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Jean Lecanuet

Jean Adrien François Lecanuet (* 4. März 1920 in Rouen; † 21. Februar


1993 in Neuilly-sur-Seine) war ein französischer Politiker. Er war
Vorsitzender der christdemokratischen Parteien MRP, CD, CDS und UDF;
französischer Senator (1959–1973 sowie 1977–1993), Justizminister (1974–
1976) und Planungsminister (1976–1977). Zudem war er von 1968 bis zu
seinem Tod Bürgermeister von Rouen sowie von 1979 bis 1988 Mitglied des
Europäischen Parlaments.

Inhaltsverzeichnis Jean Lecanuet (1959)

Leben
Ehrungen
Weblinks
Einzelnachweise

Leben
Lecanuet entstammte bescheidenen Verhältnissen. 1942 war Lecanuet der jüngste Dozent Frankreichs
(Philosophie). Gleichzeitig engagierte er sich in der Résistance-Gruppe von Capitaine Michel, spezialisiert
auf Eisenbahnsabotage.

Nach Frankreichs Befreiung entschied sich der junge Philosophieprofessor für die Politik (MRP) und
arbeitete von 1945 bis 1951 für mehrere Minister dieser Partei (z. T. als Kabinettschef). Von 1951 bis 1955
war er Abgeordneter seines Heimatdépartements Seine-Maritime in der Nationalversammlung. Als solcher
übernahm er verschiedene Funktionen, unter anderem im Conseil d’État. Von Oktober 1955 bis 1956 war
er Staatssekretär für Beziehungen zu den „assoziierten Staaten“ (ehemalige französische Kolonien in
Indochina). Nach Gründung der Fünften Republik war er von 1959 bis 1973 war er als Zentrist für den
Wahlkreis Seine-Maritime im französischen Senat. Im Mai 1963 übernahm er den Vorsitz der MRP, die
Partei hatte jedoch stark an Bedeutung verloren und war in Auflösung begriffen. Viele Wähler und
Abgeordnete waren zu den Gaullisten übergelaufen.

Als zentristischer Kandidat trat Lecanuet, unterstützt durch Paul Reynaud, 1965 bei den
Präsidentschaftswahlen gegen den amtierenden Staatspräsidenten General Charles de Gaulle an. Im ersten
Wahlgang am 5. Dezember 1965 erhielt er 15,6 % (3,78 Millionen Stimmen) und schied damit als Dritter
mit deutlichem Abstand zu de Gaulle mit 44,6  % und François Mitterrand mit 31,7  % aus, zwang aber
damit überraschend de Gaulle in einen zweiten Wahlgang gegen Mitterrand. Nach der Wahl gründete er
das Centre démocrate (CD) als neue Partei der bürgerlichen Mitte, in dem sich das christdemokratische
MRP und das liberal-konservative CNIP sowie Einzelpersonen wie René Pleven zusammenschlossen. Die
CNIP-Mitglieder verließen das CD jedoch nach einem Jahr wieder, sodass es im Wesentlichen eine
Nachfolgepartei des MRP blieb.
In seiner Heimatstadt Rouen war er von 1968 bis zu seinem Tod 25 Jahre lang Bürgermeister. Dort führte
er die erste Fußgängerzone Frankreichs ein.

Im Vorfeld der Parlamentswahlen 1973 schloss Lecanuets CD mit


der Parti radical valoisien von Jean-Jacques Servan-Schreiber
sowie kleineren Mitte-Parteien ein Bündnis, das Mouvement
réformateur, das sich zwischen dem Regierungslager des
Präsidenten Georges Pompidou und der Linksunion aus Sozialisten
und Kommunisten positionierte. Vor dem zweiten Wahlgang
handelte Lecanuet mit dem Premierminister Pierre Messmer den
taktischen Rückzug von Kandidaten der Zentristen und Gaullisten
in Schlüsselwahlkreisen aus, der beiden Gruppierungen gemeinsam
zu einer Mehrheit in der Nationalversammlung verhalf. Lecanuet
trat von seinem Senatssitz zurück und bewarb sich erfolgreich um
einen Sitz in der Nationalversammlung.

Bei der Präsidentschaftswahl 1974 unterstützte er die Kandidatur Lecanuet (rechts) mit Jean-Jacques
des letztlich siegreichen Valéry Giscard d’Estaing. Unter dessen Servan-Schreiber (links) und Marcel
Präsidentschaft war Lecanuet von Mai 1974 bis August 1976 Ruby beim Kongress des
Justizminister im Kabinett Chirac I. In dieser Zeit setzte er sich für Mouvement Réformateur (1973)
die Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre ein. Er verteidigte die
Verfassungsreform, die sechzig Abgeordneten ermöglicht, den
Verfassungsrat anzurufen. Im Mai 1976 fusionierte Lecanuets Centre démocrate mit einer weiteren
christdemokratischen Partei, dem Centre démocratie et progrès von Jacques Duhamel, zum Centre des
démocrates sociaux (CDS). Dessen Vorsitzender war Lecanuet anschließend bis 1982. Der Regierung
Raymond Barres gehörte er von August 1976 bis März 1977 als Ministre d’État (d.  h. einer der
höchstrangigen Minister) zuständig für Planung und Raumordnung (ministre du Plan et de l'Aménagement
du territoire) an.

Von 1977 bis 1988 war er wieder für den Wahlkreis Seine-Maritime im Senat, wo er ab 1979 den
Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung und die Streitkräfte leitete. Die bürgerlichen
Mitte-rechts-Parteien, die die Präsidentschaft Giscard d’Estaings unterstützten, schlossen 1978 ein
langfristiges Bündnis, die Union pour la démocratie française (UDF), deren Vorsitzender Lecanuet
während der folgenden zehn Jahre war. Als Atlantiker, überzeugter Europäer und Befürworter der
Vereinigten Staaten von Europa wurde er 1979 außerdem zum Abgeordneten des Europäischen Parlaments
gewählt. Dort saß er in der christdemokratischen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP). Von 1987
bis 1988 war er Vorstandsmitglied der EVP-Fraktion und Vorsitzender der Delegation des
Europaparlaments für die Beziehungen zu den Golfstaaten. Beim Referendum über den EU-Vertrag von
Maastricht warb er energisch für ein „Ja“.

Ehrungen
1958: Komtur mit Stern des Päpstlichen Ritterordens des heiligen Gregors des Großen[1]

Weblinks
Commons: Jean Lecanuet (https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Jean_Lecanuet?usela
ng=de) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Jean Lecanuet (https://www.europarl.europa.eu/meps/de/799) in der Abgeordneten-
Datenbank des Europäischen Parlaments

Einzelnachweise
1. AAS 50 (1958), n. 15, S. 756.

Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Jean_Lecanuet&oldid=227276898“

Diese Seite wurde zuletzt am 23. Oktober 2022 um 07:52 Uhr bearbeitet.

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