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FAUSTUS UND DIE MÜTTER von Torsten Schwanke„Aus dem Oberflächlichenin das Geheimnis der Urgründe:die Sehnsucht der großen Schwermütigenin die Nacht und zu den Müttern.“(Romano Guardini)„Umraunt von Geheimnissensinkt er in den weiblichen Urgrund der Welt,um sich aus der Lebensquelle zu erneuern.“(Walter Schubart)ERSTER GESANGWie stieg hinan die goldne Morgenröte,Aus ihrem Schoß die goldenstrahlende Sonne!O Meeresperle, o Frau Margarethe,Wie saßest du im Garten deiner Wonne!Wie legtest du die Samen in die Krumen,Daß sich der Erde Kräfte um sie mühten,Wie plegtest du die kleinen blauen BlumenUnd grünes Gras mit aufgeschäumten Blüten!Wie saßest du in deinem RosenhageAls wie ein großer weißer Schmetterling!Du süße Sonne dieser Maientage,Wie himmlisch dich der Himmel überhing!Du redest: Komm zu mir, mein lieber Faust,Ich will die Stubenfliege dir vertreiben!O Margarethe, wie den Tee du braustUnd bietest mir die Honigkuchenscheiben!Wie taumelnd doch die Falter dich umschlingernUnd Honigbienen summen auf der Weide,Wenn du mit deinen schlankgebauten FingernIm Sonnenscheine nestelst an der Seide!Und drückt sich durch das Kleidchen dir aus SeideDie Festigkeit von deinen weißen Schenkeln,Dann sehe ich, o meine Augenweide,In deinem Schoße schon die Schar von Enkeln!Du fragst mich, Frau, nach meiner Religion
 
Und geistigen Erkenntnissen und Kunst?Was weiß der Geist denn vor der Schönheit schon,Was weiß der Mann in seiner Minnebrunst?Hörst du die männlichen Gedanken klirrenIm eisigen Verstande? wie ich wähneUnd denke, lächelst du, mich zu verwirren,O Mädchen, durch das Fallen deiner Strähne!In meinem Turm von Elfenbein als GeistHab ich gedacht und weniger gelebt.Das Leben sei als Schwester lobgepreist,Wenn deiner Brust Rosinenspitze bebt! Nein, sagst du, Faustus, sag mir die Gedanken,Ich lausche dir mit eines Weibes Schweigen.Und ich, bereit an Liebe zu erkranken,Will geistig in dem Schoß der Schönheit zeugen.Du mußt zuerst erkennen deine Sünde,Weil du als Vater nicht den Höchsten preist.Was sag ich aber vor dem schönen Kinde?Unglaubhaft scheint mir da mein eigner Geist!Du sagst, das Göttliche lebt dir im Herzen,Wie soll ich dieser Frauenweisheit wehren?Ich sage dir, ich sags dir unter Schmerzen,O Weib, du mußt dich zu dem Herrn bekehren!Du lächelst schön in deiner sanften Stille,Mir dieses Lächelns Herrlichkeit zu bieten,Daß sich das Leben mir vorm Geist enthülleIn einem grenzenlosen Frauenfrieden.Da spiel ich dir zu meiner weißen Leier Ein Liebeslied, du lächelst voller Glanz,Du hüllst dich in den feinen Seidenschleier Und tanzest mit den Hüften deinen Tanz!Du drehst und wendest dich in deiner Hoheit,Und Wohlgefühl ist und Gesang dein Lächeln,Schaust du zu mir in friedlich frommer Frohheit,Die kleine schwarze Fliege fortzufächeln.Du trunknes Schiff mit zyperroten WimpelnWiegst dich so wohlig in des Meeres Takt!Du Tänzerin, wie klingen schön die ZimbelnUnd Schellen dir an deinen Füßen nackt!Wie zeigt sich mir beim Drehen deines LeibesDie allerschönste Aprikosenbrust,
 
Reichsapfel eines königlichen WeibesUnd ihres Minne-Narren Augenlust!O Margarethe, wie dein Narr entbrenntUnd wirft sich hin vor dir als Minne-Sklave!So herrlich ging dereinst im OrientFrau Judith, welche reich begnadet Jahwe!O Margarethe, Perle du des Meeres,Umspüle mich mit deinem Mittelmeer,Das ist ein berghoch wogendes, als wär esHeerführerin dem hohen Sternenheer.Sag, find ich deine Perle in dem Acker?Ich gäbe alles für die Perle her!Was soll mir all das weibische Gegacker Vor deinem weisen Schweigen schön und schwer!Sag, find ich deine Perle in der Muschel,Ist sie gebildet von verletzendem Staube?Wenn ich mich in den Schoß der Muschel kuschel,Dann höre ich des Urweltmeeres Taube!Ist deine Perle, herrliche Natur,Du Meisterwerk des Schöpfers, voller Glanz,Ist sie die Perle einer Perlenschnur,Ist sie die Rose aus dem Rosenkranz?Ist deine Perle Zentrum deiner WonneIn dem geheimnisvollen Schoß der Minne?Ist deine Perle eine Freudensonne,Bist du der Liebeskraft des Mannes inne?Ist deine Perle von erlesner SorteAus Gottes Urweltozeanen süßUnd eine enggebaute PerlenpforteIn der Leib-Seele-Einheit Paradies?Anstaunen laß dich, schöne Meeresperle,Anbeten laß dich, schöne Margarethe! Nicht wert sind dein die schlechtgelaunten Kerle,Ich aber als ein Geist zur Schönheit bete!Wer bist du, hohe Schönheit auf dem Thron,Die ich als deutscher Denker minnig grüße?Ein Lächeln deinerseits ist Minnelohn,Drum fall ich dir vor deine bloßen Füße!Du bist die Schönheit in der Herrlichkeit,Ich aber bin vor dir ein armer Wurm!Zertritt mich nicht, sei du zur Huld bereit,

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