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Logomachie Logomachie

Logomachie (griech. λογομαχία, logomachia; lat. [Vul- Gegensatz zur gemischten L. (logomachia mixta), bei der
gata] pugna verborum; neulat., ital. logomachia; dt. sowohl auf der Ebene der Sachverhalte als auch auf der
Wortstreit, -kämpf, -krieg; engl, logomachy; frz. logoma- Ebene des Wortgebrauchs Dissens herrscht, bei der aber
chie) die Auseinandersetzung über den Wortgebrauch am
Α. Der Begriff <L>. wird in der Antike und in der Neu- Dissens auf der Sachebene (dissensio vera) vorbeigeht
zeit bis zum 18. Jh. als abwertende Bezeichnung für Aus- [8]; (2) die auf ein Wort oder eine knappe Wortverbin-
einandersetzungen über die Bedeutung von Wörtern dung beschränkte L. im Gegensatz zur L. über größere
oder auch über andere Aspekte des Sprachgebrauchs Textzusammenhänge [9]; (3) die L., bei der jedem Kon-
verwendet - etwa im Sinne der alltagssprachlichen Rede- trahenten klar ist, was er selbst meint, im Gegensatz zur
weise vom «Streit um bloße Worte». Daneben kommt L. L., bei der die Streitenden nicht genau wissen, was sie mit
auch als Negativbezeichnung für wortreiche Dispute, ins- den Wörtern, über die sie streiten, jeweils selbst meinen.
besondere um Nichtigkeiten, vor. Der Terminus <L>. [10] Werenfels unterscheidet L. ferner danach, ob sie nur
begegnet vorwiegend in philosophischen und theologi- bei einem oder bei beiden Kontrahenten vorliegen und
schen Kontexten. Aus Sicht der Rhetorik gehört die ob sie auf Unfähigkeit oder Absicht zurückzuführen
gemeinte Sache zum Bereich der Agonistik und Argu- sind. [11]
mentation bzw. zu den Bereichen des Disputes und In ZEDLERS <Universal-Lexikon> werden 1749 als
des res-verfta-Problems. Als <Wortstreit> (Wortkampf, Haupttypen unterschieden (1) die «offenbahre» L., bei
-krieg, -gezänk, -fechterei, -balgerei, -fehde, -klauberei der «man mit Wissen und Willen um die Wörter streitet»,
oder Redeschlacht, Silbenstecherei, Buchstabenreiterei) und (2) die «verdeckte oder subtile» L., bei der «es das
ist er abzugrenzen von sachlichem Disput, definierten Ansehen hat, als streite man um die Sache; in der That
Aussagen, logischen Ableitungen und rationalen Be- aber nur in den Worten von einander unterschieden ist».
gründungsformen. Typus (1) wird subklassifiziert in (1.1) die «grammati-
B. Der früheste Beleg findet sich in VARROS <Saturae sche» L. mit den Subtypen (1.1.1) L. um die «[Gramma-
Menippeae>. [1] Der griechische Titel (<L.>) dieser latei- tischen Regeln selbsten» und (1.1.2) «um die Wörter und
nischen Satire, in der der Streit zwischen Epikureern und deren Untersuchung nach der Grammatischen Richtig-
Stoikern um das <höchste Gut> aufs Korn genommen keit» (1.1.2.1 «um die Bedeutung der Wörter», 1.1.2.2
wird, spricht dafür, daß die Bezeichnung L. hellenisti- «um die Reinigkeit und Auctoritât der Worte», 1.1.2.3
schen, möglicherweise kynischen Ursprungs ist. «um die Orthographie») sowie in (1.2) die «critische» L.,
Für die weitere Begriffstradition prägend ist die Ver- d.i. die Auseinandersetzung um die richtige Konjektur
wendung von L. in den fälschlich PAULUS zugeschriebe- einer verdorbenen Textstelle. Wichtiger ist der an vielen
nen Briefen an Timotheus. [2] Dort dient der Begriff Beispielen aus Theologie, Philosophie und Naturrechts-
ebenso wie bei den daran anknüpfenden griechischen lehre demonstrierte, nicht weiter unterteilte «verdeckte»
Kirchenvätern zur Abwertung von Irrlehren, seien sie Typus (2). [12] Charakteristisch für den frühaufkläreri-
innerchristlich oder heidnisch, so z.B. bei EUSEBIUS schen Hintergrund dieser Texte ist neben dem klassifika-
gegenüber der griechischen Philosophie. [3] torischen das aitiologische und das didaktische Interesse
Im Mittelalter spielt der Begriff L. keine Rolle, wahr- an L. Dabei wird angeknüpft an die aus dem 1. Timo-
scheinlich weil er in der Vulgata mit dem als abwertendes theusbrief stammende Vorstellung von der L. als Krank-
Schlagwort weniger geeigneten pugna verborum über- heit (morbus) in Form von Leidenschaften der verschie-
setzt ist. Erst die Humanisten greifen die griechische densten Art. Als Abhilfe werden vor allem didaktische
Bezeichnung wieder auf, um damit z.B. scholastische Maßnahmen für den wissenschaftlichen Unterricht emp-
Kontroversen als spitzfindig und bedeutungslos zu fohlen. [13]
brandmarken. [4] LUTHER übersetzt den o.g. Vers des 1. In den rhetorischen Lehrbüchern der Aufklärung fin-
Timotheus-Briefes aus der griechischen Fassung des NT: det der Begriff L. allerdings nur geringen Niederschlag,
«Wer aber etwas anderes lehrt [...] der ist verblendet; er so bei FABRICIUS, der für den Fall, daß «man eine neue
versteht nichts, sondern ist krank vor lauter Auseinan- sache erfunden», die Formulierung einer klaren und ein-
dersetzungen und Wortgefechten. Diese führen zu Neid, deutigen Nominaldefinition empfiehlt; denn dadurch
Streit, üblen Verdächtigungen und Gezänk unter den «werden die logomachien vermieden». [14]
Menschen, deren Denken verdorben ist.» [5] Seit der Mitte des 18. Jh. nehmen die philosophischen
In der ersten Hälfte des 18. Jh. erlebt der Begriff <L.> Stimmen zu, die vor dem Mißbrauch des Begriffs <L.> als
eine Blüte. Neben den tradierten Gebrauch als abwer- argumentationsbehinderndes Negativschlagwort war-
tendes Gelehrtenschlagwort, wie er sich z.B. bei LEIBNIZ nen. DIDEROT, der in der <Encyclopédie> drei Varianten
findet [6], tritt nun in Monographien und Enzyklopädien des Logomachiebegriffs unterscheidet (Streit in Worten;
ein systematisches Reflektieren über den Begriff. Es Streit über Wörter; Streit über Nichtigkeiten) diskredi-
werden Taxonomien von L.-Arten aufgestellt, die wie tiert die wissenschaftliche Brauchbarkeit des Begriffs,
Fehlertypologien des Gelehrtendiskurses wirken - eine indem er sarkastisch darauf hinweist, daß derjenige, der
Art frühaufklärerisches, auf Wissenschaftskommunika- diesen abwertenden Begriff als erster gegen andere ver-
tion bezogenes Pendant zu der auf das Denken bezoge- wendet, ihn für gewöhnlich selbst am meisten ver-
nen logischen Traditionslehre von den Fehlschlüssen. diene. [15] KANT wendet sich gegen die Tendenz, die mei-
Die erste und wichtigste von mehreren Monographien sten philosophischen Kontroversen zu L. zu erklären,
zur L. ist die Dissertation <De logomachiis eruditorum> und betont, daß da «niemals eine Wortstreitigkeit zum
von S. WERENFELS. [7] Er subklassifiziert L. primär unter Grunde gelegen habe, sondern immer eine wahrhafte
den Aspekten (1) Konfliktebene, (2) Umfang der betrof- Streitigkeit über Sachen». [16] Auf solche «Warnung vor
fenen sprachlichen Einheiten, (3) Verständnis der mit leichtfertigem L.-Verdacht» führen J. LANZ und K. LANZ
den strittigen Wörtern oder Passagen bezeichneten zurück, daß der Begriff seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.
Sachverhalte. Dabei kommt er zu folgenden Gegensatz- kaum noch verwendet wird. [17] So findet sich das Stich-
paaren: (1) die reine L. (logomachia pura), die bei Einig- wort <L.> in den großen deutschsprachigen Konversa-
keit in der Sache (res) lediglich die Sprache betrifft, im tionslexika des 19. Jh. lediglich in PIERERS <Universal-

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Lexikon>, in dem von <L.> auf das Stichwort <Wortstreit> Logos (griech. λόγος, lògos; pl. λόγοι, lógoi; lat. ratio,
verwiesen wird, wo es nur lapidar heißt: «Streit über oratio, sermo, verbum, ratiocinatio, disputatio, argumen-
Wörter als wenn deren Verschiedenheit die der Meinun- tado, definitio, proportio; dt. Vernunft, Denken; Spra-
gen und Gedanken selbst wäre». [18] Belege zum Bedeu- che, Rede, Wort, Satz, Definition, Ausdruck, Abschnitt,
tungsfeld und zur Etymologie des Begriffs <Wortstreit> Passage, Textstück, Text, Schrift, Prosawerk; Wortlaut,
(Wortgefecht, Wortgezänk, Wortkampf, Wortkrieg) fin- Prosa; Erzählung, Bericht, Darlegung, Abhandlung,
den sich auch bei GRIMM: Er begreift den <Wortstreit> Lehre, Diskurs; Ausspruch, Redewendung, Sprichwort,
sowohl als Auseinandersetzung um die Bedeutung oder Fabel; Aussage, Aussageinhalt, Proposition, Urteil;
Anwendung eines Wortes als auch im Sinne des gegen- Thema, Gegenstand; Sinn, Bedeutung; Berechnung,
standslosen bzw. unsachlichen Disputs. [19] Im 20. Jh. Rechenschaft, Rechtfertigung; Erklärung, Beweisfüh-
spielt der Begriff <L.> weder in der sprachanalytischen rung, Beweisschritt, Schluß; Begründung, Grund, Argu-
Philosophie noch in der Linguistik eine Rolle - obwohl ment; Verhältnis, Proportion, Maß; Regel, Gesetz, Prin-
dort die Auseinandersetzung über Begriffe und Wortge- zip; Wert, Ansehen, Ruf).
bräuche vielfach thematisiert wird. Die mit den Beiträ- A. Def. - B.I. Antike. - 1 . Frühe Dichtung. - 2. Philosophie. - 3.
gen von GALLIE[20] und L Ü B B E [21] beginnenden Arbei- Sprachphilosophie und Grammatik. - 4. Logik. - 5. Rhetorik
ten zum «Streit um Worte» in der Politik («Wort- und Literaturtheorie. - II. Frühes Christentum, Gnosis, Patri-
kampf» [22], «semantischer Kampf» [23] u.ä.) knüpfen stik. - III. Mittelalter. - IV. Neuzeit
nicht an den Logomachiebegriff an. Zum einen ist der A. Das griechische Wort <L.> ist ablautiges nominales
Begriff vergessen, zum anderen distanzieren sich die Deverbativum zum Verbum λέγειν (légein; sagen, spre-
Autoren des späten 20. Jh. aus sprachtheoretischen chen) und bezeichnet zunächst als nomen actionis den
Gründen vom rei-veròa-Dualismus und gehen davon Vorgang des légein selbst, sodann aber insbesondere als
aus, daß der «Streit um Worte» keine Wortklauberei, nomen acti das Ergebnis eines solchen Vorgangs. Dabei
sondern daß seine Substanz durchweg politisch-ideologi- ist zunächst von einer Grundbedeutung von légein =
scher und/oder machtpolitischer Natur sei. [24] <sammeln, (auf-/aus)lesen> auszugehen (vgl. noch
σύλλογος, syllogos, συλλογή, syllogé; Sammlung;
Anmerkungen: έκλογή, eklogé; Auswahl, sowie lat. legere, sammeln,
I Varrò bei Nonius, hg. v. W.M. Lindsay (1903) 268; vgl. auch H. lesen). Diese Grundbedeutung bleibt in allen weiteren
Dahlmann: Art. <M. Terentius Varrc», Abschnitt <Saturae Bedeutungen des Wortes unterschwellig präsent.
Menippeae>, in: R E Suppl. Bd. 6, 1268-1276, 28, insbes. 1270,
34-68. - 2 1 Tim 6,4; 2 Tim 2,14.-3 vgl. J. Lanz, K. Lanz: Art. <L.>,
Auf dem Weg über die Bedeutung <zählen, aufzählen»
in: HWPh 5 (1980) 489f. - 4 so H.C. Agrippa von Nettesheim: (vgl. κατάλογος, katálogos; Aufzählung) entwickelt sich
De incertitudine et vanitate scientiarum c. 97, in: Opera (Lyon o. daraus die Valenz des Erzählens, Darlegens und Berich-
J.; ND 1970) 2,283. - 5 1 Tim 6,3f. - 6 z.B. G.W. Leibniz: Theo- tens, womit das Substantiv (wie sein Stammverbum) erst
dicée (1710) II § 171; weitere Belege bei J. Lanz, K. Lanz [3]. - 7 in das Wortfeld der Beschreibung sprachlicher Phäno-
S. Werenfels: De logomachiis eruditorum (Amsterdam 1702), mene eintritt, wo es sich jedoch bald gegen ältere,
zit. nach Ausg. Frankfurt a.M. 1724; ferner erscheinen: D. Zelt- ursprünglich sinnverwandte Termini wie μϋθος (mp-
ner: Synopsis logomachiarum, ut vulgo vocant, pietisticarum
(1726); Treuer: De logomachiis in iuris naturae doctrina (Helm-
thos), επος (èpos), αίνος (aínos) u.a. durchsetzt, die es in
stedt 1720). - 8 Werenfels [7] 48ff. - 9 ebd. 56ff. - 1 0 ebd. 67ff. - Speziai- oder Sonderbedeutungen abdrängt.
I I ebd. 70. - 12 Zedier, Art. <Wort=Streit, Wort=Gezäncke, Im Begriff des L. wird Sprache vornehmlich unter dem
Logomachie», 537-542. - 1 3 vgl. Werenfels [7] 218ff. und 254ff. - Aspekt der Performanz bzw. der parole betrachtet, nicht
14 Fabricius 177. - 15 Diderot Encycl., Art. <L.> 642ff. - 16 I. als grammatisches Regelsystem (langue) oder gar als
Kant: Einige Bemerkungen zu L.H. Jakob's Prüfung der Men- bestimmte Einzelsprache (griech. als φωνή, phone, διά-
delssohn'schen Morgenstunden (1786) in: Akad.-Ausg. Bd. 8, λεκτος, diálektos oder γλώττα, glötta bezeichnet); <L.>
152,21-25. - 1 7 J. Lanz, K. Lanz [3] 490. - 1 8 Universal-Lex. der meint mithin stets eine spezifische, je konkrete, aktuale
Gegenwart und Vergangenheit oder neuestes encyclop. Wtb. sprachliche Äußerung. Selbst wo das natürliche mensch-
der Wiss., Künste und Gewerbe, hg. von H.A. Pierer ( 1840 -
46), Bd. 18, 65 u. Bd. 34, 188. - 19 Grimm, Bd. 30, 1629f. - 20 liche Sprachvermögen als L. bezeichnet ist, wird auf die
W.B. Gallie: Essentially Contested Concepts, in: M. Black (ed.): prinzipielle Fähigkeit zu artikulierter, sinnhafter sprach-
The Importance of Language (Englewood Cliffs, N.J. 1962) 121- licher Äußerung abgehoben, nicht auf linguistische
146 (Orig. in: Proceedings of the Aristotelian Society 56. 1955/ Sprachkompetenz.
56). - 21 H. Lübbe: Der Streit um Worte. Sprache und Politik, <L.> faßt Sprache ferner primär in ihrem Inhaltsaspekt,
Bochumer Universitätsreden, Heft 3 (1967) - 22 J. Klein: Wort- unter Hintansetzung eventueller stilistischer oder expres-
schatz, Wortkampf, Wortfelder in der Politik, in: ders. (Hg.): siver Qualitäten. Der Sach- oder Wirklichkeitsbezug
Politische Semantik (1989) 3-50. - 23 G. Stötzel: Semantische
Kämpfe im öffentlichen Sprachgebrauch, in: G. Stickel (Hg.): rückt in den Vordergrund. L. ist daher nicht nur artiku-
Dt. Gegenwartssprache. Tendenzen und Perspektiven (Berlin, lierte, sondern darüber hinaus immer auch sinnhaltige
New York 1990) 45-65. - 24 vgl. Lübbe [21], und sinn vermittelnde Äußerung, sowohl im primären, lin-
guistisch-grammatischen als auch in einem höheren (z.B.
Literaturhinweise: logischen oder rhetorischen) Sinne. Als Folge von Sach-
J.G. Walch: Philos. Lex. (21733) 1663-67. - F. Hermanns: bezogenheit und Urteilscharakter des L. wird auch die
Schlüssel- Schlag- und Fahnenwörter. Arbeiten aus dem Son- Frage nach der Wirklichkeitsentsprechung und damit das
derforschungsbereich 245 (Sprache und Situation) (1994). - R. Wahrheitsproblem in besonderer Weise aufgeworfen.
Rand (ed.): Logomachia: the conflict of faculties (Univ. of In der Qualifikation einer Äußerung als L. ist jedoch
Nebraska Press 1992). immer auch auf einen geordneten, rational durchdach-
J. Klein
ten, planvoll gegliederten und in sich geschlossenen Auf-
-> Agonistik -» Argumentation Bedeutung -> Begriff —> bau verwiesen. Innere Einheit und Geschlossenheit
Controversia Definition > Disputation ->• Eristik -> Polemik gewinnt der L. durch den Bezug auf ein umgrenztes
Res-verba-Problem -> Streitgespräch —> Streitschrift Thema (Geschichte, Gedanke, Argument), weshalb
auch dieser thematische Kern selbst L. genannt werden
kann.

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L. ist ferner stets ein bedeutungsvolles Sprechen (ent- <L.> wird so zur Bezeichnung für die menschliche Ver-
sprechend heißt légein ti: <etwas Gewichtiges sagen, nunft und ihre Tätigkeit schlechthin. Auch die in den
etwas meinem). Auch eine konkrete, bewußt berechnete rationalen Ordnungen, Proportionen und Strukturen des
Wirkungsabsicht des Sprechers ist zumeist intendiert. Kosmos waltende höhere Vernunft oder Äußerungen
<L.> wird so zum universalen Terminus für artikulierte, dieser meist göttlich gedachten Weltvernunft werden als
sinntragende, inhaltlich und formal abgrenzbare, plan- L. interpretiert.
voll geordnete und gestaltete Einheiten kommunikativer In der christlichen Theologie schließlich gewinnt der
Sprache beliebigen Inhalts und sehr unterschiedlichen L. eine herausragende Bedeutung als das in Jesus Chri-
Umfangs, von der umschreibenden oder definierenden stus als Gottes Sohn und zweite Person der Trinität
Wortgruppe über den Satz, die Redewendung, den Aus- fleischgewordene Wort Gottes in seiner Funktion als
spruch, den Argumentationsschritt oder Abschnitt Träger der Offenbarung, Mittler zwischen Gott und der
(Paragraph, Kapitel, Buch) bis zum gesamten, längeren Welt und Erlöser der Menschheit.
Text oder vollständigen Werk. Nur selten hingegen wird Innerhalb der Rhetorik ist L. in vielfältiger Weise
auch das Einzelwort (επος, èpos; ονομα, ónoma; später bedeutsam: als menschliches Sprachvermögen und ratio-
λέξις, léxis) dem Bereich des L. zugeordnet, vielmehr nales Denkvermögen, als sprachliche Gedankenäuße-
häufiger mit diesem als der größeren, ein vollständiges rung vom Satz bis zur vollständigen Rede, als Bezeich-
Urteil enthaltenden und daher wahrheitswertfähigen nung für Prosatexte, insbesondere für Reden aller Gat-
Einheit kontrastiert. tungen und Arten, als in der Rede behandelter Sachver-
Der Verwendungsbereich von <L.> umfaßt sowohl nar- halt (Thema), als seelenlenkende und kulturbildende
rative als auch deskriptive und argumentative Texte. Pri- persuasive Macht, als Prinzip rationaler, vernünftiger
mär ist entsprechend dem Wortsinn zwar die Verwen- Argumentation sowie als sachbezogenes, intellektuelles
dung für mündliche Rede, doch ist die Übertragung auf Überzeugungsmittel neben Ethos und Pathos und die
schriftliche Werke schon früh geläufig. Insbesondere daraus resultierende Wirkungsrichtung (Belehrung,
Reden aller Art, aber auch Geschichtswerke und philo- docere) der Rede.
sophische Abhandlungen sowie kleinere Gattungen wie
die Fabel werden als L. bezeichnet. Im Vordergrund ste- Literaturhinweise:
hen Prosatexte, so daß <L.> sogar die Prosa als solche im J.H.H. Schmidt: Synonymik der griech. Sprache, B d . l (1876)
Unterschied zur Dichtung bezeichnen kann. 1-112. - H . J . Flipse: De vocis quae est λόγος significatione atque
usu (Diss. Amsterdam 1902). - E. Hofmann: Qua ratione επος,
Im Bereich der Poetik steht <L.> daher folgerichtig ent-
μΰΟος, αίνος, λόγος et vocabula ab eisdem stirpibus derivata in
weder für die geformte Sprache bzw. den reinen Text antiquo Graecorum sermone (usque ad annum fere 400) adhi-
(Libretto) ohne rhythmische und musikalische Elemente bita sint (1922). - LSJ 1057-1059. - H. Fournier: Les verbes
als eines der Ausdrucksmittel von Dichtung oder für der <dire> en grec ancien (Paris 1946) 217-224. - H. Frisk: Griech.
Prosa nähere Partien wie z.B. die Sprechpartien im etym. Wtb., Bd.2 (1970) 94-96.
Drama. Daneben wird auch eine geraffte Inhaltsangabe
des Handlungsgerüsts L. genannt. B.I. Antike. 1. Frühe Dichtung. In der frühgriechischen
Über die Bedeutung des Zählens, Ordnens und Rech- Epik ( H O M E R , H E S I O D ) ist <L.> noch ein durchaus seltenes
nens, die sich auch in einer mathematischen (und musi- Wort, das deutlich im Schatten älterer Synonyme wie
kalischen) Bedeutung als <Zahlenverhältnis, Proportion <mythos> oder <épos> steht. Es begegnet fast ausschließ-
und Maß> niederschlägt, wird L. ferner zum Inbegriff lich im Plural in der Bedeutung <Reden>, wobei diese
eines berechnenden, kalkulierenden Denkens, das sich durch Kontext und entsprechende Beiworte meist als
rationaler Nachprüfung stellt und zu Rechenschaftsab- ablenkend und betörend, bisweilen sogar als trügerisch
lage, Erklärung und Begründung sowohl bereit als auch charakterisiert sind [1], insbesondere in Hesiods Personi-
fähig ist. In dieser Hinsicht umfaßt der L. alle Bereiche fikation der L. als Kinder der Streitgöttin Eris. [2] Der
menschlicher Rationalität, von der Erkenntnistätigkeit einzige singularische Beleg bezieht sich auf den Hesio-
bis zur praktischen Vernunft. Als intellektuelles deischen Weltaltermythos als eingelegte, abgeschlossene
Erkenntnisprinzip mit aufklärerischem Anspruch rückt Erzählung. [3] In ähnlicher Verwendung, aber auch in
er in eine Gegenstellung zur kruden sinnlichen Wahr- abgeblaßten Bedeutungen wie <Plauderei, Gerücht, Bot-
nehmung (αϊσθησις, aisthësis), zur bloßen, unreflektier- schaft) begegnet <L.> auch in der frühen Lyrik, Elegie und
ten Meinung (δόξα, doxa) und zum Mythos als unbeglau- Tragödie. [4]
bigter Tradition. 2. Philosophie. Der Beginn der griechischen Philoso-
Ausgehend von der Vorstellung der Rechenschaftsab- phie und Wissenschaft ist nach einer bekannten Formu-
lage (griechisch heißt <einen L. geben> soviel wie lierung von W. Nestle markiert durch den Schritt «vom
Rechenschaft ablegen>) erlangt <L.> eminente Bedeu- Mythos zum L.»: «Mythos und Logos - damit bezeichnen
tung auf dem Felde von Argumentation und Logik. <L.> wir die zwei Pole, zwischen denen das menschliche Gei-
meint hier sowohl die Beweisführung als ganze, den stesleben schwingt. Mythisches Vorstellen und logisches
gesamten Erklärungs- und Begründungszusammenhang Denken sind Gegensätze.» [5] Nestle entwirft eine
als auch den einzelnen vorgebrachten Grund oder scharfe Antithese zwischen bildhaftem (mythischem)
Beweisschritt sowie das Argument, auch und vor allem in und begrifflichem (logischem) Denken, sieht gar einen
seiner logischen Form als Schlußfolgerung. Seine Bedeu- «Kampf zwischen Mythos und Logos.» [6]
tungsspanne reicht dabei von der einfachen Überlegung An dieser vereinfachenden und vergröbernden Dar-
der Alltagsvernunft bis zum subtilsten und abstraktesten stellung Nestles ist vielfach Kritik geübt worden, so
formallogischen Kalkül. schon früh von B. Snell, der einwendet, Nestles Kon-
Beide Hauptbedeutungsstränge, der sprachliche und struktion tauge bestenfalls für den Bereich kausaler
der rational-logische, sind eng miteinander verflochten Naturerklärung, nicht für die Sphäre menschlicher Exi-
und verweisen beständig aufeinander, zumal oft gera- stenz und Kultur; zudem kennzeichne Mythos den
dezu eine Homologie bzw. Isotopie von Denken und Inhalt, L. die Form der Darstellung. [7] Im Einklang mit
Sprechen unterstellt wird. neueren Erkenntnissen über die eigene innere Logik und

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durchaus rationale Struktur mythischen Denkens einer- wegen der Unanschaubarkeit der Ideen selbst die Not-
seits und die Persistenz irrationaler Denkformen im wis- wendigkeit der Zuflucht zu den L. [27] Daher auch seine
senschaftlichen Denken andererseits zeichnet die jün- Warnung vor Redefeindschaft (misologia) [28] und sein
gere Forschung heute demgegenüber ein weitaus diffe- Lob der Redefreunde (philológoi) [29], besonders des
renzierteres Bild der Verhältnisse und geht eher von der Sokrates, dessen maieutische Methode des Hervorbrin-
Vorstellung eines allmählichen prozessualen Übergangs gens und Prüfens von L. er schildert. [30] Auch Piatons
bzw. einer fortdauernden fruchtbaren Spannung zwi- Hypothesismethode des prüfenden und rechenschaftge-
schen mythischem und logischem Denken aus. [8] benden Fortschreitens von L. zu L. schließt hier an. [31]
Dies stützt im großen und ganzen auch der griechische Dezidiert stellt Piaton aber dem monologischen und ago-
Wortgebrauch: vereinzelten, etwa mit P I N D A R kurz nach nalen L. der Redner und Sophisten den wahrheitssu-
500 v.Chr. einsetzenden, erst bei PLATON häufiger wer- chenden philosophischen διάλογος, diálogos entgegen,
denden Kontrastierungen von erfundenem, trüglichem aus dem sich auch der Begriff der Dialektik ableitet. Im
Mythos und glaubhaftem L. [9] stehen zahlreiche Gegen- dialektischen Gespräch haben die Unterredner stets den
beispiele, etwa für die Bezeichnung von Mythen als L., L. als etwas Drittes, Objektives neben sich im Blick, das
gegenüber. [10] sich oft wie ein störrisches, eigenständiges Wesen geriert.
Auch beim frühen Aufklärer X E N O P H A N E S ( 6 . / 5 . Jh. Der hohe Wert der Rationalität für Piaton zeigt sich fer-
v.Chr.) sind mythos und L. noch eher parallel gese- ner u.a. darin, daß er den leitenden Seelenteil als den
hen. [11] Wie schon Hesiod kündigt aber auch er einen logoshaften (λογιστικόν, logistikón) bestimmt [32] und
neuen Gedanken oder Abschnitt als «neuen L.» an. [12] echtes Wissen von bloßer wahrer Meinung durch das
PARMENIDES (Anfang 5 . Jh.) bezeichnet bereits die Kriterium des Hinzutretens eines L. (einer vernünftigen
eigene Darlegung im ersten Teil seines Lehrgedichts als Erklärung oder Begründung) scheidet. [33] Nicht zuletzt
einen «überzeugenden L.», den er mit dem Erfassen der darf auch der Einfluß der mathematischen Bedeutung
Wahrheit verbindet, wie überhaupt die strenge Isotopie von L. als Zahlenverhältnis [34] auf Piatons ontologi-
von Sprechen (légein), geistigem Erfassen (noein) und sches Denken nicht unterschätzt werden.
Sein für sein Denken zentral ist. [13] Daneben aber ARISTOTELES rückt L. (qua Begriff, Definition, Struk-
appelliert er auch an den L. als geistige Urteilsinstanz im tur) in enge Nähe und beinahe Synonymie zu den Zen-
Kontrast zur Sinneswahrnehmung. [14] tralbegriffen seiner Ontologie wie <Wesenheit> (ουσία,
Wenig später verweist auch EMPEDOKLES mit dem Ter- üsía), <Form> (είδος, eidos), <Wesenswas> (τό τίήν είναι,
minus <L.> auf die Darlegung seiner Lehre im ganzen [15] to tí en einai) und <Vollendung> (εντελέχεια, entelécheia)
oder auf bestimmte Einzelpassagen seines Lehrge- und stellt ihn der Materie (ΰλη, hylë) gegenüber. [35]
dichts. [16] Auch in der physikalischen Welt folgt jede Ordnung
Zum zentralen Begriff eines ganzen philosophischen einem rationalen Verhältnis (L.). [36] In der Ethik gilt
Denkansatzes wird der L . bei HERAKLIT ( 5 . Jh.). Die der «rechte» (όρθός, orthós) L. als Maßstab für die rich-
Bedeutung von <L.> bei Heraklit ist dabei nur schwer zu tige Mitte zwischen zwei Extremen, worin erneut ein fast
bestimmen, da Heraklit das gesamte Bedeutungsspek- mathematischer Kalkül anklingt. [37] Die Aristotelische
trum des Wortes bewußt ausschöpft. [17] L. ist für ihn Psychologie unterscheidet die beiden Seelenteile des
einerseits die eigene Darlegung, seine Schrift, gleichzei- Logoshaften (λόγον εχον, lógon échon) und des Unver-
tig aber auch das darin offenbarte, den Kosmos struktu- nünftigen (άλογον, álogon). [38] Da aber der L. (als Ver-
rierende und regierende Prinzip selbst, das sich in der nunft wie als Sprache) dem Menschen allein eignet
Form der Einheit der Gegensätze äußert. [18] Obwohl und ihn über das Tier erhebt, kann Aristoteles den Men-
der L. allen Menschen gemein ist und er sich in seiner schen geradezu als das mit L. begabte Lebewesen
grundlegenden Gegensatzstruktur in den Dingen wie in (ζφον λόγον εχον, zöon lógon échon) definieren. [39]
der Sprache ständig offenbart, zeigen diese sich unfähig, Zum universalen, einheitsstiftenden Prinzip erhoben
ihn zu erfassen. [19] Richtig wäre es, auf den L. zu hören, wird der L. im System der Stoa (v.a. Z E N O N VON KITION,
ihm zu folgen [20], um seine orakelhaft-paradoxe Spra- 4./3. Jh., CHRYSIPPOS, 3. Jh.). In der stoischen Physik wirkt
che zu verstehen. [21] Der Heraklitische L.-Begriff inte- der L. als das tätige Weltprinzip neben der passiven
griert jedoch noch so viele weitere Bedeutungsnuancen Materie. [40] Er erscheint als kosmische, pneumatische
(wie <Rede, Rechenschaft, Maß, Verhältnis, Gesetz, Kraft, als schöpferisches Feuer, hier wie stets in der Stoa
Grund> u.a.), daß man ihn auch umfassend als «Denkge- stofflich und weltimmanent gedacht. Er durchdringt den
setz, Denknotwendigkeit» oder «richtige Überlegung» gesamten Kosmos vollständig mittels sich permanent
gedeutet hat. [22] fortzeugender «samenhafter L.» (λόγοι σπερματικοί,
Wird bei den frühesten Philosophen die Sprache lógoi spermatikoí), der formgebenden Kräfte aller natür-
zunächst noch als naturgegeben betrachtet, so beginnen lichen Dinge. [41] In dieser kosmischen Funktion ist der
sich mit der rationalistischen und atomistischen Natur- L. auch als Gottheit, Vorsehung oder Schicksal interpre-
philosophie des späten 5. Jh. Widersprüche zwischen tierbar. Daher kann etwa der Zeushymnos des K L E A N -
Natur und Sprache abzuzeichnen, die von der Sophistik THES (4./3. Jh.) auch als Hymnos auf den stoischen L.
aufgegriffen und ausgebeutet werden. Ist zunächst bei gelesen werden. [42]
A N A X A G O R A S in dem Begriffspaar L. und έργον (érgon; Die stoische Ethik macht es dem L. des Individuums
Wirkung, Wirklichkeit) noch keine Abwertung des L. zur Aufgabe, mit diesem Weltenlogos, dessen Teil er ist,
mitzuhören [ 2 3 ] , so um so deutlicher bei D E M O K R I T [ 2 4 ] bestmöglich zu harmonieren. [43] Auch für die Stoiker ist
und schließlich bei GORGIAS. [ 2 5 ] L. und érgon zeigen sich der Mensch primär ein Logoswesen (zöon logikón). [44]
hier als Erscheinungsform der bekannteren sophisti- Das Lebensziel (télos) formuliert daher Zenon als ομο-
schen Antithese von Nomos und Physis. [26] λογουμένως ζην (homologuménôs zën), «in Überein-
PLATON hat keine eigentliche L.-Lehre entwickelt; sein stimmung (d.h. eins mit dem L.) Leben»; erst Kleanthes
oberstes ontologisches und epistemologisches Prinzip ist und Chrysippos setzen hinzu: «mit der Natur», was keine
der νους (nüs, Geist). Die Bedeutung des L. liegt bei ihm substantielle Erweiterung ist, da die Menschennatur
eher auf methodischem Gebiet. So unterstreicht er eben durch den L. geprägt ist. Ein strengerer Rekurs auf

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den L. allein erfolgt wieder bei POSEIDONIOS (2./1. Jh. des Nus unzählige L. (rationale Formen), die nach unten
v.Chr.). [45] Der substanzhafte individuelle L., der seinen (im Sinne platonischer Ideen und stoischer lógoi sperma-
Sitz im Pneuma des seelischen Zentralorgans hat, ist ver- tikoí [68]) die sichtbare Welt generieren; in diesen nähert
antwortlich für epistemologische wie ethische Entschei- sich der L. der Materie an. [69] Dieselbe Mittlerrolle im
dungen und die Kontrolle der Triebe und Affekte. [46] umgekehrten Sinne hat der L. im Aufstieg der menschli-
Ethisch vollkommenes Handeln (κατόρθωμα, chen Seele zur Erkenntnis [70] und als Führer der Seele
katorthöma) resultiert aus dem «rechten» (orthós) L., zu vernünftigem Leben. [71]
der recta ratio; Tugend besteht also in der Konsistenz und 3. Sprachphilosophie und Grammatik. Aus der Beob-
Beständigkeit dieses L., der, da allen Menschen gemein- achtung von Inkongruenzen zwischen Sprache und
sam, auch ein natürliches Recht und menschliche Wirklichkeit entwickelt sich Ende des 5. Jh. v.Chr. eine
Gemeinschaft begründet. [47] Als Stifter aller menschli- intensive Reflexion über das Wesen von Sprache.
chen Kultur sieht den L. vor allem Poseidonios. [48] So ordnet z.B. GORGIAS den L. zwar einerseits den aku-
Auch CICERO, der den im Griechischen einheitlichen stischen oder Lautphänomenen zu, stellt aber anderer-
L.-Begriff im Lateinischen zwangsläufig in die beiden seits auch bereits seinen Zeichencharakter klar heraus,
Aspekte der ratio (Vernunft) und der oratio (Rede) worin ein früher Ansatz zu einer signifiant/signifié-
aufspalten muß, sieht gleichwohl in beiden zusam- Dichotomie erkannt werden könnte. [72]
men die Natur des Menschen, seine Entwicklung zum Neben dem Wirklichkeitsbezug ist insbesondere die
Sozialwesen und seinen Vorrang vor dem Tier begrün- Frage nach dem Verhältnis von Einzelwort und L. von
det. [49] Interesse. Dabei wird von Anfang an zwischen L. als Satz
Beginnend mit ANTIOCHOS VON A S K A L O N (2./1. Jh. und als größerem Satzzusammenhang bzw. Text keine
v.Chr.), vor allem aber im sogenannten Mittleren Plato- klare Trennungslinie gezogen, wie u.a. Piatons Formulie-
nismus ( E U D O R O S VON A L E X A N D R E I A , 1. Jh. v.Chr.; ATTI- rung «einen Logos (Satz) in einen Logos (Text) einfü-
KOS, A L B I N O S VON SMYRNA, 2. Jh. n.Chr.) kommt es zu gen» zeigt. [73] Zwischen beiden ist nur ein quantitativer,
einer Verschmelzung platonischer, altakademischer und kein qualitativer Unterschied gesehen.
stoischer Theorieelemente, bei der auch Einflüsse des Ob schon bei PARMENIDES und HERAKLIT die épea bzw.
Neupythagoreismus ( M O D E R A T O S VON G A D E S , 1. Jh. onómata in einen bewußten Gegensatz zum L. rük-
n.Chr.; NIKOMACHOS VON G E R A S A , 2. Jh. n.Chr.) mitwir- ken [74], ist durchaus fraglich. DEMOKRIT immerhin hat
ken. Dabei werden Demiurg und Weltseele aus Piatons möglicherweise die Sprache bereits nach atomistischem
<Timaios> mit dem stoischen L. verschmolzen; dieser tritt Modell stufenweise aus den Elementen Buchstabe/Laut
so als eine zweite, sowohl Gott als auch (als dessen aktive (stoicheion), Silbe (syllabe), Wort (ónoma) und Satz/
Schöpferkraft) der Welt zugewandte Mittlergottheit Text (L.) aufgebaut sein lassen. [75]
neben den transzendenten Gott (nüs); die platonischen Während PLATON noch im <Kratylos> von einem
Ideen werden als Denkinhalte im Geiste Gottes ihrer- scheinbar naiven «akkumulativen Satzmodell» [76] aus-
seits mit den stoischen lógoi spermatikoí identifiziert, die geht, das den Satz als ein bloßes «Aggregat von
die materielle Welt schaffen. [50] Reflexe solcher Speku- ονόματα» [77] begreift, in dem sich die Wahrheitswerte
lation finden sich z.B. bei PLUTARCH. [51] vom Satz auf die Wörter und umgekehrt überrechnen
Die bedeutendste Gestalt aus diesem Umkreis ist der lassen [78], definiert er ihn im <Theaitetos> bereits
jüdische Philosoph PHILON VON A L E X A N D R E I A (1. Jh. genauer als eine Verknüpfung (συμπλοκή, symplokë)
v.u.n. Chr.). [52] In dessen Werk, einem Amalgam aus von Wörtern (onómata). [79] Im <Sophistes> wird dies
allegorischer Auslegung des Alten Testaments, jüdischer weiter präzisiert im Sinne einer Verknüpfung von
Weisheitsspekulation, ägyptischer Mystik und griechi- Haupt- und Zeitwörtern (onómata und rhëmata), die
scher (v.a. mittelplatonischer und stoischer) Philosophie nunmehr Urteilscharakter hat und deren Wahrheitswert
erscheint der L. identisch mit der göttlichen Weisheit in der Entsprechung zu der ontologischen Verknüpfung
(sophia) [53], als erstgeborener Sohn Gottes [54] und der korrespondierenden Ideen besteht. [80] Was für die
zweiter Gott [55], als Gottes Wort [56] und Bote Sprache gilt, gilt nach Piaton auch für das diskursive
(Engel) [57], als Ebenbild Gottes [58], Als Mittler zwi- Denken (διάνοια, diánoia), das er als einen inneren L.
schen Gott und der Welt und Werkzeug Gottes [59] ist er oder Dialog der Seele mit sich selbst beschreibt. [81]
die Idee der Ideen, die die intelligible Welt in sich enthält In anderer Hinsicht, nämlich als Erklärung oder Defi-
und als dichotomischer «Teiler» (τομεύς, tomeús) den nition, die wahre Meinung zum Wissen macht, sucht Pia-
materiellen Kosmos schafft. [60] Als «rechter L.» (orthós ton ebenfalls im <Theaitetos> den L. zu definieren. Von
L.) ist er Quell aller Tugenden. [61] den drei angebotenen und diskutierten Definitionen (1.
Eine ausgeprägte Mittlerfunktion zwischen den Seins- Kundmachung eines Gedankens durch die Stimme mit-
stufen hat der L. auch im System PLOTINS (3. Jh. n.Chr.), tels Zeit- und Hauptwörtern; 2. Aufzählung der realen
des Begründers des Neuplatonismus, wobei wiederum Bestandteile des Definiendums; 3. Angabe eines unter-
stoische Einflüsse unübersehbar sind. [62] Bei Plotin ist scheidenden Kennzeichens) erweist sich einzig die letzte,
der L. einerseits der Weltplan [63], andererseits die vom freilich unter Einbeziehung der Präzisierungen des
Nus (Geist) ausgehende, alles durchwirkende Rationali- <Sophistes> (Dihairesismethode), als tragfähig. [82]
tät [64], Vor allem aber beschreibt er eine <Äußerung> Schon Piatons Zeitgenosse A N T I S T H E N E S hatte eine
der jeweils höheren Hypostase, die die jeweils niedrigere Definition des L. gegeben als «dasjenige, was das, was
hervorruft, wofür Plotin das Bild der menschlichen etwas ist oder war, enthüllt.» [83] Diese steht offenbar im
Sprachäußerung als Ausdruck des inneren Gedankens Zusammenhang mit seiner Lehre von dem jeder Sache
heranzieht [65]: So ist die Seele L. des Nus, wie der Nus L. fest zugeordneten «eigentümlichen L.» (οικείος λόγος,
des Einen. [66] Der L. als immaterielles formgebendes oikeíos lògos), der für ihn einfach in der Aufzählung
Prinzip «verbindet zwischen den einzelnen Wesen und ihrer realen Bestandteile besteht [84], woraus Antisthe-
stellt dabei die Einwirkung der höheren Wesenheit auf nes die Unmöglichkeit jedes Widerspruchs ebenso ablei-
die niedere dar, ohne selbst eine Hypostase zu sein.» [67] tet [85] wie wirkungsästhetische Folgerungen für die not-
In der Seele wiederum befinden sich durch Einwirkung wendige Vielgestaltigkeit einer Rede. [86]

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Im Sinne der umschreibenden Definition begegnet L. Bei den griechischen Grammatikern finden sich fast
noch einmal im Erkenntnisstufenmodell des 7. Piaton- überall Definitionen des L., so z.B. diejenige des D I O N Y -
briefes, wo er neben Name und Abbildung in der Reihe sios T H R A X (2. Jh. v.Chr.) als «Zusammenstellung in pro-
der untersten, zwar unumgänglichen, aber zwangsläufig saischer Ausdrucksweise, die einen eigenständigen
unvollkommenen Elemente im Erkenntnisprozeß er- Gedanken offenbart». [100] Ähnlich definieren A P O L L O -
scheint, womit Piaton eine grundsätzliche Kritik an der NIOS DYSKOLOS (2. Jh. n.Chr.) und andere. [101] Ein
Erkenntnistauglichkeit der Sprache verbindet. [87] Dem Scholiast zu Dionysios Thrax bestimmt den L. schlecht-
Wesen (ουσία, üsía) einer Sache sind aber Name und L. hin als Materie der Grammatik [102], ein anderer zählt
auch in den <Nomoi> zugeordnet. [88] allein elf verschiedene Bedeutungen des Wortes <L.> auf,
Von den beiden wohl auf altakademische Tradition von «Rechenschaft» über «Zahlenproportion», «Schluß-
( X E N O K R A T E S ? ) zurückgehenden L.-Definitionen der folgerung», «Satz», «Aussage», «Rede» u.a. bis zum
pseudoplatonischen <Definitionen> (1. «in Schriftzeichen «Buch», wozu an anderer Stelle sechs weitere kom-
darstellbare [d.h. artikulierte] Stimmäußerung, die jedes men. [103]
Seiende für sich ausdrückt»; 2. «aus Haupt- und Zeitwör- Die spätantiken lateinischen Grammatiker übersetzen
tern zusammengesetzte Sprachäußerung ohne Melo- <L.> durch oratio [104], was etwa CHARISIUS (4. Jh. n.Chr.)
die») ist wiederum die zweite rein grammatischer, die als oris ratio (Mundvernunft) etymologisiert. [105] Es fin-
erste eher philosophischer Natur. [89] den sich von D I O M E D E S und D O S I T H E U S (4. Jh.) bis PRIS-
ARISTOTELES definiert den L. (Satz/Text) als «zusam- CIAN (5./6. Jh.) die geläufigen, z.T. von den Griechen ent-
mengesetzte bedeutungstragende Stimmäußerung, von lehnten Definitionen. [106]
der Teile für sich bereits bedeutungstragend sind.» [90] Ein Hauptgebiet der antiken Grammatik ist die Lehre
Auch für ihn besteht der L. aus Nomina und Ver- von den Wortarten oder Redeteilen (mère tü lógü, partes
ben [91]; seine Materie ist der Stimmlaut (φωνή, orationis): Piaton kennt nur zwei Wortarten (Nomen und
phone). [92] Logischer Ort der Wahrheitswerte und Verbum), A N A X I M E N E S , ARISTOTELES und THEOPHRAST
damit philosophisch relevant ist für Aristoteles jedoch hingegen (durch Hinzunahme von Konjunktion und
allein der apophantische L. oder Aussagesatz (λόγος Artikel) wohl bereits deren vier [107], ebenso der Stoiker
άποφαντικός), der Affirmation und Negation zuläßt. Z E N O N ; CHRYSIPPOS und D I O G E N E S VON BABYLON nehmen
Alle nichtapophantischen Ausdrucksweisen (Bitte, den Eigennamen hinzu. [108] Die Grammatiker schließ-
Befehl u.a.) werden pauschal in die Zuständigkeit von lich erweitern auf acht (Nomen, Pronomen, Verbum,
Rhetorik und Poetik verwiesen. [93] Aristoteles unter- Adverb, Partizip, Konjunktion, Präposition und Artikel
scheidet auch bereits zwischen dem inneren L. des Den- bzw. bei den Lateinern Interjektion), manche gar auf
kens und dessen äußerer Manifestierung in der Spra- neun bis elf. [109] Aufzählung und Darstellung der Rede-
che. [94] Wie bei Piaton wird auch bei ihm die wesensbe- teile schließen traditionell an die Definition von L. bzw.
schreibende Definition einer Sache u. a. ebenfalls als L. oratio an. [110]
bezeichnet. [95] 4. Logik. Das von <L.> abgeleitete Wort <Logik>
Die stoische Grammatik ordnet den L. in die gestufte (λογική, logiké) ist als Femininum in seiner heutigen
Begriffsreihe von phôné, léxis und L. ein: phone ist der Bedeutung erst seit dem 1. Jh. v.Chr. (CICERO!) nachweis-
noch unartikulierte Stimmlaut, léxis bereits artikulierte, bar. [111] Zwar greifen die Stoiker die wohl auf X E N O -
aber nicht notwendig auch sinntragende Äußerung (z.B. KRATES zurückgehende Einteilung der Philosophie in die
in sinnlosen Lautgebilden); erst die sinntragende léxis drei Disziplinen Logik, Physik und Ethik auf, sprechen
gilt als L., der daher zunächst als «sinnvoller, vom Ver- aber vom «logischen Teil» der Philosophie, worunter
stand hervorgebrachter Stimmlaut», seit D I O G E N E S VON freilich alle den L. im sprachlichen Sinne betreffenden
B A B Y L O N (2. Jh. v.Chr.) präziser als «artikulierter sinn- Disziplinen fallen, also neben der Dialektik (der eigentli-
voller Stimmlaut» definiert wird. Eine Besonderheit der chen Logik), zu der die Grammatik gehört, auch die Rhe-
stoischen Grammatik liegt dabei darin, daß aufgrund der torik. [112] Schriften Z E N O N S und CHRYSIPPS <Über den
Festlegung auf das Kriterium der Semantizität im Begriff L.> oder <Uber den Gebrauch des L.> dürften einer ähn-
des L. auch das (bedeutungsvolle) Einzelwort einge- lich weiten Thematik gegolten haben. [113] Auch bei
schlossen ist. [96] ARISTOTELES heißt die Lehre vom vernünftigen Denken
Insofern die Stoiker in der Sprache klar zwischen und Schließen nicht Logik, sondern Analytik; <logisch>
Bezeichnendem (σημαίνον, sëmainon) und Bezeichne- (λογικόν, logikón; λογικώς, logikös) steht bei ihm viel-
tem (σημαινόμενον, semainómenon) scheiden, korre- mehr meist für <dialektisch> im Sinne der Disputierkunst
spondiert in jedem L. der Lautgestalt auf der Gegenseite der <Topik>, in Abgrenzung zu <analytisch> einerseits,
ein «Ausgesagtes» (λεκτόν, lektón).[97] Nur ein soge- <rhetorisch> andererseits. [114]
nanntes «vollständiges lektón» aber ergibt einen Aussa- Wird das dem mathematischen Bereich entstam-
gesatz (αξίωμα, axioma); daneben erkennt die Stoa mende Verbum λογίζεσθαι (logízesthai; rechnen) schon
jedoch neun weitere Satztypen (Frage, Befehl u.a.) seit Herodot, das Substantiv λογισμός (logismós) seit
an. [98] Thukydides im Sinne des logischen Schließens verwen-
Von weitreichender Bedeutung ist v.a. die wohl erst det [115], so wird seit Aristoteles auch <L.> zur möglichen
aus späteren Schulkontroversen mit der Akademie Bezeichnung für den deduktiven Schluß (συλλογισμός,
erwachsene stoische Unterscheidung zwischen einem syllogismós), den Beweis (άπόδειξις, apódeixis) oder das
inneren, nur gedanklichen (ένδιάθετος, endiáthetos) Argument [116], ja sogar für den induktiven Schluß [117].
und dem sprachlich geäußerten (προφορικός, propho- Aber auch im <syllogismós> wäre die Valenz des Zusam-
rikós) L. [99] Diese wichtige Unterscheidung hat auch menfassens mehrerer L. zu einem noch mitzuhören. [118]
auf das lateinische Begriffspaar ratio und oratio gewirkt. Den Stoikern schließlich ist <L.> als Terminus für den
In den Traktaten der Schulgrammatiker wird der L. logischen Schluß ebenfalls geläufig. [119]
(Satz, Text) als letztes und komplexestes Element der 5. Rhetorik und Literaturtheorie. Die Vorstellung von
mit Laut und Buchstabe beginnenden Stufenreihe der einer betörenden Wirkung der L. ist schon in der früh-
Sprachkonstituenten behandelt. griechischen Dichtung präsent. Mit der Ausbildung einer

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kunstmäßigen Rhetorik im 5. Jh. werden diese Ansätze die dialogische Gattung der Sokratischen Gespräche
aufgegriffen und theoretisch ausgebaut. kann aufgrund des prosaischen Charakters so genannt
Zentralbegriff der Rhetorik ist der L. Generell wird ja werden [135]. Und nicht zuletzt gehören natürlich nach
vor der Prägung des Terminus ρητορική (rhëtoriké) im wie vor Reden aller Gattungen und Arten in diesen
4 . J h . b e i PLATON, A L K I D A M A S u n d ISOKRATES [ 1 2 0 ] die Bereich. [136]
Rhetorik als «Kunst des Logos» oder «Kunst der Logoi.» Unter inhaltlichem Aspekt kann unter L. ferner jede
bezeichnet. [ 1 2 1 ] Entsprechend macht sich schon PROTA- Erzählung oder Geschichte fallen, sowohl ein My-
GORAS (5. Jh.) anheischig, «den schwächeren L. zum stär- thos [137] wie eine Legende [138] oder ein Bericht mit
keren zu machen» und in allem stets den «treffendsten historischem Anspruch [139], wobei der Begriff in dieser
L.» parat zu haben. [122] Auch seine Buchtitel, wie N i e - Verwendung auch für poetische Formen offenbleibt.
derwerfende L.>, <Großer L.> oder <Antilogien> sprechen <L.> ist, neben <mythos> und <ainos>, schließlich eine
dieselbe Sprache. [123] Ein radikaler Relativismus der im Altertum gängigen Bezeichnungen für die Äsopi-
(Homo-Mensura-Satz) löst dabei den L. aus Sach- und sche Fabel. [140] V.a. bei den Progymnasmatikern ist
Wahrheitsbindungen und setzt ihn für derartige kämpfe- aber auch die der Fabel voran- oder nachgestellte
rische Aufgaben frei. <Moral> (sonst προμύθιον/έπιμύθιον, promythion/epi-
Die spezielle eristische Qualität dieses agonalen L. der mpthion oder πρόλογος/έπίλογος, prólogos/epílogos
Sophisten schlägt sich nieder in einem Werk wie den genannt) gelegentlich als L. bezeichnet. [141] Ein kurzer
anonymen <Zwiefältigen Reden> (<Dissoí lógoi>)[124] Spruch, eine Redensart oder ein Sprichwort kann ja von
und spiegelt sich literarisch etwa im Rededuell des alters her L. heißen. [142]
gerechten und ungerechten L. bei ARISTOPHANES oder im Entsprechend ist auch <Logográphos> nicht, wie noch
Komödientitel <Lógos kai Logina> (<Herr und Frau L.>) F. Creuzer fälschlich meinte, eine feste Bezeichnung für
b e i EPICHARM. [ 1 2 5 ] die ältesten griechischen Geschichtsschreiber vor Hero-
Stringenter noch weist GORGIAS nach dem in der dot (wie Hekataios von Milet oder Hellanikos von Les-
Schrift <Über das Nichtseiende> mit scharfsinnigen bos) [143], sondern charakterisiert allgemein den Pro-
sprachtheoretischen Argumenten geführten Aufweis der saautor im Unterschied zum Dichter. [144] Im speziellen
prinzipiellen Heterogenität von L. und Wirklichkeit und Sinne ist jedoch <Logograph> in Athen auch Bezeichnung
der füglichen Untauglichkeit des L. zu Kommunikation für eine bestimmte Berufsgruppe, deren Tätigkeit im
über diese Realität diesem im <Lob der Helena> eine Verfassen von Gerichtsreden für andere gegen Lohn
neue Aufgabe in der psychagogischen Beeinflussung der besteht. [145] Obwohl die meisten attischen Redner, wie
Hörer durch Erregung oder Temperierung von Affekten z.B. A N T I P H O N , D E M O S T H E N E S , ISOKRATES oder L Y S I A S ,
und (ohne Wahrheitskriterium wertneutrale) Substitu- dieses Metier zumindest zeitweise ausüben, steht es als
tion von Meinungen zu. Dort entfalte er seine wahre unfreie Tätigkeit in geringem Ansehen, so daß die
Macht. Der L. sei ein «großer Bewirker» (δυνάστης Bezeichnung sogar als Schimpfwort dient. [146] Eine
μέγας, dynàstës mégas), der Göttliches vollbringe. Die ähnliche Entwicklung macht auch <Logopoiós> durch, das
Wirkkraft des L. vergleicht Gorgias mit Magie und phar- zunächst den Prosaiker, näherhin den Historiker [147],
mazeutischen Drogen. [126] Zur Verstärkung dieser Fabeldichter [148] oder Redenschreiber [149] meint, aber
Wirkkraft entwickelt er als erster ein System äußerer for- schließlich zur Bedeutung <Schwätzer> absinkt. [150]
maler Kunstmittel des L. (Gorgianische Figuren). Aufgrund des weiten Umfangs des Logosbegriffs wer-
Von der Überredungskraft des L., die stärker sei als den bald nähere Kategorisierungen notwendig. Bereits
Gesetz, Zwang oder Geld, zeigt sich auch DEMOKRIT GORGIAS unterscheidet in der <Helena> zwischen den L.
überzeugt. [127] Und nach einer in der rhetorischen Tra- der «Meteorologen» (Naturphilosophen), der Prozeß-
dition kolportierten Anekdote soll der Fabeldichter redner und der «Philosophen» (wohl den agonal-eristi-
Ä S O P auf die Frage nach dem Stärksten unter den Men- schen L. der Sophisten). [151] Im 4. Jh. räsoniert der
schen geantwortet haben: der L.! Ähnliches wird über Demokriteer N A U S I P H A N E S über Unterschiede und
D E M O S T H E N E S berichtet. [128] Gemeinsamkeiten der L. der Philosophen und der politi-
Der Gorgiasschüler ISOKRATES preist in seinem <Niko- schen Redner. [152] PLATON will für Erziehungszwecke
kles> den L. als das menschliche Kardinalvermögen nur zwischen wahren und falschen L. unterschei-
schlechthin. Der L., dessen Begriff er extrem weit aus- den. [153] ISOKRATES schließlich gliedert um 340 im
legt, ist ihm hauptverantwortlich für Staatenbildung, <Panathenaikos> in fünf Klassen: mythische Erzählun-
Gesetzgebung und Rechtspflege, sowie Grundlage aller gen, erfundene Fabel- und Wundergeschichten, Ge-
Sittlichkeit, Bildung und Kultur. [129] Cicero hat ihm schichts werke, Gerichtsreden und politische Re-
dies später mehrfach nachgesprochen. [130] Als Gegen- den. [154] V.a. letztere Einteilung hat auf die hellenisti-
stand, Mittel und Ziel des ehrgeizigen Isokratischen Bil- sche und spätere Typologie der rhetorischen und literari-
dungsprogramms firmiert der L. daher auch in der späten schen narrado gewirkt. [155]
autobiographischen Antidosisrede. [131] Auffällig ist in all diesen Klassifizierungen wiederum
Mit dem Entstehen einer nennenswerten Prosalitera- die Kopräsenz schriftlich-literarischer und mündlich-
tur im 5. Jh. wird L. auch zur Bezeichnung für Prosatexte rhetorischer Gattungen.
verschiedenster Gattungen. L. steht, mit oder ohne den Kritik an der Übertragung des Logosbegriffs auf
Zusatz ψιλός (psilós; bloß), vielfach generell für die geschriebene Texte findet sich allerdings bei P L A T O N ,
Prosa als solche, insbesondere im Kontrast zur Dich- dem Gegner schriftlicher Philosophie, ebenso wie bei
tung. [132] A L K I D A M A S , dem Anwalt mündlichen Extemporierens in
Der Umfang des Begriffs L. wird dadurch stark erwei- der Rede: Für Piaton ist ein schriftlicher Text nur totes
tert und umgreift erzählende wie darstellend-argumen- Abbild eines lebendigen L., das weder auf Nachfragen
tierende, schriftliche wie mündliche Genera, also z.B. antworten noch sich gegen Einwände verteidigen
Geschichtsschreibung (Herodot und seine Vorgän- kann. [156] Alkidamas will gar geschriebenen L. diesen
ger [133]) ebenso wie philosophische und wissenschaftli- Namen ganz verweigern, da sie nur Abbilder und Nach-
che Prosa (Heraklit, Protagoras, Aristoteles [134]); selbst ahmungen wirklicher L. seien. [157]

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Eine besondere Funktion hat L. darüber hinaus als zum Chorgesang) als L. bezeichnet werden. [175]
Bezeichnung selbständiger, in sich geschlossener Gedan- Schließlich versteht Aristoteles unter L. auch eine
kengänge, Argumentationslinien oder Unterabschnitte extrem geraffte, auf die strukturellen Elemente redu-
innerhalb eines größeren Werkes gewonnen. Schon zierte Handlungsskizze einer epischen oder dramati-
Hesiod, Xenophanes und Empedokles verweisen ja auf schen Dichtung[176], wofür man den treffenden Termi-
Teilabschnitte ihrer Werke mit dem Terminus <L.>. Pin- nus der <Strukturformel> geprägt hat. [177]
dar spricht metaphorisch von der Integration einzelner Im Lateinischen begegnet logos bzw. logits als griechi-
L. zu einem ganzen Gedicht. [158] Dieselbe Verweistech- sches Fremdwort v.a. in der Komödie in der pejorativen
nik verwenden Piaton und Aristoteles. [159] Ein speziel- Bedeutung <Geschwätz, langes Gerede, Possen, dummes
les Problem wirft jedoch in diesem Zusammenhang das Zeug> oder im Sinne von <Scherzrede, Witz, Wortspiel)
Geschichtswerk Herodots auf, das nach der Formulie- (mit Belegen bei den Komikern und Cicero) [178], daher
rung seiner Querverweise ursprünglich überhaupt in der definiert als «lächerliche und geringzuschätzende Aus-
Form selbständiger, geographisch zugeordneter L. (lydi- sprüche» (dicta ridicula et contemnenda) beim Gramma-
scher, ägyptischer, libyscher, skythischer L. usw.) konzi- tiker N O N I U S (3. oder 4. Jh. n.Chr.). [179] In ernsthafter
piert sein könnte. [160] Bedeutung ist <L.> dagegen fast stets durch ratio oder ora-
Nähere Spezifizierungen und Kategorisierungen der tio wiedergegeben.
L. als Reden im engeren rhetorischen Sinne treffen die In der hellenistischen und kaiserzeitlichen Rhetorik
entsprechenden Lehrschriften. wird mit dem Adjektiv <logikós> in vielfachem Sinne auf
In der A N A X I M E N E S VON LAMPSAKOS zugeschriebenen eine Zuordnung zum L. verwiesen. So sind in der Status-
<Rhetorik an Alexander> (Mitte 4. Jh.) werden zwei Gat- lehre seit HERMAGORAS VON T E M N O S als logikai (vs. nomi-
tungen (γένη, génë) rednerischer L. unterschieden kaí) stáseis die Status des auf Sachverhaltsbeurteilung,
(Volksrede und Gerichtsrede), ferner sieben Arten nicht Gesetzesauslegung zielenden génos logikón (genus
(ε'ίδη, eidë: ratende, abratende, lobende, tadelnde, ankla- rationale) der Gerichtsrede bekannt. [180]
gende, verteidigende und prüfende Rede). [ 1 6 1 ] ARISTO- Bei den Progymnasmatikern ( T H E O N , HERMOGENES,
TELES hingegen, der am L . drei Hauptfaktoren (Redner, APHTHONIOS, NIKOLAOS) wiederum meint logiké (vs.
Gegenstand und Adressat) beteiligt sieht, teilt nach der prâktiké) chreía die Ausspruchchrie im Unterschied zur
Art des Publikums nur in drei Gattungen (beratende, Handlungschrie. [181] Aphthonios kennt außerdem eine
gerichtliche und epideiktische Rede). [162] Klassifizierung der Fabeln in ein génos logikón (mit
Nachdem schon Piaton fordert, daß ein L. wie ein menschlichem) und ein ëthikôn (mit tierischem Perso-
Lebewesen ein geordnetes, gegliedertes Ganzes sein nal). [182]
müsse [ 1 6 3 ] , erörtert auch Aristoteles die dispositionel- Zahlreiche verschiedene Typen ausschließlich epi-
len Bestandteile (μέρη, mère) eines rednerischen L., deiktischer L. verzeichnet und erörtert im 3. Jh. der Rhe-
unter scharfer Kritik an älteren Entwürfen z.B. des tor M E N A N D E R , darunter z.B. Kaiserrede (basilikós L.),
THEODOROS VON B Y Z A N Z ( 5 . Jh.). [ 1 6 4 ] Im prägnanten Begrüßungsrede (prosphônêtikôs L.), Gesandtschafts-
Sinne kann <L.> dabei wiederum auch den Hauptteil rede (presbeutikós L.), Einladungsrede (kletikós L.),
einer Rede oder eines anderen Werkes von Prolog (Vor- Hochzeitsrede (epithalámios L.), Geburtstagsrede
rede, Einleitung) oder Epilog (Nachwort) abheben. [165] (genethliakós L.), Grabrede (epitáphios L.) u.v.a. Diese
Im L. selbst, also im sachlichen Gehalt einer Rede und Typologie von Prunkreden hat große Auswirkung auf
in der rationalen Argumentation, liegt ferner für Aristo- die byzantinische Rhetorik. [183]
teles die wichtigste der drei Quellen kunstmäßiger Über- Von geringer Bedeutung und Originalität sind dage-
zeugungsmittel, neben Ethos und Pathos (so noch z.B. gen einige späte Traktate über dispositionelle Teile oder
bei M I N U K I A N O S , 3 . Jh. n.Chr.). [ 1 6 6 ] Gilt ihm doch Ver- qualitative Elemente des rhetorischen L. [184]
deutlichung als vornehmste Aufgabe des L. [167] Dane-
ben verwendet Aristoteles <L.> in der Argumentations- Anmerkungen:
lehre auch terminologisch für die <Fabel> (als Unterart 1 Homer, Ilias XV,393; Odyssee 1,56; Hesiod, Theogonie 890;
des frei erfundenen Beispiels). [168] Erga 78.789; Hymni Homerici 4,317; vgl. Parmenides, Frg. Β
1,15, in: VS1,229; H. Boeder: Der friihgriech. Wortgebrauch von
Unter stilistischem Aspekt merkt Aristoteles noch an, L. und Aletheia, in: ABG 4 (1959) 82-112, hier 89-91. - 2 Hesiod,
daß die Verwendung eines L. (= definierende Umschrei- Theogonie 229; Boeder [1] lOOf. - 3Hesiod, Erga 106; Boeder [1]
bung) anstelle des einfachen Wortes zum Bombast 101. - 4Boeder [1] 101-105. - 5W. Nestle: Vom Mythos zum L.
(ογκος, ónkos) des Stils beitrage, wie die umgekehrte Die Selbstentfaltung des griech. Denkens von Homer bis auf die
Substitution zur Knappheit. [169] In diesem Sinne kann Sophistik und Sokrates (1940, 2 1942) 1. - 6ebd. 80. - 7B. Snell:
sogar ein längeres zusammengesetztes Wort einmal ein Die Entdeckung des Geistes. Stud, zur Entstehung des europäi-
L. sein. [170] Überlange Perioden wiederum können zu schen Denkens bei den Griechen (1946, 51980) 178-204, bes.
202f. u. 290 Anm. - 8 vgl. K. Hübner: Die Wahrheit des Mythos
eigenständigen L. (= Abschnitten) werden. [171] (1985); ders.: Aufstieg vom Mythos zum L.? Eine wissenschafts-
Im Bereich der Poetik kennzeichnet L. den rein theoretische Frage, in: P. Kemper (Hg.): Macht des Mythos -
sprachlichen oder textlichen Anteil eines künstlerischen Ohnmacht der Vernunft? (1989) 33-52; E.R. Dodds: The
Werkes, unter Absehung von metrischen oder musikali- Greeks and the Irrational (Berkeley 1951); G.E.R. Lloyd: Pola-
schen Elementen. So definiert schon GORGIAS Dichtung rity and Analogy (Cambridge 1966); ders.: Magic, Reason and
(ποίησις, poiësis) als einen «L. mit Metrum». [172] Für Experience (Cambridge 1979); ders.: Science, Folklore and
PLATON wie ARISTOTELES ist L. eines der Ausdrucksmittel
Ideology (Cambridge 1983); ders.: The Revolutions of Wisdom
(Berkeley 1987); ders.: Demystifying Mentalities (Cambridge
der poetischen Mimesis neben Versmaß (ρυθμός, 1990); Β. Liebrucks: Irrationaler L. und rationaler Mythos
rhythmós) und Melodie (αρμονία, harmonía). [173] Auf (1982); R. Buxton (Hg.): From Myth to Reason? Studies in the
die Inhaltsebene einer Dichtung oder Rede gegenüber Development of Greek Thought (Oxford 1999) u.a. -9Pindar,
ihrer Ausdrucksform (léxis) bezieht L. ebenfalls schon Olympien 1,29; Platon, Protagoras 320c2-7, 324d6f.; Gorg.
Piaton. [174] In anderem Sinne können aufgrund relativ 523al-3; Timaios26e4f. -lOz.B. Pindar, Nemeen 1,34; 5,29; Ari-
größerer Nähe zur Prosa z.B. auch die Sprechpartien der stophanes, Frösche 1052. - llXenophanes, Frg. Β 1,14, in: VS I,
Schauspieler im griechischen Drama (im Unterschied 127. - 12ders., Frg. Β 7,1, in: VS 1,130; Boeder [1] 104. - 1 3 Par-

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menides, Frg. Β 8,50f., in: VS1,239; vgl. Β 6,1, ebd. 232; M. Kraus: 242; Quaest. in Gen. III 34; II 62; Quaest. in Exod. II 101. -
Name und Sache. Ein Problem im frühgriech. Denken (Amster- 57ders., confus, ling. 146; Quis heres 205; somn. 1240; Leg. alleg.
dam 1987) 74.77-81. - 14Parmenides, Frg. Β 7,5, in: VS 1,235. - III 177; deus immut. 182. - 58ders., confus, ling. 97.147f.; spec,
15Empedokles, Frg. Β 4,3; 17,26; 131,4, in: VS I, 311.317.365. - leg. 181. - 5 9 ders., somn. 1142; Qu. in Exod. II 68; D e Cherubim
16ders., Frg. Β 35,2, in: VS I, 326; vgl. Papyrus Strasburgensis 27f. 125-127; Leg. alleg. III 96.104; Quis heres 233. - 6 0 d e r s „ De
Frg. a(ii) 18-20, in: A. Martin, O. Primavesi: L'Empédocle de migratione Abrahami 103; D e opificio mundi 20.24f.36; Qu. in
Strasbourg (1999) 136f.217f.; Frg. d 10, ebd. 146f. - 1 7 A. Busse: Gen. I 4; II 62; De vita Mosis II 127; Quis heres 133-236, bes.
D e r Wortsinn von L. bei Heraklit, in: Rheinisches Museum 75 130.140. - 61 ders., De sacrificio 47; Leg. alleg. III 1; somn. II
(1926) 203-214; E.L. Minar: The L. of Heraclitus, in: Classical 95.198; D e plantatione 60.121; D e ebrietate 34f. - 62H.F. Müller:
Philol. 34 (1939) 323-341; U. Hölscher: Der L. bei Heraklit, in: Die Lehre vom L. bei Plotinos, in: A G P h 23 (1916) 38-65; V.
Varia Variorum. FS K. Reinhardt (1952) 69-81; W. J. Verdenius: Schubert: Pronoia und L. Die Rechtfertigung der Weltordnung
D e r L.-Begriff bei Heraklit und Parmenides, in: Phronesis 12 bei Plotin (Salzburg 1968); E. Früchtel: Weltentwurf und L. Z u r
(1968) 99-117; M. Bartling: Der L.-Begriff bei Heraklit und seine Met. Plotins (1970); R.E. Witt: The Plotinian L. and Its Stoic
Beziehung zur Kosmologie (1985); weitere Lit. bei G.S. Kirk: Basis, in: Classical Quart. 25 (1931) 103-111; A. Graeser: Ploti-
Heraclitus. The Cosmic Fragments (Cambridge 1954, N D 1962) nus and the Stoics (Leiden 1972). - 63 Plotin, Enneaden III
37-40; E. Kurtz: Interpretationen zu den L.-Fragmenten Hera- 2,5.11.16-18; III 3,1.3; IV 3,12; IV 4,39; II 3,16. - 64ebd. II 9,1 ; III
klits (1971). - 18Heraklit, Frg. 1, in: VS I, 150. - 19ders., Frg. 2,2; V 3,16; VI 8,17; Früchtel [62] 22. - 65ebd. I 2,3; V 1,6. -
1.2.17.34.72, ebd. 150f.155.159.167. - 20ders., Frg. 2.50, ebd. 66ebd. V 1,3; VI 2,22; V 1,6; VI 8,15.18; Früchtel [62] 43. -
151.161.-21 ders., Frg. 93, ebd. 172. - 2 2 K. Reinhardt: Parmeni- 67Früchtel [62] 39. - 68Plotin, Enneaden II 1,7; 7,3; IV 3,12; V
des und die Gesch. der griech. Philos. (1916) 217.219; U. Höl- 3.8. - 6 9 e b d . II 3,17; III 8,2.7f.; IV 6,36; V 9,4; VI 2,5. - 7 0 e b d . V
scher: Anfängliches Fragen. Stud, zur frühen griech. Philos. 3,3f. - 71 ebd. III 1,9; VI 7,4; 9,4. - 72Ps.-Arist„ D e Melisso,
(1968) 141-143. - 2 3 Anaxagoras, Frg. Β 7, in: VS II, 36. - 24 De- Xenophane, Gorgia 980al9-b8; W. Ax: Laut, Stimme und Spra-
mokrit, Frg. Β 53a.55.82.145.177.190, in: VS II, che. Stud, zu drei Grundbegriffen der antiken Sprachtheorie
157.160.171.180.184; Kraus [13] 162. - 25Gorgias, Frg. Β l i a , (1986) 95Í.114; Kraus [13] 174f. - 73Piaton, Kratylos 432e5; vgl.
34f., in: VS II, 302. - 26 F. Heinimann: Nomos und Physis. Her- Proklos, In Cratylum 45, 14,24-26 Pasquali; Arist. Poet. 20,
kunft und Bed. einer Antithese im griech. Denken des 5. Jh. 1457a28-30. - 74 E. Hoffmann: Die Sprache und die archaische
(Basel 1945, N D 1972). - 27Platon, Phaidon 99d4-100a7. - Logik (1925) l-6.10f.; B. Snell: Die Sprache Heraklits, in: Her-
28 ebd. 89dl-90d8; vgl. ders., Laches 188c6. - 2 9 d e r s . , Theaitetos mes 61 (1926) 353-381, hier 369. - 75E. Frank: Plato und die
146a6.161a7; Pol. IX,582e7; Phaidr. 236e5. - 3 0 d e r s . , Theaitetos sogenannten Pythagoreer (1923, N D 1962) 168-170; Kraus [13]
150b-151d; 160d-161b; 210b4-d4. - 31 ders., Menon 86e-87d; Pol. 164-166; vgl. Piaton, Kratylos 424c5^25a5. - 76J. Derbolav:
VI, 510b-511d; Parmenides 135e-137b. - 3 2 d e r s . , Pol. IV, 439d4- Piatons Sprachphil, im Kratylos und in den späteren Sehr. (1972)
441c3. - 33ders., Theaitetos 201c9-d2. - 34 K. v. Fritz: Die άρχαί 114. - 77 G. Prauss: Piaton und der logische Eleatismus ( 1966) 52.
in der griech. Mathematik, in: A B G 1 (1955) 13-103, hier 80-87. - 78Piaton, Kratylos 385b2-dl; 431a8-c2; R. Rehn: Der L. der
- 35 Arist., Met. A 10,993al7f.; Β 2,996b8; E 1,1025b28f.; Ζ 1 0 , Seele. Wesen, Aufgabe und Bed. der Sprache in der platoni-
1035b26; De anima 11,403b2; II 1,412bl5f.; II 2,414a27; Physik schen Philos. (1982) 11-14. - 79 Platon, Theaitetos 202b4f.; Rehn
IV 1, 209a22. - 36Arist., Physik VIII 1, 252al4; F. Wiplinger: [78] 84-88. - 80 Platon, Sophistes 261e4-263d4; K. Uphues: Die
Physis und L. (1971). - 37Arist. E N VI 1, 1138bl8-34; vgl. 13, Def. des Satzes. Nach den platonischen Dialogen Kratylus,
1144b23f. - 38 Arist., D e anima III 9,432a26, EN 113,1102a28, Theaetet, Sophistes (1882); R. Marten: Der L. der Dial. Eine
Pol. I 13, 1260a5-7; VII 15, 1334bl8-22. - 39 Arist. Pol. I 2, Theorie zu Piatons <Sophistes> (1965); W. Detel: Piatons
1253a9-15: VII 13, 1332b4f.; D e generatione animalium V 7, Beschreibung des falschen Satzes im Theätet und Sophistes
786b21. - 4 0 S V F I 85.98; II 299f.; M. Pohlenz: Die Stoa. Gesch. (1972); Derbolav [76] 173-186; Rehn [78] 131-140. - 81Platon,
einer geistigen Bewegung, B d . l (1948) 64-110. - 41S V F I Theaitetos 189e4-190a2; Sophistes 263e3-5; Rehn [78] 67-70;
102.497; II 580.717.1027.1071-1075; III 141; H. Meyer: Gesch. 140f. - 82Platon, Theaitetos 206cl-210b3; vgl. Sophistes
der Lehre von den Keimkräften von der Stoa bis zum Ausgang 221blf.; Politikos 267a4-6; G. Fine: Knowledge and L. in the
der Patristik, nach den Quellen dargestellt (1914). - 42SVF I Theaetetus, in: Philos. Rev. 88 (1979) 366-397; R e h n [78] 88f.-
537, bes. V. 12.21. - 4 3 Pohlenz [40] 111-158; M. Forschner: Die 83 Diogenes Laertios VI 3. - 84 Arist., Met. Δ, 1024b32-34; H,
stoische Ethik. Über den Zusammenhang von Natur-, Sprach- 1043b23-28; vgl. Piaton, Euthydemos 286a4-b5; Theaitetos
und Moralphilos. im altstoischen System (1981). - 4 4 S V F 1 2 3 0 ; 202a6-b7. - 85 Antisthenis Fragmenta, ed. F. Decleva Caizzi
III 390.462; vgl. II 1002.1156.1173; III 169.686f.729; Cicero, Aca- (Mailand/V arese 1966), Frg. 36.47A-49.- 86ebd. Frg. 51,49-57. -
démica II 7,21; Quint. VII 3,15; Augustinus, D e ordine II 11,31; 87Piaton, 7. Br. 342a7-344cl; Derbolav [76] 207-210; A. Grae-
D e trinitate VII 4,21f.; XV 7,11. - 45 S V F I 179.552; III 4-17; ser: Philos. Erkenntnis und begriffliche Darst. Bemerkungen
Poseidonios, Frg. 185-187, in: Posidonius. I. The Fragments, ed. zum erkenntnistheoretischen Exkurs des VII. Br. (1989). -
L. Edelstein, I.G. Kidd (Cambridge 1972). - 46SVF II 88 Platon, Nomoi X, 895dl-896a4. - 89Ps.-Platon, Definitiones
83.826.839. - 47SVF III 4.198.316f. 325.339.445.500f.519.560; I 414d2f.; H . G . Ingenkamp: Unters, zu den pseudoplatonischen
202; III 459. - 48 Poseidonios [45] Frg. 284. - 49 Cicero, D e officiis Definitionen (1967) 80f. - 90Arist. Poet. 20, 1457a23-30; D e
I 16,50; De natura deorum II 7,18; D e legibus I 10,30; D e re interpretatione 4, 16b26-33. - 91 Arist. Rhet. III 2,1404b26f. -
publica III 1,1-2,3. - 50 J. Dillon: The Middle Platonists (London 92ders., D e generatione animalium V 7, 786b21. - 93ders., D e
1977) 46.95.128.136f.252.285; vgl. H. J. Krämer: Piatonismus und interpretatione 4,17a2-7; Kategorien 4,2a5-10; Met. E 4; Θ 10;
hellenistische Philos. (1971) 108f.115f.121. - 51Plutarch, D e vgl. Poet. 19,1456b 8-13. - 94ders., Anal. post. 110, 76b24-27;
Iside et Osiride 373-381; Dillon [50] 200-202. - 52 L. Cohn: Zur Kategorien 6,4b34; vgl. Met. Γ 5,1009al9f.; Rhet. 113,1374bl2f.
Lehre vom L. bei Philo, in: Judaica. FS H. Cohen (1912) 303-331;
É. Bréhier: Les idées philos, et religieuses de Philon d'Alexan- - 95 H. Bonitz: Index Aristotelicus (1870; N D Graz 1955)
drie (Paris 3 1950); K. Bormann: Die Ideen- und L.-Lehre Philons 433b51-434al3; 434bl3-53. - 96Diogenes Laertios VII 55-57 =
(1955); M. Mühl: Der λόγος ένδιάθετος und προφορικός von der S V F III Diog. 20; vgl. SVF I 148; II 894, III Diog. 29; Ax [72]
älteren Stoa bis zur Synode von Sirmium 351, in: A B G 7 (1959) 151.190-200. - 97SVF II 122; Ax [72] 154f. - 98 SVF II 186-
7-56, hier 17-24; H.J. Krämer: Der Ursprung der Geistmet. 188.193; vgl. Protagoras, Test. A 1 , in: VS II, 254; Alkidamas, Frg.
(Amsterdam 1964) 266-281; B.L. Mack: L. und Sophia (1967); 8.9, in: Radermacher 133; Dion.Hal.Comp.8,2. - 99 SVF II
G.D. Farandos: Kosmos und L. nach Philon von Alexandrien 135.223; Mühl [52] 7-16.-100 Gramm.Graec. 11,22. - 1 0 1 ebd. II
(1976); Dillon [50] 154.158-166; D. Winston: L. and Mystical 3,30,11-21; 13,57.114.214.353.355.513f. - 102ebd. 13,114,35 ff. -
Theol. in Philo of Alexandria (Cincinnati 1985). - 53Philon, 103ebd. I 3, 213,6-214,2; 353,29-355,15; 514,18-30; vgl. Theon
Legum allegoriae I 65; De specialibus legibus I 81; Quis rerum von Smyrna, ed. E. Hiller (1878) 72f. - 104Gramm.Lat. 1553,8. -
divinarum heres sit 199. - 54ders., D e agricultura 51; D e confu- 105ebd. I 152,10-12; 533,2f. - 106ebd. I 300,17-24; II 53,27f.;
sione linguarum 63.146; De fuga 109; De somniis I 215; Quod 108,23; IV 487,23; V 96,19; VI 5,2f.; 192,2f.; VII 324,8-11; 389,8f.;
deus sit immutabilis 31. - 55ders., Leg. alleg. II 86; somn. I VIII 143,1; 161,8-11. - 107Anax. Rhet. 25, 1435a35-bl6; Arist.
65.229f. - 56ders., fug. 108ff.l37; Leg. alleg. I 65; somn. I 69; II Poet. 20, 1456b20f.; Simplikios, In Aristotelis Categorías com-
mentarium, ed. C. Kalbfleisch (1907) 10,24. - 108SVF II 147f.;

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III Diog. 21 f. - 109Dion.Hal.Comp. 2,lf.; Quint. 1,4,18-20; II, 3 7 6 e l l - 3 7 7 a 6 . - 154 Isocr. Or. XII,1 f.; F. Pfister: Isokrates
G r a m m . L a t . II 54,5-55,3; IV 428,8-31; V 34,12-24; 134,4-136,35. und die spätere Gliederung der narratio, in: H e r m e s 68 (1933)
- 1 1 0 G r a m m . G r a e c . I 1, 23; I 3, 214.355f.; II 3, 30-37; 457^160. - 155 K. Barwick: D i e Gliederung der narratio in der
G r a m m . L a t . I 152,14f.; 533,3f.; 300,26-301,2; II 53,28-54,4; rhet. T h e o r i e und ihre Bed. f ü r die Gesch. des antiken Romans,
108,23-109,3; IV 51,18f.; 355,2f.; 372,25-30; 405,10-406,20; in: H e r m e s 63 (1928) 261-287. - 1 5 6 Plat. Phaidr. 275d4-278e3. -
487,23-489,19; 534,15-22; V 10,6-13; 96,19-21; 338,4-9; 549,19f.; 157 Alkidamas, Frg. 15,27, in: R a d e r m a c h e r 140. - 158Pindar,
VII 215,9-11; VII 389,9-11; VIII 39,1 f.; 62,1-63,31; 190,24-191,4; Pythien 10,54; Frg. 194,2f. Snell. - 1 5 9 Piaton, Parmenides 127d7;
199,21 f.; L. Jeep: Z u r Gesch. der Lehre von den Redetheilen bei Philebos 18e4, 19b7; Aristoteles, D e partibus animalium
den lat. G r a m m a t i k e r n (1893) 122-124. - 1 1 1 Cicero, D e finibus I 5,682a3; D e generatione et corruptione 13,18a4 u.ö.; Bonitz [95]
7,22. - 1 1 2 Xenokrates, Frg. 1, in: R. Heinze: X e n o k r a t e s (1892, 433b30-40. - 160 H e r o d o t I 184; II 161; IV 16; V 36,4 u.ö.; A.
N D 1965) 159; S V F I 45f.; II 37.41.48f.99. - 1 1 3 S V F II Bauer: Die Entstehung des Herodotischen Geschichtswerkes.
37.105.841. - 114vgl. Arist., Anal. post. I 22, 84a7f.; Rhet. I 1, Eine krit. Unters. (Wien 1878); F. Jacoby: A r t . <Herodotos>, in:
1355al3. - l l S z . B . H e r o d o t II 22; Thukydides II 40. - 116vgl. R E Suppl. II (1913) 205-520, bes. 281-347. - 1 6 1 Anax. Rhet. 1,
Bonitz [95] 435a21-26.26-31.31-45. - 117Arist. T o p . I 18, 1421b7f.; vgl. Arist. E N X 9, 1181a4f. - 162Arist. Rhet. I 3,
108b7f., Met. M 4,1078b28. - 118vgl. Piaton, Kratylos 412a5f.; 1358a36-b8. - 1 6 3 Plat. Phaidr. 264a4-c6. - 1 6 4 Arist. Rhet. III 13;
Theaitetos 186d3. - 119SVF1279; II 235.238.249f.287; III Crinis vgl. Plat. Phaidr. 266d7-267a5. - 1 6 5 Arist. Rhet. III 14,1415al2;
5. - 120Plat. Gorg. 448d9; 449a5; c9; 450b8; 453al; Politikos 19,1420b7. - 1 6 6 ebd. 12,1356al-20; vgl. Minukianos, D e epichi-
304d3; Phaidr. 260cl0; 266d4, 269c7; Alkidamas, Frg. 15,lf., in: rematis 1, in: Rhet.Graec.Sp.-H. I, 340. - 167 Arist. Rhet. III 2,
R a d e r m a c h e r 135; Isocr. Or. 111,8. - 1 2 1 Gorgias, Frg. Β 11,13, in: 1404b2f. - 168ebd. II 20,1393a30f.; 1393b8-1394a8. - 169 ebd.
VS II, 292; Prodikos A 20, ebd. 312; Kritias A 4, ebd. 373; Dissoi III 6, 1407b26-31. - 170ebd. III 3, 1406a35f. - 171ebd. III 9,
logoi 8,1, ebd. 415; A n o n . Iamblichi 2,7, ebd. 401; Alkidamas Frg. 1409b24f. - 1 7 2 Gorgias, Frg. Β 11,9, in: VS II, 290. - 1 7 3 Plat. Pol.
15,15, in: R a d e r m a c h e r 137; Plat. Gorg. 449d9-el, 450b3-5!; III, 398dl-10; N o m o i II, 669d5-e4; Arist. Poet. 1,1447a22.29; 5,
Phaidon 90b7; Phaidr. 266c3; d6; Isocr. Or. XIII,19; Arist, Rhet. I 1449bl0.25. - 174Plat. Pol. III, 392c; Apologie 17c7-18a6. -
1,1354al2. - 1 2 2 Protagoras, Frg. Β 6b, in: VS II, 266; A 10, ebd. 175 Arist. Poet. 4,1449al7. - 1 7 6 ebd. 17,1455a34; b l 7 ; vgl. Poe-
257. - 123ders., Frg. Β 1.3.5.6a, in: VS II, 263-266. - 124 Dissoi tae Comici Graeci, ed. R. Kassel, C. Austin, Bd. V i l i : Adespota
logoi, in: VS II, 405-416. - 1 2 5 Aristophanes, Wolken 889-1112; (1995), Frg. 51 (613); Plotin, E n n e a d e n III 2,16; Hesychios Λ
Epicharm, Frg. 87-89, in: Comicorum G r a e c o r u m Fragmenta, 1216. - 177 Κ. Nickau: Epeisodion und Episode, in: Museum
ed. G. Kaibel, Bd. 1,1 (1899, N D 1958). - 126Ps.-Arist. [72] Helveticum 23 (1966) 155-171, hier 169; 160, A n m . 23; 163; E.-R.
980al9-bl9; Gorgias, Frg. Β11,8-14, in: VS II, 290-293; vgl. Plat. Schwinge: Homerische E p e n und Erzählforschung, in: J. Latacz
Phaidr. 267a6-b2; C.P. Segal: Gorgias and the Psychology of the (Hg.), Zweihundert Jahre Homer-Forschung. Rückblick und
L., in: Harvard Stud, in Classical Philol. 66 (1962) 99-155; W.J. Ausblick (1991) 482-512, hier 482f. - 1 7 8 vgl. T h L L VII, 1612f. -
Verdenius: Gorgias' Doctrine of Deception, in: G . B . Kerferd 179Nonius, ed. W.M. Lindsay (1903) 63,15-18. - 180Hermago-
(Hg.): T h e Sophists and their Legacy (1981) 116-128; Kraus [13] ras Frg. 12.13b.c; Hermog. Stat. 2,12f„ 37,20-39,21; Quint.
171-184. - 127Demokrit, Frg. Β 51.181, in: VS II, 156.181. - 111,6,86.89. - 1 8 1 T h e o n [141] 97,12-98,29 = Patillon 19-21; Her-
128Nikolaos, Progymnasmata, ed. J. Feiten (Rhet. Graec. XI) mog. Prog. 3,6,7-10; Aphthonios, Progymnasmata, ed. H. R a b e
(1913) 22,12-14; vgl. Rhet.Graec.W. I, 143,15f.; II, 19,6f.; (Rhet. Graec. X) (1926) 4,2-5; Nikolaos [128] 20,7-12. -
587,26-28; R.F. Hock, E.N. O'Neil: T h e Chreia in Ancient 182 A p h t h o n i o s [181] 1,11-13. - 1 8 3 M e n a n d e r 3 6 8 ^ 4 6 ; Volk-
Rhet., vol. I: T h e Progymnasmata (Atlanta 1986) 301. - 129 m a n n 336-361; H. Hunger: D i e hochsprachliche p r o f a n e Lit. der
Isocr. Or. 111,5-9; XV,253-257; vgl. X e n o p h o n , Memorabilien Byzantiner, Bd. 1 (1978) 88f.; vgl. Ps.-Dion.Hal., A r s rhet. 1,1-7,
IV 3,10; H . K . Schulte: Orator. Unters, über das ciceronianische in: Opuscula, ed. H. Usener, L. Radermacher, Bd. 2 (1904) 2 5 5 -
Bildungsideal (1935) 16-21; Κ. Barwick, D a s rednerische Bil- 292. - 1 8 4 Rhet.Graec.W. III 570-587; 588-609, bes. 588-590.
dungsideal Ciceros (1963) 22f. - 1 3 0 Cie. D e or. I 8,30-34; Inv. I
4,5; D e legibus 124,62; D e natura d e o r u m II 59,148; Schulte [129]
9-14. - 1 3 1 Isocr. Or. XV,167-234; Schulte [129] 21-23. - 1 3 2 Pin- II. Frühes Christentum, Gnosis, Patristik. In d e r grie-
dar, Pythien 1,94; N e m e e n 6,30; Piaton, Hippias minor 368dl; c h i s c h e n Ü b e r s e t z u n g d e s Alten Testaments (SEPTUA-
Pol. III, 390alf.; N o m o i VII, 816a3f.; VIII, 835a8; Isocr. Or. GINTA) d i e n t <L.> n e b e n <rhéma> zur W i e d e r g a b e d e s
IX,8-11; XV,45 f.; Arist. Rhet. II 11,1388b21f.; III 1,1404a28.32; h e b r ä i s c h e n <däbär>, d a s d a s W o r t i m S i n n e d e r appellati-
2, 1404bl4.33; 1405a5.7; 3, 1406al2; Poet. 6, 1450bl5; 22,
v e n A n r e d e , i n s b e s o n d e r e als M a c h t w o r t , O f f e n b a r u n g
1459al3; Ps.-Demetr. Eloc. 41f.; Dion.Hal.Comp.4,1 u.ö.; Dio-
genes Laertios V,85. - 1 3 3 H e r o d o t z.B. V I 137. - 134Heraklit u n d G e b o t G o t t e s v.a. i m S c h ö p f u n g s a k t , i m G e s e t z u n d
[18]; Protagoras [123]; Bonitz [95] 433b40-47. - 135 Arist. Poet. i m M u n d e d e r P r o p h e t e n m e i n t . D a d u r c h v e r ä n d e r t sich
I , 1 4 4 7 b l 1. - 1 3 6 Aischines, Orationes 111,57; Plat. Phaidr. 278cl. das B e d e u t u n g s f e l d v o n L. u n d n i m m t n e u e G e h a l t e in
- 137Hesiod, Erga 106; Stesichoros, Frg. 192, in: P o e t a r u m Meli- sich auf: zur a u t o n o m e n T ä t i g k e i t d e s m e n s c h l i c h e n
corum G r a e c o r u m Fragmenta, Bd. 1, ed. M. Davies ( O x f o r d I n t e l l e k t s tritt d i e h e t e r o n o m e B e s t i m m u n g d u r c h das
1991) 177; Pindar, Olympien 7,21 ; Aristophanes, Frösche 1052. - a u t o r i t a t i v e W o r t G o t t e s . [1]
1 3 8 H e r o d o t II 62. - 139Choirilos von Samos, Frg. 316, in: Suppl. I m Neuen Testament b e z e i c h n e t <L>. n e b e n s e i n e n
Hellenisticum, ed. H. Lloyd-Jones, P. Parsons (1983) 147. - g e l ä u f i g e n B e d e u t u n g e n a u ß e r d e m v.a. G o t t e s W o r t in
140 G.-J. van Dijk: AIVOL, λόγοι, μϋθοι. Fables in Archaic, Classi-
d e r Schrift ( d e m A l t e n T e s t a m e n t ) , d i e W o r t e J e s u o d e r
cal, and Hellenistic G r e e k Lit. (Leiden 1997) 82-84. - 1 4 1 T h e o n ,
Progymnasmata, in: Rhet.Graec.Sp. II, 72,30; 75,19-27 = ed. M. d i e B o t s c h a f t , das K e r y g m a o d e r E v a n g e l i u m der f r ü h e n
Patillon (Paris 1997) 31.34f.; vgl. Rhet.Graec.W. 1,259,25; H e r - K i r c h e [2], l e t z t e r e s i n s b e s o n d e r e b e i Paulus. [3]
mog. Prog. 1 , 4 , l f . - 142z.B. Sophokles, Trachinierinnen 1; Pla- V o n u n a b s e h b a r e r B e d e u t u n g für d i e w e i t e r e E n t -
ton, Symposion 195b5; Phaidr. 240cl; N o m o i VI, 757a5. - 1 4 3 F. w i c k l u n g d e s L o g o s b e g r i f f s ist j e d o c h d e s s e n s p e z i e l l e
Creuzer: Die hist. Kunst der Griechen in ihrer Entstehung und V e r w e n d u n g i m j o h a n n e i s c h e n Schrifttum, i n s b e s o n -
Fortbildung ( 2 1845); vgl. Thukydides I 21. - 144Arist. R h e t . II d e r e i m P r o l o g d e s J o h a n n e s e v a n g e l i u m s u n d i m 1.
II,1388b21f.; Dion.Hal.Comp. 16,1; E . Bux: Art. <Logographen J o h a n n e s b r i e f g e w o r d e n . D o r t ist d i e R e d e v o m präexi-
1>, in: R E X I I I 1 (1926) 1021-1027. - 145K. Kunst: A r t . <Logo-
s t e n t e n g ö t t l i c h e n L., s e i n e r B e t e i l i g u n g an d e r S c h ö p -
graphen 2>, in: R E XIII 1 (1926) 1027-1033. - 146Hypereides,
Orationes V,3; Deinarchos, Orationes 1,111; Aischines, Oratio- f u n g , s e i n e r V e r a n t w o r t l i c h k e i t für L e b e n u n d Licht,
nes 11,180; 111,173; Demosthenes, Orationes XIX, 246; Plat. s e i n e r I n k a r n a t i o n in J e s u s Christus u n d s e i n e r s o t e r i o -
Phaidr. 257c6. - 1 4 7 H e r o d o t II 143; V 36.125; Isocr. Or. V,109; l o g i s c h e n P e r s p e k t i v e . [4] D i e s e h o c h s p e k u l a t i v e L o g o s -
XI,37. - 148 H e r o d o t II 134; Plat. Pol. III, 392al3. - 149 Piaton, t h e o l o g i e , in d e r d e r L. als S c h ö p f e r , als W o r t , S o h n u n d
E u t h y d e m o s 289d2-7. - 1 5 0 Demosthenes, Orationes XXIV,15; z w e i t e P e r s o n G o t t e s , als T r ä g e r d e r O f f e n b a r u n g , Mitt-
Theophrast, C h a r a k t e r e 8,1. - 151 Gorgias, Frg. Β 11,13, in: VS ler z w i s c h e n G o t t u n d W e l t u n d E r l ö s e r erscheint, ist
II, 292. - 152Nausiphanes, Frg. Β 2, in: VS II, 249. - 1 5 3 Plat. Pol.
nicht v o r a u s s e t z u n g s l o s : mittelplatonisch-philonische

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Logosphilosophie, frühjüdische Weisheitsspekulation rung des L. aus dem Vater, wofür er wiederum auch die
oder die ältere Gnosis kommen als Quellen in Frage. [5] Begrifflichkeit von ratio und sermo gebraucht. [16]
Selbst eine mittelbare Fernwirkung Heraklits wird dis- Stark mittelplatonisch und stoisch beeinflußt ist die L.-
kutiert. [6] Lehre des C L E M E N S VON A L E X A N D R E I A (ca. 150-vor 215).
Im System der christlich-häretischen Gnosis v. a. Für Clemens besitzt der vor aller Zeit hervorgebrachte L.
Valentinianischer Observanz nimmt der L. eine wichtige alle Eigenschaften Gottes, ist eins mit ihm, aber vom
Position ein als einer der höchsten aus dem Urwesen Vater abgeleitet und diesem unterstellt. Der in Christus
(Bythos) hervorgegangenen «Äonen» (Mächte) im tran- fleischgewordene L. hingegen ist der Offenbarer der
szendenten «Pleroma» (Seinsfülle), der zusammen mit göttlichen Wahrheit. Clemens scheint von zwei L. auszu-
«Zoe» (Leben) eine «Syzygie» (Gespann, Paar) bildet, gehen und den menschlichen Intellekt Jesu mit dem L.
die weitere Äonen aus sich entläßt. [7] gleichzusetzen. [17]
Solche L.-Spekulation findet sich wieder in hochgno- Sein Schüler O R Í G E N E S (ca. 195-254) denkt den L. als
stischen Schriften des 2. Jh. wie dem <Evangelium Verita- Weisheit Gottes, zweiten Gott und eigene Hypostase,
tis>, den <Oden Salomons> oder dem koptischen dem Vater als sein Abbild subordinatianistisch nachge-
<Authentikós Lógos>. [8] Selbst in heidnische gnostische ordnet, meidet aber bewußt die Unterscheidung von
Texte wie die hermetische Kosmogonie des <Poiman- immanentem und ausgesprochenem L. Alles ist durch
dres> sind logostheologische Elemente (der lichthafte L. den L. geschaffen. Dieser verbindet sich mit dem einzi-
aus dem Geist als Sohn Gottes) eingedrungen. [9] gen nicht von der ursprünglichen Gottesschau abgefalle-
Im Anschluß an den neutestamentlichen Sprachge- nen der geschaffenen Geister (nóes), der in Christus
brauch hat <L.> auch in der Literatur der Kirchenväter inkarniert wird, um die übrigen Geister zu Gott zurück-
spezifisch christliche Sonderbedeutungen ausgebildet; zuführen. Diese logosmystische Konzeption wirkt nach
u.a. bedeutet es dort: Schriftstelle, Heilige Schrift, Evan- u . a . b e i E u AGRIOS PONTIKOS, GREGORIOS VON N Y S S A , P s . -
gelium, Gebot des Dekalogs, christlicher Glaube, Pre- DIONYSIOS AREOPAGITES u n d M A X I M U S CONFESSOR. [ 1 8 ]
digt, Gebet, Danksagung, Gelöbnis und insbesondere die Als Apologet setzt Orígenes sich mit dem Platoniker
zweite Person der Trinität. [10] KELSOS auseinander. Dieser hatte in seinem <Wahren L.>
<L.> wird in der Epoche der Patristik zum wohl meist- (Alëthes Lògos, um 178 n.Chr.) den Christen vorgewor-
diskutierten Schlagwort. Als ewige Weisheit, in der Gott fen, einem falschen L. zu folgen, was ihre moralische
sich selbst denkt, als Urbild, Ordnung und Strukturge- Depravation nach sich gezogen habe. [19]
setz der Schöpfung, als Mittler zwischen Gott und Welt, Die Lehre des P A U L U S VON SAMOSATA, wonach der L.
als Richtmaß menschlichen Handelns und vor allem in auf den vollständig menschlichen Jesus nur inspirierend
der immer mehr zum Prüfstein werdenden Christologie eingewirkt habe, in Wahrheit aber im Himmel verblie-
ist der L. allgegenwärtig. ben sei, wird 268 n.Chr. als häretisch verurteilt. In ähnli-
Schon die frühen Apologeten des 2. Jh. entwickeln chen Häresieverdacht gerät auch Orígenes. [20] In die
eine ausgeprägte L.-Lehre. Charakteristisch für J U S T I - gegenteilige Richtung zielt die Lehre des A R I U S , derzu-
N U S MARTYR ist dabei seine spezifische Verwendung des folge Christus gar keine Seele gehabt habe, vielmehr der
Begriffes <lógos spermatikós> im Sinne des die gesamte, L. bei ihm diese Stelle eingenommen, sich mit dem
auch die heidnische Menschheitsgeschichte von Anfang Fleisch (σάρξ, sárx) verbunden und gelitten habe. Diese
an durchwaltenden und inspirierenden, mit Jesus Chri- Lehre wird, weil durch die Behauptung der Leidensfä-
stus identischen göttlichen L., womit Justin seinen Rück- higkeit des L. dessen Wesenseinheit mit dem Vater auf-
griff auf die griechische Philosophie (v.a. Piatonismus gelöst wird, v.a. von A T H A N A S I O S heftig bekämpft und
und Stoa) rechtfertigt. [11] schließlich auf dem Konzil von Nicaea (325) verworfen.
Der L. ist für Justin ein zweiter Gott, der dem Vater Dennoch wirkt das als L.-Sarx-Christologie bekannte
untergeordnet, aber nicht von ihm getrennt ist und das Denkschema weiter ( E U S E B I O S VON C A E S A R E A , A P O L L I -
ewige Denken des Vaters repräsentiert. Er, nicht der NARIS VON LAODIKEIA u.a.). [21] Wenig später (351) ver-
Vater, ist den biblischen Erzvätern erschienen; er ist voll fällt auch die in Häresieverdacht geratene Anwendung
und ganz menschgeworden in Jesus von Nazareth. [12] der endiáthetos-prophorikós-Dichotomie auf den göttli-
Ähnliche Vorstellungen vertreten auch TATIANOS DER chen L. dem Anathema. [22]
SYRER, ATHENAGORAS u n d THEOPHILOS VON ANTIOCHEIA. Die Frage nach dem Verhältnis der beiden Naturen in
Auch für sie ist der L. erstgeborener Sohn des Vaters, Jesus von Nazareth und nach der Leidensfähigkeit des
jedoch als von Anbeginn zeitlos Ungewordener, wobei Erlösers wird nun zum bestimmenden Thema der Chri-
sie wie Justin dieses Verhältnis zum Vater auch durch das stologie. Im Gefolge des Orígenes betonen auch die Kap-
Begriffspaar von lògos endiáthetos und prophorikós padokier GREGORIOS VON N A Z I A N Z und GREGORIOS VON
beschreiben. [13] Von Christus als L. des Vaters spricht N Y S S A die Wichtigkeit einer leidensfähigen menschli-
im 1. Jh. auch bereits IGNATIOS VON ANTIOCHEIA. [14] chen Seele Christi und beschreiben die Verbindung der
Aus der Auseinandersetzung mit der Gnosis und beiden Naturen als Mischung (κράσις, krásis). [23] Bei
anderen Häresien wie dem Monarchianismus erwachsen Gregorios von Nyssa ist daneben auch die Rede von den
die L.-Theorien von IRENAEUS VON L Y O N und HIPPOLYTOS «weisen und kunstfertigen L.», mit denen Gott die
VON ROM (2./3. Jh.). Beide betonen gegen gnostische Schöpfung durchdringt. [24]
Vorstellungen von einem inferioren L. die vollkommene Das 4.-5. Jh. ist beherrscht von der Auseinanderset-
Einheit von L.-Sohn und Vater, weisen entsprechend das zung der theologischen Schulen von Antiocheia und
endiáthetos-prophorikós-Modell zurück. Während je- Alexandreia. Die Antiochener ( E U S T A T H I O S VON A N T I O -
doch Irenaeus eine ewige Zeugung des L. vertritt, nimmt CHEIA, DIODOROS VON T A R S O S , THEODOROS VON M O P S U E -
Hippolytos dessen Auftreten erst unmittelbar vor der STIA, THEODORETOS VON KYROS, IBAS VON E D E S S A )vertre-
Schöpfung an. Für Irenaeus ist der L. das Wissen, für ten eine ausgeprägt dualistische Christologie: Leidensfä-
Hippolytos Kraft und Wille des Vaters. [15] higkeit des Menschen Jesus mit Leib und Seele bei völli-
Dagegen vertritt TERTULLIANUS wieder dezidiert die ger Unverletzlichkeit des L. ist ihr Dogma. [25] Eine
Vorstellung einer Hervorbringung bzw. Ausdifferenzie- besondere Rolle spielt NESTORIOS (ca. 381^451), der L.

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und Menschennatur so sehr trennt, daß <Sohn> und < Chri- PHANIOS (über P A U L U S VON SAMOSATA). [33] Mit dem Mit-
stus) nur noch gemeinsame Namen für beide sind und telbegriff der gedachten Lautform aber geht Augustinus
Maria nicht mehr Gottesmutter heißen kann. [26] über die Dichotomien antiker Sprachphilosophie (Ari-
Gegen Nestorios verficht besonders KYRILLOS VON stoteles, Stoa) in originaler Weise hinaus.
A L E X A N D R E I A die Einheit von L. und Menschheit in einer Daß wahre Belehrung nur von Gott her durch den
Natur (mía physis): der L. vereinige eine vollständige einen Lehrer Christus als L. möglich sei, steht schon am
menschliche Person (mit Leib und Seele) wesenhaft Schluß von Augustins pädagogischer und zeichentheore-
(kath' hypóstasin) mit sich. Er wird so zum Grund für die tischer Frühschrift <De magistro>. [34]
Identität des leidenden Wesens, ohne selbst zu leiden. Im Zusammenhang mit der Interpretation der Schöp-
Zwar wird auf Betreiben Kyrills der Nestorianismus auf fungsgeschichte begegnen bei Augustinus an anderer
dem Konzil von Ephesus (431) verworfen, doch zeigt sich Stelle unter dem Namen der rationes seminales auch die
Kyrill selbst kompromißbereit. Seine Anhänger jedoch, stoischen lógoi spermatikoí wieder. [35]
besonders EUTYCHES, radikalisieren seine Lehre im Von «Paradeigmata» und «in Gott geeint präexistie-
Sinne einer aus L. und Menschheit Christi sich bildenden renden wesenbildenden L. der Dinge», die das Seiende
einheitlichen «dritten Natur», was zum nun wiederum bestimmen und schaffen, spricht dagegen, ganz im Geiste
von den Antiochenern bekämpften Monophysitismus des Mittel- und Neuplatonismus, um 500 n.Chr. Ps.-Dio-
führt. [27] NYSIOS AREOPAGITES. [36] Im L. erblickt dieser ferner «die
Nach teils tumultuarischen Auseinandersetzungen einfache und wirkliche Wahrheit, auf die sich die göttli-
wird der Streit schließlich auf dem Konzil von Chalkedon che Überzeugungskraft bezieht.» [37]
(451) im Sinne der «Hypostatischen Union» - zwei Natu- M A X I M U S CONFESSOR (ca. 580-662), der das Werk des
ren (physeis) in einem Wesen (hypostasis) - entschieden. Ps.-Dionysios in Interpretation und Kommentar dem
In der Folgezeit wird die chalkedonensische Kompro- Mittelalter nahebringt, ist ferner auch als Vermittler
mißformel zunächst von monophysitischen Theologen logosmystischer Gedanken aus Orígenes, Gregorios von
(SEVEROS VON ANTIOCHEIA, PHILOXENOS VON MABBUG, Nyssa und Euagrios Pontikos wichtig. [38]
5./6. Jh.) einseitig in kyrillischem Sinne ausgelegt, ehe im
6 . J h . LEONTIOS VON B Y Z A N Z u n d LEONTIOS VON JERUSA- Anmerkungen:
LEM im Sinne Chalkedons ein neues Schema entwerfen, 1A. Debrunner, H. Kleinknecht, O. Procksch, G. Kittel: Art.
wonach Christi Menschennatur in derselben Hypostase, λέγω, λόγος etc., in: G. Kittel (Hg.), Theol. Wtb. zum NT, Bd. 4
die bereits den L. personifiziert, Gestalt gewinne (Enhy- (1942) 69-140, hier Procksch: C. «Wort Gottes» im AT, 89-100;
G.C. Stead: Art. <L.>, in: TRE 21 (1991) 432-444, hier 435f. -
postasie). [28] Im 7. Jh. erneut aufflammenden Varianten
2Debrunner u.a. [1], hier Kittel: D. «Wort» und «Reden» im
des Monophysitismus, welche die Einheit der Wirkkraft NT, 100-140, bes. 100-126; W. Bauer, K. u. B. Aland: Griech.-dt.
(Monenergismus) oder des Willens Christi (Monothele- Wtb. zu den Sehr, des NT und der frühchristlichen Lit. ( 6 1988)
tismus) betonen (SERGIUS VON KONSTANTINOPEL), tritt 968-972; Stead [1] 438f. - 3z.B. 1 Kor 1,18-2,5; 2 Kor 5,19; Phil
neben SOPHRONIOS VON JERUSALEM v.a. M A X I M U S C O N - 2,16; E. Fuchs: Art. <L.>, in: RGG 3 4 (1986) 434-440, hier 437f. -
FESSOR entgegen, dessen neuchalkedonensische Lehre 4Joh 1,1-18; 1 Joh 1,1-7.10 u.ö.; Offb 19,23; Kittel [2] 126-140;
auch von J O H A N N E S VON D A M A S K U S aufgenommen und Fuchs [3] 439f.; M. Theobald: Art. <L. II. Biblisch-theol.>, in:
LThK 3 6 (1997) 1027-1029. - 5 R. Bultmann: Der religionsgesch.
an das byzantinische und abendländische Mittelalter
Hintergrund des Prologs zum Johannesevangelium, in: Euchari-
weitergegeben wird. [29] sterion. FS H. Gunkel, Bd. 2 (1923) 1-23, wieder in: ders., Exege-
Im lateinischen Westen werden ähnlich subtile theolo- tica (1967) 10-35; C.H. Dodd: The Interpretation of the Fourth
gische Spekulationen durch die problematische sprachli- Gospel (Cambridge 1953, 6 1963); J. Jeremias: Zum L.-Problem,
che Wiedergabe des Logosbegriffs behindert. in: Zs. für Neutestamentliche Wiss. 59 (1968) 82-85; R. Schnak-
Bedauert schon Anfang des 4 . Jh. LACTANTIUS die kenburg: Das Johannesevangelium, T. 1 ( 6 1986), T. 2 ( 5 1990); P.
mangelnde Präzision von lateinisch verbum oder sermo Hofrichter: Im Anfang war der <Johannesprolog>. Das urchrist-
liche Logosbekenntnis - die Basis neutestamentlicher und gno-
gegenüber dem griechischen <L.>, da L. als Wort und
stischer Theol. (1986); H. Weder: Der Mythos vom L., in: Ev.
Weisheit Gottes sowohl Rede wie Vernunft umfasse [30], Kommentare 20 (1987) 627-631; M. Theobald: Die Fleischwer-
so schwankt auch A U G U S T I N U S im Hinblick auf den L. des dung des L. Stud, zum Verhältnis des Johannesprologs zum
Johannesevangeliums zunächst zwischen ratio und ver- Corp. des 4. Evangeliums und zum 1. Johannesbr. (1988). - 6 E .
bum. [31] Erst durch die Entscheidung für das den Äuße- Fascher: Vom L. des Heraklit und dem L. des Johannes, in:
rungscharakter klarer betonende verbum wird der Frage und Antwort (1968) 117-133; B. Jendorff: Der Logosbe-
Logosbegriff auch für Augustins nicht vom Satz, sondern griff: Seine philos. Grundlegung bei Heraklit von Ephesos und
seine theol. Indienstnahme durch Johannes den Evangelisten
vom Wort und dessen Zeichenfunktion dominierte
(1976). - 7Irenaeus, Adv. haereses I l,lf.; 2,6; 4,1; 8,5f„ in: MG
Sprachphilosophie fruchtbar. Im engen Konnex mit trini- 7, 445-449.464f.480f.532-537; Hippolytos, Refutatio omnium
tätstheologischen Entfaltungen entwirft Augustinus sein haeresium IV 51,9; VI 20,4; 29,7; 30,1-5, ed. M. Marcovich
Konzept eines dreifachen Wortes: 1. des äußeren, klin- (1986) 138.228.238f.; Clemens von Alexandreia, Excerpta ex
genden Wortes in seiner Lautgestalt (sonus, vox, verbum Theodoto 1 f.6.21.25, in: MG 9, 653.657.668.672; vgl. Reg. in: W.
prolativum, verbum quod foris sortat), 2. der gedankli- Foerster (Hg.): Die Gnosis, Bd. 2 (1971) 442; H. Jonas: Gnosis
chen Vorstellung dieser Lautgestalt (cogitatio soni bzw. und spätantiker Geist, I: Die mythologische Gnosis (1934, 2 1954,
3
1964), bes. 94-140: Der L. der Gnosis; H.J. Krämer: Der
vocis, verbum cogitativum), schließlich 3. des wahren,
Ursprung der Geistmet. (Amsterdam 1964) 223-264, bes. 238-
inneren Wortes im Herzen, das aller Lautgestalt und 241; H. Stratwolf: Gnosis als System (1993). -8Evangelium veri-
allen Einzelsprachen vorausgeht (verbum verum-, ver- tatis, ed. H.C. Puech, G. Quispel, W. Till (Zürich 1956-61) 16,34;
bum linguae nullius, quod ad nullam pertinet linguam\ 26,5; 37,8.11; Oden Salomons, ed. M. Lattke (Fribourg 1979-80),
quod intus, in corde dicimus; quod mente gerimus\ quod bes. 41,10.14f.; Authentikós Lògos 27,30-28,13, ed. D.M. Par-
manet in animo; quod intus lucei). Letzteres wird bestän- ro», in: Nag Hammadi Codices 5/6 (Leiden 1979) 257-289; P.
dig parallelisiert mit dem Wort Gottes (verbum Dei). [32] Perkins: L. Christologies in the Nag Hammadi Codices, in: Vigi-
liae Christianae 35 (1981) 379-396. - 9Poimandres 5f.8.10f.30,
Für die Vorstellung eines «Wortes im Herzen» gibt es
in: Corp. Hermeticum, ed. A.D. Nock, A.-J. Festugière, Bd. 1
immerhin Vorbilder z.B. bei THEOPHILOS VON A L E X A N - (Paris 1946) 8.9.10.17; dt.: Das Corp. Hermeticum Dt., hg. C.
DREIA, MELETIOS VON ANTIOCHEIA, BASILEIOS oder E P I -

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Logos Logos

Colpe, J. Holzhausen, T. 1 (1997) llf.l3f.21. - lOG.W.H. Die byzantinischen Grammatiker von M I C H A E L S Y N -


Lampe: A Patristic Greek Lex. (Oxford 1961) 807-811; Stead [1] Jh.) über GREGORIOS VON KORINTH ( 1 2 . Jh.),
KELLOS ( 8 . / 9 .
440. -11Justinus, Apologia II, 8.10.13; Apologia 1,46, in: MG 6, M A N U E L MOSCHOPULOS, MÁXIMOS P L A N U D E S , JOHANNES
457AB; 459B-461B; 465B-468A; 397B-399A; R. Holte: L. Sper-
XIII. GLYKYS ( 1 3 . / 1 4 . J h . ) u n d M A N U E L CHRYSOLORAS
matikos. Christianity and Ancient Philos. According to St.
Justin's Apologies, in: Studia theologica 12 (1958) 109-168; J.H. (14./15. Jh.) bis KONSTANTINOS LASKARIS ( 1 5 . Jh.) tradie-
Waszink: Bemerkungen zu Justins Lehre vom L. Spermatikos, ren v.a. in ihren Schriften zur Syntax die antiken Defini-
in: A. Stuiber, A. Hermann (Hg.): Mullus. FS Th. Klauser (1964) tionen des L. als Satz und die Lehre von den acht Rede-
380-390; L.W. Barnard: Art. <Apologetik I: Alte Kirche>, in: teilen. [2] Häufig begegnen Abgrenzungen des L. vom
TRE 3 (1978) 371^111, hier 376-378; Stead [1] 441. - 1 2 Justinus, Einzelwort (ónoma) und der definitorischen Umschrei-
Dialogue contra Iudaeos 56; 128,3f.; Apologia II, 10, in: MG 6, bung (hóros) [3], die stoische Unterscheidung von lògos
597B; 776A; 459B; L. Paul: Ueber die Logoslehre bei Justinus
Martyr, in: Jb. für prot. Theol. 12 (1886), 661-690; J.M. Pfättisch: endiáthetos und prophorikós [4] oder die Einteilung der
Der Einfluß Piatos auf die Theol. Justins des Märtyrers (1910), Satzarten bzw. Sprechakte. [5]
bes. 53-85; C. Andresen: Justin und der mittlere Piatonismus, in: Ähnliches gilt für die byzantinische Rhetorik. Auch in
Zs. für Neutestamentliche Wiss. 44 (1952-53) 157-195. - 13Ta- dieser Kunst beschreibt <L.> Materie wie Diskurs. Als «L.
tianos, Oratio ad Graecos 5, ed. M. Whittaker (Oxford 1982) 10; über den L.» definiert daher J O H A N N E S GEOMETRES im 1 0 .
M. Elze: Die Theol. Tatians (1960), 76-80; Athenagoras, Lega- Jh. die Rhetorik. [6] Die Gliederung des rhetorischen L.
tio pro Christianis 10,2; 18,2; 24,1; 30,6, ed. M. Marcovich (1990) in vier bis fünf dispositionelle Teile wird durchgängig
39f.56.78.99; L.W. Barnard: God, the L., the Spirit and the Tri-
nity in the Theol. of Athenagoras, in: Scandinavian J. of Theol. vertreten. [7] Beliebt ist der Vergleich des L. mit einem
24 (1970) 70-92; Theophilos, Ad Autolycum II 10.22, ed. M. Lebewesen aus Seele (Gedanken) und Leib (Worte) [8]
Marcovich (1995) 53f.70; M. Mühl: Der λόγος ένδιάθετος und oder mit einem harmonisch gegliederten menschlichen
προφορικός von der älteren Stoa bis zur Synode von Sirmium Körper. [9] Die Aristotelischen «Tugenden des Stils
351, in: ABG 7 (1959) 7-56, hier 25-27,44-47.49f.; Barnard [11] (léxis)> werden nun oft direkt als «Tugenden des L. (are-
378-383; Stead [1] 441. - 14Ignatios von Antiocheia, Ep. ad tai lógü)> bezeichnet. [10]
Magnesios 8,2, in: Ep. vii genuinae, ed. J.A. Fischer (91986). - Auch in den mittelalterlichen lateinischen Kommenta-
15R.D. Williams: Art. «Jesus Christus II. Alte Kirche>, in: TRE
ren zu Donat und Priscian werden die Redeteile behan-
16 (1987) 726-745, hier 729f.; Stead [1] 441 f.; Mühl [13] delt, so bereits bei REMIGIUS VON A U X E R R E ( 9 . / 1 0 . Jh.)
47^9.50-52. - 16Tertullianus, Apologeticum 21,10.17, in: und in der sogenannten GLOSULAE-Literatur ( 1 1 . / 1 2 .
CChr.SL 1 (1954) 124f.; Adv. Praxean 5,3, in: CChr.SL 2 (1954)
1163f.; Williams [15] 730; Stead [1] 442; Mühl [13] 27-32. - Jh.), mit sprachphilosophischerem Anspruch dann bei
W I L H E L M VON C O N C H E S , P E T R U S H E L I A S ( 1 2 . J h . ) , R A D U L -
17 Krämer [7] 282-284; Barnard [11] 390f.; Williams [15] 731; C.
Markschies: «Wunderliche Mär von zwei L....», in: FS L. Abra- FUS VON B E A U V A I X , J O R D A N U S VON S A C H S E N u n d R O B E R T
mowski (1993) 193-219. - 1 8 Orígenes, De principiis 12,2-4; II 6; KILWARDBY ( 1 3 . Jh.). In der «Grammatica speculativa>
IV 4,1, ed. P. Koetschau (1913) 28-33.139-147.348-351; A. d e s 1 3 . u n d 14. J h . (MARTINUS, BOETIUS u n d JOHANNES
Lieske: Die Theol. der Logosmystik bei Orígenes (1938); Mühl VON D A C I E N , SIGER VON COURTRAI, T H O M A S VON E R F U R T ,
[13] 52f.; Krämer [7] 284-292; Williams [15] 731 f.; Stead [1] 442f. M I C H A E L VON MARBAIX u.a.) schließlich werden unter
- 19Orígenes, Contra Celsum, ed. P. Koetschau (1899); Der dem Einfluß Aristotelischer Logik und Ontologie die
Alethes L. des Kelsos, hg. R. Bader (1940); C. Andresen: L. und
Nomos. Die Polemik des Kelsos wider das Christentum (1955). - <Redeteile> zu «modi significando. [11]
20 Williams [15] 732. - 21 ebd. 732-734. - 22Mühl [13] 53-56. - In «De fide orthodoxa>, dem dritten Teil seines dogma-
23 Gregorios von Nazianz, Orationes 2,23; 29,19; 30,5; 38,13; Ep. tischen Hauptwerks Πηγή γνώσεως (Pëgé gnöseös,
101,7, in: MG 35,432f.; 36,100.108f.325; 37,180; Gregorios von Quelle der Erkenntnis) unterscheidet im 8 . Jh. J O H A N N E S
Nyssa, Oratio catechetica If.; Contra Eunomium III 4; V; Adv. VON D A M A S K U S neben dem göttlichen L. im menschli-
Apollinarem 18f„ in: MG 45, 9-16.596-601.677-708.1157-1164; chen Bereich drei Ebenen: das Denken (nóesis) als Licht
Williams [15] 734. - 24 Gregorios von Nyssa, De anima et resur- und Abglanz des göttlichen L., den inneren, im Herzen
rectione, in: MG 46,25A. 29 A; Apologia in hexaemeron, in: MG
44,73A. -25Williams [15] 736f. - 26ebd. 735f. - 27ebd. 736f. - gesprochenen L. (endiáthetos) und den mit dem Munde
28ebd. 738-740. - 29ebd. 741 f. - 30Lactantius, Divinae institu- ausgesprochenen L. (prophorikós) als Boten des Gedan-
tiones IV 9,1-3, in: CSEL 19,300f. - 3 1 A . Schindler: Wort und kens. Dieses Schema ist zwar von demjenigen des Augu-
Analogie in Augustine Trinitätslehre (1965) 115-118. - 32 Augu- stinus leicht verschieden, hat jedoch durch die lateinische
stinus, De Trinitate XV, 10,17-15,25, in: CChr.SL 50A (1968) Übersetzung des B U R G U N D I O VON P I S A ( 1 2 . Jh.) größte
483-500; W. Beierwaltes: Zu Augustine Met. der Sprache, in: Wirkung auf die Scholastik. [12]
Augustinian Studies 2 (1971) 179-195; H. Arens: «Verbum cor- J O H A N N E S SCOTUS E R I U G E N A (um 8 1 0 - 8 7 7 ) greift als
dis». Zur Sprachphilos. des MA, in: Historiographie linguistica 7
(1980) 13-27, hier 13-19; D. Pintaric: Sprache und Trinität Übersetzer des Ps.-Dionysios Areopagites auf dessen
(1983); G. Watson: St. Augustine and the Inner Word, in: The neuplatonisches System zurück. Auch für ihn fungiert
Irish Theol. Quart. 5 (1988) 81-92. - 33Theophilos [13] II 10.22; der L. als Brücke zwischen dem Einen und Vielen in der
Meletios, De natura hominis, in: MG 64,1105C-D; Basileios, in: Entfaltung der Welt vom unbestimmbaren Einen (Gott)
MG 31, 477f.; Epiphanios, Panarion omnium haeresium II 2, über das göttliche Wort (L.) zu den Erstbestimmungen
65,3, in: MG 42,16A; Arens [32] 19. - 34 Augustinus, De magi- (causae primordiales) wie Wesen oder Wahrheit, zu den
stro 14,45f., in: CChr.SL29 (1970) 202f. -35ders., De Genesi ad Ideen und zur sichtbaren Welt; er ist auch das Prinzip,
litteram IX 17,32; X 20,35f„ in: CSEL 28,1,291.323; G. Verbeke:
Art. <Logoi spermatikoi> 4., in: HWPh 5 (1980) 487. -36Ps.-Dio- welches das Viele wieder auf das Eine und den Menschen
nysios Areopagites, De divinis nominibus V 8, in: MG 3,824C. - zu Gott zurückführt. Dadurch ist er der Erlöser der Welt.
37 ebd. VII 4,872C. - 3 8 W . Völker: Maximus Confessor als Mei- Die Ordnung des Universums zeigt die Weisheit Gottes,
ster des geistlichen Lebens (1965). die mit dem Sohn und L. identisch ist. Nicht zuletzt über-
nimmt auch Eriugena das Konzept von innerem und
III. Mittelalter. Die byzantinische Grammatik und äußerem Wort. [13]
Rhetorik setzt die Traditionen der Spätantike fort. Man Die mittelalterliche L.-Christologie ist zwar vielgestal-
findet nun die Fächer des Triviums (v.a. Grammatik und tig, jedoch von weniger zentraler Stellung als in der patri-
Rhetorik) entsprechend ihrer Zuordnung zum L. (pro- stischen Epoche; sie übernimmt dogmatisch die konzilia-
phorikós) gelegentlich als L.-Kiinste (λογικαί τέχναι, ren Entscheidungen. Nach der Abwehr des spanischen
logikaí téchnai) bezeichnet. [1] Adoptianismus noch in karolingischer Zeit und dem phi-

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losophischen, Christologie und Metaphysik verbinden- Wortes, dessen Sich-Aussprechen die sinnliche Welt ist.
den System Eriugenas werden in der scholastischen Peri- Dabei verwendet auch er den Begriff des <Gewortens>,
ode v.a. drei Denkmodelle vertreten: die Annahme des wenn er vom Vater als dem spricht, «quod in omni verbo
vollständigen Menschen Jesus durch den göttlichen L. verbatur.» (was in jedem Worte gewortet wird). [27]
(Homo-Assumptus-Theorie, z . B . A N S E L M VON CANTER- Ganz in augustinischem Sinne deutet er die artikulierte
BURY, H U G O VON ST. VICTOR, A B A E L A R D ) , die der neuchal- Lautsprache als Äußerung des inneren verbum mentis, in
kedonischen Lehre von der Enhypostasie der Menschen- dem Christus als beispielhafter Lehrer und L. waltet.
natur in der Person des L. entsprechende Subsistenz-
Theorie (z.B. GILBERT VON POITIERS) und die Habitus- Anmerkungen:
Theorie, wonach der inkarnierte L. die Menschennatur I Prolegomenon Sylloge, ed. H. Rabe (Rhet. Graec. XIV)
wie ein Kleid trägt (z.B. PETRUS L O M B A R D U S ) . Die reifen (1931) 7,1 f.; 47,10-48,15; 123,17-124,9; 264,14-17. - 2Gramm.
Systeme von THOMAS VON A Q U I N , BONAVENTURA und Graec. 11,23; Prolegomenon Sylloge [1] 9,2-5; 98,16f.; 305,4; H.
J O H A N N E S D U N S SCOTUS fußen sämtlich auf der Subsi- Hunger: Die hochsprachliche profane Lit. der Byzantiner, Bd. 2
stenz-Theorie. Subtile logische Distinktionen bietet die (1978) 14-18. - 3 Prolegomenon Sylloge [1] 9,2-5; 53,25-54,10;
275,17-30. - 4ebd. 7,19f.; 122,4-123,11; 184,1-185,9; 188,6-13;
für die Theologie der via moderna wichtige Lehre WIL- 217,10-13; 228,24-229,13; 300,5-9. - 5ebd. 186,17-188,5;
HELMS VON OCKHAM. NICOLAUS C U S A N U S endlich sieht 421,23-26. - 6ebd. 107,5-7; 349,4; vgl. 7,11-26. - 7ebd. 62,lf.;
den ewigen L. als Mittel, durch das Gottes Schöpfer- 75,6f.; 132,10-15; 148,11-14; 167,4-6; 206,17-20; 212,6-8;
macht in der Welt handelt. [14] 214,4-6; 327,4; 358,6f. - 8ebd. 204,25-205,4; 237,17; 291,13-17;
Mit der verstärkten Aristoteles-Rezeption im 12./13. 309,lf.; 348,19-21; 376,12-14. - 9ebd. 358,17-20; 398,8-19. -
Jh. gewinnt auch dessen Logosbegriff neuen Einfluß. In 10ebd. 375,3£.; 402,5; 407,9. - 11G.L. Bursill-Hall: Speculative
den mittelalterlichen lateinischen Übersetzungen der Grammars of the Middle Ages: The Doctrine of partes orationis
of the Modistae (Den Haag 1971). - 12Johannes von Damas-
Werke des Aristoteles werden jedoch für <L.> allein neun kus, Pëgë gnöseös III = De fide orthodoxa 1,13, ed. B. Kotier
verschiedene Äquivalente gebraucht (ratio, oratio, defi- (1973) 41; De fide orthodoxa. Versions of Burgundio and Cer-
nitio, ratiocinatio, sermo, disputatio, argumentatio, ver- banus, ed. E.M. Buytaert (St. Bonaventure 1955); H. Arens:
bum, proportio).[ 15] A m wichtigsten davon wird der «Verbum cordis». Zur Sprachphilos. des MA, in: Historiogra-
Begriff ratio, der die nicht sprachbezogenen Bedeutun- phia linguistica 7 (1980) 13-27, hier 19f. - 13Johannes Scotus
gen vertritt. [16] Eriugena, Periphyseon (de divisione naturae) I—III, ed. I.P.
Die Lehre von den rationes seminales oder lógoi sper- Sheldon-Williams (Dublin 1968-1981); IV-V, in: ML 122
(1853); G. Buchwald: Der Logosbegriff des Johannes Scotus
matikoi begegnet in augustinischer Tradition erneut bei Eriugena (1884); W. Beierwaltes: Eriugena. Grundzüge seines
Bonaventura und anderen Franziskanern. [17] Denkens (1994) bes. 52-81. - 14R. Williams: Art. J e s u s Chri-
Die Unterscheidung von innerem und äußerem Wort stus III: MA>, in: T R E 16 (1987) 745-759; W.-D. Hauschild: Art.
findet sich wieder etwa bei A N S E L M VON CANTERBURY, «Christologie II.2: MA bis Neuzeit», in: RGG 4 2 (1999) 300-307,
A L B E R T U S M A G N U S und BONAVENTURA, bei letzterem wie bes. 300-302. - 15B.G. Dod: Aristoteles Latinus, in: N. Kretz-
bei Augustinus sogar erweitert um ein drittes, interme- mann, A. Kenny, J. Pinborg (Hg.): The Cambridge Hist, of
diäres verbum. [18] In besonders ausgeprägter Form Later Medieval Philos. (Cambridge 1982) 45-79, hier 67. - 16H.
Flasche: Die begriffliche Entwicklung des Wortes ratio in sei-
erscheint sie bei THOMAS VON A Q U I N , der in seiner Theo- nen Ableitungen bis 1500 (1936). - 17Johannes Bonaventura,
rie vom verbum mentis oder interius conceptum und dem Commentarla in quatuor libros sententiarum Magistri Petri
verbum exterius vocale, das Zeichen (signum) des erste- Lombardi (Quaracchi 1882ff.) II dist. 18,1,3c; dist. 7,2,2,1c; A.
ren ist, Augustinus mit Aristoteles verknüpft. Auch Tho- Gerken: Theol. des Wortes. Das Verhältnis von Schöpfung und
mas sieht den Prozeßcharakter des inneren Wortes als Inkarnation bei Bonaventura (1963); G. Verbeke: Art. <L. sper-
Abbild des Prozesses der Entfaltung der Trinität, der kei- m a t i c i » 5. in: HWPh 5 (1980) 487f. - 18Anselm von Canter-
nerlei Teilung oder Schmälerung des inneren Wortes bury, Monologion 10, in: Opera omnia, ed. F.S. Schmitt, Bd. 1
(Edinburgh 1946); Albertus Magnus, Summa theologiae, tract.
durch das äußere zulasse. [19] Auch die spätere spanische 8, qu. 35, art. 1, in: Opera omnia, ed. A. Borgnet, Bd. 31 (Paris
Scholastik greift diese Konzeption auf. [20] 1895) 364-366; Bonaventura [17] I dist. 27,2,1,4; Arens [12]
Eine Ausnahmestellung nimmt die Logosmystik MEI- 20-22. - 19Thomas von Aquin, De differentia verbi divini et
STER ECKHARTS (um 1260-1327) ein. [21] Beeinflußt von humani. Opuscula philosophica, ed. R.M. Spiazzi (Turin 1954)
Augustinus und vom Piatonismus des Ps.-Dionysios, ent- 287-291; Quaestiones disputatae de veritate, ed R.M. Spiazzi
wickelt dieser aus der Analyse des Johannesprologs (Turin 1949) 4,1c; vgl. a. Summa theologiae, ed. P. Caramello
seine Konzeption: Gott ist Denken, das die Ideen aus- (Turin 1952ff.) 127,1c; 28,4 ad 1; 34,1c; 36,2 ad 5; 42,5c; 107,1c; I
spricht; die Ideen Gottes aber sind zu gleichen mit sei- II 93,1 ad 2; Summa contra gentiles III 97; IV 11.13.14; Scriptum
nem Wort, dem Sohn; denn was aus etwas hervorge- super sententiis, ed. F. Moos (Paris 1947) I dist. 11,1,1 ad 4; dist.
bracht wird, ist dessen Wort. [22] Jede Hervorbringung 27,2,lc.2c; Quaestiones disputatae de potentia, ed. R.M. Spiazzi
konkretisiert sich mithin im dynamischen Prinzip des (Turin 1949) 1,3 ad lc; 9,5c; Quaestiones quodlibetales 5,5,9c;
«Gewortens»: «swaz eigenlich gewortet mac werden, daz Declarado quorundam articulorum contra Graecos, Armenios
et Saracenos 3; V. Warnach: Erkennen und Sprechen bei Tho-
muoz von innen her ûz komen».[23] Alles menschliche mas von Aquin: Ein Deutungsversuch seiner Lehre auf ihrem
Verstehen erweist sich daher als ein Nachverstehen der geistesgesch. Hintergrund, in: Divus Thomas III 15 (Freiburg/
Schöpfung, als eine erneute Logosgeburt in der Schweiz 1937) 189-218.263-290; III 16 (1938) 393^19; B.
Seele. [24] Im Verstehen ist die Seele vom L.-Sohn Lonergan: Verbum, Word and Idea in Aquinas (Notre Dame,
erleuchtet: «Daz verstentnisse heftet sich an den sun, daz Ind. 1967); Arens [12] 22-24. - 20H.-J. Müller: Die Lehre vom
si (= die Seele) mit dem sune (= L.) verstêt». [25] Über J. <verbum mentis» in der span. Scholastik (1968). - 21K.O. Apel:
T A U L E R (um 1300-1361) und die dominikanische Mystik
Die Idee der Sprache in der Trad, des Humanismus von Dante
bis Vico, in: A B G 8 (1963) 79f.; J. Hennigfeld: Gesch. der
wirkt Eckharts Logosmystik bis in die Neuzeit (Böhme, Sprachphil. Antike und MA (1994) 237-241. - 22Meister Eck-
Hegel, Schelling). hart, Expositio sancti evangelii secundum Iohannem, hg. K.
Von logosmystischen Vorstellungen durchsetzt ist Christ, J. Koch, in: Die dt. und lat. Werke, I: Die lat. Werke,
auch die Sprachphilosophie von NICOLAUS C U S A N U S Bd.3 (1936) 6. - 23ders., Pr. 4, ebd., II: Die dt. Werke, hg. J.
(1401-1464). [26] Auch er vollzieht eine Reduktion der Quint, Bd. 1 (1936) 66. - 24Dt. Mystiker des 14. Jh., Bd. 2: Mei-
platonischen Ideen auf die eine Form des göttlichen ster Eckhart, hg. J. Pfeiffer (1857, ND 1962) 205.165.215; vgl.

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77.93. - 25ebd. 78. - 26K.O. Apel: Die Idee der Sprache bei daher bedeutet lògos sowohl <Idee> (idea) als auch
N i c o l a u s v o n Cues, in: A B G 1 ( 1 9 5 5 ) 2 0 0 - 2 2 1 , bes. 2 0 3 - 2 0 7 . - <Wort> (parola).» [9]
27Nicolaus Cusanus, D e filiatione Dei, in: Opera omnia IV 1: In den letzten Worten, welche die visuelle Semiose der
Opuscula, ed. P. Wilpert (1959) 39-64, hier 54.
Wortsprache, den «stummen» Mythos dem lautlichen L.
vorordnen, deutet sich eine Kritik am logozentrischen
IV. Neuzeit. Neubesinnung auf den Erziehungswert der Charakter der aristotelisch-abendländischen Sprachphi-
Sprache und verbesserte Kenntnis des Griechischen füh- losophie an, wie sie sich vergleichbar auch bei J.G.
ren in der Renaissance zu einer Wiederentdeckung des H A M A N N findet. Dieser schreibt im Zusammenhang mit
rhetorischen Logosbegriffs. Symptomatisch dafür ist z.B. seiner <Metakritik über den Purismum der Vernunft>
ein vom Gorgias-Übersetzer P . BEMBO 1 4 9 4 in griechi- 1784 an Herder: «Vernunft ist Sprache Λόγος; an diesem
scher Sprache verfaßter Essay, der den L. (ganz in der Markknochen nag' ich und werde mich zu Tod drüber
Tradition von Gorgias' <Helena> und Isokrates' <Niko- nagen. Noch bleibt es immer finster über diese Tiefe für
kles>) als Kulturbringer preist. [1] mich: Ich warte noch immer auf einen apokalyptischen
ERASMUS und LUTHER stellen die L.-Theologie auf eine Engel mit einem Schlüßel zu diesem Abgrund.» [10] Die-
rhetorische Basis und rücken das Problem des Überset- ses Sprachverständnis verrät seine Wurzeln in der deut-
zens in den Mittelpunkt. [2] Besonders Luther, der schon schen Logosmystik (Böhme).
in einer frühen Predigt von 1515 über den Johannespro- Auf logosmystische Traditionen greift auch J.G. HER-
log in Anlehnung an Augustinus vom doppelten Wort DER selbst zurück, wenn er die Sprachartigkeit des
{duplex verbum) als verbum internum und externum Gedankens behauptet und vom «Wort der Seele» als spe-
spricht und letzteres spiritualisierend auf Christus deu- zifisch menschlichem Sprachursprung spricht. [11]
tet [3], betont später die Notwendigkeit der Inkarnation Von Eckhart, Cusanus und Böhme ausgehend, mün-
der Offenbarung in den menschlichen Sprachen und det die Tradition der Logosmystik schließlich im deut-
begründet damit seine Konzentration auf den L. als schen Idealismus und der Romantik. Ein Reflex davon ist
Wortlaut der Schrift und die Schriftauslegung zur Beför- in Fausts Ringen um die richtige Übersetzung des jo-
derung der Wiedergeburt des göttlichen L. in der Seele hanneischen <L.> in GOETHES <Faust I> zu spüren. [12]
des Gläubigen. Traditionelle Logosmystik erfährt darin H E G E L , «der letzte und universalste Vertreter der anti-
eine Umgestaltung aus humanistischem Geiste. [4] Dem- ken Logosphilosophie» (Gadamer) [13], dessen System
gegenüber praktizieren die sogenannten Schwärmer der wesentlich von der dialektischen Selbstentäußerung des
Reformationszeit, von Luther befehdet, im Geiste der L. und seiner Selbstvergewisserung als Geist bestimmt
Logosmystik einen Rückzug auf die Innerlichkeit des ist, in dem füglich Logik im Wortsinne auch Metaphysik
augustinischen verbum internum. [5] einschließt, schreibt in der Vorrede zur 2. Ausgabe der
Der wichtigste und einflußreichste neuzeitliche Ver- <Logik> 1831 über den Begriff: «[...] er ist nur Gegen-
treter der Tradition der Logosmystik ist JAKOB BÖHME stand, Product und Inhalt des Denkens und die an und
(1575-1624). Gedanken v.a. von Eckhart und Cusanus für sich seyende Sache, der Logos, die Vernunft dessen,
aufgreifend, sieht dieser in der Welt das Sich-Ausspre- was ist, die Wahrheit dessen, was den Nahmen der Dinge
chen des göttlichen Schöpfungswortes. Insbesondere führt; am wenigsten ist es der Logos, was ausserhalb der
aber leitet sich ihm auch die menschliche Sprache selbst logischen Wissenschaft gelassen werden soll.» [14] Als
aus der schöpferischen Kraft und Erleuchtung des göttli- Koinzidenz von Äußerung und zurückgenommener
chen L. her und wird zur zweiten incarnatio verbi. Da Erinnerung ist Sprache das Paradigma des dialektischen
Schöpfung und Sprache so aufeinander bezogen sind, Prozesses schlechthin, zugespitzt im Logosbegriff:
kann aufgrund der Logosgeburt in der Seele auch die «Λόγος ist bestimmter als Wort. Es ist schöne Zweideu-
Wahrheit «aus dem Herzen» ausgesprochen werden. tigkeit des griechischen Worts, - Vernunft und zugleich
Böhmes Denken hat auf die spätere Philosophie und das Sprache. Denn Sprache ist die reine Existenz des Geistes;
Selbstverständnis dichterischer Schöpfertätigkeit die es ist ein Ding, vernommen in sich zurückgekehrt.» [15]
größte Wirkung gehabt. [6] Auch für W. v. HUMBOLDT sind ratio und oratio
zugleich im L. aufgehoben: «Die Sprache ist gleichsam
Ein idealtypisches Beispiel für die fundamentale die äußerliche Erscheinung des Geistes der Völker; ihre
Logozentrik der Ästhetik des Barockzeitalters, in der das Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache, man
Wort (verbum) die Sache (res) geradezu aus dem Blick- kann sich beide nie identisch genug denken.» [16]
feld verdrängt, ist E. TESAUROS <Cannocchiale Aristote-
lico) (1654), in dem rhetorische argutezza zum Prinzip Von der Logosmystik Böhmes, die ihm durch F. VON
der Welterklärung erhoben und die Poetik nach Vorgang BAADER und F . C H R . OETINGER vermittelt wird [17], zeigt
von M. Pellegrini (1639) und S. Pallavicino (1644) gegen sich auch der späte SCHELLING beeinflußt. In der Philo-
naturmimetische Theorien dezidiert rhetorisch begrün- sophie der Offenbarung> (1841/42) gibt er eine eigenwil-
det wird. [7] In diesem Sinne wird etwa in P. CALDERÓNS lige Interpretation des L. des Johannesprologs und
eucharistischem Festspiel (auto sacramental) <E1 divino bekundet das Streben nach einer positiven Philosophie,
Orfeo> (1663) die das göttliche Schöpfungswort nach- nach einem «johanneischen» Christentum als reinster
empfindende weltbildende Kraft des dichterischen Wor- Verwirklichung des Logosbegriffs. [18]
tes («la voz del poeta») evoziert. [8] Angeregt von griechischer Philosophie, Patristik und
Auf die Aufklärer übt besonders die Identität von Ver- Deutschem Idealismus entwirft Anfang des 19. Jh.
nunft und Sprache im Logosbegriff Anziehungskraft aus. T.S. COLERIDGE ein <Logosophia> genanntes Denksy-
So schreibt z.B. G. Vico 1744 über die Logik: <«Logik> stem, in dem der L. unter Nutzung all seiner denkbaren
wird sie genannt vom Wort logos, welches zuerst und Bedeutungsnuancen zum integrativen Prinzip von
eigentlich <Fabel> bedeutete, [ . . . ] - und die Fabel wurde Naturwissenschaft, Philosophie und Religion erhoben
von den Griechen auch mythos genannt, wovon latei- wird. [19]
nisch mutus kommt - , diese entstand in den stummen Mitte des 19. Jh. kommt es zu einem Methodenstreit
Zeiten als geistige, und Strabo sah sie [...] als dem stimm- zwischen A. BÖCKH und G. HERMANN über die Bedeu-
lichen oder artikulierten Sprechen vorhergehend an: tung von <L.> als Gegenstand der <Philo-logie>, worin

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Böckh den Inhalt der Texte, die «vermittelte Kunde», sieren, die, wie er in Auseinandersetzung mit Piaton,
Hermann die Texte als Sprachdenkmäler sehen will. [20] Rousseau, de Saussure und Lévi-Strauss, aber auch mit
SCHOPENHAUER wiederum verweist mehrfach auf das Hegel, Husserl und Heidegger feststellen zu können
Zusammenfallen von Sprache und Vernunft im griechi- glaubt, der gesamten abendländischen Tradition zugrun-
schen Worte <L.>, betont aber, daß der Begriff als Ver- deliege, ein Denken in hierarchischen Oppositionen, das
nunftwerkzeug von dem Wort, an das er geknüpft ist, die gesprochene Sprache (phôné, parole) gegenüber der
gleichwohl unterschieden zu halten sei. [21] geschriebenen (graphe, écriture) systematisch bevor-
Verbindungen zur antiken Gnosis und zum Neuplato- zuge, weil ihm das gesprochene Wort unmittelbarer am
nismus zeigt die Theosophie der von H . P . BLAVATSKY Gedachten und am Sinn zu sein scheine. Diesem logo-
und H.S. OLCOTT 1875 in New York gegründeten Theo- zentrischen bzw. phonozentrischen Denken und seinem
sophical Society, die eine emanatistische Kosmologie mit Ideal einer Selbstpräsenz des Sinnes und dessen Priorität
ausgeprägter L.-Metaphysik vertritt. [22] vor den Texten und ihren Lektüren setzt Derrida sein
H U S S E R L , der als spezifisch dem L. zuzuordnende noe- eigenes Konzept der konsequent an der Schrift (écriture)
tisch-noematische Schicht diejenige von Bedeuten und orientierten Methode der Dekonstruktion entgegen, die
Bedeutung (in einem sehr weiten Sinne) bestimmt [23], die falschen Hierarchien als Schein entlarven und auf-
definiert Logik deutlich enger als Wissenschaft vom L. brechen soll. [35]
im Sinne nur wissenschaftlich urteilender Vernunft. [24] In einer spezifisch feministischen Variante begegnet
Große Bedeutung erlangt der L. noch einmal im Neu- die Kritik am Logozentrismus bei H. Cixous, die die
kantianismus v.a. der Marburger Schute ( H . C O H E N , P. Oppositionen nicht nur von L. / parole und écriture, son-
NATORP: Gegenstandskonstitution durch den L . , Panlo- dern auch von L. und Pathos mit der Opposition von
gismus). [25] Zur transzendentalen Instanz des Logi- Männlichkeit und Weiblichkeit in Beziehung setzt. Sie
schen, Vernünftigen, Geltenden wird er bei H . RICKERT, sieht eine Solidarität zwischen Logozentrismus (in Philo-
B . B A U C H und F . M Ü N C H . [26] Von der Logosimmanenz sophie, Literatur und Politik) und Phallozentrismus:
des Gegenstandes spricht schließlich E. L A S K . [27] Aufgabe des Logozentrismus und des binär-oppositio-
HEIDEGGER, der noch 1927 in <Sein und Zeit> L. tradi- nellen Denkens sei immer gewesen, männliche Vorherr-
tionell als «Vernunft, Urteil, Begriff, Definition, Grund, schaft zu perpetuieren; hingegen zeige die Schrift ausge-
Verhältnis» definiert [28], fordert später im Zuge seiner prägt weiblichen Charakter. [36]
Kritik an der Auflösung der «ursprüngliche[n] Einheit In allerjüngster Zeit ist der Wortstamm <L.> im Begriff
von Sein und Denken» durch das «Auseinandertreten des Logogramms (abgekürzt: Logo), des Markenbe-
von λόγος und φύσις» eine Abkehr von L. als Denken wußtsein oder corporate identity stiftenden, jeweils ein
und Vernunft, als Rede und Sagen, und eine Rückkehr volles Lexem repräsentierenden stilisierten (Schrift-)Zei-
zur Urbedeutung des Sammeins, einen Rückgang auf chens, zu neuen Ehren gelangt.
Parmenides und Heraklit. [29] Als Grundbedeutung des
légein wird das Entbergen bestimmt: «Das Entbergen, Anmerkungen:
das 'Der Verborgenheit Entnehmen' ist das Geschehen, IL. Guaita: L' orazione greca di Bembo (Diss. Mailand 1972/
das im λόγος geschieht. Im λόγος wird das Walten des 73); A. Pertusi: L' umanesimo greco dalla fine del secolo XIV
Seienden entborgen, offenbar.» L. wird so zum Sagen des agli inizi del secolo XVI, in: Storia della cultura veneta 3/1
Unverborgenen, der aletheia: «Der λόγος hat die Auf- (Vicenza 1980) 177-264, hier: 185-189; N.G. Wilson: From
Byzantium to Italy: Greek Studies in the Italian Renaissance
gabe, [...] das, was sich verbirgt und nicht zeigt, das sich (Baltimore 1992) 126f. - 2P. Walter: Theol. aus dem Geist der
Nichtzeigende, zum Sichzeigen zu zwingen und zum Rhet. Zur Schriftauslegung des Erasmus von Rotterdam (1991).
Offenbaren zu bringen.» [30] In <Heraklits Lehre vom L.> - 3M. Luther: Sermo in Natali Christi a. 1515, in: Werke (WA),
kehrt Heidegger dann tatsächlich zur Bedeutung <Lese, Bd. 1 (1883) 20-29, bes. 23.25-29. - 4z.B. ders.: An die Burger-
Sammlung, Sich-Sammeln, Versammlung) zurück: «ò meyster und Radherrn allerley stedte ynn Dt. landen (1524),
Λόγος ist die ursprüngliche, Alles verwahrende Ver- ebd. Bd. 15 (1899) 27-53, hier 37f.; K.O. Apel: Die Idee der
sammlung. Der menschliche λόγος ist das Sichsammeln Sprache in der Trad, des Humanismus von Dante bis Vico, in:
ABG 8 (1963) 254-257.263-268. - 5 Apel [4] 263.266. - 6J.
auf die ursprüngliche Versammlung. Die menschliche Böhme: Sämtliche Sehr., hg. A. Faust, W.-E. Peuckert, 11 Bde.
Sammlung auf die ursprüngliche Versammlung ge- (1942-1961); E. Benz: Zur metaphysischen Begründung der
schieht im όμολογεΐν [homologein].» [31] Sprache bei J. Böhme, Euph 37 (1936) 340-357; Apel [4]
Im Sinne von «recueillement», als Sammlung und Ver- 79f.200.270f.295f.; ders.: Die Idee der Sprache bei Nicolaus von
bindung mit dem Seienden verwendet <L.> im übrigen Cues, in: ABG 1 (1955) 200-221, hier 159f. - 7E. Tesauro: II
auch der französische Existentialist GABRIEL M A R - cannocchiale Aristotelico (Turin 1670), ed. A. Buck (1968). -
CEL. [32]
8 P. Calderón de la Barca: El divino Orfeo, in: Obras completas
Bd. 3: Autos sacramentales, ed. A.V. Prat (Madrid 1952) 1820-
Mit der Logotherapie als auf der Existenzanalyse auf- 1855. - 9 G. Vico: Principi di una Scienza Nuova (Neapel 31744 =
bauender psychotherapeutischer Methode setzt V.E. La scienza nuova seconda) 401, hg. von Ν. Abbagnano (Turin
FRANKL der Freudschen Betonung des Unterbewußten 1976) 396; G. Wohlfart: Denken der Sprache (1984) 52-58. -
eine Methode entgegen, die bewußt die intellektuelle 10J.G. Hamann, Br. an J.G. Herder vom 8.8. 1784, in: Brief-
Dimension des Menschen in den Vordergrund rückt und wechsel, hg. W. Ziesemer, A. Henkel (1955-1979), Bd.5 (1965),
bei der Suche nach Sinn (L.) im Leben helfen will. [33] 177; Wohlfart [9] 134.145-165.- 11 J.G. Herder: Abh. über den
Schon um 1 9 3 0 prägt hingegen L. KLAGES den Begriff Ursprung der Sprache (1772). - 12J.W. von Goethe, Faust I
(1806), Szene Studierzimmer. - 13H.-G. Gadamer: Wahrheit
Logozentrismus für ein einseitig an Sein, Geist und Spra- und Methode (41975) 207. - 14Hegel: Wiss. der Logik, Vorrede
che orientiertes Denken, dem er ein auf Wirklichkeit, zur zweyten Ausg. (1831), in: GW., Bd.21 (1985) 17. - 15ders.:
Leben und Bildhaftigkeit ausgerichtetes «biozentri- Vöries, über die Gesch. der Philos. III, in: Theorie-Werkausg.
sches» oder «sinnbildliches» Denken entgegensetzt, das Bd. 20, 106f.; H.J. Krämer: Der Ursprung der Geistmet.
im Verlauf der Menschheitsgeschichte vom «logozentri- (Amsterdam 1964) 412.435^139; Wohlfart [9] 208-231. - 16W.
schen» verdrängt worden sei. [34] von Humboldt: Uber die Verschiedenheit des menschlichen
In anderem Sinne verwendet seit den sechziger Jahren Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwickelung
des Menschengeschlechts (1836), in: Werke, hg. A. Flitner, K.
J. D E R R I D A diesen Terminus, um eine Denkform zu kriti-

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Logos Lullismus

Giel, Bd.3 (1963) 414f.; Wohlfart [9] 175f. - 17F.V. Baader: Lullismus (lat. ars lulliana; engl, lullism; frz. lullisme, ital.
Vöries, u. Erl. zu J. Böhmes Lehre, hg. J. Hamberger, in: Sämtli- lullismo)
che Werke, hg. F. Hoffmann, Bd. 13 (1855); K. Leese: Von A. Def. - B.I. MA. - II. Renaissance, Humanismus, Barock. -
Jakob Böhme zu Schelling (1927). - 18F.W.J. Schelling: Philos, III. 18. Jh.
der Offenbarung, 27. und 28. Vorl., in: Werke, hg. M. Schröter,
Suppl. 6 (1954), 481-510. - 19M.A. Perkins: Coleridge's Philo- A. Der Terminus <L.> als Bezeichnung für im weiteren
sophy. The L. as Unifying Principle (Oxford 1994). - 2 0 E. Vogt: Sinn jede affirmative Auseinandersetzung mit Lullus und
Der Methodenstreit zwischen Hermann und Böckh und seine seinen Werken, im engeren für eine Denkrichtung bis ins
Bed. für die Gesch. der Philol., in: H. Flashar, K. Gründer, A. 18. Jh., geht zurück auf den katalanischen Theologen,
Horstmann (Hg.): Philol. und Hermeneutik im 19. Jh. (1979) Philosophen, Missionar Ramon Llull (lat. Raimundus
103-121, bes. 115-117. - 21A. Schopenhauer: Die Welt als Lullus, * 1232, Mallorca, 11315/16). [1] Im Zentrum der
Wille und Vorstellung I (1819) 1, §8; II (1844) Kap. 6; Über die Texte von Lullus und am Anfang der Geschichte des L.
vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde ( 2 1847) steht die von diesem vertretene universale Erkenntnis-
Kap. 5, §34. - 22H.P. Blavatsky: The Key to Theosophy (Lon-
don 1899). - 23E. Husserl: Ideen zu einer reinen Phänomenolo-
methode, die nach Lullus' Autobiographie auf göttlicher
gie u. phänomenologischen Philos. (1913) I 3,4, §124.127. - Offenbarung beruhende Kunst (katalanisch art, lat. ars),
24ders.: Formale und transzendentale Logik (1929) §1.5. - die auf der Kombination von in ihrer letzten Fassung
25 K. Wuchterl: Bausteine zu einer Gesch. der Philos, des 20. Jh. (1305-7) neun göttlichen Eigenschaften (lat. dignitates),
Von Husserl zu Heidegger: eine Auswahl (1995) 112-125. - auf die die Welt metaphysisch reduziert werden kann, mit
26ebd. 130-136.139L; F. Münch: Erlebnis und Geltung (1913) anderen Begriffsreihen beruht: Die relativen Prinzipien
97.181. - 27 Wuchterl [25] 137-139. - 28M. Heidegger: Sein und benennen in Anlehnung an die Logik die denkbaren
Zeit (1927) §7 B, in: Gesamtausg. Bd. 2 (1977) 4 3 - 4 6 . - 2 9 ders.: Beziehungen zwischen allem Seienden, das in der Reihe
Einf. in die Met. (Vöries. 1935, gedr. 1953) §47^18; in: Gesamt-
der subiecta (Subjekte) neuplatonisch hierarchisiert
ausg. Bd.40 (1983) 130-134. - 30ders.: Die Grundbegriffe der
Met., in: Gesamtausg. Bd.29 (1983) 41.44. - 31ders.: Heraklits gedacht ist. Hinzu treten Tugenden, Laster und Fragepro-
Lehre vom L. (Vöries. 1944) §§4-6, in: Gesamtausg. Bd. 55 nomina, wobei die Begriffe jeder einzelnen dieser Reihen
(1979) 286-315, hier 315; vgl. 295.307; vgl. ders.: L. (Heraklit, mit den Buchstaben B-K bezeichnet werden (vgl. Abb. 1).
Frg. 50), in: FS H. Jantzen (1951) 7-18, wieder in: Vorträge und
Aufsätze (1954) 207-229. - 32G. Marcel: Le mystère de l'être
Die mit vier Figuren (A, T, tertia figura und der beweg-
(Paris 1951).-33V.E. Frankl: L. und Existenz (1951); Grundriß lichen quarta figura, vgl. Abb. 2) operierende Begriffs-
der Existenzanal, und Logotherapie, in: V.E. v. Gebsattel, V.E. kombinatorik dient der Generierung von Propositio-
Frankl, J.H. Schultz (Hg.): Hb. der Neurosenlehre und Psycho- nen. [2] Die lullistische Kunst erlaubt neben ihrer
therapie (1959), Bd. 3, 663-736; E. Lukas: Von der Trotzmacht Anwendung in den artes liberales sowie der Medizin und
des Geistes. Menschenbild und Methoden der Logotherapie Jurisprudenz den rationalen Beweis der christlichen
(1993); W. Kurz, F. Sedlak (Hg.): Kompendium der Logothera- Glaubensmysterien. Ursprünglicher Zweck ist die Zu-
pie und Existenzanal. (1995). - 34L. Klages: Der Geist als sammenführung von Juden, Muslimen, Heiden und der
Widersacher der Seele, 3 Bde. (1929-32), in: Sämtliche Werke christlichen Kirchen.
1,2 ( 6 1981); E. Pöhler: Art. <Logozentrisch>, in: HWPh 5 (1980)
502f. - 35 J. Derrida: De la grammatologie (Paris 1967); L'écri- B. L Mittelalter. Lullus verfaßt ein Korpus von etwa 250
ture et la différence (Paris 1967); La dissémination (Paris 1972); selbständigen Schriften auf katalanisch, Latein und -
C. Norris: Deconstruction. Theory and Practice (London/New nicht erhalten - auf arabisch und propagiert seine Lehre
York 1982) 29-31; J. Culler: On Deconstruction. Theory and in Katalonien-Aragón, Frankreich, Italien und Nord-
Criticism after Structuralism (Ithaca/London 1982) 89-110. - afrika. Er kleidet seine Doktrin neben der Traktatform
36 H. Cixous: Sorties, in: dies., C. Clément: La jeune née (Paris u.a. in didaktische Romane wie <Blanquerna> und <Fèlix>
1975) 114-246, bes. 115-119.170; vgl. dies.: Weiblichkeit in der
oder den mystischen <Arbre de Filosofia», die die katala-
Schrift (1980).
nische Literatur mitbegründen.
Lullus' Vorstellung von der Sprache liegt die Einfüh-
Literaturhinweise: rung eines sechsten Sinnes (affatus) zugrunde, der als
M. Heinze: Die Lehre vom L. in der griech. Philos. (1872; N D Kommunikationsprozeß zwischen internen und exter-
1961). - A. Aall: Der L. Gesch. seiner Entwickelung in der nen Sinnen gefaßt ist. [3] Kommunikation ist für Lullus in
griech. Philos, und der christlichen Lit., 2 Bde. (1896-1899; N D
1968). - E. Krebs: Der L. als Heiland (1910). - F.E. Walton:
jedem Fall persuasiv ausgerichtet, es handelt sich stets
Development of the L.-Doctrine in Greek and Hebrew Thought um ein Belehren des anderen, mit dem der Sprecher in
(Bristol 1911). - H. Leisegang: Art. <L.>, in: RE XIII 1 (1926) christlicher Nächstenliebe übereinstimmen und somit
1035-1081. - E. Cassirer: L., Dike, Kosmos in der Entwicklung durch die Rede seinem primären Schöpfungszweck,
der griech. Philos. (Göteborg 1941). - W. Kelber: Die Logos- nämlich Erkenntnis, Erinnerung und Lob Gottes, nach-
lehre. Von Heraklit bis Orígenes (1958; N D 1976). - B. Lie- kommen soll. Die Funktion der Rhetorik ist dabei, die
brucks: Sprache und Bewußtsein, 7 Bde. (1964-1979). - E . Przy- Effizienz des Diskurses zu steigern, indem sie den Rezi-
wara: L. (1964). - W. Eckle: Geist und L. bei Cicero und im pienten aufnahmebereiter macht. Das Instrumentarium,
Johannesevangelium (Zürich 1979). - G. Verbeke, J.-A. Büh- das Lullus in seinen Schriften zur Rhetorik und Homile-
ner: Art. <L.>, in: HWPh 5 (1980) 491-502. - M. Gatzemeier: Art.
<L.>, in: EPW 2 (1984) 704-706. - C. Stead: Art. <L.>, in: Rout-
tik sowie in den Anwendungserläuterungen zur ars
ledge Encyclop. of Philos., Bd. 5 (London/New York 1989) 817- magna anbietet, steht nicht nur terminologisch außer-
819. - M. Enders, M. Theobald, P. Hünermann: Art. <L.>, in: halb sowohl der mittelalterlichen als auch der antiken
LThK3 6 (1997) 1025-1031. rhetorischen Tradition. [4]
M. Kraus
In der <Rhetorica nova> (1301) werden Ordnung und
Schönheit als wesentliche Merkmale <rhetorischen>
-> Ainos Argumentation —> Begriff —> Definition -» Dekon- Sprechens genannt. [5] Im Sinn der Ordnung sollen Text-
struktion -» Dialektik -» Docere -» Ethos —> Fabel -> Genera
struktur und Satzbau reale Rangverhältnisse abbilden, so
causarum -» Grammatik Iudicium —> Logik -> Mythos ->
Pathos -» Persuasion -> Philosophie —> Prosa -» Ratio —• Ratio- daß z.B. Maskulina vor Neutra und Feminina genannt
cinatio —» Rechtfertigung —> Rede —> Schluß —> Sprachphiloso- würden. Die Schönheit von Wörtern rühre von ihren
phie Syllogismus Überredung/Überzeugung -» Vernunft angenehmen Konnotationen und der Position ihrer
-» Wahrheit, Wahrscheinlichkeit Signifikate in der Leiter der subiecta her, so daß die Wör-
ter <Mai> oder <Königin> schöner als <November> oder

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Τ Α Β ν L A AD A R Τ I S E R E Γ I S
Caíale trattatiti, ¿r Ar/u Magnafrtmum
caput ¡/tremens.

1 B'
λ C. D. E. P. G. H. I.
r
Ablblui¿ Bonicas. Magnitudo. AÉternitas roteili«. Sapientia. Volunta«. Viitui. Ventai,
ftu Durano.
rpradi-*
caia. T.Relata ftu Differentia Concordan- Contrarie- Principium. Medium. Finis. Maioritat. AEqualitai. Minorità*.
-refpeftus. tia. tà!.

Q¿_Qu*ftiones. Vttunj! Quid» De quo! Quarc! Quantum ! Quale ! Quando! Vbi ! Quomodo'
Cum quo !
ALPHABETVM
S. Subitila. Beut. 'ingclui. Coclum. Homo. Imaginario Senfitiva. Vegetativa. Elementati. Inftntmen-
I ftu p r i n c i p i a
ι ¡usarti« f u n t a u t
va. tativa.

V. Virtutes. lufUtil, Prudcntia. Fortitudo. Temperan- Pidei. Spes. Charitas. Paticntia.


tia.

Y. Vitia. Ayaritia. Gula. Luxuria. Superbia. Acidi·. Invidia. Ira. Mcndaciuin ineöftantia.

Abb. 1: Übersichtstabelle über die lullistische Begrifflichkeit von Lazarus Zetzer, in: R. Lullus, Ars brevis. In: Ders., Opera. ND der
Ausg. Straßburg 1651, eingel. ν. A. Bonner, Bd. 1 (1996) (o. S.).

DHJE1

Abb. 2: Figura Α, Τ, Tertia figura, Quarta figura. In: Lullus, Ars brevis, S.2, 4, 7, letzte S.

<Dienstmagd> seien. <Rhetorik> wird daher als <ornar> Überlieferung seiner Schriften geht auf drei von Lullus
(Schmücken) der doctrina durch passende Wortwahl, selbst in Mallorca, in der Pariser Karthause Vauvert und
durch Exempla und Sprichwörter verstanden. Ihren zen- in G e n u a angelegte Handschriftendepots zurück, die mit
tralen Anwendungsbereich sieht Lullus in der Predigt, den Zentren des f r ü h e n L. koinzidieren: den Kronlän-
wenngleich auch Anweisungen zum Disputieren überlie- dern von Katalonien-Aragon, Paris und mehreren Städ-
fert sind. Im <Liber de praedicatione> (1304) [6] beruht ten in Italien. [9]
das Erarbeiten einer Predigt darauf, die dignitates, In Valencia erscheint unmittelbar nach Lullus' Tod
Tugenden und Laster kombinatorisch zu verbinden und eine Reihe überwiegend auf katalanisch verfaßter devo-
die Kombinationsergebnisse als Kommentarschema auf tional-pastoraler Schriften aus Spiritualenkreisen, die an
biblische themata zu applizieren. D a s <Libre de virtuts e sein Spätwerk anschließen und die u.a. die damals
de pecats> (1313) [7], das gleichzeitig das älteste katalani- umstrittene Unbeflecktheitslehre vertreten. [10] 1369
sche volkssprachliche Predigthandbuch ist, weicht noch wird die erste königliche Lehrbefugnis für eine lullisti-
stärker vom traditionellen homiletischen Schema ab, sche Schule in Alcoi erteilt. D e r mittelalterliche L.
indem als einziger Bibelbezug ein pauschaler Verweis im scheint von hier aus nach Kastilien [11] und Portugal [12]
Vorwort auf das caritas-Gebot vorkommt. Bisher konnte vorgedrungen zu sein. Im Gegensatz zur gesamten späte-
die praktische Verwendung [8] von Lullus' zum Teil weit ren europäischen Rezeption werden Lullus' Texte auf
verbreiteten rhetorischen und homiletischen W e r k e n in der iberischen Halbinsel auch als literarisches Modell
seinen eigenen und zeitgenössischen Texten allerdings verwendet, z.B. in einem portugiesischen apologetischen
kaum belegt werden. Dialog zwischen Personifikationsallegorien (<Corte
D e r schulmäßige Unterricht in der Lehre von Lullus Imperial·, 14. Jh.), im spanischen didaktisch-mystischen
beginnt offenbar bereits zu seinen Lebzeiten. Zwar kann R o m a n <Novela moral de Gracián> (15. Jh.) oder im kata-
er als nicht akademisch gebildeter Laie mit der universi- lanischen <Espill de la vida religiosa) (<E1 Deseoso>, Bar-
tären Ausbildung nur episodisch in Verbindung gebracht celona 1515). Als Besonderheit finden sich außerhalb der
werden, hingegen regt er für angehende Missionare das iberischen Halbinsel die dantesken <Canti> von B. GEN-
Erlernen orientalischer Sprachen an: Auf Mallorca wird TILE ( E n d e 15. Jh.), in denen Lullus als literarische Figur
das Ausbildungskloster Miramar gegründet. A u c h die das Ich hinauf in die übernatürlichen Welten führt.

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Die erste umfassende Zusammenstellung des lullschen tiva und zu einer diskursiven Kunst, mit der aus dem
Theoriegebäudes leistet der Kanoniker T H . L E MYÉSIER. Stegreif alles Wißbare (omne scibile) abwägend erörtert
Von seinen vier Kompilationen mit logischem Schwer- werden kann, was zu einer nachhaltigen Popularitätsstei-
punkt sind das <Breviculum> (ca. 1321) und das für die gerung des L. mit entsprechender Publikationstätig-
Sorbonne verfaßte <Electorium magnum> ( 1 3 2 5 ) erhal- keit [22] beiträgt. Die ars wird als Transdisziplin ohne
ten. [13] Die Sorbonne wird zu einem Zentrum des L., bis eigentlichen Gegenstandsbereich gedacht, weil sie zum
GERSON gegen Ende des Jahrhunderts an einem Lehrver- einen ihr Abstraktheitsgrad auf alle Wissenschaften
bot mitwirkt und antilullistische Schriften verfaßt ( 1 4 2 3 ) . applizierbar macht und weil zum anderen die Begrifflich-
Noch schärfer wird der L. vom Großinquisitor Katalo- keiten der Disziplinen in den allgemeinsten Begriffen
nien-Aragóns, Ν. EIMERIC, in speziell gegen Lullus der ars immer schon enthalten sind. Dadurch wird sie zur
gerichteten Schriften sowie in seinem weitverbreite- «Königin» [23] aller Wissenschaften und Künste, was
ten Inquisitionshandbuch <Directorium inquisitorum> ihre Vereinbarkeit mit dem Konzept der Enzyklopädie,
( 1 3 7 6 ) angegriffen, in dem 1 0 0 Sätze und 2 0 Bücher von wie es in der Renaissance entsteht, gewährleistet.
Lullus als irrig aufgezählt werden. Die Angriffe dieser Fundamentale Kritik am L. abseits der v.a. theolo-
und anderer Antilullisten [14] richten sich v.a. gegen die gischen Auseinandersetzungen der vorangegangenen
Idee der Beweisbarkeit der Glaubensgrundsätze (Ger- Jahrhunderte formuliert derselbe Agrippa in <De incerti-
son, Eimeric), gegen das kombinatorische Alphabet und tudine et vanitate scientiarum> (Köln 1530): Der L. diene
das innovative Vokabular, durch das die Studenten «fan- eher der Darstellung einer vorgeblichen Gelehrtheit
tásticos, turbatos et obscuros» (hochfliegend, wirr und denn dem seriösen Wissenserwerb. [24] Agrippa eröf-
unverständlich) (Gerson) [15] würden, und schließlich fnet hiermit eine breite Diskussion um die inhaltsleere
auch gegen den «barbarischen» Stil (FERNANDO DE Geschwätzigkeit, die auch DESCARTES aufgreifen
CÓRDOBA). Im 1 5 . Jh. löst sich der L. mit NIKOLAUS VON wird. [25]
K U E S [ 1 6 ] und R . S I B I U D A [ 1 7 ] stärker von seinem Initia- Vor dem Hintergrund, daß von 1530 bis 1580 vor allem
tor, was sich auch darin äußert, daß beide ihn nicht expli- vorgeblich von Lullus stammende Aichemietraktate [26]
zit als Quelle angeben, dabei aber einzelne grundlegende in Druck gehen [27], erscheint die von L. Z E T Z N E R in
Vorstellungen übernehmen. Während sich antilullistisch Straßburg edierte umfangreiche Lullus-Ausgabe (1598).
v.a. die dominikanische Inquisition äußert, befürworten Sie enthält neben genuinen Texten von Lullus (darunter
ihn Franziskaner und das katalanisch-aragonesische die <Ars generalis ultima> und die zugehörige Propädeu-
Königshaus, das die Gründung lullistischer Schulen in tik <Ars brevis>) vier ihm zugeschriebene Abhandlungen
Barcelona (dauerhaft ab 1 4 2 5 ) , Mallorca ( 1 4 8 3 unter P. sowie Kommentare von G. B R U N O und Agrippa. Mit drei
DAGUÌ, ab 1673 Universität Lulliana) und Valencia weiteren Auflagen wird sie trotz zahlreicher anderer
erteilt. Drucke [28] das Standardwerk für das ganze folgende
II. Renaissance, Humanismus, Barock. Mit Dagui und Jahrhundert. Einflußreich wird auf paratextueller Ebene
seiner <Ianua artis magistri Raymundi Lulli> (Barcelona die große Tabelle der Begriffsreihen (vgl. Abb. 1), die
1482) gelangt der L. an den Hof der Katholischen diese als rhetorisch-dialektische loci präsentiert, wäh-
Könige, so daß Kardinal CISNEROS 1 5 0 8 den Mallorqui- rend bei Lullus selbst Figuren nur in kombinatorischer
ner NICOLAU DE PAX auf einen lullistischen Lehrstuhl der Funktion auftreten. [29] So werden sie umgewertet zu
Universität Alcalá beruft. In Paris wird der L. mit der abstrakten Dispositions- und Ordnungskategorien des
Editionstätigkeit des mystisch interessierten Humani- humanen Wissensbestandes ohne theologisches Funda-
sten J. LEFÔVRE D' ÉTAPLES [ 1 8 ] und C H . DE BOVELLES, ment, rhetorisch gesprochen zu an sich leeren sedes argu-
von dem die erste gedruckte Biographie über Lullus mentorum. Diese Entwicklung ist in engem Zusammen-
stammt, wieder belebt und an der Universität von dem hang mit der einflußreichen 'Wiederentdeckung' der
Franziskaner B. LAVINHETA wieder gelehrt. Seine <Expla- antiken Topik durch R. AGRICOLA (<De inventione dia-
natio compendiosaque applicatio artis Raymundi Lulli> léctica)) zu sehen.
(Lyon 1 5 2 3 ) , die erste lullistische Enzyklopädie, zirku- J.H. A L S T E D sieht zu Beginn des 17. Jh. diese univer-
liert über das 16. Jh. hinaus in ganz Europa. [19] Darin sal-rhetorischen Ausrichtung als von Lullus intendiert an
machen Rhetorik und Predigt die umfangreichsten Teile und definiert die ars als eine Kunst, die Lullus erfunden
aus, was der Refunktionalisierung der ars als Argumen- habe, damit alles Wißbare aus dem Stegreif in utramque
tationsmethode par excellence entspricht. [20] In Lavin- partem erörtert werden könne. [30] Auf dieser Basis
hetas Umkreis entsteht die einflußreiche <In Rhetoricam könne auch ein zunächst unergiebig scheinendes Thema
Isagoge> (Paris 1 5 1 5 ) , die unter der vermutlich pseud- wirksam ausgearbeitet werden. Soll man etwa über «das
onymischen Herausgeberschaft eines REMIGIUS R U F U S Pferd» sprechen, reduziere man den Gegenstand
CANDIDUS als genuiner Text von Lullus gedruckt wird. zunächst auf ein bestimmtes subiectum, hier sensitivum,
Sie operiert nicht ausschließlich auf der Basis der ars, welches <Pferd> implizit enthält. Dann ziehe man seine
sondern stützt sich auf A. POLIZIANOS <Panepistemon> Gutheit (bonitas) in Betracht, die Größe dieser Gutheit,
(Venedig 1 4 9 0 ) . [ 2 1 ] ihre Dauer und Macht, aber ebenso die Gutheit der
AGRIPPA VON NETTESHEIM steht mit seinen <In Artem Größe, die Dauer der Größe, und auch die Gutheit der
brevem Raymundi Lulli commentaria> (entstanden zu Dauer sowie die Größe der Dauer. Als dritten Schritt
Beginn des Jh., gedruckt Köln 1531), einem der verbrei- benenne man den Unterschied (differentia) zwischen der
tetsten Texte des frühneuzeitlichen L., am Beginn der Gutheit, Größe etc. des Pferdes und der des Menschen
sich intensivierenden Lullus-Rezeption in den deutsch- usw. [31] Die Effizienzsteigerung gegenüber herkömmli-
sprachigen Ländern. Er erweitert die Zahl der Figuren chen Toposkatalogen ist evident: Die kombinatorische
auf sieben und läßt ihre Kombination untereinander zu. Vermehrung der Topoi bewirkt ein ungleich größeres
Ziel ist die gleichsam unendliche Rekombination der lul- Arsenal von potentiellen Argumenten. Damit sich die
listischen Termini und damit die Hervorbringung gleich- Invention nicht auf der Ebene von Synonymen erschöpft
sam unendlich vieler Aussagen über die Welt. Die ars (z.B. Topos <bonitas> - Argument <gut>), ist beim Durch-
wird so zu einer Denkmaschine im Sinn einer ars inven- gang durch die Topoi jeweils ein entsprechendes Feld

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von verwandten und entgegengesetzten Begriffen mitzu- im Sinn der copia verborum «auszunutzen» ist, führt D.
bedenken. [32] D e r kombinatorische Mechanismus und RICHTER im <Thesaurus oratorius novus> vor, indem er
auch die auf diese Weise zu erlangende überbordende zahllose Variationen über einen vorgegebenen Satz aus
Fülle der Argumentation haben wiederholt dazu geführt, dem Topos voluntas zieht und so der amplificano zuar-
daß die lullistische Kunst als manieristisches Verfahren beitet. [40] Was die Applikationen betrifft, so scheint die
eingestuft wurde. Aus ihrem eigenen Anspruch heraus Romanordnung von LOHENSTEINS <Arminius> einzigartig
ist die ars allerdings auf keinen ästhetischen Aussagemo- zu sein, indem sie ohne expliziten Hinweis den beiden
dus beschränkt. Ihrer Funktion nach ist sie in der Frühen Neuner-Reihen von absoluten und relativen Prädikaten
Neuzeit eine dialektisch-rhetorische Methode, die nicht folgt. [41] Q. KUHLMANN dagegen weist in einem Gele-
per se manieristisch ist. Unter gewissen Gesichtspunkten genheitsgedicht [42] die seine inventio wie auch dispositio
sind allerdings lullistischen poetischen Produktionen steuernden absoluten Prädikate in Marginalien mit den
manieristische Tendenzen zuzuschreiben, wenngleich von Kircher eingeführten Kürzeln aus.
damit nur ein Bedeutungsaspekt unter vielen erfaßt ist. III. Im 18. Jh. verabschiedet man sich schrittweise von
D a s Interesse an der Vermittlung zwischen den großen der geregelten topischen Invention, weshalb die ars lul-
universalwissenschaftlichen Architekturen der Frühen liana im Verbund der «falschen Quellen der Erfin-
Neuzeit manifestiert sich in Alsteds <Clavis artis lullia- dung» [43], mithin der gesamten Topik, abgelehnt wird.
nae>[33] wie auch im <Artificium Aristotelico-Lullio- Die Demontage des L. als ernstzunehmende Wissen-
Rameum> (1615) des JOHANN VON NOSTIZ, eines Schülers schaft illustriert die Parodie in SWIFTS <Gulliver's Tra-
G . Brunos. Die Verknüpfung mit der für strukturell ana- vels> (1726), wo mit Hilfe einer ungeheuren Maschine
log gehaltenen Kabbala findet sich bereits bei Pico DELLA Wörter gegeneinander verschoben werden, um die Welt
MIRANDOLA, der sich um ein kombinatorisches Instru- mit allen Wissenschaften und Künsten auszustatten. [44]
ment für die Erkenntnis alles Wißbaren bemüht, wäh- D e r spanische Aufklärer B . J . FEIJOO spricht dem L . jegli-
rend später P. MAINARDIS <De auditu kabbalistico> (1518) che Bedeutung ab und verweist die ars in den Rang eines
sogar für einen authentischen Text von Lullus gehalten unnützen kombinatorischen Spiels [45], ohne jemals
wird. [34] Die frühneuzeitliche Reflexion über das G e - einen Text von Lullus gelesen zu haben. Eine Verteidi-
dächtnis und das daran gekoppelte Interesse an der Mne- gung des L., v.a. in den umfangreichen Werken von A . R .
motechnik ziehen Bestrebungen zur Integration des L. PASQUAL, bleibt nicht aus, aber seine frühere Anzie-
nach sich. [35] Wenngleich ihm im Vergleich mit der klas- hungskraft hat der L. zu diesem Zeitpunkt bereits verlo-
sischen Tradition der ars memorativa sowohl die kon- ren. I. Salzinger schließlich steht mit der Mainzer Lullus-
krete Verortung der loci als auch die affektive Bildlich- Ausgabe (1721-1742) an der Wende zur historischen
keit fehlt, legt Lullus' eigene Betonung des Memorierens Aufarbeitung des L., die jedoch erst mit dem Beginn der
seiner Kunst diesen Schritt zumindest nahe. [36] philologischen Beschäftigung im 19. Jh. wieder aufge-
Die lullistische Redepraxis wird so unterschiedlich nommen wird. In der Moderne ist der L. im allgemeinen
beurteilt wie der L. selbst: Ein französischer Lullist ver- kein T h e m a der Rhetorik mehr.
mag eine Tischgesellschaft am Münchner Hof durch eine
kunstgemäß extemporierte R e d e über das Salz zu beein- Anmerkungen:
drucken [37]; Descartes dagegen erlebt einen alten 1E.W. Platzeck: Raimund Lull. Sein Leben - Seine Werke
Mann, der sich rühmt, der ars mächtig zu sein und stun- (1962-64). - 2 R.D.F. Pring-Mill: Grundzüge von Lulls <ars inve-
niendi veritatem>, in: AGPh 43 (1961) H. 1, 239-266. - 3M.D.
denlang über jedes erdenkliche Thema reden zu können, Johnston: <Affatus>. Natural Science as Moral Theology, in: Stu-
nur als geschwätzig. [38] dia Lulliana 30 (1990) 3-30,139-159. - 4Ch.B. Faulhaber: Rhe-
E i n e Verbesserung der lullistischen ars verfolgt der toric in Medieval Catalonia, in: Studies in Honor of Gustavo
Jesuit A . KIRCHER in seiner <Ars magna sciendi» (Amster- Correa (Potomac 1986) 92-126, 96. - 5M.D. Johnston: The
dam 1669) ebenso wie auch sein Zeitgenosse LEIBNIZ. Evangelical Rhetoric of Ramon Llull (New York/Oxford 1996).
Während Leibniz in der <Dissertatio de arte combinato- - óRaimundi Lulli Opera Latina III-IV (Palma de Mallorca
ria> (1666) durch die Reduktion komplexer Inhalte auf 1961-63). - 7Nova Edició de les Obres de Ramon Llull, Bd.l
(Palma de Mallorca 1990); F. Domínguez Reboiras: El proyecto
wenige irreduzible Begriffe die größtmögliche Abstrak-
luliano de predicación cristiana, in: F. Domínguez, J. de Salas
tion und Formalisierung sucht und so eine Universal- (Hg.): Constantes y fragmentas del pensamiento luliano (1996).
sprache grundlegen möchte, besteht Kirchers Erneue- - 8 L. Badia: Ramon Llull i la tradició literària, in: dies.: Teoria i
rungsleistung im wesentlichen in der Einführung von práctica de la literatura en Ramon Llull (Barcelona 1992) 73-95.
distinkten Symbolen für die einzelnen Kombinationsbe- - 9 M . Batllori: El lullisme a Itàlia, in: ders: Ramon Llull i el lul-
griffe, die bei Lullus noch alle gleichermaßen mit dem lisme (València 1993) 221-335. - 1 0 F . Domínguez Reboiras: Els
Alphabet B - K bezeichnet worden waren. Insbesondere apòcrife lul lians sobre la Immaculada, in: Randa 27 (1990)
für die Jesuiten, etwa K . KNITTEL (<Via regia ad omnes 11-43. - 11J. Perarnau: El dilàleg entre religions en el lullisme
castellà medieval, in: Estudios Lulianos 22 (1978) 241-259. -
scientias et artes>, Prag 1682), erscheint die nunmehr zur 12 J.M. da Cruz Pontes: Miramar en sus relaciones con Portugal
ars Lullio-Kircheriana 'verbesserte' Kunst wegen ihrer y el lulismo medieval portugués, in: Estudios Lulianos 22 (1978)
Garantie für die schnelle Verfertigung einer überzeugen- 261-277. - 13J.N. Hillgarth: Ramon Lull and LuUism in Four-
den R e d e als ein nützliches Instrument für die Bewälti- teenth-Century France (Oxford 1971). - 1 4 A. Madre: Die theol.
gung ihrer Lehr- und Missionsaufgaben. [39] Polemik gegen Raimundus Lullus (1973). - 1SE. Vansteen-
In der zweiten Hälfte des 17. Jh. findet der L. wieder berghe: Un traite inconnu de Gerson <Sur la doctrine de Rey-
Eingang in die volkssprachlichen und die Textproduk- mond Lulle>, in: Revue des Sciences Religieuses 16 (1936) 441-
473,466. - 1 6 E. Colomer: Nikolaus von Kues und Raimund Lull
tion normierenden Lehrbücher, wie Rhetoriken (A. (1961). - 17J. de Puig i Oliver: Sobre el lul lisme de Ramon
WEINHEIMER) oder protestantische Homiletiken (S. Sibiuda, in: Arxiu de Textos Catalans Antics 10 (1991) 225-260.
DIETRICH). E r verliert seine kombinatorische Qualität - 1 8 A. Llinarès: Le lullisme de Lefèvre d'Étaples et de ses amis
und wird wie jede andere Toposliste behandelt, seine humanistes, in: L'Humanisme français au début de la Renais-
Attraktivität scheint sich daher noch aus den umfassen- sance (Paris 1973) 127-136. - 1 9 M. Pereira: Bernardo Lavinheta
den Inventionsgarantien des diskursiven L. Agrippa- e la diffusione del lullismo a Parigi nei primi anni del '500, in:
scher Prägung zu speisen. Wie nun ein lullistischer Topos Interpres 5 (1983/84) 242-265, 245. - 20M.D. Johnston: The

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Lustspiel, Komödie Lustspiel, Komödie

Reception of the Lullian Art, 1450-1530, in: Sixteenth Century Als komische Gattung des Dramas ist die Komödie
Journal 12 (1981)31-^18,40. - 2 1 M . Pereira: L'uso del Panepiste- durch die Überlagerung des Dramatischen mit dem
mon del Poliziano nella Isagoge in Rhetoricam pseudolulliana, Komischen gekennzeichnet. Vom Dramatischen bezieht
in: Physis 16 (1974) 223-233. - 22vgl. D . G . Morhof: D e arte lui-
liana similibusque inventis, in: ders.: Polyhistor (1714) 360-366.
sie die schon im aristotelischen Redekriterium [1] be-
- 23 Agrippa von Nettesheim: In Artem brevem Raymundi Lulli
nannte unvermittelte Überlagerung eines äußeren -
commentarla, in: ders: Opera (Lyon [1600?]; N D 1 9 7 0 ) Epistola, Publikum und Schauspieler betreffenden - mit dem inne-
315. - 24ders.: D e incertitudine et vanitate scientiarum atque ren - die Figurenrede regelnden - Kommunikationssy-
artium, in: Opera [23] 40. - 25 R. Descartes: Discours de la stem [2], welche sie als Referenzrahmen zur absichtsvol-
méthode, in: ders.: Oeuvres, hg. von Ch. Adam, P. Tannery, len Inszenierung komischer (Einzel-)Situationen nutzt.
Bd. 6 (Paris 1965) 17. - 26 vgl. M. Pereira: The Alchemical Cor- Vom Komischen [3] bezieht sie die hierfür typische Sub-
pus Attributed to Raymond Lull (London 1989). - 27 A. Bon- jekt/Objekt-Konstellation, wonach ein beobachtendes
ner: Introduction, in: R. Llull: Opera (1651; N D 1996) 36*. -
28 E. Rogent, E. Duran: Bibliografia de les impressions lul lia-
Subjekt von einer an sich erwarteten «Gegensinnigkeit»
nes (Barcelona 1927; N D Palma de Mallorca 1989). - 2 9 Bonner im beobachteten Objekt gleichwohl so überrascht wird,
[27] 18*. - 30 J.H. Aisted: Systema mnemonicum (1610) lib. IV, daß es unter der Voraussetzung des Ausbleibens affekti-
ver Mitleidsbesetzung diese in einer vorreflektiven Kör-
3 1 8 . - 3 1 ebd. 331 f. - 32J.H. Aisted: Clavis artis lullianae (Straß-
burg 1609) 29-37. - 33 W. Schmidt-Biggemann: Topica universa- perreaktion mit Lachen beantwortet. [4] Das Komische
lis (1983) 101. - 34P. Zambelli: Il <De auditu kabbalistico> e la der Komödie ist also ein bewußt inszeniertes Komisches
tradizione lulliana nel Rinascimento, in: Atti e memorie und unterscheidet sich somit vom kontingent Lächerli-
dell'Accademia Toscana di Scienze e Lettere <La Colombaria)
30 (1965) 115-247. - 35 P. Rossi: The legacy of Ramon Lull in
chen der Lebenswelt [5]; in der strukturellen Äquivalenz
sixteenth-century thought, in: R. Hunt, R. Klibansky, L. von komischer Beobachtungs- und dramatischer Schau-
Labowsky (Hg.): Mediaeval and Renaissance Studies 5 (London situation zeigt sich zudem die Affinität von Komik und
1961) 182-213. - 36F.A. Yates: The Art of Memory (London Drama.
1966, N D 1972) 173-198. - 37J.J. Becher: Methodus didactica Die Komödie ist mithin von drei gattungskonstitutiven
(1674) 126. - 38 R. Descartes: Brief an Beeckman, in: Œuvres Kriterien bestimmt: dem Aufführungsrahmen, dem
[25] Bd. 10 (Paris 1974) 164f. - 39vgl. C. Vasoli: Considerazioni bewußt inszenierten komischen Fall und seiner «Entheb-
sull' <Ars magna sciendi>, in: M. Casciato, M.G. Ianniello, M.
Vitale (Hg.): Enciclopedismo in Roma barocca (Venezia 1986)
barkeit»[6], d.h. praktischen Folgenlosigkeit (z.B. bei
62-77,73. - 4 0 D . Richter: Thesaurus oratorius novus (1660) 46f. einem Sturz ins Wasser, der als <komisch> empfunden
nicht etwa als Aufforderung für Rettungsmaßnahmen
- 41 Th. Borgstedt: Reichsidee und Liebesethik (1992) 285-289.
- 42ed. in J.P. Clark: From Imitation to Invention, in: Wolfen- angesehen wird). Dies benennt bereits die Definition des
bütteler Barock-Nachrichten 14 (1987) H. 3,113-129,123-127. - ARISTOTELES. Im fünften Kapitel der <Poetik> bestimmt
43 Hallbauer Orat. 270. - 44J. Swift: Gulliver's Travels, hg. von er die Komödie als szenische Nachahmung (Kriterium
H. Davis (Oxford 1965) 182-184. - 45B.J. Feijoo: Cartas erudi- des Aufführungsrahmens) eines Lächerlichen (Krite-
tas (Madrid 1742) 206. rium des komischen Falls) ohne identifikatorisch-emo-
tionale Zuschauerbeteiligung (Kriterium der Entheb-
Literaturhinweise: barkeit): «Die Komödie ist [...] Nachahmung [μίμησις,
Obres de Ramon Llull (ORL). 21 Bde. (Mallorca 1906-1950); mimesis] von schlechteren Menschen, aber nicht im Hin-
R O L = Raimundi Lulli Opera Latina(ROL). [bisher 18 Bde.]
(Palma de Mallorca 1959-1967, Turnhout 1975ff.). - Nova
blick auf jede Art von Schlechtigkeit, sondern nur inso-
Edicióes de les Obres de Ramon Llull ( N E O R L ) [bisher 2 Bde.] weit, als das Lächerliche [τό γελοιον, to geloíon] am Häß-
(Palma de Mallorca 1990ff.).-T. und J. Carreras Artau: Historia lichen teilhat. Das Lächerliche ist nämlich ein mit Häß-
de la filosofía española. Filosofía Cristiana de los siglos XIII al lichkeit verbundener Fehler (αμάρτημα, hamártema),
XV. 2 Bde. (Madrid 1939-1943). - M. Cruz Hernández: El pen- der indes keinen Schmerz und kein Verderben verur-
samiento de Ramon Llull (Madrid 1977). - A. Bonner, L. Badia: sacht.» [7] In rhetorischer Sicht stellt sich die Komödie
Ramon Llull. Vida, pensament i obra literaria (Barcelona 1988). dementsprechend dar als die Kunst in dramatischer
- U. Eco: Die Suche nach der vollkommenen Sprache (1994). Form schadlos Lächerliches nachahmender Rede. Von
den drei gattungskonstitutiven Kriterien ist das des
R. Friedlein, Α. Traninger
komischen Falls am ehesten rhetorischer Kodifizierung
Amplificatio -> Ars -> Dispositio —> Geheimsprache —> Inge- zugänglich. Dies bezeugt der - möglicherweise auf den
nium —> Inventio —> Jesuitenrhetorik —»Kombinatorik —»Manie- verlorengegangenen Teil der aristotelischen <Poetik>
rismus -» Memoria —» Topik beziehbare - spätantike <Tractatus Coislinianus», der die
eher beiläufige Unterscheidung der aristotelischen R h e -
torik» von lächerlichen «Personen, Worten und Werken»
Lustspiel, Komödie (griech. κωμφδία, kömödia; lat. [8] nach komischer Rede (λέξις, léxis), komischen Hand-
comoedia; engl, comedy; frz. comédie; ital. commedia) lungen (πράγματα, prágmata) und komischen Charakte-
A. Def. - I. Begriff u. Gattungsmerkmale. - II. Struktur. - III. ren (ήθη , éthë) katalogisiert. [9]
Funktion. - B. Geschichte. - 1 . Antike. - II. Mittelalter und frühe II. Struktur. Die Bestimmung der Komödie über
Neuzeit. - III. Späte Neuzeit. - IV. Gegenwart. die Nachahmung lächerlicher (Einzel-)Handlungen
A.I. Begriff und Gattungsmerkmale. Die Begriffe (hamartémata) entspringt der Einsicht in die Punktuali-
<Lustspiel> und < Komödie» bezeichnen in der Sache im tät des komischen Falls; dies steht in Kontrast zu der aus
wesentlichen ein und dasselbe: der Begriff <Lustspiel> dem Anfang eines tragischen Irrtums (άμαρτία, hamar-
zielt ab auf die - im Gegensatz zur traurigen - lustige tia), der Mitte des Handlungsumschwungs (περιπέτεια,
Variante des (Theater-)Spiels, der Begriff der Komödie peripéteia) und dem auf die Wiedererkennung (άναγνώ-
meint die - in Opposition zur tragischen - komische Gat- ρισις, anagnörisis) folgenden Ende der Katastrophe
tung des Dramas. Versuche einer insbesondere mit der (πάθος, pàthos) zusammengesetzten logisch-linearen
deutschen Komödiengeschichte und dort näherhin mit Handlungsabfolge der Tragödie. [10] In aristotelischer
der Aufklärung verbundenen begrifflichen Differenzie- Sicht stehen mithin der Einheitshandlung der Tragödie
rung haben sich nicht durchgesetzt. In der Folge stehen (μΰθος, m^thos) die Einzelhandlungen der Komödie
dementsprechend beide Begriffe weitgehend synonym. (prágmata) gegenüber; während die Tragödie durch die

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Lustspiel, Komödie Lustspiel, Komödie

Dominanz der Nachahmung eines in sich geschlossenen Eine (Einzel-)Komödie ist demnach charakterisiert über
Handlungsbogens (σύνθεσις των πραγμάτων, synthesis das jeweils gewählte Ermöglichungssyntagma, den domi-
tön pragmáton) [11] bestimmt ist, eignet der Komödie nanten Typus der darauf operierenden komischen Para-
die Nachahmung einer Vielzahl zunächst unverkniipfter digmen sowie das Zusammenspiel beider Ebenen; die
(Einzel-)Handlungen, Menschen oder Reden. Dies Geschichte der Gattung folgt dementsprechend der
kennzeichnet ihre von Aristoteles für die Tragödie ver- unterschiedlich interessierten Besetzung des Syntagmas,
worfene Episodik. [12] Versuche, in Analogie zur Tragö- dem jeweils zulässigen Grad des Ausagierens der
die auch der Komödie eine ihr eigene einsträngige Hand- gewählten Paradigmen sowie der Kaschierung oder Dar-
lungsstruktur zuzuweisen, wie zuletzt N. FRYES folgenrei- bietung der prinzipiellen Gegenläufigkeit beider Ebe-
ches Mythos-Postulat einer «dreisätzigefn] Form» von nen.
Ordnung, Ordnungsstörung und wiedergewonnener Die Ebene des Syntagmas folgt in der Regel einem
Ordnung verkennen dies. [13] nicht als Mythos aufzufassenden, nicht-komischen «Re-
Gleichwohl bedarf die Komödie zur Serialisierung stitutionsschema». [19] Dies ist die Achse dominanter
(Reihung) des komischen Falls eines stabilisierenden Mimesis; sie stellt die zentralen semantischen Merkmale
Fundaments. Dies blieb bis zum Ende des 19. Jh. der der dramatischen Spielwelt, bleibt aber aufgrund ihres
«blinde Fleck aller Komödienpoetik». [14] Eine Lösung Einsatzes als Ermöglichungs- und Enthebungsstruktur in
findet sich erst in der Ästhetik E. v. H A R T M A N N S . Er den meisten Komödien sekundär und fungiert als das
trennt Tragödie und Komödie nicht über das Kriterium impulsgebende Fundament für die In-Gang-Setzung,
der An- bzw. Abwesenheit einer einheitlichen Hand- aber auch die Arretierung des komischen Spiels. Von
lung, sondern über deren je unterschiedliche Wirkung: hier aus erklärt sich auch das gattungstypische, nicht aber
während die Stringenz tragischer Handlungsverknüp- gattungskonstitutive <gute Ende> der Komödie. Typische
fung den - einmaligen - tragischen Effekt erhöht, ten- Arretierungsmomente komischen Spiels sind Hochzei-
diert eine in sich konsequente lange komische Hand- ten, Wiedererkennungen, Rechtsfindungen und derglei-
lungsfolge dazu, die an sich mögliche Vielzahl komischer chen als die sichtbaren Zeichen einer vorübergehenden
Effekte eher zu reduzieren. Demzufolge geht es in der Vernunftrestitution. Typische Verlaufsformen ander-
Komödie vornehmlich darum, «die rasch vorüberrau- weitiger Handlungsführung sind dementsprechend die
schende komische Wirkung durch öftere Wiederholung unvernünftige Trennung von Liebenden oder Zusam-
zu steigern und die ganze Reihe dieser komischen Wir- mengehörigen sowie die widerrechtliche Vortäuschung
kungen auf den Grund einer anderweitigen Handlung von Sachverhalten. Dies zeigen vor allem das die Ver-
aufzuheften oder in dieselbe einzuflechten». [15] Hart- nunft der Liebe gegen die Unvernunft ihrer Verhinderer
mann unterscheidet also zwischen komischen Handlun- ausspielende <romaneske> [20] oder aber ein die Wider-
gen einerseits und einer nicht-komischen anderweitigen vernunft der Listigen gegen die Unvernunft der Dum-
Handlung andererseits und formuliert hierfür als Bedin- men ausspielendes <Intrigantenschema>. [21] In der er-
gung, «daß die Handlung, in welche die Reihe von komi- wartbaren Ordnungswiederherstellung offenbart sich
schen Wirkungen verwebt wird, eine solche ist, deren zudem der zyklische Grundcharakter anderweitiger
ästhetische Wirkung nicht durch das Einflechten des Komödiensyntagmen. [22]
Komischen beeinträchtigt, sondern womöglich gehoben Die Ebene der Paradigmen folgt der Punktualität des
wird, und ebenso, daß sie die komischen Wirkungen komischen Falls. Dies ist die Achse dominanter Perfor-
nicht beeinträchtigt, sondern unterstützt». [16] Damit manz; sie stellt die zentralen pragmatischen Merkmale
erweist sich die Struktur der Komödie durch die Relation des theatralen Spiels und ist von primärer Bedeutung für
zweier Ebenen bestimmt: der Ebene einer anderweitigen die Auffassung von der Komödie als spezifisch komi-
linearen Handlungsfolge, welche die Reihung des komi- scher Gattung. Von hier erklärt sich auch die Auffassung
schen Falls unterstützt und zugleich dessen jeweilige der Komödie als <lustiges Spiel>. Die Spielparadigmen
Enthebbarkeit garantiert; und der Ebene der durch sie folgen den elementaren Spielformen des Wettstreits, des
ermöglichten und auf ihr parasitär operierenden komi- Zufalls, der Nachahmung und des Rauschs [23]; ihre
schen Handlungen selbst, welche ihrerseits die anderwei- wesentlichen Instrumente sind der Körper und die Spra-
tige Wirtsstruktur nicht zu sehr überborden dürfen, ohne che, ihr Grundprinzip eine die komische Gegensinnig-
deren Ermöglichungspotential zu untergraben. keit in Szene setzende Inkongruenz. Dies ist unterschied-
Der Komödie eignet mithin eine Doppelstruktur; sie lich klassifiziert worden. Die Idee einer aristotelischen
ist gekennzeichnet durch die Überlagerung eines in der Einteilung nach komischen Reden, Charakteren, Hand-
Regel nicht-komischen Handlungssyntagmas durch dar- lungen vermittelt der Katalog des <Tractatus Coislinia-
auf aufgesetzte komische Handlungsparadigmen. [17] In nus>[24]; dies läßt sich erweiternd aufgliedern in die
rhetorischer Sicht bedeutet dies die Indienstnahme der inszenierbaren Paradigmen einer Sprachlichkeit und
dispositio für die Inszenierung komischer inventiones; Dialogführung betreffenden «Redekomik», einer Typus
während also die Tragödie gefundene Einfälle nutzt zum wie Charakter darstellenden «Figurenkomik» sowie
Aufbau einer in sich stringenten einsträngigen Hand- einer auf Prinzipien wie dem der Verwechslung, der
lungsfolge, funktionalisiert die Komödie umgekehrt Verstellung, der Körperlichkeit und der Wiederholung
den syntagmatischen Handlungsaufbau zur Darbietung basierenden «Handlungskomik». [25] In semiotischer
komischer Einfälle und stellt ihre dispositio so in den Sicht läßt sich scheiden in paradigmatisch eingesetzte
Dienst eines «paradigmatischen Prinzips komischer Instanzen verbaler (sprachlicher, paralinguistischer) und
inventio». [18] Das Spektrum möglicher (Komödien-) nonverbaler Komik (Gestik, Mimik, Akrobatik etc.) [26]
Syntagmen reicht von der rein funktional bestimmten a- wie auch in Situationen ihrer wechselseitigen Dementie-
semantischen Reihung bis hin zur substantiell-problem- rung und dann weiterhin gewichten nach dem Grad ihrer
semantischen Besetzung; das Spektrum möglicher Para- Roheit bzw. Subtilität. In rhetorischer Sicht bedeutet
digmen erstreckt sich unter Nutzung aller zur Verfügung dies die decorum-ve,rietzende bzw. erfüllende Realisie-
stehenden medialen Codes und Kanäle von derb-grotes- rung des paradigmatischen Prinzips komischer inventio
ker Körperkomik bis hin zu subtil-ironischem Wortwitz. entweder im Bereich der texterstellenden elocutio oder

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auf Seiten der den Text ins Spiel umsetzenden actio. Typi- wird. [39] Die komödienspezifische Überformung der
sche Komödienparadigmen reichen von einer Fratzen, rhetorischen Funktion des delectare durch ein vorgescho-
obszöne Gesten, Prügel, Tanzeinlagen, akrobatische benes Nützlichkeitspathos beginnt explizit im 4. Jh. n.
Kunststücke und ähnliches darstellenden Körperkomik Chr. bei den Grammatikern D O N A T U S und E U A N -
über Handlungswünsche oder Identitäten destabilisie- THIUS [40] und erstreckt sich bis in die Gegenwart. Sie fin-
rende Situationskomik bis hin zu einer sich von bloßem det sich einerseits in den insbesondere auf B E R G S O N
Gestammel, Sprachfehlern, Wortirrtümern zu bewuß- zurückführbaren Theorien von der normbestätigenden
tem Wortwitz, ironischer Schlagfertigkeit und satirischen korrektiven Funktion einer «brimade sociale» (sozialen
Pointen erstreckenden Sprachkomik. Der Performanz- Schikane) [41], andererseits in den im Gefolge marxisti-
charakter der Paradigmen bewirkt dabei, daß auch ein scher Ästhetik vertretenen Theorien einer Normen und
noch so sehr auf Ausschluß bedachtes Verlachen auf der Ideologien bewußtmachenden Sozialkritik. [42]
Ebene des Dargestellten (rire d'exclusion) einmündet in Eine Klärung bietet die der Soziologie entstammende
ein fröhlich-einvernehmliches Belachen auf der Ebene Unterscheidung in eine vorbewußte <latente> und in stra-
der Darstellung (rire d'accueilί). [27] tegisch nutzbare <manifeste> Funktionen. Während also
Schematisch präsentiert sich die Doppelstruktur der Strukturbildungen nachträglich unmittelbaren situativen
Komödie also wie folgt: Interessen dienstbar gemacht werden können, sind sie
zugleich auch umgekehrt immer schon Antworten auf
vorgängige Funktionsbedürfnisse, die sich menschliches
- 1 -ζ J 11 Ende Handeln verdecken muß, «um Orientierbarkeit und
Paradigmen Motivierbarkeit nicht zu verlieren». [43] Dies heißt, daß
Ì l Syntagma
i I —Js (Einzel-)Komödien in historisch konkreten Situationen
sehr wohl etwa aufgrund des <guten Endes>, des verprü-
gelten Bösewichts oder des entlarvten Heuchlers das
manifeste Funktionsspektrum von der Gesellschaftsaf-
Die Ebenen des Syntagmas und der Paradigmen firmation bis zur Sozialkritik erfüllen mögen, daß aber
bestimmt ein «Interaktionsverhältnis» [28]: je stärker das der <historische Sinn> der Gattung nicht in solchen re-
spielwelterstellende nicht-komische Syntagma, desto duktiven Fokussierungen auf syntagmatische oder para-
stärker die Illusionsbildung und desto größer die Gefahr digmatische Teilstrukturen aufgeht, sondern in einem
affektiver Mitleidsbesetzung; je mannigfaltiger die spiel- grundsätzlichen anthropologischen Dimensionsgewinn
darstellenden komischen Paradigmen, desto stärker die zu sehen ist, der andernorts so nicht geleistet wird. [44]
der «Isolierung des komischen Falls» entsprechende Während also manifeste Funktionszuschreibungen in
Lachlust [29] und desto geringer die identifikatorische einseitiger Negation vordergründig eine vermeintlich als
Bindung an die dargestellte Illusion. [30] Die strukturel- falsch erkannte <Wahrheit> gegen eine <richtigere> aus-
len Grenzen der Komödie liegen demnach auf der einen tauschen, geht es in der Komödie eigentlich um die Insze-
Seite dort, wo die Paradigmen das Ermöglichungssyn- nierung einer beständigen Kipp-Bewegung «wechselsei-
tagma vollends in den Hintergrund treten lassen, auf der tiger Negation», in der nicht «die eine Position bestritten
anderen da, wo das anderweitige Handlungssyntagma und die andere zur Orientierung der entstandenen Strit-
die potentiell komische Wirkung der Paradigmen immer tigkeit wird, sondern [...] die gekippte Position [...] etwas
schon ernsthaft konterkariert und so zur eigentlichen an der anderen zu sehen erlaubt, durch das die schein-
Handlung wird. Der eine Pol ist reine Blödelei [31], der bar triumphierende ebenfalls zum Kippen gebracht
andere das Paradoxon einer «ernsten Komödie». [32] wird». [45] Solches meint die Rede von der Latenzfunk-
III. Funktion. Während der Tragödie durch ARISTOTE- tion grundständiger «Positivierung von Negativität». [46]
LES die Funktion einmaliger Reinigung (κάθαρση, Dies hat J. RITTER auf den Begriff gebracht: «Nicht der
kátharsis) von Erregungszuständen (παθήματα, pathë- gute Ausgang, nicht die Prügel, die der Bösewicht
mata) wie dem des Jammers (ελεος, éleos) oder dem des bezieht, nicht die Entlarvung des Heuchlers machen das
Schauderns (φόβος, phóbos) zugesprochen ist [33], fehlt Wesen des Komischen aus, sie sind die sichtbaren Sym-
der komödiantischen Strukturbildung eine vergleichbare bole des grundsätzlichen Spiels, das hier überhaupt
autoritative Sinnzuschreibung. Die im <Tractatus Coisli- gespielt wird und dessen Sinn es ist, die Zugehörigkeit
nianus> vorhandene These von einer analogen Funktion des dem Ernst Fremden zur Lebenswelt zu manifestie-
der Reinigung von Vergnügen (ηδονή, hëdone) und ren, gleichgültig, ob dies nun in dem tieferen Sinn einer
Gelächter (γελοδον, geloíon) als Erregungszuständen Kritik an der ernsten Welt selbst und ihrer Ordnung
scheint aufgrund des offensichtlichen Nachbildungscha- gemeint ist oder ob dies der vitalen Freude am Reichtum
rakters zur Tragödiendefinition unzuverlässig [34]; des Lebens und am Recht des Unsinns und des Unver-
gleichwohl läßt sich das Begriffspaar <Vergnügen und stands entspringt.» [47] Damit erweist sich also die
Gelächter> als punktuelles komödiantisches Wirkungs- Komödie in funktionaler Sicht als eine im Modus des
ziel nicht nur aus Bemerkungen aus der aristotelischen Dramatischen verortete spielerische Inszenierungsagen-
<Rhetorik> [35], sondern auch aus den Schriften der tur nicht-schmerzender Grenzsituationen, deren lustvoll
nacharistotelischen Tradition ableiten. [36] Die bis heute belachendes Durchleben kathartisch von lebensweltlich
der Komödie unter dem Begriffsspektrum von <Affirma- rational nicht Bewältigbarem befreit; die Geschichte der
tion> bis <Kritik> zugeschriebene didaktische Funktion Gattungsfunktion folgt dementsprechend den sich wan-
scheint indes eine Zutat späterer Generationen. Ihr lite- delnden Impulsen unterschiedlich intensiver Indienst-
rarischer locus classicus ist die horazische Formel «aut nahmen dieses grundsätzlichen Spiels für situativ be-
prodesse volunt aut delectare poetae» [37], welche sich in dingte manifeste Interessen.
der Antike gegen das bis auf PLATON rückführbare Argu- B. Geschichte. I. Antike. Die Geschichte der abendlän-
ment von der potentiellen Schädlichkeit des Lachens [38] dischen Komödientradition beginnt mit den Komödien
richtet und in nachantiker Zeit zur Abwehr einer so- des A R I S T O P H A N E S (5. Jh. v. Chr.). Ihr funktionaler Ort ist
dann christlich motivierten «Lachfeindschaft» bemüht die Institution der athenischen Dionysien, ihre formale

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Grundstruktur basiert aufgrund ihres rituellen Charak- wischungen in Szene gesetzten Verwechslungskomik
ters auf einem noch dominant syntaktisch organisierten sowie Paradigmen einer über Sprachwitz und Dialogge-
Syntagma mit den formalisierten Teilen <Prolog>, <Par- staltung geführten Redekomik. [55] Aufgrund des ent-
odos>, <Agon>, <Parabase>, <Episoden> und <Exodos>, von hebbarkeitsfördernden Harmoniegestus der Liebesthe-
denen die Sequenz <Parabase>-<Episoden> gedoppelt matik bleibt das Verhältnis von Paradigmen und Ermög-
werden kann; dies unterliegt in der Regel einem rudi- lichungssyntagma weitgehend unproblematisch. Dies er-
mentären Schema einer in <Planung> und <Realisation> klärt den enormen Rezeptionserfolg dieses Komödienty-
zweigeteilten utopischen Suche nach einer friedlichen pus bis heute.
besseren Welt. [48] Dabei stellt der Prolog den semanti- II. Mittelalter und frühe Neuzeit. Die komischen dra-
schen Rahmen, Parodos und Agon das Konfliktpotential matischen Formen des Mittelalters setzen diese Tradi-
und der Exodos den rauschhaften reintegrativen Ab- tion nicht fort. Sie sind entweder kultisch gebunden an
schluß dieser Suche. In sie eingelassen sind zum einen die die sakrale Syntax des auf die Liturgie der Osterfeier
Zuschauer, Autor wie athenische Wirklichkeit einbezie- rückführbaren geistlichen Spiels mit der «latente [n]
hende, spieldarstellende Parabase und zum anderen die Funktion ritueller Entlastung vom Druck der Dämonen-
als eigentliche Verlachsequenz fungierende Episoden- furcht» [56] oder finden sich relegiert in das mit dem anti-
reihe. Darin zeigt sich die charakteristische Paradigmatik ken Mimus verwandte subliterarische Arsenal eines Kör-
der aristophanischen Komödie. Im kultischen Lizenzrah- perparadigmen und Obszönitäten ausagierenden Volks-
men des dionysischen Fests nutzt sie die Anderweltlich- lustspiels [57] bzw. deren Verwendungsformen in höfi-
keit eines Innen und Außen, Oben und Unten, Fiktion schen oder sakralen Interludien. [58] Entscheidend für
und Realität ineinssetzenden «dialogischen Chronoto- die Entwicklung der Komödienpoetik ist jedoch die auf
pos» [49] zur Darstellung mitunter recht derber, aggressi- die <Rhetorica ad Herennium> zurückgehende ständi-
ver und auch direkt bezogener komischer Einfälle. sche Umdeutung der Dreistillehre, derzufolge Komi-
Damit erfüllt sie gewiß zum einen punktuell die manife- sches nur im Bezug auf niedere Schichten zur Anwen-
ste Funktion einer konkret gerichteten sozialen Kritik, dung kommen darf. [59] Dies führt zur folgenreichen
bleibt aber zugleich immer in größerem Rahmen an die Ausprägung eines Stiltrennungsgebots sowie der Kon-
Latenzfunktion kollektiv-orgiastischer Entlastung von zeption einer die aristokratische Haupthandlung spie-
der Normativität der athenischen Lebenswelt gebunden. gelnden komischen Nebenhandlung; eines der frühesten
Die entscheidende Innovation der Neuen Komödie Beispiele hierfür ist H E N R Y M E D W A L L S interlude <Ful-
liegt in der nicht-komischen Gattungen entlehnten Ent- gens and Lucres> (ca. 1497). [60]
deckung des romanesken Liebesschemas als einer ideal Der historische Schritt zur frühneuzeitlichen Komödie
geeigneten anderweitigen Ermöglichungsstruktur. Da- besteht vor allem in der humanistisch motivierten Wie-
mit überführt sich eine vorwiegend syntaktisch gereihte derentdeckung des romanesken Schemas als produkti-
in eine dominant semantisch motivierte Handlungsorga- vem, anderweitig verwendbarem Syntagma. Dies bezeu-
nisation. Dies kennzeichnet nicht nur die meisten Komö- gen die gegen Ende des 15. Jh. in Italien erscheinenden
dien des M E N A N D E R , sondern insbesondere auch die des Übersetzungen des Plautus und Terenz; dies bezeugen
P L A U T U S und des T E R E N Z ; es gilt aber auch noch für die zudem die einflußreichen Komödien eines ARIOST, B I B -
meisten Komödien des Volks- und Bauerntheaters im 20. BIENA, MACHIAVELLI oder ARETINO. Ihre höchste literari-
Jh. Ihre Grundstruktur besteht darin, «daß ein junger sche Perfektion erreicht die Ausgestaltung des romanes-
Mann ein junges Mädchen will, daß diesem Wunsch eine ken Liebesschemas in den vor 1600 entstandenen Komö-
Opposition, meist von elterlicher Seite, entgegensteht dien SHAKESPEARES. [61] Dort dient die zumeist italieni-
und daß gegen Ende des Stücks eine plötzliche Wendung scher Novellistik entnommene erwartungseinlösende
dem Helden zustatten kommt, so daß er sich durchsetzen Zusammenführung heterosexueller Paare der Erzeu-
kann». [50] Dies läßt sich weiterhin katalogisieren nach gung eines problemlosen Zuschauervergnügens, das der
den Hindernistypen der Trennung, des Fehlverhaltens Differenziertheit des elisabethanischen Publikums ge-
zwischen Mann und Frau bzw. Vater und Sohn oder Herr recht wird: im <Midsummer Night's Dream> etwa als stil-
und Sklave, der Existenz eines rivalisierenden Gegen- ebenenbewußtes Paarungsspiel, in Komödien wie <As
spielers wie des Vorkommens eines charakterlichen You Like It> und <Twelfth Night, or What You Will> in
Defekts. [51] Dementsprechend ergibt sich das komische der bereits programmatischen Titelerfüllung des roma-
Potential vornehmlich aus dem episodischen - bis hin nesken Zuschauergeschmacks. Die präsentierten Spiel-
zum endgültigen - Scheitern der Oppositionsfiguren als paradigmen reichen dabei aufgrund der publikumsorien-
den Repräsentanten der Unvernunft. [52] Die ermöglich- tierten Ästhetik eines stilmischenden «mingle-mangle»
ten Paradigmen sind also in erster Linie Paradigmen bzw. «hodge-podge» (Mischmasch) [62] von der geistrei-
einer - zumeist aus dem Porträtarsenal des THEOPHRAST chen Dialogrede und dem rhetorisch komplizierten
bezogenen - Typen- bzw. Charakterkomödie. Sie ist zum Wortwitz [63] bis hin zu derb-sexuellem Vokabular [64],
einen zentriert auf die Gegenspielerfigur des Hausvaters, volkstümlich-farcenhaften Prügelszenen [65] oder auch
zum anderen auf die Vertreter <freier Komik>. [53] Aber zu Commedia dell'arte-ähnlichen frei improvisierten
auch hier ist vor der vorschnellen Vereinnahmung der lazzi (Possen). [66] In dieser Sicht erweist sich das roma-
Komik für die bloßstellende Kritik zu beachten, daß im neske Grundschema erneut als ideale Vorlage exube-
Rahmen des theatralen Spiels in der Regel die Freude an rant-fröhlichen Spiels. [67] Gleichwohl stößt die Entheb-
der Darstellung die Kritik am Dargestellten überschießt. barkeitsgarantie romanesker Anderweitigkeit auch
Wirkmächtige komische Figurentypen aus dieser Tradi- zunehmend an die Grenzen des lebensweltlich Plausi-
tion sind handlungsgebunden der erzürnte Alte (senex blen. Dies führt in England ab 1600 zu verstärkten Expe-
iratus), der großmäulige Aufschneider (miles gloriosus), rimenten am Syntagma. Bei Shakespeare äußert sich dies
der listige Sklave (servus dolosus), handlungsunabhängig in den enthebbarkeitserschwerenden Gesten unerwarte-
Parasit, Koch, Narr und Clownsfiguren. [54] Daneben ter Mitleidsbesetzung wie etwa in der Figur des Shylock
kennzeichnen die Neue Komödie zudem auch Paradig- im <Merchant of Venice> oder aber im reintegrationsver-
men einer über Doppelgängerfiguren bzw. IdentitätsVer- weigernden <guten Ende> wie in der potentiellen Heirats-

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unwilligkeit der Novizin Isabella in <Measure for Mea- benutzt es als Substrat für das Ausspielen komischer
sure) oder auch schon im Ausschluß der Figuren des lazzi wie in der paradigmatischen Entgegensetzung von
Melancholikers und des Puritaners in der Schlußgestal- M. Jourdain mit dem maître de musique, dem maître à
tung von <As You Like It> bzw. <Twelfth Night>. danser, dem maître d'armes, dem maître de philosophie
Gegenüber der Dominanz des romanesken Schemas und dem maître tailleur im <Bourgeois gentilhomme). [82]
profiliert sich im frühneuzeitlichen Spanien eine andere Zum anderen führt er die Komödie konsequent an ihre
Tradition. Dort entsteht mit der <comedia de capa y Gattungsgrenzen, indem er die prinzipielle «Gegenstre-
espada> eine Komödienform, welche statt des asymme- bigkeit» [83] zwischen sozialer Besetzung und komödian-
trischen Konflikts von Vernunft und Unvernunft ein tischer Nutzung experimentell zur Basis für eine deutli-
ebenfalls auf antike Vorbilder rückführbares symmetri- che Aufwertung des Syntagmas und eine erschwerte Ent-
sches Intrigenschema gebraucht, demzufolge zwei junge hebbarkeit der Paradigmen macht. Dies zeigt sich in den
Paare «im Laufe der Handlung zueinander finden, dabei mitleiderzeugenden ernsthaften Konsequenzen k o m i -
aber durch Mißverständnis, Verwechslung, Eifersucht schem Handelns im <Tartuffe>, im nicht-restitutiven
oder auch reine Launenhaftigkeit behindert wer- Scheitern des gehörnten Ehemanns in <Georges Dan-
d e n » . ^ ] Dies kennzeichnet die Werke eines LOPE D E din>, in der bedrohlichen Amoralität der Paradigmen im
V E G A , CALDERÓN und TIRSO DE M O L I N A . [ 6 9 ] Dabei dient
nicht-guten Ende des <Dom Juan> sowie auch in der ver-
das anderweitige Syntagma einer <KIärung> oder <Hei- nunftdekonstruktiven Ineinssetzung von Liebendem
lung> dem paradigmatischen Ausagieren komischer und komischem Held mit der daraus resultierenden
Ambiguierung des Schlusses zur gesellschaftlichen
Situationen wie der generellen Inszenierung von
Unentrinnbarkeit im <Misanthrope>. [84] Mit Blick auf
<Spiel>[70], führt aber nicht wie das romaneske Schema
die manifeste Funktion bewegt sich so die Komödie
zu einer versichernden vollständigen Wiederherstellung
Molières zwischen Affirmation und Kritik. [85] Gleich-
von Ordnung, sondern endet oftmals nur im bloßen
wohl dienen aber die auf Inhaltsebene vorgezeigten
«Kompromiß».[71] Dies deutet auf die Labilität der «miroirs publics» (öffentlichen Spiegel) auf der Ebene
lebensweltlichen Ehrennormen und führt in dekonstruk- ihrer theatralischen Vermittlung immer schon dem Ver-
tiver Manier in einen <ausweglosen> Schluß, der eine all- gnügen des Genusses von vorrationalen «choses qui nous
umfassende kulturelle Fremdbestimmtheit des Men- prennent par les entrailles» (Dingen, die uns bei den Ein-
schen anzeigt. [72] geweiden packen). [86] Demzufolge bekommt, wer
III. Späte Neuzeit. Das neuzeitliche Verständnis der «Molières Bühne als bloße Widerspiegelung einer gesell-
Komödie ist durch eine verstärkte poetologische wie schaftlichen Wirklichkeit analysiert, [...] sie als Komödie
auch politische Disziplinierung der Komödienfunktion [...] nicht in den Blick». [87] Die eigentliche Komödien-
bestimmt. Hieraus resultiert zum einen der Versuch funktion liegt in der Inszenierung jener Kipp-Bewegung,
einer deutlicher konturierten sozialen Besetzung des in der der Lachende seine Kapitulation vor rationaler
Syntagmas und zum anderen die intensivierte Bemühung Bewältigung des Belachten immer schon mit eingesteht
um zivilisatorische Bändigung der Paradigmen. [73] Dies und ihm mithin immer schon auch «die Frage gestellt
zeigt sich etwa in der poetologischen Ablehnung unmä- [wird], warum er lacht». [88] Molières dezidiertes Experi-
ßigen Lachens [74] wie auch in der politischen Zurück- ment am Kriterium der Enthebbarkeit besteht dement-
drängung improvisatorischen Spiels als sich unkontrol- sprechend im beständigen Einsatz neuer Themen zur
liert selbst darstellender «self-resembled show» [75]; es Aufrechterhaltung der Dynamik des Kipp-Moments.
schlägt sich nieder in der Vertreibung der <freien> Gegenüber diesem dem ständeübergreifenden Publikum
Clownsfigur [76] wie in der generellen Anhebung der von la cour et la ville (Hof und Stadt) verpflichteten
Peinlichkeitsschwelle für das Lächerliche. [77] Einer der Komödientypus ist die sich daraus speisende englische
wichtigsten frühneuzeitlichen Vorläufer dieser Entwick- Restoration Comedy» weniger radikal. [89] Die Komö-
lung ist Shakespeares Zeitgenosse B E N JONSON. Seine im dien eines D R Y D E N , ETHEREGE, WYCHERLEY, V A N B R U G H
Rückgriff auf die pseudo-ciceronische Formel von der oder CONGREVE basieren in der Regel auf einem - oftmals
Komödie als «imitatio vitae, speculum consuetudinis, ständisch gedoppelten - erotischen Intrigenschema, das
imago veritatis» (Nachahmung des Lebens, Spiegel der dazu eingesetzt wird, im Rahmen einer höfischen Fassa-
Gewohnheit, Bild der Wahrheit) [78] konzipierte Absage denkultur über die Inszenierung eines sich in witzig-
an das romaneske Schema eines «cross-wooing» (Über- anzüglichen Pointen überbietenden Geschlechterdialogs
Kreuz-Werbens) [79] führt in einem ersten Schritt zu ver- Strategie und Wahrheit voneinander zu scheiden. Aller-
nunftrestituierenden Komödien einer fröhlich belachba- dings erscheint dabei der syntagmatische Zielpunkt einer
ren sozialen Verhaltenskorrektur, in einem zweiten zu zwischen Lüstling und Erbin gestifteten E h e letztlich oft-
einem die Instanz der Vernunft selbst befragenden sati- mals nur als bloßer Kompromiß zur Beendigung der
rischem Komödientypus mit deutlicher Ambiguierung paradigmatischen Lust am rhetorischen Spiel des aristo-
des <guten> Endes und mündet schließlich gleichwohl in kratischen wit.
der die Möglichkeit menschlicher Verhaltenskorrektur
verwerfenden fröhlich-skeptizistischen Karnevalskomö- Eine bedeutende Umbesetzung der Komödienstruk-
die <Bartholmew Fair>. [80] tur findet sich bei M A R I V A U X . Statt das Syntagma einer
Die Nobilitierungsbemühung über den Einbezug erotischen Ermöglichung für die Darstellung eines amo-
gesellschaftlich wichtiger Themenbereiche wie Geld, ralisch-witzigen «Intrigenopportunismus» [90] zu nutzen,
Recht oder soziale Täuschung ist in der europäischen kehrt er die funktionale Zuordnung der beiden Struktur-
Komödiengeschichte vor allen Dingen mit dem Namen ebenen um und stellt die Paradigmen des beständigen
MOLIÈRE verbunden. Er unternimmt dies vornehmlich Scheiterns gegenseitiger Verschleierung <wahrer> Liebe
durch die Besetzung der traditionellen Verlachfiguren in den Dienst der so zur eigentlichen Handlung werden-
mit erkennbaren Sozialcharakteren. [81] Dabei bedient den Liebeshandlung. [91] Damit verlagert er den Komö-
er sich zum einen in ganz traditioneller Manier virtuos dienkonflikt von Vernunft und Unvernunft in die Lie-
des romanesken Schemas einer Entgegensetzung von benden selbst und macht ihn zu einem inneren Konflikt
Jung und Alt wie etwa in der <École des Femmes> und zwischen gesellschaftlichem Zwang und gefühlsgesteuer-

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tem Verlangen. Die syntagmatische Lösung dieser einem solchen Versuch steht das Theater DÜRRENMATTS
«Identitätskrise der Liebenden» [92] erfolgt über die eher noch in der Tradition einer sozial anklagenden ein-
komischen Sprachhandlungen des marivaudage (galant- seitigen Negation. [104] Der Weg der Erneuerung der
witziges Geplauder); da diese aber selbst potentiell Komödie über die reflektierende Thematisierung von
immer schon mitleidsbesetzt sind, zeigt sich die Komödie Komik selbst zeigt sich - neben den mythenauflösenden
Marivaux' als Komödie einer «reduzierten Paradigma- Stücken eines B. STRAUSS [105] - insonderheit in England
tik» [93] und führt zu einer deutlichen, zivilisatorisch so in der dortigen Entwicklung von Komödie und Farce: in
auch gewollten «Dämpfung des Lachens». [94] Dies den Brechungen von Komödien scheiternder Komik wie
bestimmt generell die Komödie der Empfindsamkeit OSBORNES <Entertainer> oder GRIFFITHS' <Comedi-
nicht nur bei Marivaux, sondern vornehmlich im von ans> [106], in der Entstehung einer «parodistischen Meta-
einer neu aufkommenden mitfühlenden Lachtradition farce» wie etwa M. FRAYNS <Noises Off> [107] und nicht
geprägten England etwa bei STEELE und GOLDSMITH wie zuletzt in Η . BARKERS wütendem Anschreiben gegen die
auch in der nunmehr verspätet auf den Plan tretenden Selbstversichertheit einer (post-)modernen bürgerlichen
deutschen Komödie bei LESSING. [95] Auf diese Weise Comedykultur mit einem todernsten: «I laugh». [108]
etabliert sich zudem die Tradition einer mit der Reduk-
tion des komischen Falls wie der Erschwerung der Ent- Anmerkungen:
hebbarkeit zwei ihrer drei Gattungskriterien in Frage 1 Arist. Poet. 3, 1448a. - 2M. Pfister: Das Drama ("1997) 19ff.;
stellenden <ernsten> Komödie. [96] vgl. A. Mahler: Aspekte des Dramas, in: H. Brackert, J. Stück-
Die zivilisatorische Bändigung des Komischen für eine rath (Hg.): Literalurwiss. (51997) 71ff. - 3vgl. bes. W. Preisen-
beherrschbare manifeste Funktion hat tiefgreifende danz: Das Komische, das Lachen, in: HWPh, Bd. 4, Sp.889ff. -
Konsequenzen für die Folgeentwicklung der Komödie. 4H. Plessner: Lachen und Weinen. Eine Unters, der Grenzen
In England hält ein vermeintlich wohlwollender Überle- menschlichen Verhaltens (1941), in: ders.: Gesamm. Sehr., Bd. 7
(1982) 294ff.; vgl. R. Warning: Art. <Komik/Komödie>, in: U.
genheitshumor die Radikalität des Lachens großbürger- Ricklefs (Hg.): Fischer Lex. Lit., Bd. 2 (1996) 897ff. - 5É. Sou-
lich in Schach [97]; in Frankreich zeigen sich mit B E A U - riau: Le risible et le comique, in: Journal de psychologie normale
MARCHAIS zunächst noch Rückgriffe auf das Vorgänger- et pathologique 41 (1948) 145 ff. - 6 Κ. Stierle: Komik der Hand-
paradigma moralisch indifferenter «karnevalesker Anar- lung, Komik der Sprachhandlung, Komik der Komödie, in: W.
chie» [98], bevor die Komödie auf den Boulevard getrie- Preisendanz, R. Warning (Hg.): Das Komische (1976) 251 ff. -
ben wird. [99] In Deutschland bezeugt das Scheitern des 7 Arist. Poet. 5,1449a.-8 Arist. Rhet. 1,11,29,1372a.-9Tracta-
Projekts der sich verstärkt selbst reflektierenden roman- tus Coislinianus, in: Comicorum Graecorum Fragmenta, hg. von
G. Kaibel (1909) Bd. 1,50ff., engl. Übers.: L. Cooper: An Aristo-
tischen Komödie eines TIECK, KLEIST oder B Ü C H N E R das telian Theory of Comedy with an Adaptation of the Poetics and
Ende eines zunehmend bürgerlichen Mitspielwillens. a Translation of the <Tractatus Coislinianus> (New York 1922)
[100] Dies gilt selbst für späterhin so erfolgreiche Lust- 224ff.; vgl. auch Fuhrmann Dicht. (1973) 63ff. (nicht in 21992). -
spiele wie Kleists <Zerbrochenen Krug>, der die komi- 10Arist. Poet. 6-13, 1449bff. - l l e b d . 6, 1450a. - 12ebd. 9,
schen Paradigmen mit einer erschwert enthebbaren «kri- 1451b. - 1 3 N. Frye: Der Mythos des Frühlings: Komödie (1957),
minellen Handlungsweise» besetzt und somit syntagma- in: R. Grimm, K.L. Berghahn (Hg.): Wesen und Formen des
tische Aufklärung mit paradigmatischer Vertuschung in Komischen im Drama (1975) 169f. - 1 4 Warning [4] 911. - 1 5 Ε.ν.
Hartmann: Ästhetik, in: Ausgewählte Werke (1888) Bd. 4,333. -
Widerstreit bringt. [101] Die bürgerliche Moral diktiert 16ebd. - 17vgl. R. Warning: Pragmasemiotik der Komödie, in:
in der Folge dem komödiantischen Spieltrieb seinen Preisendanz, Warning [6] 283ff.; Warning [4] 910ff. - 18ebd.
unhintergehbaren Enthebbarkeitsrahmen. Aus der 287ff. bzw. 913ff. - 19ebd. 284.-20 Frye [13] 159ff.; zum Begriff:
Inszenierungsagentur <freier> Komik werden so Einzel- W. Habicht: Stud, zur Dramenform vor Shakespeare (1968)
fälle einer - sei es gesellschaftsstabilisierend, sei es sozial- 173ff. - 2 1 vgl. W. Matzat: Dramenstruktur und Zuschauerrolle
kritisch - immer schon gerichteten Komik. [102] Darin (1982) 211 ff. - 22vgl. Ju.M. Lotman: Kunst als Sprache, übers,
bleibt die Gattung trotz zum Teil genialer Einzelkomö- von M. Dewey et al. (1981) 177 ff. - 23 R. Caillois: Die Spiele und
die Menschen, übers, von S.v. Massenbach (1982) 18ff.; vgl. W.
dien etwa eines GOGOL, TSCHECHOW, W I L D E , S H A W , Iser: Spielstrukturen in Shakespeares Komödie (1993) 18ff. -
NESTROY, H A U P T M A N N , HORVATH oder STERNHEIM auf 24Tractatus Coislinianus [9] 50ff.; vgl. Cooper [9] 224ff., Fuhr-
lange Zeit gefangen. Die Selbst-Immunisierung des bür- mann [9] 67ff. - 25 H. Fricke, A. Salvisberg: Bühnenkomik, in:
gerlichen Publikums gegen die Latenzfunktion findet ihr RDL 3 , Bd. 1,279ff. - 26 Pfister [2] 25ff.; Mahler [2] 80ff.; vgl. K.
Ende erst dort, wo diesem selbst seine willkürlichen Aus- Elam; The Semiotics of Theatre and Drama (London 1980) 49ff.
grenzungen sichtbar gemacht werden. Dies geschieht - 27 É. Dupréel: Le problème sociologique du rire, in: Revue
zunächst in der Avantgarde und später dann vornehm- philosophique 106 (1928) 228ff.; vgl. Warning [17] 322. - 28 War-
ning [4] 914. - 29S. Freud: Der Witz und seine Beziehung zum
lich im Theater BECKETTS. Unbewußten (161977) 178ff.-30vgl. Warning [17] 311 f f . - 3 1 vgl.
IV. Gegenwart. BECKETTS Einfall für die Wiederbele- D. Wellershoff: Infantilismus als Revolte oder das ausgeschla-
bung der anthropologischen Dimension komödianti- gene Erbe. Zur Theorie des Blödeins, in: Preisendanz, Warning
schen Spiels liegt in der erneuten Problematisierung des [6] 335ff. - 32vgl. H. Arntzen: Die ernste Komödie (1968) 9ff.;
Lachens selbst. Er reduziert das Syntagma auf rudimen- zur Kritik Warning [17] 298ff. - 33Arist. Poet. 6, 1449b. -
täre abstrakte Schemata, die er wie etwa in <En attendant 34Tractatus Coislinianus [9] 50; Fuhrmann [9] 65. - 35Arist.
Godot> ihrerseits serialisiert, und nutzt dies sodann, um Rhet. 1,11,29,1372a. -36Fuhrmann [9] 67; vgl. Cooper [9] 60ff.
und 132ff. - 37 Hör. Ars 333. - 38Plat. Pol. 606 c und Leges 935
das Ausagieren einer weiten Spanne von Paradigmen d/e; vgl. A. Hügli: Art. <Lachen, das Lächerliche>, in: HWRh
von der existentiellen Besetzung bis hin zur bereits figu- Bd. 5 - 3 9 vgl. Curtius 419ff.-40vgl. D.J. Palmer (Hg.): Comedy.
rai belachten reinen Blödelei strukturell zu ermöglichen. Developments in Criticism (London/Basingstoke 1984) 30. -
Indem er so beständig Lachanreize schafft, sie aber 41H. Bergson: Le rire (Paris 4011985) 103, vgl. 135 und 150; vgl.
zugleich auch durchkreuzt, reaktiviert er gegen die Ent- auch M. Winkler, R.W. Müller Farguell: Komik, das Komische,
hobenheitsgarantie bürgerlicher Komik-Formen das in: HWRh Bd. 4, Sp. 1172ff. - 4 2 vgl. G. Baum: Humor und Satire
Kipp-Moment wechselseitiger Negation. Dies äußert in der bürgerlichen Ästhetik (1959). - 43N. Luhmann: Soziolo-
gische Aufklärung (41974) Bd. 1,69, vgl. 41 und 113ff. - 44vgl. R.
sich in einem Lachenwollen und Nicht-Lachenkönnen Warning: Komik und Komödie als Positivierung von Negativi-
auf Seiten des Publikums und führt zu Momenten jeweils tät, in: H. Weinrich (Hg.): Positionen der Negativität (1975)
vereinzelten «erstickten Lachens». [103] Gegenüber

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352ff. und Warning [17] 317ff. - 45W. Iser: Das Komische: ein Warning: Komödie und Satire am Beispiel von Beaumarchais'
Kipp-Phänomen, in: Preisendanz, Warning [6] 399f.; vgl. D. «Mariage de Figaro>, in: DVjs 54 (1980) 561. - 99vgl. D. Daphi-
Henrich: Freie Komik, ebd. 385ff. - 46 vgl. Warning [44] 341ff.; noff: Boulevardstück, in: RDL 3 , Bd. 1,246ff. - 100 vgl. Warning
Warning [17] 325ff. - 4 7 J. Ritter: Über das Lachen, in: Subjekti- [4] 928ff.; Greiner [48] 237ff. - 101K. Kanzog: Kommunikative
vität ( 2 1989) 80. - 4 8 v g l . B. Greiner: Die Komödie (1992) 32ff. - Varianten des Komischen und der Komödie Z u r Gattungsbe-
49P.V. Möllendorff: Grundlagen einer Ästhetik der Alten stimmung der Lustspiele H. v. Kleists, in: Kleist-Jb. (1981/82)
Komödie (1995) 49 und llOff. - SOFrye [13] 159f. - 51 vgl. M. 229; vgl. J. Zenke: H.v. Kleist. Der zerbrochene Krug, in: Hinck
Fuhrmann: Lizenzen und Tabus des Lachens. Zur sozialen [57] 89ff. - 1 0 2 vgl. A. Barth: Moderne engl. Gesellschaftskomö-
Gramm, der hellenistisch-röm. Komödie, in: Preisendanz, War- die (1987). - 103vgl. W. Iser: Die Artistik des Mißlingens.
ning [6] 65 ff. - 52 vgl. Warning [17] 285. - S3 vgl. Fuhrmann [51] Ersticktes Lachen im Theater Becketts (1979) 5ff. - 104vgl.
78ff. - 54vgl. Frye [13] 170ff. - 55 vgl. M.P. Schmude: Reden - Warning [4] 933f. - 1 0 5 vgl. Greiner [48] 468ff. - 1 0 6 v g l . M. Pfi-
Sachstreit - Zänkereien. Unters, zu Form und Funktion verba- ster: Trevor Griffiths: <Comedians>. Zur Thematisierung des
ler Auseinandersetzungen in den Komödien des Plautus und Komischen und der Music Hall im modernen engl. Drama, in:
Terenz (1988). - 56R. Warning: Funktion und Struktur. Die H.F. Plett (Hg.): Engl. D r a m a von Becke« bis Bond (1982)
Ambivalenzen des geistlichen Spiels (1974) 74; vgl. E. Fischer- 313ff. - 107 H. Zapf: Zur Rolle der Farce im engl. Gegenwarts-
Lichte: Gesch. des Dramas (1990) B d . l , 61ff. - 57vgl. E. drama, in: Diller et al. [80] 89. - 108 H. Barker: The Europeans
Catholy: Die dt. Komödie vor Lessing, in: W. Hinck (Hg.): Die (London 1990) 1; vgl. H.-W. Ludwig: «This Terrible Deformity
dt. Komödie (1977) 32ff.; H. Bastian: Mummenschanz. Sinnes- of Laughter». Vom Theater der Grausamkeit (Artaud) zum
lust und Gefühlsbeherrschung im Fastnachtspiel des 15. Jh. Theater der Katastrophe (Barker), in: Fietz et al. [77] 341 ff.
(1983). - 5 8 vgl. R. Weimann: Shakespeare und die Tradition des
Volkstheaters ( 2 1975). - 59 vgl. K. Spang: Art. <Dreistillehre>, in:
Literaturhinweise:
H W R h , Bd. 2, Sp. 922. - 6 0 vgl. Weimann [58] 169ff. - 6 1 vgl. W.
K. Holl: Gesch. des dt. Lustspiels (1923). - N. Frye: A Natural
Weiß: Das Drama der Shakespeare-Zeit (1979) 176ff. - 62J.
Perspective. The Development of Shakespearean Comedey and
Lyly: The Complete Works, hg. R.W. Bond (Oxford 1902) Bd. 3,
Romance (New York 1965). - W. Hinck: Das dt. Lustspiel des
115; vgl. R. Weimann: Shakespeare und die Macht der Mimesis
17. und 18. Jh. und die ital. Komödie (1965). - H. Prang: Gesch.
(1988) 138. - 63vgl. K. Elam: Shakespeare's Universe of Dis-
des Lustspiels. Von der Antike bis zur Gegenwart (1968). - V.
course. Language Games in the Comedies (Cambridge 1984). -
Schulz: Studien zum Komischen in Shakespeares Komödien
64vgl. E. Partridge: Shakespeare's Bawdy (London 4 1990). -
(1971). - W. Paulsen (Hg.): Die dt. Komödie im 20. Jh. (1972). -
65 zur Farce vgl. M. Pfister: Stud, zum Wandel der Perspektiven-
N. Altenhofer (Hg.): Komödie und Ges. Komödientheorien des
struktur in elisabethanischen und jakobäischen Komödien
19. Jh. (1973). - P. Haida: Komödie um 1900. Wandlungen des
(1974) 49ff. - 66 Warning [4] 917f.; vgl. V. Pandolfi: La comme-
Gattungsschemas von Hauptmann bis Sternheim (1973). - E.
dia dell'arte (Florenz 1957ff.). - 6 7 I s e r [23] lOff. - 6 8 W . Matzat:
Lefèvre (Hg.): Die röm. Komödie. Plautus und Terenz (1973). -
Die ausweglose Komödie Ehrenkodex und Situationskomik in
F. Martini: Lustspiele - und das Lustspiel (1974). - H.-J. Newi-
Calderóne comedia de capa y espada, in: R F 98 (1986) 59. -
ger (Hg.): Aristophanes und die Alte Komödie (1975). - O.
69 vgl. W. Matzat: Lope de Vega: <La Dama Boba>, in: V. Roloff,
Rommel: Komik und Lustspieltheorie (1943), in: R. Grimm,
H. Wentzlaff-Eggebert (Hg.): Das span. Theater (1988) 91ff.; W.
K.L. Berghahn (Hg.): Wesen und Formen des Komischen im
Nitsch: Theatralische Mimesis und barockes Welttheater. Nach-
Drama (1975). - W. Krömer: Die ital. Commedia dell'arte
ahmungsspiele bei Tirso de Molina, in: A. Kablitz, G. Neumann:
(1976). - H.-J. Schrimpf: Komödie und Lustspiel. Zur termino-
Mimesis und Simulation (1998) 583ff. - 70vgl. W. Nitsch:
logischen Problematik einer geschichtlich orientierten Gat-
Barocktheater als Spielraum (2000). - 71 Matzat [69] 95. -
tungstypologie, in: Z D P h 97 (1978). - R. Baader (Hg.): Molière
72 Matzat [681 77ff. - 73 vgl. allg. N. Elias: Über den Prozeß der
(1980). - V. Klotz: Bürgerliches Lachtheater. Komödie, Posse,
Zivilisation (-1969). - 74vgl. Ph. Sidney: A Defence of Poetry,
Schwank, Operette (1980). - E. Catholy: Das dt. Lustspiel von
hg. v. J. van Dorsten (Oxford 1975) 67f. - 75 J. Hall: Virgidemia-
der Aufklärung bis zur Romantik (1982). - R. Grimm, W. Hinck
rum 1,3,44, in: The Complete Poems, hg. J. Davenport (Liver-
(Hg.): Zwischen Satire und Utopie. Zur Komiktheorie und zur
pool 1949) 15; vgl. Weimann [62] 255. - 76vgl. Weimann [58]
Gesch. der europ. Komödie (1982). - G. Blaicher: Die Erhaltung
300ff. - 77vgl. M. Pfister: «An Argument of Laughter». Lach-
des Lebens. Stud, zum Rhythmus der engl. Komödie von W.
kultur und Theater im England der Frühen Neuzeit, in: L. Fietz
Shakespeare bis E. Bond (1983). - W. Trautwein: Komödien-
et al. (Hg.): Semiotik, Rhet. und Soziologie des Lachens (1996)
theorien und Komödie. Ein Ordnungsversuch, in: Jb. der dt.
203ff. - 78 Cicero: D e re publica, hg. K. Büchner (1979) IV, 11,
Schillerges. 27 (1983). - J. Grimm: Molière (1984). - H. Arntzen
Übers. Red.; vgl. B. Jonson: Every Man out of His Humour, in:
(Hg.): Komödien-Sprache. Beitr. zum dt. Lustspiel zwischen
The Complete Plays, hg. G. A. Wilkes (Oxford 1981 ff.) Bd. 1, III,
dem 17. und 20. Jh. (1988). - W. Freund (Hg.): Dt. Komödien.
6, 175ff. - 79ebd. III, 6, 169ff. - 80vgl. A. Mahler: <Enter Ben
Vom Barock bis zur Gegenwart (1988). - H. Mainusch (Hg.):
Jonson - Exit Love>. Die Entdeckung der Ges. als Problem der
Europ. Komödie (1990).
Komödie, in: H.-J. Diller et al. (Hg.): Comedies. Mirrors of
English Society (1992) 9ff.; A. Mahler: Komödie, Karneval, A. Mahler
Gedächtnis. Zur frühneuzeitlichen Aufhebung des Karnevales-
ken in Ben Jonsons (Bartholomew Fair>, in: Poetica 25 (1993) —> D r a m a —> Farce —> Groteske -> Häßliche, das —> Humor >
81 ff. - 81 vgl. Warning [44] 345ff.; Warning [4] 924ff. - 82vgl. Komik, Komische, das —> Lachen, das Lächerliche —> Satire —»
Warning [17] 292. - 83ebd. 324. - 84vgl. A. Mahler: Soziales Tragödie —> Wirkungsästhetik
Substrat, Komik, Satire, Komödie und ein Bsp.: Molière: <Le
Misanthrope>, in: Zs. für frz. Sprache und Lit. 98 (1988) 264ff. -
85 vgl. H. Stenzel: Molière und der Funktionswandel der Komö-
die im 17. Jh. (1987). - 86Molière: La Critique de l'École des Lusus ingenii (griech. παίγνιον, paígnion; dt. Gedanken-
femmes, in: Œuvres complètes, hg. G. Couton (Paris 1971) Bd. 1, spiel; engl, play of thoughts; frz. jeu d'esprit; ital. gioco di
658ff. (Sc. VI). - 87 Warning [44] 353. - 88 Ritter [47] 6 5 . - 8 9 vgl. idee, concetto)
J. Kamm: Diversity and Change. Entwicklungstendenzen der A. Def. - B.I. Bereiche und Disziplinen. - II. Historische
engl. Komödie der Restaurationszeit, in: Diller et al. [80] 35ff. - Aspekte von der Antike bis zur Neuzeit.
90 ebd. 45. - 91 vgl. Warning [17] 295ff. - 92ebd. 295. - 93ebd. -
94 vgl. W. Wolf: Ursprünge und Formen der Empfindsamkeit im
A. Der L. ist «eine artige Erfindung des Witzes, die
frz. Drama des 18. Jh. (1984) 119ff. - 95vgl. R. Warning: Die bloß lediglich zum Vergnügen, sonst aber zu weiter
Komödie der Empfindsamkeit. Steele - Marivaux - Lessing, in: nichts dienet». [1] Er behandelt ein Thema auf eine unsy-
E. Heftrich, J.-M. Valentin (Hg.): Gallo-Germanica (Nancy stematisch-spielerische, unernste, paradoxe oder scherz-
1986) 13ff. - 9 6 v g l . Arntzen [32], - 9 7 v g l . St. M. Tave: The Ami- haft-groteske Weise. Hierin ähnelt er dem knapperen
able Humorist (Chicago 1960); G. Blaicher: Byrons Lachen und Wortspiel (lusus verborum), das dem Witz oder Scherz
die zeitgenössische Rezeption, in: Fietz et al. [77] 259ff. - 98 R. enger verwandt ist. Der L. findet in der sprachlichen Ver-
dichtung der ingeniösen Metapher oder des Aphorismus

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Lusus ingenii Lusus ingenii

seine höchste Vollendung. In der Spannung zwischen Zweiten Sophistik z.B. in L U K I A N S <μυίας έγκώμιον>
den Hauptzwecken des Vergnügens und des Nutzens (myías enkömion; Lob der Fliege), dem Enkomion des
einer Rede oder eines sprachlichen Kunstwerkes dient FAVORINUS auf das an jedem 4. Tag wiederkehrende Fie-
der L. fast ausschließlich der delectado, dem intellektuel- ber und ähnlichen Werken eine erneute Hochschätzung
len und ästhetischen Vergnügen, nicht aber dem usus, sowie nun auch eine systematische theoretische Einord-
dem praktischen Nutzen und der ernsthaften morali- nung in das rhetorische Schulsystem durch M E N A N D R O S ,
schen Belehrung. DEMETRIOS und FRONTO. [13] Auch freie Entfaltungen der
dichterischen Phantasie verwenden den L. als Stilmittel.
B.I. L. sind in der rhetorischen Theorie Ausdruck der
Unter antiken Werken ist hier an die paignia der Alexan-
reichen Erfindungsgabe des ingenium. Sie widmen sich
drinischen Dichtung (THEOKRITOS, PHILETAS, KALLIMA-
oft einer unwerten Thematik oder einem unangemesse-
CHOS), oder die facetiae der lateinischen Neoteriker
nen Redegegenstand. L. verletzen dadurch die klassische
( G A L L U S , C A T U L L U S ) und Dichter der Silbernen Latinität
Forderung nach Berücksichtigung des aptum im Bezug
( L U C A N U S , STATIUS, MARTIALIS) ZU erinnern. Beispiele
zwischen res und verba und werden aus philosophisch-
des L. finden sich auch im antiken Roman (z.B. bei APU-
pädagogischer und theologischer Sicht häufig als Aus-
LEIUS) und in der (fiktiven) Briefliteratur. Abgesehen
druck des rednerischen Unernstes und bloße Demon-
von einigen Kynikern, z.B. MONIMOS[14] und KRATES,
stration rhetorischer Virtuosität kritisiert. Doch hat der
der ein Enkomion auf den kynischen Bettelsack
L. auch im klassischen Lehrsystem der Rhetorik eine
schrieb [15], lehnen fast alle antiken Philosophen paignia
anerkannte pädagogische Funktion. QUINTILIAN faßt
oder unernste enkömia ab.
spielerische epideiktische Reden als Übungen der
Der Begriff <L.> findet sich weder in antiken noch mit-
Scharfsinnigkeit auf. [2] Er weiß um den pädagogischen
telalterlichen rhetorischen Lehrbüchern als terminus
Wert des L. und anderer Spiele in der Rednerausbildung:
technicus. [16] Verwandte Begriffe wie iocus (Scherz),
«sunt etiam nonnulli acuendis puerorum ingeniis non
nugae (literarische Possen), facetiae und insbesondere
inutiles lusus.» (Es gibt indessen sogar einige Spiele, die
(sententiarum) argutiae (gedankenreiche Spitzfindigkei-
keineswegs unnütz sind, den Geist der Knaben zu schär-
ten), die auch im res-verba-Bezug und in der Wahl des
fen.) [3] Psychologisch betrachtet gibt sich ein Subjekt
Themas ein Element des Unernsten auszeichnet, stellen
beim L. hypertrophierten Phantasien hin, welche ihm ein
einen vollgültigen Ersatz dar. Auch in rhetorischen und
Lustgefühl verschaffen oder zumindest die Lust an ihrer
poetischen Lehrbüchern der Renaissance und des
spielerischen Entfaltung mit sich bringen. [4] Das Ver-
Humanismus erlangt der L. keine große Verbreitung.
mögen, sich L. zu widmen, gehört aus anthropologischer
Vermutlich ist L. eine gelehrte Rückübersetzung, die als
Sicht zu den distinktiven Eigenschaften des Menschen
rhetorischer Fachausdruck in Anlehnung an den klassi-
und den Voraussetzungen jeder verfeinerten Kultur. [5]
schen lusus naturae geprägt wurde. Das <Encomium luti>
Hierauf zielt auch der berühmte Satz SCHILLERS: «Der
(Lobrede auf den Kot) des berühmten italienischen Rhe-
Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts
tors M . MAIORAGIO (1514-1555) [17] oder das <Encomium
Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er
pulicis> (Lobrede auf den Floh) seines Zeitgenossen C.
spielt.» [6] In der Pädagogik gelten L. als nützliches Mit-
CALCAGNINI (gest. 1541) [18] sind jedoch typische, anti-
tel der Entwicklung der Phantasie.
ken Vorbildern verpflichtete rhetorische Beispiele des L.
II. Der L. hat seine Wurzeln in spielerischen Formen aus dem 16. Jh. In der gelehrten Literatur wird die Wort-
der antiken Epideiktik. Er steht seitdem in solchen Epo- verbindung bis ins 19. Jh. verwendet, z.B. noch von J.K.
chen und bei den Autoren in Ansehen, welche die Fin- v. ORELLI in seiner <Appendix ad Arnobii Afri disputa-
dungskraft des ingenium und die argutia hochschätzen tiones adversus gentes> (1815), der von «nullae hic subti-
und bei denen die Absicht des delectare gegenüber dem les argutiae, nulli otiosi ingenii lusus, nulla luxuriantis
prodesse überwiegt. Der L. findet sich häufig bei Sophi- imaginationibus somnia» (keinen subtilen Spitzfindig-
sten des 5. und 4., in der Alexandrinischen Poesie des 3. keiten, keinen Spielereien eines müßigen Talentes, kei-
und 2. und bei lateinischen Neoterikern des 1. Jh. v.Chr., nen Träumereien eines in seinen Vorstellungen aus-
sodann im Pointenstil der Silbernen Latinität des 1. und schweifenden Mannes) spricht. [19]
2.Jh. n.Chr. sowie in der Enkomiastik der Zweiten Der L. wird auch in poetischen und rhetorischen Lehr-
Sophistik des 2. Jh. Er wird ferner in der Spätrenaissance werken deutscher Sprache des 17. und 18. Jh. berücksich-
und in Rhetorik, Poesie und Kunst des Manierismus und tigt, so in G . P H . HARSDÖRFFERS Schrift 'Poetischer Trich-
des Barock von ca. 1520-1650 (im Concetto und Capric- ter) (1647-53). [20] C H R . W E I S E widmet in seinem ein-
cio), in der Literatur der Romantik von 1800 bis 1830 flußreichen Werk Politischer Redner> (1683) [21] ein
sowie in den literarischen und künstlerischen Stilepo- Kapitel der «Übung mit den Argutiis». Mit Bezug auf E.
chen von ca. 1880 bis 1930 geschätzt. TESAURO und J. M A S E N resümiert er, Wort- und Gedan-
Ein exaktes griechisches Äquivalent zum L. fehlt; das kenspiele würden «nirgend glückseliger angebracht als
rhetorisch-poetische παίζειν (paízein; spielen), die entweder in Satyrischen oder Panegyrischen Sachen».
παραδοξολογίαι (paradoxologíai; Paradoxologien) oder [22] F.A. HALLBAUER definiert L. in seiner <Anweisung
das έγκώμιον παράδοξον (enkémion parádoxon; uner- zur verbesserten Teutschen Oratorie> als ein Ärgernis
wartete Lobrede) als typische Formen der unernsten aus Sicht jedes ernsthaften Mannes: «Dinge zu loben, die
Epideiktik auf ungeeignete, nicht des Lobes würdige es nicht verdienen, ist eine Schwachheit, oder ein mehr
Personen, Tiere oder Dinge kommen dem L. aber nahe. angenehmes, als nützliches Spielwerck.». [23] In Z E D L E R S
[ 7 ] GORGIAS schrieb ein apologetisches Enkomion auf <Universal-Lexikon> findet sich ein eigenes Stichwort
Helena [8], ISOKRATES auch eines auf Helena und eines L. [24] Das <Deutsche Wörterbuch> der Brüder GRIMM
auf Busiris [ 9 ] , POLYKRATES eines auf den Kochtopf [ 1 0 ] , führt prägnante Belege aus Werken Campes, Herders,
ZOILOS sogar eines auf Polyphem. [ 1 1 ] Obwohl schon von Schillers und Goethes für die Verwendung von Gedan-
Isokrates und ARISTOTELES [ 1 2 ] von den ernsthaften For- kenspiel auf, die das Subjektive, Willkürliche, auch
men der epideiktischen Rhetorik unterschieden, erfährt Scharfsinnig-Gewandte hervorheben, Eigenschaften, die
der L. im enkomion ádoxon oder parádoxon erst in der auch dem L. eignen. [25]

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Anmerkungen: Anteil an der Herausbildung des Standarddeutschen nur


1 Zedier, Bd. 18, Sp. 1269. - 2Quint. 11,17,4. - 3ders. 1,3,11; ähn- summarisch hingewiesen werden. [5] Luthers Ausspruch
lich Favorinus bei Gellius, Noctes Atticae XVII, 12,1; Ausg. P.K. aus den Tischreden: «Nullam certam linguam Germanice
Marshall (Oxford 1968); vgl. A.N. Cizek: Imitatici et tractatio habeo, sed communem, [...]» (Ich habe keine besondere
(1994) 195-202 und 222. - 4 vgl. M. Sachs: Spiele, in: W. Arnold,
H.J. Eysenck und R. Meili: Lex. der Psychol., Bd. 3 (1972; N D deutsche Sprache, sondern die allgemeine,...) «Ich rede
1980) 2147-2148; W.H. Tack: Spieltheorie, ebd., 2148-2149; F. nach der Sechsischen cantzley» [6], wird heute dahinge-
Baumgärtel: Spieltherapie, ebd. 2 1 4 9 . - 5 vgl. J. Huizinga: Homo hend interpretiert und relativiert, daß Luther mundartli-
ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel (1956); H. Rahner: che Ausdrücke vermeidet und sich so weit wie möglich
Der spielende Mensch (1952). - 6F. Schiller: Über die ästheti- der bereits bestehenden «schreibsprachlichen Großflä-
sche Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, 15. che des Südostens» bedient. [7]
Brief; Ausg.: F. Schiller: Werke in drei Bänden, hg. von H.G. III. Luthers Sprachauffassung. «ES ist ja ein stummer
Göpfert, Bd.2 (1966; N D 1981) 481. - 7vgl. A. v. Blumenthal:
RE 18 (1942) 2396-2398 s.v. παίγνιον; ausführlich L. Pernot: La Mensch gegen einem redenden, schier als ein halb todter
rhétorique de l'éloge dans le monde gréco-romain, Bd. 1 (Paris Mensch zu achten. Vnd kein krefftiger noch edler werck
1993) 20-21. - 8L. Radermacher: Artium Scriptores (Reste der am Menschen ist, denn reden, Sintemal der Mensch
voraristotelischen Rhetorik) (Wien 1951) Β VII 39. -9Isocr. Or. durchs reden von andern Thieren am meisten gescheiden
lOund 11. -10 Radermacher [8] Β XXI8-13. - 1 1 ebd. Β XXXIV wird, mehr denn durch die gestalt oder ander werck»,
5. - 12Isocr. Or. 10,11 und 11,9; Arist. Rhet. 1,9,2 1366 a 29. - schreibt Luther in der Vorrede auf den Psalter. [8] Die
13 Belege bei Pernot [7] Bd. 2,536-546. - 1 4 vgl. Diogenes Laer- Hochschätzung der Sprache als spezifisch menschliche
tios VI,83; Ausg.: R.D. Hicks (London und Cambridge Mass.
1925). - 1 5 v g l . Apuleius, Apologia 22; Ausg. R. Helm (1959). - Fähigkeit teilt er mit den Humanisten. Für Luther
16 im <Thesaurus Linguae Latinae> vol. VII pars altera (1956- kommt aber eine weitere, wichtigere Dimension hinzu:
1979) Sp. 1890-1891 s.v. lusus gibt es keinen Beleg für die Wort- Die höchste Würde erhält die Sprache als Wort Gottes,
verbindung L. - 17vgl. Zedier, Bd. 19, Sp. 618-624; Marcus als Werk des Heiligen Geistes. Die Sprachen der Bibel,
Antonius Majoragius: Luti encomium (1619). - 18vgl. Zedier, Hebräisch, Griechisch und Latein, die der Heilige Geist
Bd. 5, Sp. 166-168. - 1 9 ML Vol. 5, p. 1291C; Übers.: J. Engels. - selbst «offtmals von hymel mit sich bracht hat» [9], sind
20G.Ph. Harsdörffer: Poetischer Trichter (1647-53; N D 1939). als <Schrein>, <Gefäß>, <Körbe> u.a. des Evangeliums hei-
- 21 Weise 1,1. Abt. 5. Kap. (1683; N D 1974) 60-113. - 22ebd.
71. - 23 Hallbauer Orat. 202. - 24Zedler, Bd. 18, Sp.1269. - lig und müssen sorgfältig gepflegt werden. Durch seine
25Grimm, Bd.IV.I.l, Sp.1979 s.v. Gedankenspiel. Bibelübersetzung verhilft Luther der deutschen Sprache
zu gleichem Rang. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sie die
J. Engels
anderen verdrängen sollte.
-> Acutezza -> Angemessenheit -> Argutia-Bewegung —> Con- Für Luther steht zudem <mündliche Sprache> bzw.
cetto —> Delectare —> Enkomion —> Facetiae —» Paradoxe, das —> <Rede>, weit über dem geschriebenen Text. Da aus der
Scherz —> Witz —> Wortspiel Hand Jesu kein schriftliches Wort überliefert ist - er sich
ausschließlich mündlich mitteilte - hat auch für Luther
die Mündlichkeit Vorrang vor der Schriftlichkeit. Auch
Luthersprache Geschriebenes hat er wohl laut gelesen, und beim Schrei-
A.I. Def. - II. Eingrenzung. - III. Luthers Sprachauffassung. - ben hat er den gesprochenen Klang im Ohr. Oft setzt er
IV. Luthers Rhetorikkonzeption. - V. Luther in der zeitgenössi- <reden>, wo wir <schreiben> sagen würden: «Ich rede nach
schen Rezeption. - B . Gattungen der L. - 1 . Bibelübersetzung. - der Sechsischen cantzley ...» «Die buchstabensind todte
II. Dt. Messe. - III. Predigt. - IV. Traktate. - V. Streitschriften. - wórter, die mundliche rede sind lebendige wórter». [10]
VI. Briefe. - C. Zusammenfassung. Hier steht er im Gegensatz zu den Humanisten in der
A.I. Def. Mit <L.> meint man heute fast ausschließlich Tradition der Volkspredigt. Auch seine geschriebene
Luthers deutsches Sprachschaffen. Man übersieht dabei, Sprache ist ihrem Wesen nach Kanzelsprache: hörerbe-
daß ein großer Teil seiner Schriften auf lateinisch abge- zogen, am gesprochenen Wort orientiert. An seiner nach
faßt ist. Luther beherrscht wie alle Gelehrten seiner Zeit rhetorischen Gesichtspunkten gehandhabten Interpunk-
beide Sprachen. Wissenschaftlich argumentiert er Zeit tion, in älteren Drucken durch die Virgel wiedergegeben,
seines Lebens sogar eleganter und klarer auf lateinisch lassen sich die Gliederungsprinzipien seiner Texte able-
als auf deutsch. Mitunter sind auch Stellen in seinen deut- sen. Sie sind hörerbezogen und zielen auf eine schritt-
schen Schriften nur unter Rückübersetzung ins Lateini- weise gedankliche Verarbeitung und Memorierung ab.
sche richtig zu verstehen. [1] Die Zweisprachigkeit (Di- Modulation, Phrasierung und Pausen unterschiedlicher
glossie) prägt auch den mündlichen Umgang mit anderen Länge sind Mittel zur Gewichtung, Vereindringlichung
Gebildeten, wo man im Alltag beide Sprachen mischen und Reliefgebung. [11]
konnte. In den Tischreden ist dieses Register widerge- IV. Luthers Rhetorikkonzeption. 1. Ziel: das <Herz>-
spiegelt. [2] Luther selbst bezeichnet es als <mixtim>: Für Luther gehört die Rhetorik als selbstverständliches
«mixtim vernacula lingua» (bei einem Gelage), «mixtim Bildungsgut zu jeder Art sprachlicher Äußerungen.
Germanica» (in seiner Genesisvorlesung). Auch schrift- Augustin, Cicero, Quintilian u.a. werden häufig zitiert,
lich kommt diese situationsbezogene sprachliche gepriesen, benutzt. [12] Dabei verfährt Luther durchaus
Variante vor, deren Voraussetzung mangelnder Partner- selektiv und kreativ: Er zielt auf eine <Rhetorik des Her-
zwang ist: in Briefen an nahe Freunde sowie in Notizen zens) ab, wobei <Herz> - wie auch in der Bibel und bei
für den eigenen Bedarf. [3] Augustin - nicht nur das Gefühl, sondern das gesamte
II. Eingrenzung. Um den 'rhetorischen Luther' voll- geistig-seelische Zentrum des Menschen umfaßt, Ver-
ständig zu beschreiben, wäre auch die Einbeziehung sei- stand, Gefühl, Willen, Urteilsvermögen u.a.m. [13] Er
ner lateinischen Schriften vonnöten. Logisches Argu- unterscheidet sich hierin von den Scholastikern , die den
mentieren und Beweisen mit einem gebildeten Publikum Begriff <Herz> auf <Verstand> reduzieren wollen, wie er
als Empfänger bedingt eine andere rhetorische Technik anhand eines Kommentars zu Ps 119,10: «ich suche dich
als Volksaufklärung und Überzeugung [4], wie es im hier von ganzem Herzen» beanstandet: Unter <ganzem Her-
zu untersuchenden deutschen Sprachschaffen Luthers zen) wie die Philosophen nur den Intellekt ohne das
der Fall ist. Ebenso kann auf Luthers maßgeblichen Gefühl zu verstehen, hieße den Begriff halbieren («In

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Luthersprache Luthersprache

toto corde meo non dimidio, ut qui solum velut philoso- haben es wol Im buche, aber weyl sie es Im hertzen nicht
phi intellectu exquirunt sine affectu, exquisivi»), [14] Da fulen, verachten sie es.» [23] Um die rechte, ergreifende
ein Mensch <von Herzen glauben> muß, um gerecht zu Formulierung zu finden, lehrt die Rhetorik: ipse movea-
werden (Rom 10, 10), ist der Begriff <Herz> für Luther tur, d.h. der Redner müsse selbst von den Gefühlen
zentral und prägt sein gesamtes sprachliches Schaffen. ergriffen sein, die er bei anderen erwecken wollte. Horaz,
Für ihn ist Rhetorik ein Instrument, über intellektuelles Cicero und Quintilian schärfen dies wiederholt ein. [24]
Verständnis hinaus die persönliche Betroffenheit <des Luther schließt sich in seiner <Vorrede auf den Psalter>
Herzens> zu sichern. An Quintilian preist Luther vor dem an: Er vergleicht das menschliche Herz mit einem
allem, daß «er [...] einem ins hertz hinein» dringt.[15] Schiff auf einem wilden Meer, welches von Sturmwinden
Was nach Luthers Auffassung Quintilian von Cicero aus den vier Himmelsrichtungen getrieben wird. «Solche
unterscheidet ist, daß er die Essenz der Redekunst und Sturmwinde aber leren mit ernst reden vnd das hertz
das Hauptanliegen des Redners in den Gefühlswirkun- offenen, vnd den grund eraus schótten. Denn wer in
gen sieht [16], während bei Cicero die ratio im Vorder- furcht vnd not steckt, redet viel anders von vnfal, denn
grund steht. 1526 klagt Luther: «Es steht ynn buchera der in freuden schwebt. Vnd [d]er in freuden schwebt,
gnug geschrieben. Ja, es ist aber noch nicht alles ynn die redet vnd singet viel anders von freuden, denn der in
hertzen getrieben.» [17] Dies «in die Herzen treiben» ist furcht steckt. Es gehet nicht von hertzen, (spricht man)
nicht gleichbedeutend mit dem rhetorischen persuadere: wenn ein Trawriger lachen, oder ein Frölicher weinen
Um Glauben zu zünden, reicht rhetorisches Geschick sol». [25] Dies ist die christliche <Rhetorik des Herzens>
allein nicht aus, sondern zum Gelingen gehört der Bei- lutherscher Prägung, von da her bezieht seine Sprache
stand des Heiligen Geistes, «der es In die hertzen saget, ihre Lebendigkeit und ihre Fähigkeit, noch heute zu
das wir wissen, das es In der warheit so ist und nicht ergreifen und zu packen. Hierin liegt auch ein wesentli-
änderst [...] und der mensch so weyt kompt, das ers fulet, cher Unterschied zu Melanchthons Rhetorikverständnis,
das es also sey, und gar kein zweivel dran habe, es sey bei dem intellectus vor affectus rangiert. [26]
gewisslich also». [18] Hier stößt für Luther die Rhetorik V. Luther in der zeitgenö