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VERWENDETE LITERATUR 3
2. ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE 65
2.1. GEDÄCHTNISENTWICKLUNG 65
2.3. KOGNITIVE ENTWICKLUNG 68
2.4. ENTWICKLUNG AUFMERKSAMKEIT/ARBEITSGEDÄCHTNIS 71
2.4. SCHLUSSFOLGERNDES DENKEN/METAKOGNITION 73
2.5. GEDÄCHTNISSTRATEGIEN 77
2.6. FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPT I 80
2.7. FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPT II 84
2.8. IDENTITÄT 88
2.9. LEISTUNGSMOTIVATION 91
2.10. MOTIVATION 93
2.11. INTERESSE 97
2.12. INTELLIGENZ 99
2.13. GEDÄCHTNISENTWICKLUNG 101
2.14. ENTWICKLUNGSAUFGABEN 105
2.15. PIAGET 107
2.16. PIAGET VS. WYGOTSKY 110
2.17. CASE UND SCHLUSSFOLGERNDES DENKEN 114
1
2.18. EMPATHIE 117
2
Dieses Skript wurde 2018 zur Unterstützung bei der Examensvorbereitung erstellt. Ich
übernehme keine Gewähr für Vollständigkeit und Korrektheit aller Angaben.
VERWENDETE LITERATUR
3
1. LEHREN UND LERNEN
1.1. Lehrstrategien
Stellen Sie zwei Lehrstrategien ausführlich dar. Berücksichtigen Sie dabei spezifische
Lehrinhalte und Lernziele, für die sie besonders geeignet sind.
Belegen Sie die Wirksamkeit der beidem Lehrstrategien durch empirische Studien.
Gliederung:
1. Lehrstrategien allgemein nach Hasselhorn und Gold
2. Lehrstrategien in der Gegenüberstellung
2.1. Darstellende Methoden
2.1.1. Darstellende Methoden: Lehrinhalte und Lernziele
2.1.2. Wirksamkeit der Darstellenden Methoden
2.2. Problemorientierte Methoden
2.2.1. Problemorientierte Methoden: Lehrinhalte und Lernziele
2.2.2. Wirksamkeit der Problemorientierten Methoden
Zusatz:
2.3. Kollaborative Strategien
2.3.1. Kollaborative Strategien: Lehrinhalte und Lernziele
2.3.2. Wirksamkeit der Kollaborativen Strategien
2.1. Die Darstellungsstrategien zeichnen sich durch eine hohe Steuerung des
Lernprozesses durch die Lehrkraft aus. Den Darstellungsstrategien liegt die Annahme
zugrunde, dass Wissen passiv und rezeptiv verarbeitet wird und nicht aktiv vom
Lerner konstruiert wird. Hasselhorn und Gold zufolge ist die direkte Instruktion eine
typische Darstellungsstrategie. Eine Unterrichtseinheit ist hierbei in mehrere stark
durch den Lehrer strukturierte Teile geteilt. Sie beginnt mit der Formulierung von
Lernziele, Aktivierung von Vorwissen und zeichnet sich dann besonders durch eine
ausdrückliche Präsentation der neuen Wissensinhalte durch die Lehrkraft aus. Es
folgen gemeinsame Übungssequenzen und Rückmeldungen. Die Kontrolle durch die
Lehrkraft ist durchgehend hoch. Selbstständiges Üben erfolgt erst, nachdem
4
sichergestellt wurde, dass die Inhalte verstanden wurden und hat den Sinn, das
Gelernte zu festigen.
2.1.1. Aufgrund des hohen Grads an Kontrolle durch die Lehrkraft und die ausführliche
Darbietung der aufgearbeiteten Lerninhalte eignen sich Darstellende Strategien
besonders für explizites deklaratives Wissen, dass sich Schüler aneignen sollen.
Die dargebotenen Wissensinhalte präsentieren nicht hinterfragbares
„unveränderliches“ Wissen und ist deshalb besonders für die Vermittlung von
unumstrittenem Wissen geeignet, beispielsweise für den Geschichtsunterricht bei
der Vermittlung von historischen Ereignissen. Ebenfalls sind sie für komplizierte
Anwendungsgebiete geeignet, bei welchen die Schüler eventuell noch nicht die
kognitiven Fähigkeiten haben, den Hintergrund sich im Stil des Konstruktivismus
aktiv zu erarbeiten. Ein Beispiel wären hier bestimmte Rechenoperationen im
Mathematikunterricht, wo es in jüngeren Klassen wichtig ist, Regeln anwenden zu
können, auch wenn sie noch nicht genau verstanden werden können. Ihre
Grenzen erfahren die Darstellenden Strategien hingegen häufig bei
Transferaufgaben, denn die Schüler können das dargebotene Wissen häufig nicht
auf andere Situationen übertragen.
2.1.2. Die Wirksamkeit von Darstellenden Methoden wurde empirisch bestätigt. Mittels
Korrelativen Analysen wurden durch Leistungstest starke und schwache Klassen
ermittelt und die zugrundeliegenden Lehrmethoden untersucht. Als Ergebnis fand
Walberg 1986 heraus, dass sich darstellende Methoden insbesondere eignen,
wenn die Präsentation gut strukturiert ist und wenig Zeit für disziplinatorische
Maßnahmen verschwendet wird. Auch Interventionsstudien haben die
Effektivität bestätigt. Im Zuge dieser Studien wurden dieselben Lerninhalte durch
verschiedene Lehrmethoden präsentiert. Good und Growns konnten 1979 im
Zuge dessen die Effektivität ebenfalls bestätigen.
5
wird der Erwerb von trägem Wissen verhindert. Ebenfalls wecken
problemlösende Strategien durch die Kreation von kognitiven Konflikten die
Neugier der Schüler und tragen so entscheidend zu deren Motivation bei. Wichtig
ist, dass die Problemlösende Lehrstrategie nicht mehr zu schweren Aufgaben
angewandt wird, da die Schüler sonst leicht überfordert werden. Auch muss eine
Kontrolle erfolgen, damit sich erarbeitete Misskonzepte nicht verfestigen können.
2.2.2. Mayer 2004 zufolge konnte die Wirksamkeit von problemlösenden Strategien im
Allgemeinen noch nicht bestätigt werden. Das liegt vermutlich daran, dass sich im
Zuge des Feldes des problemlösenden Lernens mehrere spezifische Beispiele für
problemlösende Lehrstrategien herausgebildet haben (bsp. Anchored Instruction,
cognitive Apprenticeship), die wiederrum gesondert untersucht wurden.
Zusatz:
2.3.1. Die Lehrziele bei Kollaborativen Strategien gehen weit über den Wissenserwerb
hinaus. Durch das Zusammenarbeiten in Kleingruppen werden vorallem soziale
Kompetenzen und auch kommunikative Kompetenzen gestärkt. Es gibt
verschiedene Lernarragements im Sinne des Kollaborativen Strategien wie
beispielsweise das Gruppenpuzzle,
2.3.2. Kollaborative Strategien zeigen empirisch gesehen eine mittlere Effektstärke
(d=0.45 bei Hattie 2009, d=0.64 bei Johnson und Johnson). Laut Rohrbeck haben
die Strategien eine positive Auswirkung sowohl auf das kooperative Verhalten, als
auch auf das Fähigkeitsselbstkonzept der Schüler.
6
1.2. Qualitätsmerkmale
Beschreiben Sie die drei Qualitätsmerkmale, auch anhand von Beispielen. Erläutern Sie
deren Wirkung auf individuelle Lernprozesse unter Berücksichtigung von theoretischen
Modellen und empirischen Befunden.
Gliederung:
1. Die Qualität von Unterricht nach Helmke
2. Qualitätsmerkmale
2.1. Klassenraummanagement
2.2. Kognitive Aktivierung
2.3. Konstruktive Unterstützung
3. Die Pythagoras Videostudie
1. Die Qualität von Unterricht wurde von Helmke untersucht. Im Zuge seines Angebot-
Nutzen Modells erforschte Helmke die Ursachen von gutem Unterricht und
formulierte 10 Qualitätsmerkmale unter denen die genannten Merkmale
Klassenraummanagement, Kognitive Aktivierung und Konstruktivistische
Unterstützung (bzw. Schülerzentrierung) aufgeführt sind.
2.
1 Allgegenwärtigkeit: Die Lehrkraft sollte Kounin zufolge eine starke Präsenz zeigen
um sicherzustellen, dass Störungen unterbunden werden, beispielsweise durch
Herumgehen in der Klasse. Subtiles Einschreiten in Störsituationen zählt ebenfalls
zum Aspekt der Allgegenwärtigkeit.(auch: Überlappung) Hierbei werden
Störungen unterbunden, ohne dass es die nicht-betroffenen Schüler
mitbekommen, beispielsweise indem eine Lehrkraft ein fachfremdes Buch eines
Schülers kommentarlos schließt oder fachfremde Gegenstände unbemerkt
„einkassiert“.
2 Reibungsloser Verlauf: Kounin zufolge sollen Unterrichtsstunden so konzipiert
sein, dass bei Methodenwechsel die Reibungslosigkeit erhalten bleibt und so kein
Risiko für eine mögliche Ablenkung der Schüler besteht.
è Es wird leichter für die Schüler Zusammenhänge zu erkennen
3 Aufrechterhaltung des Gruppenfokus: Der Lehrer muss sicherstellen, dass er die
gesamte Klasse aktiviert
4 Überdrussvermeidung: Durch den Wechsel von Methoden, kann vermieden
werden dass sich Langeweile von Seiten der Schüler einstellt
è Lernmotivation und Interesse wird aufrecht erhalten
7
5 Disziplinierung: Störungen muss in angemessener Weise entgegengetreten
werden.
Weinstein 2003 betont zudem, dass die Einführung von Routinen sehr wichtig für das
Klassenraummanagement sind.
8
1.3. Lernen in Gruppen ( 2 Aufgaben )
Gliederung:
1. Das Erwartungs x Wert Modell von Atkinson und die Erweiterung durch Heckhausen
2. Unerwünschte Phänomene beim Lernen in Gruppen und ihre Ursachen bezogen auf
das Erwartungs x Wert Modell von Atkinson
3. Der Ansatz des kooperativem Lernens als Prävention unerwünschter Phänomene
3.1. Das „Gruppenpuzzle“ als Ansatz für Erfolgreiche Gruppenarbeiten
4. Effekte auf den Lernerfolg durch kooperatives Lernen
1. Das 1957 von Atkinson entwickelte sozialkognitive Erwartung x Wert Modell der
Motivation besagt, dass die Anstrengungsbereitschaft beziehungsweise Motivation
das Produkt aus der Erwartung, ein gewisses Ziel zu erreichen und der persönliche
Wert, den dieses Ziel für das Individuum hat, ist. Das Modell wurde vielfach
weiterentwickelt und um Dimensionen erweitert. So legt Heckhausen mit seinem
Erwartungs-Wert Modell 1977 einen stärkeren Fokus auf die Folgen und deren
Bedeutung, die das Erreichen eines Ziels für ein Individuum hat.
4. Der positive Effekt des Lernens in Gruppen auf den Lernerfolg wurde empirisch
bestätigt. Laut Springer (1999) gibt es einen mittelstarken positiven Effekt (d=.51)
zugunste des Lernens in Gruppen gegenüber dem Lernen alleine. Außerdem fördert
es ihm Zufolge die Einstellung zur Schule d=.55 . Außerdem hat es positive Effekte auf
soziale, affektive und einstellungs-/verhaltensbezogene Variabeln.
10
1.4. Erlernte Hilflosigkeit
Erlernte Hilflosigkeit
Erläutern Sie diesen Begriff und stellen Sie die dahinterstehende Theorie einschließlich
ihrer Erweiterung durch Ursachenzuschreibungsprozesse dar! Gehen Sie dabei auf
beispielhafte Experimente zur Entstehung von erlernter Hilflosigkeit ein!
Beschreiben Sie die psychologischen Folgen von Hilflosigkeit!
Zeigen Sie auf, durch welche Maßnahmen Schülerinnen und Schüler gegen diese Folgen
geschützt werden können!
Gliederung:
1. Erlernte Hilflosigkeit
2. Die Erwartung x Wert Theorie von Atkinson mit Erweiterung durch Weiner mit der
Attribuierungstheorie und Experimente zur Entstehung von Erlernter Hilflosigkeit
3. Die psychologischen Folgen von erlernter Hilflosigkeit
4. Maßnahmen zur Prävention von Erlernter Hilflosigkeit
Schüler, die hilflos orientiert sind neigen dazu, Erfolge und Misserfolge eher external,
instabil und unkontrollierbar zu attribuieren. Sie haben somit die Überzeugung
entwickelt, dass sie keinen Einfluss auf ihren Erfolg/Misserfolg haben.
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Stimulus folgend (Ton) einen Elektroschock bekamen. Während die eine Gruppe
diesen Schock durch das drücken einer Taste abwehren konnte, konnte die zweite
Gruppe nichts unternehmen um dem Schock zu entgehen. In einem weiteren
Durchgang wurde gezeigt, dass sich die zweite Gruppe der Hunde in einem Zustand
der emotionalen Hilflosigkeit befanden. Die Hunde wurden in neue Käfige gelassen,
wobei ein Teil dieser Käfige von den Elektroschocks geschützt war. Die Gruppe, die
den Schocks zunächst durch das Drücken der Taste entgehen konnte, fand schließlich
heraus, dass sie in einem Teil des Käfigs keinen Elektroschock bekamen und
bewegten sich beim Erklingen des Konditionierten Stimulus folglich dorthin. Die
zweite Gruppe jedoch hatte gelernt, dass sie der Bestrafung nicht entgehen können
und lieferten sich den Elektroschocks aus ohne explorierendes Verhalten zu zeigen.
Ein zweites Experiment wurde 1975 ebenfalls von Seligmann mit menschlichen
Probanden durchgeführt. Die Teilnehmer zweier Probandengruppen bekamen je ein
Puzzle, wobei eine Gruppe unlösbare Puzzles bekamen. Folglich konnten sie es nicht
lösen. In einem zweiten Durchgang bekamen die Gruppen neue Puzzles, wobei
diesmal alle lösbar waren. Seligmann fand heraus, dass die Gruppe mit dem
unlösbaren Puzzle im ersten Durchgang zum Ende des Experiments weniger Teile
zusammenstecken konnten als die andere Gruppe. Er schlussfolgerte daraus, dass die
Gruppe mit dem unlösbaren Puzzle sich in einem Zustand der erlernten Hilflosigkeit
befanden und demnach keinen Anreiz darin fanden, Anstrengungsbereitschaft beim
Lösen des zweiten Puzzles zu zeigen.
Diese Experimente zeigen, dass die Vorerfahrung entscheidenenden Einfluss auf die
Entstehung erlernter Hilflosigkeit hat. Mit Atkinsons Modell erklärt sinkt die
Erfolgserwartung durch zuvor erfahrene Misserfolge. Bandura zufolge ist dies auch
auf eine mangelnde Selbstwirksamkeit zurückzuführen. Misserfolge wirken sich im
Zufolge direkt auf die Kompetenz aus, wie man die eigenen Fähigkeiten zum Lösen
einer Aufgabe einschätzt.
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Die Schüler überschätzten die falschen Antworten und überschätzten die
richtigen Antworten.
Positive Gefühle werden nämlich intensiver erlebt, wenn sie mit der eigenen
Fähigkeit beziehungsweise Anstrengung attribuiert werden. Wird jedoch ein
Misserfolg trotz Anstrengung erlebt, dominiert ein Gefühl der Scham und
Beschämung. Im Gegensatz dazu wird ein Misserfolg als Folge von mangelnder
Anstrengung eher mit Schuldgefühlen assoziiert. Um den eigenen Selbstwert zu
schützen, präferieren viele Schüler das Schuldgefühl und neigen dazu, von vorne
herein keine Anstrengungsbereitschaft zu zeigen. (vgl. Covington 1984)
4. Wenn ein Schüler erstmal den Zustand emotionaler Hilflosigkeit erreicht hat ist es
schwer, diesen wieder umzukehren. Die Durchführung von sogenannten Re-
Attribuierungstrainings (RicharddeCharms) hat sich hierbei bewährt, welche auch zur
Prävention der Entstehung von erlernter Hilflosigkeit geeignet sind. Sie umfassen
eine Attribution von Erfolgen und Misserfolgen hinsichtlich Anstrengung. Schüler
sollen sich so darauf konzentrieren vergangene Erfolge auf ihre Anstrengung
zurückzuführen und mit ihren Misserfolgen in Kontrast zu setzen. Die Misserfolge
sollen demnach mit mangelnder Anstrengung attribuiert werden um die Motivation
der Schüler wieder zu steigern. Ebenfalls ist es hilfreich, wenn die
Selbstwirksamkeitserwartung der Schüler gefördert wird, beispielsweise indem man
ihren Lernfortschritt anhand individueller Bezugsnormen transparent macht. Auch
sprachliche Ermunterungen können helfen, sowie Entspannungsübungen zur
Erfahrung der physiologischen Gefühlszustände. Grundsätzlich sollte ebenfalls die
Einstellung der Schüler hinsichtlich einer Lernzielorientierung gesteigert werden. Der
Hauptanreiz lernzielorientierter Schüler ist ein aufrichtiges Interesse an den
Lerninhalten und ihr Können zu steigern. Misserfolge werden demnach von
lernzielorientierten Schülern eher als Herausforderung betrachtet anstatt als
Bestätigung der eigenen Selbstwirksamkeitswahrnehmung. Es ist ebenfalls wichtig,
dass die Lehrkraft ihr Bild des Schülers ändert, da der Schüler nicht in dem Glauben
gelassen werden darf, das Mitleid der Grund für die Bemühungen der Lehrkraft sind.
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1.5. Sozial-kognitive Theorie
Stellen Sie die sozial-kognitive Theorie von Bandura dar (zentrale Konzepte und empirische
Befunde).
Erörtern Sie die wesentlichen Folgerungen aus dieser Theorie für die Optimierung des
Lehrerhandelns und der Lehr-Lern-Prozesse im Unterricht.
Gliederung:
1. Grundannahmen/soziale Konzepte der sozial-kognitiven Theorie
2. Empirische Befunde und weitere Schlussfolgerungen für die Sozial Kognitive Theorie
anhand des Bobo-Doll Experiments
3. Nutzung der sozial-kognitiver Theorie zur Optimierung des Lehrerhandelns und Lehr-
Lern Prozesse im Unterricht
4. Exkurs: Beobachtungslernen anhand des Cognitive Apprenticeships
Bandura fand heraus, dass die Reproduktion der Verhaltensweisen zunächst vom
Geschlecht (männlich > weiblich) und Folgen für das Modell (belohnt > bestraft)
abhing. Auch das Erscheinungsbild des Modells spielte eine entscheidende Rolle
14
(sozial anerkannt, gutaussehend, ihnen selbst ähnlich > gegenteilige Eigenschaften)
Mit der Belohnung haben jedoch sehr viele Kinder das Verhalten gezeigt. Bandura
schlussfolgerte daraus, dass alle Kinder durch die Beobachtung die Kompetenz für
aggressives Verhalten erworben hatten. (Modellierender Effekt) Je nach weiteren
Faktoren zeigten sie dieses Verhalten auch oder nicht.
In der letzten Phase der Motivation wird festgelegt, ob das Verhalten gezeigt wird.
Durch externe Anreize oder Bestrafung kann die Lehrkraft auf die
Auftretenswahrscheinlichkeit einwirken, wie auch anhand des Experiments von
Bandura sichtbar wurde. Jedoch wirkt nicht nur explizite Verstärker verstärkend,
sondern ebenfalls stellvertretende Verstärker. Stellvertretende Verstärker treten auf,
wann immer ein Kind die Belohnung /Bestrafung einer anderen Person beobachtet
und sich demnach selbst enthemmt/gehemmt fühlt, ein Verhalten zu zeigen. Als
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Lehrkraft ist es besonders wichtig sich bewusst zu machen, dass das Tolerieren von
unangebrachten Verhaltensweisen für andere Kinder als stellvertretende Verstärker
wirken kann. Ein Beispiel ist dafür das tolerieren von Zwischenrufen, welches andere
Kinder dazu enthemmen kann, ebenfalls dazwischenzurufen. Demnach sollte
sichergestellt werden, dass enthemmende Faktoren minimiert werden.
Verfügt ein Kind schon über eine beobachtete Verhaltensweise, so kann es durch die
Beobachtung zum Auslöseeffekt kommen. Früher erlerntes Verhalten wird somit
aufgrund der Beobachtung nachfolgend gezeigt. Dies kann sich die Lehrkraft zunutze
machen, indem sie selbst (sozial) erwünschte Verhaltensweisen zeigt und so die
Reaktionsbereitschaft der Schüler erhöht (Bsp. Papier in den Papierkorb werfen).
Eng verknüpft mit der Theorie des Beobachtungslernens ist auch der Ansatz des
Cognitive Apprenticeships (wobei dieser unter die konstruktivistischen Theorien
fällt). In davon inspirierten Unterrichtsmethoden arbeiten ein Experte und ein Novize
zusammen, wobei der Experte zunächst die volle Verantwortung für das Handeln
übernimmt und für den Novizen ein Modell für das Ausführen der Tätigkeit darstellt.
Während des Lernprozesses wird dem Novizen immer mehr Verantwortung
übertragen, bis er die Aufgaben schließlich alleine lernen kann. Ein konkretes Beispiel
für die Umsetzung im Unterricht ist das sogenannte „Reciprocal teaching“.
16
1.6. Selbstgesteuertes Lernen
Gliederung:
1. Selbstgesteuertes Lernen und fremdgesteuertes Lernen
2. Das Phasenbezogene Selbststeuerungsmodell von Zimmermann 2008
3. Das Ebenenbezogene Selbststeuerungsmodell von Boeckaerts 1999
4. Ausführung wichtiger Teilkomponenten und ihre Entwicklungsvoraussetzungen
1. Das Konzept des Selbstgesteuerten Lernens wurde von sozial-kognitiven und vor
allem konstruktivistischen Lerntheorie-Anhängern befürwortet. Durch
selbstgesteuertes Lernen übernimmt der Lernende Verantwortung für seinen
gesamten Lernprozess, was vom Setzen von Zielen, über den Einsatz von
Lernstrategien bis hin zur Selbstevaluation reicht. Fremdgesteuerte Lernprozesse
jedoch werden von außen vorgegeben (beispielsweise durch die Lehrkraft) und nach
Anleitung durchgeführt. Die Bewertung des Lernprozesses erfolgt ebenfalls von
außen.
2. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Modellvorstellungen unterscheiden:
Modelle, die den Prozess des selbstgesteuerten Lernens thematisieren und Modelle,
die die Ebenen des selbstgesteuerten Lernens behandeln.
Ein bekanntes Modell, welches die Phasen des Selbstgesteuerten Lernens aufzeigt
wurde 2008 von Zimmermann konzipiert. Zimmermann teilt den Vorgang des
Selbstgesteuerten Lernens in drei Phasen ein:
1. Planungsphase
- Eigene Zielsetzung
- Auswahl/Planung geeigneter Strategien
- Motivation
2. Handlungsphase
- Selbstinstruktion
- Einsatz von Lernstrategien
- Kontinuierliche Selbstüberwachung
3. Bewertungsphase
- Bewertung des Lernfortschritts
- Selbstbeobachtung und eventuell Adaption neuer Strategien
3. Boeckaert 1999 teilte hingegen in seinem 3 Schichten Modell die Ebenen des
Selbstgesteuerten Lernens in 3 Teile ein. Mit jeder Schicht wird eine „höhere Ebene“
der Regulation erschlossen.
17
2. Schicht: Regulation des Lernprozesses – metakognitive Strategien und Lernen
um weiteren Sinne
3. Schicht: Regulation des Selbst – beinhaltet Motivation, Emotion, Ziele und
Bewertung des Lernprozesses
Während der Planungsphase bei Zimmermann (entspricht der Ebene der Regulation des
Selbst bei Boeckaert) ist es sehr wichtig, dass die Schüler lernen sich geeignete Ziele zu
setzen und bei einer möglichen Auswahl an Aufgaben, sich für den richtigen
Schwierigkeitsgrad zu entscheiden. Grundsätzlich wirkt ein leichtes Überschätzen der
eigenen Fähigkeiten motivierend, während eine starke Überschätzung demotivierend wirkt.
Atkinson fand in seinem Experiment heraus, dass bei einem Ringwurfspiel die meisten
Probanden automatisch einen mittleren Schwierigkeitsgrad gewählt haben bei welchem sie
nicht sicher sein konnten, ob die die Fähigkeit hatten, die Aufgabe zu bewältigen. Jüngere
Kinder sind meist noch nicht in der Lage, Schwierigkeitsgrade von Aufgaben zu
unterscheiden vor allem dann nicht, wenn sie das Konzept „Anstrengung“ noch nicht von
den Konzepten „Glück“ und „Fähigkeit“ abgrenzen können. (Bis ca. 10-12 Jahre)
Grundsätzlich sollen Ziele laut dem Konzept von Doran 1981 SMART sein (Spezifisch,
Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert)
Auch die Selbstwirksamkeitserwartung spielt bei dem Setzen von Zielen und der nötigen
Anstrengungsbereitschaft/Motivation eine entscheidende Rolle. Sie besagt, inwiefern eine
Person meint, dass ihre Fähigkeiten eine Aufgabe zu lösen ausreichen. Die
Selbstwirksamkeitserwartung hängt entscheidend von vorherigen Lernerfahrungen wie auch
von sozialen Vergleichen ab. Kinder, die zuvor schlechte Erfahrungen gemacht haben
schätzen ihre Fähigkeiten somit häufig als zu gering ein. Eine empirische Studie von Diener
und Dweck 1980 bestätigt dies. Innerhalb eines Experiments wurden hilflos/misserfolgs-
orientierte Kinder nach dem Lösen von Aufgaben nach ihrer Meinung hinsichtlich ihrer
Leistung gefragt wobei die Kinder häufig die Anzahl an falschen Antwort überschätzten und
die Anzahl an richtigen Antworten unterschätzten.
Ebenfalls beeinflusst das persönliche Interesse der Kinder die Motivation entscheidend. Im
Entwicklungsverlauf kommt es zu einer Verengung/Spezifizierung des Interesses auf
außerschulische Aktivitäten, weshalb bei Kindern im Schulalter das Interesse stetig abnimmt.
Die Durchführungsphase bei Zimmermann ist durch den selbstgesteuerten Einsatz von
Lernstrategien gekennzeichnet (Entspricht der Regulation des Lernprozesses bei Boeckaert).
Hier kommt es zu erheblichen Unterschieden des Einsatzes von Lernstrategien im
Entwicklungsverlauf. Während junge Kinder den Einsatz der Strategien noch nicht
nachvollziehen können und die Strategien noch nicht anwenden können (Mediationsdefizit)
kommt es bei Grundschulkindern häufig zum Produktionsdefizit. Das bedeutet, dass sie die
Strategien theoretisch ausüben können, aber selbst noch nicht daran denken, die Strategien
selbstständig spontan anzuwenden. Auch später noch haben Schüler Schwierigkeiten mit
Lernstrategien denn oft erbringen sie besonders am Anfang noch nicht die gewünschten
Ergebnisse. Es handelt sich hierbei um ein sogenanntes Nutzungsdefizit, denn das
Anwenden der Strategie erfordert häufig noch sehr viel Kapazität im Arbeitsgedächtnis, ehe
der Prozess automatisiert wird. Eine Studie von Hübner et al 2010 belegt dies. Innerhalb
eines Experiments wurden Oberstufenschüler dazu aufgefordert ein Lerntagebuch zu führen.
Bei einer Leistungsabfrage kurz danach erbrachten sie jedoch keine besseren Leistungen als
18
die Kontrollgruppe, die kein Lerntagebuch geführt hatte. Erst bei einem zweiten Durchgang
eine Woche später mit neuen Lerntagebucheinträgen besserten sich die Noten der
Lerntagebuchschreiber.
Die Selbstüberwachung des korrekten Einsatzes von Lernstrategien kann zudem nur
angewandt werden, wenn Kinder Wissen über ihre Metakognition erworben haben, was
eines Experiments von Kreutzer et al 1957 zufolge erst ab ca. der 5. Klasse erreicht ist. Zuvor
haben die Kinder kein Verständnis dafür, dass Gedächtnisleistungen personen- und
situationsabhängig sein können und die zu ihren Gedächtnisleistungen befragten Kinder in
Kreutzers Experiment gaben an, dass sie nie etwas vergessen.
Ebenfalls ist es wichtig, dass die Kinder in der Handlungsphase bei Zimmermann ihre
Aufmerksamkeit fokussieren und sich selbst kontrollieren. Corno entwickelte verschiedene
Strategien zur Selbstkontrolle, wie die Gedankliche Vorwegnahme von
Belohnung/Bestrafung, Aufwertung eines Ziels durch gedankliche Vergegenwärtigung oder
öffentliches Bekennen zur Zielverpflichtung.
Die Selbstbeurteilung setzt voraus, dass die Kinder Gütemaßstäbe kennen und sich
bestenfalls nach einer individuellen Bezugsnorm orientieren (also ihren Lernfortschritt
wertschätzen) anstatt sich mit anderen Kindern zu messen. Auch das kann mit dem Einsatz
von Lerntagebüchern verbessert werden.
19
1.7. Problemorientiertes Lernen
Gliederung:
1. Das Problemorientierten Lernens kam mit dem Konstruktivismus auf. Ein zentrales
Konzept des sogenannten „Entdeckenden Lernens“ wurde 1961 von Bruner geprägt.
1.1. Problemorientiertes Lernen stützt sich auf die Annahmen, dass Lernen immer
situiert stattfindet, also an einen bestimmten Kontext gebunden ist und dass
Wissen von den Lernenden internal konstruiert werden muss. Durch
problemlösendes Lernen soll so der Transfer von Wissen auf verschiedene
Anwendungsgebiete sichergestellt werden. Ebenfalls setzt Problemlösendes
Lernen voraus, dass es oft mehrere zielführende Operationen zur Lösung eines
Problems gibt, welche im Zuge eines instruktionsgestützten Unterrichts aber
nicht alle thematisiert werden können. Beim Problemlösenden Lernen wird
zudem nicht nur Inhaltswissen/Sachwissen erworben sondern Heuristische
Problemlösestrategien und Metastrategien.
1.2. Das Problemorientierte Lernen stellt eine der drei bekannten Lehrstrategien
von Hasselhorn & Gold 2013 dar. Unterrichtssequenzen werden laut Modell in
drei Teile geteilt: einer Konfrontationsphase, in welcher die Schüler mit einem
Problem konfrontiert werden (Ist-Soll-Diskrepanz, kognitiver Konflikt) einer
Entdeckungsphase mit dem Einsatz von Heuristischen (oder analogen) Strategien
und der Auflösungsphase. Die zu behandelnden Probleme sind meistens
lebensnah und an das Vorwissen der Schüler angepasst.
20
Reusser und Stebler 1997 testete Schüler im Mathematikunterricht auf ihren
Einsatz von bekanntem Weltwissen bei der Lösung von einer (unlösbaren)
Mathematikaufgabe. Erstaunlicherweise äußerten lediglich 18% Überlegungen
die darauf hindeuteten, dass sie bei der Lösung der gestellten Aufgabe statt
ausschließlich algebraisches Wissen auch ihr Weltwissen anwandten. Ein weiteres
Experiment von Carraher et al 1985 behandelte ebenfalls den Lerntransfer.
Brasilianische Straßenkinder wurden zunächst in einer Verkaufssituation dazu
gebracht, eine mathematische Operation durchzuführen (Multiplikation). Die
dabei verwendeten Lernstrategien wurden notiert. In einem weiteren Schritt
wurde den Kinder dieselbe Aufgabenstellung in einem schulischen Kontext
präsentiert. Die Kinder wendeten erstaunlicherweise verschiedene Strategien zur
Lösung der Aufgabe an.
Dieses Phänomen lässt sich mit den Worten Caxtons 1990 aus
Gedächtnispsychologischer Sicht erklären. Wissen, wird im Langzeitgedächtnis in
Form von Schematas repräsentiert. Träges Wissen, also Wissen, dass losgelöst
vom Lernkontext nicht auf andere Situationen angewandt werden kann, entsteht
dann, wenn das Schulschema unabhängig vom Alltagsschema ist. Dies ist in den
beiden Experimenten aufgetreten.
Problemlösendes Lernen kann hier dagegensteuern, indem die Kinder von
vorneherein mit alltagsnahe Situationen konfrontiert werden und sich den
richtigen Lösungsweg selbstständig konstruieren müssen, weshalb echtes
Verständnis konstruiert wird. (Dadurch können die gelernten Informationen
durch mehrere Propositionen im Gedächtnis verknüpft werden, was einerseits
die Behaltensleistung verstärkt und andererseits das spätere Abrufen
erleichtert.?)
2.2. Problemlösendes Lernen wirkt sich ebenfalls positiv auf die
Verarbeitungstiefe aus. Einem Experiment von Craik und Lockhart 1972 zufolge,
ist der Verarbeitungsprozess in der Aneignungsphase entscheidend für eine
spätere Erinnerungsleistung. Wird eine Information mit Vorwissen verknüpft und
so im Netzwerk verankert, so liegt eine tiefe Verarbeitung vor, was die
Gedächtnisspuren dauerhaft werden lässt. Besonders wirksam ist es Craik und
Lockhart zufolge, wenn die Informationen mit der eigenen Person in Verbindung
gebracht werden – was beim Problemlösenden Lernen durch lebensnahe
Probleme der Fall ist.
3. Damit die Schüler vom Problemlösenden Lernen profitieren können, muss die
Lehrkraft auf einige Dinge achten. Die Methode des Problemlösenden Lernens kann
bei einigen Lerninhalten nicht eingesetzt werden, da die Lerninhalte entweder mehr
auf inhaltliches Wissen als auf fähigkeitsbezogenes Wissen abzielen oder es zu einer
kognitiven Überforderung der Schüler kommen kann (laut Leutner 1992). Die
Lehrkraft muss sich bewusst sein, dass die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses
begrenzt ist und bei einer zu komplizierten Aufgabe das Arbeitsgedächtnis überlastet
werden kann. Diese Überlastung kann auch stattfinden, wenn das Problem in einem
zu weiten Kontext dargestellt wird und die Schüler nicht wissen, auf welchen Aspekt
sie ihre Aufmerksamkeit lenken sollen (also Schwierigkeiten haben, das Problem an
sich zu definieren).
Besonders für lernschwache Schüler und jüngere Schüler, die mit metakognitiven
Strategien noch nicht sehr vertraut sind, sind instrukturelle Methoden oftmals besser
21
geeignet, da der Einsatz von Strategien zu viel Kapazität im Arbeitsgedächtnis
beansprucht als dass das Problem erfolgreich gelöst werden kann.
3.1. Der Ansatz des Cognitive Apprenticeship taucht in der Forschung des
Konstruktivismus als Prototypische Form des Problemorientierten Lernens auf,
obgleich es eigentlich Aspekte des instrukturell gesteuertem Unterrichts und des
selbstgesteuerten/problemorientierten Unterrichts verbindet. In einer
mehrteiligen Lernphase wird einem Novizen unter Anleitung eines Experten eine
Fähigkeit beigebracht. In einem ersten Schritt erfolgt die Anleitung durch den
Experten, der die volle Verantwortung über den Lern- und Arbeitsprozess
übernimmt (entspricht der direkten Instruktion). In den weiteren Lernphasen tritt
der Experte weiter in den Hintergrund und gibt die Verantwortung Stück für Stück
an den Novizen ab, bis er das Problem alleine lösen kann/die Arbeit alleine
verrichten kann. Diese Kombination als Instruktion und selbstgesteuertem
Problemlösen scheint besonders für lernschwache Schüler hilfreich zu sein, da sie
nicht ohne Hilfestellung mit dem Problem alleine konfrontiert werden.
22
1.8. Gedächtnisprozesse
Gliederung:
2. Die Enkodierung bedeutet das Einprägen von Wissen und findet in einem ersten
Schritt des Wissenserwerbs statt. Dem „Drei-Komponenten Modell“ von Atkinson
und Shiffren 1965 zufolge ist für die Enkodierung von Wissen das sensorische
Register und das Arbeitsgedächnis von Bedeutung.
2.1. Das sensorische Register ist die erste Instanz des Gedächtnisses. Es ist sehr
groß umfasst jedoch eine geringe Speicherdauer (1/2-1 Sekunde für visuelles. 2-4
Sekunden für auditives). Durch Kontrollprozesse kann die Menge an „Daten“, die
das sensorische Gedächtnis erreichen verringert werden. Einer dieser
Kontrollprozesse ist die Steuerung der Aufmerksamkeit. Durch Verengung der
Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte kann die Wahrscheinlichkeit erhöht
werden, dass diese Aspekte zur weiteren Verarbeitung ins Kurzzeitgedächtnis
erlangen.
2.1.1. Die Aufmerksamkeit des Menschen ist begrenzt, deshalb ist es wichtig,
dass Lehrkräfte wissen, wie sie die Aufmerksamkeit ihrer Schüler wecken
können. Dies kann durch Hinweisreize geschehen wie aktive
Aufforderungen, veränderte Sprechweisen aber auch durch
Methodenvielfalt. Außerdem muss sichergestellt werden, dass der
Unterricht möglichst frei von Ablenkungen ist, wie Störungen aber auch
23
nicht zu viele Reize eingesetzt werden oder gleichzeitige Tätigkeiten
gefordert werden (z.B. Zuhören und gleichzeitiges Abschreiben)
2.2. Wurde die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Reiz gelenkt, der auf das
sensorische Register traf, so wird die Information im Arbeitsgedächtnis weiter
verarbeitet. Das Arbeitsgedächnis speichert Informationen so lange zwischen, bis
diese mithilfe des Vorwissens aufgearbeitet worden sind. Baddeley hat 2000 das
Konzept des Arbeitsgedächnisses entworfen und es in 4 Komponenten unterteilt.
Der räumlich-visuelle Notizblock speichert Visuelles und sprachliche
Zusammenhänge, die phonologische Schleife speichert Auditives während der
Episodische Puffer zwischen beiden Instanzen und dem episodischen
Langzeichtgedächtnis kommuniziert. Über allem steht die sogenannte zentrale
Exkekutive als Kontrollinstanz.
2.2.1. Doch auch das Arbeitsgedächtnis kann überlasten weshalb es wichtig ist
als Lehrkraft dem vorzubeugen. Dieser Überlastung kann entgegengewirkt
werden, wenn die Aufmerksamkeit der Kinder stets konstant gehalten
wird, die Anzahl der unwichtigen Umgebungsreize verringert wird und
Prozesse automatisiert werden, sodass sie weniger Kapazität in Anspruch
nehmen. (Beispielsweise können Kinder sich beim Lesen erst auf den
Inhalt konzentrieren, wenn der Leseprozess automatisiert ist). Auch die
Zusammenfassung von Informationen in Kategorien (‚Clustering’) kann
helfen, die Belastung des Arbeitsgedächtnisses zu verinngern (Beispiel:
Experiment von Bauer zu Mineralien)
24
Craik und Lockhart zufolge werden Informationen ebenfalls besser
aufgearbeitet, wenn sie mit der eigenen Person in Verbindung stehen.
Dies würde für den Einsatz von entdeckenden Lernstrategien
/Problemlösenden Lernstrategien sprechen, bei denen die Schüler
(lebensnahen) Problemen ausgesetzt sind, die sie zu lösen haben.
3.2. Wenn mehrere Begriffe verknüpft werden, entstehen Assoziationen die auch
Propositionen genannt werden. Gagné et al zufolge werden neue Informationen
immer in Proposition übersetzt und mit den schon vorhandenen Propositionen im
Gedächtnis abgeglichen. Dabei aktivieren sie weitere Propositionen und können
selbst eingeordnet werden. Informationen, die nicht mit Bekanntem in
Verbindung gebracht werden können, gehen dabei verloren, was die Bedeutung
der Aktivierung des Vorwissens durch die Lehrkraft verdeutlicht. Je intensiver sich
ein Schüler mit dem neuen Stoff und den bekannten Strukturen befasst, desto
mehr Propositionen werden aktiviert und desto besser kann das Wissen
verankert werden. Dies spricht für intensive schlussfolgernde und
problemlösende Lernmethoden, bei denen eine intensive kognitive Beschäftigung
mit dem Lernstoff gewährleistet wird = Gagné spricht hier von erarbeiteten
Propositionen.
3.3. Komplexeres Wissen wird anhand von Schematas abgespeichert, die mehrere
Propositionen und Begriffe enthalten. Schematas sind stets kontextspezifisch und
emotionsbesetzt. Die Bedeutung von Schematas wurde von Brewer und Treyens
in einem Experiment untersucht 1981. Studenten sollten in einem Arbeitszimmer
eines Professors Platz nehmen. Nach 35 Sekunden wurden sie in einen weiteren
Raum gebracht und zu dem Arbeitszimmer befragt. Das Ergebnis war, dass sich
die Schüler an typische Objekte erinnern konnte, werden untypische Objekte
25
schlecht erinnert wurden. Ebenfalls wurden Objekte erfunden, die typisch für den
Raum wären, aber gar nicht vorhanden waren. Dies zeigt, dass beim Betreten des
Zimmers ein Schema der Studenten zu einem Arbeitszimmer aktiviert wurde und
nicht relevante Details die nicht ins Schema passten vergessen wurden. Ist sich
die Lehrkraft dieser Art von Informationsspeicherung und Verarbeitung bewusst,
kann sie besser auf die Schüler eingehen beispielsweise indem sie bewusst
Schematas aktiviert um die Speicherung des Wissens zu verbessern.
26
1.9. Vorwissen
Schildern Sie empirische Befunde darüber, wie Vorwissen die Aufnahme, die Speicherung
und den Abruf von Wissen beeinflusst!
Leiten Sie aus Befunden zu erschwertem Wissenserwerb ab, wie Lehrkräfte dem
entgegenwirken können!
Gliederung:
1. Gedächtnisprozesse
2. Die Bedeutung von Vorwissen
2.1. Die Bedeutung von Vorwissen für die Elaboration von Wissen
2.1.1. Das sensorische Gedächtnis und die Aufmerksamkeit
2.1.2. Das Arbeitsgedächtnis und die Organisation
2.1.3. Die Verarbeitungstiefe
2.2. Die Bedeutung von Vorwissen für die Speicherung von Wissen
2.2.1. Das Langzeitgedächtnis: Propositionen und Schematas
2.2.2. Wahrnehmungsverzerrung als negative Folge
2.3. Die Bedeutung von Vorwissen für den Abruf von Wissen
3. Erschwerter Wissenserwerb und Abhilfe
2.1.
2.1.1. Während der Aufnahme/Elaborationsphase kommt es zur Auswahl und
Organisation (vgl Mayer 1996) der Informationen, die auf das sensorische
Register treffen, also auf den Menschen einwirken. Hier ist das Vorwissen
bedeutsam, da die Aufmerksamkeit durch Wissen über relevante Inhalte
auf eben diese gelenkt wird. Nicht-Relevantes wird ausgeblendet. Eine
Studie von Jarodzda et al 2010 untersuchte diesen Aspekt, indem sie zwei
Gruppen von Probanden dazu aufforderten, etwas über die
Schwimmbewegungen von verschiedenen Fischen durch Beobachtung zu
lernen. Die Probanden mit Vorwissen konzentrierten sich dabei
nachweislich stärker auf relevante Merkmale zur Bestimmung des
Schwimmverhaltens während die Probanden ohne Vorwissen häufig für
die Aufgabenstellung nicht relevante Aspekte beobachteten.
2.1.2. Während der ersten Aufarbeitungsprozesse im Arbeitsgedächtnis (dem
Konzept von Baddeley zufolge) kommt es sowohl zur
Zwischenspeicherung von Informationen als auch zur ersten Ausarbeitung
durch den episodischen Puffer, welcher zwischen räumlich-visuellem
27
Notizblock, phonologischer Schleife und dem Langzeitgedächtnis
kommuniziert (vgl. Baddeley 2007). Um die geringe Kapazität des
Arbeitsgedächtnisses auszunutzen, hilft das Vorwissen, die Informationen
sinnvoll zu organisieren und gruppieren. Auch hierzu wurde eine Studie
von Chi, Feltovich und Glaser (1981) durchgeführt, bei welcher Probanden
dazu aufgefordert wurden, Physikaufgaben zu sortieren. Teilnehmer mit
wenig Vorkenntnissen stützen sich auf eher oberflächliche Aspekte der
Aufgaben während Teilnehmer mit Vorkenntnissen die Aufgaben sinnvoll
nach Themengebieten sortieren konnten.
28
2.2.2. Doch dieser Einsatz von Schematas kann auch zur
Wahrnehmungsverzerrung führen. Einige Studenten nannten nämlich
auch Arbeitszimmertypische Gegenstände, die gar nicht da waren.
Ähnliches wurde in einer Studie von Bartlett 1932 bestätigt, als
Probanden Geschichten aus fremden Kulturkreisen erzählt wurden und sie
bei der Nacherzählung Zusammenhänge nach ihrem Vorwissen
vereinfachten (Nivellierung), bestimmte Details die ihnen wichtig
erschienen hervorhoben und die Geschichte so veränderten, dass sie
besser zu ihrem Vorwissen passte (Assimilierung).
2.3. Die Studenten in der genannten Studie von Brewer und Treyens zeigten, dass
das Vorwissen auch für den Abruf von Informationen entscheidend ist. Sie griffen
auf ihre internalen Schematas zurück, um sich besser an die Sachverhalte in dem
Arbeitszimmer erinnern zu können. Schematas enthalten verschiedene
Propositionen und Begriffe, die miteinander verbunden sind. Bei der Aktivierung
einer Proposition, werden benachbarte Propositionen ebenfalls aktiviert.
(Aktivierungsausbreitung). Je mehr Verknüpfungen zu einem Begriff oder
Sachverhalt hergestellt wurden, desto schneller kann man sich beim Abruf daran
erinnern. Ein maßgebliches Experiment wurde hierzu auch von de Groot (1965)
bezüglich der Experten-Novizen Forschung durchgeführt. Schachspieler mit
unterschiedlichen Wissensniveaus mit sollten sich für einige Sekunden Positionen
merken. Schachmeister erinnerten sich anschließend schneller und fehlerfreier an
die Anordnungen als noch nicht so fortgeschrittene Spieler. Dies beweist, dass sie
auf Schematas hinsichtlich möglicher Anordnungen oder ihr Vorwissen
hinsichtlich Spielverläufen zurückgriffen.
3. Doch das Vorwissen kann auch hinderlich für den Wissenserweb sein. Nicht nur
durch die schon benannte Wahrnehmungsverzerrung beim Einsatz von Schematas
(Vgl. 2.2.2.) sondern auch Interferenzen können auftreten. Hierbei wird zwischen der
proaktiven und der retroaktiven Hemmung unterschieden. Bei der Proaktioven
Hemmung beeinflussen zuvor gelernte Inhalte das Erlernen neuer Inhalte die diesen
ähneln. Ein Experiment hierzu wurde von Underwood durchgeführt, der Probanden
CVC Triagramme lernen ließ (sinnlose Silbenanreihungen) und herausfand, dass mit
zunehmender Zahl an gelernten Triagrammen das Lernen erschwert wurde. Bei der
retroaktiven Hemmung wird durch das Erlernen eines neuen Konzepts, der Abruf
eines älteren ähnlichen Konzepts erschwert.
Lehrkräfte können diesen Interferenzen entgegenwirken, indem sie das Vorwissen
der Schüler aktiv aktivieren in der ersten Unterrichtsphase (Vgl. Konzept der Advance
Organizers von Ausubel) und die Schüler konkret auf Unterschiede zu ihrem jetzigen
Wissensstand hinzuweisen. Ebenfalls können Automatisierungsprozesse durch
stetiges Üben helfen, den sicheren Abruf von Informationen sicherzustellen, da das
Arbeitsgedächtnis entlastet wird.
29
1.10. Selbstreguliertes Lernen und Lernstrategien
Zeigen Sie anhand zentraler Modelle und empirischer Befunde die Bedeutung
selbstregulierten Lernens am Gymnasium auf!
Beschreiben Sie zentrale Lernstrategien und zeigen Sie, wie diese in der Schule angeregt
und gefördert werden können!
Gliederung:
1.1. Das drei Schichten Modell von Boeckhart (1999) unterscheidet zwischen drei
Arten der Regulationssystemen, die allesamt beim Selbstgesteuerten Lernen
beteiligt sind. Die Regulation des Selbst bildet den äußeren Rahmen und stellt die
Motivation und Zielsetzung des Lernenden dar. Die Regulation der Lernprozesse
bedeutet die Kontrolle über eingesetzte Strategien und die Metakognition und
die Regulation der Informationsverarbeitung umfasst die Auswahl an geeigneter
kognitiver Strategien. Da die Schüler auf dem Gymnasium gerade in den höheren
Klassenstufen mir einer Fülle an Unterrichtsstoff konfroniert werden ist es
wichtig, dass sie im Rahmen dieser Regulationssysteme lernen, sich Ziele
hinsichtlich Leistungen zu setzten und sich entsprechend zu motivieren
(Regulation des Selbst), ihre Lernzeit zu planen und Informationen zu
organisieren (Regulation der Lernprozesse) sowie über konkrete kognitive
Lernstrategien Bescheid zu wissen.
30
1.2. Das 3 Phasen Modell bezieht sich anstatt auf die Arten der Selbstregulation
auf den Einsatz und die vorherrschenden Phasen der Selbstregulation.
Zimmermann (2008) unterscheidet hier drei verschiedene Phasen. In der ersten
Handlungsphase (Planungsphase/prä-aktionale Phase) werden Ziele gesetzt,
Aufgaben analysiert und die Motivation geweckt. In der folgenden
Handlungsphase (aktional) folgt die Selbstinstruktion, Aufmerksamkeitsfokus auf
relevante Inhalte und eine stete Selbstüberwachung, In der letzten Phase, der
Auswertungsphase (Selbstreflexionsphase/postaktional) wird der Lernfortschritt
durch den Lernenden selbst beurteilt und gegebenenfalls angepasst. Das Modell
von Zimmermann stellt somit im Vergleich zu Boeckhart die konkreten
Handlungen und speziell den Fokus auf Selbstüberwachung und Evaluation in den
Vordergrund. In der Schule, so wie auch am Gymnasium werden Leistungen
durch eine Lehrkraft bewertet. Nichts desto trotz ist es für den Lernfortschritt der
Schüler wichtig, dass diese durch Selbstregulationsprozesse lernen, ihre Zensuren
auf ihre Fähigkeiten zurückzuführen und diese durch Selbstregulationsprozesse
beim Wissenserwerb zu beeinflussen.
2. Ein zentraler Bestandteil der Modelle der Selbstregulation ist der Einsatz von
Lernstrategien (bei Boeckhart in der Ebene der Regulation des Lernprozesses und der
Informationsverarbeitung und bei Zimmermann besonders während der
Handlungsphase). Lernstrategien sind Handlungspläne zur Steuerung des eigenen
Lernverhalten, die sich aus einzelnen Handlungssequenzen zusammensetzen. Es
werden zwischen Primär-(Kognitiv und Metakognitiv) und Sekundärstrategien
(Ressourcenbezogen) unterschieden. Die Entwicklung von Lernstrategien ist Sharp et
al (1978) zufolge von der Dauer des Schulbesuchs abhängig und nicht vom Alter,
weshalb es wichtig ist, diese in der Schule zu fördern.
2.1. Leutner und Leopold konnten 2005 in einer Studie feststellen, dass
computerbasierte Trainings in denen Lernstrategien gefördert werden zur
Verbesserung des Textverständnisses führten und auch PISA zeigte 2001, dass es
einen positiven Zusammenhang zwischen Lernstrategien (in diesem Fall
Elaborations- und Kontrollstrategien) und der Lesekompetenz gibt.
Der Einsatz von diesen kognitiven Lernstrategien kann den Schülern vermittelt
werden, indem sie ihnen demonstriert werden und ihnen ausreichend Zeit gegeben
31
wird, diese zu erproben. Auch ist es wichtig, dass die Schüler den Nutzen der
Strategie verstehen und eventuell durch Vergleiche mit anderen Strategien
nachvollziehen können. Wichtig ist es als Lehrkraft zu wissen, dass es auch bei
erfolgreicher Anwendung einer Strategie zu einem Nutzungsdefizit kommen kann,
das bedeutet, dass die Strategie angewandt wird aber noch keine Vorteile bringt was
mit der fehlenden Übung und der demnach starken Belastung des
Arbeitsgedächtnisses zu tun hat. Für das Selbstgesteuerte Lernen im Zuge des
möglichst stabilen Wissenserwerbs sind besonders die Organisations- und
Elaborationsstrategien von Bedeutung, da mit ihnen eine längerfristige Verknüpfung
des Wissens im Langzeitgedächtnis gewährleistet wird. Die sogenannten
Mnemotechniken können zu den Wiederholungsstrategien gezählt werden denn es
handelt sich nicht um eine aufarbeitende Verarbeitung von Wissen, sondern von
Strategien wie man sich für sich genommen bedeutungslose Informationen merken
kann.
Die metakognitiven Strategien hingegen zielen auf die Planung und Kontrolle des
Lernprozesses selbst ab. Die Lernenden können bei der Zielsetzung und der Auswahl
an Lernstrategien unterstützt werden. Maßgebend hierfür ist, dass sie bereits ein
realistisches Selbstwirksamkeitskonzept erworben haben, also ihre Fähigkeit und die
Schwierigkeit von Aufgaben einschätzen können. Dies ist jedoch mit Eintritt in die 5.
Klasse im Normalfall gegeben. Das Wissen über die eigenen
Arufmerksamkeitsprozesse/Konzentrationsfähigkeit sowie Unterscheidbarkeit
zwischen relevanten und nicht relevanten Reizen verbessert sich mit zunehmendem
Alter.
32
1.11. Beobachtungslernen vs. Mehrspeichermodell
Erläutern Sie das Lernen am Modell, z.B. nach Bandura (1971), sowie ein
Mehrspeichermodell des Gedächtnisses!
Stellen Sie die beiden Theorien einander gegenüber und beschreiben Sie die
Gemeinsamkeiten und Unterschiede!
Leiten Sie aus beiden Theorien jeweils drei Konsequenzen für den Unterricht am
Gymnasium ab und illustrieren Sie je eine dieser Konsequenzen an einem konkreten
Beispiel.
Gliederung:
2. Lernen nach dem kognitiven Prinzip des Mehrspeichermodells von Atkinson und
Shiffrin
2.1. Unterricht unter dem Aspekt des kognitiv gesteuerten Wissenserwerbs
1. Bandura entwickelte 1971 im Zuge des Sozial-Kognitivismus die Theorie des Lernens
am Modell, dass sich auf das Prinzip des Beobachtungslernen stützt. Im Zuge eines
durchgeführten Experiments zeigte Bandura Kindern Videosequenzen in denen eine
erwachsene Person eine Puppe schlägt und dafür entweder belohnt wird, bestraft
wird oder keine externe Reaktion folgt. Anschließend wurden die Kinder in einen
Raum geführt, in dem sich eine ähnliche Puppe befand und ihr Verhalten beobachtet.
Bandura fand heraus, dass die Kinder das zuvor gesehene Verhalten nachahmten und
zwar umso wahrscheinlicher, umso eher sie eine Belohnung dafür erwarteten (da das
zuvor gesehene Modell in diesen Fällen ebenfalls belohnt wurde). Kinder, die das
bestrafte Modell beobachtet hatten verhielten sich zögerlicher aber reagierten durch
externe Anreize ebenfalls mit Aggression der Puppe gegenüber. Bandura
schlussfolgerte daraus, dass Lernen nicht wie zuvor durch den Behaviorismus
begründet rein von externen Reizen aus gesteuert wird, sondern dass das Umfeld
erheblichen Einfluss auf Lernprozesse nehmen kann. Vor allem die Eigenschaften des
Modells spielen hierbei eine Rolle (Modelle, die attraktiv und erfolgreich sind
beziehungsweise mit welchen sich die Lernenden identifizieren können sind
erfolgreicher.)
Bandura zufolge erwerben Kinder durch Beobachtungsprozesse Fähigkeiten. Dieses
Beobachtungslernen teilt Bandura in zwei Phasen mit je zwei Schritten ein. Er
unterscheidet zwischen der Aneignungsphase (Aufmerksamkeit +
Gedächtnisprozesse) und der Ausführungsphase (Reproduktion + Motivation). Die
Tatsache, dass viele Kinder des Experiments nicht ausschließlich die gezeigten
Handlungen zeigten, sondern ebenfalls eigene aggressive Verhaltensweisen
ausführten ließ Bandura außerdem schlussfolgern, dass das Lernen durch
33
Beobachten mehr ist als bloßes Imitieren. Die Kinder hatten augenscheinlich ein
eigenes Konzept von Aggression durch Beobachtung erworben und konnten dieses
auch anwenden. Die Anwendungsbereitschaft ist Bandura zufolge vor allem von den
Konsequenzen die die Kinder erwarten abhängig. Die Belohnung des betrachteten
Modells für ihr Verhalten fungiert als stellvertretender Verstärker für die
Verhaltensweisen der Kinder.
1.1. Einige Beobachtungen aus Banduras Theorie lassen sich auch noch heute auf
den Unterricht übertragen.
• Die Tatsache, dass Kinder durch Beobachtung lernen spricht für eine
Kombination aus Präsentation der Lerninhalte (besonders, wenn es sich
dabei um Tätigkeitsgestützte Fähigkeiten handelt wie beispielsweise
mathematische Operationen) und Übungsphasen in denen die Kinder ihr
erworbenes Wissen anwenden können. Konzepte wie das des „Cognitive
Apprenticeships“ verbinden beispielsweise die genannten Konzepte und
können so einen Rahmen für entsprechende Unterrichtsmethoden
darstellen.
• Die Lehrkraft stellt durch ihre Autorität ein Modell für ihre Schüler dar und
sollte sich dessen in ihren Verhaltensweisen bewusst sein. Aufgrund des
Modellierenden Effekts können sich gezeigte positive Verhaltensweisen
der Lehrkraft auf die Kinder übertragen.
• Durch Maßnahmen der Bestrafung kann es auch zur Hemmung von
(unerwünschten) Verhaltensweisen kommen. Dies kann dadurch
entstehen, dass das störende Kind selbst diese Bestrafung erfahren hat,
aber auch wenn ein anderes Kind stellvertretend für eine bestimmte
Verhaltensweise bestraft wurde. Umgekehrt kann es jedoch auch zu
einem enthemmenden Effekt kommen, wenn keine Konsequenz einem
unerwünschten Verhalten folgen. Auch dies kann stellvertretend erfolgen.
è Ein Beispiel hierfür sind bekannte unerwünschte Zwischenrufe.
Werden diese nicht mit Konsequenzen geahndet so können sich
neben dem ursprünglich störenden Kind auch die anderen dazu
ermutigt (bzw. „enthemmt“) fühlen, ebenfalls dazwischenzurufen
34
(laut Baddeley unterteilt in 3 weitere Instanzen: räumlich-visueller Notizblock,
phonologische Schleife, episodischer Puffer und darüber hinaus eine steuernde
Instanz) dient zur Zwischenspeicherung von Informationen (Kapazität 7 +/-2
Einheiten) und zu einer ersten Aufarbeitung wobei hier auch schon auf das
Langzeitgedächtnis zurückgegriffen wird (Vgl. Baddeley -> Episodischer Puffer
kommuniziert mit Langzeitgedächtnis). Das Langzeitgedächtnis umfasst das gesamte
Wissen eines Individuums und wird durch Netzwerkmodelle repräsentiert.
2.2. Ein Kerninhalt der Theorie des Mehrspeichermodells ist die Bedeutung der
Aufmerksamkeit und des Vorwissens für Lernprozesse. Auch die Funktionalität von
Automatisierungsprozessen durch vermehrtes Üben können anhand des
Mehrspeichermodells erklärt werden.
• Sofern die Aufmerksamkeit der Schüler auf einen gewissen Sachverhalt
gelenkt wird, kann die Information ins Arbeitsgedächtnis gelangen. Deshalb
ist es wichtig als Lehrkraft sicherzustellen, dass die Aufmerksamkeit der
Schüler geweckt wird und auf relevante Aspekte gelenkt wird. Nachteilig sind
hingegen Methoden, die irreführend hinsichtlich der genauen
Aufmerksamkeitszuwendung sind.
è Ein Beispiel hierfür sind audiovisuelle Methoden, in denen zu viel
gleichzeitig passiert oder komplizierte Aufgabenstellungen mit
unwichtigen Details
• Nur durch Verknüpfung mit dem Vorwissen können neue Lerninhalte im
Langzeitgedächtnis verankert werden. Demnach ist es wichtig, dass im
Unterricht Vorwissen aktiviert wird, bevor neue Inhalte gelernt werden.
Baddeley zufolge wird das Vorwissen schon im Arbeitsgedächtnis zur
weiteren Aufarbeitung benötigt, da der sogenannte Episodische Puffer
zwischen dem Arbeitsgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis kommuniziert.
• Ebenfalls auf das Arbeitsgedächtnis bezogen lässt sich anhand des
Mehrspeichermodells erklären, weshalb vermehrtes Üben zu besseren
Lernergebnissen führt. Da das Arbeitsgedächtnis nur eine geringe Kapazität
hat muss (insbesondere prozedurales) Wissen automatisiert werden um
weniger Kapazität in Anspruch zu nehmen. Deshalb ist vermehrte Üben von
verschiedenen Aufgabentypen im Unterricht wichtig, damit die Schüler ihre
Aufmerksamkeit und Gedächtniskapazität auf relevante Aspekte
konzentrieren können.
• Sowohl Banduras Theorie als auch Atkinsons und Shiffrins Theorie nehmen
an, dass der Lernende nicht eine rein passive Stellung im Lernprozess
einnimmt. Bandura stellt zwar fest, dass alle Kinder durch Beobachtung eine
innere Repräsentation erlernen, jedoch können sie – anders als beim
Behaviorismus – steuern, ob sie das erlernte Verhalten zeigen oder nicht
zeigen. (Ausgehend von erwarteten Konsequenzen). Die Lernenden nach
Atkinson und Shiffrin sind jedoch noch weitaus freier, denn ihnen zufolge
kann der Lernende durch Aufmerksamkeitssteuerung zusätzlich Einfluss
35
darauf nehmen, was er genau lernt. Auch unterscheidet das Vorwissen
darüber, wie und was an neuen Wissensinhalten im Langzeitgedächtnis
verankert wird und wie schnell Dinge im Arbeitsgedächtnis aufgearbeitet
werden können (Vgl. Automatisierungsprozesse).
• Das Mehrspeichermodell geht außerdem nur indirekt auf die Lernumwelt ein.
Während Bandura konkret erklärt, dass Modelle, die dem Betrachter ähneln
wirksamer für Lernprozesse sind, kann dies beim Mehrspeichermodell nur
dadurch erschlossen werden, dass attraktive/besondere Modelle eher die
Aufmerksamkeit wecken und die inneren Lernprozesse somit in Gang setzen.
• Atkinson und Shiffrin zufolge kann außerdem alles Erlernte und im
Langzeitgedächtnis verankerte durch die richtigen Hinweisreize abgerufen
werden. Bandura zufolge werden erlernte Verhaltensweisen jedoch auch
insbesondere von externen Anreizen gesteuert.
• Eine Gemeinsamkeit ist, dass beide Theorien von Gedächtnisprozessen
ausgehen, obgleich diese beim Mehrspeichermodell weitaus detaillierter
dargestellt werden.
36
1.12. Behaviorismus und Kognitivismus
Stellen Sie die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Lernens als
Verhaltensänderung und des Lernens als Veränderung kognitiver Strukturen dar.
Beschreiben Sie anhand schulischer Beispiele, welche theoretischen Ansätze für welchen
spezifischen Lernphänomene geeignet sind.
Gliederung:
1. Die Auffassung des „Lernen als Verhaltensänderung“ kam während der Zeit des
Behaviorismus auf und beinhaltet die Kernannahme, dass jeder alles lernen kann und
Lernprozesse durch Verhaltensänderungen sichtbar werden. Der Kognitivismus kam
hingegen erst zur kognitiven Wende auf und beschreibt Lernen als einen Prozess der
internen Informationsverarbeitung durch Gedächtnisprozesse.
1.1. Die Behavioristen stützen sich vor allem auf Methoden des Klassischen
Konditionierens und des operanten Konditionierens um Verhaltensänderungen
an Individuen herbeizuführen. Nur sichtbare Verhaltensänderungen stellten für
sie Ergebnisse eines Lernprozesses dar. Die Kognitivisten hingegen leiteten
Experimente an, die sich mit den inneren Verarbeitungs-/ und
Gedächtnisprozessen beschäftigten. Außerdem unterschieden sie zwischen
Internalisierung und Abruf, also Gelerntes musste nicht unbedingt
wiedergegeben werden. Aus kognitivistischer Sicht ist das Erinnern an eine
Information aus dem Langzeitgedächtnis nur unter bestimmten Reizen möglich
(„Enkodierspezifität“). Bekannte Studien aus dem Behaviorismus ist Skinners
Studie zum Operanten Konditionieren und Pawlos Studie zum Klassischen
Konditionieren. Bekannte Studien, die zur Zeit des Kognitivismus durchgeführt
wurden, waren beispielsweise von Baddeley 1974 zur Funktion des
Arbeitsgedächtnisses.
1.2. Für die Behavioristen ist der Lerner selbst nur passiv an seinem eigenen
Lernfortschritt beteiligt. Der Behaviorismus geht von dem Konzept einer
internalen „Black Box“ aus, die mit Informationen „gefüllt werden kann“. Auf die
Rolle des Vorwissens geht der Behaviorismus kaum ein, lediglich das Konzept der
„erlernten Hilflosigkeit“ wurde durch behavioristische Experimente entdeckt und
erforscht. Dieses Konzept besagt, dass Probanden, die die Erfahrung gemacht
haben ihr Schicksal nicht aktiv beeinflussen zu können (in den Experimenten
durch Elektroschocks) eine hilflose, desorientierte Haltung einnehmen. Der
37
Kognitivismus hingegen sieht den Lerner als aktiver Mitgestalter des
Lernprozesses (oblgleich er weitaus weniger Fähigkeiten diesbezüglich
zugeschrieben bekommt, wie in der Zeit des nachfolgenden Konstruktivismus).
Durch Steuerung der eigenen Aufmerksamkeit kann der Lernende dem
Kognitivismus zufolge gezielt Einfluss darauf nehmen, welche eingehenden
Informationen verarbeitet werden. Das Vorwissen spielt für die Kognitivisten
ebenfalls eine essentielle Rolle beim Wissenserwerb, denn nur mithilfe schon
bestehendem Wissens können neue Informationen aufgearbeitet und im
Langzeitgedächtnis verankert werden.
1.3. Der Lehrer hat der Auffassung des Behaviorismus eine instruktorische
Funktion. Er leitet die Lernprozesse an und belohnt/bestraft
Verhaltensänderungen. Die gesamte Verantwortung für den Lernprozess liegt
somit bei der Lehrkraft. Im Zuge des Konstruktivismus verschiebt sich der
Zuständigkeitsbereich ein wenig. Der Lehrer trägt zwar immer noch die
Verantwortung für den Lernprozess (dies ändert sich erst mit dem
Konstruktivismus), jedoch muss er sich stärker auf die individuellen Unterschiede
(Vorwissen, Aufmerksamkeit…) der Schülerinnen und Schüler konzentrieren.
Auch hier stehen instruktorische Methoden bei der Unterrichtsgestaltung im
Vordergrund.
3. Die Erkenntnisse aus dem Behaviorismus sind jedoch weitaus präsenter in heutigen
Unterrichtssituationen. Aufgrund der herausragenden Bedeutung des Vorwissens ist
es wichtig, dass die Lehrkraft zu Beginn einer neuen Lerneinheit das Vorwissen ihrer
Schüler aktiviert. Ein Prinzip hierfür wurde von Ausubel entwickelt – das Prinzip der
Advance Organizer. Auch ist es wichtig die Aufmerksamkeit der Schüler auf relevante
38
Merkmale des neuen Lerninhalts zu lenken, damit diese dann im Arbeitsgedächtnis
verarbeitet werden können.
Beschreiben Sie die drei grundlegenden Lerntheorien und bringen Sie zu jeder Lerntheorie
ein Beispiel für eine Verhaltensstörung, die mit der jeweiligen Lerntheorie abgebaut
werden könnte.
1.1. Das Prinzip der operanten Konditionierung eignet sich noch heute für den
Abbau unerwünschter Verhaltensstörungen von Schülern wie beispielsweise
konkrete Störungen des Unterrichts durch Zwischenrufe oder aggressiven
Verhaltensweisen. Das operante Konditionieren geht davon aus, dass diskriminative
Reize das Verhalten steuern können. Diskriminative Reize werden all jene Reize
genannt, die vor einer Reaktion auftreten und einem Individuum suggerieren, dass es
mit bestimmten Verhaltensweisen nun eine Verstärkung erhalten kann. Ruft nun ein
Schüler bei einer Lehrerfrage dazwischen oder provoziert seine Mitschüler kann dies
die Ursache für einen zuvor von ihm wahrgenommenen diskriminativen Reiz sein.
Schreitet die Lehrkraft ein, in dem sie den Schüler ermahnt, so kann dies auf den
Schüler wie ein Verstärker wirken (da er/sie Aufmerksamkeit bekommen hat),
welcher die Auftretenswahrscheinlichkeit dieser Reaktion in zukünftigen Situationen
erhöht. Durch den Einsatz von Bestrafungstechniken für unerwünschtes Verhalten
und gleichzeitigen Verstärkertechniken für wünschenswertes Verhalten, können
solche Verhaltensstörungen abgebaut werden. Generell werden zwischen zwei Typen
der Bestrafung unterschieden: Typ I (aversiver Reiz) und Typ II (Wegnahme eines
angenehmen Reizes). Hier ist der Bestrafungstyp II vorzuziehen, da die emotionalen
Nebenwirkungen welche auftreten können (Scham, Frustration) nicht so stark sind.
39
Beim Einsatz des Bestrafungstyps I ist es wichtig, das eine milde Strafe gleich zu
Beginn erteilt wird (keine Steigerung also) und dass der Schüler sich der richtigen
Verhaltensweise bewusst ist, also eine Alternative abgeboten bekommt. Eine weitere
behavioristisch geprägt Methode zum Verhaltensabbau ist die operante Löschung.
Folgt auf die störende Reaktion kein Verstärker oder Bestrafung, so erlischt die Reiz-
Reaktions Assoziation und die Auftrittswahrscheinlichkeit wird vermindert. Dies
geschieht beispielsweise durch das Ignorieren der Lehrkraft von Störungen. Wichtig
ist, dass der Verstärker konsequent ausbleibt und die Lehrkraft den störenden
Schüler nicht ab und an ermahnt (hierbei würde es sich um einen partiellen variablen
Quotenplan für die Verstärkung handeln, der leider auch die höchste Reaktionsrate
und den größten Löschungswiderstand aufweist).
2. Die kognitive Lerntheorie kam mit der kognitiven Wende auf und wies dem Lerner
eine aktivere Rolle beim Lernprozess zu, als dies beim Behaviorismus der Fall war.
Kognitivisten zufolge wird der Lernprozess durch internale Gedächtnisprozesse
(Mayer 2006: Elaboration, Organisation, Integration) gesteuert. Dabei spielen
Gedächtnissysteme wie das Sensorische Register, auf welches alle eintreffenden
Umweltreize treffen, das Arbeitsgedächnis, welches zur Zwischenspeicherung von
einkommenden Informationen dient und das Langzeitgedächtnis, welches
Informationen in Netzwerksystemen aufarbeitet und speichert, eine entscheidende
Rolle. Der Kognitivismus spricht besonders der Aufmerksamkeit und dem Vorwissen
besondere Bedeutung zu. Nur durch die Steuerung der Aufmerksamkeit können so
relevante Informationen vom Sensorischen Gedächtnis in das Arbeitsgedächtnis
gelangen und dort weiterverarbeitet werden. Das Vorwissen ist für diese
Verarbeitungsphase sehr wichtig, da nur durch bestehendes Vorwissen neue Inhalte
im Gedächtnissystem neu verankert werden können (durch Bildung von
Propositionen)
3. Der Konstruktivismus ist eine vergleichsweise neue Lerntheorie, die dem Lerner
selbst die Verantwortung für seinen/ihren Lernprozess zuschreibt und annimmt, dass
verschiedene persönliche und situationale Faktoren gleichzeitig auf den Lernprozess
eines Individuums einwirken. Wissen ist außerdem dem Konstruktivismus zufolge
nicht induzierte Informationen, sondern das Ergebnis individueller
Konstruktionsprozesse. Die Selbstkontrolle dieser Konstruktionsprozesse ist hierbei
sehr wichtig. Zwei bekannte Vertreter des Konstruktivismus sind Piaget (kognitiver
40
Konstruktivismus) und Wygotski (sozialer Konstruktivismus). Konstruktivistisch
geprägte Lernformen sind das Selbstgesteuerte- und Problemlösende Lernen.
41
1.14. Informationsverarbeitung und Mehrspeichermodell
Beschreiben Sie, wie Lehrkräfte soziale Prozesse und Strategien fördern können, und
stellen Sie außerdem auf der Basis konstruktivistischer Lehr-Lern-Ansätze dar, wie dem
Problem des trägen Wissens begegnet werden könnte!
Gliederung:
1. Informationsverarbeitung/Wissenserwerb anhand des Mehrspeichermodells erklärt
1.1. Das sensorische Register
1.2. Das Arbeitsgedächtnis
1.3. Das Langzeitgedächtnis
2. Verständnisvolles Lernen
2.1. Die Rolle des Vorwissens
2.2. Die aktive mentale Verarbeitung
2.3. Entlastung des Arbeitsgedächtnisses durch den Einsatz von Lernstrategien
2.3.1. Förderung des Einsatzes von Lernstrategien durch die Lehrkraft
2.4. Soziale Lernprozesse und situiertes Lernen
2.4.1. Förderung sozialer Gruppenprozesse durch die Lehrkraft
3. Träges Wissen und Verhinderung der Entstehung durch die Lehrkraft
42
Schleife und Langzeitgedächtnis) und die zentrale Exekutive (darüberstehende
Instanz zur Steuerung aller Prozesse im Arbeitsgedächtnis).
1.3. Mithilfe des Vorwissens gelangen Informationen aus dem Arbeitsgedächtnis in
das Langzeitgedächtnis. Die eintreffenden Informationen werden im Falle von
deklarativem Wissen mithilfe von Propositionen in das Netzwerk des
Langzeitgedächtnisses übertragen, vernetzt und dort abgespeichert
(Aufarbeitung). Auch im Falle des schulischen Lernens gilt somit: ohne
Aktivierung des Vorwissens kann kein Wissen aufgearbeitet- geschweige denn im
Langzeitgedächtnis verankert werden.
2. Der Begriff des verständnisvollen Lernens wurde 2004 von Baumert et al. behandelt.
Verständnisvolles Lernen ist demnach ein aktiver, individueller Konstruktionsprozess,
in dem Wissensstrukturen verändert, erweitert, vernetzt, hierarchisch geordnet oder
neu generiert werden. Entscheidend ist die aktive mentale Verarbeitung, die sich in
der handelnden Auseinandersetzung mit der sozialen oder natürlichen Umwelt oder
im Umgang mit Symbolsystemen vollzieht. Mit dieser Beschreibung lässt sich das
Konzept des verständnisvollen Lernens dem Konstruktivismus zuordnen, da der
Lerner eine große Eigenverantwortung für seinen Lernprozess übernimmt.
2.1. Wie schon in 1.3. erwähnt ist das Vorwissen zentral für den Wissenserwerb –
auch beim verständnisvollen Lernen. Ohne entsprechendes Vorwissen, können
Informationen nicht organisiert, aufgearbeitet und im Langzeitgedächtnis
verknüpft werden. Entsprechende Beispiele stammen aus der Experten-Novizen
Forschung. Beispielsweise führte Chi 1981 ein Experiment zu
Organisationsprozessen durch indem sie Probanden mit- und ohne
entsprechendem Vorwissen Physikaufgaben sortieren ließ. Die Probanden ohne
Vorwissen sortierten die Aufgaben nach oberflächlichen Inhalten während die
Probanden mit Vorwissen die Aufgaben nach ihren Inhalten sortierten. Dieses
Vorwissen ist somit essentiell um neuen Informationen überhaupt Bedeutung
verleihen zu können. Ein weiteres Experiment von de Groot 1965 ließ
Schachexperten gegen Schachnovizen antreten, wobei sich beide
Probandengruppen jeweils Figurenkonstellationen auf einem Schachbrett merken
konnten. Die Experten erinnerten sich hier an die Position mehrerer Figuren als
die Novizen. Chi erklärte dies dadurch, dass sie auf ihr Vorwissen zurückgriffen
und demnach die Stellung der Figuren mit eventuellen Erfahrungen (Schematas)
verknüpft abspeichern konnten.
2.2. Auch spielt die Verarbeitungstiefe eine zentrale Rolle für den Wissenserwerb.
Die Forschung hat bestätigt, dass die Intensität, mit der man sich mit neuen
Wissensinhalten befasst deren Abspeicherung im Langzeitgedächtnis beeinflusst.
Craik und Tulvig führten hierzu 1975 ein Experiment durch. Sie legten
Probandengruppen 60 Wörter vor, welche diese sich mit unterschiedlichen
Anweisungen einprägen sollten. Während sich die erste Gruppe auf
oberflächliche Merkmale konzentrieren sollte (ist das Wort in Großbuchstaben
geschrieben), sollte die zweite Gruppe bestimmten, ob sich das Wort auf ein
anderes Wort reimt. Die dritte Gruppe sollte eine tiefergehende Verarbeitung
durchführen, indem sie untersuchten, ob das Wort durch ein anderes Wort
43
ausgetauscht werden kann. Craik und Tulvig stellten fest, dass die tiefergehende
Verarbeitung die beste Erinnerungsleistung hervorbrachte.
2.3. Da das Arbeitsgedächtnis nur eine begrenzte Kapazität hat, kann sogenanntes
Clustering (Zusammenfassung von Informationen zu kleineren Einheiten) oder
Lernstrategien die Zwischenspeicherung im Arbeitsgedächtnis fördern und somit
die Kapazität erweitern bis hin zur Automatisierung (prozedurales Wissen).
Lernstrategien werden Seidel und Krapp zufolge auch als Handlungspläne zur
Steuerung des eigenen Lernverhaltens bezeichnet. Seidel und Krapp
unterscheiden zwischen kognitiven, metakognitiven und ressourcenbezogenen
Lernstrategien.
2.3.1. Lehrkräfte können und sollen den Einsatz von Lernstrategien fördern,
indem sie den Schülern a) die Nützlichkeit der Strategie vermitteln, b) die
Strategie explizit vormachen, c) Anwendungsbeispiele erläutern und d)
den Schülern genügend Zeit ermöglichen, die Strategie einzuüben. Auch
muss den Schülern (und natürlich der Lehrkraft) bewusst sein, dass es bei
dem ersten Anwenden von Strategien zu einem Nutzungsdefizit kommen
kann, dh. selbst bei korrekter Anwendung können erst Defizite entstehen,
da der Einsatz der Strategie noch nicht Automatisiert ist und noch zu viel
Kapazität des Arbeitsgedächtnisses der Schüler in Anspruch nimmt.
2.4. Auch soziale Gruppenprozesse sind für verständnisvolles Lernen sehr wichtig,
da Lernen stets situiert, also kontextgebunden stattfindet. Beim Lernen mit
Lernpartnern oder in Gruppen beeinflussen die motivationalen und kognitiven
Lernvoraussetzungen jedes Gruppenmitglieds die individuelle kognitive
Verarbeitung. Die Lehrkraft kann dieses Lernen durch Bildung kooperativer
Lerngruppen begünstigen, bei welcher jedes Gruppenmitglied neben der
Verantwortung für den eigenen Lernprozess auch die Verantwortung für den
Erfolg der Gruppe mitträgt.
3. Träges Wissen entsteht durch mangelnden Transfer. Häufig tritt träges Wissen auf,
wenn Lernende Lerninhalte, die in einem gewissen Kontext erworben wurden, nicht
auf andere Situationen übertragen kann. In der Schule entsteht Caxton 1990 zufolge
vermehrt träges Wissen, da sich das Schulschema entscheidend vom Alltagsschema
44
unterscheidet. Die Lehrkraft kann dies verhindern, indem sie auf konstruktivistische
Maßnahmen zurückgreift. Sie kann die Schüler beispielsweise an das Problemlösende
Lernen heranführen, indem sie ihnen alltagsnahe Problemstellungen präsentiert und
ihnen im Zuge des selbstgesteuerten Lernens vermehrt die Verantwortung für ihren
eigenen Lernprozess und der Lösung dieses Problems überträgt. Auch kann es helfen,
die Wissensinhalte mit dem Vorwissen zu vernetzen und stets auf alternative
Anwendungsbereiche des Wissens einzugehen (konditionales Wissen wird gefördert).
Auch fanden Schmidt und Bjork 1992 heraus, dass der Transfer begünstigt wird, je
länger sich ein Schüler mit einem Themengebiet beschäftigt.
45
1.15. Lernstrategien
Stellen Sie verschiedene Typen von Lernstrategien dar und ordnen Sie diese in Modelle des
Selbstregulierenden Lernens und in Gedächtnismodelle ein! Führen Sie für jeden
Lernstrategietyp ein Beispiel aus!
Erörtern Sie die Effektivität verschiedener Lernstrategietypen für unterschiedliche
Lernanforderungen! Erörtern Sie verschiedene Möglichkeiten zur Förderung des Wissens
über und der Nutzung von Lernstrategien am Gymnasium und vergleichen Sie diese im
Hinblick auf ihre Effektivität miteinander!
• Primärstrategien
.1. Kognitive Lernstrategien
.1.1. Organisationsstrategien
.1.2. Elaborationsstrategien
.1.3. Wiederholungsstrategien
.1.4. Mnemotechniken
.2. Metakognitive Lernstrategien
.2.1. Planung
.2.2. Selbstüberwachung/Kontrollstrategien
• Sekundärstrategien
• Primärstrategien
46
è Einzuordnen in Planungsphase, Handlungsphase und Auswertungsphase nach
Zimmermann oder auch einzugordnen in Regulation des Lernprozesses und
Regulation des Selbst nach Boeckhart
è Einzuordnen in sensorisches Register (Aufmerksamkeit steuern, Motivation
zum Aufpassen), Arbeitsgedächtnis
47
1.16. Selbstreguliertes Lernen
Selbstreguliertes Lernen
Welche fächerübergreifenden Kompetenzen brauchen Schülerinnen und Schüler für die
erfolgreiche selbstständige Bearbeitung eines eigenen Projektes, beispielsweise im
Rahmen eines Projekt-Seminars zur Studien- und Berufsorientierung oder eines
wissenschaftspropädeutischen Seminars?
Klären Sie diese Frage theoretisch und empirisch, beschreiben Sie dabei auch die
wesentlichen wissenschaftlichen Begriffe!
Leiten Sie daraus Schlussfolgerungen für die schulische Praxis ab, insbesondere in Hinblick
auf hierfür geeignete Fördermöglichkeiten
Gliederung:
48
1.17. Lernumgebungen
Lernumgebungen
Bei der Frage nach der Gestaltung von Lernumgebungen gibt es zwei gegensätzliche
Positionen zum Lehren und Lernen, die in der gegenwärtigen Unterrichtsforschung
diskutiert werden: Die kognitivistische Position und die konstruktivistische Position.
4. Ein Lehr-/Lernansatz des Kognitivismus ist die Direkte Instruktion, ein Unterricht, der
durch klare Zielvorgaben, die verständliche Darstellung von Inhalten, ein
schrittweises Vorgehen, Lehrerfragen mit unterschiedlicher Schwierigkeit, Phasen
angeleiteten und selbstständigen Übens, häufiges Lehrerfeedback und eine
regelmäßige Überprüfung der Lernfortschritte der Lernenden charakterisiert ist.
Die Schüler nehmen eine eher passive Haltung ein und verarbeiten die
einkommenden Informationen kognitiv. Die kognitivistische Position nimmt an, dass
der Lernprozess ausschließlich durch internale Gedächtnisprozesse (Mayer 2006:
Elaboration, Organisation, Integration) gesteuert wird. Dabei spielen
Gedächtnissysteme wie das Sensorische Register, auf welches alle eintreffenden
Umweltreize treffen, das Arbeitsgedächnis, welches zur Zwischenspeicherung von
einkommenden Informationen dient und das Langzeitgedächtnis, welches
Informationen in Netzwerksystemen aufarbeitet und speichert, eine entscheidende
Rolle.
Die Lehrkraft muss so im Zuge der direkten Instruktion den Schüler bei diesen drei
Prozessen begleiten. Die Organisation kann von ihr ein Stück weit übernommen
werden, indem die Lerninhalte bereits organisiert dargeboten werden. Es ist
ebenfalls wichtig, die Aufmerksamkeit der Schüler auf die relevanten Aspekte zu
lenken, damit diese in das Sensorische Register gelangen. Die Elaboration erfolgt
durch das Aktivieren von Vorwissen (Rückschau auf bereits gelernte Inhalte), damit
neue Inhalte im Gedächtnis neu verankert werden können und damit integriert
werden (durch die Bildung von Propositionen).
5. Ein Lehr-/Lernansatz des Konstruktivismus ist das Problemlösen. Diese Methode ist
weniger Lehrergesteuert und den Schülern wird ein hohes Maß an Eigeninitiative
zusammen. Das Problemorientierte Lernen wird dadurch gekennzeichnet, dass den
Schülern ein Problem präsentiert wird (Chararkeristika: Soll-Ist Zustand
49
unterschiedlich) und die zum Lösen des Problems aufgefordert werden. Die Lehrkraft
fungiert als Stütze, kann jedoch auch die konkreten Lösungsschritte im Voraus
präsentieren. Problemorientiertes Lernen stützt sich auf die Annahmen, dass Lernen
immer situiert stattfindet, also an einen bestimmten Kontext gebunden ist und dass
Wissen von den Lernenden internal konstruiert werden muss. Durch
problemlösendes Lernen soll so der Transfer von Wissen auf verschiedene
Anwendungsgebiete sichergestellt werden. Ebenfalls setzt Problemlösendes Lernen
voraus, dass es oft mehrere zielführende Operationen zur Lösung eines Problems
gibt, welche im Zuge eines instruktionsgestützten Unterrichts aber nicht alle
thematisiert werden können. Beim Problemlösenden Lernen wird zudem nicht nur
Inhaltswissen/Sachwissen erworben sondern Heuristische Problemlösestrategien und
Metastrategien.
Das Problemorientierte Lernen stellt eine der drei bekannten Lehrstrategien von
Hasselhorn & Gold 2013 dar. Unterrichtssequenzen werden laut Modell in drei Teile
geteilt: einer Konfrontationsphase, in welcher die Schüler mit einem Problem
konfrontiert werden (Ist-Soll-Diskrepanz, kognitiver Konflikt) einer
Entdeckungsphase mit dem Einsatz von Heuristischen (oder analogen) Strategien
und der Auflösungsphase. Die zu behandelnden Probleme sind meistens lebensnah
und an das Vorwissen der Schüler angepasst.
6. Selbstgesteuertes Lernen wird als aktiver, konstruktiver Prozess bezeichnet, bei dem
sich Lernende eigenständig Ziele setzen sowie ihre Kognitionen, ihre Motivation und
ihr Verhalten während des Lernens stetig überwachen, regulieren und kontrollieren.
Das Selbstgesteuerte Lernen gliedert sich Modellen zufolge (Zimmermann 2008) in
drei Phasen: Planungsphase, Handlungsphase, Auswertungsphase. Innerhalb dieser
drei Phasen müssen die Schüler ihre Lernprozesse selbst planen, steuern und
überwachen (metakognitive Strategien) sowie gezielt kognitive Lernstrategien
einsetzen, um Informationen zu organisieren und zu elaborieren.
• Die Position des Kognitivismus (mit dem beispielhaften Ansatz der direkten
Instruktion) wird dem Selbstgesteuerten Lernen insofern gerecht, als dass
Lernstrategien direkt vermittelt werden können. Die Schüler nehmen jedoch
nicht insofern aktiv am Unterricht teil, als dass sie Lerninhalte selbst konstruieren
(diese wurden meist zuvor von der Lehrkraft schon aufgearbeitet). Damit können
die Schüler durch direkte Instruktion und dem kognitivistischen Ansatz zwar die
Inhaltsebene des Selbstgesteuerten Lernens (das Prinzip) erfassen, jedoch nicht
selbst umsetzen. Die Tatsache, dass durch kognitivistische Strategien vermehrt
träges Wissen entsteht, dass sich nicht anwenden lässt, verstärkt diese Annahme.
• Die Position des Konstruktivismus zielt dagegen gezielt auf die Förderung des
Selbstgesteuerten Lernens ab. Die Schüler sollten sich (z.B. anhand von realen
Problemen) unter Vorgabe von Hinweisen (z.B. anchored Instruktion und
Vermittlung von heuristischen Strategien) ihr Wissen selbst konstruieren und auf
Problemsituationen transferieren. Lernen wird dabei als situiert betrachtet, also
an einen Kontext gebunden, sodass es die Aufgabe des Lehrers ist, die
entsprechende Lernumgebung anregend zu gestalten und die Problemstellungen
den Fähigkeiten der Kinder anzupassen.
50
1.18. Operantes Konditionieren vs. Sozial Kognitiv
Lerntheorien
Stellen Sie die Konzepte des operanten Konditionierens und der sozial-kognitiven
Lerntheorie näher dar!
Grenzen Sie die beiden voneinander ab und gehen Sie jeweils auch auf ein grundlegendes
Experiment ein!
Erklären Sie, wie – basierend auf beiden Theorien – bei Schülerinnen und Schülern
erwünschte als auch unerwünschte Verhaltensweisen entstehen können!
Verdeutlichen Sie ihre Ausführungen jeweils mit geeigneten Beispielen aus dem
Schulalltag!
Gliederung:
51
• Bandura Bobo Doll Experiment (1960): 33 Jungen, 33 Mädchen (3-5 Jahre)
der Stanford University Nursery School. Kinder sehen in einem Film, wie
eine erwachsene Person eine lebensgroße Plastikpuppe mit
verschiedenen Verhaltensweisen verletzt (Schlag auf die Nase,
Holzhammer, durch den Raum Stoßen, mit Gummibällen abwerfen). Dazu
werden jeweils charakteristische Laute verwendet (z.B. „Sokerooo“ beim
Holzhammer)
• 3 Versionen: positive Konsequenz, keine Konsequenz, negative
Konsequenz, werden anschließend in einen Spielraum gebracht, in dem
sich auch die Utensilien aus dem Film befanden. Die Kinder wurden
zunächst allein gelassen und das Verhalten dokumentiert, später wurden
Süßigkeiten für jede Nachahmung versprochen.
• Ergebnis: Die Reproduktion der Verhaltensweisen hängt zunächst vom
Geschlecht und davon ab, ob das Modell bestraft oder belohnt wurde. Mit
dem Anreiz kann jedoch über alle Gruppen hinweg ein großer Anteil das
Verhalten zeigen. Die Kinder haben durch Beobachtung von aggressivem
Verhalten in einem Film also die Kompetenz erworben, selbst aggressives
Verhalten zu zeigen. Direkte externe Verstärkung und stellvertretende
Verstärkung erhöhten die Bereitschaft zur Performanz.
• Bandura schloss daraus, dass die Kinder das Modell-Verhalten
gleichermaßen erlernt, aber je nach Folgen unterschiedliche reproduziert
haben.
• Phasen des Beobachtungslernens (1968): Aneignungsphase
(Aufmerksamkeit + Gedächtnisprozesse) und Reproduktionsphasen
(Reproduktion + Motivation)
52
• Unerwünschte Verhaltensweisen: Enthemmung, wenn bei anderen keine
Bestrafung erfolgt
Gliederung:
4. Das „Drei-Komponenten-Modell“ wurde zur Zeit des Kognitivismus von Atkinson und
Shiffrin 1965 als Mehrspeichermodell entwickelt und basiert auf der Annahme, dass
Lernprozesse ausschließlich durch Gedächtnisprozesse des Individuums gesteuert
werden. Diese Gedächtnisprozesse (Enkodierung, Speicherung, Anruf) finden dem
Mehrspeichermodell zufolge innerhalb von 3 Instanzen statt: dem Sensorischen
Register, dem Arbeitsgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis.
Das Sensorische Register ist hierbei die erste Instanz auf welches alle Umweltreize
treffen. Durch Aufmerksamkeitsprozesse wird gesteuert, welche dieser Reize ins
Arbeitsgedächtnis gelangen und weiterverarbeitet werden. Das Arbeitsgedächtnis
diehnt zur Zwischenspeicherung von Informationen (Kapazität 7 +/-2 Einheiten) und
zu einer ersten Aufarbeitung wobei hier auch schon auf das Langzeitgedächtnis
zurückgegriffen wird (Vgl. Baddeley -> Episodischer Puffer kommuniziert mit
Langzeitgedächtnis). Das Langzeitgedächtnis umfasst das gesamte Wissen eines
Individuums und wird durch Netzwerkmodelle repräsentiert.
5. Laut Baddeley 2000 wird das Arbeitsgedächtnis in 3 weitere Instanzen unterteilt: Der
räumlich-visueller Notizblock speichert visuelle Informationen, die aprachliche
Zusammenhänge veranschaulichen, die phonologische Schleife speichert Gehörtes
für 2 Sekunden, der episodische Puffer vermittelt zwischen räumlich visuellem
53
Notizblock, phonologischer Schleife und dem Langzeitgedächtnis und darüber hinaus
eine zentrale Exekutive, die alle Prozesse steuert.
54
1.20. Gedächtnis und Gedächtnismodell
Beim Erwerb von Kenntnisse und Fertigkeiten spielt das Gedächtnis eine große Rolle.
Gedächtnispsychologische Erkenntnisse sind daher von Grundlegender Bedeutung für die
Gestaltung von Lehr- und Lernsituationen
Erläutern Sie den Begriff „Gedächtnis“!
Beschreiben und erklären Sie die Komponenten und Grundannahmen des Mehrspeicher-
Gedächtnismodells (Atkinson und Shiffrin 1973)
Erläutern Sie anhand empirischer Befunde, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, dass
Gedächtnisprozesse wie das Behalten und der Abruf von Informationen gut gelingen!
Erklären Sie auf der Grundlage dieser Erkenntnisse drei unterschiedliche
Gedächtnisstrategien und beschreiben Sie anhand jedes Beispiels, wann und wie man
diese einsetzen kann!
Leiten Sie aus den dargestellten gedächtnispsychologischen Erkenntnissen drei zentrale
Prinzipien für die Gestaltung von Lehr- und Lernsituationen sowie –materialien ab.
Gliederung:
1. Gedächtnis: Definition
2. Das Mehrspeichermodell von Atkinson und Shiffrin 1973
3. Gedächtnisprozesse und Voraussetzungen + empirische Befunde
3.1. Enkodieren
3.2. Speichern
3.3. Abruf
4. Gedächtnisstrategien
4.1. Enkodierstrategien/Organisationsstrategien
4.2. Elaborationsstrategien
4.3. Abrufstrategien
5. Drei zentrale Prinzipien für die Gestaltung von Lehr- und Lernsituationen sowie –
materialien
55
Langzeitgedächtnis zurückgegriffen wird (Vgl. Baddeley -> Episodischer Puffer
kommuniziert mit Langzeitgedächtnis). Das Langzeitgedächtnis umfasst das gesamte
Wissen eines Individuums und wird durch Netzwerkmodelle repräsentiert.
3. Gedächtnisprozesse und Voraussetzungen + empirische Befunde
3.1. Enkodierung
• Aufmerksamkeit muss auf Inhalt gerichtet sein
• Tiefe der Verarbeitung (Craik und Lockhart)
• Empirisches Beispiel: Craik und Tulving 1975: baten
Versuchspersonen sich 60 Wörter anzusehen und eine Frage auf
diese Wörter anzuwenden. Während die ersten beiden Gruppe
sich lediglich oberflächliche Merkmale der Wörter ansehen sollten
(Großbuchstaben, Reim), musste sich die dritte Probandengruppe
darauf konzentrieren, ob das Wort durch andere Wörter
ausgetauscht werden konnte. Bei der letzten Gruppe wurde
anschließend eine erheblich bessere Behaltensleistung festgestellt,
da sie sich intensiver mit den Wörtern befassten und auf ihr
Vorwissen hinsichtlich Semantik und Syntax zurückgreifen
mussten.
3.2. Speicherung
• Verknüpfung mit Vorwissen
• Mehrere Propositionen durch Anwendungsbeispiele, aktive
Auseinandersetzung, Unterstützung der Schematabildung
• Empirisches Beispiel: De Groot 1965 Schachspieler mit
unterschiedlichen Wissensniveaus mit sollten sich für einige
Sekunden Positionen merken. Schachmeister erinnerten sich
anschließend schneller und fehlerfreier an die Anordnungen als
noch nicht so fortgeschrittene Spieler. Dies beweist, dass sie auf
Schematas hinsichtlich möglicher Anordnungen oder ihr Vorwissen
hinsichtlich Spielverläufen zurückgriffen.
3.3. Abruf
• Enkodierspezifität: Abruf verbessert, wenn Hinweisreize bei
Enkodierung dieselben sind wie bei Abruf
• Abruf muss wiederholt erfolgen -> Qualitätssteigerung
• Empirisches Beispiel: Bjork 1988, Abruftraining in immer größer
werdenden zeitlichen Intervallen (expanded retrieval practice)
vorgeschlagen. Die Untersuchung bezog sich vor allem auf Items,
die nur einmal präsentiert wurden, so wie dies etwa bei einem
Namen der Fall ist, den man z.B. bei der Vorstellung eines
Konferenzteilnehmers zum ersten Mal und üblicherweise auch nur
einmal hört. Sollen solche Inhalte auch längerfristig behalten
werden (es wäre ja peinlich, wenn man die Namen wichtiger
Personen sogleich wieder vergessen würde!), empfiehlt es sich,
unmittelbar danach einen ersten Abruftest durchzuführen, d.h.,
dem Gesicht bzw. der Person den Namen zuzuordnen, diesen dann
nach einem zunächst etwas längeren und später ein weiteres Mal
nach einem noch längeren Zeitintervall zu wiederholen. In den
Experimenten von Bjork und Mitarbeitern handelte es sich um
Intervalle von einer, vier oder zehn Minuten. Den Erfolg dieser
56
Gedächtnistechnik führt Bjork darauf zurück, dass nicht einfach die
Speicherung verbessert wird, sondern dass der Prozess des
Abrufens selbst eine qualitative Verbesserung erfährt.
4. Gedächtnislernstrategien entspricht den kognitiven Lernstrategien
4.1. Enkodierung/Organisationsstrategien um Arbeitsgedächtnis zu
entlasten und eingehende Informationen zu Ordnen
• Mindmaps: Organisation, Verknüpfung mit Vorwissen,
Metakognition wird eingesetzt (Vervollständigung)
• Einsetzbar: bei Vermittlung von komplexem deklarativen Wissen ->
Zusammenhänge verdeutlichen, Gedanken ordnen
4.2. Elaborationsstrategien zur Aufarbeitung des Wissens
• Fragen überlegen und in eigenen Worten beantworten
(Verknüpfung mit Vorwissen)
4.3. Abrufstrategien zum Abruf der Informationen
• Karteikarten: Vorderseite als Hinweisreiz für Rückseite (Antwort)
6. 3 zentrale Prinzipien für die Gestaltung von Lehr- und Lernsituationen sowie –
materialien
• Vorwissen aktivieren: Advance Organizers, Zone of proximal
developement berücksichtigen
• Verarbeitungstiefe erhöhen: aktive Auseinandersetzen mit den
Lerninhalten
• Regelmäßiges Abprüfen der Inhalte zur Verbesserung der
Abrufqualität
57
1.21. Wissen und Vorwissen
Wissen als Ergebnis erfolgreicher Lernprozesse und als zentrale Voraussetzung für den
künftigen Lernerfolg
Beschreiben Sie unterschiedliche Wissensarten und erläutern Sie diese anhand zentraler
Wissensmerkmale!
Gehen Sie dabei auf die Lern- und Informationsverarbeitungsprozesse ein, die zum Aufbau
der einzelnen Wissensarten führen!
Erläutern Sie diese anhand von Beispielen und zeigen Sie auf, wie die Lehrkraft diese
Prozesse unterstützen kann!
Erläutern Sie anhand empirischer Befunde die Bedeutung des Vorwissens für den
Wissenserwerb!
Gliederung:
1. Unterschiedliche Wissensarten, relevante Lern-Informationsverarbeitungsprozesse
und Unterstützung durch die Lehrkraft
1.1. Situationales Wissen
1.2. Konzeptuelles Wissen
1.3. Prozedurales Wissen
1.4. Strategisches Wissen
2. Die Bedeutung des Vorwissens für den Wissenserwerb (empirisch erklärt)
1.3. Prozedurales Wissen ist Wissen über Handlungen, die zum gewünschten
Erfolg führen
• im prozeduralen Gedächtnis gespeichert durch Wenn-Dann Regeln
58
• Wissenskompilierung: Übergang vom Regelwissen zum Handlungswissen
• Zunehmend Automatisierungsprozesse
• z.B. Autofahren
• praktische/offene Unterrichtsformen
1.4. Strategisches Wissen ist metakognitives Wissen über die Gestaltung des
eigenen Problemlöseverhaltens und über Handlungspläne.
• Metakognitives Wissen zur Planung und Überwachung
• Muss explizit gelernt werden in Form von metakognitiven Strategien, von
Entwicklungsstand abhängig
• z.B. kognitive Lernstrategien zum Lernen von komplexen Zusammenhängen
• Lernstrategien erläutern und einsetzen
59
Probandengruppe darauf konzentrieren, ob das Wort durch andere Wörter
ausgetauscht werden konnte. Bei der letzten Gruppe wurde anschließend
eine erheblich bessere Behaltensleistung festgestellt, da sie sich intensiver
mit den Wörtern befassten („Fakulataive Elaboration“) und auf ihr Vorwissen
hinsichtlich Semantik und Syntax zurückgreifen mussten.
• Wissen wird im Langzeitgedächtnis in Form von Netzwerksystemen
gespeichert. Die kleinste Einheit bildet der Begriff, welcher sich durch
Propositionen verbunden zu Schematas über komplexere Sachverhalte
ausdehnt. Um neuen Informationen speichern zu können, muss sich eine
Proposition mit schon bestehendem Wissen bilden lassen. Demnach ist das
Vorwissen entscheidend für die Verankerung des neuen Wissens
verantwortlich. Als Beispiel kann die zuvor genannte Studie von Craik und
Tulving genannt werden, denn auch bei dieser Studie haben die Probanden,
welche durch Einsatz ihres syntaktischen und semantischen Vorwissens mehr
Propositionen erstellt und damit das Wissen mehrfach im Gedächtnis
verankert.
60
1.22. Selbstgesteuertes Lernen
An Ihrer Schule findet nächsten Monat eine Projektwoche zum Thema „Selbstgesteuertes
Lernen und Lernstrategien“ statt. Als Verantwortliche bzw. Verantwortlicher für das
Projekt stehen Sie den anderen Lehrkräften als Beraterin bzw. Berater zur Seite.
Erläutern Sie ein Modell des selbstgesteuerten Lernens sowie eine Systematisierung von
Lernstrategien, die die Basis der Projektwoche bilden!
Verdeutlichen Sie die kognitiven Lernstrategien jeweils an einem konkreten Beispiel!
Nennen Sie darüber hinaus empirische Befunde zur Förderung des selbstgesteuerten
Lernens!
Diskutieren Sie außerdem, welche Maßnahmen sich aus den theoretischen Modellen
und/oder empirischen Befunden für die Gestaltung der Projektwoche ableiten lassen!
Gliederung:
61
3.1. Direkte Förderansätze: Lernstrategien müssen direkt vermittelt werden
(Einsatz Sharp et al von Länge des Schulbesuchs abhängig), direkte
Förderprogramm wie von Leutner und Leopold 2005 Computerbasierte Trainings
für 10.Klässler zum Einsatz von Lernstrategien –> Textverständnis verbessert
3.2.Indirekte Förderansätze: Lernumgebunden so gestalten, dass Selbstgesteuertes
Lernen gefördert wird. Beispiel: Leittext-konzept von Krapp/Weidemann: Dabei
erhalten die Lernenden eine relativ komplexe Aufgabenstellung, die sie häufig in
Form einer Projektarbeit – allein oder gemeinsam in der Gruppe bearbeiten
sollen. Es handelt sich also um ein Lernen im Sinne des Project Learning vor. Die
für die Bearbeitung erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse
müssen sich die Lernenden weitgehend selbst aneignen, teils mithilfe vor-
bereiteter Materialien und Medien, teils durch Kooperation mit anderen
Lernenden oder Experten. Der Leittext enthält Anleitungen und liefert eine Art
Kontrollstruktur, die dem Lernenden hilft, den Überblick zu behalten
62
1.23. Hausaufgaben
63
• Einsatz von metakognitiven Lernstrategien
• Förderung des Fähigkeitsselbstkonzepts
1.24. Übungsaufgaben
Warum ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler den Lernstoff anhand von
Übungsaufgaben einüben?
Benennen und erläutern Sie hierfür acht lern- oder gedächtnistheoretische Argumente
ihrer Wahl!
• LZG: Total-time-hypothese: Wieviel gelernt wird, hängt direkt von der Menge der Zeit
ab, die mit dem Lernvorgang verbracht wird
• Einspeichermodell: Verarbeitungstiefe Craik und Lockhart (1975), bestätigt durch
„Drei-Ebenen-Experiment“ -> tiefe Verarbeitung durch Übungsaufgaben, dauerhafte
Gedächtnisspuren
• Bildung von mehreren Propositionen nach Anderson (2000) -> Abruf wird erleichtert
(„Aktivierungsausbreitung“)
• Automatisierungsprozesse -> Arbeitsgedächtnis wird weniger belastet (Baddeley)
• Arbeitsgedächtnis: Wiederholung wichtig für Aufarbeitung
• Aufbau von Wissen durch Elaboration und Organisation -> Wissen wird konstruiert
• Enkodierspezifität wird durch Übungen (zu Hause, in verschiedenen Räumen)
überwunden
• Motivation: Operantes konditionieren, diskriminativer Reiz?
64
2. Entwicklungspsychologie
2.1. Gedächtnisentwicklung
Gedächtnisentwicklung
Erläutern Sie die Begriffe „Gedächtnis“, „Wissen“, „Metagedächtnis“ und
„Gedächtnisstrategien“! Zeigen Sie, wie sich jedes dieser Phänomene im Schulalter
entwickelt und was dies für die Gedächtniskapazität bedeutet!
Erörtern Sie, ob und wie diese Phänomene in der Schule gefördert werden können!
Gliederung:
1. Gedächtnis und Wissen
1.1. Entwicklung des Gedächtnisses/Gedächtniskapazität und Wissen ab dem
Schulalter
1.2. Förderung des Gedächtnisses und Wissens in der Schule
2. Metagedächtnis und Gedächtnisstrategien
2.1. Entwicklung des Metagedächtnisses und dem Einsatz von
Gedächtnisstrategien ab dem Schulalter
2.2. Förderung des Metagedächtnisses und Gedächtnisstrategien in der Schule
65
verankert werden kann, können alterskorreliert mehr Informationen gespeichert
werden und so ein erheblicher Wissenszuwachs erlangt werden.
1.2. Die Lehrkraft kann entscheidenden Einfluss auf die Verbesserung des
Gedächtnisses und den Wissenszuwachs nehmen, indem sie den Schülern gezielt
Lernstrategien vermittelt, die das Arbeitsgedächtnis entlasten durch
Automatisierungsprozesse (Vorsicht: Hier kann es erst zu einem Nutzungsdefizit
kommen), die Aufmerksamkeit der Schüler bewusst auf wichtige Aspekte lenkt,
damit diese im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden können und sicherstellt,
dass durch Aktivierung des Vorwissens (vgl. Aspekte zur Unterrichtsqualität von
Helmke) neue Wissensinhalte im Langzeitgedächtnis durch möglichst viele
Propositionen verankert werden können.
2.1. Das deklarative Metagedächtnis konsolidiert sich erst gegen Ende der
Grundschulzeit (Schneider 2011) und verbessert sich bis in die Adoleszenz. Auch
das prozedurale Gedächtnis verbessert sich mit zunehmendem Alter. Kreutzer et
al. führten 1975 eine Studie zum Metagedächtnis durch, in welcher sie 80
Schülerinnen und Schüler aus dem Kindergarten, 1., 3. Und 5. Klasse befragten.
Besonders im Kindergartenalter wurden Defizite hinsichtlich des Zusammenhangs
von Inhalt/Lernzeit und Erinnerungsleistung sichtbar. (Nur 15% der
Kindergartenkinder aber alle 5. Klässler wussten, dass sie durch mehr Lernzeit
bessere Erinnerungsleistungen zeigen konnten). Was die Gedächtnisstrategien
betrifft, verbessert sich ihr Einsatz ebenfalls mit zunehmendem Alter (sie fallen
schließlich auch unter das prozedurale Metagedächtnis). Bei Schulanfängern kann
es jedoch noch zu einem sogenannten Produktionsdefizit kommen. Das heißt, die
Strategien können angewandt werden, jedoch noch nicht spontan (keine
Transferleistung möglich). Später kann es noch zu einem Nutzungsdefizit
kommen, das bedeutet, die Strategien werden richtig (und vielleicht auch
spontan) angewandt, sie zeigen jedoch noch keine Vorteile was darauf
zurückzuführen ist, dass die Anwendung noch nicht automatisiert genug ist um
im Arbeitsgedächtnis wenig Kapazität einzunehmen.
2.2. Auch auf das Metagedächtnis und das Anwenden von Gedächtnisstrategien
kann die Lehrkraft Einfluss nehmen. Durch Unterrichtsformen des
66
Selbstgesteuerten Lernens und Problemorientierten Lernens werden
verschiedene Aspekte des Metagedächtnisses gefördert. Durch Zielsetzung und
Organisation der Lernschritte, lernen die Schüler ihren Lernprozess zu steuern
und währenddessen auch zu überwachen. Der Einsatz von Lernstrategien muss zu
Beginn von der Lehrkraft demonstriert werden und anschließend den Schülern
genügend Zeit gewährt werden, diese zu erlernen. Es muss besonders auf den
Nutzen der Strategien auch in anderen Aufgabenformaten eingegangen werden
um den spontanen Transfer zu fördern.
67
2.3. Kognitive Entwicklung
Gliederung:
1. Die kognitive Entwicklung zwischen 5-15 Jahren nach Piaget
1.1. Empfehlungen für die kognitive Förderung in der Schule nach Piaget
2. Die kognitive Entwicklung zwischen 5-15 Jahren nach Case
2.1. Empfehlungen für die kognitive Förderung in der Schule nach Case
3. Vergleich der beiden Theorien
68
Im konkret-operationalen Stadium (7-11) Jahre gelingt der Umschüttversuch schon
fehlerfrei, die Kinder haben also verstanden, dass zwei Objekte in Bezug auf ein
bestimmtes Maß gleichbleiben, so lange nichts weggenommen wird
(Konservationsfähigkeit). Auch können sie mehrere Aspekte einer Situation
gleichzeitig betrachten, jedoch mangelt es noch an systematischen
Vorgehensweisen. Ein Experiment wurde hierzu ebenfalls von Piaget und Inhelder
1958 im Rahmen eines Physikexperiments durchgeführt. Den Kindern wurde gezeigt,
dass ein schweres und kurzes Pendel schnell Schwingt, ein langes und leichtes jedoch
langsam. Sie sollten die Ursache dafür angeben. Kinder im konkret-operationalen
Stadium beachteten beide Dimensionen, richteten ihre Erklärung jedoch zu ihrem
Vorteil aus und „bewiesen“ dass es am Gewicht des Pendels liegt, indem sie das
Pendel beispielsweise aus einer höheren Position loslassen. Sie gehen somit bei der
Lösung des Problems unsystematisch vor.
Das formal operatorische Stadium ist das letzte Stadium, welches laut Piaget mit 11
Jahren (bei manchen Menschen jedoch nie oder nur in Bezug auf die eigenen
Interessensgebiete) erreicht ist. Es zeichnet sich vorallem dadurch aus, dass die
Kinder zum hypothetisch-deduktiven Denken fähig sind, sie können also
schlussfolgern, dass wenn eine allgemeine Tatsache auf die Spezies Mensch zutrifft,
dieses auf jeden bestimmten Menschen übertragen werden kann (Beispiel
Sterblichkeit). Im beschriebenen Pendelversuch können die Kinder im formal-
operatorischen Stadium unter systematischer Beobachtung schlussfolgernd
feststellen, dass die Frequenz des Pendels nur von der Länge des Fadens abhängt, sie
haben also gelernt neben systematischem Vorgehen auch schlussfolgernd und
abstrakt zu denken.
1.1. Die Stufentheorie hat obwohl sie aus überholt gilt, trotzdem noch Relevanz
für die Unterrichtspraxis. Piaget geht von einer starken Lernerzentrierung aus,
das Lernumfeld muss demnach so an das Kind angepasst werden, dass es sich
Entdecken lernen kann. Demnach muss von der Lehrkraft das Prinzip der Passung
beachtet werden. Die gestellten Probleme müssen so an den Wissensstand des
Kindes angepasst werden, dass dieses anhand seines kognitiven Reifezustands
und seines Vorwissens durch Akkomodationsprozesse selbstständig seine
kognitiven Schematas ändern kann. Piagets Theorie fällt folglich mit den
Anforderungen des Konstruktivismus zusammen wobei das Problemlösen eine
wichtige Unterrichtsmethode darstellt.
2. Cases Theorie wird oft Neo-Piaget-Theorie genannt, denn sie verbindet die Theorie
der Informationsverarbeitung mit Piagets Stufenmodell.
Case postulierte, dass das Arbeitsgedächtnis und der Kurzzeitspeicher gemeinsam die
Gesamtverarbeitungskapazität ausmachen. Im Laufe der Entwicklung nimmt mit
zunehmender Effizienz der Informationsverarbeitung die Größe des Operationsraums
vor allem durch Automatisierungsprozesse ab, was gleichzeitig zum Freiwerden von
Speicherkapazität beiträgt. Case hielt am Stadienkonzept von Piaget fest und
definierte ähnlich wie Piaget vier globale Stadien der kognitiven Entwicklung, in
denen unterschiedlich komplexe Arten von mentalen Repräsentationen gebildet und
bearbeitet werden können. Zum Übergang von einem Stadium zum nächsthöheren
tragen biologische Reifung (Myelinisierung der Nervenbahnen), die Automatisierung
der Informationsverarbeitung sowie die Entwicklung zentraler Begriffsstrukturen bei
69
(Central Conceptual Structures).
Das erste Stadium nach Case ist die sensumororische hauptstufe (0-2) in welcher
Kinder sensorischen und motorischen Input zusammenfügen. In der folgenden
relationalen Hauptstufe (2-5) werden interne Repräsentationen gebildet. In der
dimensionalen Hauptstufe (5-11) können auch abstraktere Stimuli repräsentiert
werden und mehrere Dimensionen verglichen werden. Die letzte Stufe bildet die
vektorielle Hauptstufe (11-19).
1.2. Eine kognitive Förderung nach Case würden Maßnahmen gerecht werden, die
sich sowohl an den von Case postulierten Stufen, als auch den Erkenntnissen des
Kognitivismus gerecht werden. So müssen Prozesse der Aufmerksamkeit beachtet
werden (damit Informationen aus dem sensorischen Register in das
Arbeitsgedächtnis gelangen können). Außerdem muss das Arbeitsgedächtnis
unterstützt werden, bestenfalls durch Lernstrategien, die die beanspruchte Kapazität
von Operationen im Arbeitsgedächtnis verringern können. Diese
Gedächtnisstrategien müssen von der Lehrkraft explizit demonstriert werden und
erfordern Einübungszeit. Außerdem ist es auch Neo- Piaget Sicht wichtig,
Aufgabenstellungen genau und präzise zu formulieren und nur relevante Prämissen
aufzuführen (Ablenkung, die das Arbeitsgedächtnis überfordern könnte vermeiden).
3. Die Neo-Piaget Theorie ist aus Piagets Theorie heraus entstanden und zeigt eine
ähnliche Stufenabfolge mit veränderten Altersdifferenzierungen. Die Denkschemata
werden jedoch bei der Neo-Piaget Theorie nach Case stärker betont.
Case versteht generell betrachtet die Untterschiede zwischen den Stufen nicht als
Veränderung der logischen Fähigkeiten, sondern als Veränderung der Komponenten
des Arbeitsgedächtnisses aufgrund effektiver Strategien und
Automatisierungsprozessen. Die Übergänge zwischen den Stufen sind bei Piaget
zudem eng mit physiologischen Veränderungen im Gehirn korreliert (z.B.
Myelinisierung). Piaget zufolge ist Wissenserwerb die Folge von Assimilations- und
Akkommodationsprozesse innerhalb von kognitiven Konflikten um einen Status der
Äquilibration zu erreichen.
Piaget definiert zudem die bereichsspezifischen Strukturen welche eine Änderung
erfahren als logische Strukturen, während Case von semantischen Strukturen
ausgeht – viele Aufgaben zum logischen Denken können so Case zufolge von Kindern
nur deshalb nicht gelöst werden, weil sie die „zentralen begrifflichen Strukturen“
nicht kennen. Hierzu wurde von Bryant und Trabasso 1971 ein Experiment
durchgeführt. Sie vermuteten, dass Kinder oftmals schon an der Enkodierung der
Prämissen von Aufgaben scheiterten, dass es sich also bei ihren Fehlern nicht um
Defizite in Bezug auf das logische Denken, sondern um Gedächtnisdefizite handelte.
Sie testeten diese Hypothese in einem Trainingsexperiment, in dem sie mit
Vorschulkindern so lange übten, bis diese die Prämisseninformation perfekt
auswendig gelernt hatten. Sie fanden, dass die trainierten Kinder anschließend keine
Fehler bei den transitiven Schlüssen machten. Dies bestätigt die Vermutung, dass das
Problem nicht in einer strukturellen, stadientypischen Einschränkung des
schlussfolgernden Denkens zu suchen ist, sondern in der begrenzten Kapazität des
Arbeitsgedächtnisses.
70
2.4. Entwicklung Aufmerksamkeit/Arbeitsgedächtnis
Gliederung:
1. Entwicklung der Aufmerksamkeit
1.1. Experiment von DeMarie-Dreblow 1988
1.2. Experiment von Piaget 1958
1.3. Neurowissenschaftliche Erklärung
1.4. Vorzüge aus kognitivistischer Sicht
2. Entwicklung des Arbeitsgedächtnisses
2.1. Experiment von Demetriou et al 2002
2.2. LOGIK Studie 1999
2.3. Theorie von Case
Die Rolle Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis sind aus kognitivistischer Sicht wichtige
Bestandteile des Lernprozesse. Im Laufe der Entwicklung verändern sich auch diese beiden
Konzepte, sodass bessere Lernleistungen erzielt werden können.
71
Arbeitsgedächtnis (Wiederholungsstrategien) ist es wichtig, die Aufmerksamkeit
weiterhin aus die zu behaltenden Sachverhalte fokussieren zu können.
72
2.4. Schlussfolgerndes Denken/Metakognition
Gliederung:
1. Schlussfolgerndes Denkens
1.1. Entwicklung des Schlussfolgernden Denkens
1.1.1. Piaget’s Theorie
1.1.2. Weitere Theorien
1.2. Förderung des Schlussfolgernden Denkens im Unterricht und Grenzen dieser
Förderung
2. Metakognition
2.1. Entwicklung der Metakognition
2.2. Förderung der Metakognition im Unterricht und Grenzen dieser Förderung
3. Gründe für Individuelle Unterschiede in der Entwicklung des Schlussfolgernden
Denkens und der Metakognition
1. Das schlussfolgerndes Denken ist wichtig für Problemlöseprozesse und lässt sich in
drei Teilbereiche aufgliedern: Deduktives Schließen. Induktives Schließen und
Analoges Schließen.
Deduktives Schließen meint, dass die Schlussfolgerung eindeutig durch die logische
Kombination aller Prämissen gezogen werden kann (Alle Hunde bellen -> Rex ist ein
Hund -> Rex bellt).
Induktives Schließen bedeutet, dass aus Einzelheiten Regelmäßigkeiten abgeleitet
werden können.
Analoges Schließen bedeutet, dass das Wissen über schon gelöste Probleme aus der
Vergangenheit auf aktuelle Probleme übertragen wird.
1.1. Piaget hat mit seinem Phasenmodell der kognitiven Entwicklung auch den
Begriff des Schlussfolgernden Denkens geprägt, jedoch wurde seine Theorie ein
Stück weit durch andere wissenschaftliche Erkenntnisse überholt.
1.1.1. Piaget zufolge lässt sich die Kompetenz zum Schlussfolgernden Denken
gegen Ende des konkret-operationale (7-11 J) bis hin zum formal-
operationalen Stadium einordnen. Dieses letzte Stadium erreichen Kinder
ihm zufolge erst mit 11-12 Jahren, manche Individuen jedoch nie. Durch
Experimente wie dem Pendelexperiment 1958 stellte er fest, dass Kinder,
die das formal-operationale Stadium noch nicht erreicht hatten erhebliche
Schwierigkeiten hatten, die Frequenz eines Pendels auf dessen Länge und
73
nicht auf dessen Gewicht oder einer Kombination zurückzuführen und
Probleme beim Ziehen von Schlussfolgerungen hatten.
1.1.2. Weitere Experimente haben jedoch belegt, dass Kinder schon sehr früh zu
Schlussfolgernden Handlungen befähigt sind. Chen et al stellten 1997 bei
einem Experiment mit 10-13 Monaten alten Babys fest, dass diese schon
Analogien nutzen können. Im Rahmen des Experiments wurden ein
Spielzeug mit einem Faden außer Reichweite der Babys gelegt. Nur durch
ziehen an dem erreichbaren Faden konnte das Baby das Spielzeug
erreichen (ein weiterer Faden ohne Ende war ebenso vorhanden wie eine
Barriere zwischen dem Kind und dem Spielzeug). Chen et al fanden
heraus, dass die Kinder nach (mehrfacher) Demonstration der Handlung
das Spielzeug herzuziehen, die Babys die Handlung vermehrt
nachvollziehen konnten. Sie hatten also Analogien zu ihren vergangenen
Erlebnissen gebildet.
Singer-Freeman fand 2001 zudem heraus, dass auch 3-4-Jährige Analogien
zwischen Proportionen herstellen konnten (1/4 Pizza – ¼ Schokolade).
Auch sind 3-4-Jährige Harris 1996 zufolge schon zu deduktivem Schließen
befähigt. Sie orientierten sich mit ihrem Experiment zu „Erlaubnisregeln“
an dem Kartenexperiment von Watson und stellten die Prämisse auf.
„Sallys Mutter sagt, dass Sally ihren Mantel anziehen muss, wenn sie
draußen spielt“. Die Kinder bekamen anschließend Sätze und mussten den
Regelbruch erkennen („Sally draußen ohne Mantel“). Die meisten 3-4-
Jährigen konnten diese Aufgabe lösen, da sie Harris zufolge mit der Regel
schon selbst vertraut waren. (Sie war also sehr „lebensnah“). Harris fand
darüber hinaus in Zusammenarbeit mit Dias heraus, dass Kinder, die noch
nicht das konkret- bzw. formal-operationale Stadium erreicht hatten zwar
generell meist Schlussfolgerungen aufgrund des aktuell vorliegenden
Wahrheitswertes zogen und somit Schwierigkeiten hatten, sich in andere
Situationen hineinzudenken, dies jedoch mit Veränderungen der
Instruktionsanweisung unterbunden werden konnte. Wenn man den
Kindern explizit erklärte, sich eine „Phantasiewelt“ vorzustellen waren sie
bereit, sich von der Empirie zu lösen.
Schlussfolgerndes Denken ist demnach nicht an das formal-operationale
Stadium von Piaget gebunden, sondern wird von Entwicklungsprozessen
des Arbeitsgedächtnisses, der Metakognition und dem Vorwissen
beeinflusst und verbessert sich bis ins Erwachenenalter.
1.2. Um Schlussfolgerndes Denken in der Schule zu fördern kann die Lehrkraft, wie
durch das Experiment von Harris et al beschrieben Problemlöseaufgaben in
vertraute Kontexte einbinden oder die Schüler durch entdeckende Lernmethoden
zum Schließen von Analogien für ähnliche Aufgaben befähigen. Eine Studie von
Levin et al 1990 fand im Rahmen eines Physikexperiments aus, dass sich Schüler
den Geschwindigkeitsbegriff bei Bewegung innerhalb einer Kreisbahn besser
merken konnten, wenn sie sich selbst durch das physische Ausprobieren anhand
des Gehens an einem Metallstab um eine Drehachse das Konzept erarbeiteten.
Dieses ließ sich anschließend auf ähnliche (analoge) Fragen übertragen. Die
Grenzen dieser Förderung liegen folglich im Lerngegenstand, denn sehr schwierig
begreifbare Konstrukte oder auch aufeinander aufbauendes Inhaltswissen kann
74
durch die Methode des Entdeckenden Lernens nicht oder nur schwer erlernt
werden. Die Lehrkraft kann jedoch, um das Arbeitsgedächtnis der Schüler zu
entlasten, die Anwendung von Lernstrategien vermitteln, sodass mehr Kapazität
für das Schlussfolgernde Denken eingesetzt werden kann.
2. Die Metakognition wird oft synonym zu dem Begriff des Metagedächtnisses benutzt.
Schneider & Lockl (2006) differenzieren dies jedoch und teilen die Metakognition in
das Metagedächtnis sowie das „Wissen über mentale Zustände“ (Abgleitet von der
Theory of mind) auf. Das Metagedächtnis gliedert sich außerdem in das deklarative
Metagedächtnis (Wissen über Wissens- und Gedächtnisvorgänge) und das
prozedurale Metagedächtnis (Selbstregulation und Monitoring/Überwachung – nach
Nelson 1994) auf.
2.2. Metakognitive Strategien können von der Lehrkraft durch Einsatz des
Selbstregulierenden Lernens als Unterrichtsmethode gefördert werden. Hierbei
müssen die Schüler in einer ersten Phase (prä-aktionalen Phase) ihr Lernziel
selbst bestimmten und ihre Lernschritte planen (prozedurales Metagedächtnis –
Selbstregulierung), in der konkreten Handlungsphase (aktionale Phase) werden
durch Überwachung des eigenen Lernprozesses Monitoringkompetenzen
gefördert. Außerdem kann die Vermittlung von Lernstrategien und die damit
verbundene explizite Erklärung/Vermittlung deklarativer
Metagedächtniseigenschaften die Sensibilität der Schüler für metakognitive
75
Prozesse fördern. Grenzen dieser Fördermöglichkeiten stellt neben des Alters und
damit der Entwicklung der Kinder die Intelligenz der Kinder (Sternberg zählt
Komponenten der Metakognition zu den Analytischen Fähigkeiten innerhalb
seiner Triachischen Theorie der Intelligenz) sowie ihre Anstrengungsbereitschaft
(Motivation) dar. Kinder, die wenig Anstrengungsbereitschaft zeigen, da sie
vielleicht eine geringe Selbstwirksamkeit vermuten, vertrauen voraussichtlich zu
wenig auf ihre metakognitiven Fähigkeiten und müssen dabei unterstützt
werden.
76
2.5. Gedächtnisstrategien
Sie stellen fest, dass einige ihrer Schülerinnen und Schüler in vielen Fächern wenig
fachliches Wissen ausweisen.
Gliederung:
1. Kognitive Ursachen: Mangelndes Verständnisvolles Lernen
1.1. Der Einfluss des Metagedächtnisses und dessen Entwicklung
1.1.1. Schulische Fördermaßnahmen
1.2. Der Einfluss von Gedächtnisstrategien und ihre Entwicklung
1.2.1. Schulische Fördermaßnahmen
2. Motivationale Ursachen
2.1. Das Fähigkeitsselbstkonzept und seine Entwicklung
2.1.1. Schulische Fördermaßnahmen
1. Schülerinnen und Schüler, die wenig fachliches Wissen aufweisen und demnach
häufig unterdurchschnittliche Leistungen erzielen werden auch „Underachiever“
genannt. Die Ursache hierfür können neben Einschränkungen der Intelligenz und
einem suboptimalen Lernumfeld auch kognitive Entwicklungseinschränkungen sein.
Helmke und Weinert 1998 zufolge verläuft die kognitive Entwicklung nicht analog,
weshalb es in einigen Wissensdomänen durchaus Unterschiede geben kann.
1.1. Das Metagedächtnis wird in das deklarative und das prozedurale
Metagedächtnis aufgegliedert. Das deklarative Metagedächtnis beinhaltet das
Wissen über Kognitive Prozesse und das Lernen an sich. Das prozedurale
Metagedächtnis umfasst Monitoringsprozesse (Überwachung) sowie Prozesse der
Selbstregulation.
Das Metagedächtnis konsolidiert sich erst zum Ende der Grundschulzeit
(Schneider, 2010) und verbessert sich anschließend bis zur Adoleszenz hin stetig.
Unterschiede hinsichtlich dieser Entwicklung können die Ursache dafür sein, dass
einige Kinder metakognitive Defizite aufweisen, die Folgen auf alle weitere
kognitive Fähigkeiten nehmen können.
Selbstregulation (vgl. prozedurales Metagedächtnis) bedeutet, dass Kinder sich
unter anderem realistische Lernziele setzen können und ihre Fähigkeiten
hinsichtlich der verfügbaren Lernzeit richtig einschätzen können. Hierzu wurden
Experimente beispielsweise von Dufresne und Kowasingawa 1989, die Kindern
Wortpaare zum Erlernen vorlegten. Einige Wortpaare waren logisch (Hund –
Katze), einige jedoch sinnfrei (Frosch – Busch), die Kinder konnten sich die Zeit
selbst einteilen. Dufresne und Kowasingawa stellten fest, dass während jüngere
Kinder (sechs Jahre) sich gleich viel Zeit für alle Wortpaare nahmen, ältere Kinder
77
(zwölf Jahre) sich bewusst für die sinnfreien Kombinationen mehr Zeit nahmen.
Sie hatten die Schwierigkeit der Aufgaben erkannt.
è Defizite in der Selbstregulationsfähigkeit kann also anhand dieses Beispiels
die Ursache dafür sein, dass sich Schüler zu unrealistische Lernziele setzen
und deshalb sich beim Erwerb von fachlichem Wissens schwertun, da sie
dieses Wissen nicht angemessen vertiefen gelernt haben.
Ein weiteres Experiment zur Entwicklung des (speziell deklarativen)
Metagedächtnisses wurde von Kreutzer et al 1975 durchgeführt. Hierbei wurden
Kinder (Kindergarten, 1.,3.,5. Klasse) mithilfe von Fragebögen nach
metakognitiven Leistungen befragt, beispielsweise, ob sie manchmal etwas
vergessen. Kreutzer et al stellten fest, dass jüngere Kinder ihre Fähigkeiten sehr
häufig überschätzten und keine Korrelation zwischen Aufgabenschwierigkeit,
Lernzeit, Individuum und Leistung feststellen konnten. (Nur 15% der
Kindergartenkinder aber alle Grundschulkinder wussten, dass sie durch mehr
Lernzeit bessere Ergebnisse erzielen konnten).
è Schüler, die demnach Schwierigkeitstypen von Aufgaben aufgrund
metakognitiver Entwicklungsschwierigkeiten sowie die Gründe für ihr
Wissensdefizit nicht erkennen können haben Nachteile im Wissenserwerb
1.1.1. Die Lehrkraft kann die Ausbildung eines alterskonformen
Metagedächtnisses fördern, indem sie die Schüler Einfluss auf ihren
Lernprozess nehmen selbst. Durch Unterrichtsmethoden wie dem
Selbstgesteuerten Lernen lernen die Schüler, sich adäquate Ziele zu setzen
und ihre Lernzeit selbst einzuteilen (Selbstregulation). Ebenfalls müssen
sie ihren Lernprozess stetig überwachen, evaluieren und ihre eingesetzten
Strategien eventuell anpassen (Monitoring). Auch wenn die Lehrkraft den
Schülern den Prozess des Lernens durch Einsatz der Metakognition
vermittelt, kann dies unterstützend wirken. Damit verbunden sollte die
Lehrkraft den Einsatz von Lernstrategien demonstrieren (Vgl. 1.2.1.)
1.2. Ein Bestandteil des deklarativen metakognitiven Gedächtnisses ist es, mit
Gedächtnisstrategien und ihrer Wirkung vertraut zu sein. Gedächtnisstrategien
werden eingesetzt, um das Arbeitsgedächtnis zu entlasten, das dieses nur eine
geringe Kapazität hat. Es kommt somit zu Automatisierungsprozessen. Schüler,
die von keinerlei Gedächtnisstrategien Gebrauch machen neigen dazu, das
Arbeitsgedächtnis zu überlasten was negative Auswirkungen auf den
Wissenserwerb hat, da die einkommenden Informationen nicht mehr so leicht in
das Langzeitgedächtnis gelangen können.
Es wird primär zwischen Enkodier- und Abrufstrategien unterschieden. Die
Enkodierstrategien greifen beim Wissenserwerb. Es handelt sich um
Memoriertechniken, das Kategorisieren von Oberbegriffen („Clustering“) und
Elaborationsstrategien. Die Abrufstrategien werden erst beim Abruf von schon
verinnerlichten Informationen benutzt. Hierbei spielt die sogenannte
Enkodierspezifität eine enorme Rolle, denn Informationen, die nicht ausreichend
im Langzeitgedächtnis verknüpft wurden können nur durch das Aktivieren von
denselben Propositionen hervorgerufen werden, unter denen sie auch
abgespeichert wurden. Wurde Wissen jedoch vielschichtig im Langzeitgedächtnis
verankert, kann es leichter abgerufen werden („Priming“).
Die Nützlichkeit und Anwendung von Gedächtnisstrategien wurde durch die
Forschung untersucht und bestätigt. Flavell et al. untersuchten 1966 den
78
spontanen Einsatz von Strategien innerhalb eines Experiments mit Kindern im
Kindergartenalter, 3. Und 5. Klasse. Ihnen wurde eine Reihe von Bildern gezeigt
und nach jedem Bild 15 Sekunden Zeit gelassen, eine innere Repräsentation
vorzunehmen. Flavell et al. beobachteten, dass besonders die ältern Kinder ihre
Lippen bewegten und das Wort stumm artikulierten. Kindergartenkinder zeigten
diese Strategie kaum. Die Kinder, welche die Strategie anwandten konnten sich
an mehrere Items erinnern.
Oerterer zufolge entwickeln sich Wiederholungs- und Organisationsstrategien im
mittleren bis späten Kindesalter. Kompliziertere Enkodierstrategien wie etwa das
Elaborieren werden erst im späten Kindesalter in der der frühen Adoleszenz
entwickelt, jedoch nicht zwingend bei allen Kindern und Jugendlichen. Kinder, die
wenig fachliches Wissen aufweisen wenden vermutlich weniger
Gedächtnisstrategien an was sich jedoch auch schnell ändern kann. Die
Münchner LOGIK Studie stellte nämlich fest, dass die Zunahme an der
Verwendung der Gedächtnisstrategien in den meisten Fällen nicht graduell,
sondern abrupt erfolgt (81%).
2.1.1. Auch die Verwendung von Gedächtnisstrategien kann von der Lehrkraft
gefördert werden. Dies erfolgt bestenfalls durch Demonstrationsprozesse wobei
den Schülern ebenfalls kommuniziert werden muss, wozu sich die Strategie
eignet und warum sie damit bessere Leistungen erzielen können. Anschließend
muss den Schülern genügend Zeit gelassen werden, die Strategie einzuüben. Der
Lehrkraft muss auch bewusst sein, dass es bei sehr jungen Schülern zu einem
Produktionsdefizit kommen kann, sie also die Strategie gar nicht anwenden
können. Bei etwas älteren Kindern kann ein Mediationsdefizit auftreten, das
bedeutet, sie können die Strategie anwenden jedoch nicht spontan. Ein
Nutzungsdefizit tritt häufig bei älteren Schülern auf, die eine Strategie richtig
anwenden, für die sie jedoch keinen Nutzen zeigt da die Anwendung der
Strategie noch zu viel Kapazität des Arbeitsgedächtnisses beansprucht.
2. Die Tatsache, dass einige Schüler wenige fachliche Kenntnisse aufweisen kann auch
motivationale Ursachen haben und an einem negativen Selbstkonzept liegen.
Das Selbstkonzept kann in eine Affektive Komponente (Selbstwertgefühl &
Selbstvertrauen) sowie eine Kognitive Komponente (Selbstwahrnehmung & Wissen)
unterteilt werden. Das Selbstkonzept erlaubt es den Betroffenen, Generalisierung
über die eigene Person zu treffen und Schlussfolgerungen sowie Vorhersagen zu
bilden.
Das Selbstkonzept entwickelt sich abhängig vom Alter der Schüler. Kleinere Kinder
haben oft ein sehr gutes Selbstkonzept, sie überschätzen ihre Fähigkeiten sogar des
öfteren. Mit Beginn der Schulzeit und der damit Zusammenhängenden Bewertung
von außerhalb wird das Selbstkonzept negativer, jedoch können die Kinder ihre
Stärken und Schwächen besser einschätzen. Während der Adoleszenz ist das
Selbstkonzept gespalten und unterscheidet sich je nach Kontext.
Das Selbstkonzept hat erheblichen Einfluss auf die Motivation. Wenn ein Kind
aufgrund seines Selbstschemas der Auffassung ist, schlecht in Mathematik zu sein,
dann ist die Motivation das Mathematische Wissen auszubauen begrenzt. Sie haben
demnach ein schlechtes „Fähigkeits“Selbstkonzept entwickelt. (Vgl. Erwartung x Wert
79
Modell nach Atkinson – die Anstrengungsbereitschafft schätzt sich aus Wert, den das
Erreichen eines Ziels hat sowie der Erwartung, dieses Ziel zu erreichen zusammen).
2.1. Als Lehrkraft kann man Einfluss auf das Selbstkonzept der Schüler nehmen,
indem man sie ermutigt dass sie auch entgegen ihrer Auffassung gute Leistungen
in ihren „schwächeren“ Fächern erzielen können. Damit verbunden hilft es, das
Interesse der Schüler für diese Sachverhalte zu wecken.
2.6. Fähigkeitsselbstkonzept I
Gliederung:
1. Das Fähigkeitsselbstkonzept ist Teil des Selbstkonzepts und bezieht sich auf
Beschreibungen und Einschätzungen der eigenen Fähigkeiten im Sinne eines
deskriptiven Kontextes. Dies schließt Vorstellungen über Höhe, Struktur und
Stabilität ein. (Affektiv-evaluierende Bewertungen der eigenen Fähigkeiten werden
hingegen dem Selbstwert zugeordnet und stellen eine Folge des
Fähigkeitsselbstkonzepts dar)
Shavelsons Modell zur Hierarchischen Struktur des Selbstkonzepts (1976) zeigt, das
das Selbstkonzept mehrdimensional ist und spezifisch erweitert wird. Es wird
zwischen einem schulischen und nicht-schulischen Selbstkonzept unterschieden.
80
Marsh et al untergliederten das schulische Selbstkonzept zudem in ein verbales und
mathematisches Selbstkonzept.
1.1. Das Fähigkeitsselbstkonzept entwickelt sich schon früh, ist jedoch zunächst
kaum differenziert und fernab der Realität. Im Grundschulalter haben Kinder die
Tendenz, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. (In einer Studie von Kreutzer
1975 zum Metagedächtnis gaben sehr viele Kinder an, nichts zu vergessen), die
Selbsteinschätzung wird mit dem Eintritt in die Grundschule realistischer,
außerdem spezifiziert sich das Fähigkeitsselbstkonzept je nach Unterrichtsfach.
Im weiteren Verlauf der Schulzeit sinkt das Fähigkeitsselbstkonzept jedoch immer
weiter ab, was auf soziale Vergleiche durch Bezugsgruppeneffekte und
Leistungsrückmeldungen zurückzuführen ist. Außerdem verstehen die Kinder im
Entwicklungsverlauf, dass Leistungen auf Fähigkeiten zurückgehen, die zeitlich
relativ stabil sind. Vor und zu Beginn der 1. Klasse denken viele Kinder, dass
Leistungen auf situationale Bedingungen zurückzuführen ist (Helmke, 1999), erst
ab der 2.-6. Klasse ist den Kindern bewusst, dass Leistungsergebnisse die
Fähigkeiten reflektieren. Folglich können Hilflosigkeitsphänomene erst eintreten,
nachdem das Konzept von stabilen Fähigkeiten erworben wurde.
2. Es ist empirisch vielfach belegt (z.B. konkret durch Weinert und Helmke 2007), dass
gute Schulleistungen mit einem positiven Fähigkeitsselbstkonzept korreliert und
umgekehrt.
2.1. Schüler mit guter Leistung entwickeln ein positives Fähigkeitsselbstkonzept
und Schüler mit schlechten Leistungen ein negatives Fähigkeitsselbstkonzept.
2.1.1. Wie es dazu kommt erlärt Marsh mit ihrem 1868 erstellten Modell zum
Externel/Internal frame of Reference. Ihr zufolge werten Schüler ihre
Leistungen anhand einer externalen/sozialen Bezugsnorm (im Vergleich
mit anderen) und einer individuellen Bezugsnorm (im Vergleich mit den
eigenen Leistungen in anderen Wissensdomänen). Marsh konnte
feststellen, dass es bei dem Vergleich anhand der individuellen
Bezugsnorm zu einem Verlagerungseffekt kommt, denn wenn
beispielsweise die Fähigkeit in der verbalen Schulleistungsdomäne hoch
eingeschätzt wird, kommt es automatisch zu einer Abwertung der
Leistung innerhalb der mathematischen Domäne und andersherum, was
wiederrum mit den Leistungen korreliert.
Durch den sozialen Vergleich lässt sich auch der „Big Fish Little Pond“
Effekt erklären – ein Schüler mit derselben Fähigkeit hat ein weitaus
höheres Fähigkeitsselbstkonzept, wenn er sich in einem
Leistungsschwachen Umfeld befindet (bei welchem er gute Leistungen im
Vergleich aufweist) als ein Schüler, der sich in einem leistungsstarken
Umfeld befindet (bei welchem wer schwache Leistungen im Vergleich
aufweist.)
Doch auch für begabte Schüler ist insbesondere der Vergleich durch die
individuelle Bezugsnorm nicht ideal, denn auch bei ihnen kann es durch
eine Abwertung der in ihren Augen schwächeren Wissensdomäne zum
nicht ausreichenden Ausschöpfen ihrer Fähigkeit kommen, da sie ihre
Leistung unterschätzen.
81
2.2. Doch auch andersherum hat das Fähigkeitsselbstkonzept erheblichen Einfluss
auf die Schulleistung was man vor allem anhand der Unterschiede der Schüler mit
hohem- und niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept sehen kann. Einer Studie von
Schöne et al (2002) zufolge gibt es eine mittlere positive Korrelation zwischen
dem Fähigkeitsselbstkonzept und der mittleren Schulleistung in den Fächern
Deutsch, Englisch und Mathematik.
82
betroffenen Schüler orientieren sich häufig an Arbeitsvermeidungszielen
oder an Darstellungszielen. Um ihren Selbstwert zu schützen, vermeiden
sie die Beteiligung oder bereiten sich erst gar nicht vor, da sie sich lieber
schuldig fühlen aufgrund fehlender Anstrengungsbereitschaft als
beschämt, da sie trotz Anstrengung versagt haben (Covington 1984)
2.2.3. Aufgrund der geringen Motivation kommt es zu ersten Einbußen was den
Wissenserwerb von Schülern mit negativem Fähigkeitsselbstkonzept
angeht. Ebenfalls wurde empirisch festgestellt (Ringwurfexperiment –
Atkinson?), dass Schüler mit niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept zudem
ihre Fähigkeiten unterschätzen und bei einer freien Auswahl an Aufgaben,
zu leichte Varianten wählen (Scheitern unmöglich) oder viel zu schwere
Aufgaben wählen (Aufgrund der Aufgabenschwierigkeit externale
Attribution). Somit bleibt ein Lernfortschritt aus. Schüler mit positivem
Fähigkeitsselbstkonzept wählten meist Aufgaben, die sich innerhalb der
Zone ihrer nächstmöglichen Entwicklungsstufe befanden (zone of
proximal development), also weder zu leicht noch zu schwer waren und
sich demnach positiv auf den Lernfortschritt auswirkten.
83
geschlechtshomogenem Experimentalunterricht und Fokus auf gezielte
Ermunterungen legten.
Der Big Fish Little Pond Effekt legt nahe, dass Schüler, die in einem
Leistungsschwächeren Umfeld sind, ein positiveres Fähigkeitsselbstkonzept
entwickeln. Becker et al 2006 zufolge ist dies jedoch problematisch, da
leistungsschwächere Umgebungen der Leistung grundsätzlich entgegenwirken.
(Ein Schulartwechsel ist folglich nur bei starken Einschränkungen der Leistungen
und des Fähigkeitsselbstkonzepts in Erwägung zu ziehen).
Auch Attributionstrainings können helfen, damit die Schüler ihren Misserfolg auf
mangelnde Anstrengung zurückführen können (kontrollierbar) anstatt auf
fehlende Fähigkeiten (unkontrollierbar).
2.7. Fähigkeitsselbstkonzept II
Gliederung:
1. Das Fähigkeitsselbstkonzept
1.1. Shavelsons Modell zum Fähigkeitsselbstkonzept
2. Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzepts
2.1. Einfluss von Bezugsgruppeneffekte
3. Zusammenhang Fähigkeitsselbstkonzept und Schulleistung
3.1. Einfluss des Fähigkeitsselbstkonzepts auf die Schulleistung
4. Stärkung des Fähigkeitsselbstkonzepts
1. Das Fähigkeitsselbstkonzept ist Teil des Selbstkonzepts und bezieht sich auf
Beschreibungen und Einschätzungen der eigenen Fähigkeiten im Sinne eines
deskriptiven Kontextes. Dies schließt Vorstellungen über Höhe, Struktur und
Stabilität ein. (Affektiv-evaluierende Bewertungen der eigenen Fähigkeiten werden
hingegen dem Selbstwert zugeordnet und stellen eine Folge des
Fähigkeitsselbstkonzepts dar)
1.1. Shavelsons Modell zur Hierarchischen Struktur des Selbstkonzepts (1976)
zeigt, dass das Selbstkonzept mehrdimensional ist und im Entwicklungsverlauf
spezifisch erweitert wird. Es wird zwischen einem schulischen und nicht-
schulischen Selbstkonzept unterschieden. Marsh et al untergliederten das
schulische Selbstkonzept zudem in ein verbales und mathematisches
Selbstkonzept.
2. Das Fähigkeitsselbstkonzept entwickelt sich schon früh, ist jedoch zunächst kaum
differenziert und fernab der Realität. Im Grundschulalter haben Kinder die Tendenz,
84
ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. (In einer Studie von Kreutzer 1975 zum
Metagedächtnis gaben sehr viele Kinder an, nichts zu vergessen), die
Selbsteinschätzung wird mit dem Eintritt in die Grundschule realistischer, außerdem
spezifiziert sich das Fähigkeitsselbstkonzept je nach Unterrichtsfach. Im weiteren
Verlauf der Schulzeit sinkt das Fähigkeitsselbstkonzept jedoch immer weiter ab, was
auf soziale Vergleiche durch Bezugsgruppeneffekte und Leistungsrückmeldungen
zurückzuführen ist. Außerdem verstehen die Kinder im Entwicklungsverlauf, dass
Leistungen auf Fähigkeiten zurückgehen, die zeitlich relativ stabil sind. Vor und zu
Beginn der 1. Klasse denken viele Kinder, dass Leistungen auf situationale
Bedingungen zurückzuführen ist (Helmke, 1999), erst ab der 2.-6. Klasse ist den
Kindern bewusst, dass Leistungsergebnisse die Fähigkeiten reflektieren. Folglich
können Hilflosigkeitsphänomene erst eintreten, nachdem das Konzept von stabilen
Fähigkeiten erworben wurde.
2.1. Der Einfluss der Bezugsgruppeneffekte wurde von Marsh mit ihrem 1868
erstellten Modell zum Externel/Internal frame of Reference erläutert. Ihr zufolge
werten Schüler ihre Leistungen anhand einer externalen/sozialen Bezugsnorm
(im Vergleich mit anderen) und einer individuellen Bezugsnorm (im Vergleich mit
den eigenen Leistungen in anderen Wissensdomänen). Marsh konnte feststellen,
dass es bei dem Vergleich anhand der individuellen Bezugsnorm zu einem
Verlagerungseffekt kommt, denn wenn beispielsweise die Fähigkeit in der
verbalen Schulleistungsdomäne hoch eingeschätzt wird, kommt es automatisch
zu einer Abwertung der Leistung innerhalb der mathematischen Domäne und
andersherum, was wiederrum mit den Leistungen korreliert.
Durch den sozialen Vergleich lässt sich auch der „Big Fish Little Pond“ Effekt
erklären – ein Schüler mit derselben Fähigkeit hat ein weitaus höheres
Fähigkeitsselbstkonzept, wenn er sich in einem Leistungsschwachen Umfeld
befindet (bei welchem er gute Leistungen im Vergleich aufweist) als ein Schüler,
der sich in einem leistungsstarken Umfeld befindet (bei welchem wer schwache
Leistungen im Vergleich aufweist.)
3. Es ist empirisch vielfach belegt (z.B. konkret durch Weinert und Helmke 2007), dass
gute Schulleistungen mit einem positiven Fähigkeitsselbstkonzept korreliert und
umgekehrt. Somit hat nicht nur, wie durch den Bezugsgruppeneffekt in 2.1. erklärt,
die schulische Leistung einen Einfluss auf das Fähigkeitsselbstkonzept, sondern auch
das Fähigkeitsselbstkonzept auf die Leistung.
Zwischen Schülern mit hohem Fähigkeitsselbstkonzept und Schülern mit niedrigem
Fähigkeitsselbstkonzept treten hier erhebliche Unterschiede hinsichtlich der
Ursachenattribution auf. Weiner (1971) zufolge gibt es drei Kausalattributionen:
Lokation, Stabilität und Kontrollierbarkeit. Schüler mit niedrigem
Fähigkeitsselbstkonzept schätzen Misserfolge häufig als internal, stabil und
unkontrollierbar ein und führen diese folglich auf mangelnde Begabung zurück
(Erfolge sind für sie bedauerlicherweise häufig oft ebenfalls „unkontrollierbar“, da sie
diese mit Glück attribuieren). Schüler mit hohem Fähigkeitsselbstkonzept führen
Misserfolge jedoch häufig auf Aspekte wie verminderte Anstrengung (internal,
kontrollierbar, variabel), Müdigkeit (internal, unkontrollierbar, variabel) oder Pech
(external, unkontrollierbar, variabel) und sehen demnach ihr Fähigkeitsselbstkonzept
nicht als gefährdet an. Erfolge werden dafür auf die eigene Fähigkeit zurückgeführt.
Helmke untersuchte 1992 die Korrelation des Fähigkeitsselbstkonzepts mit der
Mathematikleistung und fand heraus, dass Schüler mit einem positivem
85
Mathematikfähigkeitsselbstkonzept engagierter mitarbeiteten und größere
Anstrengungsbereitschaft zeigten.
Diese gesteigerte Motivation lässt sich mit dem Erwartungs x Wert Modell von
Atkinson (1957) erklären. Atkinson zufolge setzt sich die Anstrengungsbereitschaft
aus der Selbstwirksamkeitserwartung, eine bestimmte Leistung zu erzielen (also
indirekt dem Fähigkeitsselbstkonzept) und dem Wert, den eine Aufgabe für einen
Schüler hat zusammen. Da gute Leistungen in einem Fach meist auf einen
Wissenszuwachs zurückzuführen ist, ist es verständlich, dass mit guten Leistungen
auch häufig ein gesteigertes Interesse korreliert wird. Schüler, die ein gutes
Fähigkeitsselbstkonzept aufweisen, sehen sich somit in der Lage eine bestimmte
Aufgabe zu lösen, der Anreiz hierfür ist der durch ihr Interesse bedingte
Wissenserwerb. Demnach sind sie bereit, Anstrengung zu zeigen. Ihre Motivation ist
groß. Setzt man diese Erkenntnis mit der Theorie der Leistungszielorientierung in
Verbindung kann man sagen, dass diese Schüler Lernzielorientiert sind.
Schüler mit niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept schätzen ihre Kompetenz, die
geforderte Aufgabe zu lösen gering ein. Durch vorausgegangene schlechte Leistungen
haben sie eventuell auch das Interesse an dem Fach verloren, weshalb sie dem
Beherrschen keinen großen Wert zusprechen. Demnach sind sie nicht motiviert und
zeigen keine Anstrengung. Die betroffenen Schüler orientieren sich häufig an
Arbeitsvermeidungszielen oder an Darstellungszielen. Um ihren Selbstwert zu
schützen, vermeiden sie die Beteiligung oder bereiten sich erst gar nicht vor, da sie
sich lieber schuldig fühlen aufgrund fehlender Anstrengungsbereitschaft als
beschämt, da sie trotz Anstrengung versagt haben (Covington 1984)
Aufgrund der geringen Motivation kommt es zu ersten Einbußen was den
Wissenserwerb von Schülern mit negativem Fähigkeitsselbstkonzept angeht.
Ebenfalls wurde empirisch festgestellt (Ringwurfexperiment – Atkinson?), dass
Schüler mit niedrigem Fähigkeitsselbstkonzept zudem ihre Fähigkeiten unterschätzen
und bei einer freien Auswahl an Aufgaben, zu leichte Varianten wählen (Scheitern
unmöglich) oder viel zu schwere Aufgaben wählen (Aufgrund der
Aufgabenschwierigkeit externale Attribution). Somit bleibt ein Lernfortschritt aus.
Schüler mit positivem Fähigkeitsselbstkonzept wählten meist Aufgaben, die sich
innerhalb der Zone ihrer nächstmöglichen Entwicklungsstufe befanden (zone of
proximal development), also weder zu leicht noch zu schwer waren und sich
demnach positiv auf den Lernfortschritt auswirkten.
86
gelegt wird, was ebenfalls mit einem Schülerzentrierten, wertschätzenden
Lernumfeld zu tun hat.
Auch durch konkrete Unterweisungen und Ermutigungen, kann die Lehrkraft Einfluss
auf das Fähigkeitsselbstkonzept nehmen. Besonders bei geschlechtsspezifischen
Voreingenommenheiten (Mädchen schätzen grundsätzlich ihr mathematisches
Fähigkeitsselbstkonzept vergleichsweise niedrig ein) kann eine direkte Unterweisung
förderlich sein. Ein derartiger Ansatz wurde von der IPN Studie betrieben, die gezielt
die Freude und das Fähigkeitsselbstkonzept von Schülerinnen für Physik fördern
wollten und dem mit geschlechtshomogenem Experimentalunterricht und Fokus auf
gezielte Ermunterungen legten.
Der Big Fish Little Pond Effekt legt nahe, dass Schüler, die in einem
Leistungsschwächeren Umfeld sind, ein positiveres Fähigkeitsselbstkonzept
entwickeln. Becker et al 2006 zufolge ist dies jedoch problematisch, da
leistungsschwächere Umgebungen der Leistung grundsätzlich entgegenwirken. (Ein
Schulartwechsel ist folglich nur bei starken Einschränkungen der Leistungen und des
Fähigkeitsselbstkonzepts in Erwägung zu ziehen).
Auch Attributionstrainings können helfen, damit die Schüler ihren Misserfolg auf
mangelnde Anstrengung zurückführen können (kontrollierbar) anstatt auf fehlende
Fähigkeiten (unkontrollierbar).
Ebenfalls:
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2.8. Identität
Gliederung:
1. Die Identität
2. Die Entwicklung der Identität nach Marcia
3. Unterstützung der Identitätsentwicklung durch Eltern und Lehrkräfte
Die Phase des Moratoriums äußert sich durch ein gesteigertes Explorationsverhalten.
Verschiedene Berufe und Wertvorstellungen werden „ausgetestet“ und es kommt
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zur aktiven Auseinandersetzung mit verschiedenen Möglichkeiten, das Leben zu
gestalten. Die Abgrenzung zu den Eltern wird konkreter, die Kontrolle verlagert sich
internal. Jugendliche in der Phase des Moratoriums zeigen im Gegensatz zu
Jugendlichen mit diffuser Identität ein hohes Selbstwertgefühl.
Die erarbeitete Identität ist Marcia zufolge die letzte Form der Identitätsbildung und
zeichnet sich durch eine gewisse Stabilität in der Wahl des Berufs und
Wertvorstellungen aus. Doch auch die erarbeitete Identität ist reversibel was sich
beispielsweise bei später beruflicher Umorientierung im Erwachsenenalter zeigt.
3. Lehrer und Eltern können den Prozess der Identitätsentwicklung zwar nicht steuern,
aber ihn mit beeinflussen. Meuus 2011 zufolge haben Jugendliche, denen die Eltern
mehr Wärme und Unterstützung geben, tendenziell eine reifere Identität und
weniger Identitätsdiffusion. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die betroffenen
Kinder trotz Explorationsverhalten und Rebellion eine Stabilität im Elternhaus haben
und wissen, dass ihre Eltern sie unterstützen. Für Eltern und Lehrer ist demnach
wichtig, dass sie über die Identitätsfindungsprozesse Bescheid wissen und
unangemessenes Verhalten, Rebellion, Ablehnung der Wertehaltung und Impulsivität
(Zeichen einer Diffusen Identität) auf diese normalen Identitätsfindungsprozesse
zurückführen und erdulden. Auch ist es wichtig, den Jugendlichen – soweit dies
kulturell bedingt möglich ist – ihr Explorationsverhalten zu ermöglichen, anstatt sie
zu einer Übernommene Identität zu motivieren.
Eventuell muss hierbei das Identitätsspektrum in einer erweiterten Sicht betrachtet
werden, wie es von Kraus et al 1995 erstellt wurde. Demnach lässt sich die Diffuse
Identität weiterhin aufspalten und zwischen einer Sorgenfreien Diffusion und einer
Störungsdiffusion unterscheiden. Während erstere unauffällig und meist von kurzer
Dauer ist, deutet die Zweitere auf die Bewältigung eines Traumas hin, weshalb
eventuell eine Intervention notwendig ist.
Fend (1998) nennt verschiedene Indikatoren für eine stabile Eltern-Kind Beziehung
während der Abspaltungsphase und der Identitätsfindung. Fend hält einen punitiven
Erziehungsstil für Problematisch und setzt auf faire und gerechte
Konfliktaushandlungen. Wichtig ist es, sich gegenseitig wertzuschätzen,
Überbehütung zu vermeiden aber unterstützende Maßnahmen aufrecht zu erhalten
und sich ein realistisches Bild des Kindes zu konstruieren. Letzteres ist Fend zufolge
besonders Wichtig da sonst die Real-Ideal Diskrepanz zu groß ist, was zur
Entfremdung und Distanzierung fühlen kann – was wiederrum zur Folge hat, dass sich
das Kind unverstanden fühlen kann.
Da die Lehrkraft in dieser Phase der Entwicklung vermutlich mehr Zeit mit den
Kindern verbringt als die Eltern, ist ein kommunikativer Austausch der beiden
Parteien sehr wichtig (auch um die Eltern über die Entwicklung ihres Kindes in
Kenntnis zu setzen und einer Entfremdung entgegenzuwirken). Für Lehrer gelten
89
demnach ähnliche Empfehlungen wie für die Eltern, nämlich unterstützende
Maßnahmen zu gewährleisten, eine Wertschätzende Haltung den jugendlichen
gegenüber zu zeigen und Konflikte argumentationsorientiert auszuhandeln. Da
Lehrer zudem oft mit den Jugendlichen innerhalb ihrer Peer-Group konfrontiert sind,
ist es für sie ganz besonders wichtig, über die Prozesse der sozialen Identitätsfindung
ebenfalls Bescheid zu wissen. Tajifel und Turner (1985) zufolge versteht man unter
der sozialen Identität das Wissen und die Bewertung hinsichtlich der Zugehörigkeit zu
einer Gruppe. Peergruppen können zur Identitätsfindung beitragen, indem sie
Identifikationsmöglichkeiten, Lebensstile und Bestätigung der Selbstdarstellungen
bietet. Jedoch können sie auch negative Prozesse wie Ausgrenzungen und
Feindlichkeiten in Gang setzten, denn Tajifel und Turner zufolge bedeutet die
Zugehörigkeit zu einer Gruppe auch gleichzeitig das Ausschließen von „Outgroups“.
Hinsichtlich der eigenen Gruppe kommt es häufig zu positiven
Wahrnehmungsverzerrungen (die eigene Gruppe wird als besonders positiv
wahrgenommen um sich von den Outgroups abzugrenzen). Die Lehrkraft sollte
demnach die Gruppenprozesse im Auge behalten, um Jugendliche von einem
eventuellen „schlechten Einfluss“ bewahren zu können bzw. gegebenenfalls die
Eltern diesbezüglich zu informieren.
Auch: Erläutern Sie anhand theoretischer Modelle und empirischer Befunde die
Identitätsentwicklung im Jugendalter!
Beschreiben Sie in diesem Zusammenhang, wie Kontexte (z.B. Familie, Freunde)
Einfluss auf die Identitätsentwicklung von Jugendlichen nehmen können.
Diskutieren Sie Möglichkeiten, wie Lehrkräfte alleine und in Interaktion mit Eltern
oder Peers auf die Identitätsentwicklung einwirken können!
Auch: Identität ist ein zentrales Thema im Jugendalter. Erörtern Sie den Begriff
„Identität“ und beschreiben Sie ein Modell zur Identitätsentwicklung!
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2.9. Leistungsmotivation
Beschreiben Sie die Entwicklung der Leistungsmotivation! Wie können Eltern und Lehrer
die Entwicklung einer erfolgsorientierten Leistungsmotivation fördern?
Gliederung:
1. Leistungsmotivation
1.1. Arten der Leistungsmotivation
1.2. Entwicklung der Leistungsmotivation
2. Förderung der erfolgsorientierten Leistungsmotivation
- Mit 1 Jahr zeigen Kinder eine Effektmotivation, sie haben erkannt, dass sie
durch ihr Verhalten die Umwelt beeinflussen können und Streben nach
Wirksamkeit.
- Ende des 1. und zu Beginn des 2. Lebensjahres ist dieses Streben nach
Wirksamkeit so groß, dass die Kinder motiviert sind, möglichst viel
auszuprobieren und alles „selber zu machen“.
- Erst mit 3 ½ Jahren können Kinder Leistungen auf ihre Tüchtigkeit
zurückführen und reagieren in Anwesenheit eines Erwachsenen mit Stolz (bei
Erfolg) und Scham (bei Misserfolg).
- Schon 4 ½ Jährige Kinder zeigen Erfolgs- und Misserfolgserwartungen, sie
betrachten ihre Fähigkeiten unter dem Maßstab einer individuellen
Bezugsnorm
- Mit 5-6 Jahren zum Eintritt in die Grundschule lernen Kinder, dass
Anstrengung mit der Leistung korreliert (sichtbar), sie können jedoch noch
nicht den Faktor Glück/Zufall beurteilen
- In der Grundschule verschiebt sich außerdem der innere Vergleichsmaßstab
von der individuellen Bezugsnormorientierung zur sozialen
Bezugsnormorientierung. Kinder vergleichen sich stärker mit ihren
Mitschülern.
- Erst mit 10-12 Jahren verstehen Kinder, dass der Faktor der Fähigkeit die
Ursache für eine Leistung ist (unsichtbar)
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Im weiteren Entwicklungsverlauf richtet sich die Leistungsmotivation nach
Lernerfahrungen des Schülers und ist entscheidend mit seinem
Fähigkeitsselbstkonzept und der Zielorientierung des Schülers verknüpft. Schüler
mit einem positiven Fähigkeitsselbstkonzept zeigen sich oft sehr
Leistungsmotiviert während Schüler mit einem negativen Fähigkeitsselbstkonzept
sich oft eher misserfolgsorientiert zeigen. Auch kann es bei Schülern mit
negativem Fähigkeitsselbstkonzept zur Leistungsvermeidung kommen um den
Selbstwert zu schützen (Vgl. Covington 1992), da einem Misserfolg der auf
mangelnde Anstrengung zurückzuführen ist (da sich der Schüler nicht bemüht
hat) mit Schuld, ein Misserfolg aufgrund mangelnder Fähigkeit (trotz
Anstrengung) jedoch mit Scham begegnet wird. Das Gefühl der Scham ist in
diesem Fall viel bedrohlicher für das Selbstwertgefühl.
Einer Längsschnittstudie zufolge ändert sich die Zielorientierung der Schüler im
Laufe der Schulzeit von einer Lernzielorientierung zu einer
Leistungszielorientierung hin.
Schüler, die Lernzielorientiert sind weisen oft neben einem großen Interesse auch
ein positives Selbstkonzept und eine generell positivere Einstellung zur Schule.
Schüler, die Leistungszielorientiert sind, wollen Misserfolge möglichst vermeiden.
Sie haben eine fixierte Denkweise, dass die Fähigkeit unveränderbar ist, haben
häufig das Gefühl einer schwachen Selbstwirksamkeit und wenden viel Energie
darauf, nicht inkompetent zu wirken.
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2.10. Motivation
Eine Lehrerin sucht nach Rat, weil einige Schülerinnen und Schüler der 6. Klasse meinen,
sie seien zu wenig begabt, um gute Leistungen in Mathematik zu erbringen. Ein anderer
Lehrer überlegt, wie er es schaffen kann, seine Schülerinnen und Schüler in der Adoleszenz
für literarische Texte zu gewinnen.
Erklären Sie, ausgehend von zwei unterschiedlichen motivationalen Ansätzen, den beiden
Lehrpersonen entwicklungsbezogene Unterschiede in der schulischen Lernmotivation!
Stellen Sie davon ausgehend unter Einbezug von Empirie motivationsförderliche Ansätze
dar, die bei diesen motivationalen Problemlagen helfen können!
Gliederung:
Grundsätzlich unterscheiden sich die beiden Situationen in welcher sich die Lehrkräfte
befinden in der Art der Motivation, welche bei den Schülern vorliegt. Während die Schüler
der 6. Klasse ihre mangelnde Leistung auf mangelnde Fähigkeiten zurückführen und
demnach eine geringe Leistungsmotivation zeigen, müssen die pubertierenden Schüler des
Deutschlehrers für das Erlernen des Unterrichtsmaterials motiviert werden, ihre
Lernmotivation muss demnach geweckt werden.
1. Deci und Ryan (1985) zufolge existieren zwei klassische Motivationsarten. Die
intrinsische Motivation wird von keinerlei äußeren Einflüssen beeinflusst, sondern
Schüler die intrinsisch motiviert sind lernen um des Lernens willen und sind somit
Lernzielorientiert. Intrinsisch motivierte Schüler sind oftmals hochinteressiert,
wenden effektive Lernstrategien an und zeigen ein positives Fähigkeitsselbstkonzept.
Die extrinsische Motivation hingegen wird von äußeren Anreizen beeinflusst. Schüler
sind motiviert ein Ziel zu erreichen, da dies mit Anreizen wie sozialem Ansehen oder
anderen Anreizen verknüpft ist oder um Misserfolg und dessen Folgen zu vermeiden.
Sie sind eher Leistungszielorientiert eingestellt, wollen Mitterfolge vermeiden, haben
meist eine geringe Wirksamkeitserwartung und wissen ihre Fähigkeiten nicht genau
einzuschätzen.
Ein wichtiger Faktor für die internale Motivation ist das individuelle Interesse des
Schülers. Nur durch ehrliches Interesse an den Lerninhalten kann intrinsische
Motivation geweckt werden – so auch bei den Schülern der Deutschklasse des
Beispiels.
Entwicklungspsychologisch sinkt das durchschnittliche Interesse an den Schulinhalten
im Verlauf der Schulzeit ab. Die Stufentheorie von Todt 1990 besagt, dass in der
93
frühen Kindheit universelle Interessen vorherrschen, alle Kinder einer
Entwicklungsstufe zeigen demnach ähnliche Interessen. Mit 4 Jahren entstehen
sogenannte Kollektive Interessen (an Altersgenossen und gleiches Geschlecht
angepasst). Mit 11 Jahren kommt es zu einer spezifischeren Auswahl von Interessen,
die sich bis zum mittleren Jugendalter weiter zuspitzt zu individuellen Interessen
hervorgerufen durch die eigenen Fähigkeiten und Begabungen. Schüler mittleren
Alters haben demnach auch ein ausgeprägtes außerschulisches Interessensprofil,
weshalb das durchschnittliche Interessensniveau in einem Fach zwangsläufig
abnimmt. Eccles et al 1991 geht zudem von einem stage environment fit aus und
besagt, dass in der Adoleszenz die Werte/Bedürfnisse und Interessen nicht in
Einklang mit der Schulischen Lernumwelt stehen. Dem Wunsch nach Autonomie und
Selbstbestimmung stehen demnach die strikten Vorgaben der schulischen
Lerninhalte gegenüber und die Beziehungen mit den Mitschülern werden durch den
Einsatz sozialer Bezugsnormen und den daraus resultierenden Wettbewerb
gefährdet.
1.1. Für die Förderung der Intrinsischen Motivation im Unterricht ergeben sich
Oerterer zufolge vier mögliche Handlungsschritte, die sich an den Bedürfnissen der
Schüler in der Adoleszenzphase orientieren.
- Förderung der Kompetenzwahrnehmung: Die Schüler sollen sich mit ihren
Fähigkeiten als Kompetenz wahrnehmen und eine gesteigerte Selbstwirksamkeit
erfahren. Die Einbindung in Projekte die auch außerschulische Dimensionen
wahrnehmen können und somit zwischen dem Schulkontext und dem Kontext
der „Realität“ überlappen eignen sich hierbei besonders gut. Konkret können auf
das Beispiel bezogen Autoren oder Wissenschaftler aus der Literaturwissenschaft
eingeladen werden mit den Schülern zu kooperieren.
- Förderung der Selbstbestimmung: Dies kann auf verschiedenen Ebenen
geschehen, beispielsweise dadurch, dass die Schüler erfahren, dass sie den
Unterricht mitgestalten können beispielsweise durch die Auswahl eines
bestimmten literarischen Werks oder der Unterrichtsmethoden (Projektarbeit,
Portfolioerstellung…)
- Förderung der sozialen Bezogenheit: Das Bedürfnis nach sozialer
Eingebundenheit wird durch kooperative Lernformen befriedigt. Hierbei ist auch
vor allem von einem sozialen Bezugsrahmen abzusehen.
- Förderung der Bedeutsamkeit des Lerngegenstands: Die Schüler sollen die
Relevanz der Unterrichtsinhalte für ihre Lebenswirklichkeit verstehen. Dies ist in
vielen Fällen kein einfaches Unterfangen, kann aber im besagten Beispiel durch
das Auffinden und Behandeln von Schnittstellen aus literarisch behandelten
Themen und brisanten aktuellen Themen realisiert werden.
2. Die Schüler der sechsten Klasse nehmen sich hingegen als wenig Kompetent wahr.
Ob sie eine gezielte verminderte Lernmotivation zeigen wird anhand des Beispiels
nicht deutlich, jedoch zeigen sie eine verminderte Leistungsmotivation.
Heckhausen unterscheidet zwischen zwei Arten der Leistungsmotivation wenn er
sagt, dass die Leistungsmotivation zwei unterschiedliche Motive haben kann.
- Das erste Motiv ist das Erfolgsmotiv (erfolgszuversichtliche Motivkomponente).
Der Lerner will durch seine Leistung aktiv Erfolg generieren.
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- Das zweite Motiv ist das Misserfolgsvermeidungsmotiv (misserfolgsvermeidende
Komponente). Der Schüler will mit seiner Leistung aktiv Misserfolg vermeiden.
Welches Motiv ein Schüler verfolgt, hängt oft von seinen Lern- und
Leistungserfahrungen ab.
Deutlich wird anhand des Beispiels vor allem, dass die betroffenen Schüler ihre
mangelnde Leistung aufgrund ihrer fehlenden Begabung (und damit ihrer Fähigkeit)
attribuieren. Dies ist Heckhausen zufolge ein eindeutiges Indiz für
misserfolgsvermeidende Motive der Leistungsmotivation.
- Mit 1 Jahr zeigen Kinder eine Effektmotivation, sie haben erkannt, dass sie
durch ihr Verhalten die Umwelt beeinflussen können und Streben nach
Wirksamkeit.
- Ende des 1. und zu Beginn des 2. Lebensjahres ist dieses Streben nach
Wirksamkeit so groß, dass die Kinder motiviert sind, möglichst viel
auszuprobieren und alles „selber zu machen“.
- Erst mit 3 ½ Jahren können Kinder Leistungen auf ihre Tüchtigkeit
zurückführen und reagieren in Anwesenheit eines Erwachsenen mit Stolz (bei
Erfolg) und Scham (bei Misserfolg).
- Schon 4 ½ Jährige Kinder zeigen Erfolgs- und Misserfolgserwartungen, sie
betrachten ihre Fähigkeiten unter dem Maßstab einer individuellen
Bezugsnorm
- Mit 5-6 Jahren zum Eintritt in die Grundschule lernen Kinder, dass
Anstrengung mit der Leistung korreliert (sichtbar), sie können jedoch noch
nicht den Faktor Glück/Zufall beurteilen
- In der Grundschule verschiebt sich außerdem der innere Vergleichsmaßstab
von der individuellen Bezugsnormorientierung zur sozialen
Bezugsnormorientierung. Kinder vergleichen sich stärker mit ihren
Mitschülern.
- Erst mit 10-12 Jahren verstehen Kinder, dass der Faktor der Fähigkeit die
Ursache für eine Leistung ist (unsichtbar)
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Einer Längsschnittstudie zufolge ändert sich die Zielorientierung der Schüler im
Laufe der Schulzeit von einer Lernzielorientierung zu einer
Leistungszielorientierung hin. Dies findet Köller et al (1998) erst ab der 5. Klasse
zunehmend statt, schließt also die betroffene 6. Klasse des Beispiels mit ein.
Schüler, die Lernzielorientiert sind weisen oft neben einem groß