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Wallesch 2006
Wallesch 2006
Editorial
Gleich zwei Artikel des vorliegenden Heftes [1, 2] behandeln die
Nolte u. Mitarb. [1] können bei 193 (91 % Rücklauf) 4 Jahre nach
Schlaganfall mit Fragebogen untersuchten Patienten zeigen, dass
die Bejahung zweier Fragen (¹Haben Sie sich im letzten Monat
häufiger bedrückt oder depressiv gefühlt oder an Hoffnungslo− 249
sigkeit gelitten?“, ¹Haben Sie im letzten Monat weniger Lust Prof. Dr. med. C.−W. Wallesch
oder Interesse an Ihren übrigen Aktivitäten (z. B. Hobbys, Lesen,
Spazieren gehen etc.) gehabt“) 25 von 28 Personen mit Punkt− Unterschiedliche Diagnosekriterien und verwendete Instrumen−
zahl von 18 und mehr im Beck−Depressions−Inventar (BDI) iden− te sowie Stichprobeneigenschaften erklären weitgehend die Un−
tifizierten. Kein Betroffener, der beide Fragen verneinte, erreichte terschiede in den berichteten Prävalenzraten der PSD [5]. Bei
einen Wert dieser Höhe im BDI. Verwendung der Kriterien des DSM−III werden einen Monat
nach Insult Prävalenzen von 11 ± 47 %, nach 3 Monaten von
Dohmen u. Mitarb. [2] schlagen vor, allen Schlaganfallpatienten 28 ± 53 %, nach 12 Monaten von 11 ± 42 % und nach 3 ± 4 Jahren
innerhalb der ersten zwei Wochen nach Ereignis z. B. auf der Vi− von 18 ± 29 % angegeben [5].
site die Frage zu stellen: ¹Fühlen Sie sich häufig traurig und nie−
dergeschlagen?“. Bei Bejahung sollten sich weitere diagnostische Ob es einen Läsionsbezug einer depressiven Symptomatik nach
Schritte anschließen (Hospital Anxiety and Depression Scale Schlaganfall gibt, ist umstritten [6]. Manche Autoren nehmen
oder Geriatric Depression Scale), bei Verneinung die Frage wö− eine Lokalisationsabhängigkeit nur für eine depressive Sympto−
chentlich wiederholt werden. Bei Auffälligkeit in den genannten matik in den ersten Wochen nach Insult an [7, 8]. Es erscheint da−
Instrumenten soll die Indikation zur psychiatrischen Untersu− her notwendig, bei allen Schlaganfallpatienten, in der akuten wie
chung gestellt werden. Die Autoren weisen zu Recht auf die Prob− in der chronischen Phase, an eine depressive Komorbidität zu
lematik hin, die PSD im ICD−10 zu klassifizieren, während DSM− denken. Dazu geben die beiden Beiträge in diesem Heft wichtige
IV sie abzubilden vermag. Anstöße.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Claus−Werner Wallesch ´ Klinik und Poliklinik für Neurologie ´ Otto−von−Guericke−Universität
Magdeburg ´ Leipziger Str. 44 ´ 39120 Magdeburg ´ E−mail: neuro.wallesch@medizin.uni−magdeburg.de
Bibliografie
Fortschr Neurol Psychiat 2006; 74: 249±250 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ´ New York
DOI 10.1055/s−2006−932130
ISSN 0720−4299
Im Folgenden sollen einige wichtige Befunde der Literatur der Sowohl psychotherapeutische als auch medikamentöse Inter−
letzten Jahre zur PSD referiert werden: ventionen sind zumindest bei einem Teil der von PSD Betroffe−
nen wirksam [4]. Auch wenn die Pathogenese der Depression
Kauhanen u. Mitarb. [9] untersuchten 106 konsekutive Patienten nach Schlaganfall noch nicht abschließend geklärt ist, handelt
mit ischämischem Infarkt im vorderen Stromgebiet einer Einjah− es sich um eine häufige, Betroffene und Angehörige beeinträchti−
res−Katamnese. 70 % der Aphasiker (1/4 der Patienten) erfüllten gende Komorbidität, die oft einer Behandlung zugänglich ist.
nach 3 Monaten und 62 % nach 12 Monaten DSM−III−R−Kriterien Auch über den Kontakt mit Schlaganfallpatienten hinaus sollten
einer Major− oder Minor−Depression (nichtaphasische Patienten Ärzte die Frage nach Traurigkeit, Niedergeschlagenheit und Be−
46 zu 36 %). Während bei Aphasikern die Prävalenz einer Major− drücktheit stellen und ihrer Bejahung diagnostisch und thera−
Depression von 11 % nach 3 Monaten auf 33 % nach 12 Monaten peutisch nachgehen.
anstieg, erfüllten nur 8 bzw. 11 % der nichtaphasischen Patienten
die Kriterien. Die besondere Häufigkeit schwerer Depressionen
bei Aphasikern ist vielfach belegt, die Frage ob es einen Zusam− Literatur
menhang mit der Läsionslokalisation gibt oder ob es sich um
Editorial
1
ein Epiphänomen der Kommunikationsstörung handelt, bleibt Nolte CH, Müller−Nordhorn J, Jungehülsing GJ et al. Zwei einfache Fra−
gen zur Diagnose der Post−Schlaganfall Depression. Fortschr Neurol
jedoch offen [6].
Psychiat 2006; 74: 251 ± 256
2
Dohmen C, Garlip G, Sitzer M et al. Post−Stroke−Depression. Algorith−
Aben u. Mitarb. [10] fanden in zwei großen prospektiv unter− mus für ein standardisiertes diagnostisches Vorgehen in der klini−
suchten Kollektiven von Patienten nach akutem Myokardinfarkt schen Routine. Fortschr Neurol Psychiat 2006; 74: 257 ± 262
Wallesch CW. Depression nach Schlaganfall ¼ Fortschr Neurol Psychiat 2006; 74: 249 ± 250