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John L.

Austin rnentieren oder warn en wollen; ich hab e es einfach als Tatsache
fescgescellc.
Zur Theorie der Sprechakte . f eststellen« liege hier auf derselben Linie wie Argumentieren, Werten
Elfte Vorlesung und Warn en . Ein zweites Beispiel:
Dami t, daß ich sagte, das werd e zu Arbeitslosigkeit führen, habe ich
nicht warnen oder protest ieren wo llen; ich habe einfach di e Tat-
l
Ursprüngl ich sind wir__ bei unserer Gege nüb erstellu ng von perforrna- sachen festgestellt.
civer und konscaciver Außerung davon ausgegangen, daß Od er um einen: anderen Test zu benutzen, den wir auch früher schon
(1) mit der perfo rmaciven Äuße run g etwas getan und nicht bloß benu tzt hab en :
etwas gesagt sein solle; und Ich stelle fest, daß er es nicht getan hat.
(2) die performacive Äuße run g glück e oder nicht , statt wahr oder Das liege o hne Zwe ifel au f derselben Ebene wie:
falsch zu sein. Ich vertrete die Meinu ng, daß er es nicht getan hat .
Sind diese Unterscheid ungen wirklich haltbar ? Unsere anschließende Ich gebe zu bedenken, daß er es nich t getan hat.
Unt ersuc hun ~ von Tun und Sagen hat deutli ch auf das Ergebnis Ich wette, daß er es nicht getan hat.
hin gewiesen, daß ich imm er, wenn ich etwas sage (bloße Ausrufe Und so weiter. Wenn ich einfach die primäre, nicht-explizite Äuße-
wie »Verdammt! « und »Au!« vielleicht ausgenommen ), sowo hl loku- run g
cionäre als auch illokucion äre Akte vollziehe; und offensichtlich hatten Er hat es nicht geta n
wir versucht , gerade mit Hil fe dieser beiden Akte unt er den Narnen nehm e, dann könn en wir das, was wir mit dieser Äußerung geta n
»Sagen« und »Tun « die ko nscaciven von den performaciv en Äuße run- haben, explizit machen, also die illokucio näre Rolle der Äußerung
gen zu unt erscheide n. Wenn wir ganz generell imm er beides tun , wie genauer kennzeichnen, indem wir eine der vier obigen Äuße run gen
kann unsere Unterscheidung dann überleben ? (oder noch andere) tun; alle erre iche n diesen Zweck gleich gut .
W ir wollen den Gegensatz zuerst von der Seite der konscaciven Darüber hinaus tri fft man mit der Äuße run g »Er hac es nicht gecan«
Äußerungen her überdenke n . Wir haben uns hier mit »Feststellungen• ofc ein e Fesrsrd lu ne , und dann ist die Äußerun g zweifeUos wahr oder
als typischen Beispielen begn üge. Trifft es zu, daß , wenn wir etwas falsch wenn überhau c etwas, dann sie); und man kann wo hl nicht
feststellen, sagen, daß sie sie in 1eser Hin sicht von »Ich stelle fest, da ß er es nicht
(1) wir nicht bloß etwas sagen, sond ern darüber hinaus auch etwas getan hat « unterscheidet. Wenn jemand sage: »Ich stelle fest, daß er es
tun und nicht gecan hat «, dann überprüfen wir die Wahrheit seiner Feststellun g
(2) un sere Äußerung glück en und verun glücken kann (genauso- in genau derselb en Weise, wie wenn er simpli cicer sage »Er hat es nich t
gm, wenn Sie so wollen, wie daß sie wahr oder falsch sein getan« und wir diese Äußerung als Feststellung auffassen, was ja oft das
kann )? Nächstliegende ist. Wer also sage »Ich stelle fest, daß er es nicht getan
(1) Feststellun gen treffe n heiße sicher bis aufs I-T üpfelchen genau- hat «, trifft gena u dieselbe Feststellun g wie jemand, der sagt »Er hat es
so einen illok ucionären Akt verricht en wie etwa warnen oder eine nicht gecan«. Er trifft nicht etwa eine davon verschiedene Fescscellun g
Entscheidung verkü nd en. Nat ürli ch gehört kein besonderes körpe r- darüb er, was »ich « feststelle (Ausnah men wie das histori sche Präsens
liches Verhal ten dazu (abgesehen von den für lam sprachliche Fest- und so weite r ausgenomme n). Es ist scho n notori sch grob, mir auf
stellungen nötigen Bewegungen der Spr echorgane); aber das ist, wie meine Äußerung »Ich mei ne, er hat es nicht getan« zu antwo rten »Das
\ wir gesehen haben, beim Warnen, Protestieren , Versprechen und betrifft bloß Sie«. Dabei könnte das tatsäch lich eine Feststellung über
Taufen nicht anders. »Feststellen « scheint allen Kriteri en zu genüge n, mich sein, währ en d die Feststellung »Erhat es nicht getan« das nicht
di e wir zur Kennzeichnung des illokutionären Aktes hatten. Schauen sein könnt e. D aß wir
Sie sich eine so unt adelige Äuße run g wie die folgende an: (a) mit unserer Äußerung etwas tun und
Damit, daß ich sagte, es regne, habe ich nicht wetten oder argu- (b) unsere Äußerung wah r oder falsch ist,

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muß also nicht im Widerspruch zueinander stehen. Denken Sie aber Sprechakt- Warn en, Verpflichtung-Übernehme n und so weiter - null
schl ießl ich auch an Äußerunge n wie »Ich warne Sie, er geh t gleich los«. und nichti g machen? Kann eine Äußerung, die nach einer Feststellung
Das ist in ähnlicher Weise erstens eine Warnung; zweite ns ist es wahr aussieht, genauso null und nichti g sein wie ein Vertrag? Die Antwort
oder falsch, daß er gleich losgeht. Und das spielt , wenn wir die wird aus ganz wesentli chen Gründen Ja sein müssen. Die ersten Fälle
Warn un g beu rteilen, ebenso (wenn auch nicht in gena u derselb en sind A.1 und A.2, wo es keine (keine akzept ierte) Konvention gibt oder
Weise) eine Rolle, wie wenn wir die Feststellun g beurteilen. wo die Umstände nicht so sind , daß der Spr echer sich auf die Konven-
»Ich stelle fest, daß « bietet sich dem unbewaffneten Auge nicht als tio n beru fen könnte. Feststellungen sind vielen Unglücksfallen dieses
grund sätzlich verschieden von »Ich halte daran fest, daß « dar (wer das Typs ausgesetit.
sagt, hält daran fest, daß ... ), auch nicht von »Ich teile Ihn en mir, daß «, W ir haben schon den Fall einer Feststellun g genannt, die - wie wir
»Ich bezeuge, daß « und so weite r. Möglicherweise wird man no ch gesagt haben - die Existenz dessen, worü ber sie spricht, voraussetzt-,
»wesentliche« Unterschiede zwischen solchen Verben begründen kön - existiert es nicht, dann geht die »Feststellung « über gar nichts. Manche
nen; aber Schritt e in dieser Richtung gibt es noch nicht. sagen nun, daß in diesen Fällen, etwa wo einer behauptet, der gegen-
(2) Prüfen wir nun auch den zweiten angeb lichen Gegensatz von wärtige König von Frankreich habe eine Glatze, »die Frage, ob er eine
der Seite vermutli ch kons rariver Äußerungen - und zwar gerade von Glatze hat , sich nicht srellr«; man sagt abe r besser, daß die angeb liche
den Feststellungen - her: performarive Äußerungen sollen glücken Feststellung null und nichtig ist, ganz wie wenn ich jemandem etwas
ode r verunglücken, Feststellungen zutreffen oder nich t. Da sehen wir, verkaufen will, das mir nicht gehöre oder das verbra nnt ist und deshalb
daß Feststellun gen jede r Art von Unglücksfal l ausgesetzt sind, denen nicht mehr existiert. Verträge sind oft nichtig, weil ihre Gegenstä nd e
auch die performariven Äußerungen zum Opfer fallen können. Wer- nicht existieren. Man hat dann keinen Anhalrspu nkt mehr, wo rum es
fen wir also noch einen Blick zu rück, und unte rsuchen wir, ob Fest- in ihnen geht (ein Fall der to talen Mehrdeutigkeit).
stellun gen nicht dieselben Schwächen wie zum Beispiel Warnun gen Man darf aber auc h nicht übersehe n, daß »Feststellu ngen« noch
haben könne n, und zwar Schw ächen im Sinn e dessen, was wir »Un - andere n Unglücksfü llen dieser Art ausgesetzt sind und auch insoweit
glücksfälle« genannt haben; also die unt erschiedlichen Män gel, die Verträgen , Versprechun gen, Warnungen und so weiter gleichen. Z um
eine Äußerun g veru nglücken lassen, ohn e sie jedoch wahr oder falsch Beispiel könn en wir oft sagen : »Sie könn en mir nichts befehlen« , d . h .:
zu machen. »Sie haben mir nichts zu befehlen •; das bedeutet, daß Sie nicht in der
Wir haben scho n angemerkt, in welchem Sinne meine Feststellun g richtigen Stellun g dafür sind. Ganz genauso gibt es oft Fesrsrellungen,
»Die Katze ist auf der Matte « zu verstehen gibt , daß ich glaube, daß die di e m an einfach nicht treffen kann, die zu treffen man kein Recht hat,
Katze auf der Matte ist. Ganz im selben Sin ne gibt meine Äußerun g die zu treffen man nicht in der (richti gen) Lage ist. Jetzt, in diesem
»Ich verspreche, da zu sein« zu verstehen, daß ich vorh abe, da zu sein , Augenblick, können Sie keine Feststellun g darüber treffen, wie viele
und daß ich glaub e, da sein zu können. Feststellungen sind also Leute im Raum nebena n sind ; wenn Sie sagen »Im Raum nebe nan sind
Unglücksfällen vom Typ der Unredlichkeitausgesetzt; und genauso fün fzig Leute«, dann kann ich bloß ann ehmen, daß Sie raren oder eine
auch dem Unglücksfall der Inkonsequenz (r .2) in dem Sin ne, daß , Vermutung äußern. (Oft wäre es unvorstellbar, daß Sie mir einen
wenn ich sage oder feststelle, daß die Katze auf der Matte ist, ich mich Befehl geben, woh l aber, daß Sie mich in sehr unhöfli cher Form bitten;
damit darauf festlege, zu sagen ode r festzuste llen: »Die Matte ist unt er genauso raten Sie hier ziem lich abwegig ins Blaue.) Unter anderen
der Katze.« Das ist nicht anders, als wen n meine performarive Äuße - Umständen könnten Sie durchaus in der Lage sein, die Fesrsrellung zu
run g »Ich definiere X als Y« (im Sinne der Festsetzung) mich darauf treffen; wie steht es abe r mit Feststellungen über die Gefühle a nderer
festlegt, diese Ausdrücke in Zuk unft in bestimmter Weise zu benutzen. Leut e oder über die Zukunft? Ist eine Voraussage über das Verhalten
Es füllt auf, wie eng das mit solchen Handlun gen wie Versprechen anderer Leute wirklich eine Feststellung? Es ist wicht ig, die Äuße-
zusammenhängt. Das bedeutet , daß Feststellungen den Unglücks- run gssituatio n als ganze zu betrachten.
fällen r.1 und r. 2 ausgesetzt sind. Wie wir manchmal nicht ernennen, sonde rn eine vollzogene Er-
Wie steht es nun mit den Unglücksfällen unter A und B, welche den nennung nur bestätigen können, so können wir manchmal nicht

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feststellen, sondern eine schon getroffe ne Feststellun g nur bestäti- Betracht en wir die Angelegen heit nun von der Seite der performa -
gen. civen Äußeru ngen, dann sind wir möglicherweise immer noch davon
Feststellungen können auch an Unglücksfällen vom Typ B, den überz.euge, daß ihnen etwas fehle, was die Feststellungen haben; wenn
Trübung en und Lücken, scheitern. Jemand »sage etwas , was er eigent- auch das Umgeke hrte, wie wir gesehen haben, nicht gilt. Natür lich
lich nicht gemeine hat «; er gebrauche das falsche Wort; er sage »Die bestehen perfo rmacive Äußerungen nebenbei auch darin, daß man
Tatze ist auf der Matte «, wollte aber »Katze« sagen. Derart ige Triviali- etwas sage, nicht nur darin, daß man etwas tut; aber es dränge sich uns
täten gibt es noch meh r - und so trivial sind sie nicht einmal. Denn doch geradezu auf, daß sie nicht in der Weise wie Feststellungen
man kann solche Fragen allein unt er dem Gesic htspunkt der Bedeu - zutreffen oder nicht. Wir glauben hier eine Dimension zu sehe n, in
tung unt ersuch en (wovon ist die Rede? was wird darüber gesagt?) und der wir die konscacive Äußerung beurteilen, kritisieren, begutachten
sich dann nich t mehr auskennen; dabei sind sie doch eigentli ch ganz. (falls sie die Vorbedingung erfülle, daß sie geglückt ist) und die bei
leicht z.u verstehen. nicht -ko nstativ en, d . h. performativen Äußerungen keine Rolle spielt.
J H aben wir uns einmal klargemacht, daß wir nichtden Satz, sondern Setzen wir einma l voraus, daß d ie Äußerungssituacion in all diesen
l die Äußerung in eine r Sprechsituation untersuchen mü ssen, dann Hin sichten in Ordnung sein muß, damit mein Unte rnehmen , eine
kön nen wir üÖerhaupt nicht mehr übersehen , daß eine Handlun g Feststellung zu treffen, Erfolg hat; habe ich sie getroffen, dann stelle
vollzieht, wer eine Feststellun g trifft. Darü ber hinau s lehr eder Vergleich sich doch die Frage, ob meine Festste llung zutrifft oder nicht ? Und da s,
von Feststellun gen mit illoku tionären Akten , daß für Feststellun gen meinen wir, ist nun die Frage, die man geme inhin so ausdrückt: ob die
wie für viele and ere illokucionäre Akte die »Sicheru ng des Verständ- Feststellu ng »den Tatsachen entspricht «. Das scheint mir korrekt;
nisses« wesentlich ist; der Zweifel daran , daß ich etwas festgestellt hab e, wenn man sagt, die Wendung »trifft zu « oder »ist wah r« gebra uche n
wo es doch nicht gehört oder verstande n worden ist, unter scheid et sich heiße soviel wie bestätigen oder dergleichen, dann nützt das gar nichts.
n icht vom Zweifel da ran, daß ich sotto vocegewarnt oder prot estiert W ir haben hier also eine neue Dimension , in der wir die geglückte
hab e, wenn niemand es als Protest aufgefaßt hat und so weiter. Und Feststellun g beurteilen. Aber:
Feststellu ngen »hab en Ergebnisse « gena usogut wie etwa Taufen: wenn (1) Lassen sich nicht viele geglückte Äußerungen, die ganz. typ isch
ich etwas festgestellt hab e, dann lege ich mich damit auf andere Fest- performaci v aussehen, geradeso objektiv beurteilen - wenigstens in
stellungen fest - ande re Fescstellungen, die ich treffe, gehen dann in vielen Fällen?
Ordnung oder nicht. Und eini ge Fescstellungen oder Bemerkung en (2) Haben wir es uns mit den Feststellungen nicht etwas zu einfach
von and erer Seite werden mir dann in Zuk un ft wide rsprechen oder gemacht?
nicht, mich widerlege n ode r n ichcund so weiter. Feststellun gen fordern Einen unübersehbaren Hang zu Wahrheit oder Falschheit zeigen zum
mögli cherweise zu keiner typisch en Antwort oder Reaktio n auf ; aber Beispiel di e verdikciven Sp rechakte wie Schätzen, Für -Rech e-E rken-
das ist sow ieso nicht für alle illokucionären Akte wesentl ich. Und nen und Entscheiden. Wi r könn en
selbstverständlich kön nen wir damit, daß wir Feststellungen treffen,
alle möglichen perlokucionären Akte vollziehen.
richtig oder falsch schätzen, daß es halb drei ist;
Mit gewisser Plausibilität könnte man allenfalls behaupten, daß
zu Recht oder zu für Recht erken- daß er schuldig ist;
\ Feststellen - anders als Mitteilen, Begründ en un d so weiter - kein
Unrecht nen,
charakt eristisches per lokucionäres Ziel habe. Daß Feststellen in dieser
korrekt oder entscheiden, daß der Ball aus ist.
H insicht vergleichsweise rein ist, kann ein Grund dafür sein , daß wir
inkorrekt
den Feststellungen eine vergleichsweise hervorgehob ene Stellun g ein -
räumen. Aber das wäre bestimme keine Rechtfertigung dafür , »Be-
schreibungen « (soweit das Wo rt richtig gebra ucht wird ) einen ähnli - (Von »wahr« werd en wir bei verdiktiven Äußerungen zwar kaum
chen Vorrang einzuräumen, und trifft übrigens auf viele illokution äre sprechen, aber durchaus von »zutreffend «; und umgekehrt sagen
Akte zu. wi r, daß man etwas »korrekt « oder »zu Reche« feststellt. )

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Eine weitere Parallele haben wir zwischen schlüssigem ode r zwin- auch zu r Beurteilung von performativen Äuße run gen benutzen. Ver-
gendem Ableiten und Begrü nd en und zutr effend en Feststellungen. setze man kon scaciveÄußerun gen nicht in die einfach en Situatio nen,
Die Frage ist nicht damit erledige, daß er eine Begründung od er wie die Logik sie kennt, sondern ins wirkliche Leben, dann kann man
Ableitun g geliefert hat; es kommt auch dara uf an, ob er es durfte nicht imm er einfach sagen, daß sie wahr oder falsch wären. 7
und ob er Erfolg harre. Man kann berechtigt und unber echti gt warnen Stellen wir zum Beispiel »Frankrei ch ist sechseckig« den Tatsach en ~
und guc oder schieche raten. Ähnl iche Fragen kann man stellen, wenn gegenübe r, d. h. in diesem Falle Frankr eich; ist das wahr oder falsch?
jema nd lobe, tadele oder beglückwünsche. Tadel ist zum Beispiel nicht Schön, bis zu einem gewissen G rade, wen n Sie so wollen; wenn Sie in
am Platz , wenn man selbst so etwas getan hat ; und man kann immer gewissen Z usammenhängen sagen, es sei wahr, dann kann ich natür-
d ie Frage stellen, ob Lob, Tadel oder Glückwunsch verdient waren lich verstehen, was Sie meinen . Es reicht vielleicht für einen Dr ei-
od er nicht. Man kann nicht einfach sagen: »Ich habe ihn getadelt« und scernegeneral, aber nicht für einen Geog raph en. »Es ist natürli ch
glauben , damit wäre Schlu ß - sch ließlich wird eine H andlun g einer ziem lich grob «, würden wir sagen, »und recht gut für eine reche grobe
and eren nicht grundlo s vorgezogen. Di e Frage, ob Lob und Tadel Feststellung. « Und dann komme einer und sage: »Aber ist es wahr oder
verdient sind , ist etwas ganz anderes als di e Frage, ob sie gelegen falsch? Mich schere nicht, ob es grob ist od er nicht, nein, es muß doch
ko mme n; eine Unterscheidung, die man auch beim Ratgeben treffen wahr oder falsch sein - Feststellungen treffen d och zu oder nicht ,
kann . Ob man einen Rat gut oder schieche nen nt und ob man sage, er oder? « Was soll man auf diese Frage antwo rten -o b es wah r oder falsch
komme gelegen oder ungel egen, ist zweierlei, wenn es auch für die ist, daß Frankr eich sechseckig ist? Es ist eben eine grobe Feststellun g;
Güte eines Ratschlags wesen tlicher ist, wann er gegeben wird , als für und d as ist die richtige und endgülti ge Antwort, wenn jemand nach
die Berechtigung eines Tadels, wan n er ausgesprochen wird. der Beziehun g zwischen »Frankreich ist sechseckig« und Frankreich
Kön nen wir wirklich sagen , di e Beu rteilu ng einer Feststellung als frage. Es ist eine grobe Beschreibung , keine zutre ffende oder un zu-
zutreffend sei sui generis und sei etwas ganz anderes als die Beurt eilung treffende.
einer Begrü ndun g als zwingend , eines Ratschlags als gut, eines Urteils Was das Z utreffen von Feststellungen angehe, sind auße rdem - ganz
als gerecht und eines Tadels als verdient? H aben nicht auch diese in wie bei d er Frage, ob ein Rat gut genug ist - Ziel und Zweck und der
verwickelter Weise etwas mit Tatsachen zu tun ? Dasselbe gilt auch für ganze Z usam menhan g der Äuß erun g von Bedeutun g; Sätze, die man
exerzicive Äu ßerungen wie Bene nnen , Einstellen, Vermachen und in einem Schulbuch für wahr eracht et, wird man in einer historischen
Wett en. Tatsachen und unser Wissen oder un sere Meinung über sie Untersuchung nicht unb edin gt ebenso beurtei len. Nehmen Sie die
spielen eine Rolle. konstacive Äußerung »Lord Raglan hat die Schla cht von Alma ge-
Natürlich werden dauernd Versuch e gemache , solche Unterschei- wo nnen« und bedenke n Sie dabei, daß die Schlacht von Alma eine
dungen zu treffen. Ob Begründun gen zwingend seien (falls es sich Schla cht der Solda ten war (wenn je eine Schla cht es war, dann sie) und
nicht um »gültig e« deduktive Argumentationen handele ) und ob Tadel daß seine Befehle einige seiner Untergebenen nie erreiche hab en. H at
verdiene sei, das sollen keine objektiven Fragen sein; oder man rät un s, Lord Raglan also die Schla cht von Alm a gewonn en oder nicht ? In
bei der Warnung zwische n der »Feststellung «, daß der St ier gleich man chen Z usammenh ängen, für ein Schulbu ch etwa, kann man diese
losgehe , und dem Warn en selbst zu unt erscheide n. Überlegen Sie aber Behauptun g oh ne weiteres rechtferti gen - eine Übertreibung, gewiß,
auch einm al, ob die Frage nach dem Z utr effen einer Feststellung so und niemand würde Lord Raglan dafü r einen Orden verleihen. So
furchtbar objektiv ist. Wir fragen: »Ist die Feststellung genau?«Und grob wie »Frankreich ist sechseckig«, so übertr ieben ist »Lord Raglan
sind Argum ente und Begrü ndun gen für Feststellun gen und Aussagen hat die Schlacht von Alma gewonnen «; brauchbar in einem Zu-
so grundv erschied en von Argumenten und Begründung en für perfor- samm enhang, nicht unb edin gt im anderen. Es wäre witzlos, auf der
macive Akte wie Behauptun gen, Warn un gen und Ent scheidun gen ? Ist Wahr heit oder Falschheit des Satzes zu bestehen.
also die konscacive Äußerung imm er wahr oder falsch? Wenn wir eine Dri ttens kön nen wir un s fragen, ob es wah r oder falsch ist, daß alle
kon stative Äuß erung an den Tatsache n messen, benutz en wir für ihre Schne egänse nach Labrador ziehen, und zwar unt er der Voraussetzung,
Beurt eilun g eine große Men ge von Ausdrü cken, von den en wir viele daß vielleicht eine verstümm ele ist und die Wanderung manchm al

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nicht ganz schaffe. Angesichts solcher Probl eme haben viele mit einer eine Feststellung zutrifft oder nicht, hängt nicht nur davon ab, was die
gewissen Berechtigung behauptet , daß Äußerung en, di e mit »Alle ... « ~Örter bedeuten, sondern auch davon, ws:lcbe Hand!qug, man mit der
anfangen, definitorische Vorschläge sind oder Regeln befürwo rten. Außerung unter welchen Umständen vollzogen hat.
Aber was für eine Regel? Auf diese Vorstellung verfällt man zum Teil Was bleibt dann letzte n Endes von der Unterscheidung zwischen
deshalb , weil man verkennt, worüber solch e Feststellungen gehen: performaciver und konstaciver Äußerung? Wir können sagen, daß es
nämlich nur über Bekanntes. Wir können nicht so ohne weiteres uns dabei im Grunde um folgendes gegangen ist:
b ehaupten, di e Wahr fiei~n Feststellungen hänge von den Tatsachen (a) Bei der konstaciven Äußerung sehen wir von den illokutionären
ab (und nicht von unserem Wissen über die Tatsachen). Denken Sie (und erst recht von den perlokutionären) Aspekten des Sprechaktes ab
sich, X sage vor der EntdeckungAust raliens: »Alle Schwäne sind weiß. « und beschränken uns auf den lokutionären . Darüber hinau s ist unsere
Ist er des Irrtums überführt, wenn man später in Australien schwarze Vorstellung von der Entsprechung zu den Tatsachen zu einfach - zu
Schwäne findet? Ist seine Feststellung jetzt falsch? Nicht unb edingt; er einfach, weil für sie in Wahrheit der illokuciÖnäre Aspekt we;ntlich
wird sie zurückziehen , aber er könnte sagen: »Ich hab e nichts über ist. Wir streben nach einer idealen Äußerung, di e unt er allen Um-
Schwä ne überhaupt und wer weiß nicht wo gesagt; ich habe ja auch stä nden, zu jedem Zweck, mit jedem Adressaten richt ig wäre. Viel-
keine Feststellun g über mög liche Schwäne auf dem Mars getroffen. « leicht erreicht man so etwas bisweilen.
Worüber man spricht, hängt davon ab, was man zur Zeit der Äuß erung (b) Bei der performativen Äußerung achten wir so ausschließlich
weiß. wie möglich auf ihre illokutionäre Rolle und lassen die Dimensi on der -
Ob Feststellungen zutreffen oder nicht, hängt auch davon ab, was Entsprechung z~ n Tatsachen beiseits:
sie auslassen und was sie berücksichtigen und ob sie irrefuhren und so Vielleicht ist kein e von beiden Abstraktionen zu sehr viel nü tze;
weiter. Beschreibungen, von denen man sagt, sie seien wahr oder vielleicht haben wir hier jn Wahrheit keine zwei Pole, sondern eine
falsch, die, wenn Sie so wollen, »Feststellungen « sind , können zum histori sche Entwicklung. In gewissen Fällen mög en wir uns solchen
Beispiel in dieser Weise kritisiert werden, da sie auswählen müssen und Dingen im wirklichen Leben nähern - Gleichungen in Physiklehr -
zu einem bestimmten Zweck geäußert werden. Man muß sich unbe- büchern als konstative Äußerungen, einfache Befehle oder Namens-
dingt klarmachen , daß »wahr « und »falsch« - wie »frei« und »unfr ei« - gebungen als performativeÄußerung en. Beispiele dieser Art, »Ich bitte
gar nicht für irgend etwas Einfaches stehen; sie stehen für eine all- um Entschuldigung « oder, als Äußerung ohne erkennbaren Zweck,
gemeine Dim ension , in der eine Äußerung unter diesen Umständen, »Die Katze ist auf der Matte «, extreme Grenzfälle also, haben zur

l
mit diesem Adressaten , zu diesen Zwecken und mit diesen Absicht en Vorstellung von zwei verschiedenen Äußerungstypen gefüh rt. In
die richtige, passende Äußerung (und nicht die falsche Äußerung) sein Wahrheit muß unser Ergebnis statt dessen sein, daß wir (a) zwischen
kann. f ---, lokucionären und illokutionären Akten unt erscheiden müssen und
Allgeme in können wir folgendes sagen: Sowohl bei Feststellu ngen (b) für alle Typen von illokutionären Akten gesondert und sorgfältig
(etwa auch Beschreib un gen) als auch bei Warnungen und so weiter untersuchen müssen, ob und in welcher besonderen Weise diese
kann, vorausgesetzt, daß man wirkl ich gewarnt hat und das Reche zu Warnungen, Schätzungen , Urtei le, Feststellungen und Beschreibun-
warn en hatte, daß man wirklich festgestellt hat, daß man wirklich gen in Ordnung sein und zweitens »richtig« sein können oder nicht.
einen Rat gegeben hat , die Frage gestellt werden, ob man zu Recht Wir müs sen untersu chen , welche Ausdrücke man im Einzelfall zur
festgestellt, gewarnt, einen Rat gegeben hat - nicht in dem Sinne, ob Beurteilung benutzt und was sie bed eut en. Das ist ein weites Feld; und
das gelegen kam oder nützlich war, sondern ob die Äußerung ange- sicher kommt kein simpler Unterschied zwischen »wahr « und »falsch«
sichts der Tatsachen , angesichts unseres Wissen s von den Tatsachen, herau s. Es wird auch kein Unterschied zwischen Feststellungen und
angesichts der Absiehe hinter der Äußerung und so weiter die richtige dem ganzen Rest herauskommen ; denn Feststellen ist nur einer von
Äußerung war. überaus vielen illokucionären Sprechakten.
Das ist nun nicht etwa die pragmatische Theorie , nach der die D er lokurionäre Akt ist wie der illokutionäre im allgemeinen eine
Wahrheit das ist, womit man arbeiten kann und so weiter; sondern ob bloße Abstraktion ; jeder echte Sprechakt ist beides. (In ähnlicher

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Weise sind pharischer und rherischer Akt und so weiter bloße Ab - John R. Searle
straktionen.) Krit erien für die Unterschiede zwischen den abstrah ier-
ten »Akre n« sind die möglichen Fehler zwischen Lipp' und Kelches- Was ist ein Sprechakt?
rand ; in d iesem Fall die unterschiedlichen Arten von Uns inn , die wir
mir der Sprech handlu ng hervorrufen können. Erin nern wir uns an
dieser Stelle daran , was wir in der ersten Vorlesung über die Unter- 1. E inl eitun g
scheidung verschiedener Arten von Unsin n gesagt haben.
(Aus dem Englischenvon Eikev. Savigny) In einer typisc hen Sp rechsiruarion, an der ein Sprecher, ein H örer und
eine Äußerung des Spr echers beteilige sind , gibt es viele Arten von
Ak ren, die mir der Äußerung des Spreche rs verknüpft sind. Der
Sprec her wird typischerwe ise seinen Kiefer und seine Zunge bewegt
und Laure von sich gegeben haben. Z usätzlich wird er norma lerweise
einige Akte aus derjenigen Klasse vollzogen haben , d ie eine Bezug-
nahme auf Kennedy, Ch ruschtschow oder den Nordpo l einschließt ;
und er wird auch Akte aus derjenigen Klasse vollzogen haben, die das
Aufstellen von Behauptung en, das Stellen von Fragen, das Geben von
Befehlen , das Berichrer srane n, das Gr üßen und das Warnen beinhal -
tet. Die Elemente der letzte ren Klasse nan nte Austi n 1 illokurio näre
Akte, und mir d ieser Klasse werde ich m ich in diesem Aufsatz befassen.
Dah er könnte der Titel des Aufsatzes auch sein: »Was ist ein illoku-
tio närer Akt?« Ich werde nicht versuchen, den Ausdru ck »illokurio -
närer Ak t« zu definieren, obwo hl meine Analyse eines bestimmten
illokutionären Akrs die Grund lage für eine Definition liefern könnte,
wenn sie erfo lgreich ist. Einige der eng lischen mit illokurionären
Akren verbund enen Verben und Verbalphrasen sind: aussagen, be-
haupt en, beschreiben , warne n, bemerken, kommentieren , befehlen ,
bestellen, erbiete n, kritisieren, sich entsch uldi gen, zensiere n, billigen,
begrüßen , versprechen, Zus timmu ng ausdrüc ken und Bedauern aus-
drü cken. Ausrin behauptet e, daß es über tausend solcher Ausdrü cke
im Eng lischen gebe.
Einleitend kann ich vielleicht sagen , wa rum ich glaube, daß die
Untersuchung von Sp rechakten od er, wie sie manchmal genan nt
werde n, von Spr achakten oder sp rachlichen Akren, für die Sprach-
phi losop hie int eressant und wichtig ist. Nic ht das Symbo l oder Wort
oder der Satz oder gar das Tokendes Symbols, Wortes ode r Satzes isrdi e
Einheit der sprachli chen Kommunikation, wie man im allgemei nen
angenomme n hat, sondern es ist vielmehr die Hervorbringungdes
Tokensim Vollzug des Spr echakts, was d ie grundl egend e Einheit der

1 John L. Aus,in (1962), How to Do Thingswith Wflrdi,Oxford.

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