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Deutsche Sprachprüfung
für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber
(DSH)
1 I. Das Lesenlernen ist eine der größten und wichtigsen Herausforderungen für Schulkinder –
2 und erfordert Monate, manchmal Jahre des Übens. Dass dieser Lernprozess überraschend
3 tiefgreifende Veränderungen in unserem Gehirn bewirkt, haben Forscher jetzt in einer
4 Studie mit indischen Analphabeten herausgefunden. Das Lesenlernen veränderte nicht nur
5 Areale in der Großhirnrinde, sondern auch alte Hirnstrukturen wie den Thalamus und den
6 Hirnstamm.
7 II. Lesen ist eine unserer wichtigsten Fähigkeiten – und gleichzeitig eine sehr junge
8 Kulturtechnik: Von der Erfindung der ersten Schriften bis heute sind nur wenige tausend
9 Jahre vergangen. Deshalb hat unser Gehirn noch kein eigenes Areal für das Lesen entwickelt,
10 sondern funktioniert andere Areale für diese geistige Leistung um. Man geht deshalb davon
11 aus, dass während des Lesenlernens eine funktionelle Umstrukturierung im Gehirn
12 stattfindet. Forscher vermuten, dass dabei Hirnareale, die eigentlich für die Erkennung
13 komplexer Objekte wie beispielsweise Gesichter gedacht waren, nun dafür genutzt werden,
14 Buchstaben zu erkennen und dann in Sprache zu übertragen.
15 III. Um mehr Einblick in die neuronalen Grundlagen des Lesenlernens zu erhalten, führten
16 Forscher eine Studie mit indischen Analphabetinnen durch. In diesem Land sind es vor allem
17 die Frauen, denen der Zugang zu Schulbildung und damit zum Lesen und Schreiben verwehrt
18 bleibt. Ein Großteil der 21 Teilnehmerinnen konnte zu Beginn der Studie kein einziges Wort
19 ihrer Sprache, dem Hindi, entziffern. Hindi, der Landessprache Indiens, liegt die sogenannte
20 Devanagari zugrunde, eine Schrift, deren komplexe Zeichen häufig nicht nur für einzelne
21 Buchstaben, sondern auch für ganze Silben oder auch Wörter stehen.
22 Sechs Monate lang erhielten die Teilnehmerinnen regelmäßig Unterricht im Lesen und
23 Schreiben. Sie erreichten dadurch ein Leseniveau, das sich ungefähr mit dem von
24 Schulkindern am Ende der ersten Klasse vergleichen lässt.
25 IV. „Dieser Wissenszuwachs ist bemerkenswert“, sagt ein Forscher. „Obwohl es für uns als
26 Erwachsene sehr schwierig ist, eine neue Sprache zu lernen, scheint für das Lesen anderes zu
27 gelten. Das erwachsene Gehirn stellt hier seine Formbarkeit eindrucksvoll unter Beweis.“ Um
28 herauszufinden, was sich durch das Lesenlernen im Gehirn der Probandinnen veränderte,
29 untersuchten die Forscher ihre Hirnaktivität im Laufe der Studienzeit mehrfach mit Hilfe der
30 funktionellen Magnetresonanz-Tomografie (fMRT). Dabei wurden die Teilnehmerinnen
31 sowohl während des Lesens als auch im Ruhezustand im Hirnscanner beobachtet.
32 V. Dabei zeigte sich Erstaunliches: Das Lesenlernen verändert keineswegs nur Areale und
33 Funktion der Großhirnrinde, wie bisher angenommen wurde. Stattdessen werden durch
34 diesen Lernprozess Umstrukturierungen in Gang gesetzt, die bis in den Thalamus und den
35 Hirnstamm hineinreichen – und damit in sehr alte Hirnteile. Wie die Forscher beobachteten,
36 passen bestimmte Areale im Hirnstamm und im Thalamus ihre Aktivitätsmuster im Laufe der
37 Zeit enger an die Feuerrate der Sehzentren in der Großhirnrinde an. Sie übernehmen damit
38 offenbar Assistenzaufgaben beim Entziffern der Schrift. Die Thalamus- und Hirnstammkerne
39 helfen unserer Sehrinde dabei, wichtige Informationen aus der Flut von visuellen Reizen
40 herauszufiltern, noch bevor wir überhaupt bewusst etwas wahrnehmen. Man vermutet, dass
41 die Areale am Hirnstamm zudem die Augenbewegungen koordinieren helfen, mit denen wir
42 die Buchstaben fixieren. Auf diese Weise können sich geübte Leser vermutlich effizienter
43 durch Texte arbeiten.
44 VI. Die neuen Erkenntnisse demonstrieren zwei Dinge: Man kann zum einen schlussfolgern,
45 dass unser Gehirn auch im Erwachsenenalter noch zu massiven Umstrukturierungen fähig
46 ist. Analphabeten können demnach noch genauso gut lesen lernen wie Kinder. Zum anderen
47 führt so eine anspruchsvolle Kulturtechnik wie das Lesen zu weitaus tiefgreifenderen
48 Veränderungen in unserem Gehirn, als man es bisher für möglich gehalten hätte. Selbst
49 Hirnteile, die so alt sind, dass wir sie sogar mit den Reptilien teilen, sind an diesem Umbau
50 beteiligt.
51 VII. Neben diesen grundsätzlichen Erkenntnissen könnte die Studie aber auch ein neues Licht
52 auf die neuronalen Ursachen der Lese-Rechtschreib-Schwäche werfen. Denn bisher können
53 Forscher nur darüber spekulieren, warum manche Kinder Legasthenie entwickeln und was
54 dabei im Gehirn geschieht. Eine der Vermutungen war, dass angeborene Fehlfunktionen im
55 Thalamus dafür eine Rolle spielen könnten. Angesichts der jetzt festgestellten
56 Anpassungsfähigkeit dieses Areals wird dies jedoch bezweifelt. Da man nun weiß, dass sich
57 der Thalamus bereits nach wenigen Monaten Lesetrainings grundlegend verändern kann,
58 muss diese Hypothese hinterfragt werden. Mehr dazu soll nun in einer mehrjährigen Studie
59 herausgefunden werden.
659 Wörter, 4793 mit Leerzeichen, nach einem Artikel aus Bild der Wissenschaft
Bei den Worterklärungen werden
Wörter erklärt, die nicht im
einsprachigen Wörterbuch
Worterklärungen Deutsch als Fremdsprache zu
finden sind.
Hirnareale
Universität Mannheim
Deutsche Sprachprüfung
für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber
(DSH)
1. Ordnen Sie bitte die folgenden Überschriften den Abschnitten II bis VII zu.
Achtung: Zwei Überschriften passen nicht! 4 Punkte
Überschrift
Abschnitt II
Abschnitt III
Abschnitt IV
Abschnitt V
Abschnitt VI
Abschnitt VII
Ab hier sind die Fragen chronologisch geordnet. Achten Sie auf die Punkte!
2. Begründen Sie, warum es in unserem Gehirn kein eigenes Areal für das Lesen gibt!
Formulieren Sie um! 2 Punkte
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3. Fassen Sie die Studie (Abschnitt III) zusammen! Formulieren Sie um! 4 Punkte
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Erinnern Sie sich: Was bedeutet
zusammenfassen?
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Komprimiert, strukturiert, in
eigenen Worten!
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4. Erläutern Sie, welche Schlussfolgerungen die Forscher aus den Erkenntnissen ziehen, die
die Untersuchung des Gehirns während des Lesenlernens gebracht haben.
Formulieren Sie um! 4 Punkte
4 Punkte = 2 Aspekte
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5. Was bedeutet „tiefgreifend“ im Text (Zeile 47)? 1 Punkt
6. Ergänzen Sie das Schema mit den Informationen aus Abschnitt VII. Sie dürfen die Wörter
aus dem Text benutzen. 2 Punkte
Hypothese: ____________________________________
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7. Welche Aussagen sind auf der Grundlage des Textes richtig, welche falsch? Wenn falsch,
bitte die richtige Aussage aus dem Text abschreiben! Sie müssen NICHT umformulieren!
3 Punkte
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