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Abschnitt
: Kunst und Architektur
8.1 Archdologie Irans bis 2000 v. Chr.
Barbara Helwing (Berlin)
A. Allgemeines, Quellen, Forschungsstrategien
‘Nach dem Ende der letzten Biszeit entstanden in Iran ab dem 9. Jt. v. Chr. sesshafte Ge-
meinschaften, deren Lebensgrundlage Ackerbau und Viehzucht waren. Diese entwickel-
ten sich ab dem 4. Jt zu komplexen Gemeinwesen mit institutionalisierter Exekutive
und ersten staatlichen Organisationen. Diese friihen Staaten standen in Austausch, aber
auch in K onkurrenz mit den Staaten im mesopotamischen Tiefland, Die Grundziige die-
ser Entwicldungen werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt
Der modeme Staat Iran umfasst verschiedene, teils extreme Klimazonen (Staubwas-
ser/Weiss 2006), von tropischer Tiefebene bis Hochgebirge. Die Ketten des Zagros im Sii-
den und des Alborzgebirges im Norden rahmen eine abflusslose wiistenhafte Hochebene
ein, die nur an ihren Réindern und in ihrem geméiAigteren westlichen Teil fiir menschliche
Besiedlung geeignet war Die Hochtiler im Gebirge und die Kiistenebenen des Kaspi-
schen Meeres wurden ebenfalls friih besiedelt Die Vielfalt an Biotopen erforderte unter-
schiedlichen Nutzungsstrategien und beglinstigte regionale Entwicldungen (Meder 1979)
Die Geschichte dieser gegensitzlichen Landschaften kann anhand von zwei Quel-
lengattungen rekonstruiert werden, die jeweils eigene Forschungsstrategien erforder:
einerseits archiologische Quellen, dh. Ausgrabungsbefunde, Ergebnisse von Ober-
fltichenbegehungen sowie Beobachtungen an sichtbaren Monumenten, und anderer-
seits historische Textbelege in sumerischer, spiiter akindischer und elamischer Sprache
Letztere stehen erst ab dem ausgehenden 4. Jt. v. Chr. zur Verfligung. Der archiiologi-
sche Forschungsstand ist aus mehreren Griinden uneinbeitlich:
1. verschiedene Kategorien von Fundstellen sind im archiologischen Befund unter-
schiedlich sichtbar.
Archiiologische Forschungen waren in einzelnen Regionen unterschiedlich intensiv.
Archiiologische ,,Schulen" haben mit unterschiedlichen Methoden gearbeitet
Zu 1. Kategorien von Fundstclicn: A. Siedlungshiigel (pers. rappe) sind weithin
sichtbar und gehéren deshalb zu den bekanntesten Fundortgattungen Sie bestehen aus
iibereinander liegenden Bau- bzw. Schuttschichten von Hiiusern aus Stampflehm oder
Lehmziegel. B. Héhlenfundorte dienten oftmals saisonal als Lagerplitze flir Tiger oder
‘Hirten. Sie iiberliefern hiufig altsteinzeitliche Fundschichten, wihrend jingere Nut-
Zungsarten oft nur zufillig registriert werden. C. Flache Siedlungen, auBer im Falle zu-
filliger Entdeckungen oder systematischer Feldbegehungen im Geliinde hiufig nicht
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erkannt. D. Fundstellen mit besonderer Funktion, wie Bergwerke, Verhiittungsplitze
oder Freiluftwerkplitze. E. Griberfelder aufethalb von Siedlungen. F Bildliche Dar-
stellungen ohne zugehdrigen Siedlungsbefund, z.B. Felsreliefs.
Die unterschiedliche Sichtbarkeit flihrt zu einer ungleichméifigen Erfassung der
Fundstellen, was durch die Geographie und Hydrographie verstirkt wird. Tektonische
Alsivitit und Erosion kénnen in kurzer Zeit Landschaften stark tiberformen Massi-
ve Erdrutsche haben im 13. Th. n Chr am Seimarreh-Fluss Siedlungen in der flachen.
Ebene vollstiindig verschiittet (Brookes 1989). Bis heute werden zahlreiche Flusstiler
aufgeschottert, wodurch alte Siedlungsplitze tiberdeckt werden (Helwing et al. 2010)
Oberfliichenbegehungen reprisentieren deshalb keineswegs ungeprift die alte Land-
schaftsnutzung, und einige archiiologische Perioden bleiben unterre prisentiert. Ein wei-
teres Problem insbesondere seit der ,,weiflen Revolution" im Iran der 1960er Jabre ist
die moderne Landwirtschaft, der ganze Siedlungslandschaften zum Opfer fallen. Von.
den iiber 3500 im Umlreis von Susa in den 1960er Jahren registrierten Siedlungsstellen.
sind heute mebr als 60 % zerstért (Azarnoush/Helwing 2005),
Zu2. Unausgewogene Erforschung, Seit den 1950er Jahren prtigen unterschiedliche
riumliche Schwerpunkte die Forschung. Im 20. Jh. lag ein Hauptaugenmerk auf dem
Siidwesten Irans, wihrend das zentrale Hochplateau und der Osten des Landes noch in
weiten Teilen unerforscht sind. Jede zusammenfassende Darstellung muss von wenigen.
punktuell verfiigbaren Daten aus extrapolieren (Young 1986).
Zu 3. Unterschicdliche archdologische ,,Schulen’’ Eine weitere Verzerrung des
Forschungsbilds ergibt sich aus den unterschiedlichen Methoden der einzelnen Gra-
bungsexpeditionen. Die frlihen Ausgrabungen in einigen der gréBten Siedlungshiigel
Trans wie Susa, Tappe Hesar, Tappe Silk und Tappe Giyan gingen grofiflichig vor,
doch die damals angewandten Methoden kénnen sich hinsichtlich ihrer Genauigkeit
mit heutigen Standards nicht messen (Mousavi 1996). Seit den 1960er Jahren lieferten.
die Methoden der sog. New Archaeology“ neue Impulse, beispielhaft waren die For-
schungen des ,Prehistoric Project" der Universitit Chicago zur Friihzeit des sesshaften.
Lebens im Zagros (Hole 1999). Aufgrund der Unterbrechung systematischer Feldfor-
schungen seit 1979 bleibt unsere Kenntnis des iranischen Hochlands weit hinter den.
anderen hotspots" archiiologischer Forschung in Siidwestasien zuriick,, die Weiterent-
wicldung archiologischer Methodik hat im Iran bisher Jaum ihren Niederschlag ge-
funden Erst seit 2000 kommen wieder neue Anstitze zur Anwendung und haben die
Forschungsaltivititen im Land stark zugenommen (Azamoush/Helwing 2005). Bei-
spielhaft sind Geliindebegehungen und Sondierungen in den Ebenen von Qazvin und
Teheran, deren Ziel die Erstellung einer absolutchronologischen Abfolge der priihistori-
schen Epochen ist (Fazeli Nashli et al, 2009, mit Lit ); neue Untersuchungen zur frihen.
Sesshaftigheit im Zagros (Matthews et al. 2010); und die Erforschung der filihen Me-
tallindustrie auf dem Zentral plateau (Vatandoust et al. 2011), Die Denkmalpflege steht
‘heute durch die fortschreitende Entwicklung des Landes vor neuen Herausforderungen,
die systematische Landesaufnahmen und umfangreiche Rettungsgrabungen notwendig
machen Durch diese Arbeiten sind allein in den letzten zehn Jahren ganz neue Fund-
landschaften zutage getreten, von denen die bronzezeitlichen Griiberfelder von Dschi-
roft zu den belanntesten zihlen (Majidzadeh 2003).
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B. Bericht iuber die Forschungen
Beginn der Sesshaftwerdung — Frithneolithikum (ca. 8600-7000 v. Chr)
Das von Braidwood initiierte ,Jranian Prehistoric Project" betrachtete die Neolithisie-
rung als Anpassung an einen sesshaften und nahrungs produzierenden Lebensstil (Braid-
‘wood et al. 1961). Da die Tiler des Zagros und seine Vorberge, von Braidwood als
-Hilly Flanks bezeichnet, das natiiliche Habitat der sptiter domestizierten Tiere und
Pflanzen bildeten, lag es nahe, den Begin der Neolithisierung dort zu suchen. Offen.
‘war die Frage, ob dieser Prozess eher in den Miihlen Hochtiilem oder im Tiefland statt-
gefunden hat. Im Hochland waren Strategien des Herdenmanagements seit dem 8 It
v. Chr bekannt, zum Beispiel in Ganj Darre, einem der friihesten Orte mit Nachweisen
fiir Sesshaftigkeit im Hochland. Aber auch im Tiefland gibt es in Tschoga Bonut und Ali
‘Kosh Beispiele fiir frithe Sesshaftigkeit, und die Frage blieb unentschieden Inzwischen,
‘hat sich die Pers pektive verschoben: man hat eriannt, dass die Domestilntion nicht die
Bedingung fiir die Neolithisierung, sondern das Ergebnis einer langfristigen Beeinflus-
sung von Tier und Pflanzenpopulationen ist, durch seleltives oder opportunistisches
Jagen einerseits und durch systematisches Ernten und Stien andererseits (Zeder 2005)
Deshalb suchen Archiiologen heute nach Anzeichen fir den Beginn der Sesshaftigheit
als Vorbedingung fiir die Neolithisierung
Sesshafte Jiger- und Wildbeutergruppen sind im Zagros seit dem 9/8. Jt. v. Chr
nachgewiesen (Hole 1987, Helwing 2012), ihre Sesshaftwerdung geschah iiber einen.
Jangen Zeitraum und in verschiedenen Abstufungen Die dltesten Fundorte wie Ganj
Darre zeigen num feste Architektur, sondern bestehen eher aus Ansammlungen von
Gruben und Feuerstellen. Auch Keramik ist zuniichst noch unbelannt. Solche Lager-
plitze oder temportiren Schutzdiicher in Héhlen kénnen sowohl von Jagergruppen als
auch von Hirten genutzt worden sein. Die Entwicklung im Zagros ents pricht damit ver-
gleichbaren Trends in anderen Regionen Siidwestasiens, so dass das althergebrachte
Paradigma der ,Levantine primacy“, welches eine gegeniiber der Mittelmeerkiiste um
beinahe 2000 Jahre verspitete Ankunft der sesshaften Lebensweise im Zagros annahm,
heute aufer Kraft gesetzt ist.
Die Gemeinschaften, die im Zagros sesshaft wurden, waren sehr wabrscheinlich
lolaler Herkunft. Darauf deuten Kontinuititen in den Technologien der Feuerstein-
bearbeitung hin, die an diltere epipaliolithische Industrien ankniipfen Neue Fundor-
te schliefen langsam die bisher angenommene Liicke zwischen Epipaldolithikum und
Neolithikum. Dazu gehért das sog_ ,Proto-Neolithikum* aus der Ha ji Babram-Hihle
und die akeramisch neolithischen Schichten in Rahmatabad, beide im Sivand-Stausee-
gebiet in Fars. In Nordiran steht der Fundort Sang-e Chaqhmagh West stellvertretend
fiir eine friihe, akeramisch neolithische Besiedlung, jiingst wurde auch in Ostiran in
‘Tappe Amshi ein akeramisches Neolithikum nachgewiesen. Lolale Entwickiungsstrin-
ge sind auch in anderen Regionen des iranischen Hochlandes zu erwarten. Einzig die
epipaliiolithischen Robbenjiger an der Kaspiliiste, deren Hinterlassenschaften in den
‘Hohlen von Hotu und Kamarband gefunden wurden, zeigen bisher keine Anzeichen fiir
eine kontinuierliche Entwicklung ins Neolithilum,
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Wiihrend der Wandel der Subsistenz hin zu einer nahrungsproduzierenden Wirt-
schaftsweise friiher als das wesentliche Element der Neolithisierung angesehen wur-
de, sind inzwischen Veriinderungen in den geistigen und sozialen Vorstellungen der
menschlichen Gemeinschaften als wichtige Faktoren stirker in den Vordergrund ge-
riiekt (Cauvin 1997, Watkins 2001), Die Sesshaftigkrit erzeugte Bindungen an Orte und
Landschaften, beispielsweise durch die Anlage von Grabsttitten und damit verbundene
regelmifige Rituale und Feste. In Ganj Darre und in Sheikh-e Abad wurden Verstor-
bene innerhalb der Siedlung bestattet und teils mit Ocker bestreut, besondere Gebiiu-
de weisen einen Wandschmuck auf, bei dem Schiidel und Gehérn von Wildziegen oder
-schafen in die Wand eingelassen sind (Smith 1983; Matthews et al. 2010)
Im Vergleich zum westlichen und zentralen Teil des Fruchtbaren Halbmonds ist der
arehiiologische Befund im iranischen Hochland noch immer sehr spilich, insbesondere
‘hinsichtlich ritueller und symbolischer Handlungsweisen. Da die Hiiufung spekralali-
rer Funde in frihneolithischen Siedlungen in Westasien (aufterhalb Trans) im wesentli-
chen das Resultat von Feldforschungen der letzten drei Jahrzehnte ist, muss der heutige
Forschungsstand in Iran als nicht reprisentativ angesehen werden
Entwickeltes Neolithilum (ca. 7000-5200)
‘Uber 2000 Jahre vergingen, bis sich die sesshaften Gemeinschaften in Iran mit einem
vollsttindig neolithischen Lebensstil eingerichtet hatten. Es entwickelten sich zahlreiche
neue handwerldiche Fihigkeiten, besonders Keramik, die seit Begin des 7. Its. v. Chr.
zum Standard gehért (VoigéDyson 1992, Helwing 2012); deshalb wind diese Periode
auch als keramisches Neolithikum oder Spitneolithikum bezeichnet. Die Menschen leb-
ten in Dérfern mit festen Hiusern aus Stampflehm oder Lehmziegein und nutzten ein
breites Spektrum an Ressourcen. Subsistenz berubte auf Ackerbau, der Herdenhaltung
von Schafen und Ziegen sowie der selektiven Nutzung von wilden Tieren und Pflan-
zen. Die ditesten keramikproduzierenden Fundorte liegen in den Hochtilern Westirans
und im nordirakischen Hiigelland, beispielsweise Jarmo (Nordirak). Die dort gefunde-
ne, als Zagrosgruppe bezeichnete Keramikist eine handgeformte ,soft ware“ mit grober
organischer Magerung, die bei niedrigen Temperaturen gebrannt wurde. Vergleichbare
-Protokeramik" kommt auch in den untersten Schichten von Ganj Darre vor Die neue
Technologie breitete sich schnell iiber grofe Entfernungen aus, und weit voneinander
entfernte Keramikinventare, beispielsweise aus Tall-e Eblis in Siidostiran und aus Sang-
e Tschagmagh West in Nordiran, gehéren beide zu diesem ,soft ware“-Horizont. Be-
deutet diese Abnlichkeit iber weite Distanzen, dass es einen gemeinsamen Ursprung all
dieser friihen keramikfiihrenden Gruppen gibt? Die schnelle Ausbreitung dieser neuen.
‘Technik spricht gegen rein lolale Entwicldungen und man vermutet heute, dass tiberre-
gionale Netzwerke, die in der Verbreitung exotischer Materialien wie Meeresmuscheln,
Obsidian, Halbedelsteine, Bitumen und sogar schon Kupfer ihren archiiologischen Nie-
derschlag fanden, die Ausbreitung solcher Innovationen begiinstigten.
Bemalte Keramikgefiife erscheinen erst einige Jahrhunderte spiter, wiederum in
Westiran. Zu den friihsten Fundorten mit bemalter Keramik gehért Tappe Sarab, wo be-
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reits kurz nach 7000 verschiedene Varianten verzierter Keramik auftreten (VoigDyson
1992), Auch die Technik der Keramikdekoration breitete sich schnell aus, die untersten
Schichten der groBen Siedlungshiigel im iranischen Hochland (Iblis I, Sialk I, Balun.
B, Haji Firuz) datieren in das 6, Jt. Bisher ist nirgends eine dltere sesshafte Besiedlung
nachgewiesen, aber noch immer felilen vollstiindige chronologische Sequenzen fiir die
meistenRegionen
Der zunehmend sesshafte Lebensstil der spitneolithischen Gemeinschaften for-
derte die Entstehung von Gruppierungen mit unterschiedlichen regionalen Identitiiten,
die sich ab dem friihen 6 Jt v. Chr in stilistischen Variationen bei Formgebung und
Dekoration der Keramik niederschlagen (Weeks et al. 2006). Zugleich ahneln sich die
spiitneolithischen Gemeinschaften in ihrer sozinlen Organisation und Subsistenzweise
iiber gréBere Regionen (Balossi Restelli 2001). Lebensgrundlage bildeten zunehmend
Landwirtschaft und Herdenhaltung; viele natiirliche Ressourcen, wie beispielsweise
Jagdtiere und Wildfriichte, verloren an Bedeutung, Im Silden und Stidwesten dienten.
vielriiumige Bauten aus Stampflehm und Lehmziegeln als gemeinschaftliche Vorratsge-
biiude. Im Nordwesten bevorzugte man stattdessen Kleine individuelle Htiuser, was ein.
‘Hinweis darauf sein kénnte, dass sich die Gemeinschaft aus Keineren Haushaltseinhei-
ten zusammensetzte. Im Nordwesten bestattete man die Toten unter dem Fuftboden von.
‘Wobnhiiusern, eine Tradition, die sich in den Siedlungen mit gemeinschaftlichen Vor-
ratsgebiiuden bisher noch nicht nachweisen lisst.
Die Anzahl der Fundstellen nahm vom spiten 7. zum 6. Jt. kontinuierlich zu. Da-
ten.aus regional begrenzten Oberfliichenbegehungen zeigen einen Trend zu steigenden.
Bevélkerungszahlen, wobei die Siedlungen in der Regel in Gruppen dicht beieinander
liegen. Vermutlich haben sich um eine urspriingliche Muttersiedlung herum bei Errei-
chen einer Initischen Bevélkerungsgréfe jeweils neue Siedlungen gegrlindet. Solche
Siedlungsgruppen kennt man aus Nordwestiran im Solduztal rund um den Fundort Ha-
ji Firuz, im Stidlaulasus in der Region der Shulaveris-Shomute pe-Gruppe (Kushnare-
‘va 1997) und in den Oasen von Djetun und Anau am Fu des Kopeth Dagh in Nordiran
und Turkmenistan (Miiller-Karpe/Masson 1982)
Die Kupfersteinzeit — das Chalkolithilum (ca. 5200-3400)
Das 5. It v. Chr brachte divergierende Entwickdungen in den verschiedenen Regionen
Trans, Im Siiden verwendete man nun Zweikammeréfen fiir die Keramikherstellung, in
denen bei Temperaturen iiber 1000 °C kontrolliert Keramik gebrannt werden konnte,
und stellte eine helltonige Feinkeramik mit dunider Bemalung von auferordentlicher
Eleganz her. Diese Black-on-Buff wares“ finden sich in regionalen Varianten in ganz
Sid- und Westiran und werden in Anlehnung an belannte Fundorte in Chusistan als
‘Susa T-Ware und in Fars als Bakun-Ware bezeichnet,
‘Wie bereits bei der Ausbreitung der neolithischen Keramiktechnologie wurde auch
die Herlanft der ,Black-on-Buff wares diskutiert, da vielfach der Unterschied zu den
‘ilteren, teils unverzierten Keramiken so deutlich war, dass eine kontinuierliche Ent-
‘wicklung unméglich schien Man vermutete, dass sich im 5. Jt. erstmals auch Noma-
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denstimme entwickelt hitten, die schnell fir eine weitrtiumige Verbreitung never und
verzierungsfreudiger Keramikstile gesorgt hiitten (Alizadeh 1988, Sumner 1994). Tat-
stichlich muss das Auftreten der ,black-on-buff wares" keineswegs eine so radilale
‘Neuerung darstellen, wie dies beim gegenwértigen Forschungsstand erscheint, neue Be-
funde kénnen das Bild rasch vertindern. Fir den Beginn der Baloun-Keramik haben neue
‘Untersuchungen in der Mamasani-Region bemalte Keramikerbracht, die ein Vorgtinger
der Bakun-Keramik sein kénnte
Ein bedeutender technologischer Wandel zeichnet sich auch in der Wirtschaftsweise
der Fundorte in Siidiran ab. Die Herdenhaltung, vor allem von Ziegen, wurde eine der
wichtigsten Subsistenzgrundlagen und ging mit der Verarbeitung von Wolle und Fasern.
einher Tn den Fundinventaren treten nun regelméAig Spinnwirtel auf, ihr abnehmendes
Gewicht spricht fir eine systematische Nutzung von Wolle, anstelle der zuvor weitge-
‘hend genutzten Pflanzenfasern. Andere Innovationen umfassen die Nutzung von Stem-
pelsiegeln zur Markierung von Bebiiltern, nachgewiesen in Tall-e Bakun.
In Architektur und Siedlungsmustern schliigt sich indirekt ein sozialer Wandel nie-
der Die Siedlungsdichte nahm weiter zu, es zeichnen sich Siedlungshierarchien mit
Zentren und umliegenden Dérfern ab. Die Bevélkerungsdichte entwickelte sich nicht
tiberall gleichmafig, in manchen Regionen, zB. in Fars, ging sie gegen Ende des 5
‘ts, deutlich zuriick (Sumner 1994, Alizadeh 2006). Zum ersten Mal begegnen uns Son-
dergebiiude: in der obersten Schicht des mittelbakunzeitlichen Tall-e Gap gab es einen.
einrtiumigen ,Schrein", das sog. Verwaltungsgebiude in Tall-e Balun, in dem zablrei-
che Siegelabdriicke gefunden wurden, deutet auf eine zentrale Kontrolle iiber einige der
grundlegenden Giiter hin In Susa wurde eine grofe Terrasse errichtet, die in Zusam-
menhang mit einem Totenkult zu stehen scheint (Canal 1978; Hole 1990)
Im Gegensatz zu dem schnellen Wandel in Sidiran wuchsen die Gemeinschaften
auf dem zentralen Plateau kontinuierlich und langsam weiter Auch hier entstanden
gréBere Zentren, umgeben von Kleineren Satellitensiedlungen Diese Gruppen stellten.
eine schwarz-auf-rot bemalte, fein geglittete Keramilcher, die nach den entsprechenden.
Fundschichten als Cheshme ,Ali- oder Sialk T-Keramik bezeichnet wird. Sie wurde in
offenen Einkammeréfen gebrannt, die sich iberall auf dem Zentralplateau und dariiber
‘hinaus auch in der Region am Kopeth Dagh finden Tappe Pardis hat mebrere solche
fen erbracht (Fazeli Nashli et al. 2010). Hine weitere Besonderheit der Hochlandsied-
Jungen sind nun auftergewohnlich groBe VorratsgeftiBe
Im Nordwesten des Landes sind nach einer Fundliicke erst im spiiteren 5. Jt. wie-
der Siedlungen belegt; diese sind mit der sogenannten Dalma-Keramik assoziiert, die
eine rot-auf-hell Bemalung oder plastische Verzierung mit Fingernageleindriicken und
fltichigen Stichverzierungen aufweist. Die Besiedlungsliicke zwischen Spitne lithilaum
und Dalma ist iiber eine gréfere Region hinweg zu verfolgen Sie betrifft auch den
siidlichen Kaulnsus und zeigt méglicherweise eine getinderte Priiferenz fir bestimmte
Siedlungsstellen an, die den Archiiologen bisher entgangen sind
Eine wichtige Neuerung, die das gesamte Chalkolithilum kennzeichnet und hinter
der Benennung als Kupfersteinzeit steht, ist die extraktive Metallurgie: in Siidostiran
Jonnte man schon im ausgehenden 6. Jt. Verfahren zur Gewinnung von Kupfer durch
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‘Tiegelverhiittung, zB. in Tall-e Eblis, wihrend die Fundorte in Fars an der Verwendung
nativen Kupfers festhielten (Weeks 2008)
Das Spatchalkolithilum (ca. 3700-3400) —
Handwerkliche Spezialisierung und Femhandel
Im Gegensatz zu Siidiran, wo im spiten 5. It v. Chr eine Abnahme der Bevélkerungs-
dichte und Siedlungsanzahl zu beobachten ist, verlief die Kulturentwickiung auf dem
iranischen Plateau ohne sichtbare Unterbrechung bis in das 4 Jt hinein (Helwing
2012). Die Keramikproduktion dinderte sich Jangsam, auch hier fanden nun Zweikam-
meréfen Verwendung und die schwarz-auf-rot-bemalte Cheshmeh Ali-Keramik wurde
durch schwarz-auf-beige-bemalte Waren ersetzt, die unter den Bezeichnungen Sialk IT
oder Hesar II zusammengefasst werden. Dieser neue Keramilstil ist vor allen Dingen.
auf dem westlichen iranischen Plateau bekannt und findet sich vom Nordrand der zent-
ralen Wiste bis in das Kangavartal in Luristan
Im frihen 4. Jt. v. Chr tritt auf dem iranischen Plateau eine zunehmende handwerk-
liche Spezialisierung der einzelnen Siedlungen auf bestimmte Materialien ein. Tappe
‘Hesar in Damghan fungierte als Zwischenbiindler im Lapislazuli-Handel aus Afgha-
nistan. Kupfer wurde in Tappe Sialk, Arisman und Ghabristan durch Tiegelschmelzen.
gewonnen. Die Silbergewinnung mithilfe eines ,Kuppellation genannten Verfahrens
ist in Sialk, Arisman und Hesar nachgewiesen All diese Handwerkszentren liegen von,
den Quellen des Rohmaterials weit entfernt: Lapislazuli kommt ausschlieflich in den
Bergen von Badachschan in Nordafghanistan vor, die in Arisman und Sialk verarbeite-
ten Blei-Silber-Erze stammen aus der Region von Anarak/Talmessi in Zentraliran. Die
Existenz der Handwerkszentren ist also nicht durch ihre Nahe zu den Quellen exoti-
schen Rohmaterials zu erkliren, sondern setzt ein Fernhandelssystem voraus, welches
die Rohmaterialversorgung sicherstellte. Die seit dem 4. Jt. v. Chr nachgewiesene Nut-
zung des domestizierten Esels war dafiir eine wichtige Voraussetzung (Benecke 2011)
Das Tiefland von Chusistan wurde im 4. Jt. v. Chr stark von den Entwicklungen in.
‘Mesopotamien beeinflusst. Die zentralen Orte Susa und Tschoga Misch glichen in vieler
‘Hinsicht — Architeltur, Keramik, Verwaltung — den Urukstiidten Mesopotamiens (Potts,
Elam), Susa war Abnehmer von Produkten aus dem Hochland und vermittelte seinerseits
Elemente der Urulcradition, was im Hochland seit der spiiteren Sialke II-Periode durch
administrative Objekte, wie Siegel und Zahlsteine, sogenannte token, belegt ist. Dort be-
gannen auBerdem die Tépfer, Uruk-Formen nachzuahmen, was wohl mit neuen Ess- und
‘Thindsitten verbunden war. Auch die so genannten Glockentépfe, die in Mesopotamien
das Leitfossil der Urukzeit darstellen, wurden nun im Hochland produziert (Potts 2009)
Frihe stadtische Zentren — die protoelamische Zeit im Hochland (ca. 3350-2800)
und die Frihbronzezeit in Stid- und Stidostiran (ca. 3100-2100)
Gegen 3400 v. Chr wurde die sesshafte Besiedlung in Iran fast iiberall kurzzeitig un-
terbrochen Zerstérungs- und Brandschichten in einigen Fundorten wie Tappe Sialllas-
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sen hinter diesem abrupten Ubergang eine Krise oder einen Systemkollaps vermuten.
(Matthews/Fazeli 2004, Helwing 2005). Kurz darauf erfolgten in Sialic und anderen Or-
teneine Neubesiediung, zudem gab es zablreiche Neugriindungen, wie in Tall-e Malyan.
mit der sog. Banesh-Periode, und in Tappe Yahya
Die emeute Besiedlung brachte eine Konzentration der Bevélkerung in weni-
gen grofien Zentren mit sich, deren Umland knum bewohnt war Die Zentren zeich-
nen sich durch die Ubernahme zahlreicher Elemente der dlteren Uruk-Kultur aus, mit
der das Hochland bereits zuvor in Kontakt stand: eine geplante stiidtische Architektur,
standardisierte Baumaterialien und ein komplexes Verwaltungssystem mit Zhl- und
Schrifttafeln und Rollsiegeln (Helwing 2011). Die Tontafeln gehen eindeutig auf meso-
potamische Vorbilder zuriick, die Schrift hat jedoch mit der sumerischen Sprache keine
‘Verbindung. Sie wird als ,,protoelamisch“ bezeichnet, da sie zuntichst als Vorliufer der
spiiteren elamischen Schrift angesehen wurde, mit der sie jedoch nicht verwandtist. Die
ersten Tafeln finden sich in Susa und anderen Fundorten gegen Ende des 4. Jts., ech-
te Texte treten erst zu Beginn des 3. Jts, auf. Sie scheinen im wesentlichen lokale wirt-
schaftliche Transaktionen zu dokumentieren (Damerow/Englund 1989, Dahl 2009).
AuBerdem verfiigen wir seit Beginn des 3. Its. v. Chr mit Texten babylonischer
Provenienz erstmals iiber Quellen, die Auskunft tiber die Geschichte der Stidte im
bronzezeitlichen Iran geben kénnen, auch wenn diese notwendig eine Fremdsicht wi-
derspiegeln. Das rahstoffreiche Hochland von Iran umfasste verschiedene Linder, die
teils als Partner, teils als Gegner der Herscher von Ur und Akind genannt werden. Im-
mer wieder versuchten mesopotamische Herrscher, diese Liinder zu erobern und durch
politische Heiraten und Bauprogramme dauerhaft an Mesopotamien zu binden, was zu-
meist nur kurzzeitig gelang Léingst nicht alle Lander sind bisher lokalisiert, zu den
gréBeren zihlen Elam mit Susa in Chusistan und dem angrenzenden Hochland, und An-
schan — Tall-e Malyan —in Fars (Potts 2011). Weitere wichtige Orte sind Marhashi, das
vermutlich in Siidostiran mit der Region um Kerman und der neugefundenen Halilrud-
Kultur (Dschiroft) 2u identifizieren ist (Potts 2004; Steinkeller 2007), sowie Pashime
am Persischen Golf und Hidalu, der ,Riegel von Anschan“, mit der Hauptstadt Huhnur
in Tall-e Bormi in Behbaban. Hingegen bleiben die genaue Lage von Awan, dem ersten
in der sumerischen KSnigsliste als Gegner von Ur genannten Land, und von Shimash-
4G, das in den Erhebungen gegen Akiad und gegen die Herrscher der Ur II-Zeit eine
tragende Rolle spielte, bis heute unbelannt Vermutlich beziehen sich nicht alle in den.
babylonischen Texten genannten Namen auf reale Orte: Aratta, im Enmerkar-E pos als
Quelle fiir Kupfer, Gold und Silber gepriesen, ist méglicherweise ein mythischer, nicht
wirklich existierender Ort (Steinkeller 2007, Fn. 4)
In den bronzezeitlichen Stidten in Iran flihrte der Einsatz neuer Technologien zu
einem Hohe punkt der handwerllichen Produktion im Verlauf des 3. Jts. v. Chr Die
Tépferscheibe machte die massenhafte Keramikproduktion méglich, Schachtéfen zur
‘Kupferverhiittung fihrten zu einem exponentiellen Anstieg der Kupferproduktion, die
Silbergewinnung durch Kuppellation bildete die Grundlage eines sich entfaltenden Sil-
berhandwerks. Einzelne Siedlungszentren spezialisierten sich auf bestimmte Materiali-
en: Arisman und Sialicauf Metall objekte, Tappe Hesar auf Halbfabrilate aus Lagislazuli,
die Region um Dschiroft auf Geftife aus Steatit, und Sabre Sabte in Ostiran auf Ala-
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8.1 Archiologie Irans bis 2000 v. Chr. 383
bastergeftife. Diese Stidte versorgten die Siedlungen im Tiefland von Chusistan und
‘Mesopotamien ebenso wie Handelszentren am Persischen Golf mit Metall, Schmuck,
Steinob jekten sowie anderen, heute unsichtbaren Produkten (Amiet 1986). Dartiber hi-
naus gab es Kontakte mit der Induskultur im heutigen Pakistan und mit dem zentralasia-
tischen sog, Bactrin-Margiana Archaeological Complex (BMAC) im Einzugsgebiet des
Amudarya (Lamberg-Karlovsky 2003). Die regelmifigen Kontakte flhrten zur wech-
selseitigen Ubernahme von Kulturtechniken und Symbolik: in Ostiran kamen im 3. It
Rollsiegel nach mesopotamischen Vorbildem in Gebrauch, wobei man sowohl babylo-
nische Siegel benutzte als auch eigene Siegel herstellte. Als Bildutiger verweisen diese
Siegel, ebenso wie die im 3. Jt. in der Region um Dschiroft hergestellten Chloritgeftibe
des sog, , international style“, auf eine komplexe Gedankenwelt (Pittman in Ma jidzadeh
2008). Auch Tonfigurinen in der Positur sog. .Beter“ als Grabbeigaben in Shahdad oder
als Tonrelief an der Wand eines Tempels in Konar Sandal, oder die Entwicklung eines
linearen Notationssystems gehen vermutlich auf mesopotamische Anregungen zurlick
Das komplexe Handelsgefiige zwischen den iranischen Produzenten und Abneh-
mer in den Stadtstaaten von Chusistan und Mesopotamien war die Grundlage fiir ,blii-
hende Landschaften" im Hochland fir einige Jahrhunderte zu Beginn des 3. Its. v. Chr
Dann verlagerten sich die Handelsrouten zunehmend auf den Seeweg. Die Siedlungen
im zentralen Hochland wurden verlassen, der Siedlungsschwerpunkt verschob sich an,
den Ostrand der zentralen Wisten, wo nun die Handelswege in Nord-Siid-Richtung zu
‘Hiifen am Persischen Golf verliefen. Auch in anderen Regionen Irans verlief die Besied-
Jungsgeschichte in mehreren Zylden von Wachstum und Schrum pfung (de Mirosched j.
2003). Dieser Prozess scheint im Tiefland der Susiana schwéicher ausge prtigt, sozusagen.
abgefedert zu sein, wiihrend er sich im Hochland durch das vollstindige Verschwinden
‘von Siedlungen manifestiert, Ein solches Beispiel ist Tall-e Malyan (Sumner 2003), wo
die protoelamische Besiedlung im 2. Viertel des 3. Jts. v. Chr. zu enden scheint, um erst
im frihen 2. Jt. v. Chr. in der sog. Kaftari-Zeit wieder einzusetzen. Diese Liicke korre-
liert mit der Periode, in der die jinger-frihdynastischen und akkndzeitlichen Herrscher
‘Mesopotamien auf ihren Feldziigen bis nach Marhashi gelangten Neue Untersuchun-
gen in Malyan deuten inzwischen eine kontinuierliche, wenn auch reduzierte Besied-
Jung wibrend dieser Zwischenphase an (Miller/Sumner 2003). Susa hingegen, Zentrum
des Tieflands von Chusistan, blieb das ganze 3. Jt. v. Chr. hindurch als stiidtische Be-
siedlung mit starken babylonischen Einflissen bestehen Offenbar erbrachte das durch
Bewiisserungsfeldbau erschlossene Umland in Susa zuverlissige Ertrige, die den Be-
stand der Stadt auch in Krisenzeiten sicherten
‘Am Ende des 3. Its. v. Chr erlangten die Linder von Elam ihre Selbstiindigkeit zu-
riick, es folgte eine prosperierende Zeit, zundichst unter der Dynastie von Shimashid,
spiiter unter den Herrschern von Susa, den sog, Sukkalmahs, wie dies durch umfangrei-
che Bauprogramme in den stidtischen Zentren von Susa bis Anschan belegt ist (Carter/
Stolper 1984). Die jingeren Sukinlmahs, die sich nun Kénige von Susa und Anschan,
nannten, expandierten ihrerseits seit dem 18. Th. und debnten ihren Einflussbereich bis
‘an den Diyala und in die nérdliche Dschazira aus, bis Hammurabi von Babylon sie wie-
der vertrieb.
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