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Examensaufgaben EWS Staatsexamen

VERWENDETE LITERATUR 3

1. LEHREN UND LERNEN 4


1.1. LEHRSTRATEGIEN 4
1.2. QUALITÄTSMERKMALE 7
1.3. LERNEN IN GRUPPEN ( 2 AUFGABEN ) 9
1.4. ERLERNTE HILFLOSIGKEIT 11
1.5. SOZIAL-KOGNITIVE THEORIE 14
1.6. SELBSTGESTEUERTES LERNEN 17
1.7. PROBLEMORIENTIERTES LERNEN 20
1.8. GEDÄCHTNISPROZESSE 23
1.9. VORWISSEN 27
1.10. SELBSTREGULIERTES LERNEN UND LERNSTRATEGIEN 30
1.11. BEOBACHTUNGSLERNEN VS. MEHRSPEICHERMODELL 33
1.12. BEHAVIORISMUS UND KOGNITIVISMUS 37
1.13. LERNTHEORIEN UND VERHALTENSSTÖRUNGEN 39
1.14. INFORMATIONSVERARBEITUNG UND MEHRSPEICHERMODELL 42
1.15. LERNSTRATEGIEN 46
1.16. SELBSTREGULIERTES LERNEN 48
1.17. LERNUMGEBUNGEN 49
1.18. OPERANTES KONDITIONIEREN VS. SOZIAL KOGNITIV 51
1.19. GEDÄCHTNIS UND WISSENSERWERB 53
1.20. GEDÄCHTNIS UND GEDÄCHTNISMODELL 55
1.21. WISSEN UND VORWISSEN 58
1.22. SELBSTGESTEUERTES LERNEN 61
1.23. HAUSAUFGABEN 63
1.24. ÜBUNGSAUFGABEN 64

2. ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE 65
2.1. GEDÄCHTNISENTWICKLUNG 65
2.3. KOGNITIVE ENTWICKLUNG 68
2.4. ENTWICKLUNG AUFMERKSAMKEIT/ARBEITSGEDÄCHTNIS 71
2.4. SCHLUSSFOLGERNDES DENKEN/METAKOGNITION 73
2.5. GEDÄCHTNISSTRATEGIEN 77
2.6. FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPT I 80
2.7. FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPT II 84
2.8. IDENTITÄT 88
2.9. LEISTUNGSMOTIVATION 91
2.10. MOTIVATION 93
2.11. INTERESSE 97
2.12. INTELLIGENZ 99
2.13. GEDÄCHTNISENTWICKLUNG 101
2.14. ENTWICKLUNGSAUFGABEN 105
2.15. PIAGET 107
2.16. PIAGET VS. WYGOTSKY 110
2.17. CASE UND SCHLUSSFOLGERNDES DENKEN 114

1
2.18. EMPATHIE 117

3. DIAGNOSTIK UND EVALUATION 119


3.1. SCHULLEISTUNGSDETERMINANTEN 119
3.2. ANGST, LEISTUNGSMOTIVATION UND SCHULISCHES SELBSTKONZEPT 121
3.3. BEOBACHTUNG, MERKMALE VON GUTEM UNTERRICHT 123
3.4. VERHALTENSBEOBACHTUNG 125
3.5. BEOBACHTUNG 128
3.6. SCHULLEISTUNGSTESTS 131
3.7. STANDARDISIERTE SCHULLEISTUNGSTESTS 133
3.8. TESTGÜTEKRITERIEN 135
3.9. MÜNDLICHE PRÜFUNGEN 138
3.10. SCHRIFTLICH VS. MÜNDLICH I 140
3.11. SCHRIFTLICH VS. MÜNDLICH II 143
3.12. SCHULERFOLG 147
3.13. EVALUATION I 149
3.14. EVALUATION II 151
3.15. EVALUATION III 153
3.16. EVALUATION VI 155
3.15. SUBJEKTIVE/OBJEKTIVE VERFAHREN 157

5. ZUSAMMENFASSUNGEN RANDGEBIETE 159


5.1. LEHREN UND LERNEN 159
5.1.1. EMOTIONEN IM KONTEXT VON LERN- UND LEISTUNGSVERHALTEN 159
5.1.2. LERNEN IN GRUPPEN 164
5.1.3. LERNGELEGENHEITEN IM UNTERRICHT 168
5.1.4. MOTIVATION 171
5.2. EVALUATION UND DIAGNOSTIK 179
5.2.1. EVALUATION 179
5.2.2. PÄDAGOGISCHE DIAGNOSTIK 181

6. AUSGEWÄHLTE STUDIEN 183


6.1. STUDIEN ZU LEHREN UND LERNEN 183
6.2. STUDIEN ZU ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE 186
6.3. STUDIEN ZU DIAGNOSTIK UND EVALUATION 205

2
Dieses Skript wurde 2018 zur Unterstützung bei der Examensvorbereitung erstellt. Ich
übernehme keine Gewähr für Vollständigkeit und Korrektheit aller Angaben.

Erstellt von: Larissa Wittmann

VERWENDETE LITERATUR

Ingenkamp/Lissmann: Lehrbuch der Pädagogischen Diagnostik: Weinheim und Basel 2008.

Lohaus, Vierhaus, Maas: Entwicklungspsychologie des Kindes und Jugendalter.


Berlin/Heidelberg 2010.

Mietzel: Pädagogische Psychologie des Lehrens und Lernens. Göttingen 2017.

Oerterer/Montada: Entwicklungspsychologie. Basel 2008.

Schneider/Hasselhorn: Handbuch der Pädagogischen Psychologie. Göttingen 2008.

Schneider/Lindenberger: Entwicklungspsychologie. München 2012

Siegler/Eisenberg/DeLoache/Saffran: Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugendalter


Berlin 2016.

Wild/Möller: Psychologische Psychologie. Heidelberg 2009.

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1. LEHREN UND LERNEN
1.1. Lehrstrategien

Stellen Sie zwei Lehrstrategien ausführlich dar. Berücksichtigen Sie dabei spezifische
Lehrinhalte und Lernziele, für die sie besonders geeignet sind.
Belegen Sie die Wirksamkeit der beidem Lehrstrategien durch empirische Studien.

Gliederung:
1. Lehrstrategien allgemein nach Hasselhorn und Gold
2. Lehrstrategien in der Gegenüberstellung
2.1. Darstellende Methoden
2.1.1. Darstellende Methoden: Lehrinhalte und Lernziele
2.1.2. Wirksamkeit der Darstellenden Methoden
2.2. Problemorientierte Methoden
2.2.1. Problemorientierte Methoden: Lehrinhalte und Lernziele
2.2.2. Wirksamkeit der Problemorientierten Methoden

Zusatz:
2.3. Kollaborative Strategien
2.3.1. Kollaborative Strategien: Lehrinhalte und Lernziele
2.3.2. Wirksamkeit der Kollaborativen Strategien

1. Unter Lehrstrategien (auch Lehrmethoden oder Unterrichtsmethoden genannt)


versteht man im Allgemeinen verschiedene Formen der Wissensvermittlung. Die
Strategien können Lehrer- oder Lernerzentriert sein. Der entscheidende Unterschied
liegt in der Lokalisierung von Verantwortlichkeit und Kontrolle. Hasselhorn und Gold
zufolge wird zwischen drei verschiedenen Lernstrategien unterschieden: Die
darstellenden Strategien, problemlösenden und kooperativen Strategien. Während
erstere ihren Ursprung in den kognitivistischen Lerntheorien haben, haben die
beiden weiteren genannten Theorien ihren Ursprung in konstruktivistischen
Theorieansätzen.

2. In dieser Arbeit werden die darstellenden und problemlösenden Strategien


nachfolgend genauer behandelt.

2.1. Die Darstellungsstrategien zeichnen sich durch eine hohe Steuerung des
Lernprozesses durch die Lehrkraft aus. Den Darstellungsstrategien liegt die Annahme
zugrunde, dass Wissen passiv und rezeptiv verarbeitet wird und nicht aktiv vom
Lerner konstruiert wird. Hasselhorn und Gold zufolge ist die direkte Instruktion eine
typische Darstellungsstrategie. Eine Unterrichtseinheit ist hierbei in mehrere stark
durch den Lehrer strukturierte Teile geteilt. Sie beginnt mit der Formulierung von
Lernziele, Aktivierung von Vorwissen und zeichnet sich dann besonders durch eine
ausdrückliche Präsentation der neuen Wissensinhalte durch die Lehrkraft aus. Es
folgen gemeinsame Übungssequenzen und Rückmeldungen. Die Kontrolle durch die
Lehrkraft ist durchgehend hoch. Selbstständiges Üben erfolgt erst, nachdem

4
sichergestellt wurde, dass die Inhalte verstanden wurden und hat den Sinn, das
Gelernte zu festigen.

2.1.1. Aufgrund des hohen Grads an Kontrolle durch die Lehrkraft und die ausführliche
Darbietung der aufgearbeiteten Lerninhalte eignen sich Darstellende Strategien
besonders für explizites deklaratives Wissen, dass sich Schüler aneignen sollen.
Die dargebotenen Wissensinhalte präsentieren nicht hinterfragbares
„unveränderliches“ Wissen und ist deshalb besonders für die Vermittlung von
unumstrittenem Wissen geeignet, beispielsweise für den Geschichtsunterricht bei
der Vermittlung von historischen Ereignissen. Ebenfalls sind sie für komplizierte
Anwendungsgebiete geeignet, bei welchen die Schüler eventuell noch nicht die
kognitiven Fähigkeiten haben, den Hintergrund sich im Stil des Konstruktivismus
aktiv zu erarbeiten. Ein Beispiel wären hier bestimmte Rechenoperationen im
Mathematikunterricht, wo es in jüngeren Klassen wichtig ist, Regeln anwenden zu
können, auch wenn sie noch nicht genau verstanden werden können. Ihre
Grenzen erfahren die Darstellenden Strategien hingegen häufig bei
Transferaufgaben, denn die Schüler können das dargebotene Wissen häufig nicht
auf andere Situationen übertragen.

2.1.2. Die Wirksamkeit von Darstellenden Methoden wurde empirisch bestätigt. Mittels
Korrelativen Analysen wurden durch Leistungstest starke und schwache Klassen
ermittelt und die zugrundeliegenden Lehrmethoden untersucht. Als Ergebnis fand
Walberg 1986 heraus, dass sich darstellende Methoden insbesondere eignen,
wenn die Präsentation gut strukturiert ist und wenig Zeit für disziplinatorische
Maßnahmen verschwendet wird. Auch Interventionsstudien haben die
Effektivität bestätigt. Im Zuge dieser Studien wurden dieselben Lerninhalte durch
verschiedene Lehrmethoden präsentiert. Good und Growns konnten 1979 im
Zuge dessen die Effektivität ebenfalls bestätigen.

2.2. Die problemlösenden Strategien zeichnen sich durch eine hohe


Lernerzentriertheit aus und beziehen sich auf konstruktivistische Lerntheorien. Ihnen
liegt die Annahme zugrunde, dass Lernen immer situiert ist, also in einem
bestimmten Kontext erfolgt. Ebenfalls konstruiert sich der Lernende das neue Wissen
selbst. In einer Unterrichtssequenz nach der problemlösenden Strategie wird in
einem ersten Schritt den Schülern das Problem präsentiert (Konfrontationsphase). In
einem zweiten Schritt versuchen die Schüler selbst das Problem zu lösen
(Entdeckungsphase). In der Dritten und letzten Phase erfolgt eine gemeinsame
Bearbeitung des Problems mit der Lehrkraft, wobei die verschiedenen Lösungen
dargestellt, erprobt und diskutiert werden. (Auflösungsphase)

2.2.1. Da die Schüler beim problemorientierten Lernen je nach Aufgabe zu


unterschiedlichen Ergebnisse kommen können eignet sich diese Strategie
besonders für Lerninhalte, bei denen es mehrere richtige Lösungen gibt – Wissen
wird demnach nicht als Produkt präsentiert, sondern vom Schüler selbst
konstruiert. Ebenfalls decken die Strategien nicht nur das Lernziel
„Wissenserwerb“ ab, sondern vermitteln auch weitere Kompetenzen, die das
selbstgesteuerte Lernen betreffen wie die Fähigkeit zu eigenständigen Denken.
Durch die Darstellung des Wissens eingebettet in einen spezifischen Kontext,

5
wird der Erwerb von trägem Wissen verhindert. Ebenfalls wecken
problemlösende Strategien durch die Kreation von kognitiven Konflikten die
Neugier der Schüler und tragen so entscheidend zu deren Motivation bei. Wichtig
ist, dass die Problemlösende Lehrstrategie nicht mehr zu schweren Aufgaben
angewandt wird, da die Schüler sonst leicht überfordert werden. Auch muss eine
Kontrolle erfolgen, damit sich erarbeitete Misskonzepte nicht verfestigen können.

2.2.2. Mayer 2004 zufolge konnte die Wirksamkeit von problemlösenden Strategien im
Allgemeinen noch nicht bestätigt werden. Das liegt vermutlich daran, dass sich im
Zuge des Feldes des problemlösenden Lernens mehrere spezifische Beispiele für
problemlösende Lehrstrategien herausgebildet haben (bsp. Anchored Instruction,
cognitive Apprenticeship), die wiederrum gesondert untersucht wurden.

Zusatz:

2.3. Kollaborative Lehrstrategien oder auch Kooperative Lernstrategien zielen auf


das Arbeiten in Gruppen ab. Schüler lernen aktiv, selbstständig und sozial, während
der Lehrer in den Hintergrund rückt. Johnson und Johnson 1999 zufolge gibt es 5
Basismerkmale für Kooperatives Lernen:
1. Positive Interpendenz: Das korrekte Lösen einer Aufgabe muss jeden Schüler
einbeziehen
2. Individuelle Verantwortlichkeit: Die Lösung der Aufgabe kann nur erfolgen, wenn
jeder Schüler Verantwortung übernimmt, Einzelbeiträge sind erkennbar
3. Interaktion
4. Kooperative Arbeitstechniken
5. Reflexive Prozesse: Austausch über positive und negative Gruppenprozesse

2.3.1. Die Lehrziele bei Kollaborativen Strategien gehen weit über den Wissenserwerb
hinaus. Durch das Zusammenarbeiten in Kleingruppen werden vorallem soziale
Kompetenzen und auch kommunikative Kompetenzen gestärkt. Es gibt
verschiedene Lernarragements im Sinne des Kollaborativen Strategien wie
beispielsweise das Gruppenpuzzle,
2.3.2. Kollaborative Strategien zeigen empirisch gesehen eine mittlere Effektstärke
(d=0.45 bei Hattie 2009, d=0.64 bei Johnson und Johnson). Laut Rohrbeck haben
die Strategien eine positive Auswirkung sowohl auf das kooperative Verhalten, als
auch auf das Fähigkeitsselbstkonzept der Schüler.

6
1.2. Qualitätsmerkmale

Kognitive Aktivierung, konstruktive Unterstützung und Klassenraummanagement sind


zentrale Qualitätsmerkmale von Unterricht.

Beschreiben Sie die drei Qualitätsmerkmale, auch anhand von Beispielen. Erläutern Sie
deren Wirkung auf individuelle Lernprozesse unter Berücksichtigung von theoretischen
Modellen und empirischen Befunden.

Gliederung:
1. Die Qualität von Unterricht nach Helmke
2. Qualitätsmerkmale
2.1. Klassenraummanagement
2.2. Kognitive Aktivierung
2.3. Konstruktive Unterstützung
3. Die Pythagoras Videostudie

1. Die Qualität von Unterricht wurde von Helmke untersucht. Im Zuge seines Angebot-
Nutzen Modells erforschte Helmke die Ursachen von gutem Unterricht und
formulierte 10 Qualitätsmerkmale unter denen die genannten Merkmale
Klassenraummanagement, Kognitive Aktivierung und Konstruktivistische
Unterstützung (bzw. Schülerzentrierung) aufgeführt sind.

2.

2.1. Unter Klassenraummanagement wird verstanden, die aktive Unterrichtszeit


bestmöglich zu nutzen, indem Störungen präventiv vorgebeugt werden. Kounin
2002 zufolge gibt es zentrale Merkmale, die Klassenraummanagement
auszeichnen:

1 Allgegenwärtigkeit: Die Lehrkraft sollte Kounin zufolge eine starke Präsenz zeigen
um sicherzustellen, dass Störungen unterbunden werden, beispielsweise durch
Herumgehen in der Klasse. Subtiles Einschreiten in Störsituationen zählt ebenfalls
zum Aspekt der Allgegenwärtigkeit.(auch: Überlappung) Hierbei werden
Störungen unterbunden, ohne dass es die nicht-betroffenen Schüler
mitbekommen, beispielsweise indem eine Lehrkraft ein fachfremdes Buch eines
Schülers kommentarlos schließt oder fachfremde Gegenstände unbemerkt
„einkassiert“.
2 Reibungsloser Verlauf: Kounin zufolge sollen Unterrichtsstunden so konzipiert
sein, dass bei Methodenwechsel die Reibungslosigkeit erhalten bleibt und so kein
Risiko für eine mögliche Ablenkung der Schüler besteht.
è Es wird leichter für die Schüler Zusammenhänge zu erkennen
3 Aufrechterhaltung des Gruppenfokus: Der Lehrer muss sicherstellen, dass er die
gesamte Klasse aktiviert
4 Überdrussvermeidung: Durch den Wechsel von Methoden, kann vermieden
werden dass sich Langeweile von Seiten der Schüler einstellt
è Lernmotivation und Interesse wird aufrecht erhalten

7
5 Disziplinierung: Störungen muss in angemessener Weise entgegengetreten
werden.

Weinstein 2003 betont zudem, dass die Einführung von Routinen sehr wichtig für das
Klassenraummanagement sind.

Laut Metaanalysen zu Unterrichtseffektivität von Seidel und Sharvelson 2007


zufolge, hat die Klassenführung positive Effekte auf kognitive, sowie affektiv-motivationale
Kriterien während es für Wang 2003 das stärkste Merkmal für den Leistungsfortschritt einer
Klasse ist. Helmke 2007 zufolge beeinflussen sich effiziente Klassenführung und guter
Unterricht gegenseitig.

2.2. Die kognitive Aktivierung bedeutet die Darstellung kognitiv herausfordernder


Aufgaben sowie die Kreation von kognitiven Konflikten. Das Vorwissen der
Schüler muss aktiviert werden um entstandene kognitive Konflikte erklären zu
können. Ebenfalls muss die Lernkraft die Schüler zum aktiven Problemlösen
ermutigen.

2.3. Die Konstruktive Unterstützung wird von Helmke als „Schülerzentrierung“


formuliert. Ein schülerorientierter Unterricht ist durch gegenseitige
Wertschätzung von Lehrer und Schüler gekennzeichnet. Zudem muss den
Schülern das Gefühl vermittelt werden, dass sie aktiv Einfluss auf das
Unterrichtsgeschehen nehmen können. Schon Weiner zählte 1998 „Sensibilität
gegenüber Schülern“ zu den wichtigen Eigenschaften der Lehrerpersönlichkeit.

Im Rahmen der Prozess-Produkt Forschung stellte das Beobachtungsinstrument


FIAC Zusammenhänge zwischen unterstützendem Lehrerverhalten und
Schülerleistung fest. Im FIAC werden Interaktionen zwischen Schülern und
Lehrern mittels Tabelle festgehalten, Kategorien zugeordnet und mit den
Schülerleistungen und –einstellungen korrelliert.

3. 40 Schulklassen wurden in der Pythagorasstudie von 2003 begleitet. Eine


Unterrichtseinheit zum Pythagoras wurde per Videoaufnahme aufgezeichnet und
ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass unterrichtsbezogene Merkmale wie
Klassenmanagement, kognitive Aktivierung und ein unterstützendes Lernklima, die
Lernentwicklung von Schülern positiv voraussagen.

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1.3. Lernen in Gruppen ( 2 Aufgaben )

1. Beschreiben Sie bekannte unerwünschte Phänomene beim Lernen in Gruppen und


analysieren Sie deren mögliche Ursachen vor dem Hintergrund einer allgemeinen
Theorie der Lernmotivation
2. Beschreiben Sie einen Ansatz des kooperativen Lernens, durch den sich die
genannten Probleme am Gymnasium vermeiden lassen und stellen Sie die Befunde
zu den Effekten dieses Ansatzes auf den Lernerfolg dar.

Gliederung:
1. Das Erwartungs x Wert Modell von Atkinson und die Erweiterung durch Heckhausen
2. Unerwünschte Phänomene beim Lernen in Gruppen und ihre Ursachen bezogen auf
das Erwartungs x Wert Modell von Atkinson
3. Der Ansatz des kooperativem Lernens als Prävention unerwünschter Phänomene
3.1. Das „Gruppenpuzzle“ als Ansatz für Erfolgreiche Gruppenarbeiten
4. Effekte auf den Lernerfolg durch kooperatives Lernen

1. Das 1957 von Atkinson entwickelte sozialkognitive Erwartung x Wert Modell der
Motivation besagt, dass die Anstrengungsbereitschaft beziehungsweise Motivation
das Produkt aus der Erwartung, ein gewisses Ziel zu erreichen und der persönliche
Wert, den dieses Ziel für das Individuum hat, ist. Das Modell wurde vielfach
weiterentwickelt und um Dimensionen erweitert. So legt Heckhausen mit seinem
Erwartungs-Wert Modell 1977 einen stärkeren Fokus auf die Folgen und deren
Bedeutung, die das Erreichen eines Ziels für ein Individuum hat.

2. Beim Lernen in Gruppen kann es zum Auftreten von einigen unerwünschten


Phänomenen kommen, die den Lernfortschritt der Gruppenmitglieder beeinflussen
können. Bekannte Phänomene sind:

- Der „Trittbrettfahrereffekt“: Einzelne Gruppenmitglieder lassen sich von den


anderen mitziehen und bringen sich selbst nicht ausreichend ein. Dieser Effekt
entsteht meist bei disjunktiven Aufgaben, bei welchen es ausreicht, wenn ein
einziges Gruppenmitglied die richtige Lösung erzielt. Besonders schwächere
Schüler sind von diesem Phänomen betroffen. Der motivationspsychologische
Hintergrund für das Entstehen ist, dass durch die hohe Motivation der anderen
Gruppenmitgliedern die Erwartungshaltung des Schülers, dass er oder sie mit
seinen oder ihren eigenen Ergebnissen das Lernziel erreichen können absinkt, da
er sich ganz auf die Leistungen der anderen Gruppenmitglieder verlässt.

- Der „Sucker“ Effekt: Zuvor hochmotivierte Gruppenmitglieder lassen in ihrer


Leistung nach, nachdem sie bemerken, dass andere Gruppenmitglieder sich nicht
genug einbringen. Dies tritt besonders bei konjunktiven Aufgaben auf, bei
welcher jedes Gruppenmitglied eine bestimmte Leistung erbringen muss. Auch
hier ist aus motivationstheoretischer Sicht die Erwartung betroffen. Die
motivierten Schüler erkennen, dass sie trotz Bemühungen die Gruppenleistung
nicht alleine erbringen können und demnach sinkt ihre Motivation.
9
- Auch kann es vorkommen, dass eine Aufgabenbearbeitung von einer ganzen
Gruppe verweigert werden kann. Dies kann geschehen, wenn der Anreiz
beziehungsweise Wert, eine Lösung zu finden nicht besonders groß ist. Auch
zeugt dieses Phänomen von einer niedrigen intrinsischen Motivation der
einzelnen Mitglieder, weshalb externe Anreize geschaffen werden sollten. Da bei
einem gemeinsamen Boykott die einzelnen Schüler nicht zur Verantwortung
gezogen werden können ist auch das Selbstkonzept der Schüler nicht gefährdet.
Die einzelnen Schüler können sich so im Windschatten der anderen
Gruppenmitglieder verstecken ohne dass das Versagen ihrer Person
zugeschrieben werden kann – die negativen Folgen werden somit gering
gehalten.

3. Eine korrekte Gestaltung einer kooperativen Unterrichtssequenz beugt dem


Auftreten dieser Phänomene vor. Zunächst ist es wichtig, zu definieren, wie die
Lösung der Aufgabe erfolgen soll. Eine kooperative Interpendenz hat sich hier
bewährt was bedeutet, dass die Schüler voneinander abhängig sind, wenn es um das
Erreichen des Lernziels geht. Es handelt sich demnach bestenfalls um additive
Aufgaben (im Kontrast zu disjunktiven und konjunktiven), bei welchen sich die
Gesamtleistung der Gruppe aus den Einzelleistungen der einzelnen
Gruppenmitglieder ergibt. Ebenfalls sollten die Aufgaben weder zu leicht noch zu
schwer sein. Somit wird sichergestellt, dass die Erfolgserwartung bei allen Schülern
erhalten bleibt. Außerdem muss sichergestellt werden, dass das Erreichen des
Lernziels einen Anreiz für alle Schüler darstellt, sodass ihre intrinsische Motivation
geweckt wird. Sollte dies nicht der Fall sein (zB. bei als langweilig empfundenen
Aufgaben wie Vokabellernen) müssen externale Anreize geschaffen werden.
Außerdem sollte stets die ganze Gruppe belohnt werden anstatt einzelner
Gruppenmitglieder. Idealerweise erfolgt die Bewertung außerdem anhand einer
individuellen Bezugsnorm, dh. Die Leistung der Gruppenmitglieder wird anhand ihres
individuellen Lernfortschritts gemessen. Ebenfalls muss sichergestellt werden, dass
jedes Gruppenmitglied Verantwortung für die Leistung der Gruppe übernimmt.

Ein erfolgreiches „Prototypmodell“ für eine kooperative Lernform ist das


„Gruppenpuzzle“, bei welchem sich die Schüler in „Expertengruppen“ je einen
Themenschwerpunkt erarbeiten um ihn anschließend in einer „Vermittlungsphase“
den Mitgliedern aus den anderen Expertengruppen mitzuteilen. Sehr deutlich tritt bei
dieser Arbeitsform hervor, dass jeder Schüler Verantwortung für seinen
Lernfortschritt während der Aneignungsphase übernehmen muss, da er diesen
anschließend in der Vermittlungsphase vor den anderen Schülern unter Beweis
stellen muss.

4. Der positive Effekt des Lernens in Gruppen auf den Lernerfolg wurde empirisch
bestätigt. Laut Springer (1999) gibt es einen mittelstarken positiven Effekt (d=.51)
zugunste des Lernens in Gruppen gegenüber dem Lernen alleine. Außerdem fördert
es ihm Zufolge die Einstellung zur Schule d=.55 . Außerdem hat es positive Effekte auf
soziale, affektive und einstellungs-/verhaltensbezogene Variabeln.

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1.4. Erlernte Hilflosigkeit

Erlernte Hilflosigkeit

Erläutern Sie diesen Begriff und stellen Sie die dahinterstehende Theorie einschließlich
ihrer Erweiterung durch Ursachenzuschreibungsprozesse dar! Gehen Sie dabei auf
beispielhafte Experimente zur Entstehung von erlernter Hilflosigkeit ein!
Beschreiben Sie die psychologischen Folgen von Hilflosigkeit!
Zeigen Sie auf, durch welche Maßnahmen Schülerinnen und Schüler gegen diese Folgen
geschützt werden können!

Gliederung:
1. Erlernte Hilflosigkeit
2. Die Erwartung x Wert Theorie von Atkinson mit Erweiterung durch Weiner mit der
Attribuierungstheorie und Experimente zur Entstehung von Erlernter Hilflosigkeit
3. Die psychologischen Folgen von erlernter Hilflosigkeit
4. Maßnahmen zur Prävention von Erlernter Hilflosigkeit

1. Menschen befinden sich Seligmann zufolge in einem Zustand der erlernten


Hilflosigkeit, wenn sie Ergebnisse ihrer Bemühungen als unkontrollierbar
wahrnehmen und demnach kognitive, emotionale und motivationale Defizite
entwickeln.

2. Atkinsons 1957 entwickelter Theorie zufolge ist die


Anstrengungsbereitschaft/Motivation ein Produkt aus der Erfolgserwartung und dem
individuellen Wert des zu erreichenden Ziels. Fehlende Anstrengungsbereitschaft ist
somit Atkinson zufolge auf Defizite in der Erfolgserwartung beziehungsweise dem
Wert, den ein Individuum einem Ziel zuschreibt zurückzuführen.
Hier knüpft Weiner mit seiner Erweiterung im Zuge der Attribuierungstheorie (1992,
2001) an. Weiner geht davon aus, dass Menschen bei unerwarteten Ereignissen in
einem Zustand der kognitiven Dissonanz sind und nach Ursachen für dieses Ereignis
suchen. Es folgt ein Prozess der Attribuierung oder Ursachenzuschreibung, die auf
verschiedene Art und Weisen passieren kann. Weiner nennt verschiedene kausale
Dimensionen:

- Internale vs. External: Fähigkeit oder Glück/Zufall


- Stabil vs. Instabil: Fähigkeit oder Glück/Zufall
- Kontrollierbarkeit vs. Unkontrollierbarkeit: Fähigkeit oder Glück/Zufall

Schüler, die hilflos orientiert sind neigen dazu, Erfolge und Misserfolge eher external,
instabil und unkontrollierbar zu attribuieren. Sie haben somit die Überzeugung
entwickelt, dass sie keinen Einfluss auf ihren Erfolg/Misserfolg haben.

Zur Entwicklung von erlernter Hilflosigkeit wurden zahlreiche Experimente


durchgeführt. Maßgebend sind hier die Experimente von Seligmann. 1967 führte
Seligmann und sein Team ein Experiment an Hunden durch, dass auch von
Konditionierungsprozessen geprägt war. Hunde zweier Gruppen wurden in einem der
früheren Durchgänge klassisch konditioniert, sodass sie auf einen konditionierten

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Stimulus folgend (Ton) einen Elektroschock bekamen. Während die eine Gruppe
diesen Schock durch das drücken einer Taste abwehren konnte, konnte die zweite
Gruppe nichts unternehmen um dem Schock zu entgehen. In einem weiteren
Durchgang wurde gezeigt, dass sich die zweite Gruppe der Hunde in einem Zustand
der emotionalen Hilflosigkeit befanden. Die Hunde wurden in neue Käfige gelassen,
wobei ein Teil dieser Käfige von den Elektroschocks geschützt war. Die Gruppe, die
den Schocks zunächst durch das Drücken der Taste entgehen konnte, fand schließlich
heraus, dass sie in einem Teil des Käfigs keinen Elektroschock bekamen und
bewegten sich beim Erklingen des Konditionierten Stimulus folglich dorthin. Die
zweite Gruppe jedoch hatte gelernt, dass sie der Bestrafung nicht entgehen können
und lieferten sich den Elektroschocks aus ohne explorierendes Verhalten zu zeigen.

Ein zweites Experiment wurde 1975 ebenfalls von Seligmann mit menschlichen
Probanden durchgeführt. Die Teilnehmer zweier Probandengruppen bekamen je ein
Puzzle, wobei eine Gruppe unlösbare Puzzles bekamen. Folglich konnten sie es nicht
lösen. In einem zweiten Durchgang bekamen die Gruppen neue Puzzles, wobei
diesmal alle lösbar waren. Seligmann fand heraus, dass die Gruppe mit dem
unlösbaren Puzzle im ersten Durchgang zum Ende des Experiments weniger Teile
zusammenstecken konnten als die andere Gruppe. Er schlussfolgerte daraus, dass die
Gruppe mit dem unlösbaren Puzzle sich in einem Zustand der erlernten Hilflosigkeit
befanden und demnach keinen Anreiz darin fanden, Anstrengungsbereitschaft beim
Lösen des zweiten Puzzles zu zeigen.

Diese Experimente zeigen, dass die Vorerfahrung entscheidenenden Einfluss auf die
Entstehung erlernter Hilflosigkeit hat. Mit Atkinsons Modell erklärt sinkt die
Erfolgserwartung durch zuvor erfahrene Misserfolge. Bandura zufolge ist dies auch
auf eine mangelnde Selbstwirksamkeit zurückzuführen. Misserfolge wirken sich im
Zufolge direkt auf die Kompetenz aus, wie man die eigenen Fähigkeiten zum Lösen
einer Aufgabe einschätzt.

3. Die psychologischen Folgen von erlernter Hilflosigkeit sind:

- Motivationale Defizite: Schüler sehen keinen Anreiz mehr um


Anstrengungsbereitschaft zu zeigen, da sie ihre Fähigkeiten nicht nur als
unzureichend sondern auch als instabil und unkontrollierbar wahrnehmen. Sie
sind demnach nur sehr schwer zu motivieren.
- Kognitive Defizite: Durch die fehlende Motivation bleiben Lernprozesse oft aus,
ebenfalls neigen Schüler mit negativer Selbstwirksamkeit dazu, sich leichtere
Aufgaben auszusuchen (vgl. Experiment Atkinson mit Ringen 1960), was sie
kognitiv nicht fordert.
- Emotionale Defizite: negative Emotionen, Gefühle der Gleichgültigkeit,
Schamgefühle bis hin zu Depressionen sind die Folge von Misserfolgen unter
einem Zustand der erlernten Hilflosigkeit. Außerdem findet eine Verzerrung statt,
sodass eventuelle Erfolge wie Misserfolge auch auf externale, unkontrollierbare
und instabile Ursachen zurückgeführt werden, was die Freude über den Erfolg
degradiert.
Ein Beispiel ist hier ein Experiment von Diener und Dweck (1980), die hilflos
eingestellte Schüler nach ihrer Selbsteinschätzung für richtige Antwort fragten.

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Die Schüler überschätzten die falschen Antworten und überschätzten die
richtigen Antworten.
Positive Gefühle werden nämlich intensiver erlebt, wenn sie mit der eigenen
Fähigkeit beziehungsweise Anstrengung attribuiert werden. Wird jedoch ein
Misserfolg trotz Anstrengung erlebt, dominiert ein Gefühl der Scham und
Beschämung. Im Gegensatz dazu wird ein Misserfolg als Folge von mangelnder
Anstrengung eher mit Schuldgefühlen assoziiert. Um den eigenen Selbstwert zu
schützen, präferieren viele Schüler das Schuldgefühl und neigen dazu, von vorne
herein keine Anstrengungsbereitschaft zu zeigen. (vgl. Covington 1984)

4. Wenn ein Schüler erstmal den Zustand emotionaler Hilflosigkeit erreicht hat ist es
schwer, diesen wieder umzukehren. Die Durchführung von sogenannten Re-
Attribuierungstrainings (RicharddeCharms) hat sich hierbei bewährt, welche auch zur
Prävention der Entstehung von erlernter Hilflosigkeit geeignet sind. Sie umfassen
eine Attribution von Erfolgen und Misserfolgen hinsichtlich Anstrengung. Schüler
sollen sich so darauf konzentrieren vergangene Erfolge auf ihre Anstrengung
zurückzuführen und mit ihren Misserfolgen in Kontrast zu setzen. Die Misserfolge
sollen demnach mit mangelnder Anstrengung attribuiert werden um die Motivation
der Schüler wieder zu steigern. Ebenfalls ist es hilfreich, wenn die
Selbstwirksamkeitserwartung der Schüler gefördert wird, beispielsweise indem man
ihren Lernfortschritt anhand individueller Bezugsnormen transparent macht. Auch
sprachliche Ermunterungen können helfen, sowie Entspannungsübungen zur
Erfahrung der physiologischen Gefühlszustände. Grundsätzlich sollte ebenfalls die
Einstellung der Schüler hinsichtlich einer Lernzielorientierung gesteigert werden. Der
Hauptanreiz lernzielorientierter Schüler ist ein aufrichtiges Interesse an den
Lerninhalten und ihr Können zu steigern. Misserfolge werden demnach von
lernzielorientierten Schülern eher als Herausforderung betrachtet anstatt als
Bestätigung der eigenen Selbstwirksamkeitswahrnehmung. Es ist ebenfalls wichtig,
dass die Lehrkraft ihr Bild des Schülers ändert, da der Schüler nicht in dem Glauben
gelassen werden darf, das Mitleid der Grund für die Bemühungen der Lehrkraft sind.

13
1.5. Sozial-kognitive Theorie

Stellen Sie die sozial-kognitive Theorie von Bandura dar (zentrale Konzepte und empirische
Befunde).
Erörtern Sie die wesentlichen Folgerungen aus dieser Theorie für die Optimierung des
Lehrerhandelns und der Lehr-Lern-Prozesse im Unterricht.

Gliederung:
1. Grundannahmen/soziale Konzepte der sozial-kognitiven Theorie
2. Empirische Befunde und weitere Schlussfolgerungen für die Sozial Kognitive Theorie
anhand des Bobo-Doll Experiments
3. Nutzung der sozial-kognitiver Theorie zur Optimierung des Lehrerhandelns und Lehr-
Lern Prozesse im Unterricht
4. Exkurs: Beobachtungslernen anhand des Cognitive Apprenticeships

1. Die sozial-kognitive Theorie bestand in der Übergangszeit zwischen Behaviorismus


und Kognitivismus. Ihr bedeutenster Vertreter war Bandura, der das bekannte Bobo-
Doll Experiment durchgeführt hat. Die zentrale Annahme der sozial-kognitiven
Theorie ist, dass entgegen der Auffassungen des Behaviorismus auch durch
Beobachten gelernt werden kann. Die Anhänger des sozialen Kognitivismus waren
der Auffassung, dass es im menschlichen Gehirn Spiegelneuronen gibt, die sowohl
bei der Ausführung einer Tätigkeit als auch beim Beobachten wie jemand die
Tätigkeit ausführt, stimuliert werden. Außerdem gehen die Sozialen Kognitivisten
davon aus, dass Lernprozesse durch einen Reziproken Determinismus
gekennzeichnet sind. Sie nehmen an, dass das Verhalten, Personenmekmale
(Intelligenz, Erwartungen, Überzeugungen) und die Umwelt sich gegenseitig
beeinflussen. Aggressive Kinder sorgen somit oft dafür, dass sich andere Kinder ihnen
gegenüber ebenfalls aggressiv verhalten und bestimmen so ihr Umfeld ein Stück weit
mit. Zuletzt zeichnet sich der soziale Kognitivismus auch dadurch aus, dass er
annimmt, dass Verhaltensweisen umso eher auftreten, umso eher eine Belohnung
erwartet wird. Im Gegensatz zum Behaviorismus muss diese jedoch nicht eintreten
um die Auftretenswahrscheinlichkeit zu erhöhen.
Auch können durch Beobachtungslernen Veränderungen von Kognitionen
vorgenommen werden, es findet somit echtes Lernen anstatt von bloßer Imitation
statt.

2. Die maßgebende empirische Arbeit zum Beobachtungslernen stammt von Bandura


(1975) und seinem Bobo Doll Experiment. 33 Mädchen und 33 Jungen im Alter von 3-
5 Jahren wurden Videosequenzen von gewaltvollen Szenen einer Person einer Puppe
gegenüber gezeigt. Die Sequenzen unterschieden sich darin, dass die Person
anschließend jeweils belohnt oder bestraft wurde, oder keine Reaktion auf das
aggressive Verhalten gezeigt wurde. Anschließend wurden die Kinder mit einer
ähnlichen Puppe konfrontiert und ihr Verhalten beobachtet. Anschließend wurden
ihnen Belohnungen für ein nachahmendes Verhalten angeboten.

Bandura fand heraus, dass die Reproduktion der Verhaltensweisen zunächst vom
Geschlecht (männlich > weiblich) und Folgen für das Modell (belohnt > bestraft)
abhing. Auch das Erscheinungsbild des Modells spielte eine entscheidende Rolle

14
(sozial anerkannt, gutaussehend, ihnen selbst ähnlich > gegenteilige Eigenschaften)
Mit der Belohnung haben jedoch sehr viele Kinder das Verhalten gezeigt. Bandura
schlussfolgerte daraus, dass alle Kinder durch die Beobachtung die Kompetenz für
aggressives Verhalten erworben hatten. (Modellierender Effekt) Je nach weiteren
Faktoren zeigten sie dieses Verhalten auch oder nicht.

Bandura stellte jedoch auch fest, dass es zu einer Generalisierung von


Verhaltensweisen kommen kann. Die Kinder in seinem Experiment imitierten nämlich
nicht explizit gezeigte Verhaltensweisen, sondern zeigten andere aggressive
Verhaltensweisen woraus er schlussfolgerte, dass sie sich selbst ein Konzept von
Aggressivem Verhalten erarbeitet haben.

3. Daraufhin formulierte Bandura 2 Phasen mit insgesamt 4 Schritten des


Beobachtungslernens, die auch für die Optimierung des Unterrichts eingesetzt
werden können. Er unterschied zwischen einer Aneigungsphase (Aufmerksamkeit +
Behalten) und einer Verhaltensphase (Verhalten + Motivation).

Zunächst sei es wichtig, dass beim Beobachtungslernen die Aufmerksamkeit der


Kinder geweckt wird. Dies geschieht vor allem auch dadurch, ein passendes Modell
einzusetzen. Modelle, die den Kindern selbst ähnlich sind, sind hier besonders
effektiv jedoch haben auch Modelle, die einem Vorbild für die Kinder entsprechen
einen großen Einfluss. Somit kann man davon ausgehen, dass man als Lehrer
durchaus ein geeignetes Modell für die Kinder darstellt und das Verhalten der
Lehrkraft Aufmerksamkeit wecken kann. Auch Mitschüler können als Modell dienen,
was man als Lehrkraft beispielsweise in Gruppenarbeiten gezielt einsetzen kann, um
die Lernleistung der Kinder zu verbessern.

In der folgenden Gedächtnisphase muss das eben Beobachtete kognitiv verarbeitet


und gespeichert werden. An dieser Stelle sei nochmal auf den modellierenden Effekt
des Beobachtungslernens. Durch beobachten können kognitive Fähigkeiten
erworben werden. Es empfiehlt sich somit, dass die Lehrkraft beim Einführen einer
neuen Methode ihr Verhalten zunächst vormacht und die einzelnen Schritte
verbalisiert. Beobachtungslernen geht somit über bloßes Imitieren hinaus.

In der nächsten Phase, der Reproduktionsphase wird ein gedankliches Probehandeln


vorgenommen. Es erfolgt ein Abgleich des Verhaltens des Modells mit dem eigenen
Verhalten. Um die Behaltensleistung zu erhöhen können auch innerliche
Wiederholungen eingesetzt werden (wie es im Leistungssport oft beim Erlernen von
Bewegungsabläufen eingesetzt wird). Die Kinder können so angehalten werden, so
eben gelernte Arbeitsschritte „vor ihrem inneren Auge nochmal durchzugehen“.

In der letzten Phase der Motivation wird festgelegt, ob das Verhalten gezeigt wird.
Durch externe Anreize oder Bestrafung kann die Lehrkraft auf die
Auftretenswahrscheinlichkeit einwirken, wie auch anhand des Experiments von
Bandura sichtbar wurde. Jedoch wirkt nicht nur explizite Verstärker verstärkend,
sondern ebenfalls stellvertretende Verstärker. Stellvertretende Verstärker treten auf,
wann immer ein Kind die Belohnung /Bestrafung einer anderen Person beobachtet
und sich demnach selbst enthemmt/gehemmt fühlt, ein Verhalten zu zeigen. Als

15
Lehrkraft ist es besonders wichtig sich bewusst zu machen, dass das Tolerieren von
unangebrachten Verhaltensweisen für andere Kinder als stellvertretende Verstärker
wirken kann. Ein Beispiel ist dafür das tolerieren von Zwischenrufen, welches andere
Kinder dazu enthemmen kann, ebenfalls dazwischenzurufen. Demnach sollte
sichergestellt werden, dass enthemmende Faktoren minimiert werden.

Verfügt ein Kind schon über eine beobachtete Verhaltensweise, so kann es durch die
Beobachtung zum Auslöseeffekt kommen. Früher erlerntes Verhalten wird somit
aufgrund der Beobachtung nachfolgend gezeigt. Dies kann sich die Lehrkraft zunutze
machen, indem sie selbst (sozial) erwünschte Verhaltensweisen zeigt und so die
Reaktionsbereitschaft der Schüler erhöht (Bsp. Papier in den Papierkorb werfen).

Wichtig ist es auch zu wissen, dass Geschlechterspezifische Verhaltensweisen und


Überzeugungen oft durch Modelllernen erworben wurden. Lytton & Rommney
fanden innerhalb einer Metaanalyse beispielweise heraus, dass die Reaktion von
Eltern und Lehrer auf Schulnoten in bestimmten Fächern oft variierten, je nachdem
ob das Kind ein Mädchen oder Junge war. Schlechte Noten in Mathematik wurden so
von den Eltern von Mädchen oft als selbstverständlich betrachtet und demnach die
Motivation der Kinder stark beeinflusst. Als Lehrkraft sollte man auch hierfür sensibel
sein, und gegebenenfalls auf die Eltern der Kinder einwirken.

Eng verknüpft mit der Theorie des Beobachtungslernens ist auch der Ansatz des
Cognitive Apprenticeships (wobei dieser unter die konstruktivistischen Theorien
fällt). In davon inspirierten Unterrichtsmethoden arbeiten ein Experte und ein Novize
zusammen, wobei der Experte zunächst die volle Verantwortung für das Handeln
übernimmt und für den Novizen ein Modell für das Ausführen der Tätigkeit darstellt.
Während des Lernprozesses wird dem Novizen immer mehr Verantwortung
übertragen, bis er die Aufgaben schließlich alleine lernen kann. Ein konkretes Beispiel
für die Umsetzung im Unterricht ist das sogenannte „Reciprocal teaching“.

16
1.6. Selbstgesteuertes Lernen

Erläutern Sie den Begriff „selbstgesteuertes/selbstreguliertes Lernen“ und grenzen Sie


fremdgesteuerte Lernprozesse davon ab.
Beschreiben Sie die Modellvorstellungen des selbstgesteuerten Lernens und führen Sie
wichtige Teilkomponenten der Modelle in ihren theoretischen Grundlagen und
Entwicklungsvoraussetzungen unter Einbezug empirischer Befunde aus.

Gliederung:
1. Selbstgesteuertes Lernen und fremdgesteuertes Lernen
2. Das Phasenbezogene Selbststeuerungsmodell von Zimmermann 2008
3. Das Ebenenbezogene Selbststeuerungsmodell von Boeckaerts 1999
4. Ausführung wichtiger Teilkomponenten und ihre Entwicklungsvoraussetzungen

1. Das Konzept des Selbstgesteuerten Lernens wurde von sozial-kognitiven und vor
allem konstruktivistischen Lerntheorie-Anhängern befürwortet. Durch
selbstgesteuertes Lernen übernimmt der Lernende Verantwortung für seinen
gesamten Lernprozess, was vom Setzen von Zielen, über den Einsatz von
Lernstrategien bis hin zur Selbstevaluation reicht. Fremdgesteuerte Lernprozesse
jedoch werden von außen vorgegeben (beispielsweise durch die Lehrkraft) und nach
Anleitung durchgeführt. Die Bewertung des Lernprozesses erfolgt ebenfalls von
außen.
2. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Modellvorstellungen unterscheiden:
Modelle, die den Prozess des selbstgesteuerten Lernens thematisieren und Modelle,
die die Ebenen des selbstgesteuerten Lernens behandeln.
Ein bekanntes Modell, welches die Phasen des Selbstgesteuerten Lernens aufzeigt
wurde 2008 von Zimmermann konzipiert. Zimmermann teilt den Vorgang des
Selbstgesteuerten Lernens in drei Phasen ein:

1. Planungsphase
- Eigene Zielsetzung
- Auswahl/Planung geeigneter Strategien
- Motivation
2. Handlungsphase
- Selbstinstruktion
- Einsatz von Lernstrategien
- Kontinuierliche Selbstüberwachung
3. Bewertungsphase
- Bewertung des Lernfortschritts
- Selbstbeobachtung und eventuell Adaption neuer Strategien

3. Boeckaert 1999 teilte hingegen in seinem 3 Schichten Modell die Ebenen des
Selbstgesteuerten Lernens in 3 Teile ein. Mit jeder Schicht wird eine „höhere Ebene“
der Regulation erschlossen.

1. Schicht: Regulation des Verarbeitungsmodus – beinhaltet kognitive


Primärstrategien und Lernen im engeren Sinne

17
2. Schicht: Regulation des Lernprozesses – metakognitive Strategien und Lernen
um weiteren Sinne
3. Schicht: Regulation des Selbst – beinhaltet Motivation, Emotion, Ziele und
Bewertung des Lernprozesses

Während der Planungsphase bei Zimmermann (entspricht der Ebene der Regulation des
Selbst bei Boeckaert) ist es sehr wichtig, dass die Schüler lernen sich geeignete Ziele zu
setzen und bei einer möglichen Auswahl an Aufgaben, sich für den richtigen
Schwierigkeitsgrad zu entscheiden. Grundsätzlich wirkt ein leichtes Überschätzen der
eigenen Fähigkeiten motivierend, während eine starke Überschätzung demotivierend wirkt.
Atkinson fand in seinem Experiment heraus, dass bei einem Ringwurfspiel die meisten
Probanden automatisch einen mittleren Schwierigkeitsgrad gewählt haben bei welchem sie
nicht sicher sein konnten, ob die die Fähigkeit hatten, die Aufgabe zu bewältigen. Jüngere
Kinder sind meist noch nicht in der Lage, Schwierigkeitsgrade von Aufgaben zu
unterscheiden vor allem dann nicht, wenn sie das Konzept „Anstrengung“ noch nicht von
den Konzepten „Glück“ und „Fähigkeit“ abgrenzen können. (Bis ca. 10-12 Jahre)
Grundsätzlich sollen Ziele laut dem Konzept von Doran 1981 SMART sein (Spezifisch,
Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert)

Auch die Selbstwirksamkeitserwartung spielt bei dem Setzen von Zielen und der nötigen
Anstrengungsbereitschaft/Motivation eine entscheidende Rolle. Sie besagt, inwiefern eine
Person meint, dass ihre Fähigkeiten eine Aufgabe zu lösen ausreichen. Die
Selbstwirksamkeitserwartung hängt entscheidend von vorherigen Lernerfahrungen wie auch
von sozialen Vergleichen ab. Kinder, die zuvor schlechte Erfahrungen gemacht haben
schätzen ihre Fähigkeiten somit häufig als zu gering ein. Eine empirische Studie von Diener
und Dweck 1980 bestätigt dies. Innerhalb eines Experiments wurden hilflos/misserfolgs-
orientierte Kinder nach dem Lösen von Aufgaben nach ihrer Meinung hinsichtlich ihrer
Leistung gefragt wobei die Kinder häufig die Anzahl an falschen Antwort überschätzten und
die Anzahl an richtigen Antworten unterschätzten.

Ebenfalls beeinflusst das persönliche Interesse der Kinder die Motivation entscheidend. Im
Entwicklungsverlauf kommt es zu einer Verengung/Spezifizierung des Interesses auf
außerschulische Aktivitäten, weshalb bei Kindern im Schulalter das Interesse stetig abnimmt.

Die Durchführungsphase bei Zimmermann ist durch den selbstgesteuerten Einsatz von
Lernstrategien gekennzeichnet (Entspricht der Regulation des Lernprozesses bei Boeckaert).
Hier kommt es zu erheblichen Unterschieden des Einsatzes von Lernstrategien im
Entwicklungsverlauf. Während junge Kinder den Einsatz der Strategien noch nicht
nachvollziehen können und die Strategien noch nicht anwenden können (Mediationsdefizit)
kommt es bei Grundschulkindern häufig zum Produktionsdefizit. Das bedeutet, dass sie die
Strategien theoretisch ausüben können, aber selbst noch nicht daran denken, die Strategien
selbstständig spontan anzuwenden. Auch später noch haben Schüler Schwierigkeiten mit
Lernstrategien denn oft erbringen sie besonders am Anfang noch nicht die gewünschten
Ergebnisse. Es handelt sich hierbei um ein sogenanntes Nutzungsdefizit, denn das
Anwenden der Strategie erfordert häufig noch sehr viel Kapazität im Arbeitsgedächtnis, ehe
der Prozess automatisiert wird. Eine Studie von Hübner et al 2010 belegt dies. Innerhalb
eines Experiments wurden Oberstufenschüler dazu aufgefordert ein Lerntagebuch zu führen.
Bei einer Leistungsabfrage kurz danach erbrachten sie jedoch keine besseren Leistungen als

18
die Kontrollgruppe, die kein Lerntagebuch geführt hatte. Erst bei einem zweiten Durchgang
eine Woche später mit neuen Lerntagebucheinträgen besserten sich die Noten der
Lerntagebuchschreiber.

Die Selbstüberwachung des korrekten Einsatzes von Lernstrategien kann zudem nur
angewandt werden, wenn Kinder Wissen über ihre Metakognition erworben haben, was
eines Experiments von Kreutzer et al 1957 zufolge erst ab ca. der 5. Klasse erreicht ist. Zuvor
haben die Kinder kein Verständnis dafür, dass Gedächtnisleistungen personen- und
situationsabhängig sein können und die zu ihren Gedächtnisleistungen befragten Kinder in
Kreutzers Experiment gaben an, dass sie nie etwas vergessen.

Ebenfalls ist es wichtig, dass die Kinder in der Handlungsphase bei Zimmermann ihre
Aufmerksamkeit fokussieren und sich selbst kontrollieren. Corno entwickelte verschiedene
Strategien zur Selbstkontrolle, wie die Gedankliche Vorwegnahme von
Belohnung/Bestrafung, Aufwertung eines Ziels durch gedankliche Vergegenwärtigung oder
öffentliches Bekennen zur Zielverpflichtung.

Die Selbstbeurteilung setzt voraus, dass die Kinder Gütemaßstäbe kennen und sich
bestenfalls nach einer individuellen Bezugsnorm orientieren (also ihren Lernfortschritt
wertschätzen) anstatt sich mit anderen Kindern zu messen. Auch das kann mit dem Einsatz
von Lerntagebüchern verbessert werden.

19
1.7. Problemorientiertes Lernen

Problemorientiertes Lernen wird als Alternative zu eher lehrerzentrierten, direkten


Instruktionsansätzen propagiert.

Beschreiben Sie zentrale Charakteristika problemorientierten Lernens und diskutieren Sie


kritisch auf Basis theoretischer Argumente und empirischer Befunde, inwieweit
problemorientiertes Lernen zu verständnisorientiertem Lernen führen kann!
Gehen Sie dabei insbesondere auf gedächtnispsychologische Theorien und Befunde ein
und diskutieren Sie, worauf die Lehrkraft achten muss, damit Schülerinnen und Schüler
von problemorientiertem Lernen profitieren

Gliederung:

1. Charakteristika problemorientierten Lernens


1.1. Zentrale Merkmale
1.2. Von problemorientiertem Lernen geprägter Unterricht
2. Inwieweit kann problemorientiertes Lernen zu verständnisorientiertem Lernen
führen?
2.1. Vermeidung von trägem Wissen
2.2. Verarbeitungstiefe
3. Hinweise für die Lehrkraft
3.1. Cognitive Apprenticeship als Prototypischer Ansatz

1. Das Problemorientierten Lernens kam mit dem Konstruktivismus auf. Ein zentrales
Konzept des sogenannten „Entdeckenden Lernens“ wurde 1961 von Bruner geprägt.
1.1. Problemorientiertes Lernen stützt sich auf die Annahmen, dass Lernen immer
situiert stattfindet, also an einen bestimmten Kontext gebunden ist und dass
Wissen von den Lernenden internal konstruiert werden muss. Durch
problemlösendes Lernen soll so der Transfer von Wissen auf verschiedene
Anwendungsgebiete sichergestellt werden. Ebenfalls setzt Problemlösendes
Lernen voraus, dass es oft mehrere zielführende Operationen zur Lösung eines
Problems gibt, welche im Zuge eines instruktionsgestützten Unterrichts aber
nicht alle thematisiert werden können. Beim Problemlösenden Lernen wird
zudem nicht nur Inhaltswissen/Sachwissen erworben sondern Heuristische
Problemlösestrategien und Metastrategien.
1.2. Das Problemorientierte Lernen stellt eine der drei bekannten Lehrstrategien
von Hasselhorn & Gold 2013 dar. Unterrichtssequenzen werden laut Modell in
drei Teile geteilt: einer Konfrontationsphase, in welcher die Schüler mit einem
Problem konfrontiert werden (Ist-Soll-Diskrepanz, kognitiver Konflikt) einer
Entdeckungsphase mit dem Einsatz von Heuristischen (oder analogen) Strategien
und der Auflösungsphase. Die zu behandelnden Probleme sind meistens
lebensnah und an das Vorwissen der Schüler angepasst.

2. Problemlösendes Lernen kann, wenn es richtig umgesetzt wird, zu


verständnisorientierten Lernen führen.
2.1. Wie schon erwähnt behaupten Befürworter des Problemorientierten Lernens,
dass der Transfer von Wissens verbessert werden kann. Ein Experiment von

20
Reusser und Stebler 1997 testete Schüler im Mathematikunterricht auf ihren
Einsatz von bekanntem Weltwissen bei der Lösung von einer (unlösbaren)
Mathematikaufgabe. Erstaunlicherweise äußerten lediglich 18% Überlegungen
die darauf hindeuteten, dass sie bei der Lösung der gestellten Aufgabe statt
ausschließlich algebraisches Wissen auch ihr Weltwissen anwandten. Ein weiteres
Experiment von Carraher et al 1985 behandelte ebenfalls den Lerntransfer.
Brasilianische Straßenkinder wurden zunächst in einer Verkaufssituation dazu
gebracht, eine mathematische Operation durchzuführen (Multiplikation). Die
dabei verwendeten Lernstrategien wurden notiert. In einem weiteren Schritt
wurde den Kinder dieselbe Aufgabenstellung in einem schulischen Kontext
präsentiert. Die Kinder wendeten erstaunlicherweise verschiedene Strategien zur
Lösung der Aufgabe an.
Dieses Phänomen lässt sich mit den Worten Caxtons 1990 aus
Gedächtnispsychologischer Sicht erklären. Wissen, wird im Langzeitgedächtnis in
Form von Schematas repräsentiert. Träges Wissen, also Wissen, dass losgelöst
vom Lernkontext nicht auf andere Situationen angewandt werden kann, entsteht
dann, wenn das Schulschema unabhängig vom Alltagsschema ist. Dies ist in den
beiden Experimenten aufgetreten.
Problemlösendes Lernen kann hier dagegensteuern, indem die Kinder von
vorneherein mit alltagsnahe Situationen konfrontiert werden und sich den
richtigen Lösungsweg selbstständig konstruieren müssen, weshalb echtes
Verständnis konstruiert wird. (Dadurch können die gelernten Informationen
durch mehrere Propositionen im Gedächtnis verknüpft werden, was einerseits
die Behaltensleistung verstärkt und andererseits das spätere Abrufen
erleichtert.?)
2.2. Problemlösendes Lernen wirkt sich ebenfalls positiv auf die
Verarbeitungstiefe aus. Einem Experiment von Craik und Lockhart 1972 zufolge,
ist der Verarbeitungsprozess in der Aneignungsphase entscheidend für eine
spätere Erinnerungsleistung. Wird eine Information mit Vorwissen verknüpft und
so im Netzwerk verankert, so liegt eine tiefe Verarbeitung vor, was die
Gedächtnisspuren dauerhaft werden lässt. Besonders wirksam ist es Craik und
Lockhart zufolge, wenn die Informationen mit der eigenen Person in Verbindung
gebracht werden – was beim Problemlösenden Lernen durch lebensnahe
Probleme der Fall ist.

3. Damit die Schüler vom Problemlösenden Lernen profitieren können, muss die
Lehrkraft auf einige Dinge achten. Die Methode des Problemlösenden Lernens kann
bei einigen Lerninhalten nicht eingesetzt werden, da die Lerninhalte entweder mehr
auf inhaltliches Wissen als auf fähigkeitsbezogenes Wissen abzielen oder es zu einer
kognitiven Überforderung der Schüler kommen kann (laut Leutner 1992). Die
Lehrkraft muss sich bewusst sein, dass die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses
begrenzt ist und bei einer zu komplizierten Aufgabe das Arbeitsgedächtnis überlastet
werden kann. Diese Überlastung kann auch stattfinden, wenn das Problem in einem
zu weiten Kontext dargestellt wird und die Schüler nicht wissen, auf welchen Aspekt
sie ihre Aufmerksamkeit lenken sollen (also Schwierigkeiten haben, das Problem an
sich zu definieren).
Besonders für lernschwache Schüler und jüngere Schüler, die mit metakognitiven
Strategien noch nicht sehr vertraut sind, sind instrukturelle Methoden oftmals besser

21
geeignet, da der Einsatz von Strategien zu viel Kapazität im Arbeitsgedächtnis
beansprucht als dass das Problem erfolgreich gelöst werden kann.
3.1. Der Ansatz des Cognitive Apprenticeship taucht in der Forschung des
Konstruktivismus als Prototypische Form des Problemorientierten Lernens auf,
obgleich es eigentlich Aspekte des instrukturell gesteuertem Unterrichts und des
selbstgesteuerten/problemorientierten Unterrichts verbindet. In einer
mehrteiligen Lernphase wird einem Novizen unter Anleitung eines Experten eine
Fähigkeit beigebracht. In einem ersten Schritt erfolgt die Anleitung durch den
Experten, der die volle Verantwortung über den Lern- und Arbeitsprozess
übernimmt (entspricht der direkten Instruktion). In den weiteren Lernphasen tritt
der Experte weiter in den Hintergrund und gibt die Verantwortung Stück für Stück
an den Novizen ab, bis er das Problem alleine lösen kann/die Arbeit alleine
verrichten kann. Diese Kombination als Instruktion und selbstgesteuertem
Problemlösen scheint besonders für lernschwache Schüler hilfreich zu sein, da sie
nicht ohne Hilfestellung mit dem Problem alleine konfrontiert werden.

22
1.8. Gedächtnisprozesse

Beschreiben Sie differenziert, wie Lehrkräfte psychologische Erkenntnisse über


Gedächtnisprozesse zur Förderung des Wissenserwerbs bei Schülerinnen und Schülern
nutzen können.

Gliederung:

1. Relevante Gedächtnisprozesse für den Wissenserwerb


2. Enkodierung
2.1. Das sensorische Gedächtnis: Die Rolle der Aufmerksamkeit
2.1.1. Förderung von Aufmerksamkeit im Unterricht
2.2. Das Arbeitsgedächtnis
2.2.1. Verhinderung der Überlastung
2.2.2. Elaboration/Verarbeitungstiefe: Aspekte für den Unterricht
3. Speicherung: Das Langzeitgedächnis
3.1. Begriffswissen: Bedeutung für den Unterricht
3.2. Propositionen und Vorwissen
3.3. Schematas: Bedeutung für den Unterricht

1. Die Annahme, Erkenntnisse über Gedächtnisprozesse zur Verbesserung des


Wissenserwerbs von Schülern entstand wurde durch den Kognitivimus geprägt.
Grundsätzlich werden drei verschiedene Gedächtnisprozesse unterschieden: Die
Enkodierung (das Einprägen von Wissen), die Speicherung und der Abruf. Da für die
Förderung des Wissenserwerbs lediglich die Enkodierung und Speicherung relevant
ist, wird im Folgenden nur auf diese beiden Aspekte eingegangen.

2. Die Enkodierung bedeutet das Einprägen von Wissen und findet in einem ersten
Schritt des Wissenserwerbs statt. Dem „Drei-Komponenten Modell“ von Atkinson
und Shiffren 1965 zufolge ist für die Enkodierung von Wissen das sensorische
Register und das Arbeitsgedächnis von Bedeutung.

2.1. Das sensorische Register ist die erste Instanz des Gedächtnisses. Es ist sehr
groß umfasst jedoch eine geringe Speicherdauer (1/2-1 Sekunde für visuelles. 2-4
Sekunden für auditives). Durch Kontrollprozesse kann die Menge an „Daten“, die
das sensorische Gedächtnis erreichen verringert werden. Einer dieser
Kontrollprozesse ist die Steuerung der Aufmerksamkeit. Durch Verengung der
Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte kann die Wahrscheinlichkeit erhöht
werden, dass diese Aspekte zur weiteren Verarbeitung ins Kurzzeitgedächtnis
erlangen.

2.1.1. Die Aufmerksamkeit des Menschen ist begrenzt, deshalb ist es wichtig,
dass Lehrkräfte wissen, wie sie die Aufmerksamkeit ihrer Schüler wecken
können. Dies kann durch Hinweisreize geschehen wie aktive
Aufforderungen, veränderte Sprechweisen aber auch durch
Methodenvielfalt. Außerdem muss sichergestellt werden, dass der
Unterricht möglichst frei von Ablenkungen ist, wie Störungen aber auch

23
nicht zu viele Reize eingesetzt werden oder gleichzeitige Tätigkeiten
gefordert werden (z.B. Zuhören und gleichzeitiges Abschreiben)

2.2. Wurde die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Reiz gelenkt, der auf das
sensorische Register traf, so wird die Information im Arbeitsgedächtnis weiter
verarbeitet. Das Arbeitsgedächnis speichert Informationen so lange zwischen, bis
diese mithilfe des Vorwissens aufgearbeitet worden sind. Baddeley hat 2000 das
Konzept des Arbeitsgedächnisses entworfen und es in 4 Komponenten unterteilt.
Der räumlich-visuelle Notizblock speichert Visuelles und sprachliche
Zusammenhänge, die phonologische Schleife speichert Auditives während der
Episodische Puffer zwischen beiden Instanzen und dem episodischen
Langzeichtgedächtnis kommuniziert. Über allem steht die sogenannte zentrale
Exkekutive als Kontrollinstanz.

2.2.1. Doch auch das Arbeitsgedächtnis kann überlasten weshalb es wichtig ist
als Lehrkraft dem vorzubeugen. Dieser Überlastung kann entgegengewirkt
werden, wenn die Aufmerksamkeit der Kinder stets konstant gehalten
wird, die Anzahl der unwichtigen Umgebungsreize verringert wird und
Prozesse automatisiert werden, sodass sie weniger Kapazität in Anspruch
nehmen. (Beispielsweise können Kinder sich beim Lesen erst auf den
Inhalt konzentrieren, wenn der Leseprozess automatisiert ist). Auch die
Zusammenfassung von Informationen in Kategorien (‚Clustering’) kann
helfen, die Belastung des Arbeitsgedächtnisses zu verinngern (Beispiel:
Experiment von Bauer zu Mineralien)

2.2.2. Im Arbeitsgedächtnis werden eingehende Informationen elaboriert, also


verarbeitet. Die Verarbeitungstiefe beeinflusst hierbei entscheidend, wie
gut eine Information anschließend behalten werden kann (im
Langzeitgedächtnis). Craik und Lockhart 1972 unterscheiden zwischen
drei Verarbeitungstiefen. Eine oberflächliche und mittlere Verarbeitung
bei der nur oberflächliche Aspekte der eingehenden Informationen
betrachtet werden, führt zu einer geringen Behaltensleistung. Lediglich
eine hohe Verarbeitungstiefe mit Verknüpfung zum Vorwissen führt zum
Dauerhaften Behalten, da die Information fest im Langzeitgedächtnis
verankert wird. Ein Experiment von Hyde & Jenkins 1973 untersuchte die
Verarbeitungstiefe und ließ 3 Gruppen von Probanden Wörter unter
verschiedenen Anweisungen erlernen. Die erste Gruppe sollte die Wörter
nach Angenehmheit einstufen, die zweite Gruppe nach bestimmten
Buchstaben und die dritte Gruppe nach syntaktischen Merkmalen. Die
Probanden der ersten Gruppe erinnerten sich an mehr Wörter. Die
Erklärung dafür ist, dass man um die Angenehmheit von Wörtern
bestimmten zu können, diese semantisch aufarbeiten muss und dafür
Wissensstrukturen aktivieren muss. Die gelernten Wörter werden somit
direkt in das schon vorhandene semantische Wissensnetz eingeordnet.
Somit sollte die Lehrkraft sicherstellen, dass eine tiefe Verarbeitung der
Informationen erfolgt. Dafür muss das Vorwissen der Schüler aktiviert
werden und ihnen geholfen werden, das neue Wissen in ihre schon
vorhandenen Wissensstrukturen einzuordnen (mehr dazu in Punkt 3).

24
Craik und Lockhart zufolge werden Informationen ebenfalls besser
aufgearbeitet, wenn sie mit der eigenen Person in Verbindung stehen.
Dies würde für den Einsatz von entdeckenden Lernstrategien
/Problemlösenden Lernstrategien sprechen, bei denen die Schüler
(lebensnahen) Problemen ausgesetzt sind, die sie zu lösen haben.

3. Das Langzeitgedächnis wird eingeteilt in drei Teilbereiche. Das explizite Wissen


umfasst das deklarative sowie das episodische Wissen während das prozedurale
Wissen Teil des impliziten Gedächnisses ist. Wenn die Lehrkraft über die
Speicherprozesse im Langzeitgedächnisses Bescheid weiß, kann sie die Speicherung
von neuem Wissen gezielter steuern und somit den Wissenserwerb der Schüler
positiv beeinflussen.

3.1. Begriffe werden im Langzeitgedächtnis hierarchisch verankert und anhand


von herausstechenden Merkmalen voneinander abgegerenzt. Verfechter des
Prototypenansatzes (z.B. Rosch 1878) geben an, dass bei dieser Abgrenzung von
Begriffen oft charakteristische aber nicht relevante Merkmale benutzt werden
(z.B. kann Tasse durch den Henkel von einem Becher unterschieden werden,
wobei es jedoch auch Tassen ohne Henkel gibt -> kein relevantes Merkmal) und
man deshalb als Lehrkraft mit Prototypen arbeiten sollte. Ein Prototyp ist ein
„charakteristische Vertreter“ eines Begriffes, an dem andere Begriffsanwärter
gemessen werden können. Diese Art der Begriffsspeicherung ist besonders für
jüngere Kinder leichter zu handhaben als über Definitionen zu Merkmalen.
Grundsätzlich sollte jedoch eine Kombination von Klassifikation nach Merkmalen
und Prototypen erfolgen. Durch sogenannten Concept-Maps können sich Schüler
ihrem Begriffsverständnis bewusster werden.

3.2. Wenn mehrere Begriffe verknüpft werden, entstehen Assoziationen die auch
Propositionen genannt werden. Gagné et al zufolge werden neue Informationen
immer in Proposition übersetzt und mit den schon vorhandenen Propositionen im
Gedächtnis abgeglichen. Dabei aktivieren sie weitere Propositionen und können
selbst eingeordnet werden. Informationen, die nicht mit Bekanntem in
Verbindung gebracht werden können, gehen dabei verloren, was die Bedeutung
der Aktivierung des Vorwissens durch die Lehrkraft verdeutlicht. Je intensiver sich
ein Schüler mit dem neuen Stoff und den bekannten Strukturen befasst, desto
mehr Propositionen werden aktiviert und desto besser kann das Wissen
verankert werden. Dies spricht für intensive schlussfolgernde und
problemlösende Lernmethoden, bei denen eine intensive kognitive Beschäftigung
mit dem Lernstoff gewährleistet wird = Gagné spricht hier von erarbeiteten
Propositionen.

3.3. Komplexeres Wissen wird anhand von Schematas abgespeichert, die mehrere
Propositionen und Begriffe enthalten. Schematas sind stets kontextspezifisch und
emotionsbesetzt. Die Bedeutung von Schematas wurde von Brewer und Treyens
in einem Experiment untersucht 1981. Studenten sollten in einem Arbeitszimmer
eines Professors Platz nehmen. Nach 35 Sekunden wurden sie in einen weiteren
Raum gebracht und zu dem Arbeitszimmer befragt. Das Ergebnis war, dass sich
die Schüler an typische Objekte erinnern konnte, werden untypische Objekte

25
schlecht erinnert wurden. Ebenfalls wurden Objekte erfunden, die typisch für den
Raum wären, aber gar nicht vorhanden waren. Dies zeigt, dass beim Betreten des
Zimmers ein Schema der Studenten zu einem Arbeitszimmer aktiviert wurde und
nicht relevante Details die nicht ins Schema passten vergessen wurden. Ist sich
die Lehrkraft dieser Art von Informationsspeicherung und Verarbeitung bewusst,
kann sie besser auf die Schüler eingehen beispielsweise indem sie bewusst
Schematas aktiviert um die Speicherung des Wissens zu verbessern.

26
1.9. Vorwissen

Vorwissen ist die wichtigste Determinate des Wissenserwerbs.

Schildern Sie empirische Befunde darüber, wie Vorwissen die Aufnahme, die Speicherung
und den Abruf von Wissen beeinflusst!
Leiten Sie aus Befunden zu erschwertem Wissenserwerb ab, wie Lehrkräfte dem
entgegenwirken können!

Gliederung:

1. Gedächtnisprozesse
2. Die Bedeutung von Vorwissen
2.1. Die Bedeutung von Vorwissen für die Elaboration von Wissen
2.1.1. Das sensorische Gedächtnis und die Aufmerksamkeit
2.1.2. Das Arbeitsgedächtnis und die Organisation
2.1.3. Die Verarbeitungstiefe
2.2. Die Bedeutung von Vorwissen für die Speicherung von Wissen
2.2.1. Das Langzeitgedächtnis: Propositionen und Schematas
2.2.2. Wahrnehmungsverzerrung als negative Folge
2.3. Die Bedeutung von Vorwissen für den Abruf von Wissen
3. Erschwerter Wissenserwerb und Abhilfe

1. Die Gedächtnisprozesse wurden besonders während der Zeit des Kognitivismus


erforscht und generell in 3 Phase geteilt: die Elaborationsphase/Aufnahme von
Wissen, die Speicherung von Wissen und der Abruf von Wissen. Die drei Phasen
werden insgesamt als Gedächtnissystem betrachtet.
2. In allen diesen Phasen spielt das schon vorhandene Vorwissen jeweils eine große
Rolle für den Wissenserwerb, Ausubel (1978) zufolge ist das Vorwissen sogar der
wichtigste Faktor bei Lernprozessen.

2.1.
2.1.1. Während der Aufnahme/Elaborationsphase kommt es zur Auswahl und
Organisation (vgl Mayer 1996) der Informationen, die auf das sensorische
Register treffen, also auf den Menschen einwirken. Hier ist das Vorwissen
bedeutsam, da die Aufmerksamkeit durch Wissen über relevante Inhalte
auf eben diese gelenkt wird. Nicht-Relevantes wird ausgeblendet. Eine
Studie von Jarodzda et al 2010 untersuchte diesen Aspekt, indem sie zwei
Gruppen von Probanden dazu aufforderten, etwas über die
Schwimmbewegungen von verschiedenen Fischen durch Beobachtung zu
lernen. Die Probanden mit Vorwissen konzentrierten sich dabei
nachweislich stärker auf relevante Merkmale zur Bestimmung des
Schwimmverhaltens während die Probanden ohne Vorwissen häufig für
die Aufgabenstellung nicht relevante Aspekte beobachteten.
2.1.2. Während der ersten Aufarbeitungsprozesse im Arbeitsgedächtnis (dem
Konzept von Baddeley zufolge) kommt es sowohl zur
Zwischenspeicherung von Informationen als auch zur ersten Ausarbeitung
durch den episodischen Puffer, welcher zwischen räumlich-visuellem

27
Notizblock, phonologischer Schleife und dem Langzeitgedächtnis
kommuniziert (vgl. Baddeley 2007). Um die geringe Kapazität des
Arbeitsgedächtnisses auszunutzen, hilft das Vorwissen, die Informationen
sinnvoll zu organisieren und gruppieren. Auch hierzu wurde eine Studie
von Chi, Feltovich und Glaser (1981) durchgeführt, bei welcher Probanden
dazu aufgefordert wurden, Physikaufgaben zu sortieren. Teilnehmer mit
wenig Vorkenntnissen stützen sich auf eher oberflächliche Aspekte der
Aufgaben während Teilnehmer mit Vorkenntnissen die Aufgaben sinnvoll
nach Themengebieten sortieren konnten.

2.1.3. Auch die Verarbeitungstiefe, also wie intensiv eine eintreffende


Information im Arbeits-/ und Langzeitgedächtnis verarbeitet wird ist
entscheidend für den Wissenserwerb. Ein charakteristisches Experiment
zur Verarbeitungstiefe wurde von Craik und Tulving 1975 durchgeführt.
Sie baten Versuchspersonen sich 60 Wörter anzusehen und eine Frage auf
diese Wörter anzuwenden. Während die ersten beiden Gruppe sich
lediglich oberflächliche Merkmale der Wörter ansehen sollten
(Großbuchstaben, Reim), musste sich die dritte Probandengruppe darauf
konzentrieren, ob das Wort durch andere Wörter ausgetauscht werden
konnte. Bei der letzten Gruppe wurde anschließend eine erheblich
bessere Behaltensleistung festgestellt, da sie sich intensiver mit den
Wörtern befassten („Fakulataive Elaboration“) und auf ihr Vorwissen
hinsichtlich Semantik und Syntax zurückgreifen mussten.

2.2. Die aufgearbeiteten Informationen werden in einem nächsten Schritt im


Langzeitgedächtnis verankert. Wie gut diese Verankerung vonstattengeht ist vom
Vorwissen abhängig und führt neben verbesserter Behaltensleistung auch zu
einer verbesserten Abrufungsbereitschaft.

2.2.1. Wissen wird im Langzeitgedächtnis in Form von Netzwerksystemen


gespeichert. Die kleinste Einheit bildet der Begriff, welcher sich durch
Propositionen verbunden zu Schematas über komplexere Sachverhalte
ausdehnt. Um neuen Informationen speichern zu können, muss sich eine
Proposition mit schon bestehendem Wissen bilden lassen. Demnach ist
das Vorwissen entscheidend für die Verankerung des neuen Wissens
verantwortlich. Als Beispiel kann die zuvor genannte Studie von Craik und
Tulving genannt werden, denn auch bei dieser Studie haben die
Probanden, welche durch Einsatz ihres syntaktischen und semantischen
Vorwissens mehr Propositionen erstellt und damit das Wissen mehrfach
im Gedächtnis verankert. Aber auch Studien zu Schematas belegen diese
Annahme. Eine beispielhafte Studie wurde von Brewer und Treyens 1981
durchgeführt. Studenten wurden gebeten, im Arbeitszimmer eines
Dozenten Platz zu nehmen. Nach einigen Sekunden wurden sie in ein
weiteres Zimmer gebeten und zu den Räumlichkeiten zuvor befragt. Die
Studenten erinnerten sich an alles, was sich typischerweise in
Arbeitszimmern befindet, nicht jedoch an ungewöhnliche Details. Dies
zeigt, dass sie innerliche Schematas, die sie von Arbeitszimmern hatten
benutzt hatten, um möglichst viele Informationen abzuspeichern.

28
2.2.2. Doch dieser Einsatz von Schematas kann auch zur
Wahrnehmungsverzerrung führen. Einige Studenten nannten nämlich
auch Arbeitszimmertypische Gegenstände, die gar nicht da waren.
Ähnliches wurde in einer Studie von Bartlett 1932 bestätigt, als
Probanden Geschichten aus fremden Kulturkreisen erzählt wurden und sie
bei der Nacherzählung Zusammenhänge nach ihrem Vorwissen
vereinfachten (Nivellierung), bestimmte Details die ihnen wichtig
erschienen hervorhoben und die Geschichte so veränderten, dass sie
besser zu ihrem Vorwissen passte (Assimilierung).

2.3. Die Studenten in der genannten Studie von Brewer und Treyens zeigten, dass
das Vorwissen auch für den Abruf von Informationen entscheidend ist. Sie griffen
auf ihre internalen Schematas zurück, um sich besser an die Sachverhalte in dem
Arbeitszimmer erinnern zu können. Schematas enthalten verschiedene
Propositionen und Begriffe, die miteinander verbunden sind. Bei der Aktivierung
einer Proposition, werden benachbarte Propositionen ebenfalls aktiviert.
(Aktivierungsausbreitung). Je mehr Verknüpfungen zu einem Begriff oder
Sachverhalt hergestellt wurden, desto schneller kann man sich beim Abruf daran
erinnern. Ein maßgebliches Experiment wurde hierzu auch von de Groot (1965)
bezüglich der Experten-Novizen Forschung durchgeführt. Schachspieler mit
unterschiedlichen Wissensniveaus mit sollten sich für einige Sekunden Positionen
merken. Schachmeister erinnerten sich anschließend schneller und fehlerfreier an
die Anordnungen als noch nicht so fortgeschrittene Spieler. Dies beweist, dass sie
auf Schematas hinsichtlich möglicher Anordnungen oder ihr Vorwissen
hinsichtlich Spielverläufen zurückgriffen.

3. Doch das Vorwissen kann auch hinderlich für den Wissenserweb sein. Nicht nur
durch die schon benannte Wahrnehmungsverzerrung beim Einsatz von Schematas
(Vgl. 2.2.2.) sondern auch Interferenzen können auftreten. Hierbei wird zwischen der
proaktiven und der retroaktiven Hemmung unterschieden. Bei der Proaktioven
Hemmung beeinflussen zuvor gelernte Inhalte das Erlernen neuer Inhalte die diesen
ähneln. Ein Experiment hierzu wurde von Underwood durchgeführt, der Probanden
CVC Triagramme lernen ließ (sinnlose Silbenanreihungen) und herausfand, dass mit
zunehmender Zahl an gelernten Triagrammen das Lernen erschwert wurde. Bei der
retroaktiven Hemmung wird durch das Erlernen eines neuen Konzepts, der Abruf
eines älteren ähnlichen Konzepts erschwert.
Lehrkräfte können diesen Interferenzen entgegenwirken, indem sie das Vorwissen
der Schüler aktiv aktivieren in der ersten Unterrichtsphase (Vgl. Konzept der Advance
Organizers von Ausubel) und die Schüler konkret auf Unterschiede zu ihrem jetzigen
Wissensstand hinzuweisen. Ebenfalls können Automatisierungsprozesse durch
stetiges Üben helfen, den sicheren Abruf von Informationen sicherzustellen, da das
Arbeitsgedächtnis entlastet wird.

29
1.10. Selbstreguliertes Lernen und Lernstrategien

Selbstreguliertes Lernen und Lernstrategien

Zeigen Sie anhand zentraler Modelle und empirischer Befunde die Bedeutung
selbstregulierten Lernens am Gymnasium auf!
Beschreiben Sie zentrale Lernstrategien und zeigen Sie, wie diese in der Schule angeregt
und gefördert werden können!

Gliederung:

1. Die Bedeutung selbstregulierenden Lernens am Gymnasium


1.1. Drei-Schichten-Modell (Boeckhart)
1.2. Phasen der Selbststeuerung (Zimmermann)
2. Zentrale Lernstrategien
2.1. Empirische Befunde zur Wirksamkeit von Lernstrategien
2.2. Primärstrategien
2.2.1. Kognitive Lernstrategien und ihre Förderung
2.2.2. Metakognitive Lernstrategien und ihre Förderung
2.3. Sekundäre Lernstrategien und ihre Förderung

1. Das selbstregulierende Lernen, was in der Forschung häufig synonym zu


selbstgesteuertem Lernen verwendet wird ist eine Lernform, die während der Zeit
des Konstruktivismus entstanden ist. Selbstregulierte Lerner übernehmen
Verantwortung für ihren Lernfortschritt, setzten sich selbst Ziele und verfolgen diese
unter Selbstmotivierung mit geeigneten Lernstrategien. Da Seidel und Krapp zufolge
Selbstreguliertes Lernen insbesondere an den Universitäten durch vergrößerte
Handlungsspielräume im Vergleich zu den Schulen gefordert wird ist es wichtig, das
selbstregulierende Lernen der Schüler schon im Gymnasium zu fördern.
Selbstreguliertes Lernen ist somit als wichtiges pädagogisches Ziel von Unterricht zu
verstehen. Das Selbstregulierte Lernen wurde maßgeblich durch zwei zentrale
Modelle geprägt.

1.1. Das drei Schichten Modell von Boeckhart (1999) unterscheidet zwischen drei
Arten der Regulationssystemen, die allesamt beim Selbstgesteuerten Lernen
beteiligt sind. Die Regulation des Selbst bildet den äußeren Rahmen und stellt die
Motivation und Zielsetzung des Lernenden dar. Die Regulation der Lernprozesse
bedeutet die Kontrolle über eingesetzte Strategien und die Metakognition und
die Regulation der Informationsverarbeitung umfasst die Auswahl an geeigneter
kognitiver Strategien. Da die Schüler auf dem Gymnasium gerade in den höheren
Klassenstufen mir einer Fülle an Unterrichtsstoff konfroniert werden ist es
wichtig, dass sie im Rahmen dieser Regulationssysteme lernen, sich Ziele
hinsichtlich Leistungen zu setzten und sich entsprechend zu motivieren
(Regulation des Selbst), ihre Lernzeit zu planen und Informationen zu
organisieren (Regulation der Lernprozesse) sowie über konkrete kognitive
Lernstrategien Bescheid zu wissen.

30
1.2. Das 3 Phasen Modell bezieht sich anstatt auf die Arten der Selbstregulation
auf den Einsatz und die vorherrschenden Phasen der Selbstregulation.
Zimmermann (2008) unterscheidet hier drei verschiedene Phasen. In der ersten
Handlungsphase (Planungsphase/prä-aktionale Phase) werden Ziele gesetzt,
Aufgaben analysiert und die Motivation geweckt. In der folgenden
Handlungsphase (aktional) folgt die Selbstinstruktion, Aufmerksamkeitsfokus auf
relevante Inhalte und eine stete Selbstüberwachung, In der letzten Phase, der
Auswertungsphase (Selbstreflexionsphase/postaktional) wird der Lernfortschritt
durch den Lernenden selbst beurteilt und gegebenenfalls angepasst. Das Modell
von Zimmermann stellt somit im Vergleich zu Boeckhart die konkreten
Handlungen und speziell den Fokus auf Selbstüberwachung und Evaluation in den
Vordergrund. In der Schule, so wie auch am Gymnasium werden Leistungen
durch eine Lehrkraft bewertet. Nichts desto trotz ist es für den Lernfortschritt der
Schüler wichtig, dass diese durch Selbstregulationsprozesse lernen, ihre Zensuren
auf ihre Fähigkeiten zurückzuführen und diese durch Selbstregulationsprozesse
beim Wissenserwerb zu beeinflussen.

2. Ein zentraler Bestandteil der Modelle der Selbstregulation ist der Einsatz von
Lernstrategien (bei Boeckhart in der Ebene der Regulation des Lernprozesses und der
Informationsverarbeitung und bei Zimmermann besonders während der
Handlungsphase). Lernstrategien sind Handlungspläne zur Steuerung des eigenen
Lernverhalten, die sich aus einzelnen Handlungssequenzen zusammensetzen. Es
werden zwischen Primär-(Kognitiv und Metakognitiv) und Sekundärstrategien
(Ressourcenbezogen) unterschieden. Die Entwicklung von Lernstrategien ist Sharp et
al (1978) zufolge von der Dauer des Schulbesuchs abhängig und nicht vom Alter,
weshalb es wichtig ist, diese in der Schule zu fördern.

2.1. Leutner und Leopold konnten 2005 in einer Studie feststellen, dass
computerbasierte Trainings in denen Lernstrategien gefördert werden zur
Verbesserung des Textverständnisses führten und auch PISA zeigte 2001, dass es
einen positiven Zusammenhang zwischen Lernstrategien (in diesem Fall
Elaborations- und Kontrollstrategien) und der Lesekompetenz gibt.

2.2. Die sogenannten Primärstrategien werden in kognitive Strategien und


metakognitive Strategien/Kontrollstrategien unterteilt und stehen in direktem
Zusammenhang mit den Lerninhalten. Die kognitiven Strategien gliedern sich auf
in

• Strategien, die auf die Organisation abzielen: Zusammenfassen von


Informationen zur Vereinfachung, Gliederungen, Diagramme, Mind-Maps
• Elaborationsstrategien: Wissen verknüpfen durch Herausarbeiten von
Sinnstrukturen, Assoziationen etc (Vgl. Konzept der Verarbeitungstiefe
von Craik und Lockhart)
• Wiederholungsstrategien: Auswendinglernen

Der Einsatz von diesen kognitiven Lernstrategien kann den Schülern vermittelt
werden, indem sie ihnen demonstriert werden und ihnen ausreichend Zeit gegeben

31
wird, diese zu erproben. Auch ist es wichtig, dass die Schüler den Nutzen der
Strategie verstehen und eventuell durch Vergleiche mit anderen Strategien
nachvollziehen können. Wichtig ist es als Lehrkraft zu wissen, dass es auch bei
erfolgreicher Anwendung einer Strategie zu einem Nutzungsdefizit kommen kann,
das bedeutet, dass die Strategie angewandt wird aber noch keine Vorteile bringt was
mit der fehlenden Übung und der demnach starken Belastung des
Arbeitsgedächtnisses zu tun hat. Für das Selbstgesteuerte Lernen im Zuge des
möglichst stabilen Wissenserwerbs sind besonders die Organisations- und
Elaborationsstrategien von Bedeutung, da mit ihnen eine längerfristige Verknüpfung
des Wissens im Langzeitgedächtnis gewährleistet wird. Die sogenannten
Mnemotechniken können zu den Wiederholungsstrategien gezählt werden denn es
handelt sich nicht um eine aufarbeitende Verarbeitung von Wissen, sondern von
Strategien wie man sich für sich genommen bedeutungslose Informationen merken
kann.

Die metakognitiven Strategien hingegen zielen auf die Planung und Kontrolle des
Lernprozesses selbst ab. Die Lernenden können bei der Zielsetzung und der Auswahl
an Lernstrategien unterstützt werden. Maßgebend hierfür ist, dass sie bereits ein
realistisches Selbstwirksamkeitskonzept erworben haben, also ihre Fähigkeit und die
Schwierigkeit von Aufgaben einschätzen können. Dies ist jedoch mit Eintritt in die 5.
Klasse im Normalfall gegeben. Das Wissen über die eigenen
Arufmerksamkeitsprozesse/Konzentrationsfähigkeit sowie Unterscheidbarkeit
zwischen relevanten und nicht relevanten Reizen verbessert sich mit zunehmendem
Alter.

2.3. Die ressourcenbezogenen Lernstrategien stützen sich auf dem äußeren


Rahmen der Lernhandlungen. Es wird zwischen internen und externen
Ressourcen unterschieden. Die internen Ressourcen stellen Konzepte wie
Motivation Emotion und Anstrengung dar, welche von der Lehrkraft durch
motivationsfördernde Maßnahmen gefördert werden können.
Die externen Ressourcen ist beispielsweise das zur Verfügung gestellte Material
und die Lernumgebung. Auch hier kann die Lehrkraft aktiv, beispielsweise durch
Methodenauswahl einwirken.

32
1.11. Beobachtungslernen vs. Mehrspeichermodell

Erläutern Sie das Lernen am Modell, z.B. nach Bandura (1971), sowie ein
Mehrspeichermodell des Gedächtnisses!
Stellen Sie die beiden Theorien einander gegenüber und beschreiben Sie die
Gemeinsamkeiten und Unterschiede!
Leiten Sie aus beiden Theorien jeweils drei Konsequenzen für den Unterricht am
Gymnasium ab und illustrieren Sie je eine dieser Konsequenzen an einem konkreten
Beispiel.

Gliederung:

1. Das Lernen am Modell nach Bandura


1.1. Unterricht unter dem Aspekt des Beobachtungslernens

2. Lernen nach dem kognitiven Prinzip des Mehrspeichermodells von Atkinson und
Shiffrin
2.1. Unterricht unter dem Aspekt des kognitiv gesteuerten Wissenserwerbs

3. Gegenüberstellung des Beobachtungslernens/Lernen am Modell sowie dem


kognitivistischem Ansatz des Mehrspeichermodells.

1. Bandura entwickelte 1971 im Zuge des Sozial-Kognitivismus die Theorie des Lernens
am Modell, dass sich auf das Prinzip des Beobachtungslernen stützt. Im Zuge eines
durchgeführten Experiments zeigte Bandura Kindern Videosequenzen in denen eine
erwachsene Person eine Puppe schlägt und dafür entweder belohnt wird, bestraft
wird oder keine externe Reaktion folgt. Anschließend wurden die Kinder in einen
Raum geführt, in dem sich eine ähnliche Puppe befand und ihr Verhalten beobachtet.
Bandura fand heraus, dass die Kinder das zuvor gesehene Verhalten nachahmten und
zwar umso wahrscheinlicher, umso eher sie eine Belohnung dafür erwarteten (da das
zuvor gesehene Modell in diesen Fällen ebenfalls belohnt wurde). Kinder, die das
bestrafte Modell beobachtet hatten verhielten sich zögerlicher aber reagierten durch
externe Anreize ebenfalls mit Aggression der Puppe gegenüber. Bandura
schlussfolgerte daraus, dass Lernen nicht wie zuvor durch den Behaviorismus
begründet rein von externen Reizen aus gesteuert wird, sondern dass das Umfeld
erheblichen Einfluss auf Lernprozesse nehmen kann. Vor allem die Eigenschaften des
Modells spielen hierbei eine Rolle (Modelle, die attraktiv und erfolgreich sind
beziehungsweise mit welchen sich die Lernenden identifizieren können sind
erfolgreicher.)
Bandura zufolge erwerben Kinder durch Beobachtungsprozesse Fähigkeiten. Dieses
Beobachtungslernen teilt Bandura in zwei Phasen mit je zwei Schritten ein. Er
unterscheidet zwischen der Aneignungsphase (Aufmerksamkeit +
Gedächtnisprozesse) und der Ausführungsphase (Reproduktion + Motivation). Die
Tatsache, dass viele Kinder des Experiments nicht ausschließlich die gezeigten
Handlungen zeigten, sondern ebenfalls eigene aggressive Verhaltensweisen
ausführten ließ Bandura außerdem schlussfolgern, dass das Lernen durch

33
Beobachten mehr ist als bloßes Imitieren. Die Kinder hatten augenscheinlich ein
eigenes Konzept von Aggression durch Beobachtung erworben und konnten dieses
auch anwenden. Die Anwendungsbereitschaft ist Bandura zufolge vor allem von den
Konsequenzen die die Kinder erwarten abhängig. Die Belohnung des betrachteten
Modells für ihr Verhalten fungiert als stellvertretender Verstärker für die
Verhaltensweisen der Kinder.

1.1. Einige Beobachtungen aus Banduras Theorie lassen sich auch noch heute auf
den Unterricht übertragen.

• Die Tatsache, dass Kinder durch Beobachtung lernen spricht für eine
Kombination aus Präsentation der Lerninhalte (besonders, wenn es sich
dabei um Tätigkeitsgestützte Fähigkeiten handelt wie beispielsweise
mathematische Operationen) und Übungsphasen in denen die Kinder ihr
erworbenes Wissen anwenden können. Konzepte wie das des „Cognitive
Apprenticeships“ verbinden beispielsweise die genannten Konzepte und
können so einen Rahmen für entsprechende Unterrichtsmethoden
darstellen.

Doch auch auf die Unterrichtsqualität im Zuge des Classroommanagement kann


Beobachtungslernen Einfluss nehmen.

• Die Lehrkraft stellt durch ihre Autorität ein Modell für ihre Schüler dar und
sollte sich dessen in ihren Verhaltensweisen bewusst sein. Aufgrund des
Modellierenden Effekts können sich gezeigte positive Verhaltensweisen
der Lehrkraft auf die Kinder übertragen.
• Durch Maßnahmen der Bestrafung kann es auch zur Hemmung von
(unerwünschten) Verhaltensweisen kommen. Dies kann dadurch
entstehen, dass das störende Kind selbst diese Bestrafung erfahren hat,
aber auch wenn ein anderes Kind stellvertretend für eine bestimmte
Verhaltensweise bestraft wurde. Umgekehrt kann es jedoch auch zu
einem enthemmenden Effekt kommen, wenn keine Konsequenz einem
unerwünschten Verhalten folgen. Auch dies kann stellvertretend erfolgen.
è Ein Beispiel hierfür sind bekannte unerwünschte Zwischenrufe.
Werden diese nicht mit Konsequenzen geahndet so können sich
neben dem ursprünglich störenden Kind auch die anderen dazu
ermutigt (bzw. „enthemmt“) fühlen, ebenfalls dazwischenzurufen

2. Das „Drei-Komponenten-Modell“ wurde hingegen zur Zeit des Kognitivismus von


Atkinson und Shiffrin 1965 als Mehrspeichermodell entwickelt und basiert auf der
Annahme, dass Lernprozesse ausschließlich durch Gedächtnisprozesse des
Individuums gesteuert werden. Diese besagten Gedächtnisprozesse (laut Mayer 2006
Elaboration, Organisation und Integration) finden dem Mehrspeichermodell zufolge
innerhalb von 3 Instanzen statt: dem Sensorischen Register, dem Arbeitsgedächtnis
und dem Langzeitgedächtnis.
Das Sensorische Register ist hierbei die erste Instanz auf welches alle Umweltreize
treffen. Durch Aufmerksamkeitsprozesse wird gesteuert, welche dieser Reize ins
Arbeitsgedächtnis gelangen und weiterverarbeitet werden. Das Arbeitsgedächtnis

34
(laut Baddeley unterteilt in 3 weitere Instanzen: räumlich-visueller Notizblock,
phonologische Schleife, episodischer Puffer und darüber hinaus eine steuernde
Instanz) dient zur Zwischenspeicherung von Informationen (Kapazität 7 +/-2
Einheiten) und zu einer ersten Aufarbeitung wobei hier auch schon auf das
Langzeitgedächtnis zurückgegriffen wird (Vgl. Baddeley -> Episodischer Puffer
kommuniziert mit Langzeitgedächtnis). Das Langzeitgedächtnis umfasst das gesamte
Wissen eines Individuums und wird durch Netzwerkmodelle repräsentiert.

2.2. Ein Kerninhalt der Theorie des Mehrspeichermodells ist die Bedeutung der
Aufmerksamkeit und des Vorwissens für Lernprozesse. Auch die Funktionalität von
Automatisierungsprozessen durch vermehrtes Üben können anhand des
Mehrspeichermodells erklärt werden.
• Sofern die Aufmerksamkeit der Schüler auf einen gewissen Sachverhalt
gelenkt wird, kann die Information ins Arbeitsgedächtnis gelangen. Deshalb
ist es wichtig als Lehrkraft sicherzustellen, dass die Aufmerksamkeit der
Schüler geweckt wird und auf relevante Aspekte gelenkt wird. Nachteilig sind
hingegen Methoden, die irreführend hinsichtlich der genauen
Aufmerksamkeitszuwendung sind.
è Ein Beispiel hierfür sind audiovisuelle Methoden, in denen zu viel
gleichzeitig passiert oder komplizierte Aufgabenstellungen mit
unwichtigen Details
• Nur durch Verknüpfung mit dem Vorwissen können neue Lerninhalte im
Langzeitgedächtnis verankert werden. Demnach ist es wichtig, dass im
Unterricht Vorwissen aktiviert wird, bevor neue Inhalte gelernt werden.
Baddeley zufolge wird das Vorwissen schon im Arbeitsgedächtnis zur
weiteren Aufarbeitung benötigt, da der sogenannte Episodische Puffer
zwischen dem Arbeitsgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis kommuniziert.
• Ebenfalls auf das Arbeitsgedächtnis bezogen lässt sich anhand des
Mehrspeichermodells erklären, weshalb vermehrtes Üben zu besseren
Lernergebnissen führt. Da das Arbeitsgedächtnis nur eine geringe Kapazität
hat muss (insbesondere prozedurales) Wissen automatisiert werden um
weniger Kapazität in Anspruch zu nehmen. Deshalb ist vermehrte Üben von
verschiedenen Aufgabentypen im Unterricht wichtig, damit die Schüler ihre
Aufmerksamkeit und Gedächtniskapazität auf relevante Aspekte
konzentrieren können.

3. Die Auffassungen des Beobachtungslernen und Lernen durch das


Mehrspeichermodell des Gedächtnisses unterscheiden sich voneinander obgleich sie
auch einige Gemeinsamkeiten aufweisen.

• Sowohl Banduras Theorie als auch Atkinsons und Shiffrins Theorie nehmen
an, dass der Lernende nicht eine rein passive Stellung im Lernprozess
einnimmt. Bandura stellt zwar fest, dass alle Kinder durch Beobachtung eine
innere Repräsentation erlernen, jedoch können sie – anders als beim
Behaviorismus – steuern, ob sie das erlernte Verhalten zeigen oder nicht
zeigen. (Ausgehend von erwarteten Konsequenzen). Die Lernenden nach
Atkinson und Shiffrin sind jedoch noch weitaus freier, denn ihnen zufolge
kann der Lernende durch Aufmerksamkeitssteuerung zusätzlich Einfluss

35
darauf nehmen, was er genau lernt. Auch unterscheidet das Vorwissen
darüber, wie und was an neuen Wissensinhalten im Langzeitgedächtnis
verankert wird und wie schnell Dinge im Arbeitsgedächtnis aufgearbeitet
werden können (Vgl. Automatisierungsprozesse).
• Das Mehrspeichermodell geht außerdem nur indirekt auf die Lernumwelt ein.
Während Bandura konkret erklärt, dass Modelle, die dem Betrachter ähneln
wirksamer für Lernprozesse sind, kann dies beim Mehrspeichermodell nur
dadurch erschlossen werden, dass attraktive/besondere Modelle eher die
Aufmerksamkeit wecken und die inneren Lernprozesse somit in Gang setzen.
• Atkinson und Shiffrin zufolge kann außerdem alles Erlernte und im
Langzeitgedächtnis verankerte durch die richtigen Hinweisreize abgerufen
werden. Bandura zufolge werden erlernte Verhaltensweisen jedoch auch
insbesondere von externen Anreizen gesteuert.
• Eine Gemeinsamkeit ist, dass beide Theorien von Gedächtnisprozessen
ausgehen, obgleich diese beim Mehrspeichermodell weitaus detaillierter
dargestellt werden.

36
1.12. Behaviorismus und Kognitivismus

Stellen Sie die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Lernens als
Verhaltensänderung und des Lernens als Veränderung kognitiver Strukturen dar.
Beschreiben Sie anhand schulischer Beispiele, welche theoretischen Ansätze für welchen
spezifischen Lernphänomene geeignet sind.

Gliederung:

1. Gegenüberstellung: Lernen als Verhaltensänderung und Lernen als Veränderung


kognitiver Strukturen
1.1. Allgemeine Konzepte und maßgebliche Studien
1.2. Die Rolle des Lerners
1.3. Die Rolle des Lehrers
1.4. Die Rolle der Umwelt/Bedeutung des Lernumfelds

2. Behavioristische Lehrmethoden & behavioristisch geprägte Lernphänomene


3. Kognitivismus: Lernen als Veränderung kognitiver Strukturen

1. Die Auffassung des „Lernen als Verhaltensänderung“ kam während der Zeit des
Behaviorismus auf und beinhaltet die Kernannahme, dass jeder alles lernen kann und
Lernprozesse durch Verhaltensänderungen sichtbar werden. Der Kognitivismus kam
hingegen erst zur kognitiven Wende auf und beschreibt Lernen als einen Prozess der
internen Informationsverarbeitung durch Gedächtnisprozesse.

1.1. Die Behavioristen stützen sich vor allem auf Methoden des Klassischen
Konditionierens und des operanten Konditionierens um Verhaltensänderungen
an Individuen herbeizuführen. Nur sichtbare Verhaltensänderungen stellten für
sie Ergebnisse eines Lernprozesses dar. Die Kognitivisten hingegen leiteten
Experimente an, die sich mit den inneren Verarbeitungs-/ und
Gedächtnisprozessen beschäftigten. Außerdem unterschieden sie zwischen
Internalisierung und Abruf, also Gelerntes musste nicht unbedingt
wiedergegeben werden. Aus kognitivistischer Sicht ist das Erinnern an eine
Information aus dem Langzeitgedächtnis nur unter bestimmten Reizen möglich
(„Enkodierspezifität“). Bekannte Studien aus dem Behaviorismus ist Skinners
Studie zum Operanten Konditionieren und Pawlos Studie zum Klassischen
Konditionieren. Bekannte Studien, die zur Zeit des Kognitivismus durchgeführt
wurden, waren beispielsweise von Baddeley 1974 zur Funktion des
Arbeitsgedächtnisses.

1.2. Für die Behavioristen ist der Lerner selbst nur passiv an seinem eigenen
Lernfortschritt beteiligt. Der Behaviorismus geht von dem Konzept einer
internalen „Black Box“ aus, die mit Informationen „gefüllt werden kann“. Auf die
Rolle des Vorwissens geht der Behaviorismus kaum ein, lediglich das Konzept der
„erlernten Hilflosigkeit“ wurde durch behavioristische Experimente entdeckt und
erforscht. Dieses Konzept besagt, dass Probanden, die die Erfahrung gemacht
haben ihr Schicksal nicht aktiv beeinflussen zu können (in den Experimenten
durch Elektroschocks) eine hilflose, desorientierte Haltung einnehmen. Der

37
Kognitivismus hingegen sieht den Lerner als aktiver Mitgestalter des
Lernprozesses (oblgleich er weitaus weniger Fähigkeiten diesbezüglich
zugeschrieben bekommt, wie in der Zeit des nachfolgenden Konstruktivismus).
Durch Steuerung der eigenen Aufmerksamkeit kann der Lernende dem
Kognitivismus zufolge gezielt Einfluss darauf nehmen, welche eingehenden
Informationen verarbeitet werden. Das Vorwissen spielt für die Kognitivisten
ebenfalls eine essentielle Rolle beim Wissenserwerb, denn nur mithilfe schon
bestehendem Wissens können neue Informationen aufgearbeitet und im
Langzeitgedächtnis verankert werden.

1.3. Der Lehrer hat der Auffassung des Behaviorismus eine instruktorische
Funktion. Er leitet die Lernprozesse an und belohnt/bestraft
Verhaltensänderungen. Die gesamte Verantwortung für den Lernprozess liegt
somit bei der Lehrkraft. Im Zuge des Konstruktivismus verschiebt sich der
Zuständigkeitsbereich ein wenig. Der Lehrer trägt zwar immer noch die
Verantwortung für den Lernprozess (dies ändert sich erst mit dem
Konstruktivismus), jedoch muss er sich stärker auf die individuellen Unterschiede
(Vorwissen, Aufmerksamkeit…) der Schülerinnen und Schüler konzentrieren.
Auch hier stehen instruktorische Methoden bei der Unterrichtsgestaltung im
Vordergrund.

1.4. Im Zuge beider Theorien werden Umweltfaktoren eher vernachlässigt


(lediglich bei Sozialkognitiven und Konstruktivistischen Theorien werden diese
hervorgehoben). Jedoch lässt sich anhand der schon beschriebenen Annahmen
des Kognitivismus ableiten, dass einige Aspekte der Lernumwelt dennoch Einfluss
auf den Lernprozess nehmen. Dies können zum Beispiel
aufmerksamkeitssteuernde Aspekte sein, welche den Lernprozess anstoßen aber
auch verhindern können (wenn die Aufmerksamkeit auf nicht relevante Aspekte
gelenkt wird beispielsweise).

2. Einige Erkenntnisse des Behaviorismus können auch noch heute zur


Unterrichtsgestaltung genutzt werden. Die behavioristischen Lernmechanismen sind
auf Verstärkung von erwünschten Verhaltensweisen ausgelegt. Dies wird auch häufig
im Unterricht durchgesetzt, z.B. mit der sogenannten „token economy“. Je nach Art
des Verstärkerplans werden so entweder nach einer festen/variablen Anzahl an
Reaktionen oder bestimmten Zeitintervallen Belohnungen verabreicht, die
sicherstellen, dass das erwünschte Verhalten wiederholt wird. Im Beispiel der „token
economy“ werden erst stellvertretende Verstärker vergeben (z.B. Striche auf einer
Strichliste), die anschließend in reale Verstärker eingetauscht werden können (z.B.
Bonbons)

3. Die Erkenntnisse aus dem Behaviorismus sind jedoch weitaus präsenter in heutigen
Unterrichtssituationen. Aufgrund der herausragenden Bedeutung des Vorwissens ist
es wichtig, dass die Lehrkraft zu Beginn einer neuen Lerneinheit das Vorwissen ihrer
Schüler aktiviert. Ein Prinzip hierfür wurde von Ausubel entwickelt – das Prinzip der
Advance Organizer. Auch ist es wichtig die Aufmerksamkeit der Schüler auf relevante

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Merkmale des neuen Lerninhalts zu lenken, damit diese dann im Arbeitsgedächtnis
verarbeitet werden können.

1.13. Lerntheorien und Verhaltensstörungen

Beschreiben Sie die drei grundlegenden Lerntheorien und bringen Sie zu jeder Lerntheorie
ein Beispiel für eine Verhaltensstörung, die mit der jeweiligen Lerntheorie abgebaut
werden könnte.

1. Die behavioristische Theorie


1.1. Der Einsatz von Verstärkern und Bestrafung
2. Die kognitive Lerntheorie
2.1. Aufmerksamkeitsdefizit-Interventionsprogramme zur Förderung der
Aufmerksamkeit
3. Die konstruktivistische Theorie
3.1. Re-Attributionstrainings bei Erlernter Hilflosigkeit

1. Der Behaviorismus wurde entscheidend durch die Wissenschaftler Watson,


Thorndike, Pawlow und Skinner geprägt.
Eine grundlegende Annahme des Behaviorismus ist, dass Lernen durch
Verhaltensänderung gezeigt wird. Wann immer eine Änderung des Verhaltens
auftritt, hat so Behavioristen zufolge ein Lernprozess stattgefunden. Dieser
Lernprozess findet durch Assoziatives Lernen statt. Jede Reaktion, die mit einem Reiz
wiederholt in Kontiguität stand (dh. zeitlicher/räumlicher Zusammenhang), wird
Behavioristen zufolge auch in Zukunft durch diesen Reiz ausgelöst. Das klassische und
operante Konditionieren sind zwei Formen des assoziativen Lernens. Auch stammt
das Konzept der „Black Box“ von Behavioristen. Dies ist die Annahme, dass jeder
Mensch alles erlernen kann, lediglich die Lernzeit unterscheidet sich.

1.1. Das Prinzip der operanten Konditionierung eignet sich noch heute für den
Abbau unerwünschter Verhaltensstörungen von Schülern wie beispielsweise
konkrete Störungen des Unterrichts durch Zwischenrufe oder aggressiven
Verhaltensweisen. Das operante Konditionieren geht davon aus, dass diskriminative
Reize das Verhalten steuern können. Diskriminative Reize werden all jene Reize
genannt, die vor einer Reaktion auftreten und einem Individuum suggerieren, dass es
mit bestimmten Verhaltensweisen nun eine Verstärkung erhalten kann. Ruft nun ein
Schüler bei einer Lehrerfrage dazwischen oder provoziert seine Mitschüler kann dies
die Ursache für einen zuvor von ihm wahrgenommenen diskriminativen Reiz sein.
Schreitet die Lehrkraft ein, in dem sie den Schüler ermahnt, so kann dies auf den
Schüler wie ein Verstärker wirken (da er/sie Aufmerksamkeit bekommen hat),
welcher die Auftretenswahrscheinlichkeit dieser Reaktion in zukünftigen Situationen
erhöht. Durch den Einsatz von Bestrafungstechniken für unerwünschtes Verhalten
und gleichzeitigen Verstärkertechniken für wünschenswertes Verhalten, können
solche Verhaltensstörungen abgebaut werden. Generell werden zwischen zwei Typen
der Bestrafung unterschieden: Typ I (aversiver Reiz) und Typ II (Wegnahme eines
angenehmen Reizes). Hier ist der Bestrafungstyp II vorzuziehen, da die emotionalen
Nebenwirkungen welche auftreten können (Scham, Frustration) nicht so stark sind.
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Beim Einsatz des Bestrafungstyps I ist es wichtig, das eine milde Strafe gleich zu
Beginn erteilt wird (keine Steigerung also) und dass der Schüler sich der richtigen
Verhaltensweise bewusst ist, also eine Alternative abgeboten bekommt. Eine weitere
behavioristisch geprägt Methode zum Verhaltensabbau ist die operante Löschung.
Folgt auf die störende Reaktion kein Verstärker oder Bestrafung, so erlischt die Reiz-
Reaktions Assoziation und die Auftrittswahrscheinlichkeit wird vermindert. Dies
geschieht beispielsweise durch das Ignorieren der Lehrkraft von Störungen. Wichtig
ist, dass der Verstärker konsequent ausbleibt und die Lehrkraft den störenden
Schüler nicht ab und an ermahnt (hierbei würde es sich um einen partiellen variablen
Quotenplan für die Verstärkung handeln, der leider auch die höchste Reaktionsrate
und den größten Löschungswiderstand aufweist).

2. Die kognitive Lerntheorie kam mit der kognitiven Wende auf und wies dem Lerner
eine aktivere Rolle beim Lernprozess zu, als dies beim Behaviorismus der Fall war.
Kognitivisten zufolge wird der Lernprozess durch internale Gedächtnisprozesse
(Mayer 2006: Elaboration, Organisation, Integration) gesteuert. Dabei spielen
Gedächtnissysteme wie das Sensorische Register, auf welches alle eintreffenden
Umweltreize treffen, das Arbeitsgedächnis, welches zur Zwischenspeicherung von
einkommenden Informationen dient und das Langzeitgedächtnis, welches
Informationen in Netzwerksystemen aufarbeitet und speichert, eine entscheidende
Rolle. Der Kognitivismus spricht besonders der Aufmerksamkeit und dem Vorwissen
besondere Bedeutung zu. Nur durch die Steuerung der Aufmerksamkeit können so
relevante Informationen vom Sensorischen Gedächtnis in das Arbeitsgedächtnis
gelangen und dort weiterverarbeitet werden. Das Vorwissen ist für diese
Verarbeitungsphase sehr wichtig, da nur durch bestehendes Vorwissen neue Inhalte
im Gedächtnissystem neu verankert werden können (durch Bildung von
Propositionen)

2.1. Verhaltensstörungen, die durch theoretische Ansätze des Kognitivismus


abgebaut werden können sind beispielsweise Aufmerksamkeitsdefizitstörungen. Wie
in 2.0 schon erwähnt, spielt für die Kognitivisten die Aufmerksamkeit eine
entscheidende Rolle, da nur durch eine gelenkte Aufmerksamkeit der Lernprozess
überhaupt stattfinden kann. Da es bei Kindern mit ADHS zu Defiziten unter Anderem
im Bereich der Aufmerksamkeit kommen kann, helfen Aufmerksamkeitsfördernde
Trainings und das Erlernen von Lernstrategien. Durch den Einsatz von Lernstrategien
kann es nämlich zu Automatisierungsprozessen von Handlungen (z.B.
mathematischen Operationen) kommen, welche anschließend im Arbeitsgedächtnis
keine so große Kapazität einnehmen und somit die Konzentration auf andere Inhalte
gelenkt werden kann.

3. Der Konstruktivismus ist eine vergleichsweise neue Lerntheorie, die dem Lerner
selbst die Verantwortung für seinen/ihren Lernprozess zuschreibt und annimmt, dass
verschiedene persönliche und situationale Faktoren gleichzeitig auf den Lernprozess
eines Individuums einwirken. Wissen ist außerdem dem Konstruktivismus zufolge
nicht induzierte Informationen, sondern das Ergebnis individueller
Konstruktionsprozesse. Die Selbstkontrolle dieser Konstruktionsprozesse ist hierbei
sehr wichtig. Zwei bekannte Vertreter des Konstruktivismus sind Piaget (kognitiver

40
Konstruktivismus) und Wygotski (sozialer Konstruktivismus). Konstruktivistisch
geprägte Lernformen sind das Selbstgesteuerte- und Problemlösende Lernen.

3.1. Besonders problematische Verhaltensstlrungen treten auf, wenn ein Schüler


sich in einem Zustand erlernter Hilflosigkeit befindet. Der von Seligmann 1979
geprägte Begriff repräsentiert einen Zustand mit kognitiven, motivationalen und
emotionalen Defiziten eines Schülers aufgrund von vorausgegangenen
Misserfolgserlebnissen. Der betroffene Schüler unterliegt die Wahrnehmung, dass er
mit seinem Verhalten keine Kontrolle auf seinen Lernprozess (insbesondere das
Lernergebnis) nehmen kann und reagiert entsprechend mit Passivität, Apathie,
Hilflosigkeit und Depressiven Symptomen. Mithilfe von selbstgesteuerten
Lerntechniken und eingebundenen Re-Attributionstrainings können Zustände der
erlernten Hilflosigkeit abgebaut werden. Zimmermann entwarf 2008 ein
Phasenmodell zum Selbstgesteuerten Lernen. Er unterteilte den Lernprozess in drei
aufeinander aufbauende Phasen: Planungsphase (Motivation/Zielsetzung),
Handlungsphase (Selbstkontrolle, Selbstbeobachtung) und Auswertungsphase
(Bewertung/Assimilation). In der Planungsphase sollte die Motivation der Schüler
gesteigert werden. Dies geschieht (angelehnt an die Wert x Erwartungstheorie von
Atkinson), indem die Selbstwirksamkeit des Schülers gestärkt wird. Er oder sie muss
verstehen, dass seine/ihre Anstrengung zu entsprechenden Lernergebnissen führt.
Anschließend muss er/sie sich selbst ein Lernziel setzen. In der Handlungsphase folgt
eine stetige Selbstüberwachung, ob das Lernziel weiterhin erreicht werden kann. In
der Evaluationsphase ist es ganz besonders wichtig für hilflos orientierte Schüler,
dass sie ihre Leistung ihrer Anstrengung zuschreiben (veränderlich) anstelle ihrer
Fähigkeit (unveränderlich) und bei einem Scheitern objektiv betrachtet ihre
Arbeitsweise modifizieren lernen. Dieses Modell des selbstgesteuerten Lernens
ermöglicht es so den Schülerinnen und Schülern, ihren eigenen Lernprozess
mitzugestalten und demnach Verantwortung für ihren Lernfortschritt zu
übernehmen.

41
1.14. Informationsverarbeitung und Mehrspeichermodell

Erläutern Sie die Prozesse von Informationsverarbeitung und Wissenserwerb beim


schulischen Lernen!
Gehen Sie dabei vom Mehrspeichermodell des Gedächtnisses aus!

Beschreiben Sie anhand konkreter Beispiele die Lernstrategien und


Informationsverarbeitungsprozesse, die für verständnisvolles Lernen zentral sind!

Beschreiben Sie, wie Lehrkräfte soziale Prozesse und Strategien fördern können, und
stellen Sie außerdem auf der Basis konstruktivistischer Lehr-Lern-Ansätze dar, wie dem
Problem des trägen Wissens begegnet werden könnte!

Gliederung:
1. Informationsverarbeitung/Wissenserwerb anhand des Mehrspeichermodells erklärt
1.1. Das sensorische Register
1.2. Das Arbeitsgedächtnis
1.3. Das Langzeitgedächtnis
2. Verständnisvolles Lernen
2.1. Die Rolle des Vorwissens
2.2. Die aktive mentale Verarbeitung
2.3. Entlastung des Arbeitsgedächtnisses durch den Einsatz von Lernstrategien
2.3.1. Förderung des Einsatzes von Lernstrategien durch die Lehrkraft
2.4. Soziale Lernprozesse und situiertes Lernen
2.4.1. Förderung sozialer Gruppenprozesse durch die Lehrkraft
3. Träges Wissen und Verhinderung der Entstehung durch die Lehrkraft

1. Das Mehrspeichermodell des Gedächtnis wurde als sogenanntes „Drei-


Komponenten-Modell“ im Zuge des Kognitivismus von Atkinson und Shiffrin (1965)
entwickelt. Es umfasst die Gedächtnisinstanzen, die den Kognitivisten zufolge die
Informationsverarbeitungs- und Wissenserwerbsprozesse im Gedächtnis steuern und
durchführen.
1.1. In einer ersten Phase treffen alle Informationen der Lernumwelt auf das
sensorische Register. Es wird durch eine große Kapazität, jedoch durch eine
geringe Speicherdauer gekennzeichnet. Durch gezielte Aufmerksamkeit, kann der
Lerner sich auf Aspekte konzentrieren, die anschließend in das Arbeitsgedächtnis
gelangen. Beim schulischen Lernen können so durch das Richten der
Aufmerksamkeit weg von störenden Umweltreizen und hin zur Lehrkraft, die
Lehrinhalte vom sensorischen Register ins Arbeitsgedächtnis gelangen.
1.2. Grundsätzlich hat das Arbeitsgedächtnis eine Speicherkapazität von 7 +/- 2
Einheiten und die Aufgabe, Informationen so lange zwischenzuspeichern, bis sie
mithilfe des Langzeitgedächtnisses aufgearbeitet werden können. Das Konzept
des Arbeitsgedächtnisses wurde von Baddeley 1975 weiterentwickelt und in vier
weitere Instanzen unterteilt: Der räumlich-visuelle Notizblock (Speicherung von
visuellen Informationen, die sprachliche Zusammenhänge veranschaulichen), die
phonologische Schleife (Speicherung von auditiven Aspekten), der episodische
Puffer (Kommunikation zwischen räumlich-visuellem Notizblock, phonologischer

42
Schleife und Langzeitgedächtnis) und die zentrale Exekutive (darüberstehende
Instanz zur Steuerung aller Prozesse im Arbeitsgedächtnis).
1.3. Mithilfe des Vorwissens gelangen Informationen aus dem Arbeitsgedächtnis in
das Langzeitgedächtnis. Die eintreffenden Informationen werden im Falle von
deklarativem Wissen mithilfe von Propositionen in das Netzwerk des
Langzeitgedächtnisses übertragen, vernetzt und dort abgespeichert
(Aufarbeitung). Auch im Falle des schulischen Lernens gilt somit: ohne
Aktivierung des Vorwissens kann kein Wissen aufgearbeitet- geschweige denn im
Langzeitgedächtnis verankert werden.

2. Der Begriff des verständnisvollen Lernens wurde 2004 von Baumert et al. behandelt.
Verständnisvolles Lernen ist demnach ein aktiver, individueller Konstruktionsprozess,
in dem Wissensstrukturen verändert, erweitert, vernetzt, hierarchisch geordnet oder
neu generiert werden. Entscheidend ist die aktive mentale Verarbeitung, die sich in
der handelnden Auseinandersetzung mit der sozialen oder natürlichen Umwelt oder
im Umgang mit Symbolsystemen vollzieht. Mit dieser Beschreibung lässt sich das
Konzept des verständnisvollen Lernens dem Konstruktivismus zuordnen, da der
Lerner eine große Eigenverantwortung für seinen Lernprozess übernimmt.

2.1. Wie schon in 1.3. erwähnt ist das Vorwissen zentral für den Wissenserwerb –
auch beim verständnisvollen Lernen. Ohne entsprechendes Vorwissen, können
Informationen nicht organisiert, aufgearbeitet und im Langzeitgedächtnis
verknüpft werden. Entsprechende Beispiele stammen aus der Experten-Novizen
Forschung. Beispielsweise führte Chi 1981 ein Experiment zu
Organisationsprozessen durch indem sie Probanden mit- und ohne
entsprechendem Vorwissen Physikaufgaben sortieren ließ. Die Probanden ohne
Vorwissen sortierten die Aufgaben nach oberflächlichen Inhalten während die
Probanden mit Vorwissen die Aufgaben nach ihren Inhalten sortierten. Dieses
Vorwissen ist somit essentiell um neuen Informationen überhaupt Bedeutung
verleihen zu können. Ein weiteres Experiment von de Groot 1965 ließ
Schachexperten gegen Schachnovizen antreten, wobei sich beide
Probandengruppen jeweils Figurenkonstellationen auf einem Schachbrett merken
konnten. Die Experten erinnerten sich hier an die Position mehrerer Figuren als
die Novizen. Chi erklärte dies dadurch, dass sie auf ihr Vorwissen zurückgriffen
und demnach die Stellung der Figuren mit eventuellen Erfahrungen (Schematas)
verknüpft abspeichern konnten.

2.2. Auch spielt die Verarbeitungstiefe eine zentrale Rolle für den Wissenserwerb.
Die Forschung hat bestätigt, dass die Intensität, mit der man sich mit neuen
Wissensinhalten befasst deren Abspeicherung im Langzeitgedächtnis beeinflusst.
Craik und Tulvig führten hierzu 1975 ein Experiment durch. Sie legten
Probandengruppen 60 Wörter vor, welche diese sich mit unterschiedlichen
Anweisungen einprägen sollten. Während sich die erste Gruppe auf
oberflächliche Merkmale konzentrieren sollte (ist das Wort in Großbuchstaben
geschrieben), sollte die zweite Gruppe bestimmten, ob sich das Wort auf ein
anderes Wort reimt. Die dritte Gruppe sollte eine tiefergehende Verarbeitung
durchführen, indem sie untersuchten, ob das Wort durch ein anderes Wort

43
ausgetauscht werden kann. Craik und Tulvig stellten fest, dass die tiefergehende
Verarbeitung die beste Erinnerungsleistung hervorbrachte.

2.3. Da das Arbeitsgedächtnis nur eine begrenzte Kapazität hat, kann sogenanntes
Clustering (Zusammenfassung von Informationen zu kleineren Einheiten) oder
Lernstrategien die Zwischenspeicherung im Arbeitsgedächtnis fördern und somit
die Kapazität erweitern bis hin zur Automatisierung (prozedurales Wissen).
Lernstrategien werden Seidel und Krapp zufolge auch als Handlungspläne zur
Steuerung des eigenen Lernverhaltens bezeichnet. Seidel und Krapp
unterscheiden zwischen kognitiven, metakognitiven und ressourcenbezogenen
Lernstrategien.

Kognitive Lernstrategien befassen sich üblicherweise mit den Lerninhalten selbst,


indem sie Informationen organisieren (informationsreduzierte Strategien, z.B.
Clustering) und bei der Elaboration (PQ4R-Methode: Fragen formulieren und
beantworten) und Wiederholen (mehrfach aufsagen) helfen.

Metakognitive Lernstrategien helfen, den eigenen Lernprozess zu steuern und zu


organisieren. Sie zeichnen sich durch Strategien zur Planung (Lernziele),
Überwachung und Regulation aus.

Ressourcenbezogene Strategien teilen sich in interne Ressourcen (Motivation,


Aufmerksamkeit, Zeitmanagement) und Externe Ressourcen (Soziale Ressourcen,
Lernumgebung)

2.3.1. Lehrkräfte können und sollen den Einsatz von Lernstrategien fördern,
indem sie den Schülern a) die Nützlichkeit der Strategie vermitteln, b) die
Strategie explizit vormachen, c) Anwendungsbeispiele erläutern und d)
den Schülern genügend Zeit ermöglichen, die Strategie einzuüben. Auch
muss den Schülern (und natürlich der Lehrkraft) bewusst sein, dass es bei
dem ersten Anwenden von Strategien zu einem Nutzungsdefizit kommen
kann, dh. selbst bei korrekter Anwendung können erst Defizite entstehen,
da der Einsatz der Strategie noch nicht Automatisiert ist und noch zu viel
Kapazität des Arbeitsgedächtnisses der Schüler in Anspruch nimmt.

2.4. Auch soziale Gruppenprozesse sind für verständnisvolles Lernen sehr wichtig,
da Lernen stets situiert, also kontextgebunden stattfindet. Beim Lernen mit
Lernpartnern oder in Gruppen beeinflussen die motivationalen und kognitiven
Lernvoraussetzungen jedes Gruppenmitglieds die individuelle kognitive
Verarbeitung. Die Lehrkraft kann dieses Lernen durch Bildung kooperativer
Lerngruppen begünstigen, bei welcher jedes Gruppenmitglied neben der
Verantwortung für den eigenen Lernprozess auch die Verantwortung für den
Erfolg der Gruppe mitträgt.

3. Träges Wissen entsteht durch mangelnden Transfer. Häufig tritt träges Wissen auf,
wenn Lernende Lerninhalte, die in einem gewissen Kontext erworben wurden, nicht
auf andere Situationen übertragen kann. In der Schule entsteht Caxton 1990 zufolge
vermehrt träges Wissen, da sich das Schulschema entscheidend vom Alltagsschema

44
unterscheidet. Die Lehrkraft kann dies verhindern, indem sie auf konstruktivistische
Maßnahmen zurückgreift. Sie kann die Schüler beispielsweise an das Problemlösende
Lernen heranführen, indem sie ihnen alltagsnahe Problemstellungen präsentiert und
ihnen im Zuge des selbstgesteuerten Lernens vermehrt die Verantwortung für ihren
eigenen Lernprozess und der Lösung dieses Problems überträgt. Auch kann es helfen,
die Wissensinhalte mit dem Vorwissen zu vernetzen und stets auf alternative
Anwendungsbereiche des Wissens einzugehen (konditionales Wissen wird gefördert).
Auch fanden Schmidt und Bjork 1992 heraus, dass der Transfer begünstigt wird, je
länger sich ein Schüler mit einem Themengebiet beschäftigt.

45
1.15. Lernstrategien

Stellen Sie verschiedene Typen von Lernstrategien dar und ordnen Sie diese in Modelle des
Selbstregulierenden Lernens und in Gedächtnismodelle ein! Führen Sie für jeden
Lernstrategietyp ein Beispiel aus!
Erörtern Sie die Effektivität verschiedener Lernstrategietypen für unterschiedliche
Lernanforderungen! Erörtern Sie verschiedene Möglichkeiten zur Förderung des Wissens
über und der Nutzung von Lernstrategien am Gymnasium und vergleichen Sie diese im
Hinblick auf ihre Effektivität miteinander!

• Primärstrategien
.1. Kognitive Lernstrategien
.1.1. Organisationsstrategien
.1.2. Elaborationsstrategien
.1.3. Wiederholungsstrategien
.1.4. Mnemotechniken
.2. Metakognitive Lernstrategien
.2.1. Planung
.2.2. Selbstüberwachung/Kontrollstrategien

• Sekundärstrategien

• Effektivität verschiedener Lernstrategietypen für unterschiedliche Anforderungen

• Förderung des Wissens über bzw. Nutzung von Lernstrategien am Gymnasium

• Primärstrategien

• Kognitive Lernstrategien: Organisation, Elaboration, Wiederholung


è Einzuordnen in Handlungsphase nach Zimmermann 2008 oder Phase der
Regulation der Informationsverarbeitung nach Boeckharts 1999
è Einzuordnen in Kurzzeitgedächtnis.
.1.1. Organisation: z.B. Mindmaps, zur Reduzierung von Informationen
.1.2. Elaboration: z.B. Fragen überlegen, Strategien um neue Informationen mit
Langzeitgedächtnis zu verknüpfen Tiefe der Verarbeitung Craig und Tulvig
.1.3. Wiederholung: z.B. Wiederholendes aufschreiben um Speicherung zu
begünstigen (phonologische Schleife spielt eine besondere Rolle)
.1.4. Sonderfall: Mnemotechniken: Ansätze zur Verbesserung der Behaltensleistung,
wenn Informationen für sich genommen keine Bedeutung haben: Acronyme

.2. Metakognitive Strategien


• Metakognitive Strategien: Planung und Selbstüberwachung

46
è Einzuordnen in Planungsphase, Handlungsphase und Auswertungsphase nach
Zimmermann oder auch einzugordnen in Regulation des Lernprozesses und
Regulation des Selbst nach Boeckhart
è Einzuordnen in sensorisches Register (Aufmerksamkeit steuern, Motivation
zum Aufpassen), Arbeitsgedächtnis

.2.1. Planung: Zielsetzung, Zeiteinteilung


.2.2. Selbstüberwachung/Kontrollstratgien: Hinterfragen und Korrigieren

• Sekundärstrategien: Intern & Extern


• Intern: Aufmerksamkeit, Motivation
è Regulation des Selbst (Boeckhart)
è Aufmerksamkeit Gedächtnosmodell
• Extern: Lernzeit, Räumlichkeit
è Planungsphase nach Zimmermann

3. Effektivität für verschiedene Anforderungen


• Wenig komplexe Lernanforderungen (Auswendiglernen, Vokabeln, Jahreszahlen):
kognitive Lernstrategien
• Komplexere Lernanforderungen z.B. Problemlösen/Selbstregulierendes Lernen:
metakognitive Lernstrategien und Sekundärstrategien

4. Vermittlung und Förderung


• Direkte Vermittlung
• Lernen am Modell
• Den Schülern erklären, wie sie lernen (evtl. anhand von Gedächtnismodell)
• Nutzen der Strategie zeigen
• Über Nutzungsdefizit informieren
• Zeit zum einüben gewähren
• Selbstgesteuertes Lernen, Projektunterricht

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1.16. Selbstreguliertes Lernen

Selbstreguliertes Lernen
Welche fächerübergreifenden Kompetenzen brauchen Schülerinnen und Schüler für die
erfolgreiche selbstständige Bearbeitung eines eigenen Projektes, beispielsweise im
Rahmen eines Projekt-Seminars zur Studien- und Berufsorientierung oder eines
wissenschaftspropädeutischen Seminars?
Klären Sie diese Frage theoretisch und empirisch, beschreiben Sie dabei auch die
wesentlichen wissenschaftlichen Begriffe!
Leiten Sie daraus Schlussfolgerungen für die schulische Praxis ab, insbesondere in Hinblick
auf hierfür geeignete Fördermöglichkeiten

Gliederung:

1. Projektarbeit – freie Unterrichtsform, erfordert Problemlösekompetenz und


Kompetenz des Selbstgesteuerten Lernens
1.1. Phasen der Selbststeuerung nach Zimmermann
1.2. IDEAL Problemlöser
2. Erforderliche Kompetenzen
2.1. Wissen über Lernstrategien
2.1.1. Metakognitive Strategien: Planung und Überwachung
2.1.2. Kognitive Strategien: Organisation, Elaboration
2.1.3. Emotionsregulierung und Motivation
3. Schlussfolgerungen für die schulische Praxis und Fördermöglichkeiten
3.1. Vermittlung von Lernstrategien und Heuristischen Problemlösestrategien
3.2. Lernen am Modell: Cognitive Apprenticeship -> Problemlernen
3.3. Schaffung von geeigneten Problemstellungen -> unterstützende
Lernumgebung
3.4. Förderung der Motivation

48
1.17. Lernumgebungen

Lernumgebungen
Bei der Frage nach der Gestaltung von Lernumgebungen gibt es zwei gegensätzliche
Positionen zum Lehren und Lernen, die in der gegenwärtigen Unterrichtsforschung
diskutiert werden: Die kognitivistische Position und die konstruktivistische Position.

Beschreiben Sie zentrale Prinzipien anhand jeweils eines konkretem Lehr-/Lernansatzes


unter Einbezug von Beispielen!
Diskutieren Sie anschließend inwieweit diese beiden Positionen dem Ziel einer Förderung
selbstgesteuerten Lernens gerecht werden (unter Einbezug empirischer Befunde)!

1. Die kognitivistische Position: Der Lehr-Lernansatz der direkten Instruktion

2. Die konstruktivistische Position: Der Lehr-Lernansatz des Problemorientierten


Lernens

3. Förderung des selbstgesteuerten Lernens durch kognitivistische und


konstruktivistische Ansätze (unter Einbezug empirischer Befunde)

4. Ein Lehr-/Lernansatz des Kognitivismus ist die Direkte Instruktion, ein Unterricht, der
durch klare Zielvorgaben, die verständliche Darstellung von Inhalten, ein
schrittweises Vorgehen, Lehrerfragen mit unterschiedlicher Schwierigkeit, Phasen
angeleiteten und selbstständigen Übens, häufiges Lehrerfeedback und eine
regelmäßige Überprüfung der Lernfortschritte der Lernenden charakterisiert ist.
Die Schüler nehmen eine eher passive Haltung ein und verarbeiten die
einkommenden Informationen kognitiv. Die kognitivistische Position nimmt an, dass
der Lernprozess ausschließlich durch internale Gedächtnisprozesse (Mayer 2006:
Elaboration, Organisation, Integration) gesteuert wird. Dabei spielen
Gedächtnissysteme wie das Sensorische Register, auf welches alle eintreffenden
Umweltreize treffen, das Arbeitsgedächnis, welches zur Zwischenspeicherung von
einkommenden Informationen dient und das Langzeitgedächtnis, welches
Informationen in Netzwerksystemen aufarbeitet und speichert, eine entscheidende
Rolle.
Die Lehrkraft muss so im Zuge der direkten Instruktion den Schüler bei diesen drei
Prozessen begleiten. Die Organisation kann von ihr ein Stück weit übernommen
werden, indem die Lerninhalte bereits organisiert dargeboten werden. Es ist
ebenfalls wichtig, die Aufmerksamkeit der Schüler auf die relevanten Aspekte zu
lenken, damit diese in das Sensorische Register gelangen. Die Elaboration erfolgt
durch das Aktivieren von Vorwissen (Rückschau auf bereits gelernte Inhalte), damit
neue Inhalte im Gedächtnis neu verankert werden können und damit integriert
werden (durch die Bildung von Propositionen).

5. Ein Lehr-/Lernansatz des Konstruktivismus ist das Problemlösen. Diese Methode ist
weniger Lehrergesteuert und den Schülern wird ein hohes Maß an Eigeninitiative
zusammen. Das Problemorientierte Lernen wird dadurch gekennzeichnet, dass den
Schülern ein Problem präsentiert wird (Chararkeristika: Soll-Ist Zustand
49
unterschiedlich) und die zum Lösen des Problems aufgefordert werden. Die Lehrkraft
fungiert als Stütze, kann jedoch auch die konkreten Lösungsschritte im Voraus
präsentieren. Problemorientiertes Lernen stützt sich auf die Annahmen, dass Lernen
immer situiert stattfindet, also an einen bestimmten Kontext gebunden ist und dass
Wissen von den Lernenden internal konstruiert werden muss. Durch
problemlösendes Lernen soll so der Transfer von Wissen auf verschiedene
Anwendungsgebiete sichergestellt werden. Ebenfalls setzt Problemlösendes Lernen
voraus, dass es oft mehrere zielführende Operationen zur Lösung eines Problems
gibt, welche im Zuge eines instruktionsgestützten Unterrichts aber nicht alle
thematisiert werden können. Beim Problemlösenden Lernen wird zudem nicht nur
Inhaltswissen/Sachwissen erworben sondern Heuristische Problemlösestrategien und
Metastrategien.
Das Problemorientierte Lernen stellt eine der drei bekannten Lehrstrategien von
Hasselhorn & Gold 2013 dar. Unterrichtssequenzen werden laut Modell in drei Teile
geteilt: einer Konfrontationsphase, in welcher die Schüler mit einem Problem
konfrontiert werden (Ist-Soll-Diskrepanz, kognitiver Konflikt) einer
Entdeckungsphase mit dem Einsatz von Heuristischen (oder analogen) Strategien
und der Auflösungsphase. Die zu behandelnden Probleme sind meistens lebensnah
und an das Vorwissen der Schüler angepasst.

6. Selbstgesteuertes Lernen wird als aktiver, konstruktiver Prozess bezeichnet, bei dem
sich Lernende eigenständig Ziele setzen sowie ihre Kognitionen, ihre Motivation und
ihr Verhalten während des Lernens stetig überwachen, regulieren und kontrollieren.
Das Selbstgesteuerte Lernen gliedert sich Modellen zufolge (Zimmermann 2008) in
drei Phasen: Planungsphase, Handlungsphase, Auswertungsphase. Innerhalb dieser
drei Phasen müssen die Schüler ihre Lernprozesse selbst planen, steuern und
überwachen (metakognitive Strategien) sowie gezielt kognitive Lernstrategien
einsetzen, um Informationen zu organisieren und zu elaborieren.

• Die Position des Kognitivismus (mit dem beispielhaften Ansatz der direkten
Instruktion) wird dem Selbstgesteuerten Lernen insofern gerecht, als dass
Lernstrategien direkt vermittelt werden können. Die Schüler nehmen jedoch
nicht insofern aktiv am Unterricht teil, als dass sie Lerninhalte selbst konstruieren
(diese wurden meist zuvor von der Lehrkraft schon aufgearbeitet). Damit können
die Schüler durch direkte Instruktion und dem kognitivistischen Ansatz zwar die
Inhaltsebene des Selbstgesteuerten Lernens (das Prinzip) erfassen, jedoch nicht
selbst umsetzen. Die Tatsache, dass durch kognitivistische Strategien vermehrt
träges Wissen entsteht, dass sich nicht anwenden lässt, verstärkt diese Annahme.

• Die Position des Konstruktivismus zielt dagegen gezielt auf die Förderung des
Selbstgesteuerten Lernens ab. Die Schüler sollten sich (z.B. anhand von realen
Problemen) unter Vorgabe von Hinweisen (z.B. anchored Instruktion und
Vermittlung von heuristischen Strategien) ihr Wissen selbst konstruieren und auf
Problemsituationen transferieren. Lernen wird dabei als situiert betrachtet, also
an einen Kontext gebunden, sodass es die Aufgabe des Lehrers ist, die
entsprechende Lernumgebung anregend zu gestalten und die Problemstellungen
den Fähigkeiten der Kinder anzupassen.

50
1.18. Operantes Konditionieren vs. Sozial Kognitiv

Lerntheorien
Stellen Sie die Konzepte des operanten Konditionierens und der sozial-kognitiven
Lerntheorie näher dar!
Grenzen Sie die beiden voneinander ab und gehen Sie jeweils auch auf ein grundlegendes
Experiment ein!
Erklären Sie, wie – basierend auf beiden Theorien – bei Schülerinnen und Schülern
erwünschte als auch unerwünschte Verhaltensweisen entstehen können!
Verdeutlichen Sie ihre Ausführungen jeweils mit geeigneten Beispielen aus dem
Schulalltag!

Gliederung:

1. Operantes Konditionieren und Sozial-Kognitive Lerntheorie


1.1. Operantes Konditionieren: Skinner Box
1.2. Sozial-Kognitive Lerntheorie: Bobo Doll
1.3. Abgrenzung der beiden Theorien

2. Die Entstehung erwünschter und unerwünschter Verhaltensweisen in der Schule


2.1. Durch operantes Konditionieren
2.2. Durch Sozial-Kognitive Lerntheorien

1. Operantes Konditionieren und Sozial-kognitive Lerntheorie

1.1. Operantes Konditionieren


• Lernen als Verhaltensänderung/Behaviorismus: Lernen ist immer
beobachtbar und eine andauernde Änderung des Verhaltens
• Skinner Box (1930): Futterpille für die Ratte nach Drücken des Hebels
(keinen Einfluss jedoch auf den Zeitpunkt des Drückens), Zusätzliche
vorausgehende Reizbedingung (= diskriminativer Reiz, z.B. Lichtquelle),
Ratte erhält nur Futter (S+) wenn die Lichtquelle (S) eingeschaltet ist, Tier
lernt somit den Hebel nur zu drücken, wenn das Licht angeschaltet ist
• Voraussetzungen: Kontiguität, Kontingenz, Informativität
• Futter aus Experiment = positiver Verstärker, es werden auch negative
Verstärker (dieselbe Wirkung) und die Bestrafungstypen 1 und 2
unterschieden.

1.2. Sozial-Kognitive Theorie


• Lernen an soziales Umfeld gebunden, Lernen durch Beobachtung
• Spiegelneuronen, die bei Betrachtung von Verhalten genauso reagieren,
wie wenn man das Verhalten selbst ausführt
• (Reziproker Determinismus=Wechselwirkung zwischen Verhalten, der
Umgebung und Faktoren der Person, die sich alle drei wechselseitig
beeinflussen
• Übergang Behaviorismus und Kognitivismus

51
• Bandura Bobo Doll Experiment (1960): 33 Jungen, 33 Mädchen (3-5 Jahre)
der Stanford University Nursery School. Kinder sehen in einem Film, wie
eine erwachsene Person eine lebensgroße Plastikpuppe mit
verschiedenen Verhaltensweisen verletzt (Schlag auf die Nase,
Holzhammer, durch den Raum Stoßen, mit Gummibällen abwerfen). Dazu
werden jeweils charakteristische Laute verwendet (z.B. „Sokerooo“ beim
Holzhammer)
• 3 Versionen: positive Konsequenz, keine Konsequenz, negative
Konsequenz, werden anschließend in einen Spielraum gebracht, in dem
sich auch die Utensilien aus dem Film befanden. Die Kinder wurden
zunächst allein gelassen und das Verhalten dokumentiert, später wurden
Süßigkeiten für jede Nachahmung versprochen.
• Ergebnis: Die Reproduktion der Verhaltensweisen hängt zunächst vom
Geschlecht und davon ab, ob das Modell bestraft oder belohnt wurde. Mit
dem Anreiz kann jedoch über alle Gruppen hinweg ein großer Anteil das
Verhalten zeigen. Die Kinder haben durch Beobachtung von aggressivem
Verhalten in einem Film also die Kompetenz erworben, selbst aggressives
Verhalten zu zeigen. Direkte externe Verstärkung und stellvertretende
Verstärkung erhöhten die Bereitschaft zur Performanz.
• Bandura schloss daraus, dass die Kinder das Modell-Verhalten
gleichermaßen erlernt, aber je nach Folgen unterschiedliche reproduziert
haben.
• Phasen des Beobachtungslernens (1968): Aneignungsphase
(Aufmerksamkeit + Gedächtnisprozesse) und Reproduktionsphasen
(Reproduktion + Motivation)

1.3. Abgrenzung der beiden Theorien


• keine Informationsverarbeitungsprozesse vs. Gedächtnisprozesse
• Lernen wird immer sichtbar durch Verhaltensveränderung vs. Lernen als
interne Repräsentation, zusätzliche Motivation führt zu Verhalten
• Lernen ohne Modell vs. Lernen mit Modell
• Verhalten durch Reize gesteuert vs. Motivation Verstärker zu erhalten

2. Die Entstehung erwünschter und unerwünschter Verhaltensweisen in der Schule

2.1. Durch operantes Konditionieren/Behaviorismus


• Erwünscht: Token-economy, Gutpunkte, Striche etc. werden als
systematische, symbolische Verstärker eingesetzt, diese können in reale
Verstärker (= Bonbons, Aktivitäten...) eingetauscht werden
• Unerwünscht: Resignation durch Erlernte Hilflosigkeit, Schulaufgaben als
diskriminatorischer Reiz, Schüler haben das Gefühl ihre Leistung nicht
mehr kontrollieren zu können und resignieren, arbeiten nicht mehr mit
etc. ODER positive Verstärkung unerwünschter Verhaltensweisen z.B.
Ermahnung bei Störung (Aufmerksamkeit als positiver Verstärker)
2.2. Durch Beobachtungslernen/Sozialer-Kognitivismus
• Erwünschte Verhaltensweisen modellieren (attraktives Modell) oder bei
anderen Verstärken (Stellvertretende Verstärkung)

52
• Unerwünschte Verhaltensweisen: Enthemmung, wenn bei anderen keine
Bestrafung erfolgt

1.19. Gedächtnis und Wissenserwerb

Gedächtnis und Wissenserwerb


Beschreiben Sie die psychologischen Grundannahmen zum menschlichen Gedächtnis
anhand des Dreispeichermodells! Erläutern Sie dabei die Funktion des
Arbeitsgedächtnisses genauer und skizzieren Sie die theoretischen Annahmen zu
Wissensstrukturen in Form von Netzwerken!
Diskutieren Sie die Vor- und Nachteile des Dreispeichermodells und beziehen Sie dabei
auch eine alternative Modellannahme mit ein!
Führen Sie zwei konkrete Beispiele an, wie Sie als Lehrkraft die langfristige Speicherung
von Wissen bei Schülerinnen und Schülern unterstützen können!

Gliederung:

1. Grundannahmen zum menschlichen Gedächtnis anhand Dreispeichermodell von


Atkinson und Shiffrin 1965
2. Die Funktion des Arbeitsgedächtnisses
3. Wissensstruktur in Netzwerken
4. Vor und Nachteile des Dreispeichermodells
4.1. Vorteile
4.2. Nachteile und das Einspeichermodell von Paris und Cunningham
(unterschiedliche Wissensformen)
5. Unterstützung der langfristigen Speicherung von Wissen bei Schülerinnen und
Schülern

4. Das „Drei-Komponenten-Modell“ wurde zur Zeit des Kognitivismus von Atkinson und
Shiffrin 1965 als Mehrspeichermodell entwickelt und basiert auf der Annahme, dass
Lernprozesse ausschließlich durch Gedächtnisprozesse des Individuums gesteuert
werden. Diese Gedächtnisprozesse (Enkodierung, Speicherung, Anruf) finden dem
Mehrspeichermodell zufolge innerhalb von 3 Instanzen statt: dem Sensorischen
Register, dem Arbeitsgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis.
Das Sensorische Register ist hierbei die erste Instanz auf welches alle Umweltreize
treffen. Durch Aufmerksamkeitsprozesse wird gesteuert, welche dieser Reize ins
Arbeitsgedächtnis gelangen und weiterverarbeitet werden. Das Arbeitsgedächtnis
diehnt zur Zwischenspeicherung von Informationen (Kapazität 7 +/-2 Einheiten) und
zu einer ersten Aufarbeitung wobei hier auch schon auf das Langzeitgedächtnis
zurückgegriffen wird (Vgl. Baddeley -> Episodischer Puffer kommuniziert mit
Langzeitgedächtnis). Das Langzeitgedächtnis umfasst das gesamte Wissen eines
Individuums und wird durch Netzwerkmodelle repräsentiert.

5. Laut Baddeley 2000 wird das Arbeitsgedächtnis in 3 weitere Instanzen unterteilt: Der
räumlich-visueller Notizblock speichert visuelle Informationen, die aprachliche
Zusammenhänge veranschaulichen, die phonologische Schleife speichert Gehörtes
für 2 Sekunden, der episodische Puffer vermittelt zwischen räumlich visuellem

53
Notizblock, phonologischer Schleife und dem Langzeitgedächtnis und darüber hinaus
eine zentrale Exekutive, die alle Prozesse steuert.

6. Wissensstruktur in Netzwerken: Propositionale Vernetzungstheorie von Anderson


2000
• Wissen im deklarativen Gedächtnis als Propositionen abgespeichert, die miteinander
verbunden sind.
• Mehrere Propositionen = Schemata (kontextspezifisch und emotionsbesetzt)
• Auch Speicherung von Mentalen Modellen (bildhaften Vorstellungen)

7. Vor- und Nachteile des Dreispeichermodells


• Vorteile: Aufteilung der Gedächtnisprozesse auf Komponenten – dadurch
Verständnis über verschiedene spezifische Fördermöglichkeiten, Erklärung
dafür warum: manches Gehörte nie abgespeichert wird (Aufmerksamkeit
oder kein Vorwissen), sich nur kurz an etwas erinnert wird, dass man nicht
versteht, z.B. Satz einer fremden Sprache (Phonologische Schleife –
Arbeitsgedächtnis), warum Lernstrategien helfen und Erklärung für
Ergebnisse der Experten-Novizen Forschung (Verringerung
Arbeitsgedächtnisleistung)
• Nachteile: nur geringfügige Erklärung warum Transferleistung nicht möglich
ist und Träges Wissen entsteht (durch Abrufreize aufgrund Enkodierspezifität,
aber Transfer sollte auch möglich sein in neuen Situationen ohne Abrufreize),
verschiedene Wissensarten werden nicht miteinbezogen (prozedural,
konditional), Lerner nicht nur passiv, Verarbeitungstiefe nicht berücksichtigt
• Einspeichermodell von Paris und Cunningham 1996: 3 Arten von
Wissensformen, deklarativ (semantisch und episodisch), prozedural (Wenn-
dann Regeln) und konditional -> Verarbeitungstiefe spielt eine Rolle für
spätere Erinnerungsleistung

6. Unterstützung der langfristigen Speicherung von Wissen bei Schülerinnen und


Schülern
• Tiefe der Verarbeitung (Craik und Lockart) – Viele Propositionen schaffen z.B.
durch Vorwissen aktivieren, konkrete Anwendungsbeispiele und aktive
Auseinandersetzung

54
1.20. Gedächtnis und Gedächtnismodell

Beim Erwerb von Kenntnisse und Fertigkeiten spielt das Gedächtnis eine große Rolle.
Gedächtnispsychologische Erkenntnisse sind daher von Grundlegender Bedeutung für die
Gestaltung von Lehr- und Lernsituationen
Erläutern Sie den Begriff „Gedächtnis“!
Beschreiben und erklären Sie die Komponenten und Grundannahmen des Mehrspeicher-
Gedächtnismodells (Atkinson und Shiffrin 1973)
Erläutern Sie anhand empirischer Befunde, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, dass
Gedächtnisprozesse wie das Behalten und der Abruf von Informationen gut gelingen!
Erklären Sie auf der Grundlage dieser Erkenntnisse drei unterschiedliche
Gedächtnisstrategien und beschreiben Sie anhand jedes Beispiels, wann und wie man
diese einsetzen kann!
Leiten Sie aus den dargestellten gedächtnispsychologischen Erkenntnissen drei zentrale
Prinzipien für die Gestaltung von Lehr- und Lernsituationen sowie –materialien ab.

Gliederung:

1. Gedächtnis: Definition
2. Das Mehrspeichermodell von Atkinson und Shiffrin 1973
3. Gedächtnisprozesse und Voraussetzungen + empirische Befunde
3.1. Enkodieren
3.2. Speichern
3.3. Abruf
4. Gedächtnisstrategien
4.1. Enkodierstrategien/Organisationsstrategien
4.2. Elaborationsstrategien
4.3. Abrufstrategien
5. Drei zentrale Prinzipien für die Gestaltung von Lehr- und Lernsituationen sowie –
materialien

1. Zimbardo 2008 zufolgt bezeichnet Gedächtnis die Fähigkeit, Informationen


aufzunehmen, zu speichern und abzurufen. Es handelt sich demnach nicht um einen
passiven Informationsspeicher.
2. Das „Drei-Komponenten-Modell“ wurde hingegen zur Zeit des Kognitivismus von
Atkinson und Shiffrin 1973 als Mehrspeichermodell entwickelt und basiert auf der
Annahme, dass Lernprozesse ausschließlich durch Gedächtnisprozesse des
Individuums gesteuert werden. Diese besagten Gedächtnisprozesse finden dem
Mehrspeichermodell zufolge innerhalb von 3 Instanzen statt: dem Sensorischen
Register, dem Arbeitsgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis.
Das Sensorische Register ist hierbei die erste Instanz auf welches alle Umweltreize
treffen. Durch Aufmerksamkeitsprozesse wird gesteuert, welche dieser Reize ins
Arbeitsgedächtnis gelangen und weiterverarbeitet werden. Das Arbeitsgedächtnis
(laut Baddeley unterteilt in 3 weitere Instanzen: räumlich-visueller Notizblock,
phonologische Schleife, episodischer Puffer und darüber hinaus eine steuernde
Instanz) dient zur Zwischenspeicherung von Informationen (Kapazität 7 +/-2
Einheiten) und zu einer ersten Aufarbeitung wobei hier auch schon auf das

55
Langzeitgedächtnis zurückgegriffen wird (Vgl. Baddeley -> Episodischer Puffer
kommuniziert mit Langzeitgedächtnis). Das Langzeitgedächtnis umfasst das gesamte
Wissen eines Individuums und wird durch Netzwerkmodelle repräsentiert.
3. Gedächtnisprozesse und Voraussetzungen + empirische Befunde
3.1. Enkodierung
• Aufmerksamkeit muss auf Inhalt gerichtet sein
• Tiefe der Verarbeitung (Craik und Lockhart)
• Empirisches Beispiel: Craik und Tulving 1975: baten
Versuchspersonen sich 60 Wörter anzusehen und eine Frage auf
diese Wörter anzuwenden. Während die ersten beiden Gruppe
sich lediglich oberflächliche Merkmale der Wörter ansehen sollten
(Großbuchstaben, Reim), musste sich die dritte Probandengruppe
darauf konzentrieren, ob das Wort durch andere Wörter
ausgetauscht werden konnte. Bei der letzten Gruppe wurde
anschließend eine erheblich bessere Behaltensleistung festgestellt,
da sie sich intensiver mit den Wörtern befassten und auf ihr
Vorwissen hinsichtlich Semantik und Syntax zurückgreifen
mussten.
3.2. Speicherung
• Verknüpfung mit Vorwissen
• Mehrere Propositionen durch Anwendungsbeispiele, aktive
Auseinandersetzung, Unterstützung der Schematabildung
• Empirisches Beispiel: De Groot 1965 Schachspieler mit
unterschiedlichen Wissensniveaus mit sollten sich für einige
Sekunden Positionen merken. Schachmeister erinnerten sich
anschließend schneller und fehlerfreier an die Anordnungen als
noch nicht so fortgeschrittene Spieler. Dies beweist, dass sie auf
Schematas hinsichtlich möglicher Anordnungen oder ihr Vorwissen
hinsichtlich Spielverläufen zurückgriffen.
3.3. Abruf
• Enkodierspezifität: Abruf verbessert, wenn Hinweisreize bei
Enkodierung dieselben sind wie bei Abruf
• Abruf muss wiederholt erfolgen -> Qualitätssteigerung
• Empirisches Beispiel: Bjork 1988, Abruftraining in immer größer
werdenden zeitlichen Intervallen (expanded retrieval practice)
vorgeschlagen. Die Untersuchung bezog sich vor allem auf Items,
die nur einmal präsentiert wurden, so wie dies etwa bei einem
Namen der Fall ist, den man z.B. bei der Vorstellung eines
Konferenzteilnehmers zum ersten Mal und üblicherweise auch nur
einmal hört. Sollen solche Inhalte auch längerfristig behalten
werden (es wäre ja peinlich, wenn man die Namen wichtiger
Personen sogleich wieder vergessen würde!), empfiehlt es sich,
unmittelbar danach einen ersten Abruftest durchzuführen, d.h.,
dem Gesicht bzw. der Person den Namen zuzuordnen, diesen dann
nach einem zunächst etwas längeren und später ein weiteres Mal
nach einem noch längeren Zeitintervall zu wiederholen. In den
Experimenten von Bjork und Mitarbeitern handelte es sich um
Intervalle von einer, vier oder zehn Minuten. Den Erfolg dieser

56
Gedächtnistechnik führt Bjork darauf zurück, dass nicht einfach die
Speicherung verbessert wird, sondern dass der Prozess des
Abrufens selbst eine qualitative Verbesserung erfährt.
4. Gedächtnislernstrategien entspricht den kognitiven Lernstrategien
4.1. Enkodierung/Organisationsstrategien um Arbeitsgedächtnis zu
entlasten und eingehende Informationen zu Ordnen
• Mindmaps: Organisation, Verknüpfung mit Vorwissen,
Metakognition wird eingesetzt (Vervollständigung)
• Einsetzbar: bei Vermittlung von komplexem deklarativen Wissen ->
Zusammenhänge verdeutlichen, Gedanken ordnen
4.2. Elaborationsstrategien zur Aufarbeitung des Wissens
• Fragen überlegen und in eigenen Worten beantworten
(Verknüpfung mit Vorwissen)
4.3. Abrufstrategien zum Abruf der Informationen
• Karteikarten: Vorderseite als Hinweisreiz für Rückseite (Antwort)

6. 3 zentrale Prinzipien für die Gestaltung von Lehr- und Lernsituationen sowie –
materialien
• Vorwissen aktivieren: Advance Organizers, Zone of proximal
developement berücksichtigen
• Verarbeitungstiefe erhöhen: aktive Auseinandersetzen mit den
Lerninhalten
• Regelmäßiges Abprüfen der Inhalte zur Verbesserung der
Abrufqualität

57
1.21. Wissen und Vorwissen

Wissen als Ergebnis erfolgreicher Lernprozesse und als zentrale Voraussetzung für den
künftigen Lernerfolg
Beschreiben Sie unterschiedliche Wissensarten und erläutern Sie diese anhand zentraler
Wissensmerkmale!
Gehen Sie dabei auf die Lern- und Informationsverarbeitungsprozesse ein, die zum Aufbau
der einzelnen Wissensarten führen!
Erläutern Sie diese anhand von Beispielen und zeigen Sie auf, wie die Lehrkraft diese
Prozesse unterstützen kann!
Erläutern Sie anhand empirischer Befunde die Bedeutung des Vorwissens für den
Wissenserwerb!

Gliederung:
1. Unterschiedliche Wissensarten, relevante Lern-Informationsverarbeitungsprozesse
und Unterstützung durch die Lehrkraft
1.1. Situationales Wissen
1.2. Konzeptuelles Wissen
1.3. Prozedurales Wissen
1.4. Strategisches Wissen
2. Die Bedeutung des Vorwissens für den Wissenserwerb (empirisch erklärt)

1. Wissensarten nach De Jong und Ferguson-Hessler (1996):

1.1. Situationales Wissen


• Wissen über Situationen, die in bestimmten Domänen typischerweise
auftauchen, sowie über darin üblicherweise zu beachtende Information.
• Abgespeichert als Schemata und Teil des episodischen Gedächtnisses
• Lernen durch Analogiebildung, Schemata wird verändert und angepasst (Vgl.
Piaget)
• z.B. Wissen darüber, dass man während einer Prüfung nicht sprechen darf
• Von Lehrkraft schwer zu unterstützen, nur Wissen über Schulschemata
können eigentlich unterstützt werden

1.2. Konzeptuelles Wissen/Deklaratives Wissen ist statisches Wissen über Fakten,


Begriffe und Prinzipien
• im semantischen Gedächtnis innerhalb des deklarativen Gedächtnisses
• Klassisches Einprägen: Sensorisches Register, Arbeitsgedächtnis,
Langzeitgedächtnis. Wenn kein Vorwissen vorhanden einprägen durch
Mnemotechniken
• z.B. Vokabeln oder Geschichtswissen
• Wissen über das eigene Lernen vermitteln + mit Vorwissen der Schüler
verknüpfen

1.3. Prozedurales Wissen ist Wissen über Handlungen, die zum gewünschten
Erfolg führen
• im prozeduralen Gedächtnis gespeichert durch Wenn-Dann Regeln

58
• Wissenskompilierung: Übergang vom Regelwissen zum Handlungswissen
• Zunehmend Automatisierungsprozesse
• z.B. Autofahren
• praktische/offene Unterrichtsformen

1.4. Strategisches Wissen ist metakognitives Wissen über die Gestaltung des
eigenen Problemlöseverhaltens und über Handlungspläne.
• Metakognitives Wissen zur Planung und Überwachung
• Muss explizit gelernt werden in Form von metakognitiven Strategien, von
Entwicklungsstand abhängig
• z.B. kognitive Lernstrategien zum Lernen von komplexen Zusammenhängen
• Lernstrategien erläutern und einsetzen

2. Die Bedeutung des Vorwissens für den Wissenserwerb (empirisch erklärt)


• Durch Vorwissen Verankerung im Langzeitgedächtnis
• Während der Aufnahme/Elaborationsphase kommt es zur Auswahl und
Organisation (vgl Mayer 1996) der Informationen, die auf das sensorische
Register treffen, also auf den Menschen einwirken. Hier ist das Vorwissen
bedeutsam, da die Aufmerksamkeit durch Wissen über relevante Inhalte auf
eben diese gelenkt wird. Nicht-Relevantes wird ausgeblendet. Eine Studie von
Jarodzda et al 2010 untersuchte diesen Aspekt, indem sie zwei Gruppen von
Probanden dazu aufforderten, etwas über die Schwimmbewegungen von
verschiedenen Fischen durch Beobachtung zu lernen. Die Probanden mit
Vorwissen konzentrierten sich dabei nachweislich stärker auf relevante
Merkmale zur Bestimmung des Schwimmverhaltens während die Probanden
ohne Vorwissen häufig für die Aufgabenstellung nicht relevante Aspekte
beobachteten.
• Während der ersten Aufarbeitungsprozesse im Arbeitsgedächtnis (dem
Konzept von Baddeley zufolge) kommt es sowohl zur Zwischenspeicherung
von Informationen als auch zur ersten Ausarbeitung durch den episodischen
Puffer, welcher zwischen räumlich-visuellem Notizblock, phonologischer
Schleife und dem Langzeitgedächtnis kommuniziert (vgl. Baddeley 2007). Um
die geringe Kapazität des Arbeitsgedächtnisses auszunutzen, hilft das
Vorwissen, die Informationen sinnvoll zu organisieren und gruppieren. Auch
hierzu wurde eine Studie von Chi, Feltovich und Glaser (1981) durchgeführt,
bei welcher Probanden dazu aufgefordert wurden, Physikaufgaben zu
sortieren. Teilnehmer mit wenig Vorkenntnissen stützen sich auf eher
oberflächliche Aspekte der Aufgaben während Teilnehmer mit
Vorkenntnissen die Aufgaben sinnvoll nach Themengebieten sortieren
konnten.
• Auch die Verarbeitungstiefe, also wie intensiv eine eintreffende Information
im Arbeits-/ und Langzeitgedächtnis verarbeitet wird ist entscheidend für den
Wissenserwerb. Ein charakteristisches Experiment zur Verarbeitungstiefe
wurde von Craik und Tulving 1975 durchgeführt. Sie baten Versuchspersonen
sich 60 Wörter anzusehen und eine Frage auf diese Wörter anzuwenden.
Während die ersten beiden Gruppe sich lediglich oberflächliche Merkmale der
Wörter ansehen sollten (Großbuchstaben, Reim), musste sich die dritte

59
Probandengruppe darauf konzentrieren, ob das Wort durch andere Wörter
ausgetauscht werden konnte. Bei der letzten Gruppe wurde anschließend
eine erheblich bessere Behaltensleistung festgestellt, da sie sich intensiver
mit den Wörtern befassten („Fakulataive Elaboration“) und auf ihr Vorwissen
hinsichtlich Semantik und Syntax zurückgreifen mussten.
• Wissen wird im Langzeitgedächtnis in Form von Netzwerksystemen
gespeichert. Die kleinste Einheit bildet der Begriff, welcher sich durch
Propositionen verbunden zu Schematas über komplexere Sachverhalte
ausdehnt. Um neuen Informationen speichern zu können, muss sich eine
Proposition mit schon bestehendem Wissen bilden lassen. Demnach ist das
Vorwissen entscheidend für die Verankerung des neuen Wissens
verantwortlich. Als Beispiel kann die zuvor genannte Studie von Craik und
Tulving genannt werden, denn auch bei dieser Studie haben die Probanden,
welche durch Einsatz ihres syntaktischen und semantischen Vorwissens mehr
Propositionen erstellt und damit das Wissen mehrfach im Gedächtnis
verankert.

60
1.22. Selbstgesteuertes Lernen

An Ihrer Schule findet nächsten Monat eine Projektwoche zum Thema „Selbstgesteuertes
Lernen und Lernstrategien“ statt. Als Verantwortliche bzw. Verantwortlicher für das
Projekt stehen Sie den anderen Lehrkräften als Beraterin bzw. Berater zur Seite.
Erläutern Sie ein Modell des selbstgesteuerten Lernens sowie eine Systematisierung von
Lernstrategien, die die Basis der Projektwoche bilden!
Verdeutlichen Sie die kognitiven Lernstrategien jeweils an einem konkreten Beispiel!
Nennen Sie darüber hinaus empirische Befunde zur Förderung des selbstgesteuerten
Lernens!
Diskutieren Sie außerdem, welche Maßnahmen sich aus den theoretischen Modellen
und/oder empirischen Befunden für die Gestaltung der Projektwoche ableiten lassen!

Gliederung:

1. Die Phasen des Selbstgesteuerten Lernens nach Zimmermann 2008


2. Lernstrategien
2.1. Kognitive Lernstrategien
2.1.1. Organisation
2.1.2. Elaboration
2.1.3. Wiederholung
2.2. Metakognitive Lernstrategien
2.2.1. Planung
2.2.2. Überwachung
3. Empirische Befunde zur Förderung des selbstgesteuerten Lernens
3.1. Direkte Förderansätze
3.2. Indirekte Förderansätze
4. Konkrete Maßnahmen für die Projektwoche

1. Phasen des Selbstgesteuerten Lernens nach Zimmermann 2008


• Planung
• Durchführung
• Auswertung
2. Lernstrategien
2.1. Kognitive Lernstrategien
2.1.1. Organisation
• Mindmaps
2.1.2. Elaboration
• Fragen überlegen und in eigenen Worten beantworten
2.1.3. Wiederholungsstategien
• Vor sich hinsagen
2.2. Metakognitive Lernstrategien
• Planung
• Überwachung

3. Empirische Befunde zur Förderung des Selbstgesteuerten Lernens

61
3.1. Direkte Förderansätze: Lernstrategien müssen direkt vermittelt werden
(Einsatz Sharp et al von Länge des Schulbesuchs abhängig), direkte
Förderprogramm wie von Leutner und Leopold 2005 Computerbasierte Trainings
für 10.Klässler zum Einsatz von Lernstrategien –> Textverständnis verbessert
3.2.Indirekte Förderansätze: Lernumgebunden so gestalten, dass Selbstgesteuertes
Lernen gefördert wird. Beispiel: Leittext-konzept von Krapp/Weidemann: Dabei
erhalten die Lernenden eine relativ komplexe Aufgabenstellung, die sie häufig in
Form einer Projektarbeit – allein oder gemeinsam in der Gruppe bearbeiten
sollen. Es handelt sich also um ein Lernen im Sinne des Project Learning vor. Die
für die Bearbeitung erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse
müssen sich die Lernenden weitgehend selbst aneignen, teils mithilfe vor-
bereiteter Materialien und Medien, teils durch Kooperation mit anderen
Lernenden oder Experten. Der Leittext enthält Anleitungen und liefert eine Art
Kontrollstruktur, die dem Lernenden hilft, den Überblick zu behalten

4. Konkrete Maßnahmen für die Projektwoche


• Nach Leittext-Konzept: leittext als Kontrollstruktur, ansonsten Lernen anhand von
Stationen
• Lernstrategien werden direkt vermittelt und geübt -> Wichtigkeit
veranschaulichen

62
1.23. Hausaufgaben

Die Bedeutung der Hausaufgaben für erfolgreiches schulisches Lernen


Stellen Sie aufgrund ausgewählter empirischer Studien den Zusammenhang zwischen der
Erledigung von Hausaufgaben und dem Schulerfolg dar! Gehen Sie dabei auch auf
einschlägige Gedächtnistheorien ein!
Geben Sie für Schülerinnen und Schüler drei Hinweise für eine sinnvolle
Hausaufgabenerledigung!
Machen Sie ebenso drei Vorschläge für Lehrkräfte, wie Sie diese Hausaufgaben wirksam
einsetzen können!

1. Der Zusammenhang zwischen der Erledigung von Hausaufgaben und Schulerfolg


empirisch und anhand von Gedächtnistheorien erklärt
2. Drei Hinweise für eine sinnvolle Hausaufgabenerledigung
3. Drei Vorschläge zum wirksamen Einsetzen von Hausaufgaben

1. Der Zusammenhang zwischen der Erledigung von Hausaufgaben und Schulerfolg


empirisch und anhand von Gedächtnistheorien erklärt

• Experimentelle Studie Cooper 2006: „Schulen mit Hausaufgaben“ und


„Schulen ohne Hausaufgaben“ – höherer Lernerfolg in HA Klassen
(mittelgroßer Effekt) -> aber: nur kleine Stichproben
• Nicht Experimentelle Studien z.B. Korrelationsstudien Cooper 2006 bessere
Leistungen der Schüler, die mehr Zeit mit HA zubringen/Korellation HA Zeit
und Leistung -> aber: Zeit ist nicht gleich Fleiß, Reliabilität selbst berichteter
HA Zeit
• Nicht-experimentellen Feldstudien Trautwein 2007/Trautwein&Köller 2003:
Die Häufigkeit der HA Vergabe ist positiv mit Leistungszuwachs assoziiert
dabei ist Umfang der HA (Zeit) unwesentlich, HA-Engagement (Anstrengung
und Konzentration) korreliert mit Leistungsentwicklung

• Hausaufgaben fördern Selbstreguliertes Lernen (und erfordern gleichzeitig


Selbstreguliertes Lernen), Erwerb von hilfreichen Metastrategien (Planung,
Kontrolle des Lernprozesses)
• Stehen im Gegensatz zur Instruktion = entspricht eher konstruktivistischem
Ansatz. Schüler sind auf sich allein gestellt und müssen ihr Wissen selbst
konstruieren (Sekundärstrategien -> Ressourcen finden bei nichtverstehen)
• Durch Anwendungsaufgaben tiefere Verarbeitung der Lerninhalte (Vgl. Craik
und Tulvig Prinzip der Verarbeitungstiefe)
• Durch Übung und konkrete Aufgaben (und Aktivierung von Vorwissen)
Propositionsbildung im Gedächtnis -> kann künftig leichter abgerufen werden,
weil viele Abrufreize durch Übung -> wirkt trägem Wissen entgegen
• Abrufqualität wird verbessert durch Wiederholen (Studie Bjork 1988:
Abruftraining in immer größer werdenden zeitlichen Intervallen)

2. Drei Hinweise für eine sinnvolle Hausaufgabenerledigung


• Nicht zu viel Zeit aufwenden, dafür konzentriert und gewissenhaft arbeiten

63
• Einsatz von metakognitiven Lernstrategien
• Förderung des Fähigkeitsselbstkonzepts

3. Drei Vorschläge zum wirksamen Einsetzen von Hausaufgaben


• Trautwein et al 2006: Erwartung x Wert Komponente gilt auch bei Hausaufgaben. Dh.
je größer Interesse an Unterrichtsstoff, desto größer der Wert, den eine Aufgabe hat.
Folglich bei „langweiligen Themen“ externe Anreize schaffen (Wertschätzung,
Korrektur der Hausaufgaben etc.)
• Weitere Folge: Fähigkeitsselbstkonzept stärken -> Aufgabenschwierigkeit und
Umfang an realistische Maßstäbe anpassen. Ggf. differenzierte Aufgaben je nach
Schwierigkeitsgrad
• Hausaufgaben sollten immer korrigiert werden -> 1. Für Lerneffekt, 2. Für Anreiz
(Schüler haben sie nicht „umsonst“ gemacht)
• Kontinuierlicher Einsatz von Hausaufgaben. Keine „Zusatzaufgaben“ als Bestrafung ->
Zielverhalten als Bestrafung

1.24. Übungsaufgaben

Warum ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler den Lernstoff anhand von
Übungsaufgaben einüben?
Benennen und erläutern Sie hierfür acht lern- oder gedächtnistheoretische Argumente
ihrer Wahl!

• LZG: Total-time-hypothese: Wieviel gelernt wird, hängt direkt von der Menge der Zeit
ab, die mit dem Lernvorgang verbracht wird
• Einspeichermodell: Verarbeitungstiefe Craik und Lockhart (1975), bestätigt durch
„Drei-Ebenen-Experiment“ -> tiefe Verarbeitung durch Übungsaufgaben, dauerhafte
Gedächtnisspuren
• Bildung von mehreren Propositionen nach Anderson (2000) -> Abruf wird erleichtert
(„Aktivierungsausbreitung“)
• Automatisierungsprozesse -> Arbeitsgedächtnis wird weniger belastet (Baddeley)
• Arbeitsgedächtnis: Wiederholung wichtig für Aufarbeitung
• Aufbau von Wissen durch Elaboration und Organisation -> Wissen wird konstruiert
• Enkodierspezifität wird durch Übungen (zu Hause, in verschiedenen Räumen)
überwunden
• Motivation: Operantes konditionieren, diskriminativer Reiz?

64
2. Entwicklungspsychologie

2.1. Gedächtnisentwicklung

Gedächtnisentwicklung
Erläutern Sie die Begriffe „Gedächtnis“, „Wissen“, „Metagedächtnis“ und
„Gedächtnisstrategien“! Zeigen Sie, wie sich jedes dieser Phänomene im Schulalter
entwickelt und was dies für die Gedächtniskapazität bedeutet!
Erörtern Sie, ob und wie diese Phänomene in der Schule gefördert werden können!

Gliederung:
1. Gedächtnis und Wissen
1.1. Entwicklung des Gedächtnisses/Gedächtniskapazität und Wissen ab dem
Schulalter
1.2. Förderung des Gedächtnisses und Wissens in der Schule
2. Metagedächtnis und Gedächtnisstrategien
2.1. Entwicklung des Metagedächtnisses und dem Einsatz von
Gedächtnisstrategien ab dem Schulalter
2.2. Förderung des Metagedächtnisses und Gedächtnisstrategien in der Schule

1. Das Konzept des Gedächtnisses wurde während des Kognitivismus erforscht.


Generell lässt sich das menschliche Langzeitgedächtnis in ein explizites und implizites
Gedächtnis unterteilen. Das explizite Gedächtnis umfasst das deklarative Wissen
und somit semantische und episodische Wissensinhalte. Die Abspeicherung erfolgt
in Netzwerken. Das implizite Gedächtnis umfasst das prozedurale Wissen, also die
Speicherung von Fertigkeiten. Neben dem Langzeitgedächtnis gibt es dem
Kognitivismus jedoch auch noch ein Arbeitsgedächtnis, welches Informationen bis
zur Aufarbeitung durch Vorwissen zwischenspeichert.

1.1. Es ist umstritten, ob es eine alterskorrelierte Verbesserung der


Gedächtniskapazität aufgrund neuronaler Reifungsprozesse gibt (Vgl. Nelson et al
2013). Einige Forscher behaupten jedoch, dass die Verarbeitungskapazität
invariabel ist (Case 1985) und dass lediglich durch Automatisierungsprozesse und
den Einsatz von Lernstrategien, das Arbeitsgedächtnis entlastet wird. Jedoch fand
die 1999 durchgeführte Studie LOGIK von Weinert und Schneider heraus, dass
beim Einprägen von mehreren gezeigten Items die Spanne an behaltenen
Begriffen von 4-17 Jahren kontinuierlich zunimmt. Dies könnte auf eine
Verbesserung der Leistung der phonologischen Schleife (im Arbeitsgedächtnis)
zurückzuführen sein oder auch Clustering Prozessen geschuldet sein, also dass
mehrere Items zusammengefasst wurden, um das Arbeitsgedächtnis zu
entlasten. Auch eine altersbedingt verbesserte Aufmerksamkeit beeinflusst den
Wissenszuwachs. Was das Langzeitgedächtnis betrifft, hat hier der
Wissenszuwachs an deklarativem, episodischen und prozeduralem Wissens
Einfluss auf den Umfang des gesamten gespeichterten Wissens. Da deklaratives
Wissen nur durch Vorwissen im Langzeitgedächtnis anhand von Propositionen

65
verankert werden kann, können alterskorreliert mehr Informationen gespeichert
werden und so ein erheblicher Wissenszuwachs erlangt werden.

1.2. Die Lehrkraft kann entscheidenden Einfluss auf die Verbesserung des
Gedächtnisses und den Wissenszuwachs nehmen, indem sie den Schülern gezielt
Lernstrategien vermittelt, die das Arbeitsgedächtnis entlasten durch
Automatisierungsprozesse (Vorsicht: Hier kann es erst zu einem Nutzungsdefizit
kommen), die Aufmerksamkeit der Schüler bewusst auf wichtige Aspekte lenkt,
damit diese im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden können und sicherstellt,
dass durch Aktivierung des Vorwissens (vgl. Aspekte zur Unterrichtsqualität von
Helmke) neue Wissensinhalte im Langzeitgedächtnis durch möglichst viele
Propositionen verankert werden können.

2. Unter Metagedächtnis wird das Wissen über Gedächtnisvorgänge verstanden. Es


wird zwischen einer deklarativen und einem prozeduralen Metagedächtnis
Unterschieden. Schunk 2004 unterscheidet zusätzlich eine konditionale
Metakognition. Das deklarative Metagedächtnis umfasst Wissen über Prozesse, die
Lernen und Behalten betreffen, das prozedurale Metagedächtnis umfasst die
Fähigkeit zur Selbstregulation und Selbstüberwachung und das konditionale
Metagedächtnis die Fähigkeit zu wissen, wo und wann bestimmte Strategien
anzuwenden sind. Gedächtnisstrategien werden mithilfe des prozeduralen und
konditionalen Metagedächtnisses angewandt. Gedächtnisstrategien werden als
bewusste, intentionale kognitive Aktivitäten verstanden, die dabei helfen sollen, eine
Gedächtnisaufgabe besser zu bewältigen (Schneider & Büttner, 2008). Es wird
folglich unter Enkodierstrategien (Lernstrategien) und Abrufstrategien
unterschieden.

2.1. Das deklarative Metagedächtnis konsolidiert sich erst gegen Ende der
Grundschulzeit (Schneider 2011) und verbessert sich bis in die Adoleszenz. Auch
das prozedurale Gedächtnis verbessert sich mit zunehmendem Alter. Kreutzer et
al. führten 1975 eine Studie zum Metagedächtnis durch, in welcher sie 80
Schülerinnen und Schüler aus dem Kindergarten, 1., 3. Und 5. Klasse befragten.
Besonders im Kindergartenalter wurden Defizite hinsichtlich des Zusammenhangs
von Inhalt/Lernzeit und Erinnerungsleistung sichtbar. (Nur 15% der
Kindergartenkinder aber alle 5. Klässler wussten, dass sie durch mehr Lernzeit
bessere Erinnerungsleistungen zeigen konnten). Was die Gedächtnisstrategien
betrifft, verbessert sich ihr Einsatz ebenfalls mit zunehmendem Alter (sie fallen
schließlich auch unter das prozedurale Metagedächtnis). Bei Schulanfängern kann
es jedoch noch zu einem sogenannten Produktionsdefizit kommen. Das heißt, die
Strategien können angewandt werden, jedoch noch nicht spontan (keine
Transferleistung möglich). Später kann es noch zu einem Nutzungsdefizit
kommen, das bedeutet, die Strategien werden richtig (und vielleicht auch
spontan) angewandt, sie zeigen jedoch noch keine Vorteile was darauf
zurückzuführen ist, dass die Anwendung noch nicht automatisiert genug ist um
im Arbeitsgedächtnis wenig Kapazität einzunehmen.

2.2. Auch auf das Metagedächtnis und das Anwenden von Gedächtnisstrategien
kann die Lehrkraft Einfluss nehmen. Durch Unterrichtsformen des

66
Selbstgesteuerten Lernens und Problemorientierten Lernens werden
verschiedene Aspekte des Metagedächtnisses gefördert. Durch Zielsetzung und
Organisation der Lernschritte, lernen die Schüler ihren Lernprozess zu steuern
und währenddessen auch zu überwachen. Der Einsatz von Lernstrategien muss zu
Beginn von der Lehrkraft demonstriert werden und anschließend den Schülern
genügend Zeit gewährt werden, diese zu erlernen. Es muss besonders auf den
Nutzen der Strategien auch in anderen Aufgabenformaten eingegangen werden
um den spontanen Transfer zu fördern.

67
2.3. Kognitive Entwicklung

Beschreiben Sie unter Einbezug einschlägiger empirischer Befunde die kognitive


Entwicklung zwischen 5 und 15 Jahren, ausgehend von zwei unterschiedlichen kognitiven
Entwicklungstheorien! Vergleichen und diskutieren Sie die beiden Ansätze und leiten Sie
aus beiden theoretischen Ansätzen Empfehlungen für die kognitive Förderung in der
Schule ab!

Gliederung:
1. Die kognitive Entwicklung zwischen 5-15 Jahren nach Piaget
1.1. Empfehlungen für die kognitive Förderung in der Schule nach Piaget
2. Die kognitive Entwicklung zwischen 5-15 Jahren nach Case
2.1. Empfehlungen für die kognitive Förderung in der Schule nach Case
3. Vergleich der beiden Theorien

1. Piaget hat die Entwicklungspsychologie durch seine kognitive Entwicklungstheorie


entscheidend geprägt. Piaget zufolge sind Kinder kleine „Wissenschaftler“, die ihre
Umgebung durch Neugier erkunden und so lernen. Ihm zufolge haben alle Individuen
mentale Schematas, deren Wahrheitsgehalt ständig durch die Umwelt beeinflusst
wird. Stimmt die erfahrene Umwelt mit dem mentalen Schema überein, so ist ein
Zustand der Äquilibration erreicht, da die neuen Lerninhalte assimiliert werden, also
in das vorhandene Schema eingepflegt werden. Nur wenn es Divergenzen gibt,
kommt es zu einer Akkommodation, das bestehende Schema muss also verändert
werden und passend gemacht werden. Piaget geht davon aus, dass die kognitive
Entwicklung vor allem neben dieser aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt auf
Reifungsprozesse zurückzuführen ist. Diese Reifungsprozesse, die Piaget in vier
Entwicklungsstufen einteilt vollziehen sich ihm zufolge bei fast allen Kindern gleich
schnell, sind also universell und auch irreversibel und invariant. Jedes Stadium geht
aus dem vorherigen Stadium hervor und kann nicht mehr rückgängig gemacht
werden.
Kinder zwischen 5 und 15 Jahren durchlaufen Piaget zufolge drei Phasen: die prä-
operationale Phase (bis 7 Jahre), die konkret-operationale Phase (7-11) und das
formal-operatorische Stadium (ab 11).
Kinder innerhalb der prä-operationalen Phase haben die Bedeutung von Symbolen
erlernt. Sie wissen, dass Symbole für etwas stehen können und bedienen sich auch
zunehmend an derartigen Symbolen (mit zunehmendem Alter innerhalb der Phase
statt eigenen Symbolen eher Verwendung gängiger Symbole). Schwachstellen gibt es
noch in der Egozentristischen Denkweise (Unfähigkeit zum Perspektivenwechsel, wie
durch den „3-Berge-Versuch“ 1977 von Piaget bestätigt), Zentrierung (Konzentration
auf bestimmte Aspekte) und damit verbunden ein fehlendes Invarianzkonzept. Hierzu
führten Piaget und Inhelder Experimente anhand vom „Umschüttvorgängen“ mit 4-5-
jährigen Kindern durch. Flüssigkeit wurde von einem kleinen breiten Glas in ein
schmales hohes Glas umgeschüttet weshalb der Wasserstand höher ist. Die Kinder
dachten, dass sich nun mehr Wasser im Glas befindet, was das Vorherrschen des
Invarianzkonzepts beweist.

68
Im konkret-operationalen Stadium (7-11) Jahre gelingt der Umschüttversuch schon
fehlerfrei, die Kinder haben also verstanden, dass zwei Objekte in Bezug auf ein
bestimmtes Maß gleichbleiben, so lange nichts weggenommen wird
(Konservationsfähigkeit). Auch können sie mehrere Aspekte einer Situation
gleichzeitig betrachten, jedoch mangelt es noch an systematischen
Vorgehensweisen. Ein Experiment wurde hierzu ebenfalls von Piaget und Inhelder
1958 im Rahmen eines Physikexperiments durchgeführt. Den Kindern wurde gezeigt,
dass ein schweres und kurzes Pendel schnell Schwingt, ein langes und leichtes jedoch
langsam. Sie sollten die Ursache dafür angeben. Kinder im konkret-operationalen
Stadium beachteten beide Dimensionen, richteten ihre Erklärung jedoch zu ihrem
Vorteil aus und „bewiesen“ dass es am Gewicht des Pendels liegt, indem sie das
Pendel beispielsweise aus einer höheren Position loslassen. Sie gehen somit bei der
Lösung des Problems unsystematisch vor.
Das formal operatorische Stadium ist das letzte Stadium, welches laut Piaget mit 11
Jahren (bei manchen Menschen jedoch nie oder nur in Bezug auf die eigenen
Interessensgebiete) erreicht ist. Es zeichnet sich vorallem dadurch aus, dass die
Kinder zum hypothetisch-deduktiven Denken fähig sind, sie können also
schlussfolgern, dass wenn eine allgemeine Tatsache auf die Spezies Mensch zutrifft,
dieses auf jeden bestimmten Menschen übertragen werden kann (Beispiel
Sterblichkeit). Im beschriebenen Pendelversuch können die Kinder im formal-
operatorischen Stadium unter systematischer Beobachtung schlussfolgernd
feststellen, dass die Frequenz des Pendels nur von der Länge des Fadens abhängt, sie
haben also gelernt neben systematischem Vorgehen auch schlussfolgernd und
abstrakt zu denken.

1.1. Die Stufentheorie hat obwohl sie aus überholt gilt, trotzdem noch Relevanz
für die Unterrichtspraxis. Piaget geht von einer starken Lernerzentrierung aus,
das Lernumfeld muss demnach so an das Kind angepasst werden, dass es sich
Entdecken lernen kann. Demnach muss von der Lehrkraft das Prinzip der Passung
beachtet werden. Die gestellten Probleme müssen so an den Wissensstand des
Kindes angepasst werden, dass dieses anhand seines kognitiven Reifezustands
und seines Vorwissens durch Akkomodationsprozesse selbstständig seine
kognitiven Schematas ändern kann. Piagets Theorie fällt folglich mit den
Anforderungen des Konstruktivismus zusammen wobei das Problemlösen eine
wichtige Unterrichtsmethode darstellt.

2. Cases Theorie wird oft Neo-Piaget-Theorie genannt, denn sie verbindet die Theorie
der Informationsverarbeitung mit Piagets Stufenmodell.
Case postulierte, dass das Arbeitsgedächtnis und der Kurzzeitspeicher gemeinsam die
Gesamtverarbeitungskapazität ausmachen. Im Laufe der Entwicklung nimmt mit
zunehmender Effizienz der Informationsverarbeitung die Größe des Operationsraums
vor allem durch Automatisierungsprozesse ab, was gleichzeitig zum Freiwerden von
Speicherkapazität beiträgt. Case hielt am Stadienkonzept von Piaget fest und
definierte ähnlich wie Piaget vier globale Stadien der kognitiven Entwicklung, in
denen unterschiedlich komplexe Arten von mentalen Repräsentationen gebildet und
bearbeitet werden können. Zum Übergang von einem Stadium zum nächsthöheren
tragen biologische Reifung (Myelinisierung der Nervenbahnen), die Automatisierung
der Informationsverarbeitung sowie die Entwicklung zentraler Begriffsstrukturen bei

69
(Central Conceptual Structures).
Das erste Stadium nach Case ist die sensumororische hauptstufe (0-2) in welcher
Kinder sensorischen und motorischen Input zusammenfügen. In der folgenden
relationalen Hauptstufe (2-5) werden interne Repräsentationen gebildet. In der
dimensionalen Hauptstufe (5-11) können auch abstraktere Stimuli repräsentiert
werden und mehrere Dimensionen verglichen werden. Die letzte Stufe bildet die
vektorielle Hauptstufe (11-19).

1.2. Eine kognitive Förderung nach Case würden Maßnahmen gerecht werden, die
sich sowohl an den von Case postulierten Stufen, als auch den Erkenntnissen des
Kognitivismus gerecht werden. So müssen Prozesse der Aufmerksamkeit beachtet
werden (damit Informationen aus dem sensorischen Register in das
Arbeitsgedächtnis gelangen können). Außerdem muss das Arbeitsgedächtnis
unterstützt werden, bestenfalls durch Lernstrategien, die die beanspruchte Kapazität
von Operationen im Arbeitsgedächtnis verringern können. Diese
Gedächtnisstrategien müssen von der Lehrkraft explizit demonstriert werden und
erfordern Einübungszeit. Außerdem ist es auch Neo- Piaget Sicht wichtig,
Aufgabenstellungen genau und präzise zu formulieren und nur relevante Prämissen
aufzuführen (Ablenkung, die das Arbeitsgedächtnis überfordern könnte vermeiden).

3. Die Neo-Piaget Theorie ist aus Piagets Theorie heraus entstanden und zeigt eine
ähnliche Stufenabfolge mit veränderten Altersdifferenzierungen. Die Denkschemata
werden jedoch bei der Neo-Piaget Theorie nach Case stärker betont.
Case versteht generell betrachtet die Untterschiede zwischen den Stufen nicht als
Veränderung der logischen Fähigkeiten, sondern als Veränderung der Komponenten
des Arbeitsgedächtnisses aufgrund effektiver Strategien und
Automatisierungsprozessen. Die Übergänge zwischen den Stufen sind bei Piaget
zudem eng mit physiologischen Veränderungen im Gehirn korreliert (z.B.
Myelinisierung). Piaget zufolge ist Wissenserwerb die Folge von Assimilations- und
Akkommodationsprozesse innerhalb von kognitiven Konflikten um einen Status der
Äquilibration zu erreichen.
Piaget definiert zudem die bereichsspezifischen Strukturen welche eine Änderung
erfahren als logische Strukturen, während Case von semantischen Strukturen
ausgeht – viele Aufgaben zum logischen Denken können so Case zufolge von Kindern
nur deshalb nicht gelöst werden, weil sie die „zentralen begrifflichen Strukturen“
nicht kennen. Hierzu wurde von Bryant und Trabasso 1971 ein Experiment
durchgeführt. Sie vermuteten, dass Kinder oftmals schon an der Enkodierung der
Prämissen von Aufgaben scheiterten, dass es sich also bei ihren Fehlern nicht um
Defizite in Bezug auf das logische Denken, sondern um Gedächtnisdefizite handelte.
Sie testeten diese Hypothese in einem Trainingsexperiment, in dem sie mit
Vorschulkindern so lange übten, bis diese die Prämisseninformation perfekt
auswendig gelernt hatten. Sie fanden, dass die trainierten Kinder anschließend keine
Fehler bei den transitiven Schlüssen machten. Dies bestätigt die Vermutung, dass das
Problem nicht in einer strukturellen, stadientypischen Einschränkung des
schlussfolgernden Denkens zu suchen ist, sondern in der begrenzten Kapazität des
Arbeitsgedächtnisses.

70
2.4. Entwicklung Aufmerksamkeit/Arbeitsgedächtnis

Menschliche Aufmerksamkeits- und Arbeitsgedächtnisleistungen zeigen eine enorme


Entwicklung über die Kindheit weg bis in die Adoleszenz hinein.
Beschreiben Sie diese Entwicklung auf der Basis zentraler experimenteller Paradigmen und
interpretieren Sie die Befunde im Lichte wichtiger existierender Theorien von
Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis!

Gliederung:
1. Entwicklung der Aufmerksamkeit
1.1. Experiment von DeMarie-Dreblow 1988
1.2. Experiment von Piaget 1958
1.3. Neurowissenschaftliche Erklärung
1.4. Vorzüge aus kognitivistischer Sicht
2. Entwicklung des Arbeitsgedächtnisses
2.1. Experiment von Demetriou et al 2002
2.2. LOGIK Studie 1999
2.3. Theorie von Case

Die Rolle Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis sind aus kognitivistischer Sicht wichtige
Bestandteile des Lernprozesse. Im Laufe der Entwicklung verändern sich auch diese beiden
Konzepte, sodass bessere Lernleistungen erzielt werden können.

1. Die Aufmerksamkeitsspanne verbessert sich im Entwicklungsverlauf stetig.


1.1. Zahlreiche Experimente, wie das von DeMarie-Dreblow & Miller 1988
durchgeführte Experiment belegen das. DeMarie-Dreblow zeigten Kindern mit 4
Jahren und mit 7-8 Jahren verschiedene Gegenstände zweier Kategorien
(Spielzeugtiere und Haushaltsgeräte) mit der Aufforderung, sich nur auf die
Kinder zu konzentrieren und sich diese zu merken. Während die 7-8 Jährigen
dieser Aufforderung nachkamen, hatten die 4 Jährigen Schwierigkeiten sich nur
auf die Spielzeugtiere zu konzentrieren.
1.2. Einen ähnlichen Befund schlussfolgerte auch Piaget als er in seinem
Experiment 1958 sein Pendelexperiment mit unterschiedlichen Altersklassen
durchführte. Während Kinder des seiner theorie zufolge prä-operationalen
Stadiums (2-5 Jahre) aufgrund fehlender Konzentration auf mehrere Konstrukte
nicht angeben konnten, dass die Frequenz eines Pendels von seinem Gewicht und
der Länge des Pendels abhängen könnte, konnten sich Kinder des konkret-
operationalen Stadiums (7-11) schon auf diese beiden Aspekte konzentrieren.
(Sie zeigten jedoch andere Defizite in ihren Denkprozessen).
1.3. Aus Neurowissenschaftlicher Sicht sind neuronale Reifungsprozesse des prä-
frontalen Kortex an der stetig steigenden Aufmerksamkeitsfähigkeit (bis zum 20.
Lebensjahr) beteiligt. Durch Myelinisierung der Nervenbahnen kommt es zu einer
bewussteren Kontrolle kognitiver Prozesse und bewusster Vermeidung von
Ablenkung.
1.4. Aus kognitivistischer Sicht fördert eine gesteigerte Aufmerksamkeit den
Lernprozess, da relevante Informationen die auf das Sensorische Register treffen
leichter herausgefiltert werden können und im Arbeitsgedächtnis
weiterverarbeitet werden können. Auch für erhaltende Prozesse im

71
Arbeitsgedächtnis (Wiederholungsstrategien) ist es wichtig, die Aufmerksamkeit
weiterhin aus die zu behaltenden Sachverhalte fokussieren zu können.

2. Informationen, die durch gezielte Aufmerksamkeitsfokussierung aus dem


sensorischen Register ins Arbeitsgedächtnis zur weiteren Aufarbeitung gelangen,
werden dort zuerst zwischengespeichert. Allgemein gesprochen umfasst das
Arbeitsgedächtnis eine Kapazität von 7 +/- 2 Einheiten, es ist also sehr begrenzt. Auch
beim Arbeitsgedächtnis kommt es zu entwicklungsbedingten Veränderungen.

2.1. Dass sich die Verarbeitungseffizienz des Arbeitsgedächtnisses verbessert,


konnten Demetriou et al 2002 durch eine Längs- bzw. Querschnittsstudie mit 8,
10, 12 und 14-jährigen Kindern feststellen. Es zeigte sich ein deutlicher Anstieg in
den frühen Jahren und ein beginnender asymptotischer Verlauf im Alter von 14
bis 16 Jahren. Dies sei ihnen zufolge nicht darauf darauf zurückzuführen, dass sich
die Kapazität an sich erweitert, sondern durch vermehrte
Automatisierungsprozesse weniger Kapazität des Arbeitsgedächtnisses in
Anspruch genommen wird.
2.2. Die 1999 durchgeführte Studie LOGIK von Weinert und Schneider fand heraus,
dass beim Einprägen von mehreren gezeigten Items die Spanne an behaltenen
Begriffen von 4-17 Jahren kontinuierlich zunimmt. Dies könnte ebenfalls einer
Verbesserung der Leistung der phonologischen Schleife (im Arbeitsgedächtnis
nach Baddeley) zurückzuführen sein oder auch ‚Clustering’ Prozessen geschuldet
sein, also dass mehrere Items zusammengefasst wurden, um das
Arbeitsgedächtnis zu entlasten.
2.3. Der Neo-Piagist Case verknüpfte Piagets Stufentheorie mit kognitivistischen
Annahmen zur Informationsverarbeitung und stellt ebenfalls fest, dass die
Verbesserung der Verarbeitung des Arbeitsgedächtnisses neben biologischer
Reifung auf Automatisierungsprozessen und dem Einsatz effektiver Strategien
zurückzuführen ist.

72
2.4. Schlussfolgerndes Denken/Metakognition

Der Entwicklung kognitiver Fähigkeiten wird im Schulkontext sehr große Aufmerksamkeit


geschenkt.
Beschreiben Sie die Entwicklung des Schlussfolgernden Denkens und der Metakognition im
Kindes-und Jugendalter unter Rückgriff auf geeignete Theorien und empirische Studien.
Erklären Sie die Entstehung individueller Unterschiede während der Entwicklung dieser
Fähigkeiten!
Zeigen Sie anhand von jeweils zwei Beispielen, wie Lehrkräfte die Entwicklung des
schlussfolgernden Denkens und der Metakognition im Unterricht fördern können!
Diskutieren Sie die Grenzen dieser Fördermöglichkeiten!

Gliederung:
1. Schlussfolgerndes Denkens
1.1. Entwicklung des Schlussfolgernden Denkens
1.1.1. Piaget’s Theorie
1.1.2. Weitere Theorien
1.2. Förderung des Schlussfolgernden Denkens im Unterricht und Grenzen dieser
Förderung
2. Metakognition
2.1. Entwicklung der Metakognition
2.2. Förderung der Metakognition im Unterricht und Grenzen dieser Förderung
3. Gründe für Individuelle Unterschiede in der Entwicklung des Schlussfolgernden
Denkens und der Metakognition

1. Das schlussfolgerndes Denken ist wichtig für Problemlöseprozesse und lässt sich in
drei Teilbereiche aufgliedern: Deduktives Schließen. Induktives Schließen und
Analoges Schließen.
Deduktives Schließen meint, dass die Schlussfolgerung eindeutig durch die logische
Kombination aller Prämissen gezogen werden kann (Alle Hunde bellen -> Rex ist ein
Hund -> Rex bellt).
Induktives Schließen bedeutet, dass aus Einzelheiten Regelmäßigkeiten abgeleitet
werden können.
Analoges Schließen bedeutet, dass das Wissen über schon gelöste Probleme aus der
Vergangenheit auf aktuelle Probleme übertragen wird.

1.1. Piaget hat mit seinem Phasenmodell der kognitiven Entwicklung auch den
Begriff des Schlussfolgernden Denkens geprägt, jedoch wurde seine Theorie ein
Stück weit durch andere wissenschaftliche Erkenntnisse überholt.

1.1.1. Piaget zufolge lässt sich die Kompetenz zum Schlussfolgernden Denken
gegen Ende des konkret-operationale (7-11 J) bis hin zum formal-
operationalen Stadium einordnen. Dieses letzte Stadium erreichen Kinder
ihm zufolge erst mit 11-12 Jahren, manche Individuen jedoch nie. Durch
Experimente wie dem Pendelexperiment 1958 stellte er fest, dass Kinder,
die das formal-operationale Stadium noch nicht erreicht hatten erhebliche
Schwierigkeiten hatten, die Frequenz eines Pendels auf dessen Länge und

73
nicht auf dessen Gewicht oder einer Kombination zurückzuführen und
Probleme beim Ziehen von Schlussfolgerungen hatten.
1.1.2. Weitere Experimente haben jedoch belegt, dass Kinder schon sehr früh zu
Schlussfolgernden Handlungen befähigt sind. Chen et al stellten 1997 bei
einem Experiment mit 10-13 Monaten alten Babys fest, dass diese schon
Analogien nutzen können. Im Rahmen des Experiments wurden ein
Spielzeug mit einem Faden außer Reichweite der Babys gelegt. Nur durch
ziehen an dem erreichbaren Faden konnte das Baby das Spielzeug
erreichen (ein weiterer Faden ohne Ende war ebenso vorhanden wie eine
Barriere zwischen dem Kind und dem Spielzeug). Chen et al fanden
heraus, dass die Kinder nach (mehrfacher) Demonstration der Handlung
das Spielzeug herzuziehen, die Babys die Handlung vermehrt
nachvollziehen konnten. Sie hatten also Analogien zu ihren vergangenen
Erlebnissen gebildet.
Singer-Freeman fand 2001 zudem heraus, dass auch 3-4-Jährige Analogien
zwischen Proportionen herstellen konnten (1/4 Pizza – ¼ Schokolade).
Auch sind 3-4-Jährige Harris 1996 zufolge schon zu deduktivem Schließen
befähigt. Sie orientierten sich mit ihrem Experiment zu „Erlaubnisregeln“
an dem Kartenexperiment von Watson und stellten die Prämisse auf.
„Sallys Mutter sagt, dass Sally ihren Mantel anziehen muss, wenn sie
draußen spielt“. Die Kinder bekamen anschließend Sätze und mussten den
Regelbruch erkennen („Sally draußen ohne Mantel“). Die meisten 3-4-
Jährigen konnten diese Aufgabe lösen, da sie Harris zufolge mit der Regel
schon selbst vertraut waren. (Sie war also sehr „lebensnah“). Harris fand
darüber hinaus in Zusammenarbeit mit Dias heraus, dass Kinder, die noch
nicht das konkret- bzw. formal-operationale Stadium erreicht hatten zwar
generell meist Schlussfolgerungen aufgrund des aktuell vorliegenden
Wahrheitswertes zogen und somit Schwierigkeiten hatten, sich in andere
Situationen hineinzudenken, dies jedoch mit Veränderungen der
Instruktionsanweisung unterbunden werden konnte. Wenn man den
Kindern explizit erklärte, sich eine „Phantasiewelt“ vorzustellen waren sie
bereit, sich von der Empirie zu lösen.
Schlussfolgerndes Denken ist demnach nicht an das formal-operationale
Stadium von Piaget gebunden, sondern wird von Entwicklungsprozessen
des Arbeitsgedächtnisses, der Metakognition und dem Vorwissen
beeinflusst und verbessert sich bis ins Erwachenenalter.

1.2. Um Schlussfolgerndes Denken in der Schule zu fördern kann die Lehrkraft, wie
durch das Experiment von Harris et al beschrieben Problemlöseaufgaben in
vertraute Kontexte einbinden oder die Schüler durch entdeckende Lernmethoden
zum Schließen von Analogien für ähnliche Aufgaben befähigen. Eine Studie von
Levin et al 1990 fand im Rahmen eines Physikexperiments aus, dass sich Schüler
den Geschwindigkeitsbegriff bei Bewegung innerhalb einer Kreisbahn besser
merken konnten, wenn sie sich selbst durch das physische Ausprobieren anhand
des Gehens an einem Metallstab um eine Drehachse das Konzept erarbeiteten.
Dieses ließ sich anschließend auf ähnliche (analoge) Fragen übertragen. Die
Grenzen dieser Förderung liegen folglich im Lerngegenstand, denn sehr schwierig
begreifbare Konstrukte oder auch aufeinander aufbauendes Inhaltswissen kann

74
durch die Methode des Entdeckenden Lernens nicht oder nur schwer erlernt
werden. Die Lehrkraft kann jedoch, um das Arbeitsgedächtnis der Schüler zu
entlasten, die Anwendung von Lernstrategien vermitteln, sodass mehr Kapazität
für das Schlussfolgernde Denken eingesetzt werden kann.

2. Die Metakognition wird oft synonym zu dem Begriff des Metagedächtnisses benutzt.
Schneider & Lockl (2006) differenzieren dies jedoch und teilen die Metakognition in
das Metagedächtnis sowie das „Wissen über mentale Zustände“ (Abgleitet von der
Theory of mind) auf. Das Metagedächtnis gliedert sich außerdem in das deklarative
Metagedächtnis (Wissen über Wissens- und Gedächtnisvorgänge) und das
prozedurale Metagedächtnis (Selbstregulation und Monitoring/Überwachung – nach
Nelson 1994) auf.

2.1. Das deklarative Metagedächtnis konsolidiert sich erst ab dem Grundschulalter


(Schneider 2011) und verbessert sich dann stetig bis zur Adoleszenz. Kreutzer et
al untersuchte 1975 anhand von Studien das deklarative Metagedächtnis von
Kindergartenkinder, 1., 3. Und 5. Klässlern anhand von Fragebögen. Während die
1.Klässler ihre kognitiven Fähigkeiten noch weit überschätzten und angaben, nie
etwas zu vergessen, wurden die Aussagen realistischer mit zunehmendem Alter.
Kinder lernen also im Entwicklungsverlauf, dass Gedächtnisleistungen abhängig
von Eigenschaften der Person und der Aufgabe sowie der Lernzeit sind. (nur 14%
der Kindergartenkinder aber alle 5. Klässler konnten einen Zusammenhang von
Lernzeit und Erinnerungsleistung herstellen)
Das prozedurale Metagedächtnis verbessert sich im Altersverlauf bis ins
Erwachsenenalter. Was Selbstregulationsprozesse betrifft entwickeln die Kinder
im Entwicklungsverlauf ein Gespür dafür, wie viel Anstrengung für eine Aufgabe
aufgewendet werden muss. Dufresne und Kobasigawa führten 1989 hierzu ein
Experiment mit Kindern unterschiedlichen Alters durch, die sich
Paarassoziazionen merken sollten (Sinnvolle Assoziationen wie Katze-Hund aber
auch nicht-sinnvolle wie Frosch-Busch). Die Lernzeit sollten sie sich selbst
einteilen. Dufresne und Kobasigawa fanden heraus, dass 6-Jährige sich für alle
Aufgaben gleich viel Zeit ließen. Lediglich 10-12 Jährige hatten erkannt, dass das
Erlernen der sinnfreien Assoziationen mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Was die Überwachungsprozesse des prozeduralen Metagedächtnisses betrifft,
kommt es zu geringeren Divergenzen im Alter der Schülern (wobei die Kompetenz
trotzdem zunimmt). Jüngere Kinder neigen lediglich dazu ihre Fähigkeiten oft zu
überschätzen, was jedoch oft auf Wunschdenken anstatt durch inadäquates
Monitoring zurückzuführen ist.

2.2. Metakognitive Strategien können von der Lehrkraft durch Einsatz des
Selbstregulierenden Lernens als Unterrichtsmethode gefördert werden. Hierbei
müssen die Schüler in einer ersten Phase (prä-aktionalen Phase) ihr Lernziel
selbst bestimmten und ihre Lernschritte planen (prozedurales Metagedächtnis –
Selbstregulierung), in der konkreten Handlungsphase (aktionale Phase) werden
durch Überwachung des eigenen Lernprozesses Monitoringkompetenzen
gefördert. Außerdem kann die Vermittlung von Lernstrategien und die damit
verbundene explizite Erklärung/Vermittlung deklarativer
Metagedächtniseigenschaften die Sensibilität der Schüler für metakognitive

75
Prozesse fördern. Grenzen dieser Fördermöglichkeiten stellt neben des Alters und
damit der Entwicklung der Kinder die Intelligenz der Kinder (Sternberg zählt
Komponenten der Metakognition zu den Analytischen Fähigkeiten innerhalb
seiner Triachischen Theorie der Intelligenz) sowie ihre Anstrengungsbereitschaft
(Motivation) dar. Kinder, die wenig Anstrengungsbereitschaft zeigen, da sie
vielleicht eine geringe Selbstwirksamkeit vermuten, vertrauen voraussichtlich zu
wenig auf ihre metakognitiven Fähigkeiten und müssen dabei unterstützt
werden.

3. Die Gründe für individuelle Entwicklungsunterschiede des Schlussfolgernden


Denkens und der Metakognition sind vielschichtig. Anderson 2002 zufolge beruhen
generelle Unterschiede im kognitiven Entwicklungsverlauf auf genetischen Faktoren
(allgemeine Intelligenz), auf unterschiedlich schnellen Reifungsprozessen
domänenspezifischer Wissenssysteme (unabhängig der allgemeinen Intelligenz) und
auf unterschiedlichen Lernerfahrungen (Motivation, Interessse,
Fördermöglichkeiten).
Kinder, die eine verminderte (allgemeine) Intelligenz aufweisen, sind nie zu
denselben Fähigkeiten hinsichtlich Schlussfolgernden Denkens und Metakognition
fähig wie ihre intelligenteren Altersgenossen. Doch auch Kinder, die dieselbe
allgemeine Intelligenz aufweisen können sich aufgrund unterschiedlich schneller
Entwicklungsprozesse domänenspezifischer Wissenssysteme voneinander
unterscheiden. Auch der Lernhintergrund und das Vorwissen der Schüler spielt eine
Rolle, wie schon in 1.1.2. beschrieben entstehen Prozesse des Analogen Schließens
beispielsweise durch vorausgegangene Lernerfahrungen.

76
2.5. Gedächtnisstrategien

Sie stellen fest, dass einige ihrer Schülerinnen und Schüler in vielen Fächern wenig
fachliches Wissen ausweisen.

Erläutern Sie ausgehend von der Entwicklung von Gedächtnisstrategien und


Metagedächtnis unter Einbezug empirischer Belege kognitive Ursachen!
Gehen Sie zusätzlich auf die Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzepts ein und erklären Sie
motivationale Ursachen!
Leiten Sie schulische Fördermaßnahmen ab!

Gliederung:
1. Kognitive Ursachen: Mangelndes Verständnisvolles Lernen
1.1. Der Einfluss des Metagedächtnisses und dessen Entwicklung
1.1.1. Schulische Fördermaßnahmen
1.2. Der Einfluss von Gedächtnisstrategien und ihre Entwicklung
1.2.1. Schulische Fördermaßnahmen
2. Motivationale Ursachen
2.1. Das Fähigkeitsselbstkonzept und seine Entwicklung
2.1.1. Schulische Fördermaßnahmen

1. Schülerinnen und Schüler, die wenig fachliches Wissen aufweisen und demnach
häufig unterdurchschnittliche Leistungen erzielen werden auch „Underachiever“
genannt. Die Ursache hierfür können neben Einschränkungen der Intelligenz und
einem suboptimalen Lernumfeld auch kognitive Entwicklungseinschränkungen sein.
Helmke und Weinert 1998 zufolge verläuft die kognitive Entwicklung nicht analog,
weshalb es in einigen Wissensdomänen durchaus Unterschiede geben kann.
1.1. Das Metagedächtnis wird in das deklarative und das prozedurale
Metagedächtnis aufgegliedert. Das deklarative Metagedächtnis beinhaltet das
Wissen über Kognitive Prozesse und das Lernen an sich. Das prozedurale
Metagedächtnis umfasst Monitoringsprozesse (Überwachung) sowie Prozesse der
Selbstregulation.
Das Metagedächtnis konsolidiert sich erst zum Ende der Grundschulzeit
(Schneider, 2010) und verbessert sich anschließend bis zur Adoleszenz hin stetig.
Unterschiede hinsichtlich dieser Entwicklung können die Ursache dafür sein, dass
einige Kinder metakognitive Defizite aufweisen, die Folgen auf alle weitere
kognitive Fähigkeiten nehmen können.
Selbstregulation (vgl. prozedurales Metagedächtnis) bedeutet, dass Kinder sich
unter anderem realistische Lernziele setzen können und ihre Fähigkeiten
hinsichtlich der verfügbaren Lernzeit richtig einschätzen können. Hierzu wurden
Experimente beispielsweise von Dufresne und Kowasingawa 1989, die Kindern
Wortpaare zum Erlernen vorlegten. Einige Wortpaare waren logisch (Hund –
Katze), einige jedoch sinnfrei (Frosch – Busch), die Kinder konnten sich die Zeit
selbst einteilen. Dufresne und Kowasingawa stellten fest, dass während jüngere
Kinder (sechs Jahre) sich gleich viel Zeit für alle Wortpaare nahmen, ältere Kinder

77
(zwölf Jahre) sich bewusst für die sinnfreien Kombinationen mehr Zeit nahmen.
Sie hatten die Schwierigkeit der Aufgaben erkannt.
è Defizite in der Selbstregulationsfähigkeit kann also anhand dieses Beispiels
die Ursache dafür sein, dass sich Schüler zu unrealistische Lernziele setzen
und deshalb sich beim Erwerb von fachlichem Wissens schwertun, da sie
dieses Wissen nicht angemessen vertiefen gelernt haben.
Ein weiteres Experiment zur Entwicklung des (speziell deklarativen)
Metagedächtnisses wurde von Kreutzer et al 1975 durchgeführt. Hierbei wurden
Kinder (Kindergarten, 1.,3.,5. Klasse) mithilfe von Fragebögen nach
metakognitiven Leistungen befragt, beispielsweise, ob sie manchmal etwas
vergessen. Kreutzer et al stellten fest, dass jüngere Kinder ihre Fähigkeiten sehr
häufig überschätzten und keine Korrelation zwischen Aufgabenschwierigkeit,
Lernzeit, Individuum und Leistung feststellen konnten. (Nur 15% der
Kindergartenkinder aber alle Grundschulkinder wussten, dass sie durch mehr
Lernzeit bessere Ergebnisse erzielen konnten).
è Schüler, die demnach Schwierigkeitstypen von Aufgaben aufgrund
metakognitiver Entwicklungsschwierigkeiten sowie die Gründe für ihr
Wissensdefizit nicht erkennen können haben Nachteile im Wissenserwerb
1.1.1. Die Lehrkraft kann die Ausbildung eines alterskonformen
Metagedächtnisses fördern, indem sie die Schüler Einfluss auf ihren
Lernprozess nehmen selbst. Durch Unterrichtsmethoden wie dem
Selbstgesteuerten Lernen lernen die Schüler, sich adäquate Ziele zu setzen
und ihre Lernzeit selbst einzuteilen (Selbstregulation). Ebenfalls müssen
sie ihren Lernprozess stetig überwachen, evaluieren und ihre eingesetzten
Strategien eventuell anpassen (Monitoring). Auch wenn die Lehrkraft den
Schülern den Prozess des Lernens durch Einsatz der Metakognition
vermittelt, kann dies unterstützend wirken. Damit verbunden sollte die
Lehrkraft den Einsatz von Lernstrategien demonstrieren (Vgl. 1.2.1.)
1.2. Ein Bestandteil des deklarativen metakognitiven Gedächtnisses ist es, mit
Gedächtnisstrategien und ihrer Wirkung vertraut zu sein. Gedächtnisstrategien
werden eingesetzt, um das Arbeitsgedächtnis zu entlasten, das dieses nur eine
geringe Kapazität hat. Es kommt somit zu Automatisierungsprozessen. Schüler,
die von keinerlei Gedächtnisstrategien Gebrauch machen neigen dazu, das
Arbeitsgedächtnis zu überlasten was negative Auswirkungen auf den
Wissenserwerb hat, da die einkommenden Informationen nicht mehr so leicht in
das Langzeitgedächtnis gelangen können.
Es wird primär zwischen Enkodier- und Abrufstrategien unterschieden. Die
Enkodierstrategien greifen beim Wissenserwerb. Es handelt sich um
Memoriertechniken, das Kategorisieren von Oberbegriffen („Clustering“) und
Elaborationsstrategien. Die Abrufstrategien werden erst beim Abruf von schon
verinnerlichten Informationen benutzt. Hierbei spielt die sogenannte
Enkodierspezifität eine enorme Rolle, denn Informationen, die nicht ausreichend
im Langzeitgedächtnis verknüpft wurden können nur durch das Aktivieren von
denselben Propositionen hervorgerufen werden, unter denen sie auch
abgespeichert wurden. Wurde Wissen jedoch vielschichtig im Langzeitgedächtnis
verankert, kann es leichter abgerufen werden („Priming“).
Die Nützlichkeit und Anwendung von Gedächtnisstrategien wurde durch die
Forschung untersucht und bestätigt. Flavell et al. untersuchten 1966 den

78
spontanen Einsatz von Strategien innerhalb eines Experiments mit Kindern im
Kindergartenalter, 3. Und 5. Klasse. Ihnen wurde eine Reihe von Bildern gezeigt
und nach jedem Bild 15 Sekunden Zeit gelassen, eine innere Repräsentation
vorzunehmen. Flavell et al. beobachteten, dass besonders die ältern Kinder ihre
Lippen bewegten und das Wort stumm artikulierten. Kindergartenkinder zeigten
diese Strategie kaum. Die Kinder, welche die Strategie anwandten konnten sich
an mehrere Items erinnern.
Oerterer zufolge entwickeln sich Wiederholungs- und Organisationsstrategien im
mittleren bis späten Kindesalter. Kompliziertere Enkodierstrategien wie etwa das
Elaborieren werden erst im späten Kindesalter in der der frühen Adoleszenz
entwickelt, jedoch nicht zwingend bei allen Kindern und Jugendlichen. Kinder, die
wenig fachliches Wissen aufweisen wenden vermutlich weniger
Gedächtnisstrategien an was sich jedoch auch schnell ändern kann. Die
Münchner LOGIK Studie stellte nämlich fest, dass die Zunahme an der
Verwendung der Gedächtnisstrategien in den meisten Fällen nicht graduell,
sondern abrupt erfolgt (81%).

2.1.1. Auch die Verwendung von Gedächtnisstrategien kann von der Lehrkraft
gefördert werden. Dies erfolgt bestenfalls durch Demonstrationsprozesse wobei
den Schülern ebenfalls kommuniziert werden muss, wozu sich die Strategie
eignet und warum sie damit bessere Leistungen erzielen können. Anschließend
muss den Schülern genügend Zeit gelassen werden, die Strategie einzuüben. Der
Lehrkraft muss auch bewusst sein, dass es bei sehr jungen Schülern zu einem
Produktionsdefizit kommen kann, sie also die Strategie gar nicht anwenden
können. Bei etwas älteren Kindern kann ein Mediationsdefizit auftreten, das
bedeutet, sie können die Strategie anwenden jedoch nicht spontan. Ein
Nutzungsdefizit tritt häufig bei älteren Schülern auf, die eine Strategie richtig
anwenden, für die sie jedoch keinen Nutzen zeigt da die Anwendung der
Strategie noch zu viel Kapazität des Arbeitsgedächtnisses beansprucht.

2. Die Tatsache, dass einige Schüler wenige fachliche Kenntnisse aufweisen kann auch
motivationale Ursachen haben und an einem negativen Selbstkonzept liegen.
Das Selbstkonzept kann in eine Affektive Komponente (Selbstwertgefühl &
Selbstvertrauen) sowie eine Kognitive Komponente (Selbstwahrnehmung & Wissen)
unterteilt werden. Das Selbstkonzept erlaubt es den Betroffenen, Generalisierung
über die eigene Person zu treffen und Schlussfolgerungen sowie Vorhersagen zu
bilden.
Das Selbstkonzept entwickelt sich abhängig vom Alter der Schüler. Kleinere Kinder
haben oft ein sehr gutes Selbstkonzept, sie überschätzen ihre Fähigkeiten sogar des
öfteren. Mit Beginn der Schulzeit und der damit Zusammenhängenden Bewertung
von außerhalb wird das Selbstkonzept negativer, jedoch können die Kinder ihre
Stärken und Schwächen besser einschätzen. Während der Adoleszenz ist das
Selbstkonzept gespalten und unterscheidet sich je nach Kontext.
Das Selbstkonzept hat erheblichen Einfluss auf die Motivation. Wenn ein Kind
aufgrund seines Selbstschemas der Auffassung ist, schlecht in Mathematik zu sein,
dann ist die Motivation das Mathematische Wissen auszubauen begrenzt. Sie haben
demnach ein schlechtes „Fähigkeits“Selbstkonzept entwickelt. (Vgl. Erwartung x Wert

79
Modell nach Atkinson – die Anstrengungsbereitschafft schätzt sich aus Wert, den das
Erreichen eines Ziels hat sowie der Erwartung, dieses Ziel zu erreichen zusammen).

2.1. Als Lehrkraft kann man Einfluss auf das Selbstkonzept der Schüler nehmen,
indem man sie ermutigt dass sie auch entgegen ihrer Auffassung gute Leistungen
in ihren „schwächeren“ Fächern erzielen können. Damit verbunden hilft es, das
Interesse der Schüler für diese Sachverhalte zu wecken.

2.6. Fähigkeitsselbstkonzept I

Erläutern Sie den Begriff „Fähigkeitsselbstkonzept“ und wichtige Schritte der


alterstypischen Entwicklung!
Zeigen und diskutieren Sie die Zusammenhänge von Fähigkeitsselbstkonzept und
Schulleistung unter Einbezug empirischer Befunde!
Stellen Sie dar, in welchen Teilprozessen sich Schülerinnen und Schüler mit hohem und
niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept unterscheiden und wie diese Teilprozesse gefördert
werden können!

Gliederung:

1. Fähigkeitsselbstkonzept als Teil des Selbst


1.1. Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzeptes
1.2. Geschlechtstypische Unterschiede
2. Zusammenhänge des Fähigkeitsselbstkonzepts mit der Schulleistung unter
Berücksichtigung empirischer Befunde
2.1. Einfluss der Schulleistung auf das Fähigkeitsselbstkonzept
2.1.1. Der Einfluss der Bezugsrahmen: Marshs Modell zum Internal/External
Frame of Reference
2.2. Einfluss des Fähigkeitsselbstkonzepts auf die Schulleistung
2.1.1. Ursachenattribution
2.1.2. Interesse und Motivation
2.1.3. Der Kompetenzerwerb
2.1.4. emotionale Stabilität
2.3. Förderung des Fähigkeitsselbstkonzeptes in Bezug auf die genannten
Teilprozessen

1. Das Fähigkeitsselbstkonzept ist Teil des Selbstkonzepts und bezieht sich auf
Beschreibungen und Einschätzungen der eigenen Fähigkeiten im Sinne eines
deskriptiven Kontextes. Dies schließt Vorstellungen über Höhe, Struktur und
Stabilität ein. (Affektiv-evaluierende Bewertungen der eigenen Fähigkeiten werden
hingegen dem Selbstwert zugeordnet und stellen eine Folge des
Fähigkeitsselbstkonzepts dar)
Shavelsons Modell zur Hierarchischen Struktur des Selbstkonzepts (1976) zeigt, das
das Selbstkonzept mehrdimensional ist und spezifisch erweitert wird. Es wird
zwischen einem schulischen und nicht-schulischen Selbstkonzept unterschieden.

80
Marsh et al untergliederten das schulische Selbstkonzept zudem in ein verbales und
mathematisches Selbstkonzept.
1.1. Das Fähigkeitsselbstkonzept entwickelt sich schon früh, ist jedoch zunächst
kaum differenziert und fernab der Realität. Im Grundschulalter haben Kinder die
Tendenz, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. (In einer Studie von Kreutzer
1975 zum Metagedächtnis gaben sehr viele Kinder an, nichts zu vergessen), die
Selbsteinschätzung wird mit dem Eintritt in die Grundschule realistischer,
außerdem spezifiziert sich das Fähigkeitsselbstkonzept je nach Unterrichtsfach.
Im weiteren Verlauf der Schulzeit sinkt das Fähigkeitsselbstkonzept jedoch immer
weiter ab, was auf soziale Vergleiche durch Bezugsgruppeneffekte und
Leistungsrückmeldungen zurückzuführen ist. Außerdem verstehen die Kinder im
Entwicklungsverlauf, dass Leistungen auf Fähigkeiten zurückgehen, die zeitlich
relativ stabil sind. Vor und zu Beginn der 1. Klasse denken viele Kinder, dass
Leistungen auf situationale Bedingungen zurückzuführen ist (Helmke, 1999), erst
ab der 2.-6. Klasse ist den Kindern bewusst, dass Leistungsergebnisse die
Fähigkeiten reflektieren. Folglich können Hilflosigkeitsphänomene erst eintreten,
nachdem das Konzept von stabilen Fähigkeiten erworben wurde.

2. Es ist empirisch vielfach belegt (z.B. konkret durch Weinert und Helmke 2007), dass
gute Schulleistungen mit einem positiven Fähigkeitsselbstkonzept korreliert und
umgekehrt.
2.1. Schüler mit guter Leistung entwickeln ein positives Fähigkeitsselbstkonzept
und Schüler mit schlechten Leistungen ein negatives Fähigkeitsselbstkonzept.
2.1.1. Wie es dazu kommt erlärt Marsh mit ihrem 1868 erstellten Modell zum
Externel/Internal frame of Reference. Ihr zufolge werten Schüler ihre
Leistungen anhand einer externalen/sozialen Bezugsnorm (im Vergleich
mit anderen) und einer individuellen Bezugsnorm (im Vergleich mit den
eigenen Leistungen in anderen Wissensdomänen). Marsh konnte
feststellen, dass es bei dem Vergleich anhand der individuellen
Bezugsnorm zu einem Verlagerungseffekt kommt, denn wenn
beispielsweise die Fähigkeit in der verbalen Schulleistungsdomäne hoch
eingeschätzt wird, kommt es automatisch zu einer Abwertung der
Leistung innerhalb der mathematischen Domäne und andersherum, was
wiederrum mit den Leistungen korreliert.
Durch den sozialen Vergleich lässt sich auch der „Big Fish Little Pond“
Effekt erklären – ein Schüler mit derselben Fähigkeit hat ein weitaus
höheres Fähigkeitsselbstkonzept, wenn er sich in einem
Leistungsschwachen Umfeld befindet (bei welchem er gute Leistungen im
Vergleich aufweist) als ein Schüler, der sich in einem leistungsstarken
Umfeld befindet (bei welchem wer schwache Leistungen im Vergleich
aufweist.)
Doch auch für begabte Schüler ist insbesondere der Vergleich durch die
individuelle Bezugsnorm nicht ideal, denn auch bei ihnen kann es durch
eine Abwertung der in ihren Augen schwächeren Wissensdomäne zum
nicht ausreichenden Ausschöpfen ihrer Fähigkeit kommen, da sie ihre
Leistung unterschätzen.

81
2.2. Doch auch andersherum hat das Fähigkeitsselbstkonzept erheblichen Einfluss
auf die Schulleistung was man vor allem anhand der Unterschiede der Schüler mit
hohem- und niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept sehen kann. Einer Studie von
Schöne et al (2002) zufolge gibt es eine mittlere positive Korrelation zwischen
dem Fähigkeitsselbstkonzept und der mittleren Schulleistung in den Fächern
Deutsch, Englisch und Mathematik.

2.2.1. Wie schon in 2.1.1. erwähnt bildet sich das domänenspezifische


Fähigkeitsselbstkonzept primär durch Vergleichsprozesse aus, die eine
vorausgegangene Leistung voraussetzen. Zwischen Schülern mit hohem
Fähigkeitsselbstkonzept und Schülern mit niedrigem
Fähigkeitsselbstkonzept treten hier erhebliche Unterschiede hinsichtlich
der Ursachenattribution auf. Weiner (1971) zufolge gibt es drei
Kausalattributionen: Lokation, Stabilität und Kontrollierbarkeit. Schüler
mit niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept schätzen Misserfolge häufig als
internal, stabil und unkontrollierbar ein und führen diese folglich auf
mangelnde Begabung zurück (Erfolge sind für sie bedauerlicherweise
häufig oft ebenfalls „unkontrollierbar“, da sie diese mit Glück
attribuieren). Schüler mit hohem Fähigkeitsselbstkonzept führen
Misserfolge jedoch häufig auf Aspekte wie verminderte Anstrengung
(internal, kontrollierbar, variabel), Müdigkeit (internal, unkontrollierbar,
variabel) oder Pech (external, unkontrollierbar, variabel) und sehen
demnach ihr Fähigkeitsselbstkonzept nicht als gefährdet an. Erfolge
werden dafür auf die eigene Fähigkeit zurückgeführt.

2.2.2. Helmke untersuchte 1992 die Korrelation des Fähigkeitsselbstkonzepts


mit der Mathematikleistung und fand heraus, dass Schüler mit einem
positivem Mathematikfähigkeitsselbstkonzept engagierter mitarbeiteten
und größere Anstrengungsbereitschaft zeigten.
Diese gesteigerte Motivation lässt sich mit dem Erwartungs x Wert Modell
von Atkinson (1957) erklären. Atkinson zufolge setzt sich die
Anstrengungsbereitschaft aus der Selbstwirksamkeitserwartung, eine
bestimmte Leistung zu erzielen (also indirekt dem
Fähigkeitsselbstkonzept) und dem Wert, den eine Aufgabe für einen
Schüler hat zusammen. Da gute Leistungen in einem Fach meist auf einen
Wissenszuwachs zurückzuführen ist, ist es verständlich, dass mit guten
Leistungen auch häufig ein gesteigertes Interesse korreliert wird. Schüler,
die ein gutes Fähigkeitsselbstkonzept aufweisen, sehen sich somit in der
Lage eine bestimmte Aufgabe zu lösen, der Anreiz hierfür ist der durch ihr
Interesse bedingte Wissenserwerb. Demnach sind sie bereit, Anstrengung
zu zeigen. Ihre Motivation ist groß. Setzt man diese Erkenntnis mit der
Theorie der Leistungszielorientierung in Verbindung kann man sagen, dass
diese Schüler Lernzielorientiert sind.
Schüler mit niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept schätzen ihre Kompetenz,
die geforderte Aufgabe zu lösen gering ein. Durch vorausgegangene
schlechte Leistungen haben sie eventuell auch das Interesse an dem Fach
verloren, weshalb sie dem Beherrschen keinen großen Wert zusprechen.
Demnach sind sie nicht motiviert und zeigen keine Anstrengung. Die

82
betroffenen Schüler orientieren sich häufig an Arbeitsvermeidungszielen
oder an Darstellungszielen. Um ihren Selbstwert zu schützen, vermeiden
sie die Beteiligung oder bereiten sich erst gar nicht vor, da sie sich lieber
schuldig fühlen aufgrund fehlender Anstrengungsbereitschaft als
beschämt, da sie trotz Anstrengung versagt haben (Covington 1984)

2.2.3. Aufgrund der geringen Motivation kommt es zu ersten Einbußen was den
Wissenserwerb von Schülern mit negativem Fähigkeitsselbstkonzept
angeht. Ebenfalls wurde empirisch festgestellt (Ringwurfexperiment –
Atkinson?), dass Schüler mit niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept zudem
ihre Fähigkeiten unterschätzen und bei einer freien Auswahl an Aufgaben,
zu leichte Varianten wählen (Scheitern unmöglich) oder viel zu schwere
Aufgaben wählen (Aufgrund der Aufgabenschwierigkeit externale
Attribution). Somit bleibt ein Lernfortschritt aus. Schüler mit positivem
Fähigkeitsselbstkonzept wählten meist Aufgaben, die sich innerhalb der
Zone ihrer nächstmöglichen Entwicklungsstufe befanden (zone of
proximal development), also weder zu leicht noch zu schwer waren und
sich demnach positiv auf den Lernfortschritt auswirkten.

2.2.4. Auch das psychische Wohlbefinden wird durch das


Fähigkeitsselbstkonzept beeinflusst. Einer Untersuchung von Schilling et
al zufolge gibt es eine Korrelation zwischen schlechten Leistungen und
Depressionen. Schüler mit einem positiven Fähigkeitsselbstkonzept
blieben hingegen auch bei Misserfolgen von Depressionen verschont

2.3. Die Lehrkraft kann Teile des Fähigkeitsselbstkonzepts ihrer Schüler


beeinflussen. Lüdke et al stellten 2005 fest, dass eine individuelle
Bezugsnormorientierung förderlich für ein positives Selbstkonzept ist. Umgekehrt
schätzen Schüler, deren Unterricht sozialnormorientiert ist ihre Begabungen
schlechter ein (Vgl. Jerusalem). Lehrkräfte, die ihren Schülern Feedback
hinsichtlich ihres Lernfortschrittes geben, fördern somit deren
Selbstwahrnehmung. Wichtig ist hierbei, dass dieses Feedback für den Schüler als
aufrichtig wahrgenommen wird. Auch spontane Emotionen wie Erstaunen seitens
der Lehrkraft über eine positive Leistung eines Schülers mit niedrigem
Fähigkeitsselbstkonzept kann dessen Einschätzung weiter verschlechtern, da er
auch diese Leistung als „Glückstreffer“ attribuieren kann und das Gefühl hat, die
Lehrkraft traut ihm selbst wenig zu. Weinert und Helmke stellten 1997 zudem
fest, dass in Klassen, bei denen es eine geringe Korrelation zwischen Schulnoten
und Selbstkonzept gab, oft ein großes Gewicht auf das Freiheitsspektrum der
Schüler gelegt wird, was ebenfalls mit einem Schülerzentrierten,
wertschätzenden Lernumfeld zu tun hat.
Auch durch konkrete Unterweisungen und Ermutigungen, kann die Lehrkraft
Einfluss auf das Fähigkeitsselbstkonzept nehmen. Besonders bei
geschlechtsspezifischen Voreingenommenheiten (Mädchen schätzen
grundsätzlich ihr mathematisches Fähigkeitsselbstkonzept vergleichsweise niedrig
ein) kann eine direkte Unterweisung förderlich sein. Ein derartiger Ansatz wurde
von der IPN Studie betrieben, die gezielt die Freude und das
Fähigkeitsselbstkonzept von Schülerinnen für Physik fördern wollten und dem mit

83
geschlechtshomogenem Experimentalunterricht und Fokus auf gezielte
Ermunterungen legten.
Der Big Fish Little Pond Effekt legt nahe, dass Schüler, die in einem
Leistungsschwächeren Umfeld sind, ein positiveres Fähigkeitsselbstkonzept
entwickeln. Becker et al 2006 zufolge ist dies jedoch problematisch, da
leistungsschwächere Umgebungen der Leistung grundsätzlich entgegenwirken.
(Ein Schulartwechsel ist folglich nur bei starken Einschränkungen der Leistungen
und des Fähigkeitsselbstkonzepts in Erwägung zu ziehen).
Auch Attributionstrainings können helfen, damit die Schüler ihren Misserfolg auf
mangelnde Anstrengung zurückführen können (kontrollierbar) anstatt auf
fehlende Fähigkeiten (unkontrollierbar).

2.7. Fähigkeitsselbstkonzept II

Ein positives Selbstkonzept ist förderlich für schulischen Erfolg.


Beschreiben Sie anhand eines gängigen Modells knapp, was man unter
Fähigkeitsselbstkonzept versteht!
Gehen Sie auf die Entwicklung des Selbstkonzepts und auf
Bezugsgruppeneffekte ein! Diskutieren Sie den Zusammenhang zwischen
Fähigkeitsselbstkonzept und Schulleistung und überlegen Sie, wie Sie das
Fähigkeitsselbstkonzept Ihrer Schülerinnen und Schüler am Gymnasium stärken
können!

Gliederung:

1. Das Fähigkeitsselbstkonzept
1.1. Shavelsons Modell zum Fähigkeitsselbstkonzept
2. Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzepts
2.1. Einfluss von Bezugsgruppeneffekte
3. Zusammenhang Fähigkeitsselbstkonzept und Schulleistung
3.1. Einfluss des Fähigkeitsselbstkonzepts auf die Schulleistung
4. Stärkung des Fähigkeitsselbstkonzepts

1. Das Fähigkeitsselbstkonzept ist Teil des Selbstkonzepts und bezieht sich auf
Beschreibungen und Einschätzungen der eigenen Fähigkeiten im Sinne eines
deskriptiven Kontextes. Dies schließt Vorstellungen über Höhe, Struktur und
Stabilität ein. (Affektiv-evaluierende Bewertungen der eigenen Fähigkeiten werden
hingegen dem Selbstwert zugeordnet und stellen eine Folge des
Fähigkeitsselbstkonzepts dar)
1.1. Shavelsons Modell zur Hierarchischen Struktur des Selbstkonzepts (1976)
zeigt, dass das Selbstkonzept mehrdimensional ist und im Entwicklungsverlauf
spezifisch erweitert wird. Es wird zwischen einem schulischen und nicht-
schulischen Selbstkonzept unterschieden. Marsh et al untergliederten das
schulische Selbstkonzept zudem in ein verbales und mathematisches
Selbstkonzept.
2. Das Fähigkeitsselbstkonzept entwickelt sich schon früh, ist jedoch zunächst kaum
differenziert und fernab der Realität. Im Grundschulalter haben Kinder die Tendenz,
84
ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. (In einer Studie von Kreutzer 1975 zum
Metagedächtnis gaben sehr viele Kinder an, nichts zu vergessen), die
Selbsteinschätzung wird mit dem Eintritt in die Grundschule realistischer, außerdem
spezifiziert sich das Fähigkeitsselbstkonzept je nach Unterrichtsfach. Im weiteren
Verlauf der Schulzeit sinkt das Fähigkeitsselbstkonzept jedoch immer weiter ab, was
auf soziale Vergleiche durch Bezugsgruppeneffekte und Leistungsrückmeldungen
zurückzuführen ist. Außerdem verstehen die Kinder im Entwicklungsverlauf, dass
Leistungen auf Fähigkeiten zurückgehen, die zeitlich relativ stabil sind. Vor und zu
Beginn der 1. Klasse denken viele Kinder, dass Leistungen auf situationale
Bedingungen zurückzuführen ist (Helmke, 1999), erst ab der 2.-6. Klasse ist den
Kindern bewusst, dass Leistungsergebnisse die Fähigkeiten reflektieren. Folglich
können Hilflosigkeitsphänomene erst eintreten, nachdem das Konzept von stabilen
Fähigkeiten erworben wurde.
2.1. Der Einfluss der Bezugsgruppeneffekte wurde von Marsh mit ihrem 1868
erstellten Modell zum Externel/Internal frame of Reference erläutert. Ihr zufolge
werten Schüler ihre Leistungen anhand einer externalen/sozialen Bezugsnorm
(im Vergleich mit anderen) und einer individuellen Bezugsnorm (im Vergleich mit
den eigenen Leistungen in anderen Wissensdomänen). Marsh konnte feststellen,
dass es bei dem Vergleich anhand der individuellen Bezugsnorm zu einem
Verlagerungseffekt kommt, denn wenn beispielsweise die Fähigkeit in der
verbalen Schulleistungsdomäne hoch eingeschätzt wird, kommt es automatisch
zu einer Abwertung der Leistung innerhalb der mathematischen Domäne und
andersherum, was wiederrum mit den Leistungen korreliert.
Durch den sozialen Vergleich lässt sich auch der „Big Fish Little Pond“ Effekt
erklären – ein Schüler mit derselben Fähigkeit hat ein weitaus höheres
Fähigkeitsselbstkonzept, wenn er sich in einem Leistungsschwachen Umfeld
befindet (bei welchem er gute Leistungen im Vergleich aufweist) als ein Schüler,
der sich in einem leistungsstarken Umfeld befindet (bei welchem wer schwache
Leistungen im Vergleich aufweist.)
3. Es ist empirisch vielfach belegt (z.B. konkret durch Weinert und Helmke 2007), dass
gute Schulleistungen mit einem positiven Fähigkeitsselbstkonzept korreliert und
umgekehrt. Somit hat nicht nur, wie durch den Bezugsgruppeneffekt in 2.1. erklärt,
die schulische Leistung einen Einfluss auf das Fähigkeitsselbstkonzept, sondern auch
das Fähigkeitsselbstkonzept auf die Leistung.
Zwischen Schülern mit hohem Fähigkeitsselbstkonzept und Schülern mit niedrigem
Fähigkeitsselbstkonzept treten hier erhebliche Unterschiede hinsichtlich der
Ursachenattribution auf. Weiner (1971) zufolge gibt es drei Kausalattributionen:
Lokation, Stabilität und Kontrollierbarkeit. Schüler mit niedrigem
Fähigkeitsselbstkonzept schätzen Misserfolge häufig als internal, stabil und
unkontrollierbar ein und führen diese folglich auf mangelnde Begabung zurück
(Erfolge sind für sie bedauerlicherweise häufig oft ebenfalls „unkontrollierbar“, da sie
diese mit Glück attribuieren). Schüler mit hohem Fähigkeitsselbstkonzept führen
Misserfolge jedoch häufig auf Aspekte wie verminderte Anstrengung (internal,
kontrollierbar, variabel), Müdigkeit (internal, unkontrollierbar, variabel) oder Pech
(external, unkontrollierbar, variabel) und sehen demnach ihr Fähigkeitsselbstkonzept
nicht als gefährdet an. Erfolge werden dafür auf die eigene Fähigkeit zurückgeführt.
Helmke untersuchte 1992 die Korrelation des Fähigkeitsselbstkonzepts mit der
Mathematikleistung und fand heraus, dass Schüler mit einem positivem

85
Mathematikfähigkeitsselbstkonzept engagierter mitarbeiteten und größere
Anstrengungsbereitschaft zeigten.
Diese gesteigerte Motivation lässt sich mit dem Erwartungs x Wert Modell von
Atkinson (1957) erklären. Atkinson zufolge setzt sich die Anstrengungsbereitschaft
aus der Selbstwirksamkeitserwartung, eine bestimmte Leistung zu erzielen (also
indirekt dem Fähigkeitsselbstkonzept) und dem Wert, den eine Aufgabe für einen
Schüler hat zusammen. Da gute Leistungen in einem Fach meist auf einen
Wissenszuwachs zurückzuführen ist, ist es verständlich, dass mit guten Leistungen
auch häufig ein gesteigertes Interesse korreliert wird. Schüler, die ein gutes
Fähigkeitsselbstkonzept aufweisen, sehen sich somit in der Lage eine bestimmte
Aufgabe zu lösen, der Anreiz hierfür ist der durch ihr Interesse bedingte
Wissenserwerb. Demnach sind sie bereit, Anstrengung zu zeigen. Ihre Motivation ist
groß. Setzt man diese Erkenntnis mit der Theorie der Leistungszielorientierung in
Verbindung kann man sagen, dass diese Schüler Lernzielorientiert sind.
Schüler mit niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept schätzen ihre Kompetenz, die
geforderte Aufgabe zu lösen gering ein. Durch vorausgegangene schlechte Leistungen
haben sie eventuell auch das Interesse an dem Fach verloren, weshalb sie dem
Beherrschen keinen großen Wert zusprechen. Demnach sind sie nicht motiviert und
zeigen keine Anstrengung. Die betroffenen Schüler orientieren sich häufig an
Arbeitsvermeidungszielen oder an Darstellungszielen. Um ihren Selbstwert zu
schützen, vermeiden sie die Beteiligung oder bereiten sich erst gar nicht vor, da sie
sich lieber schuldig fühlen aufgrund fehlender Anstrengungsbereitschaft als
beschämt, da sie trotz Anstrengung versagt haben (Covington 1984)
Aufgrund der geringen Motivation kommt es zu ersten Einbußen was den
Wissenserwerb von Schülern mit negativem Fähigkeitsselbstkonzept angeht.
Ebenfalls wurde empirisch festgestellt (Ringwurfexperiment – Atkinson?), dass
Schüler mit niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept zudem ihre Fähigkeiten unterschätzen
und bei einer freien Auswahl an Aufgaben, zu leichte Varianten wählen (Scheitern
unmöglich) oder viel zu schwere Aufgaben wählen (Aufgrund der
Aufgabenschwierigkeit externale Attribution). Somit bleibt ein Lernfortschritt aus.
Schüler mit positivem Fähigkeitsselbstkonzept wählten meist Aufgaben, die sich
innerhalb der Zone ihrer nächstmöglichen Entwicklungsstufe befanden (zone of
proximal development), also weder zu leicht noch zu schwer waren und sich
demnach positiv auf den Lernfortschritt auswirkten.

4. Die Lehrkraft kann Teile des Fähigkeitsselbstkonzepts ihrer Schüler beeinflussen.


Lüdke et al stellten 2005 fest, dass eine individuelle Bezugsnormorientierung
förderlich für ein positives Selbstkonzept ist. Umgekehrt schätzen Schüler, deren
Unterricht sozialnormorientiert ist ihre Begabungen schlechter ein (Vgl. Jerusalem).
Lehrkräfte, die ihren Schülern Feedback hinsichtlich ihres Lernfortschrittes geben,
fördern somit deren Selbstwahrnehmung. Wichtig ist hierbei, dass dieses Feedback
für den Schüler als aufrichtig wahrgenommen wird. Auch spontane Emotionen wie
Erstaunen seitens der Lehrkraft über eine positive Leistung eines Schülers mit
niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept kann dessen Einschätzung weiter verschlechtern,
da er auch diese Leistung als „Glückstreffer“ attribuieren kann und das Gefühl hat,
die Lehrkraft traut ihm selbst wenig zu. Weinert und Helmke stellten 1997 zudem
fest, dass in Klassen, bei denen es eine geringe Korrelation zwischen Schulnoten und
Selbstkonzept gab, oft ein großes Gewicht auf das Freiheitsspektrum der Schüler

86
gelegt wird, was ebenfalls mit einem Schülerzentrierten, wertschätzenden
Lernumfeld zu tun hat.
Auch durch konkrete Unterweisungen und Ermutigungen, kann die Lehrkraft Einfluss
auf das Fähigkeitsselbstkonzept nehmen. Besonders bei geschlechtsspezifischen
Voreingenommenheiten (Mädchen schätzen grundsätzlich ihr mathematisches
Fähigkeitsselbstkonzept vergleichsweise niedrig ein) kann eine direkte Unterweisung
förderlich sein. Ein derartiger Ansatz wurde von der IPN Studie betrieben, die gezielt
die Freude und das Fähigkeitsselbstkonzept von Schülerinnen für Physik fördern
wollten und dem mit geschlechtshomogenem Experimentalunterricht und Fokus auf
gezielte Ermunterungen legten.
Der Big Fish Little Pond Effekt legt nahe, dass Schüler, die in einem
Leistungsschwächeren Umfeld sind, ein positiveres Fähigkeitsselbstkonzept
entwickeln. Becker et al 2006 zufolge ist dies jedoch problematisch, da
leistungsschwächere Umgebungen der Leistung grundsätzlich entgegenwirken. (Ein
Schulartwechsel ist folglich nur bei starken Einschränkungen der Leistungen und des
Fähigkeitsselbstkonzepts in Erwägung zu ziehen).
Auch Attributionstrainings können helfen, damit die Schüler ihren Misserfolg auf
mangelnde Anstrengung zurückführen können (kontrollierbar) anstatt auf fehlende
Fähigkeiten (unkontrollierbar).

Ebenfalls:

Ein wichtiger Einflussfaktor für das Lern- und Leistungsverhalten von


Schülerinnen und Schülern ist das schulische Selbstkonzept.
Beschreiben Sie zwei verschiedene Modelle zur Struktur schulischer
Selbstkonzepte! Zeigen Sie, wie sich das schulische Selbstkonzept entwickelt!

Führen Sie, unter Einbezug entsprechender Theorien und empirischer Befunde


aus, auf welche Weise schulische Selbstkonzepte fördern bzw. beeinträchtigen
können!
Erläutern Sie, wie Lehrkräfte die Entwicklung leistungsförderlicher
Selbstkonzepte unterstützen können!

87
2.8. Identität

Die Entwicklung der Identität ist eine zentrale Entwicklungsaufgabe im Jugendalter


Erörtern Sie den Begriff „Identität“!
Beschreiben Sie unter Bezugnahme einer theoretischen Modellvorstellung die Entwicklung
der Identität im Jugendalter!
Zeigen Sie, wie Eltern und Lehrkräfte die Entwicklung der Identität unterstützen können!

Gliederung:
1. Die Identität
2. Die Entwicklung der Identität nach Marcia
3. Unterstützung der Identitätsentwicklung durch Eltern und Lehrkräfte

1. Die Identität ist Oerterer 2008 zufolge eine einzigartige Persönlichkeitsstruktur


verbunden mit dem Bild, welches andere von dieser Persönlichkeitsstruktur haben.
Der Begriff der Identität ist damit eng verwoben mit dem Begriff des „Selbst“. Schon
Freud und Erikson nannten die Identitätsbildung als wichtigste
Phase/Entwicklungsaufgabe während der Adoleszenz.
2. Die Entwicklung der Identität in der Jugend verläuft Marcia (1980) zufolge in drei
Formen ab, welche jedoch nicht alle durchlaufen werden müssen. Auch die
Reihenfolge ist reversibel. Die vier Formen der diffusen, übernommenen sowie
erarbeiteten Identität und dem Moratorium gründeten sich auf drei Annahmen
Marcias, nämlich dass Jugendliche eine innere Krise durchlaufen, sich
(gesellschaftlich) verpflichtet fühlen und jedoch auch Explorationsverhalten zeigen
wollen. Anhand dieser vier Dimensionen bildeten sich die vier Phasen der
Identitätsentwicklung heraus. Einer Studie von Archer 1982 zufolge befanden sich
81% der von ihm befragten Jugendlichen (12.Klasse) in der Phase der
übernommenen oder diffusen Identität. Lediglich 19% konnten der Phase des
Moratoriums beziehungsweise der erarbeiteten Identität zugeordnet werden.

Gerade im jüngeren Adoleszenzalter haben Jugendliche oft eine sogenannte


Übernommene Identität. Sie durchleben innerlich (noch) keine Krise und umfassen
eine gewisse Akzeptanz, die vorgelebte Rolle ihrer Bezugspersonen (meist der Eltern)
zu übernehmen. Sie weisen eine hohe Verpflichtungshaltung auf und niedriges
Explorationsverhalten. Jugendliche mit einer übernommenen Identität gelten meist
als wohlerzogen und ruhig.

Folgt anlässlich eines differenzierteren Selbstkonzepts eine Phase erhöhter


Unsicherheit, was die eigene Person betrifft, sowie eine entwicklungsbedingte
Abwendung der Eltern, kommt es häufig zu einer diffusen Identitätsbildung. Diese
Form der Identität tritt bei den meisten Jugendlichen im Entwicklungsverlauf auf.
Jugendliche mit einer diffusen Identität sind häufig zurückgezogen und hören
lediglich auf Peers. Sie haben häufig ein niedriges Selbstwertgefühl und zeigen
gesteigerte Impulsivität aufgrund der hohen externen Kontrolle.

Die Phase des Moratoriums äußert sich durch ein gesteigertes Explorationsverhalten.
Verschiedene Berufe und Wertvorstellungen werden „ausgetestet“ und es kommt

88
zur aktiven Auseinandersetzung mit verschiedenen Möglichkeiten, das Leben zu
gestalten. Die Abgrenzung zu den Eltern wird konkreter, die Kontrolle verlagert sich
internal. Jugendliche in der Phase des Moratoriums zeigen im Gegensatz zu
Jugendlichen mit diffuser Identität ein hohes Selbstwertgefühl.

Die erarbeitete Identität ist Marcia zufolge die letzte Form der Identitätsbildung und
zeichnet sich durch eine gewisse Stabilität in der Wahl des Berufs und
Wertvorstellungen aus. Doch auch die erarbeitete Identität ist reversibel was sich
beispielsweise bei später beruflicher Umorientierung im Erwachsenenalter zeigt.

Aufgrund der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung der westlichen


Industriestaaten kommt es häufig zu einer kulturell adaptiven Diffusion. Das
bedeutet, dass die Form der Erarbeiteten Identität häufig nicht mehr auftritt und
junge Erwachsene aufgrund wechselnden beruflichen Anforderungen, Übernahme
von verschiedenen gesellschaftlichen Rollen und raschem (technischen) Fortschritt
häufig die Phase der Diffusion nicht verlassen.

3. Lehrer und Eltern können den Prozess der Identitätsentwicklung zwar nicht steuern,
aber ihn mit beeinflussen. Meuus 2011 zufolge haben Jugendliche, denen die Eltern
mehr Wärme und Unterstützung geben, tendenziell eine reifere Identität und
weniger Identitätsdiffusion. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die betroffenen
Kinder trotz Explorationsverhalten und Rebellion eine Stabilität im Elternhaus haben
und wissen, dass ihre Eltern sie unterstützen. Für Eltern und Lehrer ist demnach
wichtig, dass sie über die Identitätsfindungsprozesse Bescheid wissen und
unangemessenes Verhalten, Rebellion, Ablehnung der Wertehaltung und Impulsivität
(Zeichen einer Diffusen Identität) auf diese normalen Identitätsfindungsprozesse
zurückführen und erdulden. Auch ist es wichtig, den Jugendlichen – soweit dies
kulturell bedingt möglich ist – ihr Explorationsverhalten zu ermöglichen, anstatt sie
zu einer Übernommene Identität zu motivieren.
Eventuell muss hierbei das Identitätsspektrum in einer erweiterten Sicht betrachtet
werden, wie es von Kraus et al 1995 erstellt wurde. Demnach lässt sich die Diffuse
Identität weiterhin aufspalten und zwischen einer Sorgenfreien Diffusion und einer
Störungsdiffusion unterscheiden. Während erstere unauffällig und meist von kurzer
Dauer ist, deutet die Zweitere auf die Bewältigung eines Traumas hin, weshalb
eventuell eine Intervention notwendig ist.
Fend (1998) nennt verschiedene Indikatoren für eine stabile Eltern-Kind Beziehung
während der Abspaltungsphase und der Identitätsfindung. Fend hält einen punitiven
Erziehungsstil für Problematisch und setzt auf faire und gerechte
Konfliktaushandlungen. Wichtig ist es, sich gegenseitig wertzuschätzen,
Überbehütung zu vermeiden aber unterstützende Maßnahmen aufrecht zu erhalten
und sich ein realistisches Bild des Kindes zu konstruieren. Letzteres ist Fend zufolge
besonders Wichtig da sonst die Real-Ideal Diskrepanz zu groß ist, was zur
Entfremdung und Distanzierung fühlen kann – was wiederrum zur Folge hat, dass sich
das Kind unverstanden fühlen kann.
Da die Lehrkraft in dieser Phase der Entwicklung vermutlich mehr Zeit mit den
Kindern verbringt als die Eltern, ist ein kommunikativer Austausch der beiden
Parteien sehr wichtig (auch um die Eltern über die Entwicklung ihres Kindes in
Kenntnis zu setzen und einer Entfremdung entgegenzuwirken). Für Lehrer gelten

89
demnach ähnliche Empfehlungen wie für die Eltern, nämlich unterstützende
Maßnahmen zu gewährleisten, eine Wertschätzende Haltung den jugendlichen
gegenüber zu zeigen und Konflikte argumentationsorientiert auszuhandeln. Da
Lehrer zudem oft mit den Jugendlichen innerhalb ihrer Peer-Group konfrontiert sind,
ist es für sie ganz besonders wichtig, über die Prozesse der sozialen Identitätsfindung
ebenfalls Bescheid zu wissen. Tajifel und Turner (1985) zufolge versteht man unter
der sozialen Identität das Wissen und die Bewertung hinsichtlich der Zugehörigkeit zu
einer Gruppe. Peergruppen können zur Identitätsfindung beitragen, indem sie
Identifikationsmöglichkeiten, Lebensstile und Bestätigung der Selbstdarstellungen
bietet. Jedoch können sie auch negative Prozesse wie Ausgrenzungen und
Feindlichkeiten in Gang setzten, denn Tajifel und Turner zufolge bedeutet die
Zugehörigkeit zu einer Gruppe auch gleichzeitig das Ausschließen von „Outgroups“.
Hinsichtlich der eigenen Gruppe kommt es häufig zu positiven
Wahrnehmungsverzerrungen (die eigene Gruppe wird als besonders positiv
wahrgenommen um sich von den Outgroups abzugrenzen). Die Lehrkraft sollte
demnach die Gruppenprozesse im Auge behalten, um Jugendliche von einem
eventuellen „schlechten Einfluss“ bewahren zu können bzw. gegebenenfalls die
Eltern diesbezüglich zu informieren.

Auch: Erläutern Sie anhand theoretischer Modelle und empirischer Befunde die
Identitätsentwicklung im Jugendalter!
Beschreiben Sie in diesem Zusammenhang, wie Kontexte (z.B. Familie, Freunde)
Einfluss auf die Identitätsentwicklung von Jugendlichen nehmen können.
Diskutieren Sie Möglichkeiten, wie Lehrkräfte alleine und in Interaktion mit Eltern
oder Peers auf die Identitätsentwicklung einwirken können!

Auch: Identität ist ein zentrales Thema im Jugendalter. Erörtern Sie den Begriff
„Identität“ und beschreiben Sie ein Modell zur Identitätsentwicklung!

90
2.9. Leistungsmotivation

Beschreiben Sie die Entwicklung der Leistungsmotivation! Wie können Eltern und Lehrer
die Entwicklung einer erfolgsorientierten Leistungsmotivation fördern?

Gliederung:
1. Leistungsmotivation
1.1. Arten der Leistungsmotivation
1.2. Entwicklung der Leistungsmotivation
2. Förderung der erfolgsorientierten Leistungsmotivation

1. Die Leistungsmotivation wird als Zielverfolgung bezeichnet, bei welcher Handlungen


und Handlungsergebnisse an einem Tüchtigkeitsmaßstab gemessen werden und über
Erfolg oder Misserfolg entschieden wird (vgl. Heckhausen 1974).

1.1. Heckhausen unterscheidet zwischen zwei Arten der Leistungsmotivation wenn


er sagt, dass die Leistungsmotivation zwei unterschiedliche Motive haben kann.
Das erste Motiv ist das Erfolgsmotiv (erfolgszuversichtliche Motivkomponente).
Der Lerner will durch seine Leistung aktiv Erfolg generieren. Das zweite Motiv ist
das Misserfolgsvermeidungsmotiv (misserfolgsvermeidende Komponente). Der
Schüler will mit seiner Leistung aktiv Misserfolg vermeiden. Welches Motiv ein
Schüler verfolgt, hängt oft von seinen Lern- und Leistungserfahrungen ab.

1.2. Die Leistungsmotivation entwickelt sich, sobald Kinder zwischen Anstrengung,


Fähigkeit und Leistung differenzieren können. Heckhausen 2006 zufolge werden
verschiedene Stufen der Entwicklung unterschieden.

- Mit 1 Jahr zeigen Kinder eine Effektmotivation, sie haben erkannt, dass sie
durch ihr Verhalten die Umwelt beeinflussen können und Streben nach
Wirksamkeit.
- Ende des 1. und zu Beginn des 2. Lebensjahres ist dieses Streben nach
Wirksamkeit so groß, dass die Kinder motiviert sind, möglichst viel
auszuprobieren und alles „selber zu machen“.
- Erst mit 3 ½ Jahren können Kinder Leistungen auf ihre Tüchtigkeit
zurückführen und reagieren in Anwesenheit eines Erwachsenen mit Stolz (bei
Erfolg) und Scham (bei Misserfolg).
- Schon 4 ½ Jährige Kinder zeigen Erfolgs- und Misserfolgserwartungen, sie
betrachten ihre Fähigkeiten unter dem Maßstab einer individuellen
Bezugsnorm
- Mit 5-6 Jahren zum Eintritt in die Grundschule lernen Kinder, dass
Anstrengung mit der Leistung korreliert (sichtbar), sie können jedoch noch
nicht den Faktor Glück/Zufall beurteilen
- In der Grundschule verschiebt sich außerdem der innere Vergleichsmaßstab
von der individuellen Bezugsnormorientierung zur sozialen
Bezugsnormorientierung. Kinder vergleichen sich stärker mit ihren
Mitschülern.
- Erst mit 10-12 Jahren verstehen Kinder, dass der Faktor der Fähigkeit die
Ursache für eine Leistung ist (unsichtbar)

91
Im weiteren Entwicklungsverlauf richtet sich die Leistungsmotivation nach
Lernerfahrungen des Schülers und ist entscheidend mit seinem
Fähigkeitsselbstkonzept und der Zielorientierung des Schülers verknüpft. Schüler
mit einem positiven Fähigkeitsselbstkonzept zeigen sich oft sehr
Leistungsmotiviert während Schüler mit einem negativen Fähigkeitsselbstkonzept
sich oft eher misserfolgsorientiert zeigen. Auch kann es bei Schülern mit
negativem Fähigkeitsselbstkonzept zur Leistungsvermeidung kommen um den
Selbstwert zu schützen (Vgl. Covington 1992), da einem Misserfolg der auf
mangelnde Anstrengung zurückzuführen ist (da sich der Schüler nicht bemüht
hat) mit Schuld, ein Misserfolg aufgrund mangelnder Fähigkeit (trotz
Anstrengung) jedoch mit Scham begegnet wird. Das Gefühl der Scham ist in
diesem Fall viel bedrohlicher für das Selbstwertgefühl.
Einer Längsschnittstudie zufolge ändert sich die Zielorientierung der Schüler im
Laufe der Schulzeit von einer Lernzielorientierung zu einer
Leistungszielorientierung hin.
Schüler, die Lernzielorientiert sind weisen oft neben einem großen Interesse auch
ein positives Selbstkonzept und eine generell positivere Einstellung zur Schule.
Schüler, die Leistungszielorientiert sind, wollen Misserfolge möglichst vermeiden.
Sie haben eine fixierte Denkweise, dass die Fähigkeit unveränderbar ist, haben
häufig das Gefühl einer schwachen Selbstwirksamkeit und wenden viel Energie
darauf, nicht inkompetent zu wirken.

2. Zur Stärkung der erfolgsorientierten Leistungsmotivation ist es wichtig, dass die


Lehrkraft (und auch die Eltern) ihre Bezugsnormorientierung hin zu einer
individuellen Bezugsnorm ändern. Die Leistung der Schüler soll folglich nicht anhand
der Leistungen ihrer Mitschüler/Freunde gemessen werden, sondern anhand ihres
individuellen Lernfortschritts. Dies ist auch förderlich für das Fähigkeitsselbstkonzept
und der Selbstwirksamkeit. Dies bedeutet auch, dass Lehrer und Eltern eine gewisse
Fehlertoleranz haben sollten und den Kindern Freiraum für entdeckendes Lernen
gewährt werden sollte (Bei Eltern entspricht dieses Verhalten einem autoriativem
Erziehungsstil).
Bei misserfolgsvermeidenden Kindern können auch Re-Attributionstrainings helfen,
um ihre Leistung wieder auf ihre Anstrengung anstelle ihrer Fähigkeit
zurückzuführen. Eine Art dieses Trainings wurde von Heckhausen 1989 entworfen
8Selbstbewertungsmodell des Leistungsmotivs). Es umfasste neben
Ursachenzuschreibungen auch Verfahren zur Zielsetzung, Aufgabenauswahl und dem
Aufbau einer positiven Selbstbewertungsbillanz. Selbstverständlich sollte der
Unterricht auch soweit es möglich ist an die Interessen der Schüler angepasst
werden.
Der Erwartungs x Wert Theorie von Atkinson (1957) zufolge ergibt sich aus dem
Produkt des Wertes, den eine Leistung für den Lernenden hat und der
Selbstwirksamkeitseinschätzung die Anstrengungsbereitschaft, die gezeigt wird.
Durch ein gesteigertes Interesse (Wert) und einer hohen Selbstwirksamkeit
(Fähigkeitsselbstkonzept, erfolgsorientiert) kann so also die Motivation gesteigert
werden.

92
2.10. Motivation

Entwicklung von Unterschieden in der Lernmotivation

Eine Lehrerin sucht nach Rat, weil einige Schülerinnen und Schüler der 6. Klasse meinen,
sie seien zu wenig begabt, um gute Leistungen in Mathematik zu erbringen. Ein anderer
Lehrer überlegt, wie er es schaffen kann, seine Schülerinnen und Schüler in der Adoleszenz
für literarische Texte zu gewinnen.

Erklären Sie, ausgehend von zwei unterschiedlichen motivationalen Ansätzen, den beiden
Lehrpersonen entwicklungsbezogene Unterschiede in der schulischen Lernmotivation!

Stellen Sie davon ausgehend unter Einbezug von Empirie motivationsförderliche Ansätze
dar, die bei diesen motivationalen Problemlagen helfen können!

Gliederung:

1. Der Ansatz der Lernmotivation


1.1. Deci und Ryans Theorie der intrinsischen und extrinsischen Motivation
1.2. Motivationsförderliche Ansätze zur Steigerung der intrinsischen Motivation
2. Der Ansatz der Leistungsmotivation
2.1. Heckhausens Modell der Leistungsmotivation
2.2. Motivationsförderliche Ansätze zur Steigerung der Leistungsmotivation

Grundsätzlich unterscheiden sich die beiden Situationen in welcher sich die Lehrkräfte
befinden in der Art der Motivation, welche bei den Schülern vorliegt. Während die Schüler
der 6. Klasse ihre mangelnde Leistung auf mangelnde Fähigkeiten zurückführen und
demnach eine geringe Leistungsmotivation zeigen, müssen die pubertierenden Schüler des
Deutschlehrers für das Erlernen des Unterrichtsmaterials motiviert werden, ihre
Lernmotivation muss demnach geweckt werden.

1. Deci und Ryan (1985) zufolge existieren zwei klassische Motivationsarten. Die
intrinsische Motivation wird von keinerlei äußeren Einflüssen beeinflusst, sondern
Schüler die intrinsisch motiviert sind lernen um des Lernens willen und sind somit
Lernzielorientiert. Intrinsisch motivierte Schüler sind oftmals hochinteressiert,
wenden effektive Lernstrategien an und zeigen ein positives Fähigkeitsselbstkonzept.
Die extrinsische Motivation hingegen wird von äußeren Anreizen beeinflusst. Schüler
sind motiviert ein Ziel zu erreichen, da dies mit Anreizen wie sozialem Ansehen oder
anderen Anreizen verknüpft ist oder um Misserfolg und dessen Folgen zu vermeiden.
Sie sind eher Leistungszielorientiert eingestellt, wollen Mitterfolge vermeiden, haben
meist eine geringe Wirksamkeitserwartung und wissen ihre Fähigkeiten nicht genau
einzuschätzen.
Ein wichtiger Faktor für die internale Motivation ist das individuelle Interesse des
Schülers. Nur durch ehrliches Interesse an den Lerninhalten kann intrinsische
Motivation geweckt werden – so auch bei den Schülern der Deutschklasse des
Beispiels.
Entwicklungspsychologisch sinkt das durchschnittliche Interesse an den Schulinhalten
im Verlauf der Schulzeit ab. Die Stufentheorie von Todt 1990 besagt, dass in der

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frühen Kindheit universelle Interessen vorherrschen, alle Kinder einer
Entwicklungsstufe zeigen demnach ähnliche Interessen. Mit 4 Jahren entstehen
sogenannte Kollektive Interessen (an Altersgenossen und gleiches Geschlecht
angepasst). Mit 11 Jahren kommt es zu einer spezifischeren Auswahl von Interessen,
die sich bis zum mittleren Jugendalter weiter zuspitzt zu individuellen Interessen
hervorgerufen durch die eigenen Fähigkeiten und Begabungen. Schüler mittleren
Alters haben demnach auch ein ausgeprägtes außerschulisches Interessensprofil,
weshalb das durchschnittliche Interessensniveau in einem Fach zwangsläufig
abnimmt. Eccles et al 1991 geht zudem von einem stage environment fit aus und
besagt, dass in der Adoleszenz die Werte/Bedürfnisse und Interessen nicht in
Einklang mit der Schulischen Lernumwelt stehen. Dem Wunsch nach Autonomie und
Selbstbestimmung stehen demnach die strikten Vorgaben der schulischen
Lerninhalte gegenüber und die Beziehungen mit den Mitschülern werden durch den
Einsatz sozialer Bezugsnormen und den daraus resultierenden Wettbewerb
gefährdet.

1.1. Für die Förderung der Intrinsischen Motivation im Unterricht ergeben sich
Oerterer zufolge vier mögliche Handlungsschritte, die sich an den Bedürfnissen der
Schüler in der Adoleszenzphase orientieren.
- Förderung der Kompetenzwahrnehmung: Die Schüler sollen sich mit ihren
Fähigkeiten als Kompetenz wahrnehmen und eine gesteigerte Selbstwirksamkeit
erfahren. Die Einbindung in Projekte die auch außerschulische Dimensionen
wahrnehmen können und somit zwischen dem Schulkontext und dem Kontext
der „Realität“ überlappen eignen sich hierbei besonders gut. Konkret können auf
das Beispiel bezogen Autoren oder Wissenschaftler aus der Literaturwissenschaft
eingeladen werden mit den Schülern zu kooperieren.
- Förderung der Selbstbestimmung: Dies kann auf verschiedenen Ebenen
geschehen, beispielsweise dadurch, dass die Schüler erfahren, dass sie den
Unterricht mitgestalten können beispielsweise durch die Auswahl eines
bestimmten literarischen Werks oder der Unterrichtsmethoden (Projektarbeit,
Portfolioerstellung…)
- Förderung der sozialen Bezogenheit: Das Bedürfnis nach sozialer
Eingebundenheit wird durch kooperative Lernformen befriedigt. Hierbei ist auch
vor allem von einem sozialen Bezugsrahmen abzusehen.
- Förderung der Bedeutsamkeit des Lerngegenstands: Die Schüler sollen die
Relevanz der Unterrichtsinhalte für ihre Lebenswirklichkeit verstehen. Dies ist in
vielen Fällen kein einfaches Unterfangen, kann aber im besagten Beispiel durch
das Auffinden und Behandeln von Schnittstellen aus literarisch behandelten
Themen und brisanten aktuellen Themen realisiert werden.

2. Die Schüler der sechsten Klasse nehmen sich hingegen als wenig Kompetent wahr.
Ob sie eine gezielte verminderte Lernmotivation zeigen wird anhand des Beispiels
nicht deutlich, jedoch zeigen sie eine verminderte Leistungsmotivation.
Heckhausen unterscheidet zwischen zwei Arten der Leistungsmotivation wenn er
sagt, dass die Leistungsmotivation zwei unterschiedliche Motive haben kann.
- Das erste Motiv ist das Erfolgsmotiv (erfolgszuversichtliche Motivkomponente).
Der Lerner will durch seine Leistung aktiv Erfolg generieren.

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- Das zweite Motiv ist das Misserfolgsvermeidungsmotiv (misserfolgsvermeidende
Komponente). Der Schüler will mit seiner Leistung aktiv Misserfolg vermeiden.
Welches Motiv ein Schüler verfolgt, hängt oft von seinen Lern- und
Leistungserfahrungen ab.
Deutlich wird anhand des Beispiels vor allem, dass die betroffenen Schüler ihre
mangelnde Leistung aufgrund ihrer fehlenden Begabung (und damit ihrer Fähigkeit)
attribuieren. Dies ist Heckhausen zufolge ein eindeutiges Indiz für
misserfolgsvermeidende Motive der Leistungsmotivation.

Die Leistungsmotivation entwickelt sich, sobald Kinder zwischen Anstrengung,


Fähigkeit und Leistung differenzieren können. Heckhausen 2006 zufolge werden
verschiedene Stufen der Entwicklung unterschieden.

- Mit 1 Jahr zeigen Kinder eine Effektmotivation, sie haben erkannt, dass sie
durch ihr Verhalten die Umwelt beeinflussen können und Streben nach
Wirksamkeit.
- Ende des 1. und zu Beginn des 2. Lebensjahres ist dieses Streben nach
Wirksamkeit so groß, dass die Kinder motiviert sind, möglichst viel
auszuprobieren und alles „selber zu machen“.
- Erst mit 3 ½ Jahren können Kinder Leistungen auf ihre Tüchtigkeit
zurückführen und reagieren in Anwesenheit eines Erwachsenen mit Stolz (bei
Erfolg) und Scham (bei Misserfolg).
- Schon 4 ½ Jährige Kinder zeigen Erfolgs- und Misserfolgserwartungen, sie
betrachten ihre Fähigkeiten unter dem Maßstab einer individuellen
Bezugsnorm
- Mit 5-6 Jahren zum Eintritt in die Grundschule lernen Kinder, dass
Anstrengung mit der Leistung korreliert (sichtbar), sie können jedoch noch
nicht den Faktor Glück/Zufall beurteilen
- In der Grundschule verschiebt sich außerdem der innere Vergleichsmaßstab
von der individuellen Bezugsnormorientierung zur sozialen
Bezugsnormorientierung. Kinder vergleichen sich stärker mit ihren
Mitschülern.
- Erst mit 10-12 Jahren verstehen Kinder, dass der Faktor der Fähigkeit die
Ursache für eine Leistung ist (unsichtbar)

Im weiteren Entwicklungsverlauf richtet sich die Leistungsmotivation nach


Lernerfahrungen des Schülers und ist entscheidend mit seinem
Fähigkeitsselbstkonzept und der Zielorientierung des Schülers verknüpft. Schüler
mit einem positiven Fähigkeitsselbstkonzept zeigen sich oft sehr
Leistungsmotiviert während Schüler mit einem negativen Fähigkeitsselbstkonzept
sich oft eher misserfolgsorientiert zeigen. Auch kann es bei Schülern mit
negativem Fähigkeitsselbstkonzept zur Leistungsvermeidung kommen um den
Selbstwert zu schützen (Vgl. Covington 1992), da einem Misserfolg der auf
mangelnde Anstrengung zurückzuführen ist (da sich der Schüler nicht bemüht
hat) mit Schuld, ein Misserfolg aufgrund mangelnder Fähigkeit (trotz
Anstrengung) jedoch mit Scham begegnet wird. Das Gefühl der Scham ist in
diesem Fall viel bedrohlicher für das Selbstwertgefühl.

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Einer Längsschnittstudie zufolge ändert sich die Zielorientierung der Schüler im
Laufe der Schulzeit von einer Lernzielorientierung zu einer
Leistungszielorientierung hin. Dies findet Köller et al (1998) erst ab der 5. Klasse
zunehmend statt, schließt also die betroffene 6. Klasse des Beispiels mit ein.

Schüler, die Lernzielorientiert sind weisen oft neben einem groß