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Identität
Wesen zu r Vollendung (einer eigenen Reaktionen tudic und icin Verhalten dazu neigt,
sich den anderen a b Teil der eigenen U n v e it z a erhalten. Das tattädilidie Verhalten
der anderen oder der anderen wird nidtt im Einzelnen a b Teil (eines eigenen V er
hallen! ansgelöst. [MS)
Setzung unserer Rede. Was wir sagen und was w ir tun. werden,
finden w ir heraus, indem w ir etwas sagen und etwas tun, und in
diesem Prozeß kontrollieren wir ständig diesen Prozeß selbst. In
der Oberm ittlung von Gesten löst das von uns Gesagte bestimmte
Reaktionen bei anderen Menschen aus, <und d al wiederum, ver
ändert unsere eigenen Handlungen, so daß w ir unsere begonne
nen Handlungen aufgrund der A n tw ort der anderen abwandeln.
D ie Übermittlung von Gesten ist der Anfang der Kommunika
tion. D er Einzelne beginnt damit, sich selbst Gesten aufzuzeigen.
E r sagt etwas, das wiederum eine bestimmte Antw ort in ihm
selbst auslöst, die ihn dazu veranlaßt, seine Rede zu ändern. Man
beginnt eine Unfreundlichkeit zu sagen, aber gleich zu Beginn
merkt man, daß es grausam ist. D ie Wirkung des Gesagten auf
den Sprecher selbst hält diesen zurück; hier handelt es sich um
eine Übermittlung von Gesten zwischen dem Einzelnen und ihm
selbst. U nter sinnvoller Sprache verstehen wir, daß die Handlung
so beschaffen ist, daß sie den Einzelnen selbst beeinflußt, und daß
die W irkung auf den Einzelnen Teil der intelligenten Abw iddung
des Gespräches mit anderen ist. N un trennen w ir sozusagen diese
gesellschaftliche Phase ab und ignorieren sie für den Augenblick,,
um zur eigenen Identität so zu sprechen, als sprächen w ir zu einer
anderen Person.1
Dieser Abstraktionsprozeß kann nicht in alle Ewigkeit weiter
geführt werden. Man sucht immer eine Zuhörerschaft, muß sich
4 D ie Einheit des Geistes ist mit der Einheit der Identität nidic identisdi. D ie Einheit
der Identität erwächst aus der Einheit des gesamten gesellschaftlichen Verhaltens- und
Erfahrungsmusters, das sich auf den Einzelnen au tvirkt und in der Struktur der
Identität spiegelt. Viele der Aspekte oder Merkmale dieses Verhaltensmnstert «erden
jedoch nicht bewußt erfahren, so daß die Einheit des Geistes gewissermaßen eine
Abstraktion der umfassenderen Einheit der Identität ist.
iM
19. D er Hintergrund der Entstehung der Identität
5 Denken vollzieht »ich im Rahmen oder mit H ilfe von Allgemeinbegriffen« Ein
Allgemeines kann behavioristisdi einfach als gesellschaftliche Handlung als Ganze auf-
gefaEt werden« bei der die Organisation und die Wechselwirkungen der Haltungen
aller von der Handlung betroffenen Individuen im Spiele sind» die offenbaren Re
aktionen kontrollierend. Diese Organisation der verschiedenen individuellen H altun
gen und Wechselwirkungen in der jeweiligen gesellschaftlichen Handlung, so wie sie
von den einzelnen Individuen selbst verwirklicht werden, bezeidxnen w ir als eia^fiU*
ßfmertres; ei definiert die rarigAKA^A-mid-offenharen Reaktionen der von der je
weiligen gesellschaftlichen Haodlung.crf*&cen Individuen, gleichgültig ob diese Hand*
lung nun ein konkretes Projekt (wie beispielsweise die Beziehung von physikalischen
IS S
sagen, was absolut partikulär wäre; alles, was sinnvoll gesagt
wird, ist allgemein. Man sagt etwas, das bei allen anderen eine
ganz bestimmte Reaktion auslöst, vorausgesetzt, daß das Symbol
in der Erfahrung aller, anderen ebenso, w ie für uns existiert. Es
gibt die Sprache der W orte und die Sprache der Gdsten, vielleicht
auch die Sprache des Mienenspiels. M an kann Sorge oder Freude
zeigen und dadurch bestimmte Reaktionen auslösen. Einige pri
m itive Volker können kom plizierte Gespräche ausschließlich mit
H ilfe des Mienenspiels abwickctn. Sogar in diesem Fall w ird die
mitteilcnde Person von ihrem Mienenspiel ebenso beeinflußt, wie
sie es von anderen erwartet. D enken.setzt immer. ein Symbol
voraus, das im anderen die gleiche Reaktion w ieJm D enkenden
hervorruft. Ein solches Symbol ist ein Allgemeines; es ist allge
mein in seiner N atur. W ir nehmen immer an, daß das von uns
verwendete Sym bol in der anderen Persom dieg]eiche.Reaktion
auslöst, vorausgesetzt, daß es ein Teil ihres Verhaltensmecha
nismus ist. Sagt eine Person etwas, so sagt sie zu sich selbst, was
sic zu den anderen sagt; andernfalls w üßte sie nicht, worüber
sie spricht.
Im Gespräch m it anderen gibt es natürlich sehr viel, was in der
eigenen Identität nicht die gleiche Reaktion auslöst w ie bei an
deren. D as gilt besonders fü r emotionelle H altungen. M an ver
sucht einen anderen zu bedrohen, nicht aber sich selbst. Auch in
der Rede gibt es viele Werte, die nicht symbolischer N atur sind.
D er Schauspieler kennt diese Werte genau; wenn er eine gewisse
H altung entnimmt, so ist er sich der Tatsache bewußt, daß diese
H altung Trauer ausdrückt. E r ist dann in der Lage, a u f seine
eigene Geste so w ie sein Publikum zu reagieren. Aber das ist keine
natürliche Situation; man ist nicht immer Schauspieler. Manchmal
betätigen w ir uns als Schauspieler und denken darüber nach, was
die W irkung unserer H altung sein w ird; w ir können absichtlich
m e n bestimmten lö n fa ll verwenden, um ein bestimmtes Ergeb
nis zu erzielen. Ein solcher Io n löst in uns selbst die gleiche R e
aktion aus, w ie w ir sie bei einem anderen auslösen möchten. Aber
ein großer Teil von dem, was in der Sprache vorgeht, hat nicht
diesen symbolischen Status.
und gesellschaftlichen Mitteln zur Erreichung e in « gewünschten Z iel« ) oder eine rein .
abstrakte Diskussion, etw a die RelativitStsthcorie oder die platonischen Ideen, betrifft.
Es ist nicht nur die Aufgabe des Schauspielers, sondern auch die
des Künstlers, jene Ausdrucksweise zu finden, die in anderen die
gleichen Gefühle auslöst. D er L yriker hat eine Erfahrung der
Schönheit in Verbindung mit einer emotionellen Erregung, und als
Künstler, der 'Wörter verwendet, sucht er nach jenen Wörtern,
die seinen emotionellen Haltungen entsprechen und die in ande
ren die eigenen Haltungen hcrvorrufen werden. Er kann das Er
gebnis nur an sich selbst prüfen, indem er herauszufinden ver
sucht, ob diese Wörter in ihm die Reaktion auslösen, die er in
anderen auszulösen wünscht. Er ist etwa in der gleichen Situation
w ie der Schauspieler. D ie erste, direkte und unmittelbare Erfah
rung ist nicht in der Form der Kommunikation gegeben. Ein L y
riker, Wordsworth, der sehr an der Technik des dichterischen
Ausdrucks interessiert w ar, w a rf darauf ein interessantes Licht;
er beschrieb uns in seinen Einleitungen und auch in seinen eigenen
Gedichten, wie seine Gedichte entstanden - immer w a r die Er
fahrung selbst nicht der unmittelbare Anreiz zum dichterischen
Ausdruck. Zwischen der ursprünglichen Erfahrung und ihrem
Ausdruck konnte ein Zeitraum von zehn Jahren liegen. Dieser
Prozeß des Suchens nach dem sprachlichen Ausdruck, der die
Gefühle von einst wieder auslöst, fa llt leichter, wenn man sich
mit der Erinnerung an sie befaßt, als wenn man inmitten der
tranceartigen Erfahrungen steht, durch die W ordsworth in seiner
Kommunikation mit der N atu r hindurchging. M an m uß experi
mentieren und herauszufinden versuchen, w ie der jew eilige Aus
druck den Reaktionen entspricht, die in der schon blassen Er
innerung an jene Erfahrung aufgehoben sind. Es sagte einmal
jemand, das Verfassen von Gedichten bereite ihm große Schwie
rigkeiten ; er habe genug Ideen, doch nicht die notwendige Sprache.
M it Recht machte man ihn d arauf aufmerksam, daß Gedichte mit
Wörtern, nicht m it Ideen geschrieben werden.
Ein G roßteil dessen, was w ir sagen, hat keine solchen ästhetischen
Werte; meistens fühlen w ir nicht bew ußt die von uns ausgelösten
Gefühle. Normalerweise verwenden w ir keine Sprachreize, um
in uns die gleichen emotionellen Reaktionen w ie in anderen aus
zulösen. Man hat in emotionellen Situationen natürlich Sym
pathiegefühle; doch sucht man dabei im anderen letztlich das, was
die eigene Erfahrung unterstützt. Im Falle des D ichten und
190
Schauspielers löst zw ar der Reiz im Künstler das gleiche aus wie
im anderen, doch das ist nicht die natürliche Funktion der Sprache.
'Wir nehmen nicht an, daß eine zornige Person in sich selbst che
Angst auslöst, die sie bei einem anderen auslöst. D er emotionelle
Teil unserer Handlung löst in uns nicht junmittdlbar die gleiche
Reaktion aus w ie bei anderen. Ist jemand feindselig eingestellt,
so erkennt er die H altung des anderen, für die er sich interessiert
und die sich ganz natürlich aus seinem zornigen Tonfall ergibt,
nicht definitiv in sich selbst. Wir etscfazecken~nicht-durd t einen
Ton; den w ir .dazu verwenden, einen anderen zu erschredccn. Im
emotionellen Bereich, der einen großen Teil der vökäleiTGesten
um faßt, lösen w ir nicht in dem M aße die Reaktion der anderen
auch in uns selbst aus, w ie das beim sinnvollen Sprechen der Fall
ist: hier sollten wir wirklich in uns jene Reaktion auslösen, die
w ir in den anderen auslösen; w ir müssen jinssen, was w ir jagen,
und die Haltung des anderen, die w irln uns selbst auslösen, sollte
das von uns Gesagte kontrollieren. Rationalität bedeutet, daß
die von uns in anderen ausgclöste Reaktion ebenso in uns selbst
ausgclöst wird, und daß diese Reaktion wiedenim ihre Rolle bei
der Bestimmung dessen spielt, was w ir des weiteren zu sagen und
zu tun gedenken.
Entscheidend für die Kommunikation ist, daß das Symbol in der
eigenen Identität das gleiche wie im anderen Individuum auslöst.
Es muß die gleiche Universalität für jede Person aufweisen, die
sich in der gleichen Situation befindet. Sprache ist immer dann
möglich, wenn ein R eiz ein Individuum so wie ein anderes beein
flussen kann. Bei einem blinden Menschen wie Helen Keller han
delt cs sich um eine Kontakterfahrung, die einem anderen ebenso
w ie ihr selbst übermittelt werden könnte. Aus dieser A r t von
Sprache entwickelte sich der Geist Helen Kellers. W ie sie richtig
erkannte, gelang es ihr erst, als sie mit anderen Personen durch
Symbole in Verbindung treten konnte, die in ihr selbst die glei
chen Reaktionen w ie in den anderen auslösten, einen geistigen
Inhalt oder eine Identität zu entwickeln.
Andere wichtige Faktoren für die Entwicklung der Identität fin
den w ir in der Tätigkeit desS p ielens.-'
W ie schon erwähnt, wurde bei primitiven Völkern die notwen
dige Unterscheidung zwischen Identität und Organismus mit
H ilfe des sogenannten »Doppelgängers« getroffen: der Einzelne
hat eine dinghafte Identität, die von ihm ebenso beeinflußt w ird,
w ie sie andere Personen beeinflußt, und die sich vom unmittel
baren Organismus dadurch unterscheidet, daß sie den K örper
verlassen und wieder in ihn zurückkehren kann. H ier stoßen w ir
auf die Grundlage der Auffassung von der Seele als einer Wesen
heit fü r sich.
Bei K in dern finden w ir etwas, das diesem Doppelgänger ent
spricht, nämlich die unsichtbaren, durch die Phantasie geschaffe
nen Spielgefährten, die sehr viele K inder in ihrer eigenen Erfahr
rung_grz£ugen. A u f diese Weise organisieren sie Reaktionen, die
sie bei anderen Personen, aber auch in sich selbst hervorrufen.
Natürlich ist dieses Spielen m it einem durch die Phantasie ge
schaffenen Spielgefährten nur eine besonders interessante Phase
des gewöhnlichen Spiels. Spiel in diesem Sinne, insbesondere in
dem Stadium, das den organisierten Wettkämpfen vorausgeht,
ist nachahipendcs Spiel. E in K in d spielt »Mutter«, »Lehrer«.
»Polizist«; w ir sagen, daß es verschiedene Rollen einnimmt. Beim
sogenannten Spiel der Tiere stoßen w ir a u f etwas Ähnliches:
eine K a tze spielt mit ihren Kätzchen, Hunde spielen miteinander.
Z w ei miteinander spielende H unde greifen an und verteidigen
sich in einem Prozeß, der im Falle der Verwirklichung zu einem
tatsächlichen K am pf führen würde. Es gibt eine Kom bination
von Reaktionen, die die l i e f e der Bisse kontrolliert. In einer sol
chen Situation nimmt jedoch der H und keine definitive Rolle in
dem Sinne ein, wie ein K in d absichtlich die Rolle eines anderen
spielt. W ir nützen diese Tendenz der Kinder bei unserer Arbeit
im Kindergarten, w o die von den Kindern eingenommenen R ol
len die Grundlage für ihre Ausbildung darstellen. Wenn ein K in d
eine Rolle einnimmt, hat es in sich selbst den Reiz, der diese be
stimmte Reaktion oder G ruppe von Reaktionen auslöst. Es kann
natürlich so w ie der H und weglaufen, wenn es gejagt wird, oder
kann sich wie der H und im Spiel umdrehen und Zurückschlagen.
Doch ist das nicht das gleiche w ie nachahmendes Spiel. Kinder
rotten sich zusammen, um »Indianer« zu spielen. D as bedeutet,
daß das K in d eine ganze Gruppe von R eizen in sich hat, die in
ihm-selbst die gleichen Reaktionen w ie m anderen "äüslösen und
die einem Indianer entsprechen. Während der Spielperiode nützt
«9*
das K in d seine eigenen Reaktionen auf diese Reize, um eine Iden-
titä t.zu .entwickeln. D ie Reaktion, zu*der es neigt, organisiert
diese Reize, auf die es reagiert. Es spielt zum Beispiel, daß es sich
etwas anbietet, und kauft es; es gibt sich selbst einen Brief und
trägt ihn fort; es spricht sich selbst a n - al^ Eltem(eil, als Lehrer;
es verhaftet sich selbst - a b Polizist. Es hat in sich Reize, die in I
ihm selbstd ie gleiche Reaktion ausläsen w ie in anderen. Es nim m t!
diese Reaktionen und organisiert sie zueinentGanzen. Das ist d ie \
einfachste A r t und Weise, w ie man sich selbst gegenüber ein an*
dszenseinJcann. Sie im pliziert eine zeitliche Situation. Das K in d ■,
sagt etwas in einer Eigenschaft und reagiert in einer anderen, j
w orauf dann seine Reaktion in der zweiten Eigenschaft ein R eiz !
für es selbst in der ersteren Rolle ist, und so geht der Auftausch \
weiter. So entwickelt sich in ihm und in seiner anderen, antwor- 1
tenden Identität eine organisierte Struktur. Beide Identitäten
pflegen einen D ialog m it H ilfe von Gesten.
Wenn w ir ein solches Spiel m it der Situation in einem organisier
ten Spiel, einem W ettkam pf vergleichen, erkennen w ir den ent
scheidenden Unterschied: D as spielende K ind muß hier bereit
sein, die H altung aller in das Spiel eingeschalteten Personen zu /
übernehmen, und diese verschiedenen Rollen müssen eine defini- V
tive Beziehung zueinander haben. Nehmen wir rin so einfaches' *
organisiertes Spiel w ie das Versteckspiel: alle mit Ausnahme der
einen sich versteckenden Person sind Jäger. Das K ind benötigt
nicht mehr Haltungen als die der gesuchten Person und der su
chenden Person. Spielt rin K in d im ersteren Sinn, so spielt es ein
fach vo r sich hin, ohne daß dabei eine grundlegende Organisation
erreicht würde. In diesem frühen Stadium wechselt es von einer
Rolle zur anderen je nach Laune. In einem Wettspiel mit mehre
ren Personen aber muß das Kind, das eine Rolle übernimmt, die
R o lle aller anderen Kinder übernehmen können. Macht es beim ¡'
Baseball einen bestimmten W urf, so muß es die Reaktionen jeder I
betroffenen Position in seiner eigenen Position angelegt haben. Es I
m uß wissen, was alle anderen tun werden, um sein eigenes Spiel
erfolgreich spielen z u können. Es muß alle diese Rollen einneh
men. Sie müssen zw ar nicht alle gleichzeitig imBewüßtsein präsent
sein, doch muß es zu gewissen Zeitpunkten drei oder vier ver
schiedene Spieler in der eigenen Haltung präsent haben, beispiels-
weise den Werfer, den Fänger usw. Diese Reaktionen müssen in
gewissem Ausmaß in der 'eigenen Handlung präsenT^ein. Im
Wettspiel gibt es also Reaktionen der anderen, die so organisiert
sind, daß die Haltung des einen Spielers die passende H altung
des anderen auslöst.
] Diese Organisation ist in der Form von Spielregeln niedergelegt.
i K inder interessieren sidi sehr für Regeln. Sie semmen sich spontan
ihre eigenen Regeln, um Schwierigkeiten z u vermeiden. E in Teil
der Freude am Wettspiel besteht darin, diese Regeln zu begreifen.
D ie Regeln sind also eine G ruppe von Reaktionen, die eine be
stimmte H altung auslösen. M an kann eine bestimmte R eaktion
von anderen fqrdern, wenn man selbst eine bestimmte H altung
einnimmt. A lle diese Reaktionen sind auch in einem selbst. H ier
haben w ir also eine organisierte Gruppe von Reaktionen, die
kom plizierter ist als die Rollen des einfachen Spiels, w o es nur
eine Folge von Reaktionen gibt, die nacheinander ablaufen. In
diesem frühen Stadium hat das K ind noch keine vo ll entwickelte
Identität. Es reagiert zw a r recht intelligent auf die unmittelbar
.einwirkenden Reize, sie sind aber nicht organisiert. Es organisiert
■’sfinJ.ehpn noch nicht auf die-von uns gewünschte Weise, nämlich
/ als einJGanzeSrEs gibt nur eine Gruppe von Reaktionen in Form
des Spieles. Das K ind reagiert a u f einen bestimmten Reiz, die in
anderen hervorgerufene Reaktion liegt in ihm selbst, aber es
hat noch keine ganze Identität. Im Wettspiel muß es diese.Rollen
organisieren, sonst kann es nicht daran teilnehmen. D as Wettspiel
repräsentiert im Leben des Kindes den O beigang von der spiele-
I rischen Übernahme der R olle anderer zur organisierten R olle, die
' f ü r das Idenmätsbewußtsein.im yollen Wortsinn entscheidend ist.
8 W ir sagten, daß das innere Gespräch des Einzelnen mit sich selbst m it H ilfe von
Wörtern oder signifikanten Gesten - das Gespräch, das den Prozeß oder die Tätig*
keit des Denkens auslöst - vom Einzelnen vom Standpunkt des »verallgemeinerten
Anderen« aus abgewidcelt wird. Je abstrakter dieses Gespräch ist, desto abstrakter
w ird auch das Denken sein, desto weiter entfernt der verallgemeinerte Andere von
jeder Verbindung mit bestimmten Individuen. Besonders beim abstrakten Denken,
beißt das, w ird das betreffende Gespräch vom Einzelnen mit dem verallgemeinerten
Anderen und nicht mit irgendeiner bestimmten Person abgehalten. Daher werden z . B.
abstrakte Begn & e.jin .JC n blid c a u f die Haltungen der gesamten gcseUsduUUiAen
Gruppe oder Gemeinschaft gebildet, und zw ar au f d er Grundlage des Bcwußttetnides
Em zdhen von den Haltungen des verallgemeinerten Anderen ihm gegenüber, d. h. als
eSTErgcbnu der Tatsache, daß der Einzelne diese Haltungen des verallgemeinerten
Anderen übernimmt und dann au f sic reagiert. U nd deshalb werden auch abstrakte
Sätze in einer Form aufgesteUt, die jeder - jedes andere intelligente Wesen - akzep*
tieren wird.
tcn gesellschaftlichen Haltungen der jeweiligen gesellschaftlichen
Gruppe oder Gemeinschaft (oder eines ihrer Teile) gegenüber den .
gesellschaftlichen Problemen ein, die sich dieser Gruppe oder Ge
meinschaft zum jeweiligen Zeitpunkt stellen und die im Zusam
menhang mit den verschiedenen gesellschaftlichen(Projekten oder
organisierten kooperativen Unternehmen erwachsen, mit denen
sich die Gruppe oder Gemeinschaft beschäftigt. A ls einzelner Teil
nehmer an diesen gesellschaftlichen Projekten oder kooperativen
Unternehmen regelt er sein eigenes Verhalten dementsprechend.
In der P olitik identifiziert sich der Einzelne zum Beispiel mit i
einer ganzen politischen Partei und übernimmt die organinerten i
Haltungen der Gesamtpartei gegenüber der übrigen Gemeinschaft /
und gegenüber den Problemen, die sich der Partei innerhalb der ;
jeweiligen gesellschaftlichen Situation stellen. In der Folge han- !
delt oder reagiert er im Sinne der organisierten Haltungen der ;
Partei als Ganzer. E r tritt somit in eine spezifische Gruppe ge
sellschaftlicher Beziehungen zu allen anderen Individuen ein, die
dieser politischen Partei angehören; ebenso tritt er auch in ver
schiedene andere gesellschaftliche Beziehungen zu verschiedenen
anderen Gruppen von Individuen ein, und die Individuen dieser
Gruppen sind die anderen Mitglieder einer der verschiedenen or
ganisierten Untergruppen (nach der gesellschaftlichen Funktion
bestimmt), denen er selbst als Mitglied der jeweiligen Gesamt
gesellschaft oder Gemeinschaft angchört. In den am meisten ent
wickelten, organisierten und komplexen Gemeinschaften - wie
sie vom zivilisierten Menschen entwickelt wurden - sind diese
verschiedenen gesellschaftlich-funktionalen Klassen oder Unter
gruppen von Einzelmenschen, denen jeder Einzelne angehört
(und m it deren anderen Mitgliedern er somit besondere gesell
schaftliche Beziehungen eingeht), von zweierlei A r e Einige an d
konkretegesellschaftlidieKlassen oder Untergruppen w ie poli
tische Parteien, Klubs und Korporationen, die alle tatsächlich
funktionale gesellschaftliche Einheiten darstellen, in deren Rah
men die einzelnen M itglieder direkt miteinander verbunden sind.
D ie anderen sind abstrakte gesellschaftliche Klassen qder Unter
gruppen, w ie die Gruppe der Schuldner und die der Gläubiger, in
denen die einzelnen M itglieder nur mehr oder weniger indirekt
miteinander verbunden sind und die nur mehr oder weniger in-
direkt als gesellschaftliche Einheiten funktionieren, die aber un
begrenzte Möglichkeiten eröffnen, die gesellschaftlichen Bezie
hungen zwischen allen Mitgliedern der jeweiligen Gesellschaft als
eines organisierten und einheitlichen Ganzen zu erweitern, zu be
reichern und zu vertiefen. D ie jeweilige Mitgliedschaft des Einzel
nen in mehreren dieser abstrakten gesellschaftlichen Klassen oder
Untergruppen ermöglicht es ihm, bestimmte gesellschaftliche Be
ziehungen (wie indirekt diese auch sein mögen) m it fast unbe
grenzt vielen anderen Individuen zu unterhalten, die dien falls zu
der einen oder anderen Klasse oder Untergruppe gehören; diese
reichen über die funktionalen Begrenzungslinien hinaus, welchedie
verschiedenen menschlichen Gruppen voneinander trennen, und
schließen Mitglieder mehrerer (in manchen Fällen aller) dieser
Gemeinschaften ein. U nter diesen abstrakten gesellschaftlichen
Klassen oder Untergruppen menschlicher Wesen ist natürlich die
i durch das logische Universum (oder das System universal signi
fik a n te r Symbole) definierte die umfassendste und größte. Sie
w ird durch die’ Teilnahme'und das kom munikative Zusammen
spiel der Individuen bestimmt; unter allen Klassen oder Unter
gruppen ist sic diejenige, die au f die größte Zahl von Mitgliedern
Anspruch erheben kann und die es der größtmöglichen Zahl
menschlicher Wesen erlaubt, in eine bestimmte gesellschaftliche
Beziehung, w ie indirekt oder abstrakt diese auch sein mag, zuein
ander einzutreten - eine Beziehung, die aus der universalen Funk
tio n der G esten a b signifikanter Symbole im allgemeinen gesell
schaftlichen Prozeß der Kommunikation hervorgeht.
Ich verw ies bereits darauf, daß es bei der vollständigen Entwick
lung der Identität zw ei allgemeine Stadien gibt. Im ersten bildet
1sich d ie Identität des Emzelneneinfach durch eine Organisation
/ der besonderen Haltungen der anderen ihm selbst gegenüber und.
I zueinander in den spezifischen gesellschaftlichen Handlungen, an
| denen er m it diesen teilhat. Im zweiten Stadium dagegen w ird die
Identität des Einzelnen nicht nur durch eine Organisation dieser
besonderen individuellen H altungen gebildet, sondern auch durch
eine Organisation der gesellschaftlichen Haltungen des verallgc-
! m einm en Anderen oder der gesellschaftlichen G ruppe als Gan
z e r . Diese gesellschaftlichen oder Gruppcnhaltungen werden in
\detT3 irekten Erfahrungsbereich des Einzelnen.gebracht und als
Elemente in die Struktur der eigenen Identität .ebenso eingefügt 1
wie die Haitungen d iff^ d ere n . D er Einzelne erarbeitet sie sich, |
indem er die Haltungen bestimmter anderer Individuen im H in
blick a u f ihre organisierten gesellschaftlichen Auswirkungen und .
Implikationen w eiter organisiert und danji verallgemeinert. So
entwickelt sich die Identität, indem sie diese individuellen H a l
tungen anderer in die organisierte gesellschaftliche oder Gruppcn-
haltung hereinbringt und damit zu einer individuellen Spiege
lung der allgemeinen, systematischen Muster des gesellschaftlichen
oder Gruppenverhaltens w ird, in die sie und die anderen Identi
täten eingeschlossen sind - ein Muster, das als G anzesjn dieJEr-
fahrune des Einzelnen eintritt nach Maßgabe^dieser organisierten
Gruppenhaltungen, die er, durch .den. Mechanismus seines Zen
tralnervensystems, genauso gegenüber sich selbst einnimmt, wie
er die imlividuellen Haltungen anderer einnimmt.
D er W ettkam pf hat eine Logik, durch die eine derartige Organi
sation der Identität möglich wird: es gilt, ein bestimmtes Ziel zu
erreichen; die Handlungen der einzelnen Personen sind alle im
Hinblick auf dieses Ziel miteinander verbunden, so daß sie nicht
miteinander in Konflikt geraten; in der Haltung des Mitspielers
befindet man sich nicht im K onflikt mit sich selbst Wenn man
die H altung des Werfers in sich hat, kann man auch mit dem
Fangen des Balles reagieren. Beide Aktionen sind miteinander
verbunden und fordern das Ziel des Spieles. Sie sind au f eine
einheitliche, organische Weise miteinander verknüpft. Es besteht
also eine definitive Einheit, die in die Organisation anderer Iden
titäten eingeführt wird, wenn w ir das Stadium des Wettkampfes
erreichen, im Gegensatz zum einfachen $piel, wo es nur eine Folge
von verschiedenen Rollen gibt, - eine Situation, die natürlich für
die Persönlichkeit des Kindes charakteristisch ist. Das K in d ist
im einen Moment dieses, im anderen jenes. Was es in diesem
Moment ist, entscheidet nicht darüber, w as es im nächsten Mo
ment sein wird. Das macht sowohl den Charme als auch die
Mängel der Kindheit aus. Man kann sich nicht auf das K ind ver
lassen; man kann nicht annehmen, daß alle seine Aktionen die ]
darauffolgenden A k tfapen h«timm<-n mi-rilm F< i«r njrht jfl ein |
G anzes organisiert. Das K in d hat keinen definitiven Charakter, -l
keine definitiyePerwnlichkeit. '
D er Wettkampf ist also ein Beispiel für die Situation, aus der
heraus sich eine (Organisierte Persönlich Reit entwickelt. Insoweit
das K ind die Haltungen anderer einninunt und diesen Haltungen
erlaubt, seine Tätigkeit im Hinblick au f das gemeinsame Ziel zu
bestimmen, w ird es zu einem organischen G lied der Gesellschaft.
Es übernimmt die Moral dieser Gesellschaft und w iril'zu ihrem
Mitglied. Es gehört ihr insofern an, als es den von den anderen
übernommenen Haltungen erlaubt, seinen eigenen unmittelbaren
A u sdruck zu kontrollieren. H ier haben w ir also eine A r t von
^ ^ n isie rtm T P ro ze ß r Was im Rahmen des W ettkam pfes ausge-
driickTwird, w ird natürlich ständig im gesellschaftlichen Leben
des Kindes ausgedrückt, doch geht dieser umfassendere Prozeß
über die unmittelbare Erfahrung des Kindes hinaus. D ie Wichtig
keit des Wettkampfes besteht darin, d a ß er gänzlich innerhalb
der Erfahrung des Kindes liegt, und die W ichtigkeit unserer mo
dernen Erziehungsmethoden erklärt sich daraus, d aß sie so w eit
wie möglich in diesen Bereich hereingebracht werden. D ie ver
schiedenen von einem K in d angenommenen Haltungen sind so
organisiert, daß sic eine definitive K ontrolle über seine Reaktion
ausüben, so w ie die Haltungen in einem W ettkam pf seine un
mittelbare Reaktion kontrollieren. Im W ettkam pf haben w ir
ein organisiertes Anderes, ein verallgemeinertes Anderes, das
im Wesen des Kindes selbst begründet ist und seinen Ausdruck
in der unmittelbaren Erfahrung des Kindes findet. Diese orga
nisierte Tätigkeit in des Kindes eigener N atu r kontrolliert die
besondere Reaktion, die ihm Einheit verleiht und seine Identität
aufbaut.
(Was sich im W ettkam pf abspielt, spielt sich im Leben des Kindes
ständig ab. E sn im m tständigulie Haltungen der es umgebenden
PejsQn£a_cin,' insbesondere dieJR.ollen_jener, .die es.beeinflussen
oder von,dencn_M abhängig ist. Zuerst erfa ß t es die Funktion des
Prozesses in abstrakter Form. Es wechselt vom Spiel zum eigent
lichen W ettkam pf über. Es muß m it den anderen mitmachen. D ie
M oral des Wettkampfes durchdringt das K in d tiefer als die um
fassendere M oral der ganzen Gemeinschaft. D er W ettkam pf, in
den das K in d eintritt, drückt eine gesellschaftliche Situation aus,
in die es ganz rintauchen kann; seine M oral kann sich stärker aus
wirken als die der Familie oder der Gemeinschaft, in der das K ind
lebt. Es gibt alle möglichen gesellschaftlichen Organisationen, eini
ge von ihnen ziemlidi dauerhaft, andere kurzfristig, in die das
K ind eintritt und in denen es eine A r t gesellschaftlichen Wett-
kagjpfjpitm acht. Das ist eine Periode, in der es »dazueehtfren«
w ill; es tritt ständig in Organisationen ein ; die zu*bestehen be- -
ginnen und sich wieder auflosen. Es w ird Jemand, der in einem
organisierten Ganzen funktionieren kann, und neigt daher dazu,
sidi in seiner Beziehung zu der Gruppe, der cs angehört, zu
bestimmen. Dieser Prozeß ist ein auffälliges Stadium in der
Entwicklung der kindlichen Moral. Er macht das K in d zum be
wußten M itglied seiner Gemeinschaft. _ ____ _____________ ^
D as ist der Prozeß, durch den sich eine Persönlichkeit entwickelt.)
Ich sprach von ihm als einem Prozeß, in d em das Kind die Rolle
der anderen einnimmt, und behauptete, daß er im Grundemittels
der Sprache abläuft. Sprache beruht hauptsächlich au f vokalen
Gesten, durch deren H ilfe kooperative Tätigkeiten Jn einerG e-
meinschaft ausgeführt werden. Sinnvolle .Sprache besteht aus
jenen vokalen Gesten, die dazu neigen, im Einzelnen die auch
■ beim anderen ausgelosten Haltungen hervorzurufen. Diese Ver
vollkommnung 3 er IdehDtätfdürchdie Geste, die die gesellschaft
liche Tätigkeit übermittelt, löst jenen Prozeß aus, in dem die
Rolle des anderen übernommen wird. Diese letztere Formulie
rung ist nicht ganz glücklich, da sie a u f die H altung eines Schau
spielers hindcutet, die in 'Wirklichkeit kom plizierter ist als die
. in unserer eigenen Erfahrung gegebene. Insofern beschreibt sie
nicht korrekt, was ich meine. W ir sehen den Prozeß am deut
lichsten in seiner primitiven Form, in jenen Situationen, w o das
K in d im Spiel verschiedene Rollen einnimmt. H ier ruft gerade
die Tatsache, daß es beispielsweise G eld auszuzahlen bereit ist,
die H altung der Geld empfangenden Person hervor; der Prozeß
selbst löst in ihm die entsprechenden Handlungen der anderen
Person aus. D er E in zelne regt sich selbst zu r Reaktion an, die er
in deranderen Person hervorruft, und handelt dann in gewissem
Ausmaß in Reaktion a u f dieseSituation. Im Spiel fijült das K in d
eindeutig jene R olle aus, die es selbst in sich ausgelöst hat. D a
durch entsteht, w ie ich sagte, im Individuum rin definitiver In
halt, der dem R eiz entspricht, welcher sich au f dieses Individuum
ebenso auswirkt w ie auf rin anderes. D er Inhalt des anderen,
der in die eigene Persönlichkeit eindringt, ist die Reaktion im
Individuum, die dessen Geste beim anderen auslöst.
W ir können ein Beispiel für unsere grundlegende Auffassung ge
ben, indem w ir a u f den Begriff des Eigentums verweisen. Sagen
w ir »das ist mein Eigentum, ich werde darüber verfügen«, so
ruft diese Bekräftigung eine bestimmte R eaktion hervor, die in
allen Gemeinschaften gleich sein muß, in denen es Eigentum gibt.
Sie setzt eine organisierte H altung gegenüber dem Eigentum
voraus, die allen Mitgliedern der Gemeinschaft gemeinsam ist.
M an muß eine definitive Kontrollhaltung gegenüber dem eigenen
Eigentum und Respekt gegenüber dem Eigentum anderer haben.
'Dicse'Hältungen (als öfganisierte ReaktionsgRippcnJmüssen bei
allen Mitgliedern vorhanden sein, dam it man in sich selbst die
gleiche Reaktion wie bei den anderen auslöst, wenn man diese
Erklärung abgibt. Man löst jene Reaktion aus, die ich als die
Reaktiondes verallgemeinerten Anderen bezeichnet habe. Solche
gemeinsamen Reaktionen, solche organisierten Haltungen gegen
über unseren Eigentumsvorstellungen, den religiösen Kulten,
dem Erziehungsvorgang und den Beziehungen innerhalb der Fa
milie machen eine Gesellschaft erst möglich. Natürlich müssen
diese O bjekte um so allgemeiner sein, je größer die Gesellschaft
ist. A u f jeden Fall muß eine definitive G ruppe von Reaktionen
gegeben sein, die w ir als abstrakt bezeichnen und die zu einer
sehr großen Gruppe gehören können. Eigentum ist an sich ein
ganz abstrakter Begriff. Es ist das, worüber der Einzelne und
kein anderer verfügen kann. Diese H altung unterscheidet rieh
von der des Hundes gegenüber einem Knochen. Ein Hund w ird
jeden anderen H und angreifen, der den Knochen wegzuschleppen
versucht. D er H und nimmt nicht die H altung des anderen Hun
des ein. Sagt aber ein Mensch »das ist mein Eigentum«, so nimmt
er die Haltung der anderen Person ein. E r beruft sich auf seine
Rechte, w eil er die H altung einnchmen kann, die alle anderen
M itglieder der Gruppe gegenüber dem Eigentum haben, wom it
er in sich selbst die Haltung anderer auslöst.
D ie organisierte Id entität ist die Organisation der H altungen,
die einer G ruppe gemeinsam sind. Ein Mensch hat eine Persön
lichkeit, w eil er einer Gemeinschaft angchört, w eil er die Insti
tutionen dieser Gemeinschaft in sein eigenes Verhalten herein-
204
| nimmt. E r nimmt ihre Sprache als Medium, m it dessen H ilfe er
seine Persönlichkeit entwickelt, und kommt dang dadurch, daß
er die verschiedenen Rollen der anderen M itglieder einnimmt,
zu r H altung_der_Mit£Üeder dieser Gemeinschaft. D as macht in
gewissem Sinn d ieS truktu r der menschlichen Persönlichkeit auf,,
ETgibt bestimmte gemeinsame Reaktionen, die jedes Individuum
\ gegenüber bestimmten gemeinsamen Dingen hat, und insoweit
(diese gemeinsamen Reaktionen im Einzelnen ausgelöst werden,
Wenn er auf andere Personen einwirkt, entfaltet er seine eigene
Identität. D ie Struktur der Id e n titä tistalso eine allen gemein
same Reaktion,~ 3i man M itglied einer Gemeinschaft sein muß,
um eine^ Identität zu haben. Solche Reaktionen sind abstrakte
Haltungen, doch formen sie den-.Charakter des MenschenT'Sie
geben ihm seine Prinzipien, die anerkannte Haltung aller M it
glieder der Gemeinschaft gegenüber den ’Werten eben dieser Ge
meinschaft. Er versetzt sich an die Stelle des verallgemeinerten
Anderen, der die organisierten Reaktionen aller Mitglieder der
Gruppe repräsentiert. So w ird durch Prinzipien kontrolliertes
Verhalten gelenkt. W ir sagen von einer Person, die eine solche
organisierte Gruppe von Reaktionen in sich hat, sie habe einen
C harakter im moralischen Sinne.
Firn» rnr vrm Haltungen bildet also eine^Identitätim G e-
gensatz zu einer Reihe von Gewohnheiten. W ir alle haben be
stimmte Gewohnheiten, etwa den individuellen Tonfall beim
Sprechen. D as sind Gewohnheiten des stimmlichen Ausdruckes,
derer man sich aber nicht bewußt wird. Sie bedeuten nichts für
uns; w ir hören nicht selbst den Tonfall unserer Rede, der von
anderen Zuhörern bemerkt wird, außer wenn w ir besonders auf
ihn achten. D ie Gewohnheiten im Zusammenhang m it emotio
nellem Ausdruck in unserer Rede sind von der gleichen A rt. W ir
wissen vielleicht, daß w ir uns freudig ausdrückten, doch der da
m it verbundene komplizierte Prozeß tritt nicht wieder in unsere
bewußte Identität ein. .Es gibt ganze Bündel solcher Gewohn
heiten, die nicht in die bewußte Identität eindiingen, die abe^zur
Bildung der sogenannten unbewußten Identität beitragen. ^
Schließlich verstehen w ir unter Selbst-Bewußtsein ein Auslösen
jener Haltungen in uns selbst, che w ir auch in anderen auslös en;
besonders dann, wenn es. sich um wichtige Reaktionen handelt,.
S
d^s die M itglieder der Gemeinschaft prägen. Es ist mißlich, B e
wußtsein, w ie w ir den Begriff gewöhnlich verwenden, m it Selbst-
Bewußtsein zu vermengen oder zu verwechseln. Bewußtsein, in
der üblichen Bedeutung, bezieht sich einfach au f den Bereich der
Erfahrung; Selbst-Bewußtsein dagegen verw eist a u f die Fähig
keit, in uns selbst definitive Reaktionen auszulösen, die den
anderen M itgliedern der Gruppe eignen. Bewußtsein und Selbst-
Bewußtsein liegen nicht au f derselben Ebene. Z u seinen Zahn
schmerzen b at - glücklicher- oder unglücklicherweise - nur der
Betroffene selbst Zugang, aber das ist nicht das, w as w ir Selbst-
Bewußtsein (Idcndtätsbewußtscin) nennen.
Bisher betonte ich die Strukturen, aus denen .sich.eine Identität
entwickelt, sozusagen den Rahmen fü r die Identität. Natürlich
sind w ir nidit nur das, w as uns allen gemeinsam ist: jede Identi
tät ist von jeder anderen verschieden; doch muß es solche gemein-
samen Strukturen w ie die von m ir dargestellten geben, damit w ir
I überhaupt M itglieder einer Gemeinschaft sein können. 5 ?irkön-
nen nicht w ir selbst sein, solange w ir nicht auch an gemeinsamen
Haltungen A nteil haben, durch die die H altungen aller M it
glieder kontrolliert werden. W ir können keine Rechte haben,
solange w ir keine gemeinsamen Haltungen in uns haben. Was
w ir als selbstbewußte Persönlichkeiten erarbeitet haben, macht
uns zu Mitgliedern der Gesellschaft und gib t uns eine Identität.
Es kann keine scharfe Trennüngslinie zwischen unserer eigenen
Identität und der Identität anderer Menschen gezogen werden,
da unsere eigene Identität nur soweit existiert und als solche in
unsere Erfahrung ein tritt, w ie die Identitäten anderer Menschen
existieren und als solche ebenfalls in unsere Erfahrung eintreten.
D er Einzelne b ä te ih eld en titä t nur im Bezug zu den Identitäten
anderer Mitglieder seiner gesellschaftlidicn Gruppe. D ie Struktur
seiner Iden tität jdrückt die .allgemeinen. Verhaltensmuster seiner
gesefischaftlichen Gruppe aus, genauso_wie sie die Struktur, der
pe ausdrückt.
2 i . D ie Identität und das Subjektive
D er Prozeß, aus dem heraus sich die Identität entwickelt, ist ein I
gesellschaftlicher Prozeß, der die gegenseitige Beeinflussung der j
M itglieder der. Gruppe, also das vorherige jBestcheti der Gruppe.'
selbst voraussetzt.’ E r setzt audi gewisse kooperative Tätig- '
keiten voraus, in die die einzelnen Mitglieder der Gruppe ein
geschaltet sind. Außerdem muß sich aus diesem Prozeß später
wieder eine kompliziertere Organisation entwickeln können als
diejenige, aus der die Identität entstanden ist, und die Identitäten
müssen die Organe, zumindest aber die entscheidenden Teile die
ser komplizierteren gesellschaftlichen Organisation sein, inner
halb derer sich die Identitäten entwickeln und in denen sie exi
stieren. Es gibt also einen gesellschaftlichen Prozeß, aus dem
heraus sich die Identitäten entwickeln und in dem eine weitere
Differenzierung, eine weitere Evolution und Organisation statt
findet.
D ie Psychologie neigte dazu, die Identität als ein mehr oder
weniger isoliertes und selbständiges Element zu behandeln, als
eine Substanz, die durchaus allein bestehen könnte. Es ist mög
lich, daß im Universum eine einzelne Identität existiert, falls w ir
Identität mit einem bestimmten Gefühls-Bewußtsein identifizie
ren. Wenn w ir dieses Gefühl als objektiv bezeichnen, können w ir
uns eine solche Identität als selbständig existierend vorstellen.
W ir können uns einen isolierten physischen K örper vorstellcn,
der aus sich selbst heraus existiert, und annehmen, daß er die be
treffenden Gefühls- oder Bewußtseinsinhalte in sich hat. So kön
nen w ir eine Identität dieser A r t im Denken als unmittelbar exi
stierend ansetzen.
Es gibt eine andere Verwendung des Begriffs »Bewußtsein«, mit
der w ir uns besonders beschäftigt haben, nämlich im Sinne von
Denken oder reflektiver Intelligenz, eine Verwendung, die - zu
mindest im plizit — immer einen Hinweis a u f ein »Ich« enthält.
Diese Verwendung des Begriffs Bewußtsein, die mit der anderen
nicht notwendigerweise verknüpft ist - es handelt sich um eine
vö llig andersartige Konzeption - , bezeichnet einen bestimmten
17 D ie Beziehung zwischen Geist und Körper ist die zwischen der Organisation der
Identität in ihrem Verhalten als M itglied einer rationalen Gemeinschaft und dem
körperlidien Organismus als einem physischen Objekt.
D ie fü r den Menschen typische rationale H altung ist also die Beziehung des ganzen
Prozesses» in den der Einzelne eingeschaltet ist, zu sich selbst, w ie sie sich in der
Übernahme organisierter Rollen anderer ausdrOckt, durch die er sich zu seiner Re*
aktion anregt. D ie Identität, als eine von den anderen untersdtiedene, Hegt innerhalb
des Kommunikacionsbereidies, und auch die anderen Hegen in ihm. Was anderen oder
der eigenen Identität aufgezeigt werden kann und au f solche hinweisenden Gesten
nicht reagiert, ist im Bereich der Wahrnehmung ein physisches Objekt. D er mensch
liche K örper wird, besonders in seiner Analyse, als physisches Objekt angesehen.
D ie Grenzlinie zwischen Identität und Körper verläuft also vor allem in der gesell-
sdiaftlidien Organisation der Handlung, in der sich die Identität entwickelt im
Gegensatz zur Tätigkeit des physiologischen Organismus. [MS.]
D ie legitime Unterscheidung zwischen Geist und Körper ist die zwischen gesellschaft
lichen Verhaltensweisen und denen des Organismus selbst. Erziehung muß beide eng
miteinander verbinden. W ir haben bisher noch keine umfassende Kategorie. Dam it
soll nidxt gesagt werden, daß es logische Wiederstände gebe; cs bandelt tick einfach
um einen Mangel onseres Wissens. (1917)
viducn vorauszusehen, und die vorwegnehmende Anpassung an
sic durch den Einzelnen. Diese anderen schaffen abermals eine
andersartige gesellschaftliche Situation, die sich wieder im »ich «
spiegelt, so d aß der Einzelne selbst eine andere H altung ein*
nimmt. t *
Nehmen w ir das Beispiel eines Politikers oder Staatsmannes, der
ein Projekt verwirklicht, bei dem er die Haltung der Gemein
schaft in sich selbst hat. E r weiß, wie die Gemeinschaft auf seinen
Vorschlag reagieren wird. Er reagiert a u f diesen Ausdruck der
Gemeinschaft in seiner eigenen Erfahrung - er fühlt mit ihr. E r
hat eine Gruppe organisierter Haltungen in sich, nämlich die der
Gemeinschaft. Sein eigener Beitrag, in diesem Falle das »Ich«,
ist ein Projekt der Reorganisation, das er der Gemeinschaft dar
bietet, so w ie es sich in ihm selbst reflektiert. Natürlich verändert
er sich insoweit, als er dieses Projekt vorträgt und es zu einer
politischen Frage macht. So entwickelt sich aufgrund dieses von
ihm vorgeschlagenen Projektes eine neue gesellschaftliche Situa
tion. D er ganze Vorgang läuft sowohl in seiner eigenen Erfahrung
als auch in der allgemeinen Erfahrung der Gemeinschaft ab. E r
ist in dem M aße erfolgreich, w ie.daj jgndgültige-»iCH« die H a l
tung aller M itglieder der Gemeinschaft spiegelt. Ich möchte hier
betonen, daß sich das alles nicht einfach in seinem eigenen Geist
abspielt, sondern daß sein Geist vielmehr der in seinem eigenen
Verhalten auftretende Ausdruck dieser gesellschaftlichen Situa
tion, dieses großen kooperativen Gemeinschaftsprozesses ist.
Ich möchte den Eindruck vermeiden, als nähme der Einzelne etwas
Objektives, um es zu subjektiveren. Es gibt einen gemeinsamen
Lebensprozeß seitens aller Mitglieder der Gemeinschaft, der m it
H ilfe von Gesten abläuft. D ie Gesten sind bestimmte Stadien
innerhalb dieser kooperativen Tätigkeiten, die den ganzen P ro
zeß lenken. Beim Auftreten des G astes wurde dieser Prozeß le
diglich bis zu einem gewissen G rad in das Verhalten des Einzelnen
hereingenommen. Bei einem bestimmten Symbol, wie es der P o
lizist beim Lenken des Verkehrs benützt, handelt es sich um etwas,
das außerhalb liegt. Es w ird nicht subjektiv, wenn ein mit der
Untersuchung der Verkehrsbedingungen beauftragter Techniker
dem Verkehr gegenüber die gleiche H altung einnimmt w ie der
Polizist und ebenso die H altung der Autofahrer. W ir nehmen an,
d a ß er die Organisation des Fahrers kennt; er weiß, daß H a lt
eine Verlangsamung der Fahrt, Bremsen bedeutet. Es gibt einen
gan z bestimmten körperlichen A b la u f in seinem Organismus, der
d a ra u f angelegt ist, das A u to unter bestimmten Bedingungen an
zuhalten. D ie erhobene H and des Polizisten ist jene Geste, die die
verschiedenen Handlungen auslöst, durch die der M otor zum
Stillstand gebracht w ird. Diese verschiedenen Handlungen sind
in der Organisation des Fachmannes angelegt; er kann sowohl
die H altung des Polizisten w ie die des Fahrers einnehmen. N u r in
diesem Sinne wurde der gesellschaftliche Prozeß »subjekti viert«.
'Wurde der Fachmann das nur w ie ein K in d machen, so handelte
es sich um Spiel. W ird aber die Verkehrsregelung bezweckt, so
haben w ir Geist. G eist ist nichts anderes als das Hereinnehmen
dieses externen Prozesses in das Verhalten des Einzelnen, damit
die auftretenden Probleme gelöst werden können.
D iese eigene Organisation entwickelt sich aus.einem gesellschaft
lichen Prozeß, der ihr logisch vorausgeht. Eine Gemeinschaft, in
der der Organismus a u f eine solche kooperative Weise handelt,
daß die H andlung eines Mitgliedes der auslösende R eiz für ein
anderes ist usw., besteht früher als die spezifische Organisation,
die w ir mit Geist oder Identität umschreiben. Nehmen w ir die
einfache Familiepheziehnng-zwischcn M ann, Frau und dem zu
betreuenden K in d. H ier handelt es sich um einen Prozeß, der
nur durch gegenseitige Beeinflussung innerhalb dieser G ruppe ab
laufen kann. M an kann nicht sagen, daß der Einzelne zuerst
und die Gemeinschaft später komme, w eil sich der Einzelne eben
in diesem P rozeß genauso entwickelt, w ie der menschliche Körper
oder jedes andere mehrzellige Wesen verschiedenartige Zellen
entwickelt. Es muß ein biologischer Prozeß ablaufen, damit d if
ferenzierte Zellen entstehen können. Ebenso muß ein gesellschaft
licher Prozeß ablaufen, damit sich Individuen entwickeln können.
F ür die Gesellschaft gilt ebenso w ie fü r die physiologische Situa
tion, daß es kein Individuum gäbe, wenn es nicht den Prozeß
gäbe, dessen Teil es ist. G ibt es einen solchen Prozeß, so besteht
die M öglichkeit zur Entwicklung menschlicher Intelligenz, falls
dieser Prozeß mittels der Oberm ittlung von Gesten in das Ver
halten des Einzelnen hereingenommen w ird - , und dann ent
w ickelt sich natürlich ein anderes Individuum im Rahmen der
nun möglichen Reaktionen. M an könnte sich ein Individuum
vorstellen, das einfach w ie ein K in d spielt, ohne sich in ein ge
sellschaftliches Spiel einzuschalten. D as menschliche Wesen ist aber
deshalb möglich, w eil es einen gesellschaftlichen Prozeß gibt, in
dem es verantwortlich funktionieren kann. D ie Haltungen sind-
Teil der gesellschaftlichen Reaktion; die Schreie würden sich nicht
als vokale Geste behaupten können, lösten sie nicht in den ande
ren bestimmte Reaktionen aus. D ie H altung .selbst kann nur
innerhalb dieseis Zusammenspiels der Gesten existieren.
Geist ist einfach das Zusammenspiel solcher Gesten in der Form
signifikanter Symbole. W ir müssen uns daran erinnern, daß die
Geste nur in ihrer Beziehung zu r Reaktion, zur Haltung existiert.
Es gäbe keine Worte, gäbe es nicht solche Reaktionen. D ie Sprache
hätte sich nie als System ausschließlich willkürlicher Begriffe, die
m it bestimmten Reizen verbunden wurden, entwickeln können.
Wörter entwickeln sich aus gesellschaftlichen Beziehungen. Eine
der Geschichten Gullivers berichtet von einer Gemeinschaft, in
der man eine Maschine erfand, die mechanisch mit den Buch
staben des Alphabets in einer endlosen Zahl von Kombinationen
gefüttert wurde. Dann versammelten sich die Mitglieder der G e
meinschaft, um zuzusehen, w ie sich die Buchstaben nach jeder
Drehung jeweils zusammensetzten. Die Theorie lautete, daß sie
sich vielleicht genau in der Form der Ilia s, eines Dramas von
Shakespeare oder eines anderen großen Werkes der Literatur
auf reihen könnten. D ie Annahm e w ürde in unserem Falle lauten,
daß Symbole vom sogenannten Sinn völlig unabhängig seien.
Diese Annahme ist unbegründet: ohne Reaktionen k a n m sJteine
Symbole geben. Es gäbe keinen H ilferuf, bestünde nicht die T en-(
denz, auf einen Schrei der N o t zu reagieren. Solche signifikanten
Symbole, im Sinne einer Untergruppe gesellschaftlicher Reize, die
eine kooperative Reaktion auslösen, machen in gewissem Sinn
unseren G eist aus. D ie Voraussetzung ist allerdings, daß nicht nur
das Symbol, sondern auch die Reaktionen in unserem Wesen ,
gegeben sind. D em Menschen ist es gelungen, die Reaktion mit
einem gewissen Symbol zu verknüpfen, das Teil der gesellschaft
lichen H andlung ist, so d aß er die R olle der anderen, mit
ihm zusammenarbeitenden Person ein nimmt. Dadurch erhält er*
einen Geist.
3
* J
D as Leittier ist ein M itglied der Herde, das Gerüchen oder Ge
räuschen gegenüber empfindlicher ist als die anderen H ere. Wenn
eine G efah r auftritt, beginnt es früher z u laufen als die anderen,
die wegen der Tendenz der H erde zu r gemeinsamen Flucht folgen.
Es gibt hier einen gesellschaftlichen Reiz, wenn man so w ill, eine
Geste, a u f die die anderen H ere reagieren. D as erstere H e r er
fa ß t den Gerudi früher und beginnt zu fluchten, und diese be
ginnende Flucht stellt für die anderen den R eiz dar, nun ihrer
seits zu laufen. Das alles ist äußerlich; es sind keine geistigen
Prozesse im Spiel. D as Leittier sieht sich selbst nicht als jenes
H e r, das ein Signal geben soll; es läuft nur in einem bestimmten
M oment los und löst somit die Flucht der anderen aus. Wenn
es sich hier um eine geistige T ätigkeit handelte, w ürde das si
gnalisierende H er auch die H altung jener anderen, reagierenden
H ere einnehmen. Es wüßte, was sein Signal bedeutet. Ein Mensch,
der das W ort »Feuer« ausruft, kann in sich selbst jene Reaktion
auslösen, die er auch in anderen auslöst. Insoweit der Mensch die
iH altu n g anderer Menschen einnehmen kann — seine Reaktion
tauf Feuer, sein Gefühl des Schreckens - , macht diese Reaktion
seinen eigenen Schrei, sein eigenes Verhalten gegenüber dem Ver
halten der anderen zu einer geistigen Angelegenheit.*' H ier wer
den aber nur die äußerlichen Ereignisse innerhalb der H erde in
das Verhalten des Menschen herein genommen. W ir haben das
gleiche Signal und den gleichen D rang zur Reaktion, doch kann
„ der Mensch das Signal nicht nur geben, sondern auch in sich selbst
¿.die H altung der schredcerfullten Flucht auslösen und dadurch
/ seinen eigenen D rang zum A usruf in den G riff bekommen und
'^kontrollieren. Er kann auf sich selbst zurückwirken, indem er die
organisierte H altung der ganzen Gruppe in seinen Versuch, vor
einer G efahr zu flüchten, hereinnimmt. Subjektiv ist daran nur,
daß sich die Reaktion au f seinen eigenen R eiz in seinem eigenen
Verhalten vorfinden läßt, und daß er die ablaufende Obermitt-
19 [Siehe aodi »Hie Definition o f the PsyA ical«, Umversity 0 / Chicago- Dtcennial
Publicatlons, 190), p. 104 ff.; »The Medianism o f Social Consciousness«, Journal of
Philosopby, I X (1912), 40t ff.; »The Social Seif«, t h U , X (19x3)1 374 ff.]
der anderen angleidn, ohne daß er sich dieses Prozesses bewußt
w ird. W ir werden uns dieses Prozesses erst bewußt, wenn w ir
definitiv die H altung der anderen übernehmen. Diese Situation
muß aber von der vorhergegangenen unterschieden werden. Viel
leicht sagt man, man w olle sich nicht nach einer bestimmten Mode
kleiden, sondern anders sein; auch dann nimmt man die Haltung
der anderen gegenüber sich selbst in das eigene Verhalten herein.
Wenn eine Ameise in einen anderen H aufen mit fremden Am äsen
gesetzt w ird, stürzen sich diese au f sie und reißen sie in Stücke.
In der menschlichen Gemeinschaft dagegen kann die Haltung die
des Einzelnen selbst sein, er lehnt es ab, sich zu unterwerfen,
gerade w ä l er die gemeinsame Haltung einnimmt. B ä der Ameise
handelt es sich um eine ausschließlich äußere Angdegenheit, beim
Menschen geht es darum, daß er die H altung der anderen ein
nimmt und die eigene Identität anpaßt oder den K am pf auf
nimmt. Dieses Erkennen der Identität des Einzclnen im P ro zeß !
des Identitätsbewubtseins gib tU iin die H altung der Selbstbe-\
hauptjucig oder der Unterordnung unter die Gemeinschaft. D a- j
durch gelangt er zu einer defijytiyenjdentität. Eine solche Selbst- ;
behauptung ist vö llig verschieden von der Situation, in der sich
das M itglied eines Rudels befindet, das dieses Rudel beherrscht und
verschiedene M itglieder grausam angreift. In diesem Fall handelt
das einzelne Wesen rein instinktiv in einer bestimmten Situation.
In der menschlichen Gesellschaft aber haben w ir ein Individuum,
das nicht nur seine eigene H altung einnimmt, sondern in ge
wissem Sinn auch die H altung seiner Untergebenen; insoweit es
dominiert, weiß es, w as zu erwarten steht. Ist das in der Erfah
rung eines Individuums der Fall, so ergibt sich daraus eine an
dersartige Reaktion m it anderen emotionellen Begldterscheinun-
gen als beim Leittier eines Rudels. Im letzteren Falle liegt einfach
Zorn oder Feindseligkeit vor, im anderen ist es die Erfahrung
d n er Identität, die sich bewußt gegenüber anderen Identitäten
behauptet, in Verbindung m it einem G efühl der Macht oder der
Vorherrschaft. G anz allgemein kann man sagen: wenn die Reak- ^
tion der Gemeinschaft in den Einzelnen herdngenpmmen wurde, '
gibt es in der Erfahrung einen neuen Wert und eine neue AnorcW
nung von Reaktionen. (
W ir diskutierten die Identität vom Standpunkt des »Ich« und
des »ich « aus, wobei das »ich « jene Gruppe von Haltungen re
präsentiert, die fü r die anderen M itglieder der Gemeinschaft
stehen, insbesondere jene organisierte Gruppe von Reaktionen,
au f die w ir bei der Diskussion des Wettkanjpfes einerseits und
der gesellschaftlichen.. Institutionen andererseits hinwiesen. Bei
diesen Situationen haben w ir eine bestimmte organisierte Gruppe
von Haltungen, die der jeweiligen gesellschaftlichen Handlung des
einzelnen Organismus entsprechen. In jedem kooperativen Pro
zeß, beispielswebe im Familienleben, ruft der Einzelne eine Re
aktion der anderen M itglieder der Gruppe hervor. Insoweit diese
Reaktionen nun im Einzelnen selbst ausgclöst werden können,
so tialT eF a u f slelöägieren kann, habeir'wir jene Inhalte, die die
Identität bilden, den »anderen« und das »Ich«. D ertlnterschied
drückt sich in unserer E rfahrung im sogenannten Erkennen ande
rer und in der Selbsterkenntnis durch andere aus. W ir können
uns selbst nur insoweit verwirklichen, a b wir. den anderen in
. seiner Beziehung zu uns erkennen. Indem der Einzelne die H a l
tung der anderen einnimmt, b t er fähig, sich selbst a b Identität
zu verwirklichen.
W ir beziehen uns hier natürlich au f eine gesellschaftliche Situation
im Gegensatz zu so rein organischen Reaktionen w ie den R e
flexen des Organismus, vo n denen w ir einige bereits diskutierten,
z . B. die Situation, in der sich eine Person unbewußt den sie um
gebenden Personen anpaßt. In dieser Erfahrung tritt kein Selbst-
Bewußtsein auf. Selbst-Bewußtsein erreicht man nur dann, wenn
man die H altungen tier anderen einnimmt oder dazu angeregt
w ird. Dann kann man in sich selbst au f die H altung der anderen
reagieren. Stellen w ir uns eine wirtschaftliche Situation vor. Wenn
w ir die H altung jener anderen Person einnehmen, die uns ein
Angebot macht, können w ir uns dadurch ausdröcken, daß w ir ein
solches Angebot annehmen oder zurückweisen. H ier stehen w ir
vo r einer anderen Reaktion der Identität a b bei einem automa
tischen Angebot, das unbewußt abgegeben werden k a n n . R in
kleiner Junge steckt uns einen Reklam ezettel in die H and, ohne
d aß w ir uns seiner oder unserer selbst dabei bew ußt werden. U n
sere Gedanken können ganz woanders sein, der Prozeß aber läuft
■ ab. Das gleiche gilt natürlich auch für kleine Rtnder.-sDiese
l erfahren ihre U m w elt unmittelbar, sie passen sich ihr sofort
an, ohne daß es in ihrer Erfahrung zu r Ausbildung einer Identi
tä t kommt.
Wenn eine Identität auftritt, ist immer die Erfahrung von etwas
anderem im Spiel; die Erfahrung einer Identität äusscSleßEch
aus sich selbst heraus w äre nicht möglich. «Die Pflimzen oder die
Tiere reagieren a u f ihre U m w elt, aber eine Identität haben sie
nicht. Wenn sich in der Erfahrung eine Identität entwickelt, dann
stets im Kontrast zum anderen; w ir nannten schon die Voraus
setzungen, unter denen dieser andere in die Erfahrung des Men
schen eintritt, nämlich die Anwesenheit jener Reize in einer ko
operativen Tätigkeit, die im Einzelnen selbst die gleiche Reaktion
w ie im anderen auslösen. Wenn die Reaktion des anderen ein ent
scheidender A spekt in der Erfahrung oder im Verhalten des Ein
zelnen w ird, w enifdieÜ bem ahm e der H altung des anderen zum
entscheidenden A spekt seines Verhaltens w ird - dann erscheint
der Einzelne in seiner eigenen Erfahrung als Identität. Vorher
ist das nicht der Fall.
D ie rationale Gesellschaft ist natürlich nicht a u f irgendeine spe
zifische Gruppe von M itgliedern beschränkt. Jede vernunftbe
gabte Person kann ihr angehören. D ie H altung der Gemeinschaft
gegenüber unserer eigenen Reaktion nehmen w ir im Hinblick auf
den Sinn unserer Tätigkeit in uns herein. Im weitesten Ausmaß ge
schieht dies im logischen Universum, in der A n tw ort, die die
rationale W elt auf unsere Äußerungen gibt. D er Sinn ist so uni
versal w ie die Gemeinschaft; er ist notwendigerweise in die ratio
nale Beschaffenheit dieser Gemeinschaft eingeschlossen; er ist die
Reaktion, welche die aus vernunftbegabten Geschöpfen bestehen
de W elt unvermeidlich a u f unsere eigenen Äußerungen setzt. Wir
nehmen sowohl das O b je k t als auch uns selbst im Rahmen eines
solchen Prozesses in unsere Erfahrung herein; der andere scheint
in unserer Erfahrung insoweit auf, als w ir eine solche organisierte
und verallgeroeinertCt H a la in g einnehmen.
Trifft man a u f der Straße einen Menschen, den man nicht wieder
erkennt, so reagiert man a u f ihn genauso w ie a u f jedes andere
M itglied der gleichen Gemeinschaft. E r ist der A n d ere, der orga
nisierte, verallgemeinerte Andere, wenn man so w ill. M an stellt
seine H altung der eigenen Identität gegenüber. Geht er in dte
eine Richtung, so geht man in eine andere. M an hat seine Reak-
tion als H altung in sich selbst. Diese H altung in uns selbst ermög
d
licht es uns, zu einer Identität zu gelangen. Dabei handelt es sich
o, S