebrauch macht, gibt einen ersten
Hinweis auf den sekundären Charakter. Dabei unterbricht das Kolon
die Serie von vier Negationspartikeln )ol und drei Personalsuffixen O- in
den Versen 28bα und 29a.b.133
29b Das Wort {fln: m
i ist eine alte crux interpretum und bleibt ohne si-
chere Erklärung. Gewiß steht es als Schreibfehler unter dem Einfluß
von {yiLga l
: am Ende von V. 28. Wir nehmen hier eine Bedeutung wie

125 Siehe zum Parallelismus und Satzbau unten, S. 97, und vgl. unten, S. 111.
126 Siehe dazu unten, S. 87.
127 Siehe unten, S. 48.
128 Vgl. auch unten, S. 111f.
129 So A. Weiser (1980), 111; G. Hölscher (1952), 39; G. Fohrer (1963a), 264; H. Bobzin
(1974), 227.
130 V. 28bβ ist sekundär nach G. Hölscher (1952), 38f.; G. Fohrer (1963a), 263ff.; F. Hesse
(1978), 107; H. Bobzin (1974), 228; M. Witte (1994), 76, und O. Kaiser (2006), 31.
G. Beer (1895/97), 96, streicht den ganzen Abschnitt V. 25–28 und K. Budde (1913),
81, äußert nur den Verdacht.
131 Siehe oben, S. 39 und Anm. 108.
132 Siehe dazu H. Bobzin (1974), 228.
133 Die Verwandtschaft zu V. 24bβ liegt wegen des Verbs dt( nahe; siehe oben zu
V. 24b.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 43

„Schatten“ nach G σκιάν an134 und vermuten, daß des Parallelismus


wegen das ursprüngliche sich hier befindende Wort mit dem Suffix O-
geendet hat. Der inhaltliche Parallelismus läßt jedoch die Lösung von
M. Dahood ({flonm : , „ihr Besitz“, aus dem arabischen Wort manal) als be-
denkenswert erscheinen.135
30a.31 Am Anfang der letzten Strophe sind erneut spätere Bearbei-
ter tätig gewesen. V. 30a wiederholt noch einmal den Gedanken über
die für den Gottlosen bestimmte Dunkelheit (|e$ox) aus V. 22.24a.bα, an
dieser Stelle ist er aber nicht sonderlich gut angebracht.136 Inhaltlich
noch befremdlicher wirkt aber V. 31 mit einer völlig deplazierten, die
Reihe von den Bildern aus der Pflanzenwelt unterbrechenden und
mahnenden Ergänzung über das Eitle und das Irre des Verhaltens des
Gottlosen.137 Beide Einschübe ändern das nur aus Bikola bestehende
fünfversige Strophenschema, außerdem fällt V. 31 stilistisch deutlich
aus dem Rahmen: Der Vers enthält keine Kopula am Anfang der zwei-
ten Zeile, benutzt aber den für die Freundesreden nicht gerade charak-
teristischen, in dieser Rede aber völlig auffallenden Vetitiv }"m) A ya -la) und
die sonst nur eine bestimmte rhetorisch-stilistische Funktion besitzende
Konjunktion yiK an unpassender Stelle.138 Der Wortschatz bietet eine
Parallele zu den stark überarbeiteten c. 12 und 26–28 an: rws (12,20.24;
27,5; 28,28), \$x (12,22.25; 26,10; 28,3), }m) (12,20), h(t (12,24f.). Daher
liegt der Verdacht nahe, daß beide Einschübe dem Majestätsredaktor
zuzuschreiben sind.139
30b Anstatt von rUsfyw: , „es weicht“, lies ra(osyiw, weil G: ἐκπέσοι δὲ
αὐτοῦ τὸ ἄνθος.140 Ebenso ist nach G wyiP, „sein Mund“, in Ox:rPi zu kon-
jizieren.141 Die Bikola V. 32f. entnehmen ihre Vergleiche der Pflanzen-
welt, und V. 30 würde ihnen mit den Verbesserungen und dem Stro-
phenbau vollkommen entsprechen.

134 E. Dhorme (1967), 222: Om:lc a .


135 Nach J.E. Hartley (1988), 249f., Anm. 15.
136 V. 30a ist sekundär nach K. Budde (1913), 81; P. Volz (1921), 59; E. Dhorme (1967),
223; G. Hölscher (1952), 39; G. Fohrer (1963a), 263f.; M.H. Pope (1985), 119; F. Horst
(1968), 218; F. Hesse (1978), 107; H. Bobzin (1974), 230; M. Witte (1994), 76, und
O. Kaiser (2006), 31; anscheinend auch nach M. Köhlmoos (1999), 245.
137 Zur Umstellung der Wörter und zu den textlichen Problemen siehe gleich unten.
V. 31 wird von den in vorausgegangener Anmerkung genannten Forschern und
G. Beer (1895/97), 98, und H.W. Hertzberg (1949), 65, für sekundär erklärt, anders
E. Dhorme und M. Köhlmoos.
138 Siehe auch unten, S. 108f. und 117.
139 Alle Stellen gehören nach M. Witte (1994), 191, zum Majestätsredaktor.
140 So P. Volz (1921), 59; E. Dhorme (1967), 223; G. Hölscher (1952), 39; G. Fohrer
(1963a), 264; F. Horst (1968), 219; H. Bobzin (1974), 230, und A. de Wilde (1981), 187.
141 Oder die Alternative Oy:rPi ; so die Mehrheit der Kommentatoren.
44 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

31a Lies )w$b wie viele Manuskripte es bezeugen und wie es allge-
mein angenommen wird, daß ) an das Wort )lmt in V. 32a irrtümlich
angeknüpft worden ist. Das Wort h(tn erweckt wegen des Satzbaus
den Verdacht, aber kann im Blick auf V. 31b so stehen gelassen wer-
den.142
31b Wir schließen uns der heutigen maßgebenden Annahme an,
daß das Wort OtfrUm:t ursprünglich als OtfrOm:z am Anfang von V. 32a ge-
standen hat oder ihm nachgebildet worden ist.143
32a Siehe zu V. 31b (OtfrOm:z). Sonst fehlte das Subjekt des Satzes und
die Zeile bliebe zu kurz (10 Konsonanten). Darüber hinaus bestätigt G
(τομή) diese Konjektur. Das ) am Wort )lmt, „er erfüllt“, ist ein
Schreibfehler (siehe zu V. 31a); deswegen lies lfMT i (aus llm).144
33a Gemeint sind die unreifen Trauben.
33b Man lese entweder Impf. |(y)il$ : ya w: oder nehme die dichterische
Verwendung des Jussivs statt Impf.145 (vgl. 13,27) an.
35a Die Beobachtung H. Bobzins, daß die Infinitive hier in Analogie
zu V. 3 zu verstehen sind,146 mag richtig sein, zumal es mit der Interde-
pendenz der Redeanfänge und -enden in den Freundesreden überein-
stimmt.

1.3. Die dritte Elifasrede (Hi 22)

1.3.1. Kolometrie147

1 wycn 'lypz htmny wy'mr 19


IA 2a hl'l yskn gbr 11
2b ky yskn clymw mśkyl 16
3a hhps lšdy ky tsdq 14
3b w'm bsc ky ttm drkyk 16
B 4a hmyr'tk ykyhk 12
4b ybw' cmk bmšpt 12
5a hl' rctk rbh 10
5b w'yn qs lcwntyk 13

142 K. Budde (1913), 81.


143 Vgl. E. Dhorme (1967), 224f., und G. Fohrer (1963a), 264f.
144 Vgl. aber jüngstens anhand der akkadischen Parallelen S.M. Paul (2003).
145 Vgl. E. Dhorme (1967), 225, und Joüon, § 114 l.
146 H. Bobzin (1974), 232.
147 Siehe oben, Anm. 1.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 45

IIA 6a ky thbl 'hyk hnm 13


6b wbgdy crwmym tpšyt 16
7a l' mym cyp tšqh 12
7b wmrcb tmnc lhm 12
B 8a w'yš zrwc lw h'rs 14
8b wnśw' pnym yšb bh 14
9a 'lmnwt šlht ryqm 14
9b wzrcwt ytmym tdk'* 15 (L: ydk')

IIIA 10a cl kn sbybwtyk phym 16


10b wybhlk phd pt'm 13
11a 'w[r]* hšk l' tr'h 12(11)
11b wšpct mym tksk 12
12a hl' 'lwh gbh šmym 14
12b wr'h r'š kwkbym ky rmw 18
B 13a w'mrt mh ydc 'l 12
13b hbcd crpl yšpwt 13
14a cbym str lw wl' yr'h 16
14b whwg šmym ythlk 13

IVA 15a h'rh cwlm tšmr 12


15b 'šr drkw mty 'wn 13
16a 'šr qmtw wl' ct 12
16b nhr ywsq yswdm 12
17a h'mrym l'l swr mmnw 16
17b wmh ypcl šdy lnw* 13 (L: lmw)
18a whw' ml' btyhm twb 15
18b wcst ršcym rhqh mny 16
B 19a yr'w sdyqym wyśmhw 16
19b wnqy ylcg lmw 11
20a 'm l' nkhd yqmm* 12(13) (L: qymnw)
20b wytrm 'klh 'š 11

VA 21a hskn n' cmw wšlm 13


21b bhm tbw'<t>k* twbh 12(13)
22a qh n' mpyw twrh 12
22b wśym 'mryw blbbk 13
B 23a 'm tšwb cd šdy tcnh* 15 (L: tbnh)
23b trhyq cwlh m'hlk 14
46 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

24a wšyt cl cpr bsr 12


24b wbswr nhlym 'wpyr 15
25a whyh šdy bsryk 12
25b wksp twcpwt lk 12
26a ky 'z cl šdy ttcng 14
26b wtś' 'l 'lwh pnyk 14

VIA 27a tctyr 'lyw wyšmck 13


27b wndryk tšlm 10
28a wtgzr 'wmr wyqm lk 15
28b wcl drkyk ngh 'wr 14
B 29a ky hšpyl 'lwh* gwh 14(16) (L: hšpylw wt'mr)
29b wšh cynym ywšc 12
30a ymlt 'y[š]* nqy 10(9)
30b wnmlt bbr kpyw* 12 (L: kpyk)

1.3.2. Übersetzung

1* Da hob Elifas von Teman an und sprach:


IA 2a Kann denn ein Mann El Nutzen bringen?
2b Ja, sich selbst* nur nützt ein Kluger.
3a Hat Schaddai wohl Vorteil davon, wenn du gerecht bist,
3b und Gewinn, wenn du unsträflich wandelst*?
B 4a Wird er dich wegen deiner Gottesfurcht richten,
4b mit dir ins Gericht gehen?
5a Ist deine Bosheit nicht groß,
5b und endlos deine Verschuldung? *

IIA 6a *Weil du deine Brüder grundlos pfändetest


6b und den Nackten die Kleider ausgezogen hast,
7a du Erschöpfte* nicht mit Wasser getränkt,
7b und den Hungrigen* Brot versagt hast,
B 8a *– denn dem Mann des Armes* gehört ja das Land,
8b und der das Angesicht erhebt*, wohnt in ihm, –
9a du Witwen leer fortgeschickt
9b und den Arm* der Waisen zerbrochen hast*,

IIIA 10a darum bist du von Schlingen nun umgeben


10b und schreckt dich plötzliches Entsetzen auf,
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 47

11a ward das Licht dunkel*, daß du nichts mehr siehst,


11b und bedeckt dich ein Wasserschwall.
12a* Ist Gott nicht in der Himmelshöhe?
12b Sieh die höchsten Sterne* – wie hoch sind sie!
B 13a Weil* du sprachst: „Was weiß denn El,
13b kann er denn hinter Wolkendunkel richten?
14a Verhüllt von Wolken sieht er nichts,
14b und er wandelt am Himmelskreise.“

IVA 15a Willst du den altbekannten Weg* einschlagen,


15b den Pfad*, auf dem die Ungerechten gingen?
16a Sie wurden weggerafft vor ihrer Zeit*,
16b ein Strom ergoß sich* über ihren Grund.
17a* – Die zu El sprachen: Weiche von uns!
17b Und: was kann Schaddai uns* antun?
18a Doch Er* hat ihre Häuser angefüllt mit Gutem,
18b aber der Gottlosen Rat war von mir fern?* –
B 19a Als die Gerechten es sahen, freuten sie sich*,
19b und der Unschuldige spottete ihrer:
20a „Fürwahr, vertilgt ist ihr Bestand*,
20b und ihren Rest fraß auf das Feuer!“

VA 21a Vertrag’ dich doch mit Ihm* und schließe Frieden*,


21b denn dadurch* kehrt das Glück zu dir zurück*.
22a Nimm doch die Weisung an aus seinem Munde
22b und lege seine Worte in dein Herz!
B 23a Wenn du zu Schaddai umkehrst, dich demütigst*,
23b Unrecht entfernst aus deinem Zelte,
24a* – Und lege* in den Staub das Gold
24b und das Ophir in den Fels der Wadis,
25a dann wird Schaddai dein Golderz sein
25b und Silberglanz* für dich –
26a dann wirst du dich an Schaddai freuen
26b und dein Antlitz zu Gott erheben.

VIA 27a *Flehst du Ihn an, erhört Er dich,


27b und du erfüllst deine Gelübde.
28a Was* du beschließt, wird dir gelingen,
28b und über deinen Wegen scheint es hell.*
B 29a Denn den Hochmut zwar erniedrigt El,*
29b jedoch er rettet die, welche* die Augen senken.
48 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

30a Den unschuldigen Mann* errettet er,


30b er wird gerettet durch die Reinheit seiner* Hände.

1.3.3. Text- und Literarkritik

1 Die Überschrift ist vermutlich sekundär.148


2b Omy"l(f (= wyfl(f ) wird hier singularisch verstanden.149
3b Wörtlich: „Wenn du unsträflich machst deine Wege“.
5b Wörtlich: „Gibt es kein Ende deinen Sünden?“
6–9 Diese Verse sind nicht auf V. 5 bezogen, sondern bilden die
vorangestellte Begründung zu V. 10f. (vgl. yiK in V. 6 und }"K-la( in V. 10).
Die Imperfekte in V. 6–8 haben einen durativen, die Vergangenheit und
die Gegenwart umspannenden Charakter. Vom Perfekt in V. 9a her ist
mit H. Bobzin und E. Dhorme eine präteritale Übersetzung möglich.150
7 Die „Erschöpften“ in V. 7a und die „Hungrigen“ in V. 7b sind kol-
lektive Singularformen.
8 Der sekundäre Charakter dieses Bikolons ist vermutet worden,151
wir bleiben aus mehreren unten angeführten Gründen bei seiner Ur-
sprünglichkeit und seinem Zitatcharakter.152
8a D.h. „der Gewalttätige“.
8b D.h. „der Angesehene“.
9b Die Handschriften haben hier )"Kd a T
: statt )fKd
u y: , „wurden zerbro-
chen“, gelesen; wegen des Parallelismus ist es richtig.153
„Den Arm“: In M wörtlich im Plural.
11a Statt |e$ox-O) lies |a$x f rO) (nach G und mit BHS und der Mehr-
heit der Ausleger), weil die einfache Licht-Finsternis-Metaphorik in den
Freundesreden sehr üblich ist.154

148 Siehe oben zu 4,1 (S. 22f.).


149 S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 153; H. Bobzin (1974), 302; M. Witte (1995), 34, u.a.
150 Zum Ganzen siehe H. Bobzin (1974), 302ff., der die Imperfekte als comitatives Mare’
betont, und E. Dhorme (1967), 327ff., der yiK und }"K-la( hervorhebt. Vgl. auch GK28,
§ 107e.
151 Z.B. K. Budde (1913), 124, und P. Volz (1921), 72. Dagegen A. de Wilde (1981), 234,
stellt ihn nach V. 9 um.
152 Siehe unten, S. 121f.; 141 und 195.
153 So BHS; G. Beer (1895/97), 146; E. Dhorme (1967), 329; G. Hölscher (1952), 55; H. Bob-
zin (1974), 304; M. Witte (1994), 81; (1995), 38, u.a.; dagegen aber S.R. Driver /
G.B. Gray (1950), II 153; G. Fohrer (1963a), 351; H.-J. Hermisson (1998b), 303.309;
H. Strauß (2000), 56; D.J.A. Clines (2006), 541, u.a.
154 Siehe unten, S. 177–182.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 49

12 Das sekundäre Gepräge von V. 12155 ergibt sich aus seinem hym-
nischen Charakter: Auf die rhetorische Frage nach dem Aufenthalt
Gottes im höchsten Himmel folgt die imperativisch gefaßte Aufforde-
rung, die Höhe der Sterne zu betrachten, um so der unermeßlichen
Größe Gottes innezuwerden. In seinem Kontext dient das Bikolon ver-
mutlich als eine vorgreifende Widerlegung von V. 13, wobei Hi 11,8
Pate gestanden haben könnte. Das Bikolon unterbricht mithin den un-
mittelbaren Zusammenhang zwischen V. 10f. und ihrer Begründung
durch V. 13f. Kolometrisch fällt V. 12b durch seine Überlänge von 18
Konsonanten ebenso auf wie durch die Stilisierung des V. 12a als eines
mit einem Imperativ eröffneten Nominalsatzes und des V. 12b als eines
durch ein yiK eingeleiteten Nebensatzes. Der Ergänzer hat sich der Stro-
phe geschickt angepaßt, in dem er V. 12a mit einer Fragepartikel und
V. 12b mit h)r eröffnet, das Wort {iym a $
f (vgl. V. 14) benutzt, gleichzeitig
dem m-Reim folgend. Allerdings ist es ihm nicht gelungen, die stilisti-
schen und poetischen Regeln einzuhalten, die solche Glossen nicht
zulassen. Die komplizierte Frage nach der Herkunft des Bikolons läßt
sich durch weitere Beobachtungen mit relativer Sicherheit beantworten:
1.) Inhaltlich könnte es sowohl zum Majestäts- als auch zum Gerechtig-
keitsredaktor gehören. 2.) Sein Wortschatz ist umfangreich und besitzt
daher Parallelen in allen Redaktionsschichten. Weil aber M. Witte fest-
gestellt hat, daß der Gerechtigkeitsredaktor als der jüngste von den drei
Ergänzern auf zwei frühere zurückblicken156 und daher ihren Wort-
schatz benutzen kann, dürfte die Herkunft des Bikolons gesichert sein:
1.) Die im Hiobbuche seltensten Wörter dieses Bikolons sind alle beim
Gerechtigkeitsredaktor anzufinden (haboG in der Hiobdichtung achtmal:
40,10; $)or elfmal: 24,24; bfkOK fünfmal: 9,7; {wr siebenmal: 24,24157).
4.) Die Bezeichnung H a OlE) wird in sekundären Abschnitten und über-
wiegend vom Gerechtigkeitsredaktor gebraucht.158 5.) Neben 24,24 sind
sehr viele Wörter in der entsprechenden Stelle 9,2–14 vertreten (aHOlE):
9,13; {iym
a $
f : 9,8; h)r: 9,11; bfkOK: 9,7).159
12b Wörtlich: „Das Haupt der Sterne“.
13a Die Kopula dürfte hier von yiK in V. 6 und }"K-la( in V. 10 abhän-
gig sein.

155 V. 12 ist sekundär nach G. Hölscher (1952), 54f.; H. Richter (1959), 96, Anm. 287;
G. Fohrer (1963a), 351; A. de Wilde (1981), 234; M. Witte (1994), 85ff., und O. Kaiser
(2006), 42.
156 M. Witte (1994), 183.
157 Die Stellen sekundär nach M. Witte (1994), 191f.
158 In den Stellen a.a.O. sogar achtmal.
159 Zwei Worte treffen wir auch in den sekundären Versen in 20,16f. an, die vermutlich
der Gerechtigkeitsredaktion angehören; vgl. dazu unten, S. 80f.
50 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

15a Wörtlich: „Weg der Ewigkeit“.160 Die Übersetzung „Beachtest


du den Weg der Sünder“ würde somit mit dem konjizierten Vers 15b
parallel sein (siehe unten). Doch kann hier auch ein schöner syntheti-
scher Parallelismus in Erscheinung treten.
15b Um den doppelten Relativsatz (in V. 16a ist einer bereits vor-
handen), d.h. auch die in der Hiobdichtung einzigartige Häufung von
re$)
A zu vermeiden und der Aufnahme dieser Stelle in 23,11 zu folgen,
lies ru<)
f statt re$)A .161
16a Wörtlich: „die {re$) A } gepackt wurden und es war nicht die
Zeit“.
16b Hier rfhnf als Subjekt und {fdOs:y als akkusatives Objekt.162
17–18 Die dem Text später hinzugefügten Bikola V. 17f. sind kolo-
metrisch mit 16:13|15:16 Konsonanten im Verhältnis zu V. 15f. (12:13|
12:12) und V. 19f. (11:13|16:11) überlang.163 Inhaltlich bildet V. 17 eine
Parallele zu V. 13f., während V. 18 die Ansicht, daß Gott sich nicht um
die Menschen kümmert oder kümmern kann, in V. 18a korrigiert und
in V. 18b eine ausdrückliche Absage erteilt wird.164 Nun ist die Absage
in der 1. Person sing. sowohl in dieser Rede als auch in den Freundes-
reden vollkommen unangebracht. Außerdem erweckt das Partizip mit
dem Artikel am Anfang von V. 17 schon auf den ersten Blick den Ver-
dacht auf seinen sekundären Charakter.165 Da der Glossator den {yiqyiDac
in V. 19 die {yi($ f r: in V. 18 an die Seite stellt, dürfte sein Denken dem
Gerechtigkeitsbearbeiter nahestehen.166 Wie es bereits bei mehreren
Ergänzungen der Fall gewesen ist, sind die vokabularen Parallelen eher
bei dem Gerechtigkeits- als dem Majestäts- oder gar dem Niedrigkeits-

160 Vgl. aber H. Bobzin (1974), 306 und M. Witte (1994), 81, die {flO( als {ilWf (a punktieren
möchten; ähnlich A. de Wilde (1981), 235.
161 So A. de Wilde, a.a.O.; M.H. Pope (1985), 166; N.C. Habel (1985), 333; J.E. Hartley
(1988), 328, Anm. 4; H. Bobzin (1974), 306, und M. Witte (1994), 81; (1995), 42.
162 Siehe dazu E. Dhorme (1967), 335f.; G. Hölscher (1952), 56; G. Fohrer (1963a), 351.
Vgl. aber auch S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 155; H. Bobzin (1974), 307f.; M. Witte
(1994), 81f., und H.-J. Hermisson (1998b), 303, Anm. 15.
163 Die regelmäßige Struktur setzt sich auch noch in V. 21f. (13:12|12:13) fort. Die einzi-
ge Ausnahme, V. 19a mit 16 Konsonanten, ist aber zugleich das einleitende Kolon
des Vierzeilers V. 19f.; vgl. unten, S. 89–91.
164 V. 17f. sind sekundär nach der Mehrheit der Ausleger: G. Beer (1895/97), 148;
K. Budde (1913), 125; S.R. Driver / G.B. Gray (1950), I 196f.; G. Hölscher (1952), 56;
G. Fohrer (1963a), 350f.; A. de Wilde (1981), 236; M. Witte (1994), 86ff.; J. Vermeylen
(1994), 124 u.a.; O. Kaiser (2006), 43. Vgl. dagegen H.-J. Hermisson (1998b), 311ff.,
und H. Strauß (2000), 66. P. Volz (1921), 72, streicht aber V. 17–20.
165 Zu den Partizipien siehe unten, S. 109f.
166 Zu den Gerechtigkeitsbearbeitungen in den Psalmen siehe unten, S. 294f., und beim
Hiobbuch M. Witte (1994), 183ff.215ff. Hier spielt der Ergänzer außerdem deutlich
auf die vorausgehende HR 21,14–16 an.
Die ursprüngliche Gestalt der Elifasreden 51

redaktor zu finden. Sowohl l") als auch yaD$ a (V. 17) sind beim Gerech-
tigkeitsredaktor stark vertreten und zusammen mit {yi($ f r
: (V. 18) sogar
in einem Vers in 27,13 belegt.167 Beide Gottesbezeichnungen El und
Schaddai sind uns zusammen mit hfc(" (V. 18) schon in dem von uns
ihm zugeschriebenen Abschnitt 5,8–17168 (bzw. 5,8.13.17) begegnet.169
17b Für Omfl lies Unfl, so auch G und S.
18a D.h. Gott.
18b Der Vers ist sehr schwierig zu verstehen, weil er zusammen mit
dem vorausgehenden den Kontext unterbricht. Die Übersetzung hier
stützt sich auf die von M. Witte.170
19a Für Uxfm&: yi w: lies Uxfm&
: Yi wa .171 Der Satz selbst ist als eine temporale
Fügung und folgendes Kolon comitativ aufzufassen.172
20a Statt Unfmyiq, „unser Widersacher“, lies {fmqu y: (analog zu {frt : yi in
V. 20b und {fdOs:y in V. 16b). Vgl. Theodotion und Gen 7,4.23; Dtn 11,6.173
Buchstäblich rhetorisch: „Ist nicht vertilgt ihr Bestand?“
21a D.h. mit Gott.
Lies {fl$
: U.
21b Zu {ehfB siehe GK28, § 135p.
Lies als Verb !A)Ob:T.174
23a Vgl. G. Statt des keinen guten Sinn ergebenden Wortes henB f T
i lies
hen(f T
" .175 Vgl. auch den Zusammenklang mit dem Verb gfN(a t : T
i am Ende
von V. 26a und die an das Ende des jeweils ersten Kolons der Bikola
V. 11, 14, 19, 21, 27 und 28 angeschlossenen kleinen Nebensätze in Ge-
stalt eines Verbs.176
24–25 Die Bikola erweisen sich wiederum als sekundäre Zusätze,
die störend den Zusammenhang zwischen V. 23 und 26 unterbre-

167 Nach M. Witte (1994), 191f., und O. Kaiser (2006), 49f., gehören 27,7–10.13–23 dem
Gerechtigkeitsbearbeiter.
168 Siehe oben, S. 28–31.
169 Vgl. noch l(p in 24,5; (f$r
f in 24,6; )lm in 20,11.23a usw.
170 M. Witte (1994), 82; so auch S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 153.
171 So N. Peters (1928), 239, und H. Bobzin (1974), 310. Zum Satzbau siehe a.a.O., 309f.
172 So mit H. Bobzin, a.a.O.
173 So auch G. Beer (1895/97), 148; S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 155; E. Dhorme
(1967), 335f.; G. Hölscher (1952), 56; G. Fohrer (1963a), 351; H. Bobzin (1974), 310;
J.E. Hartley (1988), 329, Anm. 10; M. Witte (1994), 81; D.J.A. Clines (2006), 543, u.a.
Vgl. H. Strauß (2000), 57.
174 So K. Budde (1913), 126; G. Fohrer (1963a), 351; H. Bobzin (1974), 311; D.J.A. Clines
(2006), 544.
175 So G. Beer (1895/97), 149; S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 156; E. Dhorme (1967), 357;
G. Fohrer (1963a), 351; H. Bobzin (1974), 311; A. de Wilde (1981), 237; M. Witte
(1994), 81.
176 Siehe auch unten, S. 93–95.
52 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

chen.177 V. 24 verlangt zusätzlich zu V. 23 in metaphorischer Weise den


Verzicht auf den eigenen Reichtum als Bedingung dafür, daß Gott ge-
mäß V. 25 zu seinem wahren Reichtum wird. Damit greift V. 25 auf
V. 26 vor, was zu einer sonst nicht üblichen Wiederholung des Gottes-
namens Schaddai in V. 25a (vgl. V. 23a.26a und zusätzlich H a OlE) in
V. 26b) führt. Stilistisch fällt weiterhin auf, daß der Ergänzer jedes Ko-
lon mit w-copulativum einleitet. V. 24 bildet mit recB f rfp(f -la(, rUc:b und
ryipO) einen völlig ungewöhnlichen Stabreim.178 Auffallend ist weiter-
hin, daß in beiden Bikola das am Anfang stehende Verb auch das verb-
lose zweite Kolon regiert. Es liegen viele seltene Wörter vor: tOpf(OT (im
AT viermal, in Hi einmal); ryipO) (im AT zwölfmal, in Hi nur noch in
28,16); recBe (auffallend hier zweimal und in Hi nur noch in 42,2). Die
Frage nach der Herkunft des Abschnitts muß offen bleiben, zumal die
Querbeziehungen sich als sehr kompliziert erweisen: Z.B. in c. 28 sind
viele Wörter vorhanden (rfp(f in V. 2.6; rUc in V. 10; laxna in V. 4; vesKe in
V. 1.15 und wie oben, ryipO) in V. 16). Die Mehrheit dieses Kapitels geht
auf den Majestätsredaktor zurück und entspricht von der Tendenz her
dem vorliegenden Einschub, M. Witte rechnet jedoch die für uns sehr
wichtigen 28,15f. nicht zu ihr.179 Darüber hinaus finden sich beim Ge-
rechtigkeitsbearbeiter in 30,6 sogar zwei Wörter (rfp(f und laxna ) und in
27,16f. (rfp(f und zweimal veseK) wieder.180
24a Der Imperativ wird oft konjiziert, ist aber nicht nötig, weil der
Vers eine Glosse ist.181
25b Das Wort tOpf(OT ist umstritten: Wir übersetzen das als etwas
Glänzendes (metathetisch aus p(y = (py I – „glänzen“).182
27–28 Die Beobachtung H. Bobzins, daß die bedingenden Formen
ryiT(: T
a und remO)-rázg: t
i w: sich bereits auf den künftigen Zustand beziehen
und damit in V. 27a.28a Interdependenzsätze vorliegen,183 paßt gut zur
Fortsetzung der Strophe 22,21–23.26 und generell zum Charakter der
Endstrophe des Dialogs (!).184

177 V. 24f. sind sekundär nach P. Volz (1921), 72; G. Hölscher (1952), 56f.; G. Fohrer
(1963a), 350ff.; H. Bobzin (1974), 312f.; F. Hesse (1978), 141ff.; M. Witte (1994), 87f.,
und O. Kaiser (2006), 43. Vgl. dagegen H.-J. Hermisson (1998b), 314ff. H. Strauß
(2000), 57, streicht V. 24.
178 Vgl. auch !yerc f B
: am Ende von V. 25a.
179 M. Witte (1994), 191f., aber auch O. Kaiser (2006), 51.
180 Die Stellen sekundär nach M. Witte, a.a.O.
181 Z.B. BHS Tf $
a w: ; vgl. aber H. Bobzin (1974), 312.
182 Vgl. KBL3, 1571. So auch N. Peters (1928), 248; G. Hölscher (1952), 56; A. Weiser
(1980), 171; G. Fohrer (1963a), 351f.; H. Bobzin (1974), 312; M. Witte (1995), 54, und
ähnlich F. Delitzsch (1876), 301.
183 H. Bobzin (1974), 313–315.
184 Siehe unten, S. 216f.221–223.
Die ursprüngliche Gestalt der Bildadreden 53

28a Wörtlich: „Eine Sache“.


28b Wörtlich: „Scheint das Licht“.
29a hfwG" remo)Taw UlyiP$
: ih-yiK, „denn sie haben erniedrigt und du sagst:
„Aufwärts“,“ ist korrupt und schwierig zu verbessern, wenn nicht un-
möglich.185 G. Fohrer liest hf)G" tamOr lyiP$ : ih yiK – „Denn er erniedrigt den
Stolz des Hochmuts“.186 Es wäre aber vernünftig, vom Parallelismus
ausgehend an dieser Stelle etwa wie „er (Gott) erniedrigt den Hoch-
mut“ oder „den Hochmütigen“187 zu erwarten.188
29b Kollektives Singular.
30a yiqnf -yi), „der Nicht-Unschuldige“ gibt keinen Sinn; lies daher
yiqnf -$yi).189 Nicht gänzlich auszuschließen ist der Vorschlag von N. Pe-
ters, H a OlE) statt yi) zu lesen.190 Außerdem wirkt die Konjektur besser auf
die Kolonlänge, die sonst mit 9 Konsonanten zu kurz ist – folglich er-
wartet man entweder 10 oder 11–12 Konsonanten.
30b Für !yePaK lies wyfPKa , sonst wäre es ein Gegensatz zu dem Verb in
der 3. Person sing.191

2. Die ursprüngliche Gestalt der Bildadreden


Die ursprüngliche Gestalt der Bildadreden
2.1. Die erste Bildadrede (Hi 8)

2.1.1. Kolometrie192

1 wycn bldd hšwhy wy'mr 18


IA 2a d 'n tmll 'lh
c 11
2b wrwh kbyr 'mry pyk 15
3a h'l ycwt mšpt 11
3b w'm šdy ycwt sdq 13

185 So z.B. F. Hesse (1978), 141, und H. Bobzin (1974), 315.


186 G. Fohrer (1963a), 352; auch G. Hölscher (1952), 56, und ähnlich G. Beer (1895/97),
151.
187 KBL3, 175a liest he)G" .
188 So ungefähr (hwg/h)g [hw]l) lyp$h yk) schlagen mit Variationen K. Budde (1913), 128;
S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 153; E. Dhorme (1967), 341f.; A. de Wilde (1981), 238,
und M. Witte (1994), 81ff., vor. Vgl. D.J.A. Clines (2006), 546.
189 So E. Dhorme (1967), 342; G. Hölscher (1952), 56; G. Fohrer (1963a), 352; H. Bobzin
(1974), 315; A. de Wilde (1981), 238f.; M. Witte (1994), 81.
190 N. Peters (1928), 239; ähnlich BHS.
191 Vgl. N. Peters, a.a.O., der den Verb ändert.
192 Siehe oben, Anm. 1.
54 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

B 4a 'm bnyk ht'w lw 12


4b wyšlhm byd pšcm 13
5a 'm 'th tšhr 'l 'l 13
5b w'l šdy tthnn 11

IIA 6a 'm zk wyšr 'th 11


ky cth ycyr clyk 13
6b wšlm nwt sdqk 11
7a whyh r'šytk ms r c 14
7b w'hrytk yśgh m'd 14
B 8a ky š'l n' ldr ryšwn 15
8b wkwnn lhqr 'bwtm 14
9a ky tmwl 'nhnw wl' ndc 17
9b ky sl ymynw cly 'rs 15
10a hl' hm ywrwk y'mrw lk 17
10b wmlbm yws'w mlym 14

IIIA 11a hyg'h gm' bl' bsh 14


11b yśgh 'hw bly mym 13
12a cdnw b'bw l' yqtp 14
12b wlpny kl hsyr yybš 15
B 13a kn 'rhwt kl škhy 'l 16
13b wtqwt hnp t'bd 12

IVA 14a qšry qyt* kslw 11 (L: 'šr yqwt)


14b wbyt ckbyš mbthw 14
15a yšcn cl bytw wl' ycmd 17
15b yhzyq bw wl' yqwm 14
B 16a rtb hw' lpny šmš 13
16b wcl gntw ynqtw ts' 15
17a cl gl šršyw ysbkw 14
17b byn* 'bnym yhz* 11(12) (L: byt ... yhzh)
18a 'm ybl nw mmqwmw
c 14
18b wkhš bw l' r'ytyk 14

VA 19a hn hw' mśwś drkw 13


19b wmcpr 'hr ysmh<w>* 12(13)
20a hn 'l l' ym's tm 12
20b wl' yhzyq byd mrcym 16
B 21a cd ymlh śhwq pyk 13
21b wśptyk trwch 11
Die ursprüngliche Gestalt der Bildadreden 55

22a śn'yk ylbšw bšt 13


22b w'hl ršcym 'ynnw 14

2.1.2. Übersetzung

1* Da hob Bildad von Schuach an und sprach:


IA 2a Wie lange* willst du solches reden,
2b wo deines Mundes Worte doch nur stürmisch sind*?
3a Beugt El etwa das Recht
3b oder beugt* Schaddai die Gerechtigkeit?
B 4a Wenn deine Söhne sich an ihm verfehlten,
4b gab er sie der Macht ihrer Sünde preis;
5a wenn aber du,* solltest du El suchen,
5b und zu Schaddai flehen.

IIA 6a Wenn du rein und redlich bist,


*da wird er aufwachen deinetwegen
6b stellt er die Wohnstatt deiner Gerechtigkeit wieder her.
7a Dann wird dein Anfang klein erscheinen,*
7b doch dein Ende herrlich groß.
B 8a Denn frag’ nur das frühere Geschlecht
8b und beachte,* was ihre* Väter erforschten.
9a* Weil wir von gestern sind, wissen wir nichts;
9b weil unsere Tage ein Schatten auf Erden sind.
10a Sind sie es nicht, die dich lehren, dir sagen werden
10b und die aus ihrer Einsicht* Worte hervorbringen?

IIIA 11a Kann denn Papyrus wachsen, wo kein Sumpf ist,


11b das Riedgras ohne Wasser sprießen?
12a Noch treibt es, wird nicht abgeschnitten,
12b schon aber ist es dürr vor allem Gras.*
B 13a So sind die Wege* aller, die Gott vergessen,
13b und die Hoffnung des Ruchlosen wird untergehen.

IVA 14a Sommerfäden* gleich ist seine Zuversicht,


14b und ein Spinnengeweb’* sein Vertrauen.
15a* Er verläßt sich auf sein Haus, aber es bleibt nicht stehen;
15b er hält sich daran, aber es bleibt nicht aufrecht.
B 16a Er steht voll Saft im Sonnenschein,
16b durch seinen Garten* rankt sich sein Sproß.
56 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

17a Über Steinhaufen verflechten sich seine Wurzeln,


17b zwischen Steinen hält er sich fest.*
18a Reißt man ihn aus von seinem Ort,
18b verleugnet der ihn: „Ich kenn’ dich nicht“.*
VA 19a Siehe, das war die Freude seines Weges,
19b aus dem Staube sproßt* ein anderer.
20a Siehe, El verwirft den Frommen nicht,
20b und hält der Bösewichter Hand nicht fest.
B 21a Er wird noch* deinen Mund mit Lachen füllen*
21b und deine Lippen mit Jauchzen.
22a Die dich hassen, müssen sich in Scham kleiden,
22b und der Gottlosen Zelt wird verschwinden*.

2.1.3. Text- und Literarkritik

1 Die Überschrift ist vermutlich sekundär.193


2a Es ist nicht ausgeschlossen, daß hier ursprünglich wie in 18,2 die
Langform hfn) f -da( gestanden hat, zumal die kolometrische Kürze (11
Konsonanten) dies eigentlich verlangt.194
2b Wörtlich: „Ein starker Wind sind“.
3b Einige Kommentatoren möchten die Doppelverwendung des
Verbs tw( vermeiden,195 es handelt sich hier aber wahrscheinlich um ein
emphatisches Element, wie es in einigen anderen Versen der Freundes-
reden der Fall ist.196
5a Wie gewöhnlich angenommen, bildet V. 5 die Protasis zu V. 6.
Nach der Entfernung von V. 6aβ197 und wegen mehrerer Einzelheiten
kann es aber nicht sein. Das Problem von {i) am Anfang des Verses hat
man durch Streichung zu lösen versucht,198 das Kolon bliebe dann aber
zu kurz (11 Konsonanten) und verlöre die sonst augenscheinliche poe-
tologische Parallelität zu V. 4. Die beste Lösung, daß hfT)
a -{i) auf U):+x
f in
V. 4a zurückgreift, wird von H. Bobzin zusammen mit F. Horst vorge-

193 Siehe oben zu 4,1 (S. 22f.).


194 Vgl. unten, S. 62.
195 Z.B. G. Beer (1895/97), 49; E. Dhorme (1967), 113; G. Hölscher (1952), 26, und A. de
Wilde (1981), 133: håW(a y: .
196 Siehe unten, S. 124; so auch G. Fohrer (1963a), 184; R. Gordis (1978), 88; N.C. Habel
(1985), 168.
197 Siehe gleich unten zu V. 6aβ.
198 Z.B. G. Hölscher (1952), 26, und A. de Wilde (1981), 134. Die andere Lösung böten
die Umstellungen an, so z.B. P. Volz (1921), 34f.43, der den Text zusätzlich durch G
ergänzt (V. 5b.G.5a.6.7.21.8).
Die ursprüngliche Gestalt der Bildadreden 57

schlagen.199 Die in erster BR regelmäßige Teilung in die Unterstrophen


fände dadurch auch ihre Bestätigung.
6aβ In V. 6 liegt ein Trikolon vor, das in den poetologischen Rah-
men der BR (und Freundesreden) nicht paßt. Das zweite Kolon wirkt
zwischen der Protasis und Apodosis vor allem inhaltlich als ein stören-
der Einsatz. Wird er gestrichen, erhalten wir eine den Versen 4–5 ent-
sprechende konditionale Fügung, die ebenfalls durch {i) eingeleitet
und deren Apodosis durch Kopula weitergeführt wird. Darüber hinaus
können wir uns von der hier überflüssigen yiK200, dem Verb rw(201 und
von der dem Bikolon V. 5 nachgebildeten Alliteration von ( trennen.202
Außerdem scheint hfT(a -yiK sowohl den ersten Reden des Elifas und Zofar
(4,5; 11,16) als auch der zweiten des Hiob (sogar dreimal) nachgebildet
zu sein.203
7 Wörtlich: „sein“. Während die Abweichung des Genus von hfyfhw:
vor dem Subjekt möglich ist,204 kann das von håG& : yi nur durch den Paral-
lelismus erklärt werden.205
8b Das Wort }"nOk:w ist mit E. Dhorme in Verbindung zu Jes 51,13 zu
verstehen.206
Das Suffix von {ftObA) braucht nicht weggelassen zu werden, weil es
}O$yir rod als Kollektivum versteht und hier einen ansteigenden Paralle-
lismus bildet.207
9 Anders als manchmal behauptet worden ist, beurteilen wir nicht
V. 10,208 sondern V. 9 als späteren Zusatz.209 Dieses Bikolon stellt ver-
mutlich eine antithetische Nachinterpretation von V. 8 dar. Es erweist

199 H. Bobzin (1974), 135; F. Horst (1968), 125.


200 yiK ist im Gegensatz zu den ER in den BR nicht gewöhnlich; siehe unten, S. 108f.117.
201 Das Verb ist den Freundesreden nicht eigen und nur in HR 14,12; 17,8; 31,29 vertre-
ten.
202 Das zweite Kolon fehlt in einer Handschrift und wird von B. Duhm (1897), 47;
E. Würthwein (1970), 240, Anm. 60, und M. Witte (1994), 64, gestrichen. Dagegen
wird V. 6aα von O. Kaiser (2006), 18, als sekundär beurteilt. Die Mehrheit der Kom-
mentatoren streichen das erste Kolon (G. Beer [1895/97], 50; G. Hölscher [1952], 26;
G. Fohrer [1963a], 183f.; F. Horst [1968], 125; A. de Wilde [1981], 134, u.a.), dagegen
lassen K. Budde (1913), 36; A. Weiser (1980), 64; J. Vermeylen (1994), 109; M. Köhl-
moos (1999), 162, u.a. das Trikolon stehen. P. Volz (1921), 34f.43, macht zahlreiche
Umstellungen.
203 Siehe auch unten, S. 117.
204 Vgl. GK28, § 145o.
205 Siehe H. Bobzin (1974), 136; Joüon, § 150k und E. Dhorme (1967), 115.
206 E. Dhorme (1967), 116.
207 So A. Dillmann (1891), 70.
208 Zusatz nach B. Duhm (1897), 48, und G. Hölscher (1952), 26.
209 V. 9 wird von O. Kaiser (2006), 19, gestrichen.
58 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

sich kolometrisch als das längste in der Rede (17:15) und fällt mit sei-
nem einmaligen Pronomen Un:xná ) A und Adverb lOm:t im ganzen Hiobbuch
auf. Zusätzlich wirkt Doppel-yiK am Anfang der Kola im Kontext stö-
rend. Als Begründung zu V. 8 gedacht, versucht V. 9 die Rückfrage bei
der Weisheit der Väter mit dem ephemeren Charakter der eigenen Exi-
stenz zu begründen. Die Frage nach der Herkunft des Verses muß we-
gen mangelnder Anhaltspunkte an dieser Stelle ungeklärt bleiben.
10b Wörtlich: „Aus ihrem Herz“.
12 Zwei Nebensätze im ersten Kolon bilden eigentlich einen Tem-
poral- und einen Zustandssatz zur zweiten Zeile.210
13a G liest τὰ ἔσχατα = tyirAx)
a , „das Ende“, was wegen des Paralle-
lismus durchaus angebracht wäre, aber auch die im Alten Testament
übliche Wegmetaphorik bildet die Parallele zu V. 13b.211
14a Die Konstruktion +Oqfy-re$) A ist wegen auffallender Relativparti-
kel und ohne Parallele in V. 14b sehr zweifelhaft und ähnelt sehr der in
22,16; daher ist eine ganze Reihe von Änderungsvorschlägen gemacht
worden. Wir schließen uns vor allem wegen des Parallelismus der Les-
art an, die seit Saadya die breiteste Anerkennung gefunden hat: y"r< u iq
+iyqa .212
14b Wörtlich: „Das Haus der Spinnen“.
15 Das Bikolon erscheint mit seinen vier Imperfekta (darunter ver-
stärkte Hifil- und Nifal-Formen) zwischen den Nominalsätzen in V. 14
und 16a problematisch.213 Inhaltlich gestaltet der Glossator das ihm
vermutlich nicht eindeutig erschienene Bild des Spinngewebes in V. 14
aus. Darüber hinaus verdankt das Bikolon dem auffallenden Satzbau
auch seine kolometrisch längeren Zeilen (17:14)214 und weist durch das
seltene Verb }($ und durch {wq Parallelen zur Gerechtigkeitsredaktion
in 24,14.22f. auf.215
16b Die Konjekturen sind nicht nötig,216 weil das Bild vom guten
Ergehen des Gottlosen ja erst durch sein Verschwinden in V. 18f. poin-

210 Siehe H. Bobzin (1974), 138f.; ähnlich bereits W. Volck (1889), 30.
211 Vgl. G. Beer (1895/97), 51: Auch wegen V. 19a.
212 Siehe BHS, N. Peters (1928), 87f.; G. Fohrer (1963a), 185; M.H. Pope (1985), 66f.;
F. Horst (1968), 126; H. Bobzin (1974), 139; A. de Wilde (1981), 135; N.C. Habel
(1985), 169; M. Köhlmoos (1999), 229, Anm. 7; vgl. M. Wagner (1966), 101, und KBL3,
1024b.
213 Siehe dazu besonders H. Bobzin (1974), 139f. V. 15 ist sekundär nach K. Budde
(1913), 38; P. Volz (1921), 35; G. Hölscher (1952), 26; H. Bobzin, a.a.O.; F. Hesse
(1978), 73, und O. Kaiser (2006), 19.
214 Bei Oty"B-la( in erster Zeile kann es sich auch um eine tertiäre Glosse handeln; vgl.
F. Horst (1968), 125, und J.E. Hartley (1988), 159, Anm. 3.
215 Siehe M. Witte (1994), 116ff.183ff.
216 Vgl. K. Budde (1913), 38; G. Hölscher (1952), 26; H. Bobzin (1974), 140f.
Die ursprüngliche Gestalt der Bildadreden 59

tiert wird. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß einige Exege-
ten die Metaphorik der ersten BR anders auslegen, nämlich als eine
Reihe von negativen (V. 12–15) und eine von positiven Beispielen
(V. 16–19).217 Da aber das Schicksal der Gerechten (in der 3. Person
sing.) in den Freundesreden sonst fast nicht beschrieben wird, würde es
hier um eine besondere Ausnahme handeln.218
17b In M steht håzx E ye {yinb
f )
A ty"B, „das Haus der Steine sieht er“, ist
fraglich, obwohl nicht ganz unmöglich.219 Wir ändern wegen Paralle-
lismus ty"B in }y"B und lesen z"xoy (=z"x)oy) statt håzx
E ye .220
18b Wörtlich: „Ich habe dich nicht gesehen“.
19b Lies mit der Mehrheit der Kommentatoren als Singularform:
xfmc
: yi .
21a Statt da( lies do( wie auch meist angenommen.
h"Lm
a y: = )"Lm
a y: .221
22b Wörtlich: „Es gibt nicht mehr“.

2.2. Die zweite Bildadrede (Hi 18)

2.2.1. Kolometrie222

1a wycn bldd hšhy wy'mr 17


IA 2a cd 'n(h) tśym<wn> qs lmlyn* 14/15(20) (L: qnsy)
2b tbyn<w>* w'hr ndbr 12(13)
3a mdwc nhšbnw kbhmh 15
3b ntm<y>nw bcynyk<m>* 11
4a trp npšw b'pw 11
4b hlmcnk tczb 'rs 13
wyctq swr mmqmw 13
B 5a gm 'wr ršcym ydck 14
5b wl' ygh šbyb 'šw 13
6a 'wr hšk b'hlw 11
6b wnrw clyw ydck 12

217 Z.B. R. Gordis (1978), 521, und N.C. Habel (1985), 168.
218 Siehe unten, S. 199–203.
219 Siehe N.C. Habel (1985), 168f.
220 So K. Budde (1913), 38f.; G. Hölscher (1952), 26; G. Fohrer (1963a), 184f.; H. Bobzin
(1974), 140f.; A. de Wilde (1981), 135; vgl. J.E. Hartley (1988), 159f., Anm. 5.
221 So GK28, § 23e, 75pp; K. Budde (1913), 39; G. Fohrer (1963a), 185; F. Horst (1968), 127.
222 Siehe oben, Anm. 1.
60 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

IIA 7a ysrw scdy 'wnw 12


7b wtkšylhw* cstw 12 (L: wtšlykhw)
B 8a ky šlh bršt brglyw 15
8b wcl śbkh ythlk 13
9a y'hz bcqb ph 10
9b yhz(y)q* clyw smym 12/13
10a tmwn b'rs hblw 12
10b wmlkdtw cly ntyb 14
11a sbyb bcthw blhwt 14
11b whpyshw lrglyw 13

IIIA 12a yhy rcb [b]'nw 10(9)


12b w'yd nkwn lslcw 13
13a y'kl bd[w]y cwrw 12(11)
13b y'kl bdyw bkwr mwt 15
14a yntq m'hlw mbthw 14
14b wtscdhw lmlk blhwt 15
15a tškwn b'hlw l'* lw 14 (L: mbly)
15b yzrh cl nwhw gpryt 15
B 16a mtht šršyw ybšw 14
16b wmmcl yml qsyrw 13

IVA 17a zkrw 'bd mny 'rs 13


17b wl' šm lw cl pny hws 15
18a yhdphw m'wr 'l hšk 15
18b wmtbl yndhw 10
19a l' nyn lw wl' nkd bcmw 17
19b w'yn śryd bmgwryw 15
20a cl ywmw nšmw 'hrnym 16
20b wqdmnym 'hzw ścr 14
B 21a 'k 'lh mšknwt cwl 14
21b wzh mqwm l' ydc 'l 14

2.2.2. Übersetzung

1* Da hob Bildad von Schuach an und sprach:


IA 2a Wann endlich* hörst du auf* zu reden?
2b Komm'* zur Einsicht, damit wir dann reden können.
3a Warum werden wir wie Vieh geachtet,
3b sind wir dumm* in deinen* Augen?
Die ursprüngliche Gestalt der Bildadreden 61

4a* Du, der deine* Seele selbst zerreißt in Zorn.


4b Soll deinetwegen die Erde verödet werden
und der Fels von seiner Stätte weichen?
B 5a Allein des Gottlosen* Licht erlischt*
5b und die Flamme seines Feuers leuchtet nicht.
6a Das Licht in seinem Zelt ward dunkel
6b und über ihm verlöschte seine Leuchte.

IIA 7a Kurz wurden seine kräftigen Schritte


7b und wanken machte ihn* sein eigener Rat.
B 8a Denn er geriet mit seinen Füßen in ein Netz
8b und lief über Flechtwerk hinweg.
9a Es hielt die Schlinge die Ferse fest,
9b der Fallstrick packte* ihn.
10a Seine Schlinge lag verborgen auf der Erde
10b und seine Falle auf den Pfad.
11a Ringsum überwältigten ihn Schrecken
11b und verjagten ihn auf Schritt und Tritt.*

IIIA 12a Hungrig ward* er in* seiner Kraft


12b und Verderben stand bereit für sein Straucheln.
13a Seine Haut wurde von Krankheit gefressen*,
13b der Erstgeborene des Todes* fraß seine Glieder.
14a Ausgerissen wurde er aus seinem Zelte, seinem Zufluchtsort,
14b und hingetrieben zum König der Schrecken.
15a Nichts* wohnte in seinem Zelt,
15b über seine Stätte wurde Schwefel gestreut.
B 16a „Unten verdorren seine Wurzeln
16b und oben verwelken seine Zweige.“

IVA 17a Sein Andenken verschwand aus dem Lande


17b und ihm blieb kein Namen auf der Straße.
18a Er wurde vom Licht in die Finsternis gestoßen
18b und vom Festland verjagt.
19a Er hat keine Nachkommen und Kinder unter seinem Volk,
19b und keinen, der übrigblieb an seinen Stätten.
20a Die im Westen* entsetzten sich über seinen Tag,
20b und die im Osten* ergriff die Furcht.
B 21a Ja, so geht es den Wohnungen der Ungerechten
21b und so dem Ort, den El nicht kennt.
62 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

2.2.3. Text- und Literarkritik

1 Die Überschrift ist vermutlich sekundär.223


2a Die Partikel hfn)
f -da( treffen wir am Anfang der ersten BR in 8,2 als
}f)-da(; deswegen ist die Frage berechtigt, ob die Partikeln nicht ur-
sprünglich doch einheitlich gewesen sind, entweder beide lang (das
Kolon 8,2a ist zu kurz) oder beide kurz (das Kolon 18,2a mit 20 Konso-
nanten zu lang). Der Redeanfang steht gewiß unter dem Einfluß von
19,2 und könnte als Schreibfehler erklärt werden.
Das Problem des Plurals in V. 2f. ist seit langem bekannt, weil die
angeredeten Personen nicht die Freunde sein können, sondern allein
Hiob (siehe unten). G übersetzt wahrscheinlich richtig im Singular.224
Wie die eröffnende Partikel, kann auch die Pluralform vom Anfang der
vorausgegangenen Rede (19,2) beeinflußt sein. Außerdem verkürzt die
Singularform deutlich die Zeile auf 17–18 Konsonanten; 20 Konsonan-
ten wären in den ursprünglichen Freundesreden völlig ausnahmslos.225
In der jüngeren Auslegungsgeschichte wird angenommnen, daß Hiob
im Plural angeredet wird,226 oder Hiob und seinesgleichen oder ano-
nyme Zuhörer227 oder die Freunde228.
Wörtlich: „Wann endlich machst du Schluß den Worten?“ Die Be-
deutung des Wortes y"cn: iq muß aus der Parallele zu HR 16,3 abgeleitet
werden (vgl. auch ER 22,5). Eine aramaisierende Auflösung der Ver-
doppelung von c wird in jånqe öfters angenommen.229 Wenn auch das
arabische Wort qansun, „Jagd“,230 ähnlich klingt, ist es nicht überzeu-
gend. Die Derivationen aus dem Akkadischen – qinnāzu(m), „Peit-

223 Siehe oben zu 4,1 (S. 22f.).


224 Ihr knüpfen B. Duhm (1897), 93f.; S.R. Driver / G.B. Gray (1950), I 157; S. Terrien
(1963), 13, 138; R.E. Murphy (1981), 32, und O. Kaiser (2006), 34, an; vgl. J.E. Hartley
(1988), 273.
225 Siehe dazu unten, S. 89–91.
226 So L. Hirzel (1852), 114; F. Delitzsch (1876), 226; N. Peters (1928), 186 („beabsichtigte
Feinheit“); H.H. Rowley (1980), 158; R. Gordis (1978), 190; A. van Selms (1982), 158;
N.C. Habel (1985), 280, und M.H. Pope (1985), 133.
227 So A. Dillmann (1891), 158; A. Weiser (1980), 136; H. Groß (1986), 68. Vgl. auch
N.H. Tur-Sinai (1981), 285: „summary of utterances of Job“.
228 G. Fohrer (1963a), 296; F. Horst (1968), 267; E. Dhorme (1967), 257, und M. Witte
(1994), 64. Dagegen stellt A. de Wilde (1981), 201, V. 2 an den Anfang von c. 19 um.
229 Vgl. z.B. KBL3, 1044b; N. Peters (1928), 184; G. Fohrer (1963a), 296; F. Horst (1968),
263; J.E. Hartley (1988), 273, Anm. 3; F. Hesse (1978), 119; H. Strauß (1998), 75,
Anm. 17, u.a.
230 Vgl. AWSG2, 706b; L. Hirzel (1852), 113; F. Delitzsch (1876), 226; A. Dillmann (1891),
158; P. Szczygiel (1931), 108; H.H. Rowley (1980), 158; R. Gordis (1978), 190;
N.C. Habel (1985), 281.
Die ursprüngliche Gestalt der Bildadreden 63

sche“,231 und kursu(m), „Fessel“232 – passen ebenso wenig an diese Stelle


und wären nicht besser als „Jagd“. Da die Zeile gewiß unter (aramaisie-
renden?) Bearbeitungen gelitten hat, läßt sich auch bei diesem Wort ein
Schreibfehler nicht ausschließen, ein einfaches j"q würde kolometrisch
berechtigt sein.233
2b Auch hier soll es sich vermutlich wie in V. 2a um eine Singular-
form handeln.
3b In M steht Unyim+
: ni aus )+m, „unrein sein“; die Mehrheit der Ausle-
ger nehmen aber die aus {m+, „dumm sein“, abgeleitete Bedeutung
an.234
Wird V. 2 konjiziert, muß auch hier ursprünglich Suffix 2. masc.
sing. gestanden sein.
4 Die erste Strophe wirkt poetologisch und kolometrisch in sich ge-
schlossen. Allein V. 4 fällt als Trikolon auf. Da V. 4bα.β dem Paralle-
lismus membrorum folgt und wie für die Freundesreden typisch als
rhetorische Doppelfrage mit der Fragepartikel h A gestaltet wird, dürfte
das erste Kolon eine nachträgliche Erweiterung sein.235 Außerdem fällt
V. 4a wegen des in dieser Rede sehr seltenen Partizips auf (vgl. V. 10.
12). Dem Ergänzer ging es darum, die Unangemessenheit des selbst-
zerstörerischen Verhaltens Hiobs zu unterstreichen. Der gewöhnliche
Wortschatz läßt keine sicheren Folgerungen über die Herkunft des Ein-
trags zu. So ist z.B. va) allen Redaktionsschichten eigen, trotzdem sind
alle drei nur bei einem, nämlich beim Gerechtigkeitsbearbeiter, nach-
weisbar.
4a Wörtlich: „Der seine Seele zerreißt in Zorn“.
5a Die Pluralform ist hier singularisch übersetzt, weil die folgenden
Suffixe vermutlich wegen des stilistischen Gleichklangs im Singular
verwendet werden.
Die Tempora können hier und weiter wegen des beherrschenden
Hamet’s und daher eher von der ‚Lehrerzählung’ und nicht vom ‚Weis-
heitsgedicht’ ausgehend narrativ übersetzt werden.236

231 Siehe AHW, II 922a.


232 Siehe AHW, I 512a; falsch gelesen als qinsu – so E. Dhorme (1967), 257 u.a.
233 Zu stat. cons. siehe GK28, § 130a.
234 UnoM+
a n: , z.B. F. Horst (1968), 266; H.H. Rowley (1980), 158; M.H. Pope (1985), 133;
N.C. Habel (1985), 281, u.a.
235 So auch G. Hölscher (1952), 43; G. Fohrer (1963a), 297; F. Hesse (1978), 119; M. Witte
(1994), 64, und O. Kaiser (2006), 35. Dagegen hält A. de Wilde (1981), 201, V. 4bβ für
eine Glosse aus 14,18. Einige Forscher haben ähnlich wie B. Duhm (1897), 93f. ver-
sucht, V. 4a ein Kolon bzw. mehrere Kola voranzustellen, die Mehrheit lassen aber
das Trikolon stehen.
236 Siehe H. Bobzin (1974), 254ff.
64 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

7b In M steht Uh"kyil$
: t a , „ihn stürzt“. Wahrscheinlicher ist der Text
aber nach G (σφάλαι δέ – Uh"lyi$k: t a w: , „straucheln“, „wanken“237) zu ver-
bessern. Vgl. z.B. ER 4,4 und Prv 4,19.
9b Statt des Jussivs q"zx
A ya lies als Imperfekt qizx A ya oder qyizx
A ya .238
11b Wörtlich: „Seine Füße“.
12a Das Kurzimperfekt besitzt hier narrativische Funktion.239
BHS ergänzt Ono) richtig mit der Präposition B : ; das sonst sehr kurze
Kolon (9 Konsonanten) gewinnt ein wenig an Länge.
13a Die Wendung y"DaB lak)oy in M steht vermutlich unter dem Ein-
fluß von V. 13b und ist wegen des Parallelismus und der Kolometrie
nach BHS zu verbessern: yaw:dB i l"k)
f y" .240
13b G. Fuchs kritisiert den für eine dichterische Personifikation ge-
haltene Ausdruck „der Erstgeborene des Todes“, weil der Tod keine
Nachkommen haben könne. Daher nach ihr appositionell zu verstehen:
„Der Erstgeborene, der Tod / Mot“.241 Wir bleiben bei der üblichen
Übersetzung wegen einer Parallele zu V. 14b.242
15a Der Ausdruck Ol-yilB : m
i ist unverständlich. Gegen alle interessan-
ten Lösungen, zumal die von M. Dahood – l"Bm a (aus dem Akkadischen
nablu, oder Ugaritischen nblat – „Feuer“, „Flammen“),243 die zu dem Pa-
rallelismus passen würde – oder R. Gordis – lUBam, „Flut“244 – spricht der
durchgehende Reim von O- und t- in der dritten Strophe. Deswegen ist
das Suffix 3. sing. masc. erforderlich und der Vorschlag, hier Ol )ol zu
lesen, passend.245
20 Die „im Westen“ und „Osten“ sind nach den Versionen die, die
waren und kommen werden. So übersetzen auch einige Forscher,246

237 Mit BHS u.a.


238 So BHS, S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 118; G. Fohrer (1963a), 297; F. Horst (1968),
266; H. Bobzin (1974), 257, u.a.
239 Siehe H. Bobzin (1974), 258.
240 So auch K. Budde (1913), 94; S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 119; N. Peters (1928),
190; G. Fohrer (1963a), 298; S. Terrien (1963), 141; H.H. Rowley (1980), 162; E. Dhor-
me (1967), 265; A. de Wilde (1981), 203; J.E. Hartley (1988), 277, Anm. 3. Zur „Haut“
(rO() im Hiobbuch vgl. R. Kessler (1992), 149f.
241 G. Fuchs (1993), 111–113.
242 Siehe auch unten, S. 186f.
243 M. Dahood (1957), 312ff.
244 R. Gordis (1978), 193.
245 So nämlich S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 119; F. Horst (1968), 273, und J.E. Hart-
ley (1988), 277, Anm. 6. Vgl. auch V. 17b und 19a. Vgl. auch unten, S. 137.
246 Z.B. L. Hirzel (1852), 117; K. Budde (1913), 95; R. Gordis (1978), 194.
Die ursprüngliche Gestalt der Bildadreden 65

doch wegen Joel 2,20 und Sach 14,8 sind sie als Himmelsrichtungen
gemeint.247

2.3. Exkurs: Die sogenannte dritte Bildadrede (Hi 25)

2.3.1. Kolometrie

1 wycn bldd hšhy wy'mr 17


2a hmšl wphd cmw 11
2b cśh šlwm bmrwmyw 14
3a hyš mspr lgdwdyw 14
3b wcl my l' yqwm 'wrhw 16
4a wmh ysdq 'nwš cm 'l 15
4b wmh yzkh ylwd 'šh 14
5a hn cd yrh wl' y'hyl 15
5b wkwkbym l' zkw bcynyw 18
6a 'p ky 'nwš rmh 11
6b wbn 'dm twlch 11

2.3.2. Übersetzung

1* Da hob Bildad von Schuach und sprach:


2a Herrschaft* und Schrecken sind bei ihm,
2b der Frieden in seinen Höhen macht.
3a Haben seine Scharen eine Zahl?
3b Über wem geht denn sein Licht* nicht auf?
4a Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott,
4b wie ein vom Weibe Geborener rein?
5a Siehe*, sogar der Mond leuchtet nicht hell*
5b noch sind die Sterne rein vor seinen Augen,
6a wieviel weniger der Mensch, ein Gewürm,
6b und Menschenkind, der Wurm?

247 Vgl. T.H. Robinson (1964), 62; F. Horst (1968), 275; H.W. Wolff (1975), 74, und
J.E. Hartley (1988), 280, Anm. 16. Vgl. noch Dtn 11,24; 34,2; Ez 10,19; 11,1; 47,8; und
unten, S. 188 und 261.
66 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

2.3.3. Textkritik und Begründung des sekundären Charakters

1 Die Überschrift mag hier tertiär sein oder auch von der bereits vor-
handenen Gestalt der Freundesreden ausgehen.248 In einer Handschrift
wird Hiob als der Redende dargestellt, höchstwahrscheinlich fehler-
haft.249
2–6 Der Hiobdialog mündet in das Unschuldsbekenntnis und Rei-
nigungseid Hiobs in c. 27*.29–31* und in die Gottesreden. Die dritte BR
ist ein späterer Eintrag, der auf der Voraussetzung beruht, daß der
Dialog aus drei Redegängen besteht. Wie M. Witte in seiner Studie250
hinreichend bewiesen hat, ist diese Rede dem sog. Niedrigkeitsbearbei-
ter zuzuschreiben. Ebenso haben wir uns seiner These über die gleiche
Herkunft von 4,12–21 und 15,11–16 angeschlossen und es am Beispiel
zahlreicher inhaltlicher, stilistischer und poetologischer Momente be-
stätigt.251
Die wortwörtliche Parallele von V. 4f. zu 15,14f. (nur vier Worte
weichen ab) läßt den sorgsamen Leser schon beim ersten Blick stutzen.
Aber noch belegt das Thema dieser Bearbeitungen – kreatürliche Sünd-
haftigkeit des menschlichen Wesens und seine Niedrigkeit vor Gottes
Erhabenheit –, daß wir es hier mit dem Niedrigkeitsbearbeiter zu tun
haben. Ihre Tendenz widerspricht dem auf die tatsächlichen Sünden
Hiobs zurückgreifenden252 und wegen der doch vorhandenen Möglich-
keit der Umkehr optimistischen Ton der ER bzw. der Freundesreden253
durchaus. Wegen des makrotextlichen chiastischen Aufbaus dieser Re-
de liegt die Vermutung nahe, daß es sich hier nicht um ein Fragment
eines ursprünglich längeren Texts handelt, weil wir dann hier sonst
einen stilgerechteren Abschnitt oder zusätzliche Fragmente erwarten
dürften. Wie M. Witte festgestellt hat, enthält jedes Bikolon einen be-
sonderen Platz im Aufbauschema, in dem eine anthropologische These
in der Mitte in V. 4 steht, die von zwei Komparationen V. 3 und 5 um-
geben ist und durch eine theologische These in V. 2 eingeleitet und
durch die Konklusion in V. 6 abgeschlossen wird.254 Ein ähnlicher über-
greifender Chiasmus läßt sich sonst in den Freundesreden nicht be-

248 Vgl. oben zu 4,1 (S. 22f.).


249 Dagegen vgl. H. Strauß (2000), 102.
250 M. Witte (1994), 59ff.91ff. Siehe ferner bei ihm (1994; 1995) auch zu den Schwierig-
keiten der Rekonstruktion des dritten Redegangs.
251 Siehe oben, S. 24f. und 38.
252 Vgl. 15,5f.; 22,5–9.13f.
253 Vgl. z.B. 5,8; 8,6; 11,13–16 und alle Schlußverheißungen am Ende der Reden 5,17–26*;
8,21f.; 11,17–20*; 22,23.26–30.
254 Siehe exakter bei M. Witte (1994), 60f.
Die ursprüngliche Gestalt der Bildadreden 67

obachten. Zusätzlich fehlen in c. 25 im Vergleich zu ihnen die klar ge-


zeichnete persönliche Anrede Hiobs, das Summarium am Ende und die
direkten Hinweise auf Gottlose oder Bösewichter.255
Im Anschluß an die Einleitungen 4,12–16; 15,11–13 und 25,2f.256 äh-
neln sich die eigentlichen Botschaften des Niedrigkeitsbearbeiters in
4,17–19; 15,14–16 und 25,4–6 in dem Maße, daß sie ausschließlich von
einer Hand oder aus einem Gedankenkreis stammen können. Alle fan-
gen in 4,17; 15,14 und 25,4 mit rhetorischen Doppelfragen an, die pro-
grammatisch nach dem Gerechtsein des Menschen fragen.257 Die Dop-
pelfrage wird jeweils durch einen Schluß a maiore ad minus in 4,18f.,
15,15f. und 25,5f. beantwortet, indem zuerst auf das Mißtrauen Gottes
(4,18 und 15,15: }m) Hi.; 15,15 und 25,5: \kz) gegenüber den höchsten
oder kosmologischen Erscheinungen (15,15: {iym a $
f ; 25,5: {yibkf Ok) oder
Wesen (4,18: wyfk) f l
: m
a ) hingewiesen wird (}"h am Anfang von und )ol in-
nerhalb des Kolons) und anschließend die Geringfügigkeit des Men-
schen (15,16: $yi); 25,6: $OnE) und {fd) f ) betont wird (va) am Anfang von
4,19, yiK-va) in 15,16 und 25,6258). In keiner der ursprünglichen Freundes-
reden treffen wir auf so massive inhaltliche oder stilistische Über-
schneidungen. Anders als in ihnen werden in 15,14f. und 25,4f. die
Verben hkz und \kz statt des in 8,6 und 11,4 üblichen Adjektivs |az be-
nutzt.
Darüber hinaus ist den Freundesreden kein hymnischer Unterton
eigen, der sich bereits in den Nominalsätzen des Eröffnungsverses 25,2
zu erkennen gibt.259 Die Freundesreden bleiben dagegen im Stilbereich
der Mahnung und Lehre. Die Stilistik von c. 25 hebt sich durch die im
Gegensatz zu den Freundesreden maßlose Häufung zahlreicher Allite-
rationen und Reimen hervor: Z.B. -h am Anfang von V. 2.3.5; -m in
V. 3f.; -) innerhalb von V. 4.6; Suffix 2. masc. sing. am Ende der Zeilen
in V. 2b.3a.5b; der Laut l- am Ende in V. 4a.5a; Homoioteleuton hf- in
V. 6a.b.260
Die kolometrischen Grundsätze der Freundesreden werden in c. 25
nicht mehr eingesetzt. Während die kurzen Anfangs- und Endverse
(11:14 und 11:11) noch erklärbar sind, wirkt V. 5 überlang (15:18). An-

255 Vgl. unten, S. 139ff.


256 In zwei Einleitungen ist das Wort daxPa (4,14; 25,2) vertreten.
257 Zum Wortschatz: $OnE), qdc und hkz in 15,14 und 25,4; in 4,17 und 25,4 hOlE) oder l");
in 15,14 und 25,4 als Parallele zum Menschen hf<) i dUl:y.
258 Die Konjunktion va) ist nur einmal in den ursprünglichen Freundesreden in 15,4
belegt, die Konstruktion yiK-va) ist hingegen Sondergut des Niedrigkeitsbearbeiters.
259 Vgl. zusätzlich charakteristische Wörter wie {Orfm, h&( (V. 2 und 5,9.11), rfPs
: m
i , lOdfg
(V. 3 und 5,11) aus dem hymnischen Abschnitt 5,9–14; siehe dazu oben, S. 28–31.
260 Vgl. unten, S. 130ff.
68 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

dererseits herrschen hier in diesem Kapitel andere Prinzipien, z.B. ist


die Konsonantenzahl vor und nach dem Wort l") in V. 5 gleich.261
Mithin kann es als bewiesen gelten, daß die sogenannte dritte Bil-
dadrede nicht zum ursprünglichen Hiobdialog gehört und zusammen
mit den Ergänzungen in Hi 4,12–21 und 15,11–16 von einer späteren
ergänzenden Hand stammt und nach M. Witte dem Niedrigkeitsbear-
beiter zuzuschreiben ist.262
2a Inf. abs. l"$m: h
a wird hier substantivisch benutzt.
3b Das Wort Uh"rO) wird öfters aufgrund von G als Ob:rO) gelesen –
„und gegen wen hielte sein Hinterhalt nicht stand“.263 Wir möchten
wegen des „kosmologischen“ Parallelismus264 das Wort unverändert
lassen.265
5a Die Interjektion }"h ist hier grundsätzlich auch konsekutiv als
„wenn“ übersetzbar, um die Verbindung zu yiK va) in V. 6 besser zu
äußern.266
Das Wort lyih) A ay ist oft als l"hyæ , „zelten“, verstanden worden,267 kann
aber inhaltlich und als Nebenform zu llh so stehen bleiben.268

261 M. Witte (1994), 61.


262 Daß c. 25 nicht ursprünglich ist, haben z.B. P. Volz (1921), 27; J. Lindblom (1945), 74f.
[184f.]; H.L. Ginsberg (1969), 104, Anm. 3; J. Vermeylen (1994), 108ff.; A. Scherer
(2008), 98–100, vermutet. An die These M. Wittes knüpfen auch O. Kaiser (1994),
72ff.; (2006), 47, und J. van Oorschot (2007), 182–184, an. Öfters ist c. 25 mit anderen
Teilen aus dem dritten Redegang kombiniert worden, u.a. S.R. Driver / G.B. Gray
(1950), I xxxviiiff.214f.; E. Dhorme (1967), 370ff.; G. Hölscher (1952), 60ff.; S. Terrien
(1963), 180ff.; M.H. Pope (1985), 180ff.; R. Gordis (1978), 273ff.; N.C. Habel (1985),
360ff.; J.E. Hartley (1988), 355ff. C. 25 wird als Fragment einer längeren BR z.B. von
P. Volz (1921), 27 (gehört zu c. 8); und ähnlich von C. Westermann (1956), 64f.;
G. Fohrer (1963a), 374f.; F. Hesse (1978), 149f., und G. Fuchs (1993), 133–135, ange-
deutet.
263 So z.B. E. Dhorme (1967), 368f.; G. Hölscher (1952), 60; G. Fohrer (1963a), 374;
H. Bobzin (1974), 336.
264 M. Witte (1995), 124.
265 So die Mehrheit, z.B. F. Delitzsch (1876), 332f.; A. Dillmann (1891), 223; K. Budde
(1913), 141; S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 176; N. Peters (1928), 271; A. Weiser
(1980), 188; F. Hesse (1978), 149f.; M.H. Pope (1985), 181f.; R. Gordis (1978), 276;
N.C. Habel (1985), 365; J.E. Hartley (1988), 356; H. Strauß (2000), 101f.
266 So E. Dhorme (1967), 369; H. Bobzin (1974), 337, vgl. M. Witte (1995), 127.
267 So z.B. BHS, E. Dhorme (1967), 369; G. Hölscher (1952), 60, u.a.
268 F. Delitzsch (1876), 333; K. Budde (1913), 142; G. Fohrer (1963a), 374; F. Hesse (1978),
149f.; R. Gordis (1978), 277; M. Witte (1995), 128, u.a.
Die ursprüngliche Gestalt der Zofarreden 69

3. Die ursprüngliche Gestalt der Zofarreden


Die ursprüngliche Gestalt der Zofarreden
3.1. Die erste Zofarrede (Hi 11)

3.1.1. Kolometrie269

1a wycn spr hncmty wy'mr 18


IA 2a hrb dbrym l' y nh
c 14
2b w'm 'yš śptym ysdq 15
3a bdyk mtym yhryšw 14
3b wtlcg w'yn mklm 13
B 4a wt'mr zk lqhy 11
4b wbr hyyty bcynyk 14
5a w'wlm my ytn 'lwh dbr 17
5b wypth śptyw cmk 13
6a wygd lk tclmwt hkmh 16
ky pl(')ym* ltwšyh 12/13(11) (L: kplym)
6b wdc ky yšh lk 'lwh mcwnk 19

IIA 7a hhqr 'lwh tms' 12


7b 'm cd tklyt šdy tms' 16
8a gbhh [m]šmym* mh tpcl 15(14) (L: gbhy šmym)
8b cmqh mš'wl mh tdc 14
9a 'rkh m'rs mdh 11
9b wrhbh mny ym 10
10a 'm yhlp wysgyr 12
10b wyqhyl wmy yšybnw 15
B 11a ky hw' ydc mty šw' 14
11b wyr' 'wn wl' ytbwnn 16
12a w'yš nbwb ylbb 12
12b wcyr pr' ylmd* 11(14) (L: 'dm ywld)

IIIA 13a 'm 'th hkynwt lbk 14


13b wprśt 'lyw kpk 12
14a 'm 'wn bydk trhyqhw* 16 (L: hrhyqhw)
14b w'l tškn b'hl<y>k* cwlh 16(17)
B 15a ky 'z tś' pnyk mmwm 15
15b whyyt msq wl' tyr' 15

269 Siehe oben, Anm. 1.


70 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

16a ky cth* cml tškh 12 (L: 'th)


16b kmym cbrw tzkr 12

IVA 17a wmshrym yqwm hld 14


17b tcph kbqr thyh 12
18a wbtht ky yš tqwh 13
18b whprt lbth tškb 13
19a wrbst w'yn mhryd 14
B 19b whlw pnyk rbym 12
20a wcyny ršcym tklynh 16
20b wmnws 'bd mnhm 12
wtqwtm mph npš 12

3.1.2. Übersetzung

1* Da hob Zofar von Naama an und sprach:


IA 2a Soll dieser Wortschwall ohne Antwort bleiben*,
2b oder der Schwätzer* Recht behalten,
3a dein Geschwätz Männer zum Schweigen bringen,
3b sollst du spotten, unwiderlegt?*
B 4a Du sagtest: „Rein ist meine Lehre,
4b lauter bin ich in deinen Augen“.
5a O möge Gott mit dir reden*
5b und seine Lippen auftun gegen dich!
6a* Um dir die Geheimnisse der Weisheit zu zeigen,
denn sie ist wie ein Wunder* für den Verstand,
6b daß du erkennst, wie Gott dich wegen deiner Schuld noch
zur Rechenschaft ziehen wird.*

IIA 7a Kannst du die Tiefe Gottes ergründen


7b oder die Grenze Gottes erreichen?
8a* Die höher ist [als]* Himmel: Was kannst du tun?
8b die tiefer ist als Unterwelt: Was kannst du wissen?
9a deren Maß länger als die Erde ist
9b und breiter als das Meer.
10a Wenn er daherfährt und verhaftet
10b und einberuft, wer wird ihn hemmen?
B 11a Ja, er kennt die bösen Menschen,
11b und sieht er die Sünde; soll er’s nicht merken?*
Die ursprüngliche Gestalt der Zofarreden 71

12a Doch ein hohler Mensch kann verständig werden,


12b und das Füllen eines Wildesels gelehrig.*

IIIA 13a Wenn du dein Herz zurichten


13b und zu Ihm* deine Hände ausbreiten würdest,
14a wenn du die Sünde in deiner Hand entfernst*
14b und kein Unrecht in deinem* Zelt wohnen läßt,
B 15a dann wirst du dein Antlitz ohne Makel erheben
15b und gefestigt sein* ohne dich zu fürchten,
16a denn dann* wirst du die Mühsal vergessen
16b und ihrer wie verflossener Wasser gedenken.

IVA 17a Wie* Mittag wird das Leben aufgehen,


17b Finsternis* wird wie Morgen sein.
18a Dann wirst du vertrauen, daß es Hoffnung gibt;
18b und beschützt sein*, dich sicher zu legen.
19a* Du wirst ruhen und niemand wird dich aufschrecken
B 19b Viele werden dein Angesicht umschmeicheln,
20a aber der Gottlosen Augen werden vergehen,
20b da* ihnen die Zuflucht entschwindet
und ihre Hoffnung das Aushauchen der Seele ist.

3.1.3. Text- und Literarkritik

1 Die Überschrift ist vermutlich sekundär.270


2a Wörtlich: „Nicht geantwortet“.
2b Wörtlich: „Mann der Lippen“.
3b Statt ga(l
: T
i wa lies ga(l
: t
i w: ,271 weil das Bikolon von der Fragepartikel h
A
in V. 2a abhängig ist. Wörtlich: „Und es ist keiner da, der widerlegt“.
5a Merke die seltene Konstruktion der Formel }"Tyi -yim mit Infinitiv.272
6 Eine von G. Fohrer wegen des problematischen Trikolons durch-
geführte Strophengliederung (besonders V. 2–4 und 5f.)273 ist unmög-
lich, weil V. 6 eine nachträgliche erklärende Interpretation zu V. 5 bil-

270 Siehe oben zu 4,1 (S. 22f.).


271 So BHS, K. Budde (1913), 52; E. Dhorme (1967), 157f.; S.R. Driver / G.B. Gray (1950),
II 67, und besonders H. Bobzin (1974), 173f.
272 Siehe dazu E. Dhorme (1967), 158, G. Fohrer (1963a), 221, und zum Vergleich
W. Groß (2007), 33ff.
273 G. Fohrer (1963a), 220.
72 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

det274 und V. 2f. und 4f. von unserer Analyse ausgehend275 voneinander
nicht zu trennen sind. In V. 6b fällt der Übergang vom irrealen Imper-
fekt zum Imperativ sowie die kolometrische Überlänge und Unausge-
wogenheit (16:13:19) auf. Außerdem verdeutlicht eine schwache Über-
länge von V. 5 (17:13) und V. 7 (12:16) die Zäsur zwischen zwei
Strophen. Beim benutzten Wortschatz fällt eine Reihe von sehr seltenen
Wörtern auf: hfml u (A aT (dreimal im AT), lepKe (dreimal), hæY$ i UT (zwölfmal);
bei den ersten beiden treffen wir auf die anderen Belege in den sekun-
dären Teilen des Hiobbuches in 28,11 und 41,5; beim dritten handelt es
sich um ein im Hi sechsmal vorkommendes Wort, das dreimal in den
von uns und von M. Witte der Majestätsredaktion zugeschriebenen
Stellen (5,12; 12,16; 26,3) belegt ist.276 Die im ursprünglichen Hiobdialog
programmatische hfmk: x f ist hier überflüssig277 und h$n (im Hi nur hier
und 39,17 ) verstärkt den Eindruck, daß der Vers nachträglich vom
278

Majestätsredaktor eingeschoben worden ist.


6a In M eigentlich {iyl a p: ki , „das Doppelte“;279 besser aber wie BHS
und die meisten Kommentatoren {iyl f p: = {yi)l
f p: , „die Wunder“.
6b Das Verb h$n mit l und }im in M wäre einmalig und unsicher.
Lies deswegen !:l) a $ : iy.280
8–9 An dieser Stelle müssen wir erneut M. Witte Recht geben und
V. 8f. als Glosse betrachten.281 Sie bildet mit ihrer Alliteration (auf m-
Laut aufgebaut), ihrem Reim (viermal Adjektiv fem. am Anfang der
Zeilen) und Satzaufbau (rhetorische Nebensätze in V. 8a.b und Nomi-
nalsätze in V. 9) ein unübertroffenes hymnisches Kunststück, das aber
im Kontext des stilistischen Aufbaus der Freundesreden einzigartig
wäre. Diese von Psalmen- und Proverbiensprache beeinflußte (zu V. 8a
vgl. Ps 103,11; zu V. 8b vgl. Prv 9,18; zu V. 9b vgl. Ps 104,25) Glosse
gehört anscheinend zu derselben redaktionellen Ebene mit den hymni-
schen Versen 22,12.17 (vgl. HaboG, {iym a $
f und l(p) und 5,9ff. Mithin erweist

274 Die Verbesserungsversuche und Scheidungen sind sehr unterschiedlich: E. Dhorme


(1967), 158f., und J. Lévêque (1970), 241, streichen V. 6aβ, aber G. Beer (1895/97), 68;
G. Hölscher (1952), 32; H. Bobzin (1974), 175ff., und J.E. Hartley (1988), 195, Anm. 6,
V. 6b; den ganzen V. 6 streicht M. Witte (1994), 66. Mehrere Verse werden von J. Ver-
meylen (1994), 109f. (V. 4–6), und O. Kaiser (2006), 24 (V. 6–9) entfernt.
275 Siehe unten, S. 142–144 u.a.
276 Zu 5,12 siehe oben, S. 28–31; zu 12,16; 26,3 und auch 28,11 (!) siehe M. Witte (1994),
144ff.179ff.
277 Siehe oben, S. 30, Anm. 65, und unten, S. 284.291, Anm. 87.
278 Siehe M. Witte (1994), 179ff.
279 Vgl. GK28, § 134s.
280 Mit E. Dhorme (1967), 159; G. Hölscher (1952), 32; A. Weiser (1980), 82; H. Bobzin
(1974), 176f., und H. Groß (1986), 46.
281 M. Witte (1994), 65ff. Mit ihm auch O. Kaiser (2006), 24.
Die ursprüngliche Gestalt der Zofarreden 73

sie sich als Einfügung der Gerechtigkeitsredaktion.282 Gegen die An-


nahme, daß auch V. 7 oder V. 10 sekundär sein könnten,283 spricht vor
allem der viergliedrige durchlaufende Strophenbau, außerdem aber
auch die rhetorischen Elemente (die Doppelfrage aus Ah und {i) ist eine
typische Kombination des Hiobdichters, nicht der Ergänzer),284 die
kolometrische Ausgewogenheit gegenüber 15:14 in V. 8 und zu kurzen
V. 9 (11:10), die übliche Parallelität von H a OlE) und yaD$
a 285 sowie das beide
Kola in V. 7 schließende Verb )fcm : iT .
286

8a Es ist sicher, daß V. 8f. ein poetisch ausgewogenes Paar bilden


und deswegen statt {iym a $
f y"hb
: Gf , „Himmelshöhen“, {iym a f <m
i hfhobG: zu lesen
ist. Darin herrscht auch breite Einmütigkeit. Vielleicht ist der Fehler auf
22,12 oder auf die Wendungen wie in Ps 103,11 zurückzuführen.
11b Viele konjizieren Ol statt )ol.287 Falls man keine Konjektur vor-
nimmt, muß man mit H. Bobzin einen passivischen Zustandssatz oder
mit L.J. de Regt eine rhetorische Frage annehmen.288 Für die rhetorische
Frage spricht die wichtige Rolle solcher Fragen im Gesamtgefüge der
Freundesreden, besonders am Anfang von c. 11. Auch im Nachbarvers
10b ist eine ähnliche Frage gestellt, mit der zusammen V. 11b die Mitte
der Strophe prägt.
12b Bei dieser crux interpretum müssen wir uns entweder mit der
Annahme eines nicht mehr verständlichen Sprichworts zufrieden ge-
ben oder die schöne Lösung von K. Budde289 annehmen, die dem in der
Regel dreiwörtigen Rhythmus pro Zeile und dem gewöhnlichen Ver-
balsatz entspricht und durch Fehlschreiben erklärt werden könnte: Mit-
hin läse man statt d"lUf yi {fd)
f , „als Mann geboren wird“, d"mL f yi , „und ein
Wildeselsfüllen sich zähmen lassen“.290

282 Zu den genannten Versen siehe oben, S. 28–31.49–51.


283 M. Witte, a.a.O., äußert den wegen des Wortschatzes berechtigten Verdacht bei V. 7
(in der Tat ist das Wort tyilk: T
a im AT überhaupt nur fünfmal belegt, dabei im Hi noch
in den sekundären Versen 26,10 und 28,3); O. Kaiser (2006), 24, streicht V. 7 und
B. Duhm (1897), 63; G. Hölscher (1952), 32; H. Richter (1959), 75f., Anm. 198, und
H. Bobzin (1974), 177f., streichen V. 10.
284 Siehe unten, S. 114f.
285 Vgl. unten, S. 203f.
286 Dasselbe Wort und dieselbe Form in zwei aufeinander folgenden Kola ist keine Aus-
nahme; vgl. unten, S. 124.
287 So schlagen E. Dhorme (1967), 162f.; G. Hölscher (1952), 32; A. Weiser (1980), 82, und
J.E. Hartley (1988), 196, Anm. 12, vor.
288 H. Bobzin (1974), 178f.; L.J. de Regt (1996), 53.
289 K. Budde (1913), 54f.
290 Der Lösung schließen sich G. Fohrer (1963a), 220ff., H. Bobzin (1974), 179f.; A. de
Wilde (1981), 157f. Ähnlich handelt es sich bereits bei W. Volck (1889), 36; und ferner
bei E. Dhorme (1967), 163, und G. Hölscher (1952), 32.
74 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

13b D.h. zu Gott.


14a Entsprechend der Protasis in V. 13 muß auch V. 14 ähnlich ver-
standen werden,291 lies daher Uh"qyix:rT a .292
14b Lies !:lh)b, so viele Handschriften und breiter Konsens der
Kommentatoren.
15b Wörtlich: „Festgegossen dasein“.
16a Lies mit S und der Mehrheit der Ausleger hfT(a -yiK, weil der Aus-
druck für den Hiobdichter charakteristisch ist, hfT) f -yiK aber nur einmal
und sekundär in Elihureden 34,33 vorkommt. Es liegt die Vermutung
nahe, daß es sich hier wegen der durchgehenden Reihe der )-Allitera-
tion in V. 12–16 und des hfT) a in V. 13 um einen Schreibfehler handelt.293
17a Die Präposition }im ist entweder als eine Ellipse zu verstehen294
oder durch die Präposition K: zu ersetzen, was auf dem Hintergrund
von reqoBKa in V. 17b und der Wechselalliteration von ) und K am Anfang
von V. 10–16 gar nicht ausgeschlossen wäre.
17b Statt des Verbs hfp(u T f lies das Nomen hfp(u :T, wie auch oft ange-
nommen.295
18b Das Verb T f r
: pa x
f w: , „graben“, in Qal ist unklar sowie die Bedeu-
tung „auskundschaften“,296 der Vorschlag, hier rpx II in Pu. T f r
: aPx
u w: , „be-
schützt sein“, zu lesen, ist aber durchaus relevant.297
19a Im letzten Fünfzeiler ist höchstwahrscheinlich – obwohl nicht
hundertprozentig sicher – ein Kolon überflüssig, weil Trikola in den
Freundesreden in der Regel nicht ursprünglich sind. Der Strophenbau
und das ähnliche Summary appraisal der ersten BR sichern gewiß den
V. 20 als ursprünglich. In V. 19f. ist es schwierig, etwas zu streichen,
obwohl ein breiterer Konsens darüber herrscht, daß V. 19a sekundär
ist.298 Fast alle Wendungen und Ausdrücke in V. 19–20 begegnen im
Alten Testament öfters, V. 19a fällt aber als eine V. 18 kommentierende
Zeile auf. Abgesehen von }iy) a und im Gegensatz zu den anderen vier
Kola qualifiziert in ihr der Wortschatz anders: Das Verb jbr bildet im
Hiobbuche ein Hapaxlegomenon, und die Wurzel drx begegnet nur

291 So richtig E. Dhorme (1967), 164; H. Masing (1931), 83; N.C. Habel (1985), 204.
292 Ähnlich G. Hölscher (1952), 32.
293 Siehe Dav3, § 131 R2.
294 Siehe H. Bobzin (1974), 182; ebenso meinen fast alle Exegeten.
295 G. Beer (1895/97), 70; E. Dhorme (1967), 165f.; G. Hölscher (1952), 32; F. Horst (1968),
163ff.; M.H. Pope (1985), 84ff.; J.E. Hartley (1988), 200, Anm. 6, u.a.
296 Vgl. Ges17, 250a und KBL3, 327a.
297 Siehe besonders E. Dhorme (1967), 166; aber auch BHS, G. Hölscher (1952), 32;
G. Fohrer (1963a), 221f.; H. Bobzin (1974), 183; H. Groß (1986), 47, u.a.
298 So G. Hölscher (1952), 32; G. Fohrer (1963a), 221ff.; H. Bobzin (1974), 183, und
F. Hesse (1978), 89. Dagegen streicht O. Kaiser (2006), 24, V. 19b.
Die ursprüngliche Gestalt der Zofarreden 75

noch in der letzten Elihurede 37,1. So bliebe in Gestalt von V. 19b und
20a ein antithetisches Bikolon übrig, das zusammen mit dem Bikolon
V. 20aβ.b im Gegensatz zu V. 19a vom m-Reim unterstrichen wird.
20b Die Kopula am Anfang dieser Zeile kann am besten durch den
Charakter eines Zustandssatzes erklärt werden.299

3.2. Die zweite Zofarrede (Hi 20)

3.2.1. Kolometrie300

1 wycn spr hncmty wy'mr 18


IA 2a lkn ścpy yšybwny 14
2b wbcbwr[h]* hwšy by 13(12)
3a mwsr klmty 'šmc 13
3b wrwh mbynty ycnny 15
B 4a hz't ydct mny cd 13
4b mny śym 'dm cly 'rs 15
5a ky rnnt ršcym mqrwb 16
5b wśmht hnp cdy rgc 14

IIA 6a 'm yclh lšmym śy'w 15


6b wr'šw lcb ygyc 12
7a kgllw lnsh y'bd 13
7b r'yw y'mrw 'yw 12
B 8a khlwm ycwp wl' yms'whw 19
8b wydd khzywn lylh 14
9a cyn šzptw wl' twsyp 16
9b wl' cwd tšwrnw mqwmw 17
10a bnyw yrsw dlym 12
10b wydyw tšbnh 'wnw 13
11a csmwtyw ml'w clwmw 16
11b wcmw cl cpr tškb 13

IIIA 12a 'm tmtyq bpyw rch 14


12b ykhydnh tht lšwnw 15
13a yhml clyh wl' yczbnh 17
13b wymncnh btwk hkw 14

299 Vgl. H. Bobzin (1974), 183.


300 Siehe oben, Anm. 1.
76 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

B 14a lhmw bmcyw nhpk 13


14b mrwrt ptnym bqrbw 15
15a hyl blc wyq'nw 12
15b mbtnw ywršnw 'l 13
16a r'š ptnym yynq 12
16b thrghw lšwn 'pch 15
17a 'l yr' bplgwt [yshr]* 15(11)
17b <nhry>* nhly dbš whm'h 12(16)

IVA 18a mšyb ygc[w] <w>l'* yblc 14


18b bhyl* tmwrtw <w>l'* ycls 16(17) (L: khyl)
19a ky rss zb dlym
c 12
19b byt gzl wl' ybnhw 14
B 20a ky l' ydc šlw(h) bbtnw 15/16
20b bhmwdw l' ymlt 12
21a 'yn śryd l'klw 12
21b cl kn l' yhyl twbw 14

VA 22a bml'wt śpqw ysr lw 15


22b kl yd cml tbw'nw 13
23a yhy lml' btnw 11
23b yšlh bw hrwn 'pw 13
wymtr clyw mbl hmw* 15(16) (L: clymw blhwmw)
B 24a ybrh mnšq brzl 12
24b thlphw qšt nhwšh 14
25a šlh <w>ys'* mgwh 10(11) (L: šlp)
25b wbrq mmrrtw [yhlk]* 14(10)
<yhlk> clyw 'mym* 8(12)

VIA 26a kl hšk tmwn l<spwny>w* 11(16)


26b t'klhw 'š l' nph 13
yrc śryd b'hlw 12
27a yglw šmym wnw c 12
27b w'rs mtqwmmh lw 13
28a ygl yb<w>l* bytw 10(11)
28b ngrwt bywm 'pw 12
B 29a zh hlq 'dm ršc m'lhym 17
29b wnhlt 'yš mry* m'l 14(12) (L: 'mrw)
Die ursprüngliche Gestalt der Zofarreden 77

3.2.2. Übersetzung

1* Da hob Zofar von Naama an und sprach:


IA 2a Deshalb* komme ich zurück auf meine Rede,*
2b und deswegen drängt es in mir:*
3a schmähliche Mahnung muß ich hören,
3b ungeduldige Einsicht antwortet mir.*
B 4a Weißt du es nicht* von jeher,
4b seit es Menschen auf Erden gibt,*
5a daß der Gottlosen Jubel ohne Dauer
5b und des Ruchlosen Freude für den Augenblick ist?

IIA 6a Mag auch sein Dünkel zum Himmel steigen


6b und sein Haupt an die Wolke reichen,
7a vergeht er wie sein Kot für immer,
7b die ihn sahen, sagen: „Wo ist er?“
B 8a Wie ein Traum verfliegt er und ist nicht zu finden,
8b und wie ein Nachtgesicht ist er verscheucht.
9a Das Auge kann ihn nicht mehr sehen,*
9b und seine Stätte ihn nicht mehr schauen.*
10a* Seine Söhne müssen die Armen anbetteln
10b und seine Hände das Vermögen zurückgeben.
11a Sind seine Gebeine* voll von Jugendkraft,
11b muß sie sich doch mit ihm zum Staube legen.

IIIA 12a Schmeckt süß das Böse in seinem Munde,


12b und verbirgt er es unter seiner Zunge,
13a hütet er es ängstlich und läßt es nicht los,*
13b und hält es in seinem Gaumen zurück,
B 14a verwandelt sich die Speise in seinem Gedärm,
14b zu Schlangengift* in seinem Innern.
15a Das Gut, das er verschlang, muß er ausspeien,
15b aus seinem Bauche treibt es El heraus.
16a* Er saugt das Schlangengift,
16b der Viper Zunge tötet ihn.
17a Ströme von [Öl]* soll er nicht sehen,
17b <...> Bäche von Honig und von Milch.

IVA 18a Was er erworben,* stattet er zurück und verschlingt es nicht,


18b er erfreut sich nicht* an* seinem eingetauschten Gut,
78 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

19a denn er zerschlug, er ließ* die Armen liegen,


19b beraubte die Häuser* und baute sie nicht aus.*
B 20a Weil er in seinem Bauche keine Ruhe* kennt,
20b rettet er sich* nicht durch sein Kostbarkeiten;
21a weil seiner Freßgier nichts entging,
21b wird sein Glück nicht lange dauern.

VA 22a In seines Überflußes Fülle wird’s ihm eng,


22b so kommt nur Mühsal* über ihn.*
23a* Es wird geschehen, um seinen Bauch zu füllen.
23b Er* sendet auf ihn seines Zornes Glut
und läßt auf ihn regnen Feuer seiner Wut*.
B 24a Entflieht er vor der eisernen Rüstung,
24b durchbohrt ihn der eherne Bogen.
25a Der Spieß durchbohrt dann seinen Rücken,*
25b ein Blitz [tritt] aus seiner Galle [hervor].*
*<...> Schrecken auf ihn.

VIA 26a Nur* Finsternis ist für ihn aufbewahrt,*


26b es frißt ihn Feuer, das man nicht entfachte.
*Schlecht geht es* dem, was in seinem Zelt verblieb.
27a Die Himmel werden seine Schuld entblößen
27b wobei die Erde sich gegen ihn erhebt.
28a Ein Regensturz wälzt fort* sein Haus,
28b Sturzbäche* am Tage seines Zornes.
B 29a Das ist des frevelhaften Menschen* Teil von Gott,
29b der Anteil eines Widerspenstigen* von El.

3.2.3. Text- und Literarkritik

1 Die Überschrift ist vermutlich sekundär.301


2a }"kl
f bezieht sich als vorweggenommene Begründung auf V. 2b.
3302 und braucht nicht als }"k-)ol konjiziert zu werden. Viele beziehen
das Wort aber auf das von Hiob vorher Gesagte.303

301 Siehe oben zu 4,1 (S. 22f.).


302 Ähnlich A. Dillmann (1891), 182; B. Duhm (1897), 111; E. Dhorme (1967), 289;
N.H. Tur-Sinai (1981), 309; J.E. Hartley (1988), 300, Anm. 1.
303 S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 134; G. Hölscher (1952), 50; G. Fohrer (1963a), 325;
M. Köhlmoos (1999), 224, Anm. 2, u.a.
Die ursprüngliche Gestalt der Zofarreden 79

Wörtlich: „Deshalb machen mich umkehren meine Gedanken“. Das


Wort yinUbyi$y: ist höchstwahrscheinlich eine „abgekürzte Ausdruckswei-
se“ ohne rfbD f ,304 weil hier wie am Anfang der anderen Reden rfbfD oder
hfLm
i zu erwarten wären (vgl. auch Hi 13,22; Prv 18,13 u.a.). Bemer-
kenswert ist die Übersetzung von E. Dhorme: „this is why my thoughts
bring me back“.305
2b Wörtlich: „und wegen meines Eilens in mir“. BHS u.a. möchten
mit to)z ergänzen, am besten wäre aber der Vorschlag von O. Kaiser,
hier HfrUbA(b
a U, „und wegen dessen“, zu lesen. Bei yi$Ux handelt es sich um
eine Sinnesäußerung.306 Ges18 nimmt Infinitiv mit Suffix an: „Ungestüm
in mir“,307 wofür der weitere Infinitiv symmetrisch in zweiter Unter-
strophe V. 4b spräche. Viele deuten als Substantiv „my sensation in
me“.308
3 Übersetzt man wörtlich „und der Geist aus meiner Einsicht läßt
mir antworten“, bleibt der Sinn undeutlich. Das Wort x a Ur ist oft mit den
einleitenden Versen der anderen Reden (8,2; 15,2) verglichen und des-
halb hier als „Wind“ = „leeres Wissen“ übersetzt worden.309 Es bedeutet
aber eher Ungeduldheit oder Drängen: 15,2 ist x a Ur-ta(da eher „ungedul-
diges Wissen“ = eine zu schnell gezogene Folgerung. Der Vorschlag
von BHS (yitnf yibm : statt yitnf yiBim) würde den Parallelismus gut retten. Unse-
re Übersetzung wird inhaltlich von dem Anfang der ersten ZR 11,2
unterstützt.
4a Das Versetzen des t)ozAh durch )olAh (so BHS u.a.) ist nicht nötig,
weil es sich hier um eine rhetorische Frage handelt. Vgl. auch V. 29.310
4b Wörtlich: „Seit dem Setzen des Menschen auf Erden“.
9a Wörtlich: „Das Auge, das ihn erblickte, kann ihn nicht mehr se-
hen“.311
9b Das Wort {Oqfm wird hier feminin aufgefaßt.312

304 So KBL3, 1330b; S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 86.134; N. Peters (1928), 216; G. Foh-
rer (1963a), 325; M. Köhlmoos (1999), 224, Anm. 3.
305 E. Dhorme (1967), 289.
306 Vgl. E. Dhorme (1967), 289, und S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 134f.; im Aramäi-
schen und Neuhebräischen $Ux, „Schmerz empfinden“, „ängstlich sein“ (ANHW3,
141a), oder im Arabischen hassa, „fühlen, empfinden“ (AWSG2, 157bf.); KBL3, 288a
möchte korrigieren U$uxyf von „schmerzvoll sein“.
307 Ges18, 332b.
308 F. Delitzsch (1876), 259f.; E. Dhorme (1967), 289; R. Gordis (1978), 214; N.H. Tur-Sinai
(1981), 311.
309 N. Peters (1928), 217; S. Terrien (1963), 157 u.a.; ähnlich E. König (1900), 16, im ironi-
schen Sinne.
310 So S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 135; G. Fohrer (1963a), 325; E. Dhorme (1967),
291; R. Gordis (1978), 214; J.E. Hartley (1988), 300, Anm. 1; vgl. GK28, § 150e.
311 Zu Utapzæ $
: siehe KBL3, 1350b.
80 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

10–11 An dieser Stelle sind zwei Gedanken in den Text eingescho-


ben worden. In V. 10 muß der Gottlose sein Vermögen zurückerstatten,
und seine Söhne werden bitterarm, in V. 11 muß er trotz seiner Jugend-
kraft verenden. V. 10 könnte eine an falscher Stelle eingetragene Glosse
zu V. 19 sein. Dort würde er aber stilistisch (vgl. z.B. Kopula am An-
fang von jedem zweiten Kolon, die in V. 14–22 fehlt, oder das Personal-
suffix an die Pluralform des Nomens angeknüpft in V. 10) und der
Wortwiederholung wegen ({yiLD a ) unangebracht sein.313 Ebenso wirkt
die Alliteration von -( in V. 11 der Rede fremd und qualifiziert sich als
Nachgebilde von 21,24.26. In der Struktur der sehr regelmäßigen Stro-
phen und Unterstrophen sind V. 10f. eindeutig ein Fremdkörper. Fragt
man nach der traditionsgeschichtlichen Ansetzung dieser Verse, hilft
uns die Behandlung des gerechten Schicksals weiter. In der Tat sind
trotz des dem Hiobbuch relativ bekannten Wortschatzes314 in dem dem
Gerechtigkeitsbearbeiter zugeschriebenen Hauptanteil des 27. Kapi-
tels315 }"B (V. 14), rfp(f (V. 16) und bk$ (V. 19) vorhanden.
11 Das Subjekt wfmUlA( des Verbs in V. 11b bildet eine abstrakte fem.
Bildung.316
13 Wörtlich: „Spart es und nicht losläßt“.
14b Zur Übersetzung als „Gift“ siehe Beweise und Belege bei
D. Pardee.317
16–17 Diese Verse sind ein Nachtrag von späterer Hand. V. 12–15
ist eine sowohl inhaltlich als auch stilistisch in sich geschlossene Stro-
phe, und V. 16 paßt mit seinem Gedanken über Sterben durch die Zun-
ge der Schlange nicht in ihren Rahmen. V. 16 kann auch wegen seiner
Stilistik (merke Alliteration und Reim, Suffixe und Präpositionen) nicht
umgestellt werden.318 V. 17 wäre mit der Feststellung, daß der böse

312 Siehe GK28, § 122 l; Joüon, § 134m. Vgl. H. Bobzin (1974), 278f.
313 So möchte E. Dhorme (1967), 294.299, mit B. Duhm (1897), 106 (auch S. Terrien
[1963], 157f.), den Vers nach V. 19 umsetzen, aber A. Weiser (1980), 159, deutet rich-
tig darauf hin, daß „es beim mosaikartigen Charakter der Bilder fraglich“ ist, die
Verse umzusetzen. P. Volz (1921), 59, streicht V. 9b.10 und O. Kaiser (2006), 38,
V. 10f.
314 Außer dem sehr seltenen Wort {yimUlA(, das nur viermal im AT vorkommt, dabei
einmal in den Elihureden (33,25).
315 Siehe M. Witte (1994), 183ff.192.
316 Siehe E. Dhorme (1967), 294f.; vgl. Joüon, § 136h, § 150g; Dav3, § 116.
317 D. Pardee (1979).
318 G. Fohrer (1963a), 324f.; F. Hesse (1978), 129, und A. de Wilde (1981), 220, möchten
V. 16 nach V. 14 umstellen, V. 15 muß aber unbedingt V. 14 folgen, weil er V. 12–14
fortsetzt und noch mal zusammenfaßt (vgl. E. Dhorme [1967], 295f., und H. Bobzin
[1974], 280ff.). K. Budde (1913), 114; P. Volz (1921), 59; G. Hölscher (1952), 50, und
S.R. Driver / G.B. Gray (1950), I 178, streichen V.16 und O. Kaiser (2006), 39, V. 16f.
Die ursprüngliche Gestalt der Zofarreden 81

Mensch „die Bäche von Honig und Milch“ nicht sehen wird, eine schö-
ne Zusammenfassung der Strophe, kommt aber nach einer Kurzfas-
sung in V. 15 zu spät ins Spiel. Stilistisch gilt auch hier das über V. 16
Gesagte. Die beiden Bikola besitzen eine Reihe von sehr seltenen Wör-
tern wie he(p" )
e (im AT dreimal), hfGl a :P (viermal) und }etPe (fünfmal). Die
Erscheinung des letztgenannten Wortes in V. 14 und 16 zweimal nach-
einander ist auffallend. Dasselbe gilt auch für }O$fl in V. 12 und V. 16.
Außerdem sind noch rfhc : yi 319 und $abD: relative Hapaxlegomena. Da uns
auch die wiederum sehr populären Worte nicht weiterhelfen, sei als
Beispiel für die möglichen Querbeziehungen das Wort laxna angeführt,
das nur dreimal in den Hiobreden, mehrmals aber in den sekundären
Teilen des Hiobbuches (22,24320; 28,4; 30,6; 40,22321) vorkommt. Die Fra-
ge nach der Herkunft des Eintrags muß man wegen mangelnder Paral-
lelen auf sich beruhen lassen.
17a Die Übersetzung im Anschluß an die Mehrheit der Ausleger.
Das Wort y"rAhna am Anfang von 17b ist zu streichen und statt dessen am
Ende von V. 17a ein rfh:cyi zu lesen.
18a In M steht (fgyf . Am besten ist der Vorschlag, O(fgy: zu lesen.322
18b Die Kopula vor )ol ist höchstwahrscheinlich zu streichen.323
In M steht ly"xK: . Viele Handschriften lesen richtig ly"x:B, weil liyx a das
Objekt von sl( ist (vgl. Prv 7,18). Außerdem fangen V. 19b und 20b
regelmäßig mit B an.
19a Zwei Perfekta nacheinander sind nicht überraschend, wenn
man den späten Charakter der Sprache betrachtet (vgl. die Erscheinung
im Aramäischen, z.B. Dan 5,10) und den asyndetischen Satzbau an-
nimmt (vgl. Hi 29,8).324 Außerdem sind in der zweiten Vershälfte be-
reits zwei Verben vorhanden.
19b Der Singular tiyB a wird hier als collectivum verstanden.
Der Satzbau ist unterschiedlich gedeutet worden, z.B. „raubte ein
Haus, das er nicht gebaut hatte“;325 „he has stolen a house instead of
building it“;326 „ein Haus raubte, ohne es wieder aufzubauen“ oder

319 Falls unsere Konjektur richtig ist; siehe zu 17a unten, S. 81.
320 Siehe oben, S. 51f.
321 So nach M. Witte (1994), 191f.
322 BHS, K. Budde (1913), 114; S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 138; G. Fohrer (1963a),
325; H. Bobzin (1974), 284, u.a.
323 Siehe BHS; G. Hölscher (1952), 50; S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 138; H. Bobzin
(1974), 284.
324 Siehe S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 138, und H. Strauß (2000), 24.
325 G. Fohrer (1963a), 324f.
326 E. Dhorme (1967), 298.
82 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

„das Haus, das er raubte, nicht wieder aufbaute“327. Die letzte Überset-
zung erweist sich am besten,328 Uh"nb e yi ist ein Begleitmare’.
20a w"l$f ist als Substantiv Ulf$ zu punktieren oder hfwl : $
a zu konjizie-
ren, wie auch oft angenommen wird.
20b +"Lm a y: muß in Nif. als +"lM
f yi gelesen werden. So auch die Mehrheit
der Kommentare.
22b Einige Mss, G und V setzen lfm(f voraus, was auch besser paßt.
Wörtlich: „Die ganze Hand der Mühsal kommt auf ihn“.
23a Es fällt auf den ersten Blick auf, daß V. 23 und 25 im masoreti-
schen Text Trikola sind und hinsichtlich unserer Beobachtungen in den
Freundesreden außergewöhnlich wären.329 V. 23a verursacht vor allem
syntaktische Probleme (die Bedeutungsnuance von yihy: ist nicht deut-
lich330), von denen das Bikolon V. 23bα.β frei wäre. Inhaltlich bringt er
ebenso Verwirrung in die Strophe und muß als sekundär beurteilt wer-
den.331 Darüber hinaus sind die letzten acht Verse der Rede V. 22–29 als
vier aus zwei Bikola bestehende gedankliche Einheiten zu verstehen, in
den je viertes Kolon mit der Kopula am Anfang versehen worden ist –
das Schema ist durch V. 23a gestört. Es sei noch an dieser Stelle ange-
merkt, daß yihy: als Tempusmarker und rhetorisches Element nur Bildad
eigen ist (vgl. 8,12) und daß wir auf )lm schon im sekundären V. 11
getroffen haben, bei dem die Herkunft aus der Hand des Gerechtig-
keitsredaktors naheliegt.
23b D.h. Gott.
Die Stelle ist korrupt. BHS schlägt vor: Omax l"Bm a wyfl(f , „auf ihn Feuer
seiner Gewalt (Hitze)“,332 was sowohl inhaltlich als auch stilistisch gut
an V. 23aβ anschließt. Die Übersetzung von G: νίψαι ἐπ᾿ αὐτόν ὀδύ-
νας, deuten die Ausleger meistens als Herleitung von {yilb f x
A (wyfl(f ),
„Verderben (auf ihn)“.333

327 H. Bobzin (1974), 283ff.


328 Vgl. S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 238.
329 Siehe dazu unten, S. 89.
330 Vgl. N. Peters (1928), 223; H. Bobzin (1974), 286f.
331 So G. Beer (1895/97), 137; N. Peters (1928), 214ff.; S.R. Driver / G.B. Gray (1950), I 180;
G. Hölscher (1952), 50f.; G. Fohrer (1963a), 324ff.; A. Weiser (1980), 160; A. de Wilde
(1981), 221; M. Witte (1994), 68, und H. Strauß (2000), 24. P. Volz (1921), 59, und
O. Kaiser (2006), 39, streichen den ganzen V. 23. Ursprünglich fehlte V. 23a auch in
G.
332 Nach M. Dahood (1957), 314f.
333 Siehe A. Dillmann (1891), 187; G. Hölscher (1952), 50; G. Fohrer (1963a), 324ff.;
H. Bobzin (1974), 286; A. de Wilde (1981), 221.
Die ursprüngliche Gestalt der Zofarreden 83

25a Das Kolon ist korrupt. Vgl. G: διεξέλθοι δὲ διὰ σώματος αὐτοῦ
βέλος < )cy xl$ hwgm, die wenigstens den Parallelismus herstellt.334 Das
Wort xal$ e wird von der Paronomasie am Anfang der V. 23bα (xaL$ a y: )
und 24a (xarb : yi ) kräftig unterstützt. Das Wort hfw"G335 oder waG cj. oder w"G336 in
der Bedeutung „Rücken“ oder „das Innere“ ist ein Hapaxlegomenon.
25b |olhA ya ist des Parallelismus und Metrums wegen an das Ende des
zweiten Kolons umzustellen.337
25bβ Nach der Umstellung (wie oben, 25b) erweisen sich {yim) " wyfl(f
als eine Glosse.338
26a Wörtlich: „alle“.
Statt wyfnUP:cl i lies Ol, weil beide Worte (wyfnUP:cl
i und }Umf+) das Gleiche
bedeuten.339 Diese Konjektur wird von der Tendenz, die Kola mit Suffix
3. sing. masc. zu beenden (vgl. Ol in V. 27b) und von der durchgehend
sehr kurzen Kolonlänge (10–14 Konsonanten) in V. 24–28 unterstützt.
V. 26a enthält dann 11 statt 16 Konsonanten.
26bβ Auch die letzte Strophe ist nicht frei von Ergänzungen. Im Tri-
kolon V. 26 fällt die dritte Zeile inhaltlich und trotz des Personalsuffi-
xes am Ende der Zeile und der y-Alliteration des Metrums wegen als
überflüssig auf.340 Von den drei hier benutzten und uns schon bekann-
ten Wörtern sind zwei zwar in dieser Rede schon verwendet worden
(dyir&
f in V. 21 und h(r in V. 12), da sie aber im Hiobbuche relativ selten
sind (entsprechend vier- und fünfmal), ist ihre zweimalige in der schon
von Wortwiederholungen überfüllten letzten Strophe sehr auffallend.
Beide begegnen jedoch noch zweimal bei Zusätzen der Gerechtigkeits-
redaktion (entsprechend in 27,15 und 24,21341). Auch das Lieblingswort
der Freunde – leho) – (achtmal) ist dem erwähnten Bearbeiter nicht un-
bekannt (12,6342). Da sich bei den oben behandelten Erweiterungen der
Verdacht erhärtet hat, daß sie einer Bearbeitung entstammen, nehmen
wir vorsichtig auch an dieser Stelle eine solche Herkunft an.

334 So G. Fohrer (1963a), 326, und ähnlich H. Bobzin (1974), 287f. Vgl. J.E. Hartley (1988),
303, Anm. 23f.
335 So Ges18, 205a.
336 So KBL3, 174b.
337 So L. Hirzel (1852), 135; N.H. Tur-Sinai (1981), 319f.; A. de Wilde (1981), 222;
M. Witte (1994), 68.
338 So P. Volz (1921), 59; N. Peters (1928), 214ff.; G.R. Driver (1955), 82; M. Witte (1994),
68. Dagegen streicht G. Hölscher (1952), 50, V. 25a.bα und verbindet 25bβ mit V. 26.
E. Dhorme (1967), 303f., ergänzt V. 25bβ mit Ul:Pyi .
339 Siehe G. Hölscher (1952), 51; G. Fohrer (1963a), 326; H. Bobzin (1974), 288, u.a.
340 So auch P. Volz (1921), 59; F. Hesse (1978), 129ff.; M. Witte (1994), 68. G. Hölscher
(1952), 50, verbindet V. 25bβ mit V. 26. O. Kaiser (2006), streicht V. 26bα.β.
341 Stellen nach M. Witte (1994), 191f.
342 A.a.O.
84 Die ursprüngliche Gestalt der Freundesreden

Lies statt (ary" das Nif. Impf. (a ory" .343


28a M: Oty"B lUb:y legyi , „Ertrag seines Hauses wandert aus“, ist un-
klar; der Vorschlag von BHS344 klingt viel verständlicher und vom Pa-
rallelismus her richtiger: Oty"B lfbyf logyf .
28b Wir verstehen das Wort tOrfGni hier substantivisch in der Bedeu-
tung vom großen rinnenden Wasser.345
29a Das Wort (f$r f steht in Apposition.346 Einige Exegeten möchten
{fd)
f streichen, vgl. aber 27,13 und Prv 11,7. Auch kolometrisch wären
347

17:12 Konsonanten im Endvers erlaubt.


29b Des Parallelismus wegen ist hier yirm : $yi) statt Or:m)
i zu lesen.348

343 Vgl. BHS, G. Fohrer (1963a), 326; H. Strauß (2000), 25, u.a.
344 So auch G. Beer (1895/97), 138; G. Hölscher (1952), 51; E. Dhorme (1967), 306; G. Foh-
rer (1963a), 326; J.E. Hartley (1988), 304, Anm. 30; H. Strauß (2000), 25, u.a.
345 Mit E. Dhorme (1967), 306; so auch G. Fohrer (1963a), 327; H. Bobzin (1974), 289, u.a.
346 GK28, § 131c; G. Fohrer (1963a), 326.
347 Z.B. S.R. Driver / G.B. Gray (1950), II 143; H. Bobzin (1974), 289; J.E. Hartley (1988),
304, Anm. 31.
348 Mit G. Fohrer (1963a), 326, und A. de Wilde (1981), 223.
III. Der Aufbau und die Stilistik der Freundesreden

1. Strophengefüge und Kolometrie


Strophengefüge und Kolometrie
1.1. Der ursprüngliche strophische Aufbau

Um den Grund für die weitere Untersuchung zu legen, seien zunächst


die Ergebnisse der Literarkritik zusammengefaßt. Oben wurden fol-
gende Redeteile als sekundäre Erweiterungen ausgesondert: 1.) die der
Niedrigkeitsredaktion zugeschriebenen längeren Abschnitte 4,12–21;
15,11–16; 2.) die ganze dritte Bildadrede; 3.) der aus der Hand der Ge-
rechtigkeitsredaktion stammende Hymnus 5,9–16(17). Dazu kam 4.)
eine ganze Reihe von kürzeren Ergänzungen oder Glossen.1
Somit enthalten die Reden des Elifas in der hier vorgeschlagenen
ursprünglichen Gestalt folgende Verse:
1. ER 4,2–11; 5,1–2.6–8.18–21.23–27;
2. ER 15,2–10.17.20–24bα.25–28bα.29.30b.32–35;
3. ER 22,2–11.13–16.19–23.26–30.

Die ER erweisen sich mithin ursprünglich als wesentlich kürzer als in


ihrer überlieferten Gestalt. Sie enthalten (abgesehen von den Einfüh-
rungen des Redners) in der ersten Rede 24, in der zweiten Rede 25 und
in der dritten Rede primär 24 Bikola (gegenüber 47, 34 und 29 Bi- und
Trikola in M).
Die ursprüngliche Gestalt der BR und ZR dürfte wie folgt aussehen:
1. BR 8,2–6aα.b–8.10–14.16–22;
2. BR 18,2–3.4b.5–21;

1. ZR 11,2–5.7.10–18.19b–20;
2. ZR 20,2–9.12–15.18–22.23b–26bα.27–29.

Beide Freunde treten im Gegensatz zu Elifas nur zweimal und mit ver-
hältnismäßig kürzeren Reden auf. Daraus läßt sich entnehmen, daß der
Dichter ihnen eine weniger wichtige Rolle als Elifas zugeschrieben hat.

1 In den ER: 5,1; 5,3–5; 5,22; 15,1; 15,18f.; 15,24bβ; 15,28bβ; 15,30a.31; 22,1; 22,12; 22,17f.
22,24f.; in den BR: 8,1; 8,6aβ; 8,9; 8,15; 18,1; 18,4a; in den ZR: 11,1; 11,6; 11,8f.; 11,19a;
20,1; 20,10f.; 20,16f.; 20,23a; 20,26bβ.
86 Der Aufbau und die Stilistik der Freundesreden

Die BR enthalten 19 und 20 Bikola (gegenüber 22 und 21 Bi- und Triko-


la) und die ZR 16 und 24 Bikola (gegenüber 19 und 28 Bi- und Trikola
in M). Der Vergleich zeigt, daß sich die ZR mit ihrer auffällig alternie-
renden Länge deutlich von den BR und ER mit ihrem gleichmäßigen
Aufbau abheben.2
Die oben festgestellte Strophenteilung der ursprünglichen ER sei
nun in Form einer Tabelle vergegenwärtigt (in der letzten Spalte die
Zahl der Bikola pro Strophe):3

I II III IV V VI
1. 4,2–6 7–11 5,1f.6f. 8.18–21 23–27 – 5+5+4+5+5
2. 2–6 7–10.17 20–24bα 25–29* 30b.32–35 – 5+5+5+5+5
3. 2–5 6–9 10f.13f. 15f.19f. 21–23.26 27–30 4+4+4+4+4+4

Wie aus dem Schema deutlich hervorgeht, sind die ER durchgehend


aus vier oder fünf Bikola enthaltenden Strophen aufgebaut, mit nur
einer Ausnahme in der Mittelstrophe der ersten Rede.4 Dabei läßt der
Dichter Elifas absichtlich in der dritten Rede von den fünf Bikola ent-
haltenden Strophen in den vorausgehenden Reden zu aus vier Bikola
bestehenden Strophen übergehen, um auf diese Weise den inzwischen
eingetretenen Stimmungsumschwung und das dadurch bedingte er-
höhte Sprechtempo anzudeuten.
Die Strophengliederung der BR sieht aus wie folgt:5

I II III IV V
1. 2–5 6aα.b–8.10 11–13 14.16–18 19–22 4+4+3+4+4
2. 2–3.4b–6 7–11 12–16 17–21 – 5+5+5+5

2 Da es sehr schwierig ist, bei den aneinandergereihten Bildern zu entscheiden, ob sie


sämtlich ursprünglich sind, läßt sich die hier vorgelegte Rekonstruktion der zweiten
ZR mit ihrer augenfälligen Länge nicht mit Sicherheit verteidigen.
3 Unter Strophen verstehen wir die wiederkehrenden gleich oder ähnlich proportio-
nierten Teile einer Dichtung (ähnlich K. Seybold [2003], 191), die sich ihrerseits in die
Unterstrophen teilen lassen. Im englischen Sprachraum wird poem oder canto in die
stanzas oder canticles und diese ihrerseits in die strophes gegliedert (entsprechend z.B.
W.G.E. Watson [1984], 160ff. und P. van der Lugt [1995], 537; [2006], 571). Merke,
daß diese Strophen- und Unterstrophenteilung zusätzlich durch zahlreiche stilisti-
sche Figuren unten (siehe 2 und 3), begründet wird. Zu den Grundsätzen der Stro-
phengestaltung siehe K. Seybold, a.a.O.
4 Das setzt voraus, daß unsere Entscheidung, die Verse 5,3–5 als sekundär zu beurtei-
len, sachgemäß ist; siehe dazu oben, S. 26f.
5 Es sei an dieser Stelle auf die beispielhafte stilistische Analyse von Hi 18 in
W.G.E. Watson (1984), 373–378, hingewiesen.
Strophengefüge und Kolometrie 87

Die ZR lassen sich wie folgt gliedern:

I II III IV V VI
1. 2–5 7.10–12 13–16 17–18.19b–20 – – 4+4+4+4
2. 2–5 6–9 12–15 18–21 22–25* 26–29* 4+4+4+4+4+4

Der Dichter legt Bildad in seiner zweiten Rede umfangreichere bildhaf-


te Kompositionen in den Mund und geht dabei im Gegensatz zu den
ER von vier zu fünf Bikola enthaltenden Strophen über. Zofar läßt er
hauptsächlich traditionelle Bilder aneinanderreihen, die er durchge-
hend in vier Bikola enthaltende Strophen gliedert. Eine Sonderstellung
nimmt die erste BR wegen ihrer Wiederholung des aus der ersten ER
bekannten Phänomens einer kürzeren Mittelstrophe (8,11–13) ein. Auf
diese Weise will der Dichter die besondere Bedeutung der hier themati-
sierten Weisheit der Väter hervorheben.
Betrachtet man die Strophen genauer, so fällt auf, daß alle 16 Stro-
phen der ER in der Regel aus zwei Unterstrophen bestehen, die norma-
lerweise dem Schema 2+3 oder 3+2 folgen:6

I II III IV V VI
1. 3+2 3+2 2+2 2+3 4+17 –
2. 2+3 2+3 2+3 2+3 3+2 –
3. 2+2 2+2 2+2 2+2 2+2 2+2

Die einzige Ausnahme (eine sich in 4+1 Bikola gliedernde Strophe) be-
endet die erste ER. Dabei bildet 5,27 das Summary appraisal und ist (wie
sich unten mehrfach zeigen wird) dem Geiste der Hiobdichtung ange-
messen.8 Die Endstrophe der zweiten ER mit ihrer umgekehrten Unter-
strophengliederung von 3+2 Bikola steht im Gegensatz zu der üblichen
von 2+3 Bikola und ist daher als gewollte Abweichung zu verstehen.
Mithin lassen sich die Schlußstrophen der beiden ersten Reden poeto-
logisch als ihre Pointen bezeichnen, wie es den üblichen Techniken der
hebräischen Dichtungskunst entspricht.9

6 Vgl. die Gliederungen von P.W. Skehan (1971), 99.108.110, und P. van der Lugt
(1