3 Wie kann ich andere dazu bringen, das zu tun, was ich möchte?
Rationale Argumente, die den Verstand ansprechen sollen, haben eine viel
geringere Wirkung als die unbewusst wahrgenommenen Elemente, die die
Beziehung zu einem Menschen definieren und darüber entscheiden, ob er ein
gutes oder schlechtes Gefühl hat. Wer unbewusste Botschaften erkennt und
weiß, wie sie funktionieren, kann sie auch einsetzen, um Einfluss zu nehmen.
Über die folgende Website können Sie mit dem Autor direkt in Kontakt treten:
www.verstehen sie ihren verstand.de
Friedhelm Schwarz
Haufe Mediengruppe
Freiburg · Berlin · München
1. Auflage 2010
© 2010, Haufe Lexware GmbH & Co. KG, Munzinger Straße 9, 79111 Freiburg
5
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Inhalt
Warum wir tun, was wir tun – die Ursachen des ganz
alltäglichen Wahnsinns 141
Konsistenz – ich bleibe dabei 142
Ich bin, wie ich bin – aber eigentlich bin ich auch ganz anders 145
Ohne Emotionen leben? 149
Die Faszination des Bösen 151
Kein Anschluss unter dieser Nummer – gestörte Kommunikation 155
6
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Inhalt
Literaturempfehlungen 229
Stichwortverzeichnis 237
7
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verstehen Sie Ihren Verstand?
Wir versuchen in unserem Leben ständig ganz bestimmte Ziele zu errei-
chen. Ob es nun darum geht, das eigene Privatleben und die Familie zu
planen, Karriere zu machen, den Urlaub vorzubereiten oder einfach nur
eine bestimmte Arbeit termingerecht zu beenden, ständig benutzen wir
unseren Verstand als Navigationssystem.
Bei all diesen Planungen springen wir ständig zwischen den verschiede-
nen Ebenen hin und her. Einmal ist eine Detailansicht sinnvoll, damit
wir wissen, ob wir weiter geradeaus fahren oder abbiegen müssen, ein-
mal ist eine Übersicht sinnvoll, die uns zeigt, wohin die Reise überhaupt
geht. Doch in all diesen Fällen, in denen wir unseren Verstand als Navi-
gationssystem einsetzen, sind wir uns meist überhaupt nicht darüber im
Klaren, woher die verwendeten Informationen kommen und ob sie
überhaupt richtig sind. Wenn etwas falsch läuft, merken wir es erst,
wenn das Ziel, an dem wir ankommen, nicht das ist, was wir eigentlich
erreichen wollten.
9
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verstehen Sie Ihren Verstand?
10
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die falschen Folgen logischer Entscheidungen
Ganz offensichtlich ist es ein Teil unserer westlichen, von der Wirt-
schaft geprägten Kultur, dem Verstand einen so hohen Stellenwert
einzuräumen. Schließlich werden wir ständig aufgefordert, vernünftig
zu sein, die Verhältnisse in unserer Gesellschaft rational zu betrachten
und die Regeln der Vernunft zu akzeptieren.
Doch das heißt oft nichts anderes, als dass man sich der Meinung an-
derer, die an den Schaltstellen von Wirtschaft und Politik sitzen, an-
schließen soll. Verstand, Vernunft und Rationalität sind also vielleicht
nichts anderes als ein Instrument, um uns gefügig zu machen und uns
davon abzubringen, tiefer in uns hineinzulauschen und das zu tun,
was wir wirklich wollen.
11
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verstehen Sie Ihren Verstand?
Mit diesem Modell der begrenzten Rationalität ließen sich in den Fol-
gejahren viele wirtschaftliche Prozesse besser beschreiben, als es mit
dem Modell des Homo oeconomicus möglich war. Jetzt ist die Neuro-
ökonomie angetreten, diesem Modell der begrenzten Rationalität noch
innere und indirekte Vorgänge hinzuzufügen.
Das Modell des Homo oeconomicus taugt also nicht mehr zur Erklä-
rung unseres Verhaltens. Der Mensch ist weniger ein rational han-
delnder Homo oeconomicus, der ausschließlich an einer Maximierung
des materiellen Eigennutzens orientiert ist und der davon ausgeht,
dass auch alle anderen Menschen eigennützig und rational handeln,
sondern eher ein Homo reciprocans, der seine eigenen Reaktionen
mehr an den fairen oder unfairen Handlungen der anderen orientiert.
12
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Vertrauen Sie sich und anderen?
Fall sein würde, sondern eher die Reaktion darauf, wie man selbst be-
handelt wurde.
Ganz offensichtlich befinden wir uns heute in einer Zeit, in der wir
einen Paradigmenwechsel vornehmen müssen und uns ein neues
Menschenideal, nämlich den Homo reciprocans, zum Vorbild nehmen
sollten. In der Wirtschaft haben einige große Unternehmen wie zum
Beispiel Nestlé diesen Schritt schon getan, indem sie sich nicht mehr
nur den Aktionären und dem Shareholder Value verpflichtet fühlen,
sondern gemeinsam mit allen Menschen in allen Gesellschaften Werte
schaffen wollen und das auch im so genannten „Shared Value Prinzip“
formuliert haben.
Das gilt auch für Probleme, über die ich lange nachgedacht habe, bevor
ich eine entsprechende, aber dennoch falsche Entscheidung traf. Man
kann solche Fehler, die man einmal gemacht hat, bereuen, doch da-
durch ändert sich nichts. Man kann sie vor sich und anderen rechtferti-
13
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verstehen Sie Ihren Verstand?
gen, dann fühlt man sich vielleicht etwas besser. Oder aber man kann
auch versuchen, sie zu analysieren und für die Zukunft daraus zu lernen.
Bei diesem letzten Weg waren die Erkenntnisse der Hirnforschung für
mich eine große Hilfe, weil sie ganz andere Denkansätze lieferten, als
es die klassische Psychologie tut. Doch das heißt noch längst nicht,
dass ich mich und andere heute vollständig verstehe.
Sicher wird man nach einer Weile wissen, wohin bestimmte Gänge
und Treppen führen und was sich in einigen Zimmern befindet. Doch
dummerweise verhält es sich mit diesem Gebäude so wie mit der Zau-
berschule Hogwarts bei Harry Potter. Manche Treppen verschwinden
oder führen plötzlich in eine vollkommen andere Richtung, und wo
Türen waren, steht man plötzlich vor geschlossenen Wänden. Dabei
bleibt die äußere Fassade des Gebäudes nahezu unverändert.
Immer wenn wir uns eine Erinnerung ins Bewusstsein rufen, wird diese
bearbeitet und dann wieder neu abgespeichert. Auf diese Weise können
sich Erinnerungen aber nicht nur verfestigen, sondern auch verändern.
Oft reicht es schon, wenn eine bestimmte Geschichte immer und im-
mer wieder erzählt wird, wobei manche Details weggelassen und andere
liebevoll ausgeschmückt werden. Mit der Zeit können solche Erzählun-
14
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Vertrauen Sie sich und anderen?
gen dann eine Eigendynamik entwickeln, deren Ergebnis mit der ur-
sprünglichen Wirklichkeit nur noch wenig zu tun hat.
Mit den Begriffen Verstand und Vernunft haben sich viele Philoso-
phen ausführlich und in zahlreichen Werken beschäftigt. In der Psy-
chologie und in den Neurowissenschaften spielen sie allerdings nur
eine untergeordnete Rolle, da sie von Begriffen wie Denken, Bewusst-
sein, Intelligenz und Wille mit abgedeckt werden.
15
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verstehen Sie Ihren Verstand?
Das liegt unter anderem daran, dass wir uns selbst zum Maßstab aller
Dinge machen. Hierbei handelt es sich allerdings um eine ganz ele-
mentare menschliche Eigenschaft, denn ohne einen Fixpunkt verlieren
wir jeden Halt und wären richtungs- und orientierungslos. Nur mit-
hilfe unseres Verstandes können wir unsere eigene Identität bewusst
erfassen.
Jetzt kommen wir zu einem Begriff, der bisher noch nicht behandelt
wurde: das Bewusstsein. Verstand und Bewusstsein sind nicht iden-
tisch, denn im Bewusstsein tauchen auch Gefühle auf, und zwischen
Gefühlen und Verstand erleben wir meist einen deutlichen Unter-
schied. Der Verstand ist also nur ein Teil des Bewusstseins.
16
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Gehirnforschung für den Alltag
Im Hinblick auf uns selbst liefert der Verstand als Teil des Bewusst-
seins nur bedingt brauchbare Ergebnisse. Der größte Teil des Selbst
bleibt im Unbewussten verborgen. In Bezug auf andere Menschen
funktioniert der Verstand deutlich besser, allerdings nur weil er mit
den Gefühlen kooperiert.
Wenn es um die Lösungen von Aufgaben geht, sind die Leistungen des
Verstandes sehr unterschiedlich, denn hier spielen die Kompetenz,
also die Selbsteinschätzung, Überschätzung oder Unterschätzung eine
ebenso große Rolle wie das Wissen und die Intelligenz.
Wir sehen also, dass der Verstand eine höchst komplexe Angelegenheit
ist, die nicht nur verschiedene Funktionen wahrnimmt, sondern als
Teil des Bewusstseins auch noch eng mit den Gefühlen und mit allem,
was im Unbewussten abläuft, verknüpft ist. Es ist deshalb einfacher,
sich mit dem Denken an sich zu befassen, wie es auch die Neurowis-
senschaften tun.
17
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verstehen Sie Ihren Verstand?
Heute glauben viele Menschen, dass das Gehirn so ähnlich arbeitet wie
ein Computer. Man weiß als Benutzer zwar nicht genau, was die ver-
schiedenen Programme tun, aber wenn wir in einen Computer immer
wieder dasselbe eingeben, kommt auch dasselbe heraus, es sei denn,
irgendetwas ist kaputt gegangen.
18
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Gehirnforschung für den Alltag
Diese Fülle von Veröffentlichungen mag ein Grund dafür sein, dass
das Wissen, das wir über das Gehirn haben, von der Gesellschaft und
auch von wissenschaftlich interessierten Laien deutlich überschätzt
wird. Die Neurowissenschaften haben in den vergangenen Jahren gro-
ße Fortschritte gemacht und die Erkenntnisbreite und -tiefe ist außer-
ordentlich stark gewachsen.
Wir kennen inzwischen unendlich viele Details über das Gehirn, den-
noch hat die Forschung erst einen extrem kleinen Teil der Geheimnis-
se gelüftet. Die grobe Anatomie des Gehirns ist heute zwar weitgehend
bekannt und die Wissenschaft kennt zu etwa 60 Prozent den Feinauf-
bau des Gehirns, doch werden die molekularen Vorgänge erst zu ei-
nem guten Drittel verstanden.
19
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verstehen Sie Ihren Verstand?
20
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Denken – ein Prozess mit ungewissem
Ausgang
Wir alle wissen ganz genau, wie es sich anfühlt, wenn wir denken.
Schwierig wird es allerdings, wenn wir unser eigenes Denken erklären
wollen. Wir können zwar meist sagen, welche gedanklichen Schritte wir
zurückgelegt haben, um zu einer bestimmten Entscheidung zu kommen,
aber warum wir gerade diese und nicht andere Schritte gegangen sind,
bleibt für uns meist im Verborgenen. Genauso wissen wir immer nur,
welchen Gedanken wir jetzt im Kopf haben, aber nicht, was wir exakt
eine Stunde später denken werden.
Dass wir unser Denken längst nicht so stark lenken können, wie wir es
gemeinhin annehmen, stellen wir am ehesten fest, wenn wir träumen.
Wenn wir aufwachen und uns noch Teile der Träume bewusst sind, bevor
sie zu verblassen beginnen, sind wir oft erstaunt, um welch merkwürdige
Geschichten es sich handelte, die wir da in unserem Kopf zusammenge-
sponnen haben. Denken ist also eines der faszinierendsten Phänomene,
und so ist es kein Wunder, dass sich die Gehirnforschung intensiv be-
müht, den Vorhang zu lüften und dem Geheimnis des Denkens auf die
Spur zu kommen.
21
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Denken – ein Prozess mit ungewissem Ausgang
Bei der Geburt eines Menschen hat sein Gehirn ein Gewicht von unge-
fähr 400 Gramm. In den ersten zwei Lebensjahren erreicht es 1.000
Gramm und wächst bis zum 18. Lebensjahr auf ein durchschnittliches
Volumen von 1.500 Gramm an. Bei Männern liegt das Gehirngewicht
etwas höher, bei Frauen etwas niedriger.
Das Gehirn macht zwar nur durchschnittlich zwei Prozent der Kör-
permasse aus, verbraucht aber 20 Prozent der Energie. Man kann es
insofern als „Schwerarbeiter“ bezeichnen. Bewusste Denkprozesse
brauchen besonders viel Energie, allerdings erfolgen die meisten Ab-
läufe im Gehirn unbewusst, das heißt im „Energiesparmodus“.
22
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gehirn kennt keine Denkpausen
Das ist auch die Ursache dafür, dass häufig bestimmte Entscheidungen
nach einfachen Mustern erfolgen, die zwar energieeffizient, aber im
Ergebnis dann leider falsch sind.
Das Gehirn besteht aus einem hoch vernetzten System, in dem es über
100 Billionen Verbindungsstellen gibt. Denn jede einzelne der 100
Milliarden Nervenzellen im Gehirn kann über bis zu 15.000 Kontakt-
stellen, den Synapsen, mit anderen Nervenzellen verbunden sein. Auch
wenn diese Zahlen unsere Vorstellungskraft sprengen, ist offensicht-
lich nur ein solch hoch komplexes System in der Lage, Informationen
so zu verarbeiten, zu speichern und zu verknüpfen, dass das entsteht,
was wir als unser Selbst wahrnehmen und was uns Identität gibt.
Die Signale, die zwischen den Nervenzellen hin- und hergehen, sind
elektrischer Natur, vergleichbar einem Morsealphabet. Um die unter-
schiedlichen Signale richtig bewerten zu können, verfügt das Gehirn
über einen Regelmechanismus, der auf jeder Stufe die hemmenden
und die erregenden Impulse gegeneinander verrechnet. Erst wenn eine
bestimmte Erregungsschwelle überschritten wird, kommt es zu einer
Weiterleitung des Signals nach dem Prinzip eines Kaskadensystems.
Auch wenn wir hellwach sind, wird nur ein winziger Bruchteil dessen,
was wir denken, vom Bewusstsein wahrgenommen. Denn das Denken
ist in erster Linie ein unbewusster Prozess, der hauptsächlich darin
23
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Denken – ein Prozess mit ungewissem Ausgang
Allein wenn ich in diesem Moment diesen Text schreibe, muss ich
bewusst und unbewusst eine Vielzahl von Entscheidungen treffen.
Nämlich nicht nur „Was will ich sagen?“ und „Wie will ich es sagen?“,
sondern auch „Mit welchen Worten?“ und „In welcher Reihenfolge
müssen diese Worte stehen, um einen Sinn zu ergeben?“.
Aber damit gibt sich das Gehirn noch nicht zufrieden. Es versucht
nämlich nicht nur zu entscheiden, was sein soll, sondern ist auch kon-
tinuierlich damit beschäftigt, die Resultate von Handlungen und Ent-
scheidungen vorherzusagen, um diese einleiten, steuern und im Not-
fall auch korrigieren zu können. Ohne die Vorhersage, was sein wird,
könnten wir uns überhaupt nicht entscheiden. Dabei kommt es nicht
darauf an, ob die Vorhersagen richtig oder falsch, begründet oder un-
begründet sind.
24
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gehirn kennt keine Denkpausen
Wenn man das Gehirn eines Menschenaffen mit dem eines Menschen
vergleicht, erkennt man sofort, dass vor allem das Stirnhirn, also der
vordere Abschnitt des Gehirns, beim Menschen größer ist. Dieser or-
ganische Unterschied wird auch in den Verhaltensweisen und Fähig-
keiten von Affen und Menschen repräsentiert.
Man geht davon aus, dass in den ersten Lebensjahren in diesem Teil
des Gehirns ein kompliziertes Netzwerk aufgebaut wird, dessen Funk-
tion sich auch in unserem Sozialverhalten niederschlägt. Wenn zum
Beispiel vor Abschluss des zweiten Lebensjahrs dieser Netzwerkaufbau
durch Verletzungen gestört wird, hat der Mensch eine deutliche Nei-
gung, sich im wahrsten Sinne des Wortes „asozial“ zu verhalten. Er
kann weder Regeln einhalten noch erkennen, dass es ganz bestimmter
Regeln bedarf, um in einer Gemeinschaft zusammenleben zu können.
Tritt eine solche Verletzung allerdings erst zwischen dem zweiten und
dem fünften Lebensjahr auf, werden die entsprechenden Regeln zwar
erlernt und auch wahrgenommen, doch fällt es dem Betroffenen
schwer, sie einzuhalten.
25
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Denken – ein Prozess mit ungewissem Ausgang
26
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gehirn beim Denken beobachten
Die hübschen, bunten Bilder, die man heute vom Gehirn sieht, darf
man allerdings nicht als Fotografien interpretieren. Sie entstehen erst
dadurch, dass der Computer, mit dem die Signale des Magnetreso-
nanztomografen ausgewertet werden, bestimmte Rechenwerte farblich
darstellt. Um den so gewonnenen Bildern eine Aussagekraft zu verlei-
hen, bedarf es allerdings komplizierter psychologischer Experimente,
die das Gehirn in einer ganz bestimmten Art und Weise anregen und
beeinflussen.
27
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Denken – ein Prozess mit ungewissem Ausgang
Es ist kein Zufall, dass viele Menschen nach ihrem 40. Lebensjahr und
auch noch deutlich später etwas vollkommen Neues beginnen. Sie sind
dann offensichtlich darauf gestoßen, dass das, was sie bisher dachten
und wonach sie bisher handelten, überhaupt nicht ihrer wahren Natur
entspricht. Allerdings möchte ich hier warnend anmerken, dass dieses
In-sich-Hineinhören manchmal auch zu erheblichen Irrtümern füh-
ren kann. Aber das sollte niemanden davon abhalten, über sein Den-
ken immer wieder selbst nachzudenken.
28
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Unbewusste steuert uns
Wenn ein Mensch über ein Problem nachdenkt, greift das Bewusstsein
auf Ressourcen zurück, die zwar vorhanden, aber eben zunächst nicht
bewusst sind. Wir beginnen uns an gelernte Fakten, vergangene Erei-
gnisse oder Erfahrungen zu erinnern. Spätestens in einem solchen
Moment sollte uns klar werden, dass neben dem aktuellen Bewusst-
seinsinhalt noch weitaus mehr Inhalte im Kopf vorhanden sind, die
wir durch Denken präsent machen können.
Unsere alltägliche Erfahrung ist die, dass wir uns gedanklich immer
vom Bewussten zum Unbewussten hin bewegen. Aber dies entspricht
nicht den tatsächlichen Abläufen. Gezeigt haben dies die Experimente
von Benjamin Libet, früherer Professor für Neurophysiologie an der
University of California in San Francisco. Er wies nach, dass das Be-
wusstsein, eine Handlung durchführen zu wollen, zu der wir uns aus
eigenem Antrieb entschließen, fast ein halbe Sekunde nach dem Mo-
ment eintritt, in dem das Gehirn mit der Vorbereitung des Entschlus-
ses bereits begonnen hat. Die Handlungen setzen also unbewusst ein.
Libet kam zu dem Schluss, dass das Bewusstsein lediglich eine Art Ve-
torecht hat, um eine vorbereitete Handlung abzubrechen, sie aber
nicht initiiert. Wenn sich diese Reihenfolge, dass also ein unbewusster
Prozess einer bewusst gewollten Handlung vorausgeht, experimentell
nachweisen lässt, kann man daraus auch schließen, dass einem be-
wussten Gedanken zunächst ein unbewusster gedanklicher Prozess
vorgelagert ist.
29
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Denken – ein Prozess mit ungewissem Ausgang
Man kann sehen, dass gedacht wird und wo gedacht wird. Was der
Mensch denkt, ist aber nicht zu erkennen, und auch nicht, welche
Aktivitäten sich bewusst oder unbewusst abspielen beziehungsweise
wie diese beiden Ebenen innerhalb einer Denkoperation miteinander
verknüpft sind.
Das Gehirn organisiert sich als Netzwerk selbst, wobei es den für
Netzwerke geltenden Regeln und Mustern folgt. Die Selbstorganisati-
on erfolgt im Rahmen der individuellen Verarbeitung äußerer Reize
und Informationen. Das heißt, jeder Mensch bewertet und speichert
eingehende Informationen ganz individuell innerhalb einer bestimm-
ten Spannbreite. Was für den einen eine Katastrophe sein kann, ist für
den anderen eine banale Nebensächlichkeit.
30
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die Grundlagen des Denkens
So lässt sich schon bei Säuglingen im Alter von sechs Monaten Eifer-
sucht auf andere Säuglinge beobachten. Die soziokulturelle Aus-
formung des Wertesystems beginnt erst in den nachfolgenden Le-
bensphasen.
Die Eigenarten und besonders die Talente eines Menschen werden erst
im Zusammenspiel zwischen Genen und Gesellschaft ausgeformt.
31
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Denken – ein Prozess mit ungewissem Ausgang
Die Mehrzahl unserer Gedanken wird durch Impulse von außen ange-
regt. Es sind die so genannten Spiegelneuronen, Nervenzellen mit ei-
ner ganz bestimmten Funktion, die uns befähigen, die unbewussten
Signale anderer Menschen zu verstehen, aber auch selbst permanent
unbewusste Signale auszusenden. Doch nicht nur das Verhalten ande-
rer Menschen beeinflusst uns. Entsprechend der individuellen Ausstat-
tung wird jede noch so kleine Veränderung in unserer Umwelt vom
Unbewussten beobachtet und bewertet, aber nur in den seltensten
Fällen bewusst gemacht.
Das Muster der Gedanken besteht also aus Erinnertem und Gefühl-
tem, in Verbindung mit eingehenden Informationen, die im Netz der
Muster miteinander verknüpft werden, um zu entscheiden, was ist,
was sein soll oder was sein wird. Diese Entscheidungen verändern sich
zu einem großen Teil während des Lebenslaufs eines Menschen, des-
halb spielt auch das Alter beim Fortschritt und bei der Veränderung
der Denkmuster eine ausschlaggebende Rolle.
32
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verhandlungsspiele veranschaulichen das menschliche Verhalten
33
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Denken – ein Prozess mit ungewissem Ausgang
das erlebte positive Gefühl. Wenn man dann tatsächlich einen Ge-
winn erhält, wird der mediale präfrontale Cortex aktiviert.
Immerhin wissen wir durch die Auswertung dieser Spiele, dass die
Erwartung von Gewinnen und die Angst vor Verlusten offensichtlich
in unterschiedlichen Gehirnregionen verarbeitet werden und sich des-
halb nicht ohne Weiteres gegenseitig ausschalten können. Angst und
Hoffnung sind also zwei unterschiedliche Paar Schuhe, die direkt bei-
einander stehen.
Das Diktatorspiel
Die einfachste Form der so genannten Verhandlungsspiele ist das Dik-
tatorspiel. Dabei steht dem Spieler A eine bestimmte Geldsumme zur
Verfügung, die er zwischen sich selbst und dem Spieler B aufteilen soll.
Die Höhe des Betrages, die er an Spieler B weitergibt, bleibt dem Spie-
ler A, dem „Diktator“, selbst überlassen.
Falls der Spieler A rein rational denkt und auf die Maximierung seines
Nutzens ausgerichtet ist, würde er die gesamte Geldsumme für sich
behalten und nichts an Spieler B abgeben.
34
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verhandlungsspiele veranschaulichen das menschliche Verhalten
Wenn man sich in die Rolle eines anderen Menschen versetzt und das
eigene Verhalten mit fremden Augen betrachtet, wird man eher auf
unfaires Verhalten verzichten, als wenn man das nicht tut. Das Kon-
zept der Spiegelneurone besagt, dass es bestimmte Neuronen gibt, die
eine „Spiegelfunktion“ wahrnehmen und so ermöglichen, dass man
die Gefühle anderer Menschen selbst erlebt und in diesem Sinne nach-
fühlen kann. Mit ihrer Hilfe können wir intern Handlungen simulie-
ren und ihren Ausgang vorweg nehmen und damit auch die Absicht
fremder Aktionen verstehen.
Wir wissen ziemlich genau, was in den Köpfen von Menschen vorgeht,
die unfaires Verhalten erleiden müssen, warum aber „Diktatoren“ auf
unfaires Verhalten zumindest zum Teil verzichten, ist heute noch
nicht ganz geklärt.
Das Ultimatumspiel
Das Ultimatumspiel ist im Prinzip eine Erweiterung des Diktator-
spiels, bei dem beide Spieler eine Entscheidung zu treffen haben. Auch
hier geht es um einen Geldbetrag, von dem Spieler A einen beliebigen
Anteil an Spieler B weitergeben kann. Allerdings hat der Spieler B die
Möglichkeit zu entscheiden, ob er die ihm zugewiesene Summe an-
nimmt oder ablehnt.
35
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Denken – ein Prozess mit ungewissem Ausgang
Falls Spieler B dem Angebot von A zustimmt, erhält jeder Spieler den
vorgeschlagenen Anteil. Falls B aber ablehnt, erhält keiner der Spieler
etwas.
Die Ergebnisse der Experimente sahen aber anders aus. Häufig waren
die Versuchspersonen in der Rolle des Spielers B bereit, auf das ihnen
zugedachte Geld zu verzichten, nämlich wenn ihnen die Summe als zu
niedrig erschien. Weil sie den von A angebotenen Anteil als unfair
empfanden, sollte Spieler A auch kein Geld erhalten. Angebote, die
unter 20 Prozent des Geldbetrages lagen, wurden zu 50 Prozent abge-
lehnt.
Allerdings waren die Personen in der Position des Spielers A sich of-
fensichtlich dieses Problems bewusst und boten Spieler B meist Anteile
zwischen 30 und 50 Prozent der Geldsumme an.
Warum sie das taten, weiß man noch nicht genau. Es könnten Fair-
nessüberlegungen dahinter stehen und/oder auch die Angst vor der
Ablehnung durch Spieler B, also eine strategische Entscheidung zur
Nutzenmaximierung. Angebote zwischen 40 und 50 Prozent der Geld-
summe wurden in der Regel angenommen, also als fair empfunden.
Das Vertrauensspiel
Beim Vertrauensspiel geht es um ein Zug-um-Zug-Geschäft. In der
einfachsten Version kann Spieler A mit Spieler B ein Geschäft verein-
baren, bei dem Spieler A eine Leistung erbringt, die Spieler B dann
anschließend bezahlt.
36
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verhandlungsspiele veranschaulichen das menschliche Verhalten
Vertrauen ist ein sehr starkes und positives Gefühl, auf dessen Erleben
viele Menschen nicht verzichten möchten. Kontrollen hingegen wür-
den das innere Gleichgewicht beeinträchtigen, schlechte Gefühle und
im ungünstigsten Fall sogar ein schlechtes Gewissen gegenüber dem
Kontrollierten herbeiführen. Vertrauen ist ein wesentlicher Bestandteil
des sozialen Systems in unserem Kopf, Kontrolle hingegen gehört zum
ökonomischen System. Beide Systeme stehen im Wettbewerb und
lassen sich nur schwer in Einklang bringen.
Das Gefangenendilemma
Beim so genannten Gefangenendilemma handelt es sich um ein Spiel,
das zeigt, wie individuell rationale Entscheidungen zu kollektiv schlech-
teren Ergebnissen führen können.
37
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Denken – ein Prozess mit ungewissem Ausgang
Man findet hier also sowohl eine Belohnung für beidseitige Koopera-
tion (jeweils nur zwei Jahre Haft) als auch für einseitigen Verrat
(Freiheit für den Verräter). Bestraft wird gegenseitiger Verrat (jeweils
vier Jahre Haft), aber auch das Vertrauen, das man dem anderen
entgegengebracht hatte und das dieser einseitig gebrochen hat (fünf
Jahre Haft).
Der Ausgang dieser Situation hängt also nicht nur von der eigenen
Entscheidung ab, sondern auch von der des Partners. Kollektiv gese-
hen, wäre es am besten, wenn beide kooperieren, also schweigen,
dann erhält jeder nur zwei Jahre Haft. Individuell gesehen, erscheint
es aber vorteilhafter, auszusagen.
Falls der eine Gefangene gesteht und damit den anderen verrät, bleibt
er im positiven Fall straffrei, nämlich wenn der andere schweigt. Falls
der andere allerdings auch gesteht, erhält er statt der fünf Jahre
Höchststrafe „nur“ vier Jahre Haft.
Das Dilemma des Gefangenenspiels liegt also darin, dass die kollektive
und die individuelle Analyse zu unterschiedlichen Handlungsempfeh-
lungen führen. Das Problem ist, dass der eine die Handlungsweise des
anderen nicht einschätzen und beeinflussen kann.
Für beide zusammen wäre es am besten, wenn sie sich gegenseitig ver-
trauen und kooperieren. Dies könnte erreicht werden, wenn eine
Kommunikation der Spieler untereinander erlaubt wäre oder wenn
38
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verhandlungsspiele veranschaulichen das menschliche Verhalten
39
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken
regulieren
Generell gibt es im Gehirn vier wichtige Systeme, die für das Verhalten
und Entscheiden von grundsätzlicher Bedeutung sind. Es handelt sich um
das Belohnungssystem, das emotionale System, das Gedächtnissystem und
das Entscheidungssystem.
Da das Gehirn ein soziales Organ ist, neigen die Menschen nicht nur
dazu, den Dingen einen Namen zu geben – die Lokomotive bei Jim Knopf
heißt Emma und eine Kanone im ersten Weltkrieg trug den Namen Dicke
Berta –, sondern wir unterstellen vielen Dingen auch menschliche Verhal-
tensweisen und Charaktereigenschaften. Insofern lassen sich auch die
Systeme im Gehirn in ganz bestimmter Weise charakterisieren.
Das Belohnungssystem ist eine Art kindlicher Trotzkopf, der alles sofort
haben möchte und der, wenn er es nicht bekommt, damit beginnt, herum-
zumaulen, um seinen Willen dennoch durchzusetzen.
Das Gedächtnissystem hingegen stellt sich eher als eine Art multiple Per-
sönlichkeit dar, bei der wir sowohl die Züge eines spinnerigen Märchen-
onkels finden wie auch die eines faktenorientierten Bürokraten.
Als letztes haben wir dann noch das Entscheidungssystem, den Politiker,
in unserem Kopf. Das Entscheidungssystem versucht, Mehrheiten zu or-
ganisieren und Überzeugungsarbeit zu leisten, aber es stellt sich auch gern
an die Spitze einer Bewegung und rechtfertigt dann das, was gewollt wird.
Die Fälle, in denen unnachgiebig eine bestimmte Meinung vertreten wird,
sind selten und eher die Ausnahme.
41
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Jedes Mal war auf jeden Fall das Belohnungssystem im Spiel. Und Sie
sehen, es gibt viele Gelegenheiten, bei denen es aktiv wird. Es treibt
uns nicht nur an, uns Wünsche zu erfüllen, sondern auch etwas zu
leisten. Es freut sich über positive Überraschungen und über Neues.
Aber wie lange haben Glück und Zufriedenheit angehalten?
Wir können uns an solche Situationen, die uns glücklich und zufrie-
den machten, zwar erinnern, doch so stark wie damals ist das erinnerte
Gefühl nie. Stattdessen treibt uns das Belohnungssystem an, nicht nur
dasselbe noch einmal zu erleben, sondern möglichst auch noch mehr
davon und immer öfter. Das Belohnungssystem treibt uns also an,
etwas haben zu wollen, aber auch, etwas zu leisten, damit sich gute
Gefühle einstellen.
Dieses künstlich erzeugte Wohlbefinden ist so stark, dass man bis heu-
te davon ausgeht, dass es ein völlig anderes positives Gefühl ist als zum
Beispiel eine starke sexuelle Erregung oder die Befriedigung des Hun-
gergefühls und ähnlicher Elementarbedürfnisse. Und bei allen Ver-
42
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Belohnungssystem – was wir wollen
Die Männchen ließen die Weibchen unbeachtet, sie ließen Futter und
Wasser stehen, alles was sie eigentlich dringend brauchten, um zu über-
leben. Wenn man nicht die Reizung ausgestellt hätte, wären sie ver-
hungert. Die elektrische Stimulation des Belohnungssystems scheint
also alles zu überbieten, was es sonst an Überlebensreizen in uns gibt.
Aber sie ist natürlich für uns Menschen im Sozialverband nicht akzep-
tierbar.
Selbst wenn sie beim Glücksspiel nicht gewinnen, führt die Hoffnung,
beim nächsten Mal zu gewinnen, zu einer gewissen Aktivierung. Allein
die Erwartung fährt dieses System hoch, doch dann kommt die Ent-
täuschung, verloren zu haben. Aber da sie ja den Kick kennen, ge-
wonnen zu haben, spielen sie immer weiter.
43
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Doch niemand weiß bis zum jetzigen Zeitpunkt, ob die Patienten ir-
gendwann wieder depressiv werden. Benutzen sie dann ihr Stimula-
tionssystem selbst? Wird das Suchtcharakter haben? Es gibt nach
Schätzungen von Fachleuten derzeit weltweit etwa zehn, fünfzehn
Menschen mit Schwerstdepressionen, bei denen diese Elektroden
eingesetzt wurden. Und diese Personen sind wahrscheinlich weit
davon entfernt, so etwa zu missbrauchen. Sie sind einfach schwer
krank.
So lassen sich Worte viel besser erinnern, wenn bei Wortaufgaben viele
Wochen vorher eine Aktivierung des Belohnungssystems nachgewie-
sen wurde. Tierversuche haben zum Beispiel gezeigt, dass auch bei der
Anwendung von etwas Gelerntem das Belohnungssystem aktiviert
wird.
Auch haben wir ein positives Gefühl, wenn wir Erlerntes anwenden. Es
ist experimentell sehr gut belegt und es hat wohl jeder schon selbst
erfahren: Wenn man für eine Arbeit in der Schule gut gelernt hat, er-
hält man nachher auch die Belohnung. Das ist ein ganz tief befriedi-
gendes Gefühl.
44
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Belohnungssystem – was wir wollen
Aber vielleicht ändert sich die Situation. Er fährt zu schnell und wird
geblitzt, während wir uns an die vorgegebene Geschwindigkeit halten.
Jetzt geht unser Belohnungssystem wieder nach oben aus Genugtuung,
selbst das Richtige getan zu haben, aber auch aus Schadenfreude. Auch
wenn wir dieses Gefühl nicht zugeben wollen: Werden andere für Feh-
ler bestraft, ist es dem Belohnungssystem durchaus recht. Aber bleiben
wir doch lieber bei den schönen Seiten des Lebens.
Wenn wir über den anderen eine positive Vorinformation haben, wird
unser Belohnungssystem aktiviert und wir haben von vornherein eine
positive Einstellung zu ihm. Ähnliches gilt zum Beispiel für die Wahr-
nehmung sympathischer Gesichter versus neutraler Gesichter oder
versus unsympathischer Gesichter.
Gesichter an sich und erst recht Gesichter mit einer positiven Mimik
sind für das Belohnungssystem von ganz besonderer Bedeutung. Das
hat man im Rahmen des Neuromarketings erkannt und nutzt es für
die Werbung und beim Verkauf von Produkten. Nicht umsonst stehen
in Supermärkten immer wieder irgendwelche „Pappkameraden“ oder
sehen wir in der Fernsehwerbung fröhliche Menschen, die ganz begei-
stert irgendetwas essen, trinken oder gerade eine Versicherung ab-
schließen.
45
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
kann die Familie sein, die Kollegen in der Firma oder Freunde und
Bekannte, mit denen man sich nach Feierabend trifft.
Natürlich sind manche Menschen, die den ganzen Tag über mit
anderen zu tun haben, manchmal ganz froh, wieder alleinsein zu
können. Das hat dann allerdings nichts damit zu tun, dass sie keine
Menschen mögen, sondern dass das Belohnungssystem auch die Ab-
wechslung liebt. Deshalb ist vielleicht das in den Urlaub fahren, also
eine Ortsveränderung, für die meisten Menschen von so großer
Bedeutung. Allerdings sind die meisten auch wieder froh und zu-
frieden, wenn sie nach dem Urlaub in die vertraute Umgebung zu-
rückkehren können.
Heute möchten viele Menschen aktiv dabei sein und haben das Gefühl,
etwas zu versäumen, wenn sie nicht einer von vielen Millionen waren,
die sich aus einem bestimmten Anlass auf den Plätzen und Straßen
versammelten. Live-Events haben dem passiven Konsum von Emotio-
nen den Rang abgelaufen, und sich im stillen Kämmerlein zu freuen
oder Tränen zu vergießen, zählt nicht mehr.
Man kann aber auch gemeinsam seine Wut zeigen, wenn Unterneh-
men geschlossen werden und der Verlust von Arbeitsplätzen droht,
46
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das emotionale System – was wir fühlen
Tatsächlich ist der Begriff Emotion von lateinisch „emotio“ für heftige
Bewegung und von „emovere“, aufwühlen, heraustreiben abgeleitet.
47
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Als Emotionen bezeichnet die Wissenschaft das, was uns zustößt, was
also von äußeren und inneren Reizen erzeugt wird, und worauf wir
keine direkte willentliche Einflussnahme haben. Wir erkennen unsere
Emotionen eigentlich immer erst dann, wenn sie uns als Gefühle be-
wusst werden.
48
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das emotionale System – was wir fühlen
Einfacher gesagt heißt das, dass man sich in der einen Kultur über
etwas ärgern kann, was in einer anderen keinerlei Reaktionen auslöst.
Wenn man zum Beispiel in der arabischen Welt mit der unreinen
Hand in den Essenstopf greift, wird das ein Europäer vielleicht nicht
einmal bewusst registrieren, während es bei den arabischen Gastge-
bern Ekel und Ärger bis hin zu Zorn und Verachtung hervorrufen
kann.
Die Frage, was eigentlich alles Emotionen erzeugt, ist nicht leicht zu
beantworten. Am einfachsten ist es, wenn wir Emotionen bei anderen
Menschen erleben und diese mithilfe der Spiegelneuronen selbst emp-
finden und in Gefühle umwandeln. Aber Emotionen sind nicht ein-
fach nur das, was zwischen den Menschen ausgetauscht wird. Emotio-
nen können auf die unterschiedlichste Weise erzeugt werden.
Wenn ich einen festen Parkplatz habe, an dem vielleicht sogar mein
Name steht, und jemand anders parkt dort, werden mir sehr schnell
die Emotionen hochkommen. Das gilt natürlich auch, wenn ein Auto
vor meiner Grundstückseinfahrt steht, ich hinein oder hinaus möchte
und der Fahrer nirgends zu finden ist.
Ärger ist wie Wut eine Emotion, die sehr schnell ein ungeahntes Aus-
maß erreichen kann und in der Regel auf Hilflosigkeit in einer be-
stimmten Situation beruht. Ich kann mich aber auch einfach nur über
eine bestimmte politische Entscheidung ärgern und meine schlechten
Gefühle dann an anderen abreagieren, die völlig unschuldig sind und
mit der Ursache meiner Wut gar nichts zu tun haben.
49
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Wie zeigen wir Emotionen? Emotionen sind ein Teil unserer bewuss-
ten und unbewussten Kommunikation, die wiederum auf der sozialen
Funktion des Gehirns beruht. Emotionen zeigen sich in Mimik, Spra-
che und in Handlungen.
Seine Arbeit begann eher zufällig in den Sechzigerjahren des 20. Jahr-
hunderts in Papua-Neuguinea, als Ekman der Frage nachgehen wollte,
ob die Mimik der Urvölker denselben Gesetzmäßigkeiten unterliegt wie
die der Menschen in den westlichen Kulturen. Dabei konnte er nach-
weisen, dass die menschliche Mimik tatsächlich universell ist und es
rund 3.000 Gesichtsausdrücke gibt, die einen emotionalen Sinn ergeben.
Heute wissen wir dank Ekmans Arbeit, dass das Gesicht ständig den
Gemütszustand verrät, ohne dass der Mensch das bewusst unterdrük-
ken könnte. Winzige Zuckungen, so genannte Mikroausdrücke, sen-
den ständig Signale an andere Menschen aus, die diese aber fast immer
nur unbewusst registrieren. Nur geschulte Fachleute können diese
Signale bewusst wahrnehmen, sie interpretieren und daraus Rück-
schlüsse ziehen. Sie sind dabei sogar in der Lage, zwischen echten und
gespielten Emotionen zu unterscheiden, eine Fähigkeit, die dem Laien
in der Regel nicht gegeben ist.
Doch nicht nur das Gesicht verrät und überträgt Emotionen, sondern
auch die Körperhaltung und einzelne, kleine, immer wiederkehrende
Bewegungen. Viele dauern nur Bruchteile von Sekunden. Wie wichtig
diese versteckten Hinweise sind und wie ernst sie genommen werden,
erkennt man vielleicht daran, dass die Firma Microsoft 400 Übungs-
CDs bei Paul Ekman bestellt hat, mit denen ihre Topmanager lernen
sollen, die versteckten Signale ihrer Gesprächspartner besser zu deuten.
Natürlich spielt die Mimik in allen Bereichen des Erlebens eine große
Rolle. Wer auf einer Bühne im Rampenlicht steht oder vielleicht auch
50
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das emotionale System – was wir fühlen
Ekman hat im Laufe seiner Forschungen erkannt, dass wir nicht be-
wusst darüber entscheiden, wie wir in einem emotionalen Zustand
aussehen und unsere Stimme klingt beziehungsweise was wir dann tun
und sagen. Ebenso entscheiden wir nicht darüber, wann wir überhaupt
emotional reagieren. Man kann aber lernen, emotionales Verhalten,
das sich im Kontakt zu anderen ungünstig auswirken würde, zu dämp-
fen, genauso wie man lernen kann, nicht gefühllos zu wirken, falls man
eher dafür disponiert ist.
Die meisten Menschen haben zwar die Absicht, auf andere Menschen
in bestimmter Weise zu wirken, meist so, wie es ihrem persönlichen
Ideal entspricht, doch sind sie nicht in der Lage, diese Wirkung tat-
sächlich zu kontrollieren, weil sie mit dem Feedback, das sie erhalten,
häufig nicht richtig umgehen können.
51
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Mimik gleichzeitig wiederum älter. Ein paar Falten mehr können also
nicht schaden, wenn man die Sympathie anderer gewinnen möchte.
Das primäre Signalsystem für positive Emotionen ist die Stimme und
nicht das Gesicht. Da es sehr schwierig ist, mit der Stimme glaubwür-
dig ein Gefühl zu simulieren, bedarf es einiger Übung, wie sie meist
nur Schauspieler mitbringen.
Wenn eine ungeübte Person zum Beispiel eine Bühne betritt, ist es für
sie immer am günstigsten, sich an ein positives Ereignis aus der Ver-
gangenheit zu erinnern, um nicht nur in der Mimik, sondern auch in
der Stimme Glückssignale an das Auditorium zu übermitteln.
Eine der einfachsten positiven Emotionen ist laut Ekman das Belus-
tigtsein. Es reicht vom Lächeln bis zu wahren Lachsalven, die manchen
Menschen sogar die Tränen in die Augen schießen lassen. Zufrieden-
heit wird hingegen weniger deutlich über die Gesichtsmuskulatur
kommuniziert, die sich entspannt, sondern eher mit der Stimme.
52
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das emotionale System – was wir fühlen
sein Denken einen wesentlichen Beitrag leisten. Oft besteht auch eine
enge Beziehung zwischen Erregung und Angst.
Aber nicht alles, was wir empfinden, gehört in die Kategorie der Emo-
tionen, denn schließlich, so gibt Ekman zu bedenken, gibt es auch
noch andere Triebfedern in unserem Leben. Man möchte sich amüsie-
ren und sucht Vergnügungen unterschiedlichster Art, die sich in guten
Gefühlen äußern können, aber vielleicht eher zu den Stimmungen
gehören, einem Begriff, der im zweiten Punkt der folgenden Übersicht
erläutert wird.
53
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
54
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das emotionale System – was wir fühlen
Es ist also nicht die physiologische Erregung selbst, sondern ihre ko-
gnitive Repräsentation und Interpretation, die für die Entstehung be-
stimmter Gefühle entscheidend sind. Ebenso wurde nachgewiesen,
dass unbewusste Wahrnehmungen Emotionen verursachen und beein-
flussen können, ohne dass dabei explizite Bewertungen des Probanden
eine Rolle spielen. Es sind also nicht unbedingt kognitive Bewertungen
notwendig, um Gefühle entstehen zu lassen.
Hierbei spielen natürlich auch die Erinnerungen eine große Rolle. Wie
verschiedene Experimente zeigen – und damit befinden wir uns bereits
im Bereich der Neuroökonomie – werden viele Entscheidungen von
gesunden Versuchspersonen in der richtigen Weise getroffen, ohne
dass ihnen bewusst ist, wie diese Entscheidung zustande kam. Offen-
55
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Wer Angst hat, die falschen Entscheidungen zu treffen, wird dies mit
größerer Wahrscheinlichkeit tun, als wenn er sich ihnen angstfrei nä-
hern würde. Doch das ist schwierig, denn der Angst liegt ein Lernpro-
zess zugrunde, der rational kaum zu steuern und zu beherrschen ist.
Panik entsteht als Reaktion auf den Eindruck, hilflos und verlassen zu
sein. Ohne fremde Hilfe können sich viele Menschen aus bedrohlich
empfundenen Situationen daher nicht mehr befreien.
Befragt man die Bürger Amerikas, die erwachsen waren, als Kennedy
ermordet wurde, so kann sich auch heute, viele Jahre danach, noch
mehr als jeder zweite Amerikaner genau an den Ort erinnern, an dem
er war, als er von der Ermordung Kennedys erfuhr.
56
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das emotionale System – was wir fühlen
Angrenzend an diese Sinnesareale sind in der Regel Areale, die als As-
soziationszentren bezeichnet werden, die eine erste Verknüpfung oder
erste Deutung dessen vornehmen, was gesehen, gerochen, gehört, ge-
schmeckt oder ertastet wird. Bei einer Berührung interpretieren sie
zum Beispiel, ob dies ein zärtliches Kitzeln durch den Partner ist oder
ob einem eine große Spinne über den Nacken läuft, beim Sehen, ob es
besondere Dinge sind, die man möglicherweise zum ersten Mal zu
Gesicht bekommt. Ist dann eine gewisse Schwelle erreicht, wird das
Gehirn aktiv.
Im Gehirn gibt es viele Areale, die nur dazu da sind, etwas Erlebtes für
uns größer oder bedeutender zu machen. Die pure Wahrnehmung
eines Geräusches oder von Tönen ist nicht das Entscheidende, sondern
das euphorische Gefühl, das wir zum Beispiel mit einem ganz be-
stimmten Musikstück verbinden.
Der Mandelkern ist mit vielen Strukturen des Gehirns verbunden, und
diese Verbindungen in andere Regionen hinein führen dazu, dass
nicht nur Überträgersubstanzen vermehrt ausgeschüttet werden, son-
dern dass das ganze hormonelle System, die so genannte hypothala-
mische-hypophysäre Achse, in Takt kommt.
57
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Jill Price hat wie nur ganz wenige andere Menschen ein ständig prä-
sentes biografisches Gedächtnis. Ständig wird sie durch die Gegenwart
an ihre Vergangenheit erinnert. Nicht nur an die schönen Momente
des Lebens oder an besonders tragische Augenblicke, nein, sie erinnert
sich auch an die banalsten Einzelheiten.
58
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gedächtnissystem – was wir waren und werden
Andererseits, wie wäre es, wenn Sie sich nicht erinnern könnten, wie es
vielen demenzkranken älteren Menschen ergeht? Könnten Sie sich
vorstellen, wie sich das anfühlt, nur noch im Jetzt zu leben? Sie würden
am späten Vormittag in Ihrem Zimmer sitzen und wüssten nicht, was
an diesem Morgen bereits geschehen ist. Sie wissen nicht, wer vor ei-
ner Stunde in Ihrem Zimmer war, wer mit Ihnen worüber gesprochen
hat, und Sie wissen auch nicht, was Sie gefrühstückt haben.
Natürlich haben Sie gefrühstückt. Sie sind ja nicht dumm. Sie wissen,
dass man morgens frühstückt, dann zu Mittag und später Abendbrot
isst und dann zu Bett geht. Sie wissen, wo Sie sind und wo Sie vor zehn
Jahren gewohnt haben, aber Sie wissen nicht, wann und wie Sie jetzt in
dieses Zimmer gekommen sind.
Und wenn Sie vorhaben, weil das Wetter so schön ist, ein wenig an der
frischen Luft spazieren zu gehen, dann werden Sie vielleicht in Ihrem
Sessel sitzen bleiben, weil Sie vergessen, aufzustehen, und schon im
nächsten Moment vergessen haben, dass Sie spazieren gehen wollten.
Gesunde Menschen wissen, wenn sie etwas vergessen haben, den Ge-
burtstag eines Angehörigen oder vielleicht sogar den eigenen. Wenn
Sie unter Gedächtnisschwund leiden, wissen Sie es nicht, weil Sie sich
nicht daran erinnern können, was Sie vergessen haben. Sie leben nur
noch im Jetzt. Natürlich haben Sie Wünsche und Absichten, aber diese
werden kaum realisiert, weil sie gleich wieder vergessen sind.
Sie lesen ein paar Zeilen in der Zeitung und ein paar Zeilen später
wissen Sie nicht mehr, was am Anfang stand. Wenn Sie fernsehen,
können Sie anderen Menschen durchaus erzählen, welche Bilder jetzt
59
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
zu sehen sind. Aber Sie kennen die Geschichte nicht, die mit diesen
Bildern erzählt wird. Sie haben sie vergessen.
Offensichtlich ist es schwer, sich vorzustellen, wie es ist, Stück für Stück
sein Gedächtnis zu verlieren. Es ist einfach zu selbstverständlich, sich
zumindest an das, was für einen wichtig ist, erinnern zu können und in
Raum und Zeit eine Orientierung zu haben.
Jemand, der spürt, dass ihn sein Gedächtnis immer häufiger im Stich
lässt, wird zunächst versuchen, diesen Mangel dadurch zu kompensie-
ren, dass er aufgrund älterer noch vorhandener Erinnerungen Begrün-
dungen und Abläufe erfindet, die die vorhandenen Lücken schließen.
Auf Fragen wie „Warum hast Du heute Morgen das Telefon nicht ab-
genommen?“ erhält man dann Antworten wie „Wahrscheinlich war
ich nicht im Zimmer“. Das Wort wahrscheinlich steht für „Ich weiß es
nicht“. Tatsächlich war dann versehentlich das Telefon aus der Steck-
dose gezogen worden.
Aber nicht nur kranke Menschen erfinden etwas dazu, um eine Konti-
nuität der Ereignisse herzustellen oder bestimmte Vorkommnisse
plausibel zu machen, sondern auch gesunde. Wir alle basteln ständig
an unseren Erinnerungen herum, um bestimmte Ereignisse für uns
selbst angenehmer und für andere plausibel zu machen.
Kommen wir zu spät zu einem Termin, werden wir dem Stau auf der
Autobahn die Schuld geben, auch wenn der gar nicht so groß war, weil
wir dann selbst in einem besseren Licht dastehen, als wenn wir einge-
stehen würden, dass wir vor der Abfahrt zu lange herumgetrödelt ha-
ben. Man kann das als Lügen und Schutzbehauptung bezeichnen,
doch das Gehirn hat tatsächlich gar keine Lust, sich mit Mängeln und
Fehlern zu belasten. Lieber bearbeitet und glättet es die Erinnerungen.
Das führt dann allerdings dazu, dass wir nur schwer in der Lage sind,
eigene Mängel zu erkennen und daran zu arbeiten, diese zu beheben.
60
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gedächtnissystem – was wir waren und werden
61
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
meln, Regeln und Zusammenhänge, die dann als Ganzes das so ge-
nannte lebensweltliche Hintergrundwissen bilden. Das semantische
Gedächtnis ist praktisch unser ganz persönliches Lexikon, in dem wir
nachschlagen können.
Hat man in einem Restaurant ein paar Austern gegessen, die schon zu
alt waren, dürfte das die positive Erinnerung ganz erheblich trüben,
ebenso wenn einem in der Metro die Brieftasche gestohlen wurde. Ein
anderer, der das persönlich nicht erlebt hat, schwärmt dagegen von
den vielen Einkaufsmöglichkeiten, die ihm vielleicht viel wichtiger
waren als die Bilder im Louvre.
62
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gedächtnissystem – was wir waren und werden
Wenn jemand mit einem weißen Kittel als Arzt durchs Krankenhaus
läuft, werden seine Anweisungen beinahe blind befolgt. In einem Ver-
such hat sich eine Person am Telefon als Arzt ausgegeben und die
Krankenschwester am Telefon angewiesen, einem bestimmten Patien-
ten ein schädliches Mittel zu injizieren. Sofort machte sich die Schwe-
ster auf den Weg, diesen Auftrag auszuführen und war nur schwer
davon zu überzeugen, von ihrem Tun abzulassen.
Meist sind es Äußerlichkeiten wie die Kleidung oder die Uniform, die
einem Menschen Autorität verschaffen. Oft reicht aber auch schon die
Stimme am Telefon. Betrüger missbrauchen diese Autoritätsmecha-
nismen besonders häufig bei älteren Menschen, die ein gehorsames
Verhalten oft nicht nur in ihrer Kindheit, sondern in ihrem ganzen
Leben eingeübt haben.
63
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Die Einspeicherung selbst wird nur dadurch möglich, dass das Gehirn
plastisch, also veränderbar und formbar ist. Man kann zwar Neuro-
nenbündel unter dem Mikroskop beobachten und zuschauen, wie sie
sich untereinander verbinden oder auch Verbindungen wieder abbau-
en, also lernen und vergessen, doch tatsächlich ist den Neurowissen-
schaften noch nicht genau klar, wie die Fülle der Informationen, die
sich in unserem Gehirn befinden, langfristig gespeichert wird.
Lernen ist immer ein individueller Vorgang, selbst wenn die Vermitt-
lung des Lehrstoffs wie in der Schule im Kollektiv stattfindet. Wenn
man zum Beispiel gemeinsam mit anderen Menschen ein Lied singt,
lernt man den Text wahrscheinlich besser, als wenn man ihn im stillen
Kämmerlein vom Blatt abliest, weil dann auch andere Hirnregionen
und Systeme beteiligt sind. Die Spiegelneuronen nehmen die anderen
Sänger wahr und wahrscheinlich aktiviert das das emotionale und das
Belohnungssystem, sodass dann der Text auch besser gespeichert wird.
64
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gedächtnissystem – was wir waren und werden
die Erinnerung an die Schule und an die Mitschüler, als Wissen ge-
nutzt werden kann.
Eine ganz andere Form des Lernens ist die Sensibilisierung, also die Ver-
stärkung der Reaktion auf wiederkehrende, vielleicht bedrohliche, aber
auch auf viele andere neutrale Reize. Dadurch kann die Alarmbereit-
schaft gegenüber Gefahrenquellen, vielleicht einem neuen Wettbewer-
ber auf dem Markt, erhöht werden. Diese Sensibilisierung ist ein weitaus
komplexerer Prozess als die Gewöhnung oder Habituation und sie kann
dazu führen, dass eingefahrenes Verhalten verändert wird.
65
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Beim kognitiven Lernen spielt auch die Autorität eine Rolle. Bestimm-
te Inhalte werden besser in das semantische Gedächtnis eingespeichert,
wenn sie von einer Person präsentiert werden, die wir aufgrund der im
prozeduralen Gedächtnis gespeicherten Inhalte als Autorität akzeptie-
ren. Dem Lehrer, Dozenten, Professor oder Vorgesetzten wird ge-
glaubt, was er sagt, ohne dass diese Inhalte einer eigenen Überprüfung
unterzogen werden.
66
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gedächtnissystem – was wir waren und werden
Das Gedächtnis älterer Menschen ist nicht schlechter als das jüngerer
Menschen, es muss nur anders „gefüttert“ werden. Untersuchungen
mittels funktioneller Kernspintomografie zur Lokalisation von Ge-
dächtnisaufgaben im Gehirn haben gezeigt, dass junge Menschen un-
ter 25 Jahren über Wiederholungen lernen (zum Beispiel beim Voka-
bellernen) und den Schläfenlappen des Gehirns benutzen.
Ältere Menschen tun sich zwar viel schwerer als jüngere, Vokabeln
auswendig zu lernen. Trotzdem sind sie noch in der Lage, eine Sprache
zu erlernen, wenn sie kontextabhängig lernen, zum Beispiel in einem
Sprachlabor.
Ältere Menschen über 50 Jahre lernen mehr über Strategien, zum Bei-
spiel Eselsbrücken, und aktivieren beim Lernen das mittlere Stirnhirn,
also den Teil, der strategische Denkleistungen erbringt. Diese Technik
machen sich übrigens auch Gedächtniskünstler zueigen, die damit
enorme Gedächtnisleistungen erzielen. Nicht das Gedächtnis älterer
Menschen ist schlecht, sondern die Lernmethoden, die man ihnen
aufzwingt, taugen nichts.
67
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
vier Mal so viel Jagdbeute nach Hause bringen wie die jüngeren, körper-
lich fitten Jäger. Das ließ sich eindeutig in Kilogramm nachwiegen.
Das Fliegen großer Passagiermaschinen ist nicht nur ein höchst ver-
antwortungsvoller Beruf, sondern er erfordert auch die richtige Erfül-
lung komplexer Aufgaben, oft in Sekundenbruchteilen, wie uns auch
die stürmische Landung einer Maschine auf dem Hamburger Flugha-
fen im Frühjahr 2008 so eindrucksvoll vor Augen geführt hat.
Aber ein jüngerer Pilot ist einem älteren bei gleicher Flugstundenzahl
in der Leistung meist unterlegen. Wenn es also darum geht, komplexe
Aufgaben zu erfüllen, spielen Alter und Erfahrung die größte Rolle.
Ein besseres Beispiel für die Veranschaulichung des Wertes der Erfah-
rungen als das folgende kann es wohl kaum geben.
Es ist der 15. Januar 2009. Flug 1549, ein voll besetzter Airbus A 320
startet vom New Yorker Flughafen LaGuardia mit Ziel Charlotte,
68
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gedächtnissystem – was wir waren und werden
North Carolina. Etwa drei Minuten nach dem Start hören die Passa-
giere einen lauten Knall. Ein Gänseschwarm ist in die Triebwerke gera-
ten. Beide Triebwerke fallen aus, eines gerät sogar in Brand.
Alle 155 Insassen überleben das Unglück, das als „Wunder vom Hud-
son“ in die Geschichte eingeht. Ein Behördensprecher, der die Cock-
pitgespräche während des Fluges abhörte, sagte, dass der Pilot wäh-
rend des ganzen Vorgangs außerordentlich ruhig gewesen sei. Alles sei
professionell, ruhig, methodisch gewesen, so wie man hofft, dass es
sein würde.
Den positiven Ausgang dieser Katastrophe hat man sicherlich der ge-
lassenen Unerschrockenheit des Piloten zu verdanken, aber vor allem
seinen praktischen Erfahrungen. Sullenberger war 57 Jahre alt und
konnte auf mehr als 40 Jahre Erfahrung in der Luftfahrt zurückgreifen.
Er hatte mit 16 Jahren einen Flugschein gemacht und war Kampfpilot
der amerikanischen Luftwaffe gewesen, bevor er 1980 Pilot bei der
Fluggesellschaft US Airways wurde. Und er hat auch eine Zusatzaus-
bildung im Gleitflug gemacht.
69
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
70
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Entscheidungssystem – was wir sollen
71
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
72
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Entscheidungssystem – was wir sollen
Etwas weiter kam Brian Knutson von der Stanford Universität mit
seinen Experimenten zu ökonomischen Entscheidungen. Hier wurden
den im funktionellen Magnetresonanztomografen liegenden Ver-
suchspersonen 20 Dollar zur Verfügung gestellt, mit denen sie ver-
schiedene Produkte kaufen konnten. Dann wurde den Probanden das
Bild einer Ware gezeigt, danach deren Preis, und schließlich mussten
sie sich für oder gegen den Kauf entscheiden.
73
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Aktie man kaufen sollte. Die Entscheidungen, die ein Notarzt bei ei-
nem Herzinfarktpatienten zu treffen hat, unterscheiden sich wahr-
scheinlich ganz erheblich von denen, die ein Entertainer trifft, um sein
Publikum zu unterhalten.
74
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Entscheidungssystem – was wir sollen
Es gibt eine ganze Reihe von Entscheidungen, die wir nicht nur auf-
grund von Erfahrungen und Gefühlen lösen können. Das Belohnungs-
system ist dabei eine gewisse Hilfe, weil es uns anspornt, nach neuen
Wegen zu suchen, und uns für eine erfolgreiche Lösung eine innere
Belohnung in Aussicht stellt.
Es ist aber nicht so, dass das Entscheidungssystem immer alles richtig
macht. Im Zusammenspiel mit dem Belohnungssystem kann es
durchaus dazu kommen, dass bestimmte Entscheidungen vorschnell
getroffen werden und dadurch Fehler entstehen. Das liegt unter ande-
rem daran, dass das Gehirn nicht in der Lage ist, viele Eindrücke und
Informationen gleichzeitig zu verarbeiten und allen genügend Auf-
merksamkeit zuzuwenden.
Es hat sich gezeigt, dass äußere Einflüsse, auch solche, die mit der ei-
gentlichen Entscheidung überhaupt nichts zu tun haben, eine ebenso
große Wirkung auf Entscheidungen entfalten wie persönliche Erfah-
rungen aus der Vergangenheit. Zum Teil würde man die Einflussfakto-
ren, die sich auswirken, als geradezu lächerlich bezeichnen. Doch ihre
Wirkung wurde durch zahlreiche Experimente der Verhaltens- und
der Neuroökonomie bewiesen.
So wurde bei einem Versuch der Psychologen John Bargh und Law-
rence Williams von der Yale University in New Haven, Connecticut,
der Nachweis erbracht, dass die Bewertung einer fiktiven Person da-
von beeinflusst wird, ob man zuvor einen heißen Kaffee oder einen
Becher Eiskaffee in der Hand hielt.
75
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
einflussen kann. Jeder Student traf auf dem Weg zum Versuch einen
wissenschaftlichen Assistenten, der den Arm voller Bücher und Akten
hatte und gleichzeitig noch einen Becher in der Hand hielt. Er bat die
jeweilige Versuchsperson um Hilfe, dass sie ihm während der Fahrt im
Fahrstuhl das Getränk abnehmen sollte.
Wie lässt sich dieses Ergebnis erklären? Die Vermutung liegt nahe, dass
das Gehirn situative Verhältnisse, also zeitnahe äußere Informationen
höher einschätzt als ältere, die es abgespeichert hat. Das würde dafür
sprechen, dass das Gehirn in weitaus höherem Maße ein soziales Or-
gan ist als bisher vermutet.
76
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Entscheidungssystem – was wir sollen
ob sie bereit wären, die Zahl, die auf dem Zettel stand, als Preis für
eine Flasche Wein zu akzeptieren. Dann sollten die Studenten auf das-
selbe Blatt ein eigenes Gebot für die Flasche notieren.
Das Ergebnis war: Je höher die Zahl aus den beiden letzten Ziffern der
Sozialversicherungsnummer war, desto höher lagen die Preise, die die
Studenten bereit waren, für den Wein zu zahlen. Weil sie diese Zahl als
Preis für den Wein in Erwägung gezogen hatten, hatte sich dieser Be-
trag in ihrem Kopf verankert. Als die Studenten dann ihre eigenen
Gebote abgeben sollten, beeinflusste dieser Anker sie unbewusst in
ihren Entscheidungen.
Der Mensch bewertet auch alles, was ihm bekannt ist, höher als das
ihm Unbekannte. Deshalb bevorzugt er Lösungen, die ihm vertraut
sind, und nimmt oft andere sinnvolle und zweckmäßige Lösungen gar
nicht wahr. Dies führt häufig dazu, dass durchaus sinnvolle und
zweckmäßige Optionen ignoriert werden, weil die Wahrnehmung in
Richtung des Bekannten verzerrt ist.
77
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Der Verkäufer eines Produkts wird seinem Kunden in der Regel drei
Alternativen vorstellen, wovon die eine außerordentlich teuer, die
andere extrem günstig, aber sehr unattraktiv ist und erst die mittlere
sowohl in Preis und Leistung akzeptabel erscheint. Ohne das teurere
und das billigere Produkt würde die Entscheidung für das mittlere
nicht so leicht fallen.
Dabei ist es wichtig, seine Gedanken nicht nur auf den Entscheidungs-
gegenstand zu konzentrieren – also welches Auto will ich kaufen, wie
viel Geld will ich wo anlegen oder soll ich meiner Freundin einen Hei-
ratsantrag machen oder nicht –, sondern sich auch auf eine Metaebene
zu begeben, um das zu lösende Problem in einem größeren Umfeld zu
betrachten.
78
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Entscheidungssystem – was wir sollen
79
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Von einer Entscheidung unter Risiko spricht man immer dann, wenn
derjenige, der die Entscheidung zu fällen hat, die möglichen eintreten-
den Situationen kennt und auch die damit verbundenen Wahrschein-
lichkeiten.
Eine klassische Situation für eine Entscheidung unter Risiko ist zum
Beispiel das Roulettespiel. Setzt man hier auf eine einfache Chance,
also zum Beispiel auf Rot oder Schwarz, so weiß man, dass die Wahr-
scheinlichkeit, dass eine der beiden Farben gewinnt, gleichermaßen
hoch ist, es sei denn, die Kugel fällt auf die Null und beide Farben
verlieren. Im Falle eines Gewinns erhält man den doppelten Einsatz
zurück.
Leider wird häufig die Entscheidung unter Risiko mit der Entschei-
dung unter Ungewissheit verwechselt. Eine Entscheidung unter Un-
gewissheit liegt nämlich immer dann vor, wenn man zwar die
eintretenden Situationen vorhersehen kann, aber nicht die Eintritts-
wahrscheinlichkeiten.
80
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die Ursachen fehlerhafter Entscheidungen
Wenn man zum Beispiel Aktien kauft, weiß man sehr genau, dass der
Kurs der Aktien in Zukunft gleich bleiben, steigen oder fallen kann.
Wann allerdings welches Ereignis mit welcher Sicherheit eintritt, ist
nicht vorherzusagen, auch wenn dies von vielen Anlegern und Anlage-
beratern behauptet wird.
81
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Ein gutes Beispiel dafür sind sicherlich die zahlreichen Touristen, die
jedes Jahr von der Bergwacht in den Alpen gerettet werden müssen.
Mit Badelatschen und T-Shirts begeben sie sich in Bergregionen, die
andere nur gut ausgerüstet in Angriff nehmen. Sie unterschätzen nicht
nur die Schwierigkeiten des Geländes und des Wetters, sondern sie
überschätzen auch ihre eigene körperliche Leistungsfähigkeit. Solche
Fehlentscheidungen enden dann oft mit Knochenbrüchen und Erfrie-
rungen, manchmal auch mit dem Tod.
Auch der Einfluss auf die Zukunft wird oft überschätzt. Wie sicher ist
der Arbeitsplatz wirklich? Sollte man sich das Haus mithilfe einer Rie-
senhypothek wirklich kaufen oder lieber noch abwarten und weiter-
sparen?
82
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die Ursachen fehlerhafter Entscheidungen
Wenn ein Unternehmen allerdings über lange Zeit bei einer techni-
schen Lösung bleibt, die zwar teuer ist, aber zunächst den Vorsprung
auf dem Markt sicherte, dann aber keine neuen Lösungen entwickelte,
als die Wettbewerber längst bessere und preiswertere anboten, ist diese
Beständigkeit und Konsistenz sicherlich von Nachteil. Ein Beispiel
dafür war sicherlich der Kamerahersteller Leica.
Noch schlimmer ist es, wenn wir bei Finanzentscheidungen den fal-
schen Bezugspunkt wählen. Wenn wir vor einigen Jahren eine Aktie zu
einem bestimmten Preis gekauft haben, der Kurs aber nun zu fallen
beginnt, weil das Unternehmen nicht so erfolgreich ist wie andere und
Änderungen nicht in Aussicht stehen, sollten wir uns möglicherweise
überlegen, diese Aktie zu verkaufen.
83
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Der Ankereffekt entfaltet also immer dort seine Wirkung, wo man sich
auf eine bestimmte Information bezieht, ohne zu überprüfen, ob diese
überhaupt oder zumindest immer noch relevant ist.
Sicherlich spielt hier auch die Gewöhnung eine Rolle. Wir haben etwas
immer so gemacht. Warum sollten wir es jetzt anders machen? Huf-
schmiede wollten lange Zeit nicht an den Siegeszug des Autos glauben,
Schiffswerften bauten weiter Segelschiffe statt Dampfschiffe und die
Deutsche Post mochte lange Zeit nicht einsehen, dass sie die Telefon-
gebühren senken muss, wenn neue Anbieter mit günstigeren Tarifen
auf den Markt kommen.
Manche Grundbesitzer blieben auch stur, als man ihnen immer höhe-
re Preise für ihre Grundstücke bot, um dort eine neue Autobahn bau-
en zu können. Schließlich wurde das Problem durch Enteignung ge-
84
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die Ursachen fehlerhafter Entscheidungen
löst, was absehbar war. Da erhielten sie dann für ihr Grundstück weit-
aus weniger, als man ihnen zuvor freiwillig geboten hatte.
Macht einem Händler die Konkurrenz Ärger, dann senkt er die Preise
und die Kunden kommen zu ihm zurück. Erfahrungsgemäß haben
schon viele Wettbewerber dann die Segel gestrichen und er konnte
seine Preise wieder auf das alte Niveau erhöhen. Doch plötzlich gibt
ein Wettbewerber nicht auf. Ein Preiskrieg beginnt. Am vernünftigsten
wäre es jetzt, nach anderen Lösungen zu suchen, zum Beispiel das
Angebot zu verändern oder neue Lieferanten zu finden. Doch die alte
Vorgehensweise, die Preise immer weiter zu senken, hat sich ja be-
währt. Also greift der Händler zu der Methode „mehr von demselben“.
Der ruinöse Preiskrieg setzt sich fort und dummerweise bleibt dieses
Mal der Händler auf der Strecke.
Häufig ist es gerade die Erfahrung, die uns helfen sollte, zu besseren
Lösungen zu kommen, die uns den Blick auf neue Möglichkeiten ver-
stellt. Wir sollten also unsere Erfahrungen immer wieder auf den Prüf-
stand stellen.
Im Rahmen der EU standen sie allerdings nicht mehr nur mit ihren
Nachbarn im Wettbewerb, sondern auch mit Bauern in Frankreich,
Italien und Spanien.
85
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Die Preise für ihre Produkte sanken, doch die produzierte Menge ließ
sich kaum steigern. Also gaben sie sich mit geringeren Einnahmen
zufrieden. Dann begannen sie, sich eine zusätzliche Arbeit zu suchen,
um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Doch die Verluste
wurden immer größer. Irgendwann mussten sie dann aufgeben.
Viele Aktienbesitzer verkaufen ihre Aktien erst dann, wenn der Höchst-
preis überschritten worden ist und der Kurs wieder sinkt, weil sie ein
noch weiteres Absinken befürchten. Da sie die Aktien gekauft haben, als
die Kurse auf dem Weg nach oben waren, kann es ihnen sehr leicht pas-
sieren, dass der aktuelle Kurs nun unter ihren Einkaufspreis sinkt. Des-
halb werden sie auch sinkende Aktien zunächst im Portfolio behalten,
86
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die Ursachen fehlerhafter Entscheidungen
bis der Kurs so tief gefallen ist, dass die Angst vor weiteren Verlusten
größer ist als die Hoffnung auf erneut steigende Kurse.
Häufig ist es dann so, dass der Aktienkurs kurz nach dem Verkauf
wieder anzieht. Hier kommt die alte Börsenregel zur Geltung: „Hin
und her macht Taschen leer“.
Um seinen Studenten die Angst vor Verlusten und die daraus resultie-
rende Verhaltensweise plastisch vor Augen zu führen, entschied sich
ein Universitätsprofessor, einen 20-Dollar-Schein zu versteigern. Al-
lerdings legte er eine ganz spezielle Regel fest. Die Banknote erhielt
derjenige, der das höchste Gebot abgab, aber derjenige mit dem zweit-
höchsten Gebot musste ebenfalls zahlen.
Am Anfang kam die Auktion gut in Gang. Einer bot einen Dollar, der
nächste zwei, dann drei, dann vier. Wenn die Auktion bei Preisen zwi-
schen zwölf und 16 Dollar angekommen war, dämmerte den meisten
Studenten, dass es nun an der Zeit wäre, nicht weiter zu bieten. Denn
wenn man überboten würde, müsste man eine Menge Geld zahlen,
ohne etwas dafür zu bekommen.
Meist blieben zwei Bieter übrig, die einen möglichen Verlust um jeden
Preis vermeiden wollten. Wenn der Meistbieter 20 Dollar für den 20-
Dollar-Schein bot, sah sich derjenige, der 19 geboten hatte, in der Re-
gel gezwungen, nun auf 21 zu gehen. Der Verlust von einem Dollar
wäre immer noch leichter zu verschmerzen als der Verlust von 19.
Doch genauso sah es der andere auch. Lieber zwei Dollar verlieren als
20 Dollar.
Der höchste Preis, den der Professor jemals für seine 20-Dollar-Note
erzielt haben soll, waren, wenn man den Informationen glauben darf,
400 Dollar. Übrigens, das Geld hat er nicht in die eigene Tasche ge-
steckt, sondern für wohltätige Zwecke gespendet.
Damit niemand glaubt, dass nur Studenten Opfer ihres eigenen Ver-
haltens werden, wurden diese Versteigerungen auch schon im Rahmen
von Managerseminaren durchgeführt und, wie sollte es anders sein,
mit dem gleichen Ergebnis. Wenn es um Verluste geht, sind die Ent-
scheider in der Wirtschaft offensichtlich auch nicht schlauer.
87
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die vier Systeme, die unser Denken regulieren
Als Beispiel bringt er die Vorstandssitzung einer großen Firma, bei der
der Vorstandsvorsitzende und die zehn Vorstände über den Bau einer
neuen Fabrik im Wert von 100 Millionen Pfund entscheiden müssen.
Vier von ihnen wissen gar nicht, wie die Fabrik funktioniert, drei ha-
ben keine Ahnung, wozu sie dient.
Von den restlichen vier Vorständen wissen nur zwei, was so eine Fa-
brik überhaupt kosten darf, von denen der eine noch ein paar persön-
liche Freunde ins Geschäft bringen will, was abgelehnt wird, und der
letzte überhaupt keine Lust hat, den anderen zu erklären, worum es
überhaupt geht. Also wird der Neubau innerhalb von 15 Minuten
beschlossen.
Die Geschichte von Parkinson ist zwar sehr lustig zu lesen, entspricht
aber leider dem, was uns bei Entscheidungen tagtäglich selbst wider-
fährt. Wir wissen, was ein Füllhalter kann, wie er aussehen und was er
kosten sollte. Deshalb fällt uns die Entscheidung im Schreibwarenge-
schäft unendlich schwer. Was die technischen Beschreibungen eines
Personal Computers besagen oder auch nicht, ist für die meisten Men-
schen ein Buch mit sieben Siegeln, deshalb gehen sie zum Discounter,
wenn es dort ein zeitlich befristetes Sonderangebot gibt. Die aufge-
88
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die Ursachen fehlerhafter Entscheidungen
wendete Zeit für diese Entscheidung ist in den meisten Fällen wahr-
scheinlich ebenfalls deutlich kürzer als beim Kauf eines Füllhalters.
Das mag daran liegen, dass das Schmerzzentrum, das auch für Verluste
zuständig ist, nachhaltiger arbeitet als das Belohnungszentrum. Wäh-
rend das Belohnungszentrum sich schon längst wieder nach neuen
Aufgaben umsieht, wird das Schmerzzentrum einen Verlust erst dann
wieder vergessen, wenn ein noch größerer eingetreten ist. Deshalb
können sich Menschen auch an Gewinnen nicht so sehr freuen, wie sie
Verluste fürchten.
89
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Ich und mein Verstand
Viele Menschen fragen sich, wenn sie über sich selbst nachdenken: „Wer
war zuerst da, ich oder mein Verstand?“ Diese Frage impliziert allerdings
schon die Annahme, dass man zwischen dem Ich und dem Verstand tren-
nen kann. Mein Ich, also meine Identität, wird als etwas anderes erlebt
als mein Verstand, den ich eher als ein Instrument betrachte. So wie ich
mit meiner Hand etwas greifen und bewegen kann, kann ich auch mit
meinem Verstand etwas begreifen und meine Gedanken bewegen. Ob
diese Trennung zwischen dem Ich und dem Verstand richtig ist, wollen
wir in den folgenden Kapiteln untersuchen.
91
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Ich und mein Verstand
Ich bin der Überzeugung, dass sich sowohl das Ich als auch das Be-
wusstsein und letztendlich auch der freie Wille aus dem Zusammen-
spiel aller Elemente des Denkens ergeben. Es gibt im Gehirn keinen
festen Ort, an dem das Ich gespeichert ist, an dem Bewusstsein ent-
steht, und auch keinen, an dem sich der freie Wille manifestiert.
Es ist praktisch wie ein Scheinwerfer, den wir in dunkler Nacht auf
unsere Umgebung richten. Was im Kegel des Scheinwerfers ist, erken-
nen wir klar und deutlich. Wenn wir ihn weiterbewegen, sehen wir
neue, andere Dinge, und doch wissen wir, dass das, was wir vorher
gesehen haben, immer noch vorhanden ist, auch wenn wir es nicht
mehr sehen.
Ebenso verhält es sich mit dem Ich. Ich weiß, wer ich jetzt bin und
kann mich auch anderen Menschen gegenüber erklären. Dabei setzt
sich das Ich aus einem Kaleidoskop der unterschiedlichsten Elemente
zusammen. Ich bin, was ich gerade fühle, was ich mir wünsche. Aber
zum Ich gehören auch mein Körper, mein Familienstand, mein Beruf,
meine politischen Ansichten und selbst meine Familie, meine Freunde,
mein Haus und mein Auto. Alles gehört irgendwie zu mir dazu.
Mein Ich reicht also über meine Person hinaus und manifestiert sich
in vielen Attributen, die mir alle so lange gar nicht bewusst sind, bis
ich sie mir ins Bewusstsein rufe oder sie mir von anderen ins Bewusst-
sein gerufen werden, zum Beispiel mit der Frage, ob ich etwas mag
oder etwas nicht mag.
92
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Identität – bin ich einzigartig?
Auch das Kern-Ich verändert sich ganz sicherlich aufgrund neuer Er-
fahrungen. Dabei ist es nicht so, dass der Mensch diese Veränderungen
in der Regel bewusst steuert, ja nicht einmal steuern kann, sondern
dass sie eher von anderen Personen an ihm bemerkt werden. Zur
Selbstwahrnehmung gehört immer eine gewisse Distanz. Ich weiß
deshalb auch, wer ich vor zehn Jahren oder vor dreißig Jahren war.
Zumindest weiß ich es aus heutiger Sicht besser als damals.
Gene steuern nicht nur den Aufbau und die Entwicklung des Körpers,
sondern auch des Gehirns, denn schließlich ist es auch nur ein Teil des
ganzen Menschen. Ebenso wie die Gene im Körper auf Umweltreize
und auf körpereigene Informationen reagieren und biologische Prozesse
an- oder abschalten, geschieht dies auch mit den Gehirnzellen. Diese
93
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Ich und mein Verstand
Man kann mit großer Sicherheit annehmen, dass bei jedem Menschen
zu Beginn seines Lebens ein solches Fähigkeitsmuster vorhanden ist
und dass diese Fähigkeiten auch das Ziel verfolgen, sich zu entwickeln.
Leider ist es keineswegs einfach, diese Befähigungsmuster bei einem
Menschen so frühzeitig zu entdecken, dass sie gezielt gefördert werden
können. Im Grunde genommen muss man darauf vertrauen, dass der
einzelne Mensch in seiner Entwicklung den für ihn richtigen Weg ge-
hen wird und diesen durch seine Interessen deutlich macht.
Es nützt dem Kind wenig, wenn die Eltern versuchen, die Interessen in
eine bestimmte Richtung zu lenken. Wo keine ausgeprägten Fähigkei-
ten sind, kann man sie auch nicht wachrufen, selbst wenn man noch
so schöne Angebote macht. Aber geradezu verheerend wirkt es sich
aus, wenn bestimmte Interessen nicht nur kanalisiert, sondern radikal
unterbunden werden.
94
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Identität – bin ich einzigartig?
Über die genaue Bedeutung, den Umfang und die Auswirkungen sol-
cher Defekte ist man sich heute allerdings noch weitgehend im Unkla-
ren. Wichtig erscheint jedoch, dass der Krankheitsbegriff eindeutig auch
auf Vorgänge erweitert werden muss, die sich bisher jeglicher Beob-
achtung entzogen haben. Dass sich in diesem Zusammenhang die Dis-
kussion um den freien Willen wieder neu entzündet, ist unausweichlich.
Solange das Bewusstsein als oberste Autorität galt, konnte man davon
ausgehen, dass dort der Wille und damit auch die Entscheidungsfreiheit
einer Person sowie deren Verantwortung für ihr Handeln ihren Sitz
haben. Werden Entscheidungen jedoch unbewusst und damit unabhän-
gig vom Bewusstsein getroffen, sind sie sowohl der Beobachtung als
auch der Kontrolle des handelnden Menschen entzogen.
95
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Ich und mein Verstand
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass der Mensch als soziales
Wesen angelegt ist. Die Gene erhöhen ihre Überlebenschance nicht
dadurch, dass sich Mann und Frau allein durchs Leben schlagen und
sich nur gelegentlich zum Akt der Fortpflanzung begegnen, sondern
dadurch, dass der Mensch in der Gemeinschaft mit anderen lebt. Spä-
testens ab seiner Geburt ist der Mensch gezwungen, mit anderen zu
interagieren.
Weil das Gehirn ein soziales Organ ist, bewegt sich die Selbstwahr-
nehmung wahrscheinlich je nach Situation zwischen Einzigartigkeit
und Ähnlichkeit, also zwischen dem Ich und dem Wir.
Sicherlich wird die Intelligenz sowohl durch die Gene als auch durch
die Lebensbedingungen gestärkt oder geschwächt. Beides, seine geneti-
96
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Welche Rolle spielt die Intelligenz?
sche Ausstattung und sein soziales Umfeld, kann sich der Mensch am
Anfang seines Lebens nicht aussuchen. Aber immerhin hat er auf-
grund der Plastizität seines Gehirns lebenslange Entwicklungschancen
und kann seine Stärken ausbauen und natürlich versuchen, seine
Schwächen zu kompensieren.
Für andere Wissenschaftler ist ein Mensch intelligent, der über die
Fähigkeit verfügt, sich an neue Situationen und sich verändernde An-
forderungen anzupassen, der in der Lage ist, zu lernen und Erfahrun-
gen oder Übungen optimal zu nutzen, und der die Fähigkeit besitzt,
abstrakt zu denken und Symbole und Begriffe zu gebrauchen.
97
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Ich und mein Verstand
Populär wurde der Begriff der emotionalen Intelligenz durch den Psy-
chologen und Publizisten Daniel Goleman. Als emotionale Intelligenz
beschreibt er die Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu reflektieren und
nicht von ihnen überwältigt zu werden, sondern sie situationsabhängig
zu beherrschen, zu integrieren und zu instrumentalisieren, indem man
sich in sich selbst und andere Menschen einfühlt.
Wie weit die emotionale Intelligenz genetisch bedingt ist oder erwor-
ben wird, ist höchst umstritten. Untersuchungen an Menschen mit
Hirnschädigungen des Frontallappens haben allerdings schon erwie-
sen, dass diese nur noch rein vernunftmäßig agieren und damit deut-
lich schlechter im Alltag zurechtkommen als Menschen, die auf ihre
Emotionen zurückgreifen können.
98
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Welche Rolle spielt die Intelligenz?
Es ist erstaunlich, wie dumm viele Menschen sind, denen von der Öf-
fentlichkeit durchaus eine hohe Kompetenz zugeschrieben wird. Sehen
Sie sich doch einmal die Personen an, die, aus welchem Grund auch
immer, zur Prominenz der Unterhaltungsbranche zählen und uns
tagtäglich im Rundfunk und Fernsehen präsentiert werden.
Wenn ein intelligenter Mensch nicht die Chance hat, zur Schule zu
gehen, wie es in den Entwicklungsländern der Fall ist, wird er weder
Lesen noch Schreiben lernen und auch keinen Zugang zu moderner
Technik erhalten. Das heißt aber noch lange nicht, dass er dumm ist.
Auf der anderen Seite können unintelligente Menschen im Rahmen
entsprechender Ausbildungssysteme durchaus große Mengen Wissen
anhäufen, ohne dadurch klüger zu werden.
99
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die zwei Prinzipien der menschlichen
Natur
Bei jedem geistig gesunden Menschen steuern zwei einander entgegen-
gesetzte Prinzipien das Verhalten. Man kann sie mit den Begriffen Al-
truismus und Egoismus bezeichnen, aber auch als das soziale und das
ökonomisch-egoistische Prinzip. Ihre extremsten Ausprägungen sind
aufopfernde Nächstenliebe und mörderische Habgier. Im Alltag finden
wir allerdings eher Formen der Hilfsbereitschaft oder des Nützlich-
keitsdenkens. Beide Prinzipien stehen zueinander im Gegensatz und
sind bei den verschiedenen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt.
101
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die zwei Prinzipien der menschlichen Natur
Schon bei Kleinkindern, die noch nicht sprechen können, lassen sich
beide Verhaltensweisen beobachten. Lachen ist nach dem Motto „ge-
teilte Freude ist doppelte Freude“ ebenso ansteckend wie Traurigkeit,
die dann entweder dazu führt, dass alle weinen, wenn einer weint, oder
aber, dass die anderen Kinder den traurigen Spielkameraden zu trös-
ten versuchen. Dabei spielen Gesten wie das gegenseitige Streicheln
oder in den Arm Nehmen eine große Rolle.
102
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Hilfsbereite Menschen wollen kein Geld
Ein anderes Experiment sah so aus, dass ein junger Mann eine sehr
unhandliche Kommode aus einem Lieferwagen ausladen und in ein
Haus tragen wollte. Wenn er vorbeikommende Passanten darum bat,
ihm beim Tragen zu helfen, waren die meisten dazu bereit. Ebenso
wenn es auch noch um ein zweites Möbelstück ging.
Die Situation änderte sich jedoch, wenn der junge Mann nach dem
Tragen des ersten Möbelstücks eine kleine finanzielle Belohnung an-
bot. Die wurde in der Regel nicht nur abgelehnt, sondern verhinderte
auch, dass die Passanten beim zweiten Schrank ebenfalls mit anfassten.
Wenn den Passanten von vornherein eine geringe Geldsumme für die
Hilfe angeboten wurde, verweigerten sie sich ebenfalls.
Was akzeptiert wurde, war allenfalls ein kleines Geschenk, wie zum
Beispiel ein Schokoriegel, der in keiner Beziehung zur erbrachten Leis-
tung stand und im Nachhinein als symbolische Geste der Dankbarkeit
angeboten wurde. Geld, in welcher Form auch immer, setzt das soziale
Prinzip außer Kraft.
Das zeigte sich auch bei einer Umfrage unter Rechtsanwälten. Wurden
sie gefragt, ob sie bereit wären, gegen ein geringes Entgelt hilfsbedürf-
tigen Menschen juristischen Rat zu erteilen, lehnten sie in der Regel
ab. Wurden sie jedoch gebeten, diesen Rat kostenlos zu geben, stimm-
ten sie mehrheitlich zu.
103
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die zwei Prinzipien der menschlichen Natur
Ihr Verhalten änderte sich erst, als sich jemand bereits um die hilflose
Person kümmerte und den eiligen Studenten ganz gezielt bat, ihn bei
der Hilfeleistung zu unterstützen. Plötzlich war der wichtige Brief
nicht mehr so wichtig. Ähnliche Experimente gab es auch mit Passan-
ten. Zunächst stiegen sie vollkommen unbeteiligt über eine auf dem
Gehweg liegende Person hinüber oder machten einen Bogen um sie.
Auch hier war erst eine direkte Ansprache nötig.
104
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Spontane Hilfe ist selten
Nun kann man sich allerdings fragen, welche Folgen die modernen
Lebensweisen der westlichen Gesellschaft haben. Werden die festen
Familienbande durch ebenso starke Unterstützungsmaßnahmen im
Freundeskreis ersetzt oder wird Hilfe zukünftig nur noch gegen größe-
re Geldsummen zu kaufen sein?
105
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wahrnehmung – die Verbindung zur Welt
Auch wenn wir es zunächst nur ungern akzeptieren, der größte Teil unse-
res Denkens wird von außen bestimmt. Schließlich sind unsere Sinnes-
wahrnehmungen zum allergrößten Teil nach außen gekehrt, um eben
gerade Informationen von der Umwelt nach innen zu schaffen, sie zu
verarbeiten, zu bewerten und sie dann eventuell unserem bewussten Den-
ken zugänglich zu machen. Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Füh-
len sind schließlich kein Selbstzweck.
Die Informationen, die auf uns einstürmen, sind von höchst unterschied-
licher Qualität. Ob wir nun Fernsehen, eine Zeitung aufschlagen oder ein
Buch lesen, ob wir durch die Natur wandern oder durch die finsteren
Straßen einer Stadt gehen, immer strömen Informationen auf uns ein
und lenken unsere Gedanken.
Wir agieren nicht, sondern wir reagieren. Das heißt nicht, dass wir wie
die Pawlowschen Hunde in unserem Verhalten konditioniert sind, son-
dern dass die Konditionierung, wenn wir diesen Begriff verwenden wol-
len, darin besteht, ständig auf die Umwelt zu reagieren. Welche Reaktio-
nen wir zeigen, hängt dann allerdings wieder von den individuell
vorhandenen Mustern ab.
107
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wahrnehmung – die Verbindung zur Welt
Solche Einflüsse kann der Mensch deshalb nicht steuern, weil er sie
überhaupt nicht bemerkt. Weder der groß angelegte verbale Schlagab-
tausch mit Argumenten in politischen Talkshows noch detaillierte
Berichte über die politische und wirtschaftliche Lage in den wöchentli-
chen Nachrichtenmagazinen können uns so stark beeinflussen wie ein
kurzes Lächeln der Nachrichtensprecherin beim Namen Obama oder
ein plötzliches Stottern des Wirtschaftsministers in einer Talkshow.
Nachdem der Test beendet war, bat man die einzelnen Teilnehmer, das
Gebäude über eine Treppe, die sie hinaufsteigen mussten, zu verlassen.
Für die Probanden war das Experiment jetzt zu Ende, doch für die For-
scher begann es erst. Sie stoppten nämlich die Zeit, die die verschiede-
nen Teilnehmer brauchten, um die vorgegebene Strecke zurückzulegen.
Diejenigen, die sich mit Alter, Krankheit und Gebrechlichkeit befasst
108
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Äußere Einflüsse sind wichtiger als wir vermuten
hatten, stiegen die Treppe wesentlich langsamer nach oben als diejeni-
gen, die sich mit Leistung, Sport und Erfolg beschäftigt hatten.
Aber nicht nur die Geschwindigkeit des Treppensteigens lässt sich auf
diese Weise manipulieren. Auch Freundlichkeit, Geduld und Ehrlich-
keit sind auf einfache Weise formbar und sogar die Leistungsfähigkeit
in Rechentests lässt sich durch negative oder positive Denkmuster
beeinflussen.
Welche Einflüsse auf uns wirken, wird uns in der Praxis so gut wie nie
bewusst. Doch das heißt nicht, dass wir uns manche Einflussfaktoren
nicht bewusst machen können, wenn wir ihre Wirkung kennen.
109
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wahrnehmung – die Verbindung zur Welt
Es gibt ebenso viele Statistiken, die beweisen, dass das Wetter den
Menschen nicht beeinflusst, weil er in den jeweiligen Klimazonen mit
Ausnahme von Extremwetterlagen daran angepasst ist, wie solche, die
das Gegenteil behaupten. Vielleicht spielt aber das Wetter selbst gar
nicht die Hauptrolle, sondern die inneren Erwartungen, die wir damit
verbinden.
Wenn wir uns bewusst sind, dass wir das Gehtempo eines Menschen
durch stärkende oder schwächende Worte beeinflussen können, dann
gilt diese Regel auch für alle anderen Lebenssituationen. Worte sind
mächtige Instrumente, um andere Menschen zu beeinflussen. Wir
müssen in der richtigen Situation nur die richtigen Worte wählen.
110
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Äußere Einflüsse sind wichtiger als wir vermuten
Dass der Duft von Zitronen oder Kaffee nicht nur beim Autofahren
ein klareres Denken fördert, wissen wir auch aus anderen Situationen.
Schließlich soll schon Friedrich Schiller duftende Apfelschalen in sei-
ner Schreibtischschublade liegen gehabt haben, die ihn beim Dichten
inspirierten.
111
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wahrnehmung – die Verbindung zur Welt
112
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Äußere Einflüsse sind wichtiger als wir vermuten
die andere machen, werden von ihnen erkannt. Wenn wir in so hohem
Maße auf das Verhalten anderer Menschen unbewusst reagieren, ist es
auch nicht mehr verwunderlich, dass unser eigenes Verhalten über-
wiegend durch Impulse von außen bestimmt wird.
Lange Zeit hielt man es für unmöglich, dass einzelne Neuronen oder
kleinere Neuronenhaufen dafür zuständig sein können, ganz bestimm-
te Personen zu erkennen, beispielsweise die eigene Großmutter auf
einem Foto oder in einer Gruppe anderer Menschen. So war der Be-
griff „Großmutterzellen“ ursprünglich als Witz gemeint. Der lustige
Begriff ist geblieben, aber heute weiß man, dass das Gehirn trotz seiner
Milliarden von Nervenzellen sparsam mit den Ressourcen umgeht und
für Dinge oder Personen, die wichtig sind, spezielle Erkennungseinhei-
ten bereitstellt.
113
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wahrnehmung – die Verbindung zur Welt
114
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Äußere Einflüsse sind wichtiger als wir vermuten
Meme reproduzieren sich besonders schnell, wenn sie nicht nur den
Intellekt des Menschen ansprechen, sondern in besonderem Maße
seine Gefühle. Kein Wunder also, dass ein Witz besser haften bleibt
und schneller weitergegeben wird als eine chemische Formel. Und
wenn Harald Schmidt im Fernsehen ein gutes Bonmot erzählt hat,
wird es sich am nächsten Tag in den Universitäten und unter Arbeits-
kollegen Zigtausendfach weiterverbreiten.
Meme müssen aber gar nicht unbedingt bewusst gemerkt und gelernt
werden. Auch sie haben das Talent, sich über unbewusste Informatio-
nen in den Köpfen einzunisten, wenn es ihnen gelingt, den berühmten
Tipping Point zu überwinden, also in einer bestimmten Häufung in
der Gesellschaft aufzutreten. So entstehen spontane Moden und letzt-
endlich auch Buchbestseller.
Manche Meme überdauern nur wenige Tage oder Wochen, andere wie
zum Beispiel die Filme vom Krieg der Sterne Jahrzehnte oder wie die
Komödien von Moliere oder antike Theaterstücke Jahrhunderte. Sie
alle steuern uns in einer gewissen Weise zunächst von außen und wer-
den dann zu festen Bestandteilen unserer Denkmuster.
115
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wahrnehmung – die Verbindung zur Welt
Beispiel „Alles hat seinen Preis“ oder „Die Nachfrage regelt das Ange-
bot“. Auch die Vorstellung, dass es im Prinzip jedermann vom Teller-
wäscher zum Millionär bringen kann, ist ein ökonomisches Mem, das
unser Denken beeinflusst und bestimmt.
Zurzeit machen sich gerade die Neuroökonomen daran, mit einer gan-
zen Reihe falscher ökonomischer Meme aufzuräumen und die Idee des
Homo oeconomicus zu demontieren. Bis sie damit allerdings in den
Köpfen aller in der Wirtschaft Verantwortlichen ankommen, wird es
noch eine geraume Zeit dauern. Die Vorstellung, dass der Mensch nur
nach seinem Vorteil Ausschau hält und hauptsächlich durch die Aus-
sicht auf mehr Geld zu motivieren ist, wird als Mem noch einen zähen
Verteidigungskampf um den Platz in den Köpfen der Menschen führen.
Ein großes Problem stellen für das Gehirn zufällige Ereignisse dar, weil
hier die Fähigkeit zur Vorhersage versagt. Das Gehirn versucht des-
116
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Äußere Einflüsse sind wichtiger als wir vermuten
Es ist tatsächlich so, dass ein großer Teil der Menschen so genannte
Newsseeker sind. Deren Gehirn ist geradezu begierig, neue Dinge zu
erkennen, Neues zu lernen und Neues zu erproben. Dadurch werden
immer wieder Verhaltensänderungen ausgelöst, die nicht nur in der
Frühzeit des Menschen von Vorteil waren, indem ein Jäger die ge-
wohnten Pfade verließ und deshalb nicht zur Beute von Raubtieren
wurde, die seine Gewohnheiten kannten und ihn als fette Beute erwar-
teten. Der Drang zu Neuem hält nicht nur das Gehirn fit, sondern
sichert auch das Überleben.
Der Drang nach Neuem macht uns in Verbindung mit dem Wunsch,
etwas haben zu wollen, und das auch möglichst noch als Sonderange-
bot, schnell zu einem willfährigen Opfer der Werbe- und Marketing-
strategen.
117
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wahrnehmung – die Verbindung zur Welt
118
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werbung lebt davon, wahrgenommen zu werden
Dabei hat man schon lange festgestellt, dass nicht die Ansprache der
Vernunft die größten Erfolge im Hinblick auf das gewünschte Resultat
bringt, sondern die Ansprache der Emotionen. Die besten Resultate
erzielten Verkäufer nicht, wenn sie ihre Kunden bedrängten oder
überredeten, sondern überzeugten. Wenn ein Mensch bei dem, was er
tut, gute Gefühle hat, wird er es auch gern wieder tun.
Und hier kommen nun wieder die Neurowissenschaften ins Spiel, die
nämlich festgestellt haben, dass es doch so eine Art zentralen Schalter
im Gehirn gibt, den man tätigen muss, nämlich das Belohnungssystem
zu aktivieren. Denn nichts möchte das Gehirn lieber, als sich selbst für
sein Denken und Entscheiden zu belohnen.
Wenn die Mimik eines Verkäufers in ihren kleinsten von ihm selbst
unbewusst erzeugten Details den größten Einfluss auf den Käufer hat,
ist es fraglich, wie der Verkäufer diese Signale, die er ja unbewusst
aussendet, in den Griff bekommen soll, selbst wenn er um ihre Wir-
kung weiß. Wahrscheinlich müsste er zu diesem Zweck seine eigene
innere Haltung entsprechend verändern. Ob ihm das aber möglich ist?
Schon immer gab es gute und schlechte Verkäufer, gute und schlechte
Schauspieler sowie überzeugende und weniger überzeugende Politiker.
Die Guten müssen etwas anders gemacht haben als die Schlechten, nur
was dies war, konnten sie meist selbst nicht erklären. Und wenn sie es
doch versuchten, entstanden meist Anleitungen, die zwar rational
nachvollziehbar waren, die aber letzten Endes für die schlechten Ver-
treter ihres Gewerbes keine Hilfe darstellten.
119
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wahrnehmung – die Verbindung zur Welt
Die Erwartungen auf beiden Seiten waren allerdings sehr hoch, viel-
leicht sogar überzogen. Inzwischen hat man zu einer realistischen Be-
trachtungsweise zurückgefunden. Allerdings mit der Folge, dass einige
Unternehmen ihre Beteiligung an der finanziellen Förderung der
Grundlagenforschung einstellten.
120
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werbung lebt davon, wahrgenommen zu werden
Doch erst wenn man die Ergebnisse der Hirnforschung in ihrer gesam-
ten Breite mit den Erkenntnissen aus der Psychologie, den Wirt-
schaftswissenschaften, den Kulturwissenschaften und der Marktfor-
schung verbindet, entsteht ein Bild, das Praxisrelevanz hat.
Aus Sicht der Hirnforschung haben deren Ergebnisse bisher auch nur
zu einem Teil Eingang in die Werbung gefunden. Es ist keineswegs so,
dass sich die Neurowissenschaftler als die Marketing- und Kommuni-
kationsfachleute der Zukunft sehen. Doch werden die Interessen in
Agenturen und bei ihren Kunden, den Unternehmen, nicht nur von
wissenschaftlichen Überlegungen bestimmt, sondern auch vom kultu-
rellen Hintergrund, Emotionen und persönlichen Vorlieben.
In einigen Fällen werden die Preise mit einem Rabattsymbol, also zum
Beispiel einem %-Zeichen oder „Angebot“, versehen. Vergleicht man
121
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wahrnehmung – die Verbindung zur Welt
Von dieser Struktur wird angenommen, dass sie dazu beiträgt, (Kauf-)
Alternativen gründlich abzuwägen. Dies bedeutet, dass ein Rabattsym-
bol diese Hirnregion in ihrer Aktivität hemmt und somit wahr-
scheinlich auch kritische Abwäge- und Entscheidungsprozesse ab-
kürzt: Die komplizierte Frage nach der Angemessenheit des Preises
erscheint ja bereits gelöst. Dieser Befund entspricht der Alltagserfah-
rung und Vorgehensweise vieler vertrauensseliger Menschen.
In der dritten Testphase wurde das unbekannte Gesicht durch das Bild
einer Person ersetzt, die im Fernsehen eine gewisse Prominenz erlangt
hat. Die Aufmerksamkeit der Kunden steigerte sich nochmals. Aller-
dings waren die Unterschiede zwischen dem unbekannten und dem
122
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werbung lebt davon, wahrgenommen zu werden
prominenten Gesicht nicht so stark wie zwischen dem Logo und der
Abbildung des unbekannten Gesichts.
Daraus könnte man folgern, dass die Werbung mit prominenten Köp-
fen mehr bringt als ein noch so raffinierter Schriftzug. Doch ganz so
simpel funktioniert das Gehirn nicht.
Auch wenn Thomas Gottschalk und sein Bruder offensichtlich ein Er-
folgsteam beim Börsengang der Postbank darstellten und Thomas
Gottschalk allein schon fast zum Synonym für Gummibärchen gewor-
den ist, bedeutet das noch lange nicht, dass andere Prominente mit
ähnlich hohen Fernseheinschaltquoten für ein x-beliebiges anderes
Produkt in vergleichbarer Weise erfolgreich wären. Hier bedarf es noch
weiterer Forschungsarbeit, um herauszufinden, welche Rolle der Be-
kanntheitsfaktor an sich spielt und welche die der dargestellten Figur.
Wer einen Arzt spielt, kann glaubhafter Tipps zur Gesundheit geben,
während man einem Fernsehkommissar wahrscheinlich eine größere
Kompetenz bei Autos oder Geldanlagen zuspricht. Bei Kosmetika oder
Haarprodukten fallen die dargestellten Charaktere einer Schauspiele-
rin wiederum weniger ins Gewicht. Was aber wie genau wirkt, muss
noch im Detail erarbeitet werden.
123
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wahrnehmung – die Verbindung zur Welt
Dies sollte zeigen, wie die Hirnforschung und die Ökonomie gut zu-
sammenarbeiten. Natürlich müssen hierbei ethische Regeln im Hin-
blick auf die Manipulation des Menschen zum Zweck der Werbewirk-
samkeit beachtet werden.
124
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir uns verändern – oder auch
nicht
Gerade jetzt, während Sie diese Zeilen lesen, verändert sich Ihr Gehirn.
Vielleicht schweifen Ihre Gedanken ab und Sie denken darüber nach, wie
Sie sich selbst verändert haben können, oder Sie denken an Freunde und
Bekannte, die im Laufe ihres Lebens ganz andere Menschen geworden
sind. Vielleicht denken Sie aber auch „So ein Quatsch, ich habe mich
nicht verändert“. Tatsächlich nicht? Haben Sie nichts in Ihrem Leben
dazu gelernt und nichts vergessen?
Von Bertolt Brecht gibt es eine Sammlung von „Geschichten vom Herrn
Keuner“. Eine trägt die Überschrift „Das Wiedersehen“. Sie lautet folgen-
dermaßen: Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte
ihn mit den Worten: „Sie haben sich gar nicht verändert“. „Oh!“, sagte
Herr K. und erbleichte.
125
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir uns verändern – oder auch nicht
Es reichen oft schon sehr kleine und ganz alltägliche Dinge, die das
Denken in andere Bahnen lenken, ein Lächeln, ein überraschender
Anruf oder eine unerwartete Aufmerksamkeit. Plötzlich sehen wir uns
in einem ganz anderen Licht, betrachten ein Problem von einer ganz
anderen Seite und treffen anschließend eine ganz andere Entschei-
dung, als wir es noch vor einigen Stunden, Minuten oder sogar Sekun-
den getan hätten.
Leider gibt es solche Abläufe nicht nur zum Guten, sondern auch zum
Schlechten. Ein böser Blick, ein Anruf zur falschen Zeit, ein vergesse-
nes Danke, auch das verändert unser Denken.
126
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gehirn ist nicht hardwired
tief greifend zu ändern, ohne dass wir selbst den Bruch in der Konti-
nuität spüren. Das hat allerdings nichts mit Unberechenbarkeit oder
Sprunghaftigkeit zu tun.
Das geschieht sogar bei rein mentalen Übungen. Wir brauchen uns
nur sehr intensiv vorzustellen, welche Bewegung wir mit dem Tennis-
schläger machen werden, wenn der Ball auf uns zugeflogen kommt,
und dieses Gedankenspiel oft genug zu wiederholen, dann lassen sich
im Gehirn dieselben Veränderungen nachweisen wie bei einem kon-
kreten Spiel auf dem Platz.
Aber das Gehirn baut nicht nur neue Verbindungen auf, sondern auch
alte ab, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Das ließ sich beson-
ders eindrücklich im Zusammenhang mit der Amputation von Glied-
maßen nachweisen. Wenn es den linken Arm nicht mehr gibt, den das
Gehirn steuern muss, kann es die dafür vorgesehenen Ressourcen für
andere Zwecke nutzen. Bei Blinden übernehmen die für das Sehen
zuständigen Hirnregionen dann oft die Unterstützung der Verarbei-
tung akustischer Signale.
127
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir uns verändern – oder auch nicht
Neue Neuronen werden aber nur dann in das Netzwerk des Gehirns
integriert, wenn sie gebraucht werden, das heißt, wenn neue Reize und
Informationen zu verarbeiten sind. Diese können auch aus körperli-
chen Betätigungen resultieren. Wer also im Alter fit bleiben will, sollte
nicht nur seinen Verstand, sondern auch seinen Körper trainieren und
sich immer neuen Herausforderungen stellen.
128
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Neurogenese Nervenzellen wachsen nach
Gehirn ist also, wie jedes andere Organ auch, formbar und veränder-
bar. Bildgebende Verfahren haben gezeigt, dass sich zum Beispiel
durch das Erlernen einer Fremdsprache die Dichte der Hirnzellen
merklich erhöht.
Die Neurogenese ist ein wesentlicher Teil der Hirnplastizität, die sich
auf drei Stufen abspielt. Aufgrund neuer Reize können sich innerhalb
von Sekunden bereits vorhandene Synapsen zwischen den Neuronen
verstärken. Das ist notwendig, um sich an etwas soeben Geschehenes
sofort erinnern zu können. Weiter können im Verlauf von Stunden
neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen entstehen, indem neue
Synapsen wachsen und so neue Verschaltungen herstellen. Auch das
dient wieder den Gedächtnisfunktionen.
129
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir uns verändern – oder auch nicht
Aber es gibt auch Fälle, in denen der feste Entschluss eines Menschen,
sein Leben zu verändern, auch zu Änderungen seines Denkens und
seiner Denkleistungen geführt hat. Natürlich stellen sich solche neuen
Leistungen oder auch die Steigerung vorhandener Fähigkeiten nicht
von selbst ein. Es geht auch nicht darum, zu versuchen, nicht vorhan-
dene Fähigkeiten zu erzwingen, sondern vorhandene Fähigkeiten aus-
zubauen und jedem Menschen die Chance zu geben, neue Seiten an
sich selbst zu entdecken.
130
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Gewöhnung – wie stark uns der Alltag
formt
Der Wiener Musiker und Kabarettist Georg Kreisler beendet sein Lied,
das den Titel trägt „Sie sind so mies“, mit folgenden Zeilen:
„Sie sind so mies, so beharrlich mies –
Ach, ich habe mich bis heute an die grundlos miesen Leute
einfach ums Verrecken nicht gewöhnt!“
Damit unterscheidet sich Georg Kreisler ganz deutlich von der Mehrzahl
seiner Mitmenschen. Die meisten sind durchaus in der Lage, sich auch an
miese Menschen zu gewöhnen, die eine Autoritätsfunktion haben.
Gewöhnung oder Habituation bedeutet nichts anderes, als dass ein be-
stimmter, meist äußerer Reiz seine Wirkung auf das Nervensystem ver-
liert, weil er sehr häufig oder sehr gleichförmig auftritt, weil er bedeu-
tungslos oder auch für das Individuum folgenlos ist.
131
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Gewöhnung – wie stark uns der Alltag formt
Mischt man aber einen häufigen, sehr gleichförmigen Reiz mit einem
seltenen Reiz, dann führt dieser seltene Reiz schon dazu, dass das Ner-
vensystem deutlicher aktiviert wird. Will man also in einer Ereig-
niskette eine besondere Information vermitteln, muss man sie mit
einem ungewöhnlichen Reiz verbinden.
Klingelt aber das Telefon alle drei Minuten, dann wird der Telefonreiz
nicht mehr als etwas Besonderes, Neues wahrgenommen, sondern nur
noch als etwas Lästiges. Und dieser Reiz tritt in den Hintergrund, man
fängt an, dieses Geräusch zu ignorieren. Es tritt eine so genannte Habi-
tuation ein. Daraus folgt, die Mischung aus häufigen Reizen mit selte-
nen Reizen, mit ungewöhnlichen Reizen, in nicht zu häufiger Folge ist
das Geheimnis dafür, den Aufmerksamkeitsgrad einer Person in einer
bestimmten Situation aufrechtzuerhalten.
132
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Auch Ungewöhnliches kann zur Gewohnheit werden
Wenn nun der Reiz ganz ungewöhnlich ist, wenn zum Beispiel zu-
nächst Gesichter von Kindern selten gezeigt werden, häufiger von Er-
wachsenen, und plötzlich ein Bild von einem Gorilla kommt, dann ist
dieser Reiz ein so genannter Shock Novel Reiz.
Zur Steuerung der Reizverarbeitung hat das Gehirn ein relativ simples
System. Wir wollen ja nicht jeden Moment wissen, ob uns der Schuh
drückt, den wir gerade tragen, oder die Kleidung ein wenig kneift, weil
wir zu dick geworden sind, sondern wir wollen das wahrnehmen, was
für uns wichtig ist. Das heißt, alle unsere Sinnesorgane werden eigent-
lich permanent mit Informationen versorgt, trotzdem wird die Wahr-
nehmungsebene im Gehirn das für uns Wichtige oder von uns Ge-
wünschte im Moment hervorheben.
133
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Gewöhnung – wie stark uns der Alltag formt
Wie gut dieses System funktioniert, sieht man sofort, wenn in einer
solchen Situation zum Beispiel ein Schmerzreiz appliziert wird. Ein
Schmerzreiz hat dann Vorfahrt und lenkt uns innerhalb von Sekunden
von dieser Sache ab. Es gibt bestimmte Sinnesreize, die immer Vor-
fahrt haben, und dazu gehört der Schmerzreiz.
134
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gehirn kennt nur fünf
Verhaltensmuster
Auch wenn die meisten Menschen davon überzeugt sind, über ein großes
Repertoire unterschiedlichster Verhaltensweisen zu verfügen, die sie je-
weils nach dem verfolgten Ziel oder der Situation, in der sie sich befinden,
einsetzen können, lassen sich doch fünf Grundmuster erkennen, die im
Prinzip nur variiert werden.
135
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gehirn kennt nur fünf Verhaltenmuster
Als die Menschen dann begannen, nicht mehr nur als Jäger und
Sammler zu leben, sondern als Bauern sesshaft zu werden oder als
Viehzüchter mit ihren Herden durch die Weidegründe zu ziehen, ge-
wannen zwei neue Verhaltensweisen an Bedeutung, die Anpassung an
die Umwelt und die Veränderung der Umwelt.
Bereits als die Menschen die ersten Formen von Kultur entwickelten,
woran zum Beispiel die Höhlenmalereien erinnern, begannen sie damit,
bestimmte Ereignisse, aber auch ihre eigenen Verhaltensweisen umzu-
deuten. Die Blitze, die vom Himmel fuhren, waren nicht mehr nur un-
erklärliche Naturereignisse, sondern die Äußerung eines zornigen höhe-
ren Wesens, das man durch Opfer besänftigen konnte. Bestimmte
Handlungen und Rituale erhielten plötzlich eine ganz neue Bedeutung.
136
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Repertoire der fünf Verhaltensmuster
Grimm. Vier Tiere, ein Hahn, eine Katze, ein Hund und ein Esel be-
finden sich auf der Flucht vor ihren Besitzern, die sie töten wollten,
weil sie alt und für diese unnütz geworden sind.
Flucht wird häufig mit dem Begriff Feigheit negativ besetzt. Doch das
ist falsch, denn das Fluchtverhalten selbst kann von demjenigen, der
flieht, nicht mehr rational kontrolliert werden. In unserer Gesellschaft
führt Existenzangst unter anderem durch die Flucht aus der Realität zu
irrationalem und für den einzelnen schädlichem Verhalten, wenn je-
mand zum Beispiel Ratenzahlungen einstellt oder nicht mehr bereit
ist, seine Wohnung zu verlassen.
Natürlich kennen wir auch die Flucht aus Partnerschaften, die meist
aus Angst vor Gewalt stattfindet, und die Flucht aus dem Job, wenn
Mobbingopfer „ohne Grund“ kündigen, ohne eine neue Tätigkeit in
Aussicht zu haben. Auch die Flucht in eine Krankheit, also der Zu-
stand des Krankseins, kann unbewusst als Befreiung aus einer uner-
träglichen Situation erlebt werden.
Niemand flieht ohne Grund oder wenn er noch einen anderen Ausweg
sieht. Jede Flucht sollte als Chance für einen Neubeginn gesehen wer-
den. Deshalb sollte Fliehen auch keine dauernde Lebenshaltung dar-
stellen. Das Fluchtverhalten selbst kann allerdings krankhafte Züge
annehmen, wenn sogar kleinste Belastungen vermieden werden.
137
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gehirn kennt nur fünf Verhaltenmuster
138
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Repertoire der fünf Verhaltensmuster
Umdeuten – ich schaff mir meine Welt, wie sie mir gefällt
Umdeuten bedeutet, einem Sachverhalt einen neuen Sinn zu geben
oder ihn anders zu interpretieren. So kann man aus persönlichen
Schwächen durchaus auch Stärken machen. Man muss nur den Blick-
winkel ändern. Ist ein Glas Wasser nun halbvoll oder halbleer? Der
Optimist deutet den Sachverhalt anders als der Pessimist.
Wie wir bestimmte Ereignisse in der Welt deuten, hängt von unserer
emotionalen Verfassung, von unseren Erinnerungen, von der Aktivität
des Belohnungssystems und unserem Wertesystem ab. Durch das
Deuten oder auch Umdeuten geben wir der Realität nicht nur einen
139
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das Gehirn kennt nur fünf Verhaltenmuster
140
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir tun, was wir tun – die Ur6
sachen des ganz alltäglichen Wahnsinns
In den beiden vorhergehenden Kapiteln wurde dargestellt, wie stark Ge-
wöhnung unseren Alltag formt, und dass das Repertoire der grundsätzli-
chen Verhaltensmuster beschränkt ist. Beides führt dazu, dass wir mit
schöner Regelmäßigkeit in Situationen kommen, die uns zwar nicht beha-
gen, an denen wir aber auch nichts ändern können, oder genauer gesagt,
wir glauben nichts ändern zu können.
Denken Sie nur an denn allmorgendlichen Stau auf der Autobahn auf
dem Weg zur Arbeit oder an die überfüllten öffentlichen Verkehrsmittel.
Warum tun wir uns das an? Einerseits ist es die Konsistenz, also die Be-
ständigkeit, die unser Verhalten bestimmt, und andererseits das situative
Verhalten. Wenn eine Situation erst einmal eingetreten ist, wir also auf
der Autobahn den Stau erreicht haben, gewinnt die Situation Macht über
uns. Ganz offensichtlich ist es viel leichter, nur zu reagieren, statt in Vor-
wegnahme eines kommenden Ereignisses von vornherein nach Alternati-
ven zu suchen.
141
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir tun, was wir tun – die Ursachen des ganz alltäglichen Wahnsinns
Bei der Annahme „Es ist für mich richtig“ handelt es sich also nicht
um irgendein abstraktes Rechtsempfinden oder um die Wirkung ir-
gendwelcher moralischer und gesellschaftlicher Normen, sondern um
ein ganz konkretes Körpergefühl, auf dem im Laufe der Zeit immer
komplexere Gefühle aufbauen, die später mit den verbindlichen Nor-
men der Gesellschaft verknüpft werden.
Nicht nur dem Neugeborenen liefern seine Gefühle den Maßstab da-
für, ob das, was mit ihm geschieht und was ihm widerfährt, richtig
oder falsch ist. Diese Gefühle halten auch ein Leben lang an. Sie kön-
nen sich in Form von bewussten Gedanken äußern, aber auch durch
Migräneattacken, und Rücken- oder Magenschmerzen, die uns signali-
sieren, dass irgendetwas falsch läuft.
142
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Konsistenz – ich bleibe dabei
werden, und Durst kann man stillen. Voraussetzung ist, dass man laut
genug schreit.
Die Empfindung, dass etwas geschieht, das wir als richtig empfinden,
und dass wir selbst daran beteiligt sind, es möglich zu machen, veran-
kert sich wahrscheinlich sehr früh in unserer Vorstellungswelt. Natür-
lich bauen auch auf dieser Erfahrung die weitaus komplexeren Gedan-
kenmuster des späteren Lebens auf.
143
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir tun, was wir tun – die Ursachen des ganz alltäglichen Wahnsinns
Ebenso oft irrt sich das Gehirn bei der Interpretation von Wahrneh-
mung. Hier spielen die Kompetenzillusion und die Umdeutung von
Tatsachen eine Rolle.
Mir selbst ist es als Fünfjähriger passiert, dass ich die Tragfähigkeit des
Eises auf einem Nebenarm der Elbe dadurch testete, dass ich mit aller
mir zur Verfügung stehenden Kraft einen Stein auf das Eis warf.
Nichts passierte. Also konnte ich das Eis beruhigt betreten. Irrtum.
Kaum war ich einen Meter vom Ufer entfernt, brach ich ein und ver-
sank im Wasser.
Ich hörte auf der weit entfernten anderen Seite des Ufers Leute rufen
„Da ist ein kleiner Junge im Eis eingebrochen“. Ihre Rufe nützten mir
nichts, ich hatte nur den Gedanken, wenn die jetzt meine Mutter holen,
gibt es eine ganze Menge Ärger. Also zog ich mich selbst wieder heraus.
Aber was sollte ich jetzt tun? Ich war bis zur Spitze meiner Pudelmütze
klitschenass und es war verdammt kalt. Also hoffte ich, auf dem Heim-
weg so weit trocken zu werden, dass ich dann zu Hause unbemerkt die
Kleidung wechseln konnte. Aber auch das klappte nicht.
Die erste Frage meiner Mutter, als sie mich sah, war: „Wieso hast du
Entenflott an der Mütze?“ Mit Entenflott bezeichnet man in Nord-
deutschland die kleinen, grünen Wasserlinsen. Dumm, dass ich nicht
dran gedacht hatte. Meine Eltern waren so glücklich, dass ich nicht
144
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Ich bin, wie ich bin – aber eigentlich bin ich auch ganz anders
ertrunken war, dass sie von jeder Strafe absahen. Und erstaunlicher-
weise habe ich nicht einmal eine Erkältung bekommen.
Sie sehen, dass dieses Erlebnis fest in meiner Erinnerung verankert ist,
während ich mich an vieles andere aus dieser Zeit nicht erinnern kann.
Ich habe aber heute noch großen Respekt vor Eisflächen und begegne
ihnen mit Misstrauen. Andererseits wurde durch dieses Ereignis meine
Überzeugung, auch schwierige Situationen allein meistern zu können,
wahrscheinlich so sehr gestärkt, dass ich mich manchmal selbst über-
schätze.
Ich bin, wie ich bin – aber eigentlich bin ich auch
ganz anders
Eigentlich sollte das Zusammenleben der Menschen doch ganz einfach
sein, wenn uns das Gehirn als soziales Organ ermöglicht, verbal und
nonverbal miteinander zu kommunizieren und die emotionalen Be-
findlichkeiten der anderen nachvollziehen zu können. Doch leider
funktioniert es in der Praxis längst nicht so reibungslos, wie es sich in
der Theorie darstellt.
145
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir tun, was wir tun – die Ursachen des ganz alltäglichen Wahnsinns
Als man ihnen nach einer gewissen Zeit die eigenen Aufnahmen zeigte
und die Teilnehmer bat, ihre eigenen Empfindungen anhand der Bil-
der zu identifizieren, waren die Ergebnisse deutlich schlechter als bei
den Bildern fremder Personen. Offensichtlich ist der Mensch eher in
der Lage, sich auf andere einzulassen als auf sich selbst.
Bestand zwischen den Personen auf den Bildern und den Versuchsper-
sonen keine oder nur eine geringe Ähnlichkeit, wurden die ich-
bezogenen Teile des Gehirns nicht aktiviert, wenn es darum ging, die
Vorlieben der Gezeigten einzuschätzen. Wahrscheinlich benutzen wir
nur Stereotypien, wenn es darum geht, Menschen, bei denen wir keine
Ähnlichkeit erkennen, zu beurteilen. Dabei kann es sich sowohl um
soziale als auch rassische oder religiöse Unterschiede handeln.
Der Chef eines Unternehmens wird also zum Beispiel vermuten, dass
sich seine Mitarbeiter am unteren Ende der Lohnskala eher von unge-
sunden Konserven ernähren und im Fernseher gewalttätige Videos an-
schauen, als ihnen zu unterstellen, dass es sich um Vegetarier handelt,
die ihre Zeit am liebsten im Museum für moderne Kunst verbringen.
146
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Ich bin, wie ich bin – aber eigentlich bin ich auch ganz anders
Die Menschen sind nicht so, wie sie zu sein glauben, und sie verhalten
sich in einer anderen Situation auch nicht so, wie sie es in einer vor-
hergehenden von sich angenommen haben. All dies wird durch das
Zusammenspiel der verschiedenen Gehirnsysteme bedingt.
Wir erinnern uns noch an das Ultimatumspiel, in dem man einer Ver-
suchsperson eine bestimmte Summe Geld zur Verfügung stellte, die
diese mit einer anderen in einem frei zu wählenden Verhältnis teilen
sollte. Derjenige, dem etwas abgegeben wurde, durfte dann entschei-
den, ob er die gebotene Summe annimmt, jeder hätte dann seinen Teil
behalten, oder ob er die gebotene Summe ablehnt, dann hätte keiner
von beiden etwas bekommen.
147
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir tun, was wir tun – die Ursachen des ganz alltäglichen Wahnsinns
Dieses Experiment ging so aus, dass niedrige Anteile von weniger als
20 Prozent meist abgelehnt wurden, um denjenigen, der einen un-
gerecht behandelt hat, altruistisch zu bestrafen. Prof. Sutter hat dieses
Experiment nun in einigen Details verändert.
Bei ihm gab es zwei Gruppen von jeweils drei Studenten, und gespielt
wurde mit echtem Geld. Die Gruppe A erhielt 60 Euro, die sie auf je-
den Fall behalten durfte, und weitere 60 Euro, die sie mit der Gruppe
B nach Gutdünken teilen sollte. Die Gruppe B durfte wieder die gebo-
tene Summe annehmen oder ablehnen, mit der Folge, dass die zweiten
60 Euro dann nicht ausgeschüttet wurden.
Die Mitglieder der Gruppe B waren über die Regeln informiert und
wussten, dass Gruppe A auf jeden Fall 60 Euro behalten darf, während
sie maximal nur das bekommen konnten, was ihnen die Gruppe A
zugestehen würde. Man hätte nun annehmen können, dass die Gruppe
A großzügig ist und sagt „Wir bekommen mit Sicherheit 60 Euro. Ge-
ben wir die anderen 60 doch an die Gruppe B“. Das war jedoch nicht
der Fall.
Erstens zeigt es, dass diejenigen, die ohnehin schon „reich“ sind, kein
Interesse daran haben, mit den Ärmeren fair zu teilen. Zweitens zeigt
es, dass die „Armen“ das nehmen, was ihnen die „Reichen“ zukom-
men lassen. Es spielte bei diesem Experiment im Gegensatz zum Ulti-
matumspiel offensichtlich eine ganz große Rolle, dass die Reichen
ihren Grundbetrag bereits sicher in der Tasche hatten.
148
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Ohne Emotionen leben?
ten die Studenten der Gruppe B sowie die Teilnehmer anderer Expe-
rimente anders gehandelt.
Man kann daraus also ableiten, dass sich das Verhalten der Menschen
mit dem wahrgenommenen sozialen Status verändert. Reiche fordern
mehr für sich und Arme nehmen demütig, was man ihnen gibt.
Schließt man von diesem Experiment auf die Gesellschaft, ist das Er-
gebnis sicherlich erschreckend.
Als Chef kann jemand ein harter Hund sein, der seine Mitarbeiter scharf
kontrolliert und vielleicht sogar auch drangsaliert, im Sportverein ist er
hingegen der joviale Kumpel. Oder, um es extremer darzustellen: Wer
als Stasi-Mitarbeiter tagsüber Verdächtige mit brutalen Methoden ver-
hört hat, ist abends ein sensibler Familienvater, der sich rührend um
seine Kinder kümmert und ihnen bei den Hausaufgaben hilft.
Wenn der Philosoph Richard David Precht die Frage stellte „Wer bin
ich – und wenn ja, wie viele?“, kann man ihm die Antwort geben: „Wir
sind so viele, wie es die Situationen erfordern, in denen wir agieren
müssen“.
149
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir tun, was wir tun – die Ursachen des ganz alltäglichen Wahnsinns
und denken. Aber können Sie sich vorstellen, selbst keine Freude zu
empfinden, wenn Sie ein Geschenk zum Geburtstag bekommen oder
vielleicht sogar den Lotto-Jackpot geknackt haben, und keine Trauer,
wenn Ihr Partner bzw. ein naher Verwandter stirbt oder Sie ein gelieb-
tes Haustier einschläfern lassen müssen?
Ein großes Problem, das Gefühlsblinde haben, ist, dass sie ihre nicht
vorhandenen Emotionen trotzdem als körperliche Reaktionen zu spü-
ren bekommen, deren Ursachen ihnen dann allerdings vollkommen
rätselhaft sind. Sie haben Herzklopfen und Schweißausbrüche, wenn
sie in Prüfungen müssen oder Vorträge halten. Und noch schlimmer:
Keine Gefühle zu haben, kann krank machen.
150
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die Faszination des Bösen
Lange Zeit galt die Gefühlsblindheit als nicht therapierbar. Denn er-
stens muss der Betroffene die Abwesenheit von Emotionen selbst als
Defizit empfinden und zweitens baute die klassische Psychotherapie ja
gerade darauf auf, dass die Patienten ihre Emotionen und Gefühle
offen legten. Heute versucht man es mit Gesprächs-, Körper- oder
Gruppentherapien.
Dabei baut man auf die Plastizität des Gehirns, dass es neue Verbin-
dungen herstellt, die bis dahin nicht bestanden oder gekappt worden
waren. Für die Freunde, Ehepartner oder auch Arbeitskollegen von
Gefühlsblinden ist es schwer, mit diesem Phänomen umzugehen. Und
mit der Aufforderung „Mensch, nun freu dich doch mal und lache“ ist
demjenigen auch nicht geholfen. Denn er weiß gar nicht, wovon die
anderen sprechen.
151
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir tun, was wir tun – die Ursachen des ganz alltäglichen Wahnsinns
pathen befasst, und ihr Tipp lautet: „Halte dich von ihnen fern“. Dabei
können Psychopathen doch so unheimlich nett sein. Aber gerade das
macht sie auch so gefährlich.
Woran erkennt man nun aber einen Psychopathen? Sind das nur die-
jenigen, die als Serienmörder lebenslang im Gefängnis sitzen? Keines-
wegs. Die Fachleute sind sich einig, dass sich die Mehrzahl von ihnen
in unserer Gesellschaft bewegt und wahrscheinlich zu jenen zählt, die
als besonders erfolgreich gelten. In den USA soll jeder zehnte Topma-
nager ein Psychopath sein.
Dass sie dabei pathologische Lügner sind, die jedem das erzählen, wo-
von sie annehmen, dass er es gerade hören will, merkt man natürlich
zunächst nicht. Sie sind auch ständig auf der Suche nach Neuem. Er-
lebnishungrig versuchen sie, das in ihnen herrschende Gefühl der Lan-
geweile und Leere zu kompensieren. Sie unternehmen ständig etwas.
Dabei haben sie in höchstem Maße ein betrügerisch-manipulatives
Verhalten.
152
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die Faszination des Bösen
Wenn ein Unternehmen merkt, dass sich in der Chefetage ein Psy-
chopath breitgemacht hat, ist es häufig zu spät. Gute Mitarbeiter sind
längst vertrieben worden und häufig genug basiert der Erfolg des
Unternehmens nur noch auf kriminellen Machenschaften, wie es
zum Beispiel der Anlagebetrüger Bernie Madoff in den USA vor-
exerziert hat.
153
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir tun, was wir tun – die Ursachen des ganz alltäglichen Wahnsinns
154
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Kein Anschluss unter dieser Nummer – gestörte Kommunikation
Oft gelingt das aber nicht. Vielleicht ist die Problemperson dummer-
weise der Chef, ein gleichrangiger Kollege oder ein Mitarbeiter, von
dem eine Trennung unmöglich ist. Oft ist auch ein Nachbar das Pro-
blem, und wer will schon seinetwegen Haus oder Wohnung aufgeben?
Nachbarschaftsstreitigkeiten sind in Deutschland eine der häufigsten
Ursachen für Gerichtsprozesse.
Oft genug versucht man, die sich entwickelnden oder bereits beste-
henden Schwierigkeiten mit vernünftigen Argumenten beizulegen und
an den gesunden Menschenverstand zu appellieren. Meist stellt man
dann fest, dass die Auffassungen davon, was vernünftig und rational
ist, ganz erheblich auseinandergehen.
Eine Nachbarin von mir wollte ihr Ferienhaus verkaufen. Wie in vielen
neuroökonomischen Experimenten nachgewiesen, geben die Men-
155
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Warum wir tun, was wir tun – die Ursachen des ganz alltäglichen Wahnsinns
schen den Dingen, die sie besitzen, einen höheren Wert als denen, die
sie erwerben wollen. Folglich lag der geforderte Preis deutlich über
dem für vergleichbare Objekte. Trotzdem fand sie einen Käufer, der
diesen Preis zahlen wollte, weil ihm nun einmal dieser Ort, dieses
Haus und diese Lage ganz besonders gut gefielen.
Als sich dann meine Nachbarin mit dem Käufer beim Notar traf, um
den Vertrag zu unterzeichnen, machte sie im allerletzten Moment
einen Rückzieher. Ihre Begründung war, wenn der Käufer bereit ist,
den geforderten Preis zu zahlen, dann muss dieser Preis wohl zu nied-
rig sein und der Wert des Hauses noch viel größer. Sie hatte Angst,
übervorteilt zu werden und einen Verlust hinnehmen zu müssen. Dass
vergleichbare Häuser in ähnlicher Lage viel günstiger waren, interes-
sierte sie nicht.
Allerdings war der Käufer nun ebenfalls nicht mehr bereit, den Preis
noch einmal aufzustocken. Er kannte den Markt und hatte sich nun
einmal auf eine bestimmte Summe festgelegt, die seinen Ankerpreis
bildete. Im Ergebnis kam der Handel nicht zustande und meine Nach-
barin versucht nun schon seit Jahren ihr Haus zu einem Preis zu ver-
kaufen, der niedriger ist als der, den sie damals bekommen hätte.
156
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Kein Anschluss unter dieser Nummer – gestörte Kommunikation
Die Tendenz, bei der Angabe der erreichten Punktzahl zu den eigenen
Gunsten zu schummeln, stieg durch die Einschaltung der Chips als
Zwischentauschmittel explizit an. Offensichtlich wurde der Fokus vom
„Sozialbetrug“ auf die Ebene „ökonomischer Betrug“ verschoben, mit
dem Ergebnis, dass die Studenten deutlich weniger Gewissensbisse
hatten, sich unkorrekt zu verhalten.
157
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Der Verstand sieht sich stets als Steuermann, der uns durch das Leben
navigiert. Dass er die Kontrolle hat, ist nur eine Illusion. Tatsächlich ist er
wohl eher ein Laiendarsteller auf einer Volksbühne, der sich bemüht, in
dem Kostüm, in das man ihn gesteckt hat, eine gute Figur zu machen. Die
Bühne, auf der er auftritt, die Kulissen, seine Mitspieler und der Inhalt
des Stücks, all das beeinflusst seine Wirkung.
Wie sehr wir durch unbewusste Kräfte durch das Leben gelenkt werden,
ist uns gar nicht bekannt.
159
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Starke Marken wirken, denn sie erzeugen immer die gleichen Muster
im Gehirn. Also muss sich auch feststellen lassen, was dieses Muster
bei den Konsumenten sowohl im Zusammenhang mit einer Biermarke
als auch im Zusammenhang mit einem Haushaltsreiniger erzeugt.
Welcher Reiz sorgt dafür, dass ein Kunde beim Gang durch den Su-
permarkt zu bestimmten Produkten greift und zu anderen nicht? Ist es
allein das Rabatt-Zeichen oder doch mehr?
Dabei ist für die Entscheidung für oder gegen Marken der Autopilot
am wichtigsten, weil er 95 Prozent des Verhaltens auf der unbewussten
Ebene steuert. Das implizite Marketing geht davon aus, dass der Auto-
pilot zunächst die Bedeutung einer Information entschlüsselt, was
wiederum in zwei Schritten erfolgt. Erst wird geklärt, was es ist, dann
wofür es steht. Danach erfolgt eine Bewertung, ob die eingehende In-
formation für den Rezipienten mit einer Belohnung verbunden ist.
160
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Erlebtes hat den größten Einfluss auf unser Leben
161
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Bei Experimenten zeigte sich, dass nach diesen Regeln ganz von allein
und sehr schnell eine bestimmte Formation entsteht. Man nennt sie
Thorus, das ist eine rotierende Walze mit einem Loch in der Mitte.
162
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Erlebtes hat den größten Einfluss auf unser Leben
Wahrscheinlich werden die meisten Leser sofort daran denken, wie die
Muslime zur Pilgerzeit in Mekka sieben Mal das Heiligtum der Kaaba
umrunden.
163
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
wie ein Experiment in den USA gezeigt hat. 5.000 Teilnehmer saßen
dort vor einer großen Leinwand, auf die ein Flugsimulator den Flug
eines Jets projizierte.
Mit farbigen Kärtchen konnte jeder der Teilnehmer das Flugzeug steu-
ern. Eine Kamera nahm die Zahl der empor gereckten Karten auf und
verwandelte sie in einen Befehl an den Flugsimulator. Die 5.000 Teil-
nehmer koordinierten sich unproblematisch so gut, dass das Flugzeug
nicht abstürzte und sogar ohne Schaden landen konnte. Doch auch
diese Selbstorganisation lief nicht ohne ein Gefühl ab. Das Gefühl, es
gemeinsam geschafft zu haben, versetzte die 5.000 Teilnehmer in
rauschhafte Freude.
164
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Erlebtes hat den größten Einfluss auf unser Leben
fensichtlich eine Aggression gegen uns hat, die er auf uns überträgt. Das
heißt, wir reflektieren quasi ein Gefühl unseres Gegenübers.
165
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Viele Symbole wurzeln in den Mythen der Völker oder spiegeln my-
thologische Handlungen und Ereignisse wider. Die Mythen selbst sind
wiederum ein Deutungsmuster für soziale, kulturelle oder religiöse
Sachverhalte. Im modernen Gewand begegnen uns Mythen und Ar-
chetypen praktisch auf Schritt und Tritt, allerdings ohne dass wir uns
dessen bewusst werden.
Es ist sicherlich noch eine große Aufgabe für die Disziplin des Neuro-
marketing, diesen Bereich der Symbole, der Mythen und der Archety-
pen zu entschlüsseln und die entsprechenden Verbindungen im Ge-
hirn nachzuvollziehen. Dass es diese Verbindungen gibt, und dass sie
eine starke Wirkung entfalten, wissen wir ja bereits aus der Untersu-
chung einzelner Marken. Schließlich sind Marken und die mit ihnen
verbundenen Bilder nichts anderes als Mythen und Symbole, die uns
ein Produktversprechen geben.
Es gibt abstrakte Symbole, wie den Kreis, der für Unendlichkeit, Ge-
schlossenheit, aber auch für Gemeinsamkeit steht. Man trifft sich am
166
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die Bedeutung von Symbolen und symbolischen Handlungen
Lassen wir doch einfach einmal ein paar Symbole an uns vorüberzie-
hen, um uns ihrer großen Rolle für unsere Denkweise und Vorstel-
lungswelt bewusst zu machen. Das Ei gilt nicht nur als Symbol für
Leben und Fruchtbarkeit, sondern es gibt eine große Zahl von Kultu-
ren, die den Ursprung der Welt ebenfalls in einem Ei sehen. Wenn
etwas Neues entsteht, wird ein Ei aufgebrochen. Das Ei steht aber auch
für einen neuen Gedanken, den man ausbrütet.
Viele Symbole sind kosmischer Natur, so wie Sonne und Mond, aber
natürlich auch die schon erwähnten vier Himmelsrichtungen. Auch
die Elemente Luft, Feuer, Erde und Wasser haben einen starken sym-
bolischen Charakter. Die Sternenbilder spiegeln in den verschiedenen
Teilen der Welt unterschiedliche Mythen wider. Man erkennt den
Orion als Jäger und den großen Bären am Himmel.
In vielen Kulturen werden sogar die Häuser als Abbild des Kosmos
angelegt, was sich dann in ihrer Aufteilung wiederfindet. Manche Dör-
fer sind quadratisch entsprechend den Himmelsrichtungen oder oval,
um dem kosmischen Ei zu entsprechen. Auch das Bild der Zwillinge
hat einen symbolischen Gehalt. Es sind die Geschwister Himmel und
Erde, die sich darin widerspiegeln.
167
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Schiffe, der Ozean steht für unendliche Weite und Chancen, wie in der
Blue Ocean Strategie, denn wir wissen alle, hinter dem Horizont geht
es weiter.
Ähnlich wichtig wie das Wasser ist das Feuer. Es kann alles verschlin-
gen, aber es lässt sich auch im Feuer Neues schmieden. Feuer spendet
Licht und Wärme, doch man kann sich auch daran verbrennen.
Aber auch Formen und Orte haben uns schon immer fasziniert. Säu-
len symbolisieren Stolz, Pyramiden Geheimnisse. Die Transparenz
gläserner Bauten entfaltet ebenso einen eigenen Zauber wie dumpfe
Gewölbe einer ehemaligen Burg oder eines Bunkers. Gebäude können
bedrohen oder beschützen. Sie können erheben oder erdrücken. Dabei
kommt es stets darauf an, und das im wahrsten Sinne des Wortes, in
welchem Licht man hinsieht.
Symbolcharakter haben aber nicht nur Dinge und Orte, sondern auch
Handlungen und Handlungsweisen, die mit einer ganz bestimmten
Bedeutung aufgeladen sind. Häufig sind es nur einfache Gesten, wie
eine einladende Bewegung und die Art und Weise der Begrüßung. Wer
darf wem einen Kuss geben und wem nicht? Alles was wir zur Etikette
zählen, hat mehr oder weniger symbolische Bedeutung. Diese steigert
sich dann in Ritualen oder gar in Zeremonien.
Als Rituale kann man alle Handlungen definieren, die einen Menschen
von einem emotionalen Zustand in den nächsten bringen oder ihm
eine neue Bedeutung verleihen. Rituale sind auch immer wiederkeh-
rende Handlungen, die wir im Alltag finden. Eine Zeremonie unter-
scheidet sich von einem Ritual durch den festlichen Charakter und
durch die Einhaltung spezieller Regeln und Abläufe.
168
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das richtige Timing 6 der Faktor Zeit
Ein Kippbild ist zum Beispiel die Zeichnung, in der man entweder eine
alte Frau oder ein junges Mädchen erkennen kann, wobei die Kinn-
Wangen-Partie des Mädchens der Nase der Greisin entspricht. Wenn
man ein solches Bild betrachtet, springt die Wahrnehmung zwangsläu-
fig alle drei Sekunden von einer Alternative zur anderen. Weder kön-
169
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Diese Drei-Sekunden-Blöcke findet man aber nicht nur bei der visuel-
len Wahrnehmung, sondern sie strukturieren auch das Sprechen, die
Dauer musikalischer Motive und die Zeilenlänge von Gedichten. Das
hat man in kulturübergreifenden Tests herausgefunden. Worauf sich
unsere Aufmerksamkeit richtet und was uns beim Erleben bewusst ist,
bleibt jeweils nur für drei Sekunden erhalten und beginnt dann zu
verblassen.
Soll etwas gelernt werden, dürfen die jeweiligen Reize nicht zu dicht
hintereinander folgen, weil sich sonst keine neuen Gedächtnisspuren
einbrennen können. Im Zweifelsfall schützt sich das Gehirn bei der
Speicherung wichtiger Informationen dadurch, dass es die nachfol-
genden ignoriert.
Insgesamt ist es aber so, dass der Faktor Zeit im Zusammenhang mit
dem Erleben von den Neurowissenschaften bisher nur in den eben
erwähnten sehr kleinen Einheiten oder aber im Rahmen der Gedächt-
nisforschung im Hinblick auf lange zurückliegende Ereignisse er-
forscht wurde. Anders ist das allerdings bei den Kultur vergleichenden
Sozialwissenschaften. Das Zeitempfinden der Menschen ist ganz we-
sentlich davon abhängig, zu welchem Kulturkreis sie gehören.
Deshalb spielt auch die Pünktlichkeit eine zentrale Rolle. Dabei geht es
nicht nur darum, wann eine Veranstaltung oder ein Treffen beginnt,
170
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Das richtige Timing 6 der Faktor Zeit
171
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Die Farbe Rot ist eine der auffälligsten Farben. Sie wird im Kontrast zu
Weiß, wie wir alle wissen, als Warnfarbe eingesetzt. Rot steht in Euro-
pa für Liebe und Leidenschaft, aber auch für Aggression. In China ist
Rot die Farbe der Freude, des Glücks und des Wohlstands. Sie wird für
alles Festliche verwendet, und auch eine Braut trägt hellrote Kleidung.
In Indien ist Rot die Farbe der Reinheit und die Farbe der Freude.
Wenn bei uns etwas wichtig ist, streichen wir es im Kalender rot an,
aber in Afrika gibt es Regionen, in denen Rot die Farbe der Trauer ist
und dunkelrote Bekleidung bei Beerdigungen getragen wird.
172
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die unbekannte Macht der Farben
Die Farbe Orange ist bei uns zwischen Rot und Gelb eingeordnet. Sie
gilt in der Psychologie als stimmungsaufhellend und stimulierend.
Aber Orange ist auch eine Warnfarbe. Im Buddhismus steht sie für
selbstlosen Dienst, Mönchtum und Entsagung und in der westlichen
Politik der Gegenwart für Opposition und Widerstand, wie auch in
der Ukraine.
Die Farbe Grün ist von allen Farben die ambivalenteste. Wenn etwas
im grünen Bereich ist, ist es normal und unproblematisch. Grün steht
auch für Aktivität und freie Fahrt. Da die Farbe Grün die Hauptfarbe
der Vegetation ist, wird sie auch mit Natur und Umweltschutz gleich-
gestellt. Aber es gibt auch ein Giftgrün, das dämonisch und negativ
wirkt. Nicht zuletzt steht Grün als Symbol für die Unreife. Aber auch
die Hoffnung ist grün. Für Hindus und Buddhisten kann die Farbe
Grün sowohl Leben als auch Tod bedeuten.
Grün ist auch die Farbe des Islam, da der Prophet Mohammed sich
bevorzugt grün gekleidet haben soll und deshalb das Grün auch in den
Flaggen vieler islamischer Staaten auftaucht. In Irland steht Grün für
den Katholizismus, während Orange die Farbe der Protestanten ist.
Die Situation in Irland ist aber besonders kompliziert, denn die Farbe
Grün steht dort auch für Unglück und sollte sich aus diesem Grund
nicht in der Kleidung finden, während Grün gleichzeitig die irische
Nationalfarbe ist und deshalb als ein Zeichen für Hoffnung steht.
Die Farben Blau und Grün werden nicht in allen Kulturen auf dieselbe
Weise wie bei uns unterschieden. Blau ist jedoch die Lieblingsfarbe der
meisten Deutschen, obgleich diese Farbe auf einen Großteil der Men-
schen kalt wirkt und für Ferne steht. In vielen Kulturen symbolisiert
Blau die Farbe der Götter und in China bedeutet Blau Unsterblichkeit.
Blau ist wahrscheinlich die erste Farbe, die die Menschen selbst herge-
stellt haben, und Blau findet sich heute bei vielen Nationen als Natio-
nalfarbe wieder.
Gelb ist eine Warnfarbe. In Kombination mit Schwarz wird hier die
größtmögliche Signalwirkung zweier Farben erreicht. Gelb steht aber
auch für Licht oder für Gold. Nur in Deutschland ist sie die Farbe des
Liberalismus, während in China Gelb zwar einerseits die Farbe des
Kaisers ist, aber gerade in jüngerer Zeit auch als negativer Begriff eta-
173
173
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Während Weiß bei uns Reinheit und Unschuld bedeutet, ist es in Asien,
besonders in China, das Symbol für Trauer und Tod. Wer weiße Blu-
men schenkt, begeht einen großen Fauxpas, denn sie gelten als letzter
Gruß. Weiß steht aber auch für Frieden und Reinheit. Mediziner und
Wissenschaftler trugen früher weiße Kittel, die jedoch in letzter Zeit
stärker durch funktionellere Farben abgelöst worden sind. Schwarz be-
deutet bei uns konservativ, Trauer oder Anarchie aber auch Macht.
Wichtig ist jedoch immer, dass nicht das für den Sehvorgang entschei-
dend ist, was das Auge wahrgenommen hat, sondern welche Erinne-
rung das Gehirn mit dem Sinneseindruck verbindet. Deshalb hat sich
der Begriff Gedächtnisfarben herausgebildet. Farbgefühle sind unbe-
wusst, weil sie oft auch mit Universalobjekten, dem blauen Himmel,
der gelben Sonne und den grünen Bäumen verbunden sind oder mit
Universalsituationen wie der schwarzen Nacht und dem hellen Tag.
174
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wirkungsvoll kommunizieren mit Musik
Musik ist also eine Form der nonverbalen Kommunikation des Men-
schen. Bereits im Säuglingsalter wird neben dem Kontaktverhalten,
der Gestik und der Mimik die Musik zu einem beständigen Teil der
Kommunikation des Kindes.
175
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Insofern lässt sich schon anhand der Noten die Wirkungsweise eines
Musikstücks vorhersagen. Um ein Musikstück nur emotional zu beur-
teilen, benötigt der Mensch weniger Informationen als dazu, es als
solches wiederzuerkennen. Daraus lässt sich schließen, dass die Fähig-
keit, auf Musik mit Gefühlen zu reagieren, besonders tief in unserem
Gehirn verankert ist.
Auch heute noch glauben viele Menschen, dass sie am ehesten auf
ihren Geruchssinn verzichten könnten und Hören und Sehen das
176
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Der Geruch lenkt das Denken
Wichtigste für sie sei. Doch es wird immer deutlicher, dass dies ein
Irrtum ist.
Wenn wir uns die Hierarchie der Schlüsselreize und der damit ver-
bundenen Informationsaufnahme anschauen, dann steht das Lesen
mit zehn Prozent an unterster Stelle. Hören vermittelt uns 20 Prozent
und Sehen 30 Prozent, beides gemeinsam also 50 Prozent der Informa-
tionen, die wir im Gehirn verarbeiten. Sagt man etwas selbst, so liegt
der Stellenwert des Gesagten bei 70 Prozent, und tun wir etwas selbst,
so gewinnt es für uns eine Bedeutung von 90 Prozent. Was bei dieser
Auflistung jedoch auffällt, ist dass das Riechen überhaupt nicht vor-
kommt. Doch das wird sich bald ändern.
Mit Duft-Marketing wurde im Jahr 2007 in den USA bereits ein Um-
satz zwischen 50 und 80 Millionen Dollar gemacht. Experten erwarten,
dass sich in den kommenden zehn Jahren dieser Markt noch verzehn-
fachen wird. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Grillhähnchen-
oder Kaffeeduft, um den Appetit von Supermarktkunden anzufeuern,
sondern darum, das soziale Miteinander auf höchst komplexe Weise
zu lenken.
Dabei ist das, was der einzelne Mensch riecht und wie er den Geruch
interpretiert, durchaus unterschiedlich, in Abhängigkeit von seiner
genetischen Ausstattung, aber auch von seinem kulturellen Hinter-
grund. Als eine der wichtigsten Aufgaben des Geruchssinns galt bisher
hauptsächlich, dass er uns vor Gefahren wie verdorbenem Essen, Feuer
oder giftigen Gasen warnen sollte. Schädliche Gerüche zu erkennen,
schien seine Hauptaufgabe zu sein und die Wahrnehmung von ange-
nehmen Düften nur ein Nebenprodukt.
177
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Der Duft grüner Äpfel lindert das Gefühl von Platzangst und wird
deshalb schon von einigen Hirnforschern bei Experimenten im Mag-
netresonanztomografen eingesetzt, um weniger Untersuchungen we-
gen Panikattacken abbrechen zu müssen. Jasminduft verstärkt die
geistige Stimulation, Lavendelduft sorgt für mehr Ruhe. Wenn man
Pfefferminz riecht, macht man weniger Fehler, Bergamottöl lässt hin-
gegen die Aufmerksamkeit sinken.
Wer den Anschlag auf die Twin Towers in New York im Jahr 2001
miterlebt hat, wird nicht nur die Bilder, sondern auch den Gestank,
der über der Stadt lag, nicht mehr vergessen und bei ähnlichen Gerü-
chen wieder in Angst versetzt werden. Aber natürlich versucht man
hauptsächlich an positive Erinnerungen anzuknüpfen. In manchen
Hotels soll der Duft von frisch gebackenem Apfelkuchen Geborgenheit
vermitteln, weil er Erinnerungen an die Kindheit und Familie weckt.
178
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Neues schafft Aufmerksamkeit und Erinnerung
Die Mehrzahl der Menschen ist jedenfalls immer noch der Überzeu-
gung, dass die Informationen, die sie über Sehen und Hören aufneh-
men, besser zu kontrollieren sind. Richtig ist aber auch, dass Duftasso-
ziationen besonders dann als störend empfunden werden, wenn sie
mit den übrigen Sinneseindrücken nicht übereinstimmen.
179
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Die großen Momente des Erlebens unterliegen also einer höchst indi-
viduellen Wahrnehmung und Bewertung. Wenn die Erinnerung eines
Gastes an ein großes Fest auch noch nach Jahren nur darin besteht,
dass er eine verschmutzte Toilette vorgefunden hat und dies vielleicht
auch noch das Einzige ist, was er erinnert, dann war alles, was der Ver-
anstalter an Geld und Zeit aufgewendet hat, vergebens.
Das Neue ist zwar reizvoll, aber das Bekannte gibt Sicherheit, Gebor-
genheit und Kompetenz. Deshalb neigen die Menschen auch generell
zum Schubladendenken, indem sie das Neue dem Bekannten zuord-
180
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Echtes Vertrauen als Geschenk
Natürlich weiß die Neurowissenschaft längst, dass das Neue das Ge-
hirn stimuliert. Deshalb gibt es auch die Empfehlung an Lehrer, eine
Schulstunde nicht etwa mit der Wiederholung des schon bekannten
Stoffes zu beginnen, sondern neue Inhalte vorzuziehen. Neue Reize
können nämlich das Einprägen bekannter Informationen erleichtern.
Dies gilt natürlich auch für Events, Vorträge und Reden. Viele Refe-
renten glauben, ihre Zuhörer erst einmal mit bereits bekannten Tatsa-
chen „abholen“ zu müssen. Das schläfert aber nur ein. Richtig ist es,
mit Neuem und Unerwartetem zu beginnen und dann eine Brücke zu
den bekannten Kernbotschaften zu bauen.
Entscheidend für die richtige Dosierung von Vertrauen sind also zu-
nächst einmal die im autobiografischen Gedächtnis gespeicherten Er-
fahrungen und ihre emotionale Bewertung. Da aber die Vertrauens-
bildung ein komplizierter kognitiv-emotionaler Prozess ist, kommen
noch weitere Elemente dazu.
181
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
182
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die Macht der schlechten Gefühle – Gier
183
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Wenn man sich jetzt wieder vor Augen führt, dass Kokain eine der
Modedrogen ist, die besonders in Finanz- und Wirtschaftskreisen kon-
sumiert wird, weil viele Menschen glauben, dadurch noch besser und
noch schneller als die Konkurrenten sein zu können, darf man sich
nicht wundern, wenn einzelne Manager oder Finanzspezialisten Mil-
lionen verpulvern, als wenn es nur Peanuts wären.
Vieles deutet darauf hin, dass es Habgier war, die den bis dahin höchst
angesehenen Familienunternehmer Adolf Merckle 2008 dazu gebracht
hat, mit Leerverkäufen von VW-Aktien einen dreistelligen Millionen-
betrag zu verspielen und damit die Existenz seines gesamten Firmen-
imperiums aufs Spiel zu setzen.
Er selbst wehrte sich natürlich gegen den Vorwurf des Spielens und
wies darauf hin, dass er solche Wertpapiergeschäfte seit Jahrzehnten
erfolgreich getätigt habe. Die Gewinne daraus hätten dazu gedient, um
184
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die Macht der schlechten Gefühle – Gier
Auch hier zeigt sich wieder, dass nicht der absolute Wert eines Vermö-
gens die zentrale Rolle spielt, sondern der relative. Es kommt gar nicht
so sehr darauf an, was man selbst hat, sondern hauptsächlich darauf,
dass es möglichst mehr ist, als die anderen haben.
Insofern ist das Phänomen der Habgier keineswegs nur auf die Rei-
chen oder Superreichen beschränkt, sondern findet sich in allen Teilen
der Gesellschaft wieder. Oft ist es dann nicht das Geld auf dem Konto,
das den Ausschlag gibt, sondern es sind simple Statussymbole. Das
kann schon ein größerer Fernseher sein, als ihn der Nachbar im
Wohnzimmer stehen hat.
185
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
An dieser Stelle sei daran erinnert, dass wir im Kopf sowohl ein öko-
nomisches als auch ein soziales System haben. Da nun das Zahlen von
Steuern nur noch ein ökonomischer Akt ist, genauso wie das Kassieren
von Millionen-Boni, können wir auch nicht erwarten, dass die Gesell-
schaft anders funktioniert, als sie es zurzeit tut. Das Soziale bleibt lei-
der immer häufiger auf der Strecke.
186
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Vorhersagen – was wird geschehen?
187
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Man geht davon aus, dass genau dort entschieden wird, wann körper-
eigene Opiate ausgeschüttet werden, die dann den Schmerz betäuben.
Außerdem hat man festgestellt, dass sich der Placeboeffekt verflüch-
tigt, wenn die Opiate mit Medikamenten blockiert werden. Es sind
also die körpereigenen Stoffe, die den Placeboeffekt ausmachen.
188
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wie der Verstand Gegenwart und Zukunft sieht
Es ist einfach unpraktisch, wenn ein Organ wie das Gehirn, das darauf
programmiert ist, Vorhersagen zu treffen, entweder nicht die Gründe
für sein Handeln kennt, weil diese im Unbewussten liegen, oder wenn
es im Zweifelsfall nicht in der Lage ist, diese vor sich selbst zu vertre-
ten. Wer Vorhersagen macht, braucht einfach Gründe, die diese
Vorhersagen im Zweifelsfall auch im Nachhinein rechtfertigen.
Ein gutes Beispiel dafür, dass selbst in der Wissenschaft, die ja für sich
in Anspruch nimmt, rein rational und logisch vorzugehen, die Gefühle
eine große Rolle spielen, ist die Klimaforschung. In kaum einem ande-
ren Bereich gehen die Einschätzungen, Beurteilungen und Prognosen
der Fachleute so weit auseinander wie hier. Eigentlich sollte man da-
von ausgehen, dass identische Fakten von verschiedenen Fachleuten,
die über eine vergleichbare wissenschaftliche Kompetenz verfügen,
zumindest in sehr ähnlicher Weise beurteilt werden. Das ist aber kei-
neswegs der Fall.
189
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Die Selbstwahrnehmung war also damals sehr stark auf die aktive Zeit
als Arbeitnehmer konzentriert und die Bedeutung der danach folgen-
den Ereignisse wurde als verhältnismäßig unwichtig eingeschätzt. Das
änderte sich vor rund 20 Jahren. Die Arbeitnehmer, die in den Ruhe-
stand und immer häufiger bereits in den Vorruhestand gingen, sahen
in der Beendigung ihres Arbeitslebens immer häufiger den Beginn
ihres „wirklichen Lebens“. Durch die inzwischen weitverbreitete be-
triebliche Altersvorsorge hatten viele Ruheständler netto mehr Geld
zur Verfügung als während ihrer Berufstätigkeit.
190
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wie der Verstand Gegenwart und Zukunft sieht
en. Die Bedeutung dessen, was man alles nach dem Eintritt in den
Ruhestand noch machen wollte, führte dazu, dass man den zukünfti-
gen Ereignissen eine deutlich höhere Bedeutung beimaß.
191
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Auch wenn dies nicht den Fakten entspricht, bestimmt es doch unsere
Sichtweise auf die Gegenwart und erst recht auf die Zukunft. Wahr-
scheinlich spielen hier auch die Medien eine große Rolle, denn nur
„bad news are good news“. Negative Ereignisse bestimmen die emo-
tionale Bewertung der Gegenwart heute stärker, als sie es vor 50 Jahren
taten, als Fernsehen noch nicht alltäglich war. Wenn dann noch reale
Krisen hinzukommen, die alle Bürger betreffen werden, kann ein von
Angst geprägtes Verhalten ganze Volkswirtschaften verändern.
Auch Stress in Form von Zeitdruck kann die Wahrnehmung der Ge-
genwart verändern und damit ebenso die Zeitpräferenz in finanziel-
len Dingen. Wer wenig Zeit hat, möchte diese wenigstens auskosten.
Die zunehmende Zahl von Kurzreisen in ferne Länder ist wahr-
scheinlich ein Beleg dafür, aber auch die zunehmende Nachfrage
nach hochwertigen Konsumgütern, wie zum Beispiel Großfernseher
oder Festplattenrekorder. All dies dient dazu, die knapp gewordene
Freizeit zu veredeln.
Dass dabei dann die großen Entscheidungen auf der Strecke bleiben,
weil man die kleinen gegenwärtigen höher bewertet, ist selbstverständ-
lich. So zeigt die Statistik, dass die Deutschen sich innerhalb von vier
Wochen für den Kauf eines neuen Autos entscheiden können, das sie
zwischen drei und fünf Jahren nutzen, dass aber die Entscheidung für
eine bestimmte Form der privaten Altersvorsorge über viele Monate
hinausgezögert wird, obgleich die daraus entstehenden Konsequenzen
für Lebensstandard und Lebensqualität Jahrzehnte lang wirksam sind.
192
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wie der Verstand Gegenwart und Zukunft sieht
Mit Zeitpräferenz bezeichnet man also die Annahme, dass ein Konsu-
ment ein bestimmtes Gut lieber in der Gegenwart gebrauchen möchte
als in der Zukunft, und dass er lieber erst in Zukunft bezahlt, nämlich
kleine Raten für das Auto, als in der Gegenwart. Die Entscheidung
darüber, wie man den Nutzen und die Kosten zeitlich verteilt, nennt
man „Intertemporal choice“.
193
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Beim ersten Experiment wurde den Teilnehmern eine kleine und sofor-
tige Belohnung in Aussicht gestellt, zum Beispiel ein Warengutschein
über fünf Dollar, oder eine Belohnung, die erst in sechs Wochen einge-
löst werden konnte, nämlich ein Warengutschein über 40 Dollar. Die
meisten Testpersonen wählten die sofortige Belohnung.
Bei der Entscheidung für die sofortige Belohnung spielten vor allem
die limbischen und paralimbischen Strukturen im Gehirn eine Rolle.
Gleichzeitig wurden auch der laterale präfrontale Cortex und der po-
steriore parentiale Cortex aktiv. Entschied sich die Testperson für eine
spätere Belohnung, war die Aktivität des limbischen Systems deutlich
geringer. Also handelt es sich beim Aufschub der Belohnung eher um
eine rationale Entscheidung.
Hat man nun die Wahl, zum Beispiel den Gewinn aus einem Wett-
bewerb heute in Höhe von 100 Dollar ausbezahlt zu bekommen oder
in drei Jahren in Höhe von 200 Dollar, entscheiden sich auch hier die
meisten Versuchspersonen für die sofortige Auszahlung, wobei die
Unsicherheit über die Situation in drei Jahren sicherlich eine Rolle
spielt.
Stehen sie allerdings vor der Wahl, den Gewinn von 100 Dollar in drei
Jahren ausgezahlt zu bekommen oder den Gewinn von 200 Dollar in
sechs Jahren, wobei die Zeitdifferenz zwischen den beiden Auszahlun-
gen gleichlang ist wie beim ersten Beispiel, dann entscheiden sich die
meisten für die 200 Dollar-Variante.
Offensichtlich spielt die Differenz von drei Jahren keine Rolle mehr,
wenn sie nur entsprechend weit in der Zukunft liegt. Stellt man nun
die Entscheidung für die Zukunft in hyperbolischen Kurven dar, so
wird die Variante für 200 Dollar in sechs Jahren heute höher bewertet
als die Variante für 100 Dollar in drei Jahren.
194
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Vorurteile machen das Denken einfacher, aber nicht das Miteinander
195
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Erst wenn es einen wichtigen Anlass gibt, werden wir unsere Erinne-
rung überarbeiten und altes Wissen durch neues ersetzen. In den mei-
sten Fällen haben wir schon vorher im Rahmen des Speichervorganges
geurteilt. Und so kommt es, dass wir stets auf der Basis einer ganzen
Reihe von Vorurteilen denken, ohne dass diese den negativen Beige-
schmack haben müssen, den der Begriff „Vorurteil“ in sich trägt.
196
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Vorurteile machen das Denken einfacher, aber nicht das Miteinander
Welche Erlebnisse auf wen wie wirken, ist kaum vorherzusagen. Die
schlimmste Form ist die des Traumas, das den jeweiligen Menschen
körperlich und/oder seelisch krank werden lässt. Aber selbst von sol-
chen dramatischen Ereignissen wirken nicht alle auf alle Menschen
gleich. Jeder kann in einer ruhigen Minute die Seele baumeln lassen
und sich auf die Suche nach solchen Schlüsselerlebnissen in seinem
197
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Inneren begeben. Oft ist es auch so, dass man im vertrauten Gespräch
mit Freunden plötzlich an bestimmte Ereignisse erinnert wird und
Geschichten zum Besten gibt, die sich um ein Schlüsselerlebnis ranken.
Zum Beispiel das Vorurteil, die Pizza einer bestimmten Marke ist zu
hart oder zu weich, deshalb wird sie nicht mehr gekauft. Dass das auch
an einer fehlerhaften Zubereitung liegen mag, wird dabei nicht in Be-
tracht gezogen. In die gleiche Kategorie fallen auch Vorurteile wie
„Ausländische Nachbarn machen zu laute Musik oder werfen ihren
Verpackungsmüll in die falsche Mülltonne“.
All diese Vorurteile auf der Basis mangelnder Erfahrung zeichnen sich
durch eine niedrige Qualität aus und sind auch nicht sehr stark emo-
tional verankert. Anders ist das mit Vorurteilen, die durch eine Auto-
rität in unsere Köpfe gepflanzt worden sind.
Eine ganz andere Form von Autorität stellt die der Führungspersön-
lichkeit dar. Es kann der Vater für den Sohn oder die Tochter sein,
aber auch der Papst für die Gesamtheit aller Katholiken oder der Chef
eines Unternehmens für seine Mitarbeiter. Die Vorurteile beruhen
dann weder auf Schlüsselerlebnissen, noch auf einem Mangel an Er-
198
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Vorurteile machen das Denken einfacher, aber nicht das Miteinander
Dabei wird all das, was die jeweilige Autorität als Ansicht verbreitet,
nicht im allgemeinen Sinne als Vorurteil wahrgenommen, sondern
ungeprüft als richtig oder zumindest als allgemein verbindlich akzep-
tiert. Vorurteile sind in diesem Falle nichts anderes als Meme, die sich
verbreiten und als Denkmuster verfestigen.
199
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Während Priming und Framing von außen auf die Manipulation und
Verfestigung bestimmter Denkmuster bei Individuen abzielen, ge-
schieht dies durch selektive Wahrnehmung beim einzelnen Menschen
selbst. Alle Informationen und Tatsachen, die nicht zum bestehenden
Denkmuster passen, werden ignoriert oder abgelehnt, während all
jene, die die eigenen Denkmuster bestätigen, begierig gesammelt und
registriert werden.
200
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verhandlungen – Kooperation statt Konfrontation
Ganz sicher spielt hier das Belohnungssystem eine große Rolle. Es be-
lohnt uns dafür, dass wir Dinge tun, die von uns ganz subjektiv als
positiv und erfolgreich erlebt werden.
Das, was wir von uns bewusst wahrnehmen, sind häufig Fakten,
Gründe und Zusammenhänge, die im Unbewussten bereits bearbeitet
worden sind und uns dann sozusagen in mundgerechten Häppchen
ins Bewusstsein gereicht werden, wo sie dann abgesegnet werden.
Das, was das Neuromarketing entdeckt hat, lässt sich auch auf Ver-
handlungsstrategien übertragen, zum Beispiel welche Bedeutung das
Umfeld, Erinnerungen oder bestimmte Signale haben.
201
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
Der Leser wird sich die Frage stellen, ob sich die neurowissenschaftli-
chen Erkenntnisse tatsächlich in praktische Handlungsanleitungen für
Verhandlungen umsetzen lassen, wenn die meisten Prozesse unbe-
wusst ablaufen.
Hier stehen wir also vor der zentralen Frage, ob man sich Unbewusstes
bewusst machen kann. Es gibt viele Hirnforscher, die dies grundsätz-
lich verneinen und nur einem Berater, Coach oder Therapeuten die
Fähigkeit zubilligen, mentale Prozesse eines anderen Menschen richtig
zu deuten.
202
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Verhandlungen – Kooperation statt Konfrontation
203
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Was uns antreibt, bewegt oder hemmt
204
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wege zu einem neuen Selbst – wie wir
uns ändern können
„Am liebsten würde ich in meinem Leben etwas ganz anderes tun, als ich
es jetzt tue“. Wer hat diesen Satz nicht schon einmal selbst gesagt oder ihn
schon in seinem Freundeskreis gehört. Normalerweise passiert außer ei-
nem tiefen Seufzer nichts oder es wird gleich eine Begründung nachge-
schoben, weshalb das, was man „wirklich“ möchte, ja ohnehin nicht zu
realisieren sei.
Da sind die Kinder, die die Schule nicht wechseln können, da gibt es ein
Haus, das man verkaufen müsste, man hat einen Arbeitsplatz, der zwar
nicht sicher ist, den man aber trotzdem nicht aufgeben möchte, und meist
spielt das fehlende Geld ohnehin die größte Rolle als Hindernis für ein
erfülltes Leben. Aber stimmen diese Argumente wirklich?
205
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wege zu einem neuen Selbst – wie wir uns ändern können
Das deutsche Denken steht ganz offensichtlich vor einem großen Kon-
flikt. Einerseits hat das menschliche Gehirn von Natur aus einen uner-
sättlichen Hunger auf Neues, andererseits sind aber die kollektiven
Muster in den Köpfen offensichtlich mehrheitlich so angelegt, dass sie
sich gegen jede Veränderung wehren.
206
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Achtsamkeit – ein Weg zur besseren Selbstwahrnehmung
Das ist in den USA anders. Hier existiert bereits ein Arbeitsbereich, der
sich Neuroscience of Mindfulness nennt und in dem einerseits mit
neurowissenschaftlichen Methoden untersucht wird, was im Gehirn
von meditierenden Menschen geschieht und andererseits, wie weit die
daraus gewonnenen Erkenntnisse auch auf Alltagssituationen ange-
wandt werden können.
207
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wege zu einem neuen Selbst – wie wir uns ändern können
warum ist das so? Dieser Frage ging der Neuropsychologe Matthew
D. Lieberman mit seinem Team an der Universität von Kalifornien in
Los Angeles nach.
Nun wurde der Versuch variiert, indem den Gesichtsbildern die Na-
men Harry und Sally beigegeben wurden und die Teilnehmer dem
Gesicht den Namen mit dem passenden Geschlecht zuordnen sollten.
Auch jetzt änderte sich in den Hirnaktivitäten nichts. Das war erst der
Fall, als dem gezeigten Gesicht die jeweilige Emotion „wütend“ oder
„ängstlich“ zugeordnet werden sollte. Plötzlich schwächte sich die
Reaktion der Amygdala deutlich ab.
208
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Achtsamkeit – ein Weg zur besseren Selbstwahrnehmung
Dazu muss man diese Gefühle nicht einmal aussprechen oder auf-
schreiben, obgleich beides sicherlich hilfreich ist.
Unser Auge als optisches System sieht im Prinzip alles, was ein anderer
Mensch aus derselben Position auch sehen kann. Nur nimmt jeder
wahrscheinlich andere Dinge wahr. Unsere Wahrnehmungen werden
mit dem unbewusst Erinnerten und dem bewusst Erinnerbaren in
Beziehung gesetzt.
209
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Wege zu einem neuen Selbst – wie wir uns ändern können
Natürlich ist es nicht notwendig und auch nicht möglich, alle Erfah-
rungen selbst zu machen. Aber wenn man es selbst erlebt, wird man
ein bestimmtes Ereignis mit allen Sinnen wahrnehmen und anders
speichern und bewerten als beim Erleben aus zweiter Hand, wo Fiction
und Nonfiction, Kriminalfilm und Dokumentarfilm mit den identi-
schen Sinneswahrnehmungen, der Gemütlichkeit des Sessels und der
Behaglichkeit einer sicheren Umgebung verbunden sind.
210
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Achtsamkeit – ein Weg zur besseren Selbstwahrnehmung
Als es zu Beginn des Jahres 1945 erste Gerüchte über das Vorrücken
der alliierten Streitkräfte gab, hatte ein Mithäftling ein ganz bestimm-
tes Datum vor Augen, bis zu dem die Befreiung geschehen sein müsste.
Doch das Datum verstrich, ohne dass alliierte Streitkräfte auftauchten.
Der Mithäftling erkrankte und starb innerhalb kürzester Zeit. Nur
wenige Tage später öffneten die alliierten Streitkräfte die Tore des KZ.
Dadurch dass sich die Hoffnung auf einen ganz konkreten Zeitpunkt
richtete, war sie anschließend verloren, und mit der Hoffnung starb
auch der Mensch. Hoffnung gründet sich auf wie auch immer geartete
Fakten. Dadurch unterscheidet sie sich von reinem Wunschdenken,
das keine konkreten Anlässe findet. Wunschdenken folgt einem Mu-
ster, das seine Beziehung zur Realität verloren hat.
211
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werden Sie ein Genie 6 die eigenen
Denkmuster erkennen und verbessern
Gedankenmuster lassen sich ändern. Allerdings hat das in der Regel tief
greifende Folgen für die gesamte Lebensführung. Viele Menschen sind
zwar mit ihren Beziehungen zur Umwelt unzufrieden, weil diese oft nicht
so will, wie sie es wollen, halten aber ihr eigenes Denken für richtig und
sehen sich mit dem, was sie tun, voll im Recht. Sie haben wenig Chancen,
aus ihrem goldenen Käfig auszubrechen. Die dazu notwendigen mentalen
Kräfte zu mobilisieren erfordert Mühe und die Bereitschaft, Neues zu
lernen und tatsächlich Vieles anders zu machen.
213
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werden Sie ein Genie 6 die eigenen Denkmuster erkennen und verbessern
Den größten Einfluss auf die Berufswahl haben bei Jugendlichen die so
genannten Peer Groups, der Freundeskreis. Man möchte als Jugendli-
cher eben dazugehören und tut deshalb das, was alle machen. Jungen
möchten gern Kfz-Mechaniker werden, obgleich die Zukunftschancen
in diesem Beruf deutlich schlechter sind als in anderen, unter deren
Bezeichnung man sich aber leider nichts vorstellen kann.
Kein Wunder also, dass sich viele Menschen nach Abschluss der ersten
Berufsausbildung und vielleicht noch nach einigen Berufsjahren die
Frage stellen, ob sie tatsächlich das im Leben tun, was sie von ihren
Fähigkeiten her wirklich tun wollten,
Vieles von dem, was wir denken, entspringt nur einer Gewohnheit.
Wenn man etwas täglich tut, wird es so selbstverständlich, dass man
sich überhaupt nicht mehr vorstellen kann, es nicht zu tun. Gewohn-
heiten entspringen einerseits bestimmten Mustern, aber sie geben die-
sen auch Form. Dadurch verfestigen sie sich immer mehr. Natürlich
gibt es sowohl gute als auch schlechte Gewohnheiten, nur fallen die
schlechten anderen Menschen leichter auf als die guten.
Auch wenn man es nicht wahrhaben will, das Gehirn gibt einem kör-
perliche Signale, wenn das Bewusstsein selbst nicht bereit ist, die Dis-
sonanz zwischen Wollen und Handeln zu beseitigen. Die Liste solcher
psychosomatischen Erkrankungen ist lang und bekannt, vom Kopf-
schmerz, über Rückenschmerzen, von Herz-, Magen- und Darmbe-
schwerden bis hin zum Zusammenbruch des Immunsystems sind alle
214
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die äußeren Einflüsse auf unser Denken
Inzwischen weiß man, dass diese 80/20-Regel nicht nur in der Wirt-
schaft ihre Gültigkeit hat – ein Unternehmen macht 80 Prozent seines
Umsatzes mit 20 Prozent seiner Kunden – sondern überall, selbst in
der Natur. Normalerweise reicht es, 20 Prozent zu ändern, um 80 Pro-
zent der Wirkung zu erzeugen. Gardner legt nun nahe, dieses Prinzip
auch auf das Denken anzuwenden. Ändern wir 20 Prozent unserer
Denkmuster, so werden sich 80 Prozent unseres Lebens ändern. Na-
türlich taucht dann immer die Frage auf, welches die 20 Prozent sind,
an denen wir arbeiten müssen.
1. Gründe
Wer sein eigenes Denken verändern oder das anderer beeinflussen
möchte, sollte sich immer wieder bewusst machen, dass es für jeden
Gedanken, der als richtig erachtet wird, Gründe gibt. Diese Gründe
teilen sich allerdings nach den 80/20-Prinzip in einen Kerngrund und
sehr viel Bedeutungssoße auf. Um einen Wandel herbeiführen zu kön-
nen, muss man zum Kern vorstoßen und herausfinden, warum man
selbst oder jemand anders etwas ganz Bestimmtes will oder nicht will.
215
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werden Sie ein Genie 6 die eigenen Denkmuster erkennen und verbessern
Die Formel für einen guten Grund, ein Denkmuster zu ändern, lautet:
„Ich will es, ich weiß es nur noch nicht beziehungsweise sie wollen es
und wissen es nur noch nicht“. Denken Sie darüber nach, warum Sie
selbst es wollen sollten oder ein anderer es wollen sollte, und sammeln
Sie dann Argumente, um die Bedeutungssoße der alten Muster abzu-
tragen.
2. Informationsbeschaffung
Auch für die Informationen, die uns zur Verfügung stehen, gilt das
80/20-Prinzip. Nur 20 Prozent sind wirklich wichtig und 80 Prozent
sind reiner Informationsballast, den man als Müll getrost entsorgen
kann. Wer bestehende Muster unterstützen will, wird nur solche In-
formationen sammeln, die diese Muster bestätigen. Also sollte man
sich oder auch andere in die genau gegenteilige Position versetzen und
damit beginnen, stichhaltige Argumente für die Gegenposition zu
sammeln.
3. Rückmeldung
Wenn Sie die Schritte „Ich will es, weiß es aber nur noch nicht“ und
die Beschaffung neuer Informationen gegangen sind, sollten Sie diese
neue Position und die neuen Argumente an anderen Menschen erpro-
ben. Sie werden zunächst erstaunt sein, dass Sie in der Regel eine sehr
216
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die äußeren Einflüsse auf unser Denken
positive Resonanz erhalten. Das ist aber gar nicht weiter verwunder-
lich, denn Sie haben sich ja Mühe gegeben, die besten Informationen
und Argumente dafür zu sammeln, denn schließlich hatten Sie ja ur-
sprünglich eine andere Position.
Wer ursprünglich körperlich träge war und sich jetzt entschieden hat,
mit Jogging zu beginnen, wird feststellen, dass seine Argumente für
das Jogging bei anderen Menschen auf fruchtbaren Boden fallen und
er verbal und nonverbal Anerkennung für seine Argumente findet.
Dadurch wird die begonnene Veränderung im Denkmuster emotional
verstärkt, untermauert und gefestigt.
Wer beginnt, seine Denkmuster zu ändern, wird sich auch schon bald
in einer anderen Gesellschaft wiederfinden beziehungsweise diese ganz
gezielt aufsuchen, weil ein Mensch gar nicht genug vom positiven
Feedback bekommen kann. Kein Wunder also, dass die meisten Ver-
änderungen im Denkmuster nicht nur partiell, sondern in der Regel
radikal erfolgen. Denn nur wenn man sich vom Saulus zum Paulus
wandelt, bekommt man uneingeschränkt positive Rückmeldungen
von anderen.
4. Umdeutungen
Eine weitere Möglichkeit, Denkmuster zu ändern, besteht darin, sie
auf neue Weise zu deuten. Wer zum Beispiel weiß, dass Fremdenfeind-
lichkeit nicht etwa durch das hervorgerufen wird, was die Fremden
tun, sondern aus der eigenen Angst heraus entsteht, wird die eigenen
Muster und Signale in Gegenwart von Fremden neu deuten und durch
bessere Muster ersetzen wollen.
217
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werden Sie ein Genie 6 die eigenen Denkmuster erkennen und verbessern
Aber es sind nicht immer Terror und Krieg notwendig, um das Den-
ken einzelner Menschen oder ganzer Gruppen schlagartig zu verän-
dern. Wichtig ist in erster Linie, wie äußere Ereignisse verarbeitet wer-
den und welchen Niederschlag sie in den Gedankenmustern finden.
Der Verlust naher Verwandter oder die Trennung von einem Partner
können für einen einzelnen Menschen ganz ähnliche Folgen haben.
Selbst der Verlust des Arbeitsplatzes wird oft ähnlich stark erlebt wie
der Tod eines nahe stehenden Menschen.
Es ist aber nicht nur so, dass wir jetzt auf Ereignisse warten müssten,
die in unser Leben eingreifen. Wir können auch selbst Ereignisse an-
stoßen. Man kann seine Kinder auf eine andere Schule schicken oder
man kann sich neue Möbel für die Wohnung kaufen. Man kann sei-
nen Fernseher oder sein Auto verschenken. Jede dieser Veränderungen
wird neue Denkmuster und eine neue Sicht der Welt erzeugen.
7. Widerstand
Howard Gardner weist darauf hin, dass es in den ersten Lebensjahren
eines Menschen leicht ist, seine Denkmuster zu beeinflussen, und dass
es später immer schwieriger wird, weil sich mit zunehmendem Alter
bestimmte Muster verfestigen. Diese Widerstände werden am leichte-
sten dadurch überwunden, dass möglichst auf allen sechs Ebenen Ver-
änderungen einsetzen. Dabei reicht es, sich auf die wichtigsten 20 Pro-
zent zu konzentrieren.
218
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Die äußeren Einflüsse auf unser Denken
Plötzlich werden Sie feststellen, dass der größte Teil eigentlich völlig
unwichtig war. Wenn Sie sich jetzt entschließen, nur noch die wichti-
gen Sendungen aufzuzeichnen und sie zeitversetzt anzuschauen, wer-
den Sie noch einmal feststellen, dass vieles, was Ihnen heute im Fern-
sehen wichtig erschien, innerhalb weniger Tage schon überholt und
damit unwichtig geworden ist. So gewinnen Sie nach und nach immer
mehr freie Zeit für die Dinge, die Ihnen wirklich wichtig sind.
219
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werden Sie ein Genie 6 die eigenen Denkmuster erkennen und verbessern
Diese Frage beschäftigt schon seit langer Zeit nicht nur die Sozialwis-
senschaftler, sondern auch die Wirtschaftswissenschaftler. Schließlich
ist das Risiko in der modernen vernetzten Finanzwelt, durch falsche
Entscheidungen Millionen zu verlieren, ebenso gewachsen wie die
Chance, innerhalb von Sekunden Millionen zu verdienen.
Zu seiner Verblüffung erklärten ihm aber die Einsatzleiter, dass sie nie
eine Entscheidung treffen würden. Was sie damit meinten, war dass sie
niemals die so genannte Rational Choice Strategy, also die Strategie
rationaler Entscheidungen, anwendeten.
220
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Richtig entscheiden lernen
gleich gut, wird letzten Endes die Größe den Ausschlag geben, in Ab-
hängigkeit vom Hungergefühl.
Die Rational Choice Strategy war also nichts weiter als eine Bedeu-
tungssoße, die über eine bereits vorgefasste Entscheidung gegossen
wurde. Kein Wunder also, dass Feuerwehrleute diese Methode nicht
anwenden. Denn erstens dauert sie zu lange und zweitens wissen Feu-
erwehrleute genau, was sie tun müssen und können sich die Bedeu-
tungssoße sparen.
Die Frage, der Gary Klein jetzt nachging, war: Woher wissen sie das?
Wenn es darum geht, einen Brand zu löschen und die damit verbun-
denen Gefahren zu erkennen, dann spielt für Feuerwehrleute die Er-
fahrung die größte Rolle. Sie vergleichen die bestehende Situation mit
anderen, die erfolgreich bewältigt wurden, und greifen auf die dort
verwendeten Handlungsmuster zurück. Gleichzeitig prüfen sie die
Situation auch hinsichtlich bestimmter Abweichungen von der bereits
vertrauten Situation.
221
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werden Sie ein Genie
die eigenen Denkmuster erkennen und verbessern
Dabei wenden sie unbewusst die 80/20 Methode an, indem sie sich auf
die wichtigsten Probleme konzentrieren und nicht versuchen, alles
gleichzeitig zu lösen. Durch die Kombination von Erfahrung und Wis-
sen sind sie in der Lage, bestimmte Risikofaktoren intuitiv zu erken-
nen und darauf zu reagieren. Soweit zu Feuerwehrleuten und anderen
Berufen, die in lebensgefährlichen Situationen schnelle Entscheidun-
gen treffen müssen. Aber nicht jeder ist schließlich ein Feuerwehr-
mann, sondern kann sich bei der Entscheidungsfindung ruhig etwas
mehr Zeit lassen.
Für manche Menschen mag dies recht abstrakt klingen. Sie setzen lieber
auf den Gebrauch der Intuition, die Kreativität beflügelnde Verfahrens-
weisen oder auch Jahrtausende alte Orakelmethoden. Grundsätzlich
kann jede der Methoden zum Erfolg führen, denn ob Orakel oder Sys-
tematik, letzten Endes werden in beiden Fällen die eigenen unbewussten
Denkmuster angeregt, Lösungsvorschläge zu unterbreiten.
222
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Richtig entscheiden lernen
Eineiige Zwillinge sind sich in ihrer Stärke und Ausprägung des reli-
giösen Glaubens deutlich ähnlicher als zweieiige. Zwar wird die Reli-
giosität in der Jugend vorwiegend durch die Umwelt geprägt, also
hauptsächlich durch die religiösen Ansichten und Praktiken der El-
tern, aber im Zuge des Erwachsenwerdens zeigt sich, dass das religiöse
Empfinden bei eineiigen Zwillingspaaren deutlich identischer ist als
bei zweieiigen. Daraus schließen die Forscher, dass die Erbanlagen
stärker sind als die Umwelteinflüsse. Das ist aber nur ein Aspekt des
religiösen Erlebens.
Man weiß heute, dass es im Gehirn ganz bestimmte Areale gibt, die bei
der Meditation stärker durchblutet werden oder deutlich weniger stark
aktiv sind. Das ließ sich sowohl bei buddhistischen Mönchen als auch
bei Franziskanernonnen nachweisen. Es kommt also nicht darauf an,
223
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werden Sie ein Genie 6 die eigenen Denkmuster erkennen und verbessern
was oder woran der Mensch glaubt. Entsprechend der Aktivität dieser
Hirnareale wurden sowohl die Sinneseindrücke beeinflusst als auch
das Gefühl für die eigene Person in Bezug zu Raum und Zeit.
Aber man muss bei all diesen Ergebnissen vorsichtig sein. Denn
schließlich handelt es sich bei allem, was Gen- und Hirnforschung
entdecken, nur um Bereiche des Erlebens und Fühlens. Die Frage ist
aber: „Existiert Glaube nur dann, wenn man etwas Spezielles erlebt
und fühlt, und muss es sich um so extreme Erlebnisse wie Auflösung
von Raum und Zeit handeln oder gar um die Wahrnehmung von
Erscheinungen? Oder kann es sich auch einfach vielleicht nur um
Gedankenmuster handeln, die den Menschen und seine Selbst-
wahrnehmung in einen größeren Zusammenhang stellen und seine
Wertemuster beeinflussen?“
Insofern sind auch die Erfolge spiritueller Lehrer, wie zum Beispiel
Eckhart Tolle, zu erklären. Der heute in Kanada lebende Dortmunder
224
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Richtig entscheiden lernen
225
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werden Sie ein Genie 6 die eigenen Denkmuster erkennen und verbessern
Insofern hat man in der Psychologie nach wie vor sechs unterschiedli-
che Erklärungsmodelle und Theorieansätze, die den Menschen erklä-
ren sollen. Es handelt sich um die biologische Perspektive, die psycho-
dynamische, die behavioristische, die kognitive, die humanistische und
die evolutionäre Perspektive. All diese Ansätze, die sich zum Teil ge-
genseitig ergänzen, aber auch ausschließen, werden in den Neurowis-
senschaften auf eine einzige Frage konzentriert, und die lautet: „Wie
funktioniert das Gehirn?“
226
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werden die Neurowissenschaften die Psychologie im Alltag ersetzen?
227
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Werden Sie ein Genie 6 die eigenen Denkmuster erkennen und verbessern
228
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Literaturempfehlungen
Ariely, Dan: Denken hilft zwar, nützt aber nichts. Warum wir immer
wieder unvernünftige Entscheidungen treffen, München 2008
Blackmore, Susan: Die Macht der Meme, oder Die Evolution von Kul-
tur und Geist, Heidelberg/Berlin 2000
Brockman, John (Hrsg.): Die nächsten fünfzig Jahre. Wie die Wissen-
schaft unser Leben verändert, München 2002
Calvin, William H.: Die Sprache des Gehirns. Wie in unserem Bewußt-
sein Gedanken entstehen, München 2000
Ders.: Wie der Schamane den Mond stahl. Auf der Suche nach dem
Wissen der Steinzeit, München 1996
Campbell, Joseph: Die Kraft der Mythen. Bilder der Seele im Leben des
Menschen, München 1994
229
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Literaturempfehlungen
Damasio, Antonio R.: Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des
Bewusstseins, München 2002
Ders.: Descartes´ Irrtum, München 1997
Ders.: Der Spinoza-Effekt, München 2003
Edelman, Gerald M./Tononi, Giulio: Gehirn und Geist. Wie aus Mate-
rie Bewusstsein entsteht, München 2002
Ekman, Paul: Gefühle lesen. Wie Sie Emotionen erkennen und richtig
interpretieren, München 2007
Frankl, Viktor E.: Der Mensch auf der Suche nach Sinn. Zur Rehuma-
nisierung der Psychotherapie, Freiburg 1973
Ders.: Der Wille zum Sinn. Ausgewählte Vorträge über Logotherapie,
München 1991
230
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Literaturemphehlungen
Gladwell, Malcolm: Der Tipping Point. Wie kleine Dinge Großes be-
wirken können, Berlin 2000
Ders.: Blink! Die Macht des Moments, Frankfurt 2005
231
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Literaturempfehlungen
Hoffman, Donald D.: Visuelle Intelligenz. Wie die Welt im Kopf ent-
steht, München 2003
Hüther, Gerald: Die Macht der inneren Bilder. Wie Visionen das Ge-
hirn, den Menschen und die Welt verändern, Göttingen 2005
Iacoboni, Marco, Woher wir wissen, was andere denken und fühlen,
München 2009
Jung, Carl Gustav: Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Un-
bewußten, München 2003
Ders.: Erinnerungen, Träume, Gedanken, Düsseldorf 2003
Jung, Carl Gustav u. a.: Der Mensch und seine Symbole, Olten 1979
232
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Literaturemphehlungen
Klein, Stefan: Die Glücks-Formel oder Wie die guten Gefühle entste-
hen, Reinbek 2002
Koch, Richard: Das 80/20 Prinzip. Mehr Erfolg mit weniger Aufwand,
Frankfurt/Main 1998
Kotre, John: Lebenslauf und Lebenskunst. Über den Umgang mit der
eigenen Biographie, München 2001
Meier-Koll, Alfred: Wie groß ist Platons Höhle? Über die Innenwelten
unseres Bewusstseins, Reinbek 2002
Mérö, László: Die Logik der Unvernunft. Spieltheorie und die Psycho-
logie des Handelns, Reinbek 2003
Ders.: Die Grenzen der Vernunft. Kognition, Intuition und komplexes
Denken, Reinbek 2002
233
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Literaturempfehlungen
Popper, Karl R./Eccles, John C.: Das Ich und sein Gehirn, München
2002
Ridley, Matt: Nature via nurture. Genes, experience and what makes
us human, London 2004
234
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Literaturemphehlungen
Solms Mark, Turnbull Oliver: Das Gehirn und die innere Welt. Neu-
rowissenschaft und Psychoanalyse, Düsseldorf 2007.
Urban, Martin: Wie die Welt im Kopf entsteht. Von der Kunst, sich
eine Illusion zu machen, Frankfurt/Main 2002
235
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Literaturempfehlungen
236
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Stichwortverzeichnis
80/20 Prinzip 215, 216 Duft Marketing 177
237
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Stichwortverzeichnis
Gedanken 28, 29, 30, 32, 94, 107, Iacoboni, Marco 228
114, 116, 215, 229, 232 Ich Bewusstsein 25
Gedankenmuster 213 Identität 92, 199
Gefangenendilemma 37 Informationen 128, 227, 228
Gefühle 26, 29, 32, 47, 48, 114, Informationsbeschaffung 216
115, 189, 216, 233 Informationsoverkill 61
schlechte 182 Informationsüberfluss 61
Gefühlsblindheit 150 Inselbegabung 59
Gegenwart 189 Intelligenz 96, 97, 98, 99, 187, 215,
Gehirn 18, 19, 22, 23, 26, 56, 126, 231, 232
135, 144, 203 interdisziplinär 227
Gehirnforschung 17 Introspektionsfähigkeit 25
Gehirnregionen 73
Gehorsam 63 Käfig 213
Geiz 183 Kahneman, Daniel 134
Gene 28, 93, 94, 96, 229 Klein, Gary 220 ff., 232, 233
Gerüche 110, 176 Kognition 55
Gesellschaft 22, 31, 93, 97, 111, kognitives lernen 66
115, 189, 215, 217, 225, 227, Kokain 184
228, 229 Kommunikation 25, 155, 200
Gesichter 45 Konditionierung 65
Gesichtsausdrücke 50 Konsistenz 142, 199
Gestik 50 Körperbewusstsein 206
Gewohnheit 132, 214 Kreativität 32, 222
Gewöhnung 131
Gladwell, Malcolm 231 Lebensmotive 231
Großmutterzellen 113 LeDoux, Joseph 54
Grundgefühle 48 Leistungsfähigkeit 109
Grundlagenforschung 228 lernen 64, 129
Grundmuster 31 Arten des 65
kognitives 66
Habgier 183 Levine, Robert 107, 233
Habituation 132 Libet, Benjamin 29
Halluzinationen 111 limbisches System 194
Hamer, Dean 223 Locke, John 93
Haynes, John Dylan 72 Logik 32, 230, 233
Hippocampus 128 Logo 122
Hirnbotenstoffe 223 lügen 60, 154, 156
Hirnforschung 14, 26, 95, 126, 128,
189, 223, 224, 227, 228, 235 Magnetenzephalografie 26
Hirnscan 27 Magnetresonanztomografie 12, 27,
Hirnsysteme 74 33, 200
Homo oeconomicus 11, 226 Mandelkern 34, 43, 57
Homo reciprocans 11 Manipulation 154
Hüther, Gerald 232 Medizin 128
Hyperbolic time discounting 193 MEG 26
238
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Stichwortverzeichnis
Meme 32, 114, 115, 116, 199, 229 Religion 115, 223, 224
Millner, Peter 42 Rituale 168
Mimik 50 Rizzolatti, Giacomo 112
Mindmapping 219
monochrone Gesellschaften 170 Savants 59
Motorik 108 Schadenfreude 45
Multitasking 30, 61 Schamanismus 224
Musik 161, 175 Schlüsselerlebnisse 197
Mythen 166 Schmerzreize 134
Schwarm 162
Nervenzellen 20, 26, 112, 113, 128, Selbst 17, 205
129 Selbstbewusstsein 81
Netzwerkverbände 19 Selbstvertrauen 81, 82
Neurobiologie 113, 234 Selbstwahrnehmung 206, 207
Neurogenese 128, 129 Selfness 225
Neuromarketing 45, 118, 121, 122 Sensorik 161
neuronale Prozesse 18 Shock Novel Reiz 133
Neuronen 14, 30, 113, 206 Signale 26, 27, 28, 31, 32, 214, 217
Neuroökonomie 113 Simon, Herbert Alexander 12
Neuropädagogik 227 Singer, Wolf 235
Neurotheologie 227 Sinn 24, 112, 210, 225, 230
Neurowissenschaften 15, 18 Sinnesreize 134
Nikotin 183 situatives Verhalten 147, 149
nonverbale Kommunikation 113 Smith, Adam 11, 226
Nucleus accumbens 34, 183 Social Cognitive Neuroscience 113
soziales Verhalten 102
Ökonomie 226, 227 Spiegelneuronen 32, 35, 112, 114,
Olds, James 42 206, 225
Spielsucht 183
P 300 133 standhalten 138
Persönlichkeit 229, 234 Stereotypien 109, 146, 199
PET 27 Stimme 50
Placeboeffekt 187, 188 Stress 191
polychrone Gesellschaften 171 Stressreduzierung 207
Positronen Emissions Tomografie Sturheit 84
27 Süchte 183
präfrontaler Cortex 34, 72, 73, 146, Sutter, Matthias 147
183 Symbole 161, 166
Priming 200
prozedurales Gedächtnis 62 Talente 31
Psychologie 14, 33, 187, 226, 227, Theologie 224
228, 229, 232, 233, 234, 236 Tipping Point 115, 231
Psychopathen 153
Psychotherapie 164 Übertragung 164
Rational Choice Strategy 220, 221 Ultimatumspiel 35, 147, 202
Rationalität 226 Umdeutung 139
Reize 128, 129, 227
239
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de
Stichwortverzeichnis
Umwelt 22, 32, 93, 94, 96, 107, Vorhersagen 24, 186, 187, 188, 189
213, 215, 218, 223 Vorinformationen 203
Unbewusstes 17, 24, 28, 31, 110, Vorurteile 195, 196, 198, 199
188, 206
unbewusstes Denken 23 Wahrnehmung 107, 116, 146
Wahrnehmungsverzerrungen 155
Veränderungen 138, 219 Watzlawick, Paul 113, 235
Veranlagung 95 Werbung 118, 123, 160
Verhalten 226 Wertesystem 31
Verhaltenmuster 135 Wirklichkeit 24, 209, 210, 234, 235
Verhandlungen 200 Wissen 32, 99, 110, 196, 222, 229
Verhandlungsspiele 33 Worte 108
Verlustangst 155
Vernunft 15 Zeit 169
Verstand 9, 10, 15, 91, 189 Zeitpräferenz 191
drei Teile 17 Zeitstudien 171
Vertrauen 181 Zimbardo, Philip 147
Vertrauensspiel 36 Zukunft 189, 228
Vorabinformationen 116 Zwillinge 223
240
Dieses eBook ist lizenziert für Rechenzentrum der Universität Hamburg
Alle Rechte vorbehalten. Download vom 30.11.2013 14:48, www.wiso-net.de