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ohne Institution ?
Tagungsbericht
DHG-Fachtagung
28. / 29. 11. 2002, Halle/Saale
2003 p p p DHG-Schriften p p 10
DEUTSCHE HEILPÄDAGOGISCHE GESELLSCHAFT (HRSG.)
PERSPEKTIVEN
FÜR DAS WOHNEN
GEISTIG BEHINDERTER MENSCHEN
MIT HOHEM HILFEBEDARF
TAGUNGSBERICHT
DHG-FACHTAGUNG
28./29.11.2002, HALLE / SAALE
IN KOOPERATION MIT
̈ IMPRESSUM ________________________________________________
HRSG.: DEUTSCHE HEILPÄDAGOGISCHE GESELLSCHAFT E.V. (DHG)
REDAKTIONELLE BEARBEITUNG: CHRISTIAN BRADL
FOTOS: LOTHAR HILDEBRANDT
EIGENVERLAG DHG
© DHG 2003, HALLE / DÜREN 2003
DHG-GESCHÄFTSSTELLE:
HEILPÄDAGOGISCHES HEIM DÜREN, MECKERSTR. 15, 52353 DÜREN
INTERNET: WWW.DHG-KONTAKT.DE
EMAIL: MAIL@DHG-KONTAKT.DE
̈ INHALT _______________________________________________________________________
Inhalt
Vorwort ................................................................................................................................................... 7
̈ ZUR EINFÜHRUNG
CHRISTIAN BRADL: Leben ohne Institution ?
Begrüßung und Einführung .....................................................................................................................8
̈ GRUSSWORTE
JUTTA HILDEBRANDT, Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung,
Landesverband Sachsen-Anhalt ..........................................................................................................12
REINH. NEHRING, Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt ...................14
̈ SO WOLLEN WIR WOHNEN ! ..............................................................................................................17
̈ BEHINDERTENHILFE I M UMBRUCH
GEORG THEUNISSEN: Behindertenarbeit im Lichte von Inclusion, Partizipation und Empowerment
unter besonderer Berücksichtigung der Frage des Wohnens von Menschen mit sogenannter
geistiger Behinderung und hohem Assistenzbedarf ............................................................................18
PETER DIETRICH: Das neue Heimgesetz und die Folgen ......................................................................29
̈ BEHINDERTENHILFE I M UMBRUCH
BETTINA LINDMEIER: Leben ohne Institution. Das Konzept des „supported living“
als Schlüsselkonzept für die Behindertenhilfe ......................................................................................35
̈ AUS DEN ARBEITSGRUPPEN UND WORKSHOPS
MELANIE DOHLE: Kurzdarstellung der SELAM Lebenshilfe Oldenburg .................................................46
BUNDESVEREINIGUNG LEBENSHILFE: Ambulante Unterstützung beim Wohnen für Menschen
mit geistiger Behinderung - eine Empfehlung ......................................................................................48
GEORG THEUNISSEN: Umgang mit herausforderndem Verhalten ..........................................................54
ANTJE KOEPP: Enthospitalisierung - keine Chance für den „harten Kern“ ............................................56
DANIEL KASPER: Zusammenfassung einer Gruppendiskussion der Arbeitsgruppe 5 ...........................59
MONIKA SEIFERT / JUTTA HILDEBRANDT: Eltern und Profis -
Widersprüche oder gemeinsamer Weg ? .............................................................................................61
THEODORUS MAAS: Ohne Institution leben - was muss sich in der Gemeinde ändern ? ...................63
KAI-UWE SCHABLON: Assistenz und Gemeinswesenarbeit als Profession - was verändert sich
in Berufsbild und Arbeitsfeld der Behindertenarbeit ? .........................................................................68
JOACHIM SCHOLZ: Nutzerorientierte Dienstplanung ..............................................................................76
̈ THEATER
THEATERGRUPPE „DAS FANTASTISCHE ECHO“, Wohnhaus Fohlenweg Lebenshilfe Halle:
Die geheimnisvolle Reise des gelben Koffers ......................................................................................85
̈ ZUM ABSCHLUSS
CHRISTIAN BRADL: Für ein Leben ohne Institution. Chancen und Gefahren - Schlusswort ................87
DEUTSCHE HEILPÄDAGOGISCHE GESELLSCHAFT: Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben
in der Gesellschaft - auch für Menschen mit geistiger Behinderung und hohem Hilfebedarf ..............88
DEUTSCHE HEILPÄDAGOGISCHE GESELLSCHAFT: Pressemmitteilung ......................................................95
____________________________________ 5 ____________________________________
̈ VORWORT ____________________________________________________________________
Vorwort
____________________________________ 7 ____________________________________
̈ ZUR EINFÜHRUNG _______________________________________________________________
CHRISTIAN BRADL
DEUTSCHE HEILPÄDAGOGISCHE GESELLSCHAFT
Herzlich willkommen zur Jahrestagung der durchaus auch solche mit höherem Hilfebedarf
DEUTSCHEN HEILPÄDAGOGISCHEN GESELL- ist in den letzten zwei Jahrzehnten beachtlich
SCHAFT, die wir dieses Jahr in Halle in Koope- größer geworden. Es lässt sich mit Typisierun-
ration mit dem Institut für Rehabilitationspäd- gen wie Heim, Wohnstätte, Einrichtung oder
agogik der Martin-Luther-Universität Halle- Betreutes Wohnen längst nicht mehr abbilden,
Wittenberg und der Lebenshilfe- weil hinter dem jeweiligen Schild doch recht
Landesverband Sachsen-Anhalt1 veranstalten. verschiedene Wohnqualitäten stecken können.
Prof. Dr, GEORG THEUNISSEN vom Institut für Entwicklungen wie Enthospitalisierung, Den-
Rehabilitationspädagogik und DR. JUTTA zentralisierung und Gemeindeintegration un-
HILDEBRAND vom Vorstand der Lebenshilfe terstreichen dies. Auch wo Heim oder Einrich-
Sachsen-Anhalt werden noch Grußworte an tung auf dem Schild steht, kann sich dahinter
Sie richten. alles mögliche verbergen - zwischen einer voll
Besonders begrüßen möchte ich Herrn DR. zentralisierten Großeinrichtung und sehr de-
DR. NEHRING vom Ministerium für Gesundheit zentralisierten Wohnformen in der Gemeinde,
und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt; vom unterstützten Einzelwohnen über Wohn-
auch er wird Sie selbst begrüßen und sicher- gemeinschaften zu Wohngruppen oder Inten-
lich auch die Gelegenheit nutzen, Ihnen der- sivgruppen.
zeitige Situation und Perspektiven der Behin-
dertenpolitik in Sachsen-Anhalt zu erläutern.
Nicht zuletzt möchte Sie alle - aus Deutsch-
land, Österreich und der Schweiz - willkommen
heißen und hoffe auf gute Information, regen
Austausch und innovative Strategien.
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̈ ZUR EINFÜHRUNG _______________________________________________________________
schichtungen Betreuungsstandards abgebaut ersten und nicht zum letzten Mal sind gerade
oder behinderte Menschen wieder in Pflege- in diesem Jahr Heime generell, aber auch
einrichtungen fehlplatziert werden. Unter sol- Heime der Behindertenhilfe in die Diskussion
chen Bedingungen erscheint die Perspektive geraten.
„Leben ohne Institution“ nur schwer vermittel-
1. Finanzierbarkeit: Immer schärfer wer-
bar und schürt Ängste vor dem Abbau müh-
den die leeren Kassen in Bund, Län-
sam erkämpfter Dienste und Einrichtungen für
dern und Gemeinden erkennbar. Ko-
behinderte Menschen.
stenträger warnen vor dem finanziellen
Und es ist eine weitere Tendenz auszuma- Kollaps des Sozialstaats; Kommunal-
chen: Wünsche und Ansprüche von Kunden verbände bzw. Landessozialämter
bzw. Nutzern, also von behinderten Menschen stellen die Finanzierbarkeit der Einglie-
selbst oder ihren Angehörigen haben sich in derungshilfe für behinderte Menschen
den letzten Jahren verändert und werden zu- in Frage und fordern Reformen der
dem nachdrücklicher geäußert. Diese Wün- Eingliederungshilfe oder Leistungsge-
sche oder Ansprüche betreffen, um nur einige setze.
Beispiele zu nennen:
2. Steigende Nachfrage: Bedingt durch
̇ die Ablehnung unzeitgemäßer Lebens- demographische, auch soziographische
standards wie z.B. Mehbettzimmer, große Entwicklungen, wie z.B. der Verände-
Gruppen, Anstaltsmilieu rung von Familienstrukturen wird die
̇ den regionalen Bezug, also den Wunsch, Nachfrage nach Wohnplätzen deutlich
eine Wohnform in der jeweiligen Heimatre- ansteigen („Steigende Fallzahlen“).
gion zu finden, um einfacher soziale Kon-
takte aufrecht zu erhalten
̇ Möglichkeiten der Mitgestaltung bei Zim-
mereinrichtung, Tagesablauf, Freizeit.
Die Wünsche betreffen aber nicht nur materi-
elle und soziale Standards, sondern zuneh-
mend auch den Anspruch nach Selbstbestim-
mung beim Wohnen, und das heißt, es geht
um
̇ Wahlmöglichkeiten, wo und mit wem man
zusammenleben möchte
̇ Einfluss darauf zu nehmen, wo, wann man
welche Assistenz erhalten oder auch nicht
erhalten möchte
̇ die Frage, in welcher Wohnform man le-
ben möchte, allein, als Paar oder mit ande-
ren Menschen Beispiel Rheinland:
Entwicklung der Nachfrage nach Wohnplätzen2
̇ den Wunsch, in einer eigenen Wohnung
zu leben, in der man die erforderliche Assi-
stenz erhalten kann. 3. mehr gesetzliche Anforderungen und
Unsere typischen gruppenorientierten bzw. zunehmende Steuerung, insbesondere:
gruppengegliederten Wohnformen stoßen hier ̇ Leistungs-, Vergütungs- und Qua-
zunehmend an Grenzen. Und wo bleiben hier litätsvereinbarungen nach § 93
Wünsche und Möglichkeiten der behinderten BSHG
Menschen mit höherem Hilfebedarf? Und wer ̇ Qualitätsmanagement oder andere
soll das alles bezahlen? Wir stehen vor vielen Qualitätssicherungssysteme
Herausforderungen und vielen Fragen.
2
Heime in der Diskussion aus: Broschüre des beiden Landschaftsverbände
Rheinland und Westfalen-Lippe: Eingliederungs-
Mit weiteren Herausforderungen haben wir uns hilfe heute. Entwicklung und Perspektive. Köln,
auseinanderzusetzen: Sicherlich nicht zum Münster 2002
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̈ ZUR EINFÜHRUNG _______________________________________________________________
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̈ ZUR EINFÜHRUNG _______________________________________________________________
und nicht auf fachlich nicht begründbare Per- Und auch über das kreative Medium eines
sonalschlüssel begrenzt werden, die Grenzen Theaterstücks lassen sich, unmittelbarer und
zwischen Institution und Nicht-Institution zu- konkreter Erfahrungen und Botschaften ver-
nehmend verwischen. Und wir werden genau- mitteln. Schon jetzt freuen wir uns auf die Auf-
er zu bestimmen haben, was von der Lebens- führung der „geheimnisvollen Reise des gel-
und Betreuungsqualität her (und nicht wie bis- ben Koffers“ der Theatergruppe des Lebens-
her von der Frage der Zuständigkeit her) hilfe-Wohnhauses Fohlenweg in Halle.
selbstbestimmtes Wohnen heißt, auch für be-
Drei größere Fachbeiträge drehen sich aus
hinderte Menschen mit hohem Hilfebedarf.
unterschiedlicher Perspektive um das Tagung-
Es wird also darum gehen, entsprechend den sthema „Leben ohne Institution“:
Wünschen und dem Hilfebedarf behinderter
̇ GEORG THEUNISSEN vom Institut für Reha-
Menschen individuelle Wohnformen zu reali-
bilitationspädagogik in Halle wird die Aus-
sieren in einem System, das sowohl den Nut-
wirkung neuer Leitbegriffe bzw. Paradig-
zern wie den Assistenzkräften notwendige
men wie Inclusion, Partizipation und Em-
soziale Sicherheit bietet.
powerment auf die Frage des Wohnens,
insbesondere behinderter Menschen mit
hohem Hilfebedarf darstellen.
Zur Tagung
̇ PETER DIETRICH von der Bundesvereini-
Wir sind zu einer Fachtagung zusammen ge- gung Lebenshilfe wird uns über das neue
kommen, mit vielen Fachleuten und Fachbei- Heimgesetz, erlassen zur Stärkung von
trägen, und es wird dabei gewiss viel über statt Rechten und Mitwirkungsmöglichkeiten
mit behinderten Menschen gesprochen. Aber von Heimbewohnern, und die sich daraus
wir bemühen uns im Rahmen dieser Fachta- ergebenden Folgen für Heime informieren.
gung um Dialoge. Solche Dialoge haben wir ̇ BETTINA LINDMEIER von der Universität
bewusst an den Anfang gestellt: Oldenburg wird sich schließlich - unter
̇ MELANIE DOHLE von der SELAM- Einbezug des Konzepts „supported living“ -
Lebenshilfe, die ein Netz ambulant unter- der Frage widmen: Leben ohne Institution -
stützter Wohnformen für Menschen mit eine Perspektive für geistig behinderte
geistiger Behinderung in Oldenburg unter- Menschen.
hält, wird mit HOLGER MEINS über das Le- Dazwischen liegt viel Zeit für Arbeitsgruppen
ben in eigener Wohnung sprechen. und Workshops mit der Möglichkeit zu hoffent-
̇ KERSTIN SCHIRBORT vom Institut für Reha- lich intensivem Erfahrungsaustausch und reger
bilitationspädagogik Halle wird mit SINDY Diskussion.
BARKE, SILKE HARING und ULF MATTHIAS Hinweisen möchte ich auf die zusätzliche Ar-
von der wtw-Gruppe Halle5 über Selbstbe- beitsgruppe 7: Möglichkeiten zur EDV-
stimmung im Alltag und Möglichkeit von technischen Abbildung und Dokumentation
Selbsthilfegruppen sprechen. des individuellen Hilfebedarfs nach dem Heim-
Eine andere Form, Wünsche und Erfahrungen gesetz mit Herrn Dr. Kühlborn von der Firma
zum Wohnen aus der Sicht behinderter Men- MICOS GmbH, Oldenburg.
schen selbst zu vermitteln, sind gemeinsam
vorbereitete Videofilme. Zwei Videofilme sind
dafür vorbereitet worden:
̈ DR. CHRISTIAN BRADL
̇ „So leben wir in unserem Wohnhaus“ - ein
Videofilm von und mit Bewohnerinnen und DEUTSCHE HEILPÄDAGOGISCHE GESELLSCHAFT
Bewohnern des Wohnhauses Fohlenweg GESCHÄFTSSTELLE: HPH DÜREN
der Lebenshilfe Halle MECKERSTR. 15, 52353 DÜREN
̇ „Ein Leben mit Ecken und Kanten“ - ein
EMAIL: MAIL@DHG-KONTAKT.DE
Videofilm von und mit ANDRÉ NITTEL von
Lebenswege für Menschen mit Behinde-
rungen gGmbH in Berlin.
5
WTW: Wir Tun Was!
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̈ GRUSSWORTE _________________________________________________________________
Grußwort
JUTTA HILDEBRAND
LEBENSHILFE FÜR MENSCHEN
MIT GEISTIGER BEHINDERUNG
LANDESVERBAND SACHSEN-ANHALT
Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Leben in der Zeit, da sie nicht mehr sind. Viele
Gäste, würden ihren halbwüchsigen oder jungen er-
wachsenen Kindern gern mehr Selbständigkeit
ermöglichen, aber tausend Ängste hindern sie
als Mitglied des Landesvorstandes der
am Loslassen.
LEBENSHILFE FÜR MENSCHEN MIT GEISTIGER BE-
HINDERUNG SACHSEN-ANHALT und als Mutter Und dann sind da noch die vielen bürokrati-
einer schwerstmehrfach behinderten schen Hürden, die unsere Kinder in Schubla-
23jährigen Tochter begrüße ich Sie recht herz- den einordnen und eine individuelle Wahl der
lich zu dieser Fachtagung. Wohnform und der Einrichtung kaum zulassen.
Örtliche und überörtliche Zuständigkeit,
Grundanerkenntnis und Pflegesatz, Abwesen-
Mit dieser Veranstaltung setzt sich für die Le- heitsregelungen und viele derartige für Eltern
benshilfe eine Tradition fort. Eine Tradition der meist undurchschaubare Begriffe und Verhält-
Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern nisse erschweren den Familien den Weg in ein
der MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄT HALLE- Leben ohne Institution.
WITTENBERG und dem Landesverband der
Und es gibt noch sehr viele Hürden - fachliche,
Lebenshilfe, einem Verband, in dem sich vor
menschliche, organisatorische und nicht zu-
allem Eltern geistig und mehrfach behinderter
letzt eine Reihe wirtschaftlicher Gründe, die
Kinder, aber auch Fachleute und Freunde
Einrichtungsträger heute hindern, tatsächlich
behinderter Menschen organisiert haben,
den individuellen Bedürfnissen der behinderten
heute erweitert um Ihren Verband, der
Menschen entsprechende Angebote machen
DEUTSCHEN HEILPÄDAGOGISCHEN GESELL-
zu können.
SCHAFT. Sie und die vielen in der Lebenshilfe
arbeitenden Fachleute und natürlich auch wir Und auch bei uns Eltern liegen viele Gründe,
Eltern engagieren sich für die Förderung be- die das Selbstbestimmungsrecht des behin-
hinderter Menschen und ihre Integration in die derten Menschen beeinflussen. Mich als Mut-
Gesellschaft jeweils aus recht unterschiedli- ter beschäftigt, wenn es um die Sicherung von
cher Sicht. Selbstbestimmung für Menschen mit Behinde-
rung geht, immer wieder auch das Problem der
Balance zwischen dem Selbstbestimmungs-
Mit dem Thema, das Gegenstand Ihrer bevor- recht des behinderten Menschen und dem
stehenden Arbeit sein wird, greifen Sie ein seiner Angehörigen. Meine Tochter braucht
Problem auf, das auch uns Eltern mehr oder wegen ihrer Behinderung ständige Aufsicht
weniger akut, mehr oder weniger direkt auf der und Betreuung. Sie hat einen sehr starken
Seele brennt. Viele Eltern, die ihre behinderten Willen. Oft ist sie nur mit Überredungskunst
Kinder noch im „hohen Erwachsenenalter“ zu oder Tricks zu notwendigen Handlungen bzw.
Hause betreuen, machen sich Sorgen um das Abläufen zu bringen. Häufig bleibt uns aber
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̈ GRUSSWORTE _________________________________________________________________
gar nichts anderes übrig, als unsere Interessen oder weniger misstrauisch, ängstlich oder ag-
hinten an zu stellen. gressiv entgegengehalten.
Es ergibt sich die Frage, wie kann Selbstbe-
stimmung des behinderten Menschen realisiert Uns allen geht es jedoch gemeinsam darum,
werden, ohne die Freiräume der Angehörigen das Lebensumfeld wirklich menschengerecht
oder anderer Personen über Gebühr einzuen- zu gestalten. Dies ist eine Aufgabe für die ge-
gen? Ich denke, das Umfeld im weitesten Sin- samte Gesellschaft.
ne muss mit einkalkuliert werden in die Ent-
In diesem Sinne wünsche ich Ihrer Tagung
wicklung von selbstbestimmtem Leben, in die
einen erfolgreichen Verlauf und möglichst viele
pädagogischen Konzepte und die gesamte
praktikable Erkenntnisse.
Organisation von Hilfen für behinderte Men-
schen und ihre Angehörigen.
Die Eltern, deren Kinder bereits in Heimen
oder betreuten Wohngruppen leben, sind zwar ̈ Dr. Jutta Hildebrand
in dieser Hinsicht etwas entlasteter. Allerdings LEBENSHILFE FÜR MENSCHEN MIT GEISTIGER
machen ihnen die „Sorgen“ um das Wohlerge- BEHINDERUNG - LANDESVERBAND SACHSEN-
hen ihrer Kinder im Heim zu schaffen. Achten ANHALT
die Gruppenleiter auf die Gewohnheiten mei- ACKERSTR.23, 39112 MAGDEBURG
nes Kindes? Werden sie seine Bedürfnisse WWW.LEBENSHILFE-LSA.DE
nach Zuwendung erfüllen können? Bekommt
es genug und das richtige zu essen? All diese
und ähnliche Fragen werden je nach Mentalität
der Eltern in unterschiedlicher Schärfe gestellt
und den „Profis“ in den Einrichtungen mehr
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̈ GRUSSWORTE _________________________________________________________________
Grußwort
REINH. NEHRING
MINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT UND
SOZIALES DES LANDES SACHSEN-
ANHALT
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̈ GRUSSWORTE ______________________________________________________________
solange wie möglich, in der Familie zu betreu- inzwischen erreichten Ausbaustandes bei den
en. Wohnheimen richten sich nun entsprechend
Außerdem wurde ein Netz von Tagesstätten dem Rahmenvertrag gemäß § 93 d Abs. 2
für Menschen mit seelischen Behinderungen BSHG die Bemühungen verstärkt auf offenere
und für Menschen mit seelischen Behinderun- Wohnformen, wie z. B. das Intensiv betreute
gen infolge Sucht initiiert. Damit wurde oft ein Wohnen, betreute Wohn- und Außenwohn-
Heimaufenthalt verhindert. gruppen. Diese können und sollen aber die
Familie nicht ersetzen, sondern können immer
nur ein ergänzendes Angebot darstellen.
Da 1995 kein ambulant betreutes Wohnen
existierte, hatte das Land bis 1999 als freiwilli-
ge Leistung die Pflichtaufgabe der Kommunen Ich bin wie Sie der Meinung, dass die notwen-
(örtliche Träger der Sozialhilfe) als Anschubfi- digen Hilfen regionalbezogen gemeindenah
nanzierung gefördert. So konnten in dem Be- angeboten werden müssen. Das Ministerium
reich fast 700 Plätze aufgebaut werden. Mit für Gesundheit und Soziales des Landes
Einstellung der Förderung wurden jedoch nach Sachsen-Anhalt arbeitet an einer Vernetzung
Informationen von Trägern wieder Plätze ab- des betreuten Wohnens, in sachlicher Zustän-
gebaut, obwohl eine weitere Aufstockung digkeit des örtlichen und überörtlichen Trägers
notwendig wäre. Damit bleiben Menschen in der Sozialhilfe, um zu erreichen, dass für den
Heimen, die dort nicht hingehören. Knappe jeweiligen Hilfebedarf „zugeschnittene Ange-
Ressourcen werden verbraucht, die andere bote“ flächendeckend und im Rahmen einer
dringendst benötigen würden. Um dieses Pro- Kofinanzierung vorgehalten werden können.
blem dauerhaft zu lösen, ist eine Zusammen- Eine Verbesserung eines flächendeckenden
führung der Zuständigkeiten für die Behinder- Angebotes an ambulanten Hilfen im Bereich
tenhilfe überfällig. Dieses Thema wird derzeit der Behindertenhilfe ist jedoch nur durch die
im Ministerium intensiv bearbeitet. Aufhebung der Trennung der Zuständigkeit für
ambulante und teilstationäre Hilfen zu errei-
chen.
Mit Änderung des BSHG wurde 1998/99 be-
gonnen, einen Rahmenvertrag nach § 93 d (2) Für eine bessere fachliche Steuerung der In-
BSHG zu entwerfen. Aufgrund intensivster anspruchnahme von ambulanten, teilstationä-
Zusammenarbeit aller Beteiligten konnte ren und stationären Angeboten der Eingliede-
Sachsen-Anhalt einen Spitzenplatz aller Bun- rungshilfe ist die Errichtung eines Fachdien-
desländer einnehmen. Der Vertrag zeichnet stes am Landesamt für Versorgung und So-
sich dadurch aus, dass die Belange und not- ziales für die Begutachtung der Leistungs-
wendigen Bedarfe der Menschen mit Behinde- empfänger erforderlich. Nur mit dieser Fach-
rungen handlungsweisend sind. Damit werden kompetenz kann im Einzelfall der notwendige
Verwaltung und Leistungserbringer zu Dienst- Rehabilitationsbedarf festgestellt werden.
leistern, die betroffenen Behinderten sind nicht Die derzeitige Interessenkollision aufgrund der
Bittsteller. Das heißt im Klartext, dass Einrich- Tatsache, dass die Gebietskörperschaften
tungsträger ihre Angebote an den Bedarfen nicht nur im Auftrag des Überörtlichen Trägers
der Behinderten zu orientieren haben und nicht der Sozialhilfe entscheiden, sondern auch
umgekehrt. Mit der Aussage soll nicht unter- gleichzeitig als örtliche Träger der Sozialhilfe
stellt werden, dass bisher schlechte Leistun- gem. § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG über Hilfen im
gen erbracht wurden. Dies ist nicht der Fall, eigenen sachlichen Zuständigkeitsbereich
jedoch gibt es zukünftig eine neue Ausrich- entscheiden, wird somit abgeschafft.
tung, die den Gesetzesvorgaben entspricht.
Derzeit werden die verschiedensten Standards
Ziel ist es, eine bessere Steuerung der Pro-
erarbeitet und im Zuständigkeitsbereich des
zesse durch das Land sicherzustellen und
Landes eine Vollerhebung des Hilfebedarfs
Entscheidungs- und Finanzverantwortung wie-
durchgeführt, so dass das neue System in aller
der zusammenzuführen. Endabsicht dabei ist
Vielfalt ab 2004 greifen wird.
die Reduzierung der Inanspruchnahme statio-
närer Betreuungsangebote, bessere flexiblere
Moderne, behindertengerechte Einrichtungen Durchführung der Rehabilitation und Integrati-
sind unverzichtbar und werden weiter im erfor- on in das gesellschaftliche Leben bei gleich-
derlichen Umfang gefördert. Aufgrund des
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̈ GRUSSWORTE ______________________________________________________________
zeitiger möglicher Kostensenkung für das Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Land. durch Beschluss des Rates der Europäischen
Damit ist auch die einheitliche Anwendung der Union ist das Jahr 2003 zum Europäischen
§§ 93 ff BSHG unter Beachtung des Vorranges Jahr der Menschen mit Behinderungen erklärt
der offenen Hilfen nach § 3a BSHG gegeben. worden. Damit haben behinderte Menschen
die Möglichkeit, europaweit und öffentlich-
keitswirksam auf sich und ihre Interessen auf-
Ein anderes wesentliches Merkmal der neuen
merksam zu machen. Im Laufe des Jahres
Denkrichtung ist z.B., dass die anteilige Förde-
2003 werden dazu auch im Land Sachsen-
rung von Selbständigkeit, Freizeit und von
Anhalt Veranstaltungen stattfinden.
Bildung fester und verbindlicher Bestandteil
der täglichen Arbeit mit Menschen mit Behin- Ich bitte auch Sie, sich aktiv daran zu beteili-
derungen wird. Erworbene Bildung ist eine gen und deren Zielstellungen zu unterstützen.
Voraussetzung, um selbständig und aktiv die
Anforderungen des täglichen Lebens bestehen
zu können. Je entscheidungsfähiger ein
Mensch wird und je mehr Wissen er hat, um so ̈ DR. DR. REINH. NEHRING
eher wird er nach seinen Vorstellungen leben MINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT UND SOZIALES
können. Dies ist aktivierende Sozialpolitik für DES LANDES SACHSEN-ANHALT
Menschen mit Behinderungen. TURMSCHANZENSTRAßE 25
39114 MAGDEBURG
Nicht zu verschweigen ist jedoch, dass zwar
fast alle Menschen den Weg gehen können,
dies jedoch im Einzelfall nicht bedeutet, dass
es z.B. zukünftig keiner Wohnheimplätze mehr
bedarf. Auch zukünftig wird es Menschen mit
Behinderungen geben, die nicht ohne intensive
Hilfestellung leben können und die dauerhaft
einen Wohnheimplatz benötigen.
Es wäre jedoch nicht zu verantworten, wenn
ein behinderter Mensch lediglich aufgrund
mangelnder Förderung seiner Fähigkeiten und
Fertigkeiten in einem Heim verbleiben müsste.
Bei der Auswahl von geeigneten notwendigen
Hilfen und bei der Intensität der Entwicklungs-
prozesse muss z.B. außerdem bedacht wer-
den, dass insbesondere bei sehr selbständi-
gen Wohnformen keine soziale Vereinsamung
eintritt. Hier besteht eine besonders hohe Ver-
antwortung aller Beteiligten, Menschen mit
Behinderungen zu fördern und zu fordern, aber
sie nicht zu über- bzw. unterfordern. Nur so
kann durch Aktivierung auch eigene Aktivität
entstehen.
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̈ SO WOLLEN WIR WOHNEN ! _______________________________________________________
Ohne Umwege
in die
Gemeinde
So wollen wir
wohnen !
Videofilme
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̈ BEHINDERTENHILFE IM UMBRUCH ? __________________________________________________
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̈ BEHINDERTENHILFE IM UMBRUCH ? __________________________________________________
109). Dieses Problem der Begrenzung indivi- zeitpatienten ist verantwortlich für diese Sym-
dueller Entfaltungsmöglichkeiten tritt auf, wenn ptome, die auch in Konzentrationslagern fest-
sich eine Eigengesetzlichkeit, eine „Selbstver- gestellt worden sind.“
zweckung“ (SPECK) der Institutionen entwik-
kelt, die nicht selten mit strikten Regelungen,
Vorschriften, Verplanungen oder Fremdbe- Normalisierung
stimmung einhergeht. Mit dem Bekanntwerden dieser Institutionali-
Genau an dieser Stelle setzt die Auseinander- sierungseffekte im Sinne von Hospitalisie-
setzung mit dem Paradigma der Institutionali- rungsschäden und den damit verknüpften
sierung an, das bekanntlich GOFFMAN (1973) skandalösen, menschenverachtenden und -
unter dem Stichwort der „totalen Institution“ unwürdigen Zuständen in vielen, insbesondere
dechiffriert und aufbereitet hat. Seine scharfe staatlichen Großeinrichtungen oder Pflege-
Analyse sozialer Institutionen, die immer auch heimen war dieser dominierende Institutionsty-
wegebnend ist für die Frage der strukturellen pus in führenden westlichen Industrienationen
und institutionellen Gewalt (hierzu THEUNISSEN spätestens gegen Ende der 60er Jahre ins
2001) hat bis heute nichts an Aktualität einge- Kreuzfeuer heftiger Kritik geraten.
büßt. Sie sollte quasi der Prüfstein für jedes Die Auseinandersetzung mit der Institutionali-
institutionelle System sein. sierung führte zu dem in der Vergangenheit
Wichtig ist für unser Thema sind nun die Be- viel zitierten Normalisierungsprinzip, das in
obachtungen und Erkenntnisse, die bezüglich einigen westlichen Ländern (z. B. skandinavi-
des institutionellen Lebens bzw. Wohnens von sche Länder, USA, England) auf die (schritt-
Menschen mit sog. geistiger Behinderung und weise) Auflösung traditioneller Großeinrichtun-
hohem Assistenzbedarf gemacht wurden. Wir gen oder Heime zugunsten des Aufbaus ge-
sprechen hier von der Hospitalisierung dieses meindeintegrierter Wohnformen für ein selbst-
Personenkreises, deren Symptome und Aus- bestimmtes Leben behinderter Menschen
wirkungen hinlänglich bekannt sein dürften: zielte. Dieser Prozess wird als Deinstitutionali-
„erlernte Hilflosigkeit“ (SELIGMAN), „Verstüm- sierung bezeichnet und ist in den nordeuropäi-
melung des Selbst“ (GOFFMAN), „erlernte Be- schen Ländern und in den USA am weitesten
dürfnislosigkeit“ u. v. m. In Erinnerung rufen fortgeschritten. Waren zum Beispiel in Schwe-
möchte ich in dem Zusammenhang die pro- den 1968 ca. 14.000 Menschen mit sog. gei-
funden Beobachtungen von JERVIS (1978, stiger Behinderung in großen Institutionen
1 erfasst, so lebten 1997 nur noch 1.800 Perso-
129): „Der Aufenthaltsort in der Irrenanstalt
bewirkt fast ausnahmslos nach einigen Jahren, nen in Einrichtungen mit mehr als sechs Plät-
und manchmal nach einigen Monaten, eine zen (DALFERTH 1999, 88, 100f.).
charakteristische Art von Verhalten, die ‘insti- In Westdeutschland war dagegen die Umset-
tutionelle Neurose’, ‘institutionelle Regression’ zung des Normalisierungsprinzips in fünffacher
oder richtiger ‘institutionelle Psychose’ (An- Hinsicht beschränkt:
staltspsychose) genannt wird. Der Patient 1. wurde nicht konsequent deinstitutionali-
verschließt sich langsam immer mehr in sich siert, stattdessen wurde Normalisierung
selbst, wird energielos, abhängig gleichgültig, häufig nur als eine Humanisierung von
träge, schmutzig oft widerspenstig, regrediert Lebensbedingungen innerhalb beste-
auf infantile Verhaltensweisen, entwickelt star- hender Großeinrichtungen in Betracht
re Haltungen und stereotype ‘Tics’, passt sich gezogen;
einer extrem beschränkten und armseligen 2. wurden gemeindenahe Wohnangebote
Lebensroutine an, aus der er nicht einmal ausschließlich nur in Form neuer
mehr ausbrechen möchte und baut sich oft als Wohnheime geschaffen; Wohnheime
eine Art Tröstung Wahnvorstellungen auf (die entsprechen aber nicht dem, was ge-
sog. ‘institutionellen Delirien’). Die geschichts- meinhin unter einen ”normalen” häusli-
und zeitlose Welt der Abteilungen für Lang- chen Wohnen (Maßstab vier bis sechs-
köpfige Familie) verstanden wird;
1 3. wurde im Zuge der Normalisierung die
oder auch anderen Institutionen mit „totalen Cha-
rakter“, in denen Menschen mit sog. geistiger Be- Defizitorientierung nicht hinterfragt;
hinderung ihrer Möglichkeiten der Selbst- und Mit- 4. wurden Betroffene an der Normalisie-
bestimmung, individuellen Entfaltung und gesell- rung ihrer Lebensbedingungen nur
schaftlichen Partizipation beraubt sind selten beteiligt - waren es doch in der
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̈ BEHINDERTENHILFE IM UMBRUCH ? __________________________________________________
Regel ihre ”Betreuer”, die Leiter oder und das unter dem Leitgedanken der Normali-
Träger der Einrichtungen, die am be- sierung.
sten wussten, was für sie gut und rich-
tig war;
5. wurde Normalisierung mitunter als eine Förderung und Integration
„Normierung“ der Lebenswelten oder Diese Kritik sollte nun aber nicht zu der An-
auch als ein „Normal-Machen“ behin- nahme verleiten, dass Normalisierung als Leit-
derter Menschen missverstanden. prinzip gänzlich gescheitert sei. Im Zuge der
Umsetzung war es nämlich in Westdeutsch-
In der DDR standen zeitgleich die Wohnsy- land spätestens zu Beginn der 80er Jahre zu
steme für Menschen mit sog. geistiger Behin- einer veränderten Sicht gekommen: Menschen
derung und hohem Assistenzbedarf im Zei- mit Behinderungen wurden nun nicht mehr nur
chen des traditionellen psychiatrischen Mo- im Lichte von Schädigungen, sondern gleich-
dells und der „totalen“ Institutionalisierung. falls von Lern- und Entwicklungsbeeinträchti-
Jedoch war es gegen Ende der 80er Jahre gungen und gesellschaftlicher Benachteiligung
durch die Schaffung von Wohnheimen für sog. wahrgenommen.
„förderungsfähige“ geistig und lernbehinderte Damit wurde zum einen die heilpädagogische
Menschen sowie durch die Reformierung eini- Förderung zu einem praxisrelevanten Schlüs-
ger kirchlicher Großanstalten zur Auflockerung selbegriff. Ihre implizite Rollenzuschreibung
des (totalen) Institutionswesens gekommen. und Normsetzung war aber eindeutig: Es ging
Dieser Prozess wurde nach der Wende fortge- darum, etwas aus einem behinderten Men-
setzt und nicht selten als Enthospitalisierung schen zu machen. Gefordert wurde die von der
bezeichnet und aufbereitet. Dies ging mit der helfenden Instanz gesetzte Norm, und das war
nachweislich sehr hohen Anzahl (ca. 9.000) in der Regel Verselbstständigung und soziale
fehlplatzierter Menschen mit Behinderungen in Anpassung an die Gesellschaft.
psychiatrischen Einrichtungen (Hospitälern), Zum anderen wurde eine Öffnung und Zu-
Pflege-, Alten- oder Feierabendheimen zu- gänglichkeit der „normalen“ gesellschaftlichen
sammen. Im Prinzip haben wir es in den neuen Institutionen für behinderte Menschen mit
Bundesländern mit ähnlichen Entwicklungen Nachdruck eingefordert und in den Blick ge-
wie in den alten Ländern zu tun - allerdings mit nommen. Damit setzte eine Integrationsent-
dem Unterschied, dass die Normalisierungs- wicklung ein, die dazu geführt hat, dass heute
bemühungen zum Teil rascher und mitunter flächendeckend in Deutschland integrative
auch konsequenter vollzogen wurden. Nach Vorschuleinrichtungen angeboten werden und
meinen Beobachtungen gibt es inzwischen in dass sich viele Bundesländer der schulischen
den neuen Bundesländern Reformen und Ein- Integration behinderter Kinder und Jugendli-
richtungen, von denen Träger der Behinder- cher aufgeschlossen gegenüber zeigen. Dort,
tenhilfe in den alten Ländern lernen können, wo sie praktiziert wird, kommt es in der Regel
wie es auch umgekehrt in den Altländern Ent- zur Erosion (Abbau) von Vorurteilen, zum Bei-
wicklungen auf dem Gebiete des Wohnens spiel auch der Vorstellung, dass behinderte
gibt, die für Einrichtungsträger in den neuen Menschen „andersartig“ seien und daher einer
Ländern beispielhaft sein können. Von einem völlig anderen, besonderen Behandlung be-
„cultural lag“ gegenüber den Altländern kann dürfen. Im Gegenteil: Es wird die Erfahrung
jedenfalls auf dem Gebiete des Wohnens be- gemacht, dass es einerseits zwar individuelle
hinderter Menschen 10 Jahre nach der Wende Unterschiede gibt, dass sich andererseits die
nicht mehr pauschal gesprochen werden. Bedürfnisse, Wünsche oder Interessen behin-
Nichtsdestotrotz lassen sich vielerorts aber derter und nichtbehinderter Menschen aber
auch die bereits oben genannten Probleme auch kaum unterscheiden; und genau diese
konstatieren, die letztlich damit zusammen- Erfahrung der Differenz und Egalität lässt Ver-
hängen, dass nach der Wende für nicht weni- ständnis, Solidarität und Gemeinsamkeiten
ge Einrichtungsträger das defizit- und instituti- entstehen und bildet das Fundament für eine
onsbezogene Denken, Planen und Handeln humane Gesellschaft (hierzu auch FREDE-
der traditionellen Behindertenhilfe in West- RICKSON & CLINE 2002).
deutschland Vorbildfunktion hatte. Insofern Der Stand der schulischen Integration ist je-
wurde aus der Enthospitalisierung häufig eine doch längst noch nicht zufriedenstellend. So
Umhospitalisierung (HOFFMANN 1998; 1999) - werden beispielsweise nur etwa 2 % aller Kin-
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der und Jugendlichen mit sog. geistiger Behin- bestimmung und Beteiligung der Betroffenen in
derung integrativ oder kooperativ unterrichtet allen Bereichen und auf allen Ebenen des
(Theunissen 1999). Von einer „Normalisierung“ Hilfesystems (THIMM 1994; 1997).
der Verhältnisse durch Auflösung von Sonder-
einrichtungen kann daher in keiner Weise die
Rede sein. Empowerment
Das gilt gleichfalls für das Wohnen behinderter Von daher ist der Normalisierungsgedanke
Menschen: Ein gesellschaftlich integriertes nicht unredlich, wenn er im Rahmen einer le-
Wohnen wird zwar propagiert; Tatsache aber bensweltbezogenen Behindertenarbeit zum
ist, dass in Deutschland (wenn wir vom Woh- Tragen kommt, die mit Blick auf BRON-
nen im familialen Herkunftsmilieu einmal abse- FENBRENNER (1981) den Einzelnen als kom-
hen) ca. 78 % aller Menschen mit sog. geisti- petenten Akteur seiner Lebensverhältnisse
ger Behinderung in Institutionen mit 40 oder begreift. Demnach sind all jene Normalisie-
mehr Plätzen (Großeinrichtungen) leben. Zu- rungsmaßnahmen als verfehlt oder unzurei-
dem sind etwa 3 % der Plätze in Einrichtungen chend zu betrachten, die Menschen mit Behin-
der stationären Altenhilfe mit geistig, lern und derungen neue Lebensbereiche und Stan-
mehrfach behinderten Menschen unter 60 dards einfach vorsetzen und dabei die aktiven
Jahren fehlbelegt (Brings & Rohrmann 2002). Aneignungsmöglichkeiten, eine sinnerfüllte,
Von den ca. 22 %, die in Wohneinrichtungen selbstbestimmte Erschließung neuer Lebens-
bis zu 40 Plätzen leben, beträgt der Anteil der räume, weithin außer Betracht lassen.
Menschen im sog. betreuten (ambulant unter- Nicht nur Großeinrichtungen, sondern auch
1
stützten) Wohnen ungefähr 10 % . Nach mei- Wohnheime, die sich der Normalisierung ver-
nen Erkenntnissen sind wir diesbezüglich im pflichtet fühlen, müssen sich den Vorwurf ge-
Vergleich zu anderen führenden westlichen fallen lassen, diese Einsicht allzu oft zu igno-
Industrienationen Schlusslicht. In den USA rieren.
wohnen heute beispielsweise 77,1 % aller Diese Problematik wurde schon vor etwa 30
Menschen mit sog. geistiger Behinderung in Jahren von Menschen mit Behinderungen
Wohneinrichtungen, die weniger als 16 Plätze selbst aufgegriffen (THEUNISSEN & PLAUTE
aufweisen, davon 62,4 % in Häusern mit ma- 2002, 47ff.; auch STEINER 2001). Zunächst
2
ximal 6 Plätzen (THEUNISSEN & PLAUTE 2002, waren es Menschen mit Körper- und Sinnes-
42). behinderungen, die sich in selbstorganisierten
Das Erbe des Institutionalisierungsparadigmas Zusammenschlüssen gegen die Institutionali-
wiegt in Deutschland nach wie vor schwer. sierung wandten und anstelle des medizini-
Dass wir es bei uns mit ”hausgemachten” Pro- schen Rehabilitationsmodells ein Autonomie-
blemen zu tun haben, ist kaum zu widerlegen. Paradigma formulierten und einforderten. Die-
Denn die hiesige Behindertenhilfe - repräsen- ses Modell hat bis heute nichts an Aktualität
tiert durch traditionsreiche, mächtige Verbände eingebüßt. Es spielt gleichfalls für Menschen
oder Vereine - war und ist zum Teil immer mit sog. Lern- oder geistiger Behinderung eine
noch nicht ernsthaft daran interessiert, das prominente Rolle, die sich inzwischen weltweit
Normalisierungsprinzip voll auszuschöpfen. unter dem selbstgewählten Namen PEOPLE
Normalisierung - im ursprünglichen Sinne FIRST organisiert haben und ebenso wie Men-
buchstabiert - beinhaltet nämlich eine Selbst- schen mit Körper- oder Sinnesbehinderungen
für ihre eigenen Belange und Rechte öffentlich
eintreten (THEUNISSEN & PLAUTE 2002, 52ff.;
2
Die BV LEBENSHILFE ermittelte Mitte der 90er Jahre auch GRAY & JACKSON 2000; ZIMMERMAN &
einen Anteil von 5 bis max. 8 % an ambulant be- WARSCHAUSKY 1998, 3f.). So ist es zum Bei-
treuten Wohnplätzen ihrer damals insgesamt ca. spiel der US-amerikanischen und britischen
11000 Wohnplätze im gemeindenahen PEOPLE FIRST Bewegung gelungen, durch poli-
Wohnbereich (Kräling 2002, 4). „Heute haben sich tische Einflussnahme (policy-making) Fach-
die Zahlenverhältnisse nicht wesentlich verändert“ wissenschaft, Fachverbände (Elternvereini-
(ebd.).
2
gungen) und Politik dazu zu bewegen, anstelle
In dem Zusammenhang wird zwischen einem der Begriffe ”mental retardation” oder ”mental
“supported living” (Wohnungen mit 1 – 3 Perso-
handicap” neue Beschreibungen wie ”people
nen), „small group homes (1 – 3 Plätze) und „lar-
ger group homes“ (4 – 6 Plätze) unterschieden with learning difficulties” oder ”people with
(EMERSON ET AL. 2001, 403). learning disabilities” einzuführen. Ferner kann
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TAYLOR (1997) spricht hier von sog. „Entrap- sundheitsorganisation (WHO) macht dies deut-
ping Niches“ (Fallgruben) und charakterisiert lich. Wurden bislang Schädigungen, Beein-
damit unter anderem neue Lebenssituationen, trächtigungen und Störungen fokussiert, so
in denen sich ehemals institutionalisierte Men- werden jetzt mit Blick auf die rechtliche Ent-
schen mit Behinderungen weithin alleine ohne wicklung soziale Aspekte und Konsequenzen
ausreichende Unterstützung und Sozialerfah- wesentlich stärker beachtet. Im Prinzip gehen
rungen zurechtfinden müssen. damit die Betroffenen-Perspektive, die Rechte-
Manche Politiker, Verwaltungen und auch Perspektive sowie die fachliche Umorientie-
Wohlfahrtsorganisationen sahen und sehen rung im Hinblick auf Inclusion, Partizipation
anscheinend in Inclusion und in der Deinstitu- und Empowerment mit der Neufassung von
tionalisierung die Chance, Kosten im Behin- Behinderung durch die WHO Hand in Hand.
dertenwesen einzusparen, weshalb es im La- Daher kann ihre Klassifikation für eine zeitge-
ger der US-amerikanischen Behindertenhilfe mäße Behindertenarbeit als richtungsweisend
und Sonderpädagogik Vorbehalte gegenüber gelten. Ihre zentralen Konstrukte sind:
einer völligen Auflösung spezieller Systeme für ̇ Körperstrukturen (z. B. Gliedmaßen)
behinderte Menschen gibt. Jedenfalls bedarf und -funktionen (physiologisch, psy-
es starker Betroffenen-Bewegungen, die in der chisch) und ihre Beeinträchtigung
Lage sein müssen, rechtzeitig Widerstand (Schädigung, Impairment [Organdefekt
gegen Sozialabbau und fehlende Unterstüt- und verminderte intellektuelle Fähig-
zung zu formulieren und den Missbrauch des keiten]);
Inclusionsgedankens zu stoppen. Diese Ein-
sicht führt uns zum Empowerment-Modell als ̇ Aktivitäten
Wegweiser moderner Behindertenarbeit (hier- Eine Aktivität ist das, was eine Person
zu ausführlich THEUNISSEN & PLAUTE 2002). tut (gehen, eine Aufgabe durchfüh-
Denn der Empowermentansatz verleiht Men- ren...); diese Dimension liefert ein Profil
schen in gesellschaftlich marginaler Position der Funktionsfähigkeit einer Person; es
(z. B. behinderten Menschen oder auch Eltern wird danach gefragt, welche Formen
behinderter Kinder) unmissverständlich eine der Unterstützung notwendig sind, um
Stimme. Ferner unterstreicht er ihr Recht auf der betreffenden Person ein autonomes
Selbstbestimmung, Wahl- oder Entschei- Leben im Rahmen ihrer Möglichkeiten
dungsfreiheit, demokratische und kollaborative sowie eine aktive Partizipation in ge-
Partizipation. sellschaftlichen Kontexten zu ermögli-
chen;
Neues Verständnis von Behinde- ̇ Partizipation
rung Soziale Teilnahme und Teilhabe einer
Person an verschiedenen Lebensberei-
Welche prominente Bedeutung dem Empo- chen;
wermentansatz zukommt wird auch daran
sichtbar, das sich in den letzten Jahren - be- Partizipation ist das Ergebnis der
fördert durch die Empowerment-Bewegungen Wechselwirkung von Impairment, Akti-
betroffener Menschen - im Verständnis von vitäten und Kontextfaktoren;
Behinderung eine Veränderung vollzogen hat. ̇ Kontextfaktoren
Die soeben verabschiedete, neue Klassifikati-
beziehen sich auf die soziale und mate-
on von Behinderung (ICIDH-2) der Weltge-
rielle Umwelt, auf die verschiedenen
Lebensbereiche, wie sie BRON-
Das Autorenteam weist darauf hin, dass ein effekti- FENBRENNER (1981) beschreibt.
ver Abbau und eine Prävention auffälligen Verhal-
tens in gemeindeintegrierten Settings zusätzliche Alles in allem wird von einem reziproken, pro-
(interdisziplinäre) Dienstleistungssysteme (z. B. zesshaften Zusammenwirken individueller und
Krisenintervention) notwendig machen (STANCLIFFE sozialer Faktoren ausgegangen; und das be-
ET AL. 2002, 318, hierzu auch 2001, 64ff.). Das deutet, dass eine lebensweltbezogene Behin-
Fehlen solcher Angebote wie etwa Praxisberatung, dertenarbeit Priorität hat, wie sie durch Inclusi-
wohngruppenunterstützende psychosoziale Ein- on, Partizipation und Empowerment grundge-
zelhilfe oder Krisenintervention befördert die Gefahr legt wird. Im Prinzip kann das SGB IX im Hin-
der Reinstitutionalisierung THEUNISSEN von Perso- blick auf diesen internationalen Trend als an-
nen, die als besonders schwierig erlebt werden.
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schlussfähig betrachtet werden. Ein wichtiger des Wohnens von Menschen mit sog. schwer-
Grundgedanke des Gesetzes ist die gleichbe- ster geistiger Behinderung in den USA (aber
rechtigte Teilhabe behinderter Menschen am auch in Italien, Kanada, Großbritannien, Spa-
Leben in der Gemeinschaft. nien oder in den Niederlanden) ist ein Beleg
dafür: Bei den 22,9 % der Menschen mit sog.
geistiger Behinderung, die in den USA noch in
Empowered Persons Institutionen mit mehr als 16 Plätzen leben,
Diese Neuorientierung der WHO und natürlich handelt es sich weithin um Personen, die als
auch die Betroffenen-Bewegungen führen uns geistig schwerst oder mehrfachbehindert, ver-
deutlich vor Augen, dass das herkömmliche haltensauffällig oder psychisch gestört gelten.
Bild vom behinderten Menschen ins Museum Mit anderen Worten: Ein Leben ohne Instituti-
gehört. Wurden in den vergangenen Jahren on für sog. geistig behinderte Menschen mit
behinderte Menschen zumeist als versor- hohem Assistenzbedarf scheint selbst in den
gungsbedürftige, zu beschützende und zu Ländern, die sich dem Inclusion- und Empo-
kontrollierende Mängelwesen betrachtet, so wermentgedanken verschrieben haben, nicht
haben wir es inzwischen mit einem Verständ- die Regel zu sein.
nis von „empowered persons“ zu tun, d. h. von Auf eine bemerkenswerte Entwicklung in Hin-
selbstbefähigten und selbstbestimmten Sub- blick auf gemeindeintegrierte, kleine Wohnfor-
jekten, die für sich selbst am besten wissen, men für Menschen mit sog. geistiger Behinde-
was für sie gut ist und was nicht, die eigene rung und hohem Assistenzbedarf stoßen wir
Interessen artikulieren, eigenständig- letztendlich nur in Schweden: Hier war seit
selbstverantwortlich Entscheidungen für per- Beginn der Umsetzung des Normalisie-
sönliche Angelegenheiten treffen und eigene rungsprinzips das Bestreben groß, jedwede
Belange für sich selbst regeln können. Dazu Ausgrenzung zu vermeiden und keine neuen
zählen ein Vertrauen in eigene Ressourcen, Heime für Menschen mit hohem Assistenzbe-
die Überzeugung, das eigene Leben kontrollie- darf zu schaffen. Zwar kam es zur Bildung sog.
ren zu können, ein kritisches Problembewusst- Schwerstbehindertenwohnungen mit vier oder
sein, Fähigkeiten soziale Probleme zu lösen fünf Plätzen, doch wurden in diesen Gruppen
sowie die Bereitschaft, sich (z. B. im Rahmen die für ein Wohnheim typischen Merkmale,
von Selbstvertretungsgruppen) aktiv politisch Strukturen und Prozesse weithin vermieden.
zu engagieren (ZIMMERMAN & WARSCHAUSKY Abgeschafft wurde somit die Institution Wohn-
1998, 9; BARTLE ET AL. 2002, 33). heim. Die Schaffung gemeindeintegrierter klei-
Vor diesem Hintergrund machen mit Blick auf ner Wohngruppen ausschließlich für Menschen
behinderte Menschen im Erwachsenenalter mit (sehr) hohem Assistenzbedarf kann den-
und Alter persönliche Lebens- oder Zukunfts- noch kritisiert werden. Inhaltlich betrachtet
planungen (personal futures planning; life style bieten sog. heterogene Gruppen in der Regel
planning) anstelle eines „heilpädagogischen mehr Anreize. Von schwedischer Seite wird die
Förderplans“, sog. Direktzahlungen (direct Homogenisierung von Gruppen für Menschen
payments) an behinderte Menschen (persönli- mit sog. geistiger Behinderung pragmatisch,
ches Budget) wie auch das „Supported Living“ materiell und finanziell (Bündelung von Res-
zur Ermöglichung aktiver gesellschaftlicher sourcen) begründet. Ähnlichen Tendenzen
Partizipation unzweifelhaft Sinn. begegnen wir auch in anderen Ländern (KIM ET
AL. 2001; STANCLIFFE ET AL. 2002).
Wenngleich davon nicht nur Menschen mit
Körper- oder Sinnesbehinderungen profitieren Interessant ist hier nun die Frage, ob es sich
(hierzu FORSEA E. V. INFORUM 2001), sondern bei diesen Wohnungen für sog. geistig
auch Personen mit Lernschwierigkeiten, die für schwerst behinderte Personen um neue Insti-
sich selber sprechen können, sollten dennoch tutionen handelt. Nach MEANS UND SMITH
einige Probleme nicht unerwähnt bleiben. So (1998, 175f.) wie auch STANCLIFFE ET AL.
sind zum Beispiel die persönlichen Budgets für (2002, 303) wären es keine Institutionen, wenn
3
Menschen mit hohem Assistenzbedarf zu dem Prinzip des häuslichen Wohnens mit
knapp bemessen (WAGNER-STOLP 2002, 6f.).
Für diesen Personenkreis besteht die Gefahr, 3
weiterhin oder wieder einmal in sog. Schwerst- Das Prinzip des häuslichen Wohnens (v. a. im
Sinne des Verzichts auf zentrale Versorgungslei-
behinderten- oder Pflegeeinrichtungen abge- stungen) gilt in der einschlägigen Literatur nicht
schoben und versorgt zu werden. Die Realität selten als Unterscheidungskriterium zwischen ei-
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einer Selbstversorgung und einem hohen Grad kommt die konsequente Umsetzung bzw. Rea-
an Autonomie Rechnung getragen würde (da- lisierung des schon erwähnten häuslichen
zu auch CONROY 1996; EMERSON & HATTON Wohnens (CONROY (1996), EMERSON &
1996). In ähnlichen Bahnen bewegt sich HATTON (1996) haben in ihren Studien fest-
gleichfalls die Argumentation von EMERSON ET stellen können, dass durch eine häusliche
AL. (2001). Aus soziologischer Sicht können Wohnkultur der höchste (beste) Grad an „ad-
aber vor dem Hintergrund unserer eingangs aptivem Verhalten“ (i. S. e. lebenspraktischen
genannten Strukturmerkmale selbst Familien und sozialen Wohnkompetenz) bei Menschen
Institutionen sein. Demnach wären vergleich- mit sog. geistiger Behinderung erreicht werden
bare häusliche Sozialräume für Menschen mit kann.
hohem Assistenzbedarf ebenfalls Institutionen.
Wer dieser Argumentation folgt, geht davon
aus und/oder kommt zu dem Schluss, dass Stärken-Perspektive
eine pauschale Verurteilung jeglicher Institu- Mit der sog. Stärken-Perspektive (hierzu LINGG
tionen für Menschen mit hohem Assistenzbe- & THEUNISSEN 2000, 176ff.) gibt es einen An-
darf „weder theoretisch haltbar noch praktisch satz, der hierzu als Richtschnur für die hand-
sinnvoll (erscheint, G. T.), hat doch beispiels- lungspraktische Ebene gelten kann. Er „grün-
weise ein Mensch mit Schwerstmehrfachbe- det sich auf Würdigung der positiven Attribute
hinderungen solche Bedürfnislagen, die ohne und menschlichen Fähigkeiten und Wege, wie
ein hohes Maß an Spezialisierung (im kommu- sich individuelle und soziale Ressourcen ent-
nikativen, aber auch im pflegerischen und wickeln und unterstützen lassen“ (WEICK et al.
technisch-apparativen Feld) nicht zu befriedi- zit. n. ebd., 181) und schreibt allen Menschen
gen sind und u. U. auch institutionelle Dimen- „eine Vielzahl von Talenten, Fähigkeiten, Ka-
sionen erforderlich machen“ (BAUDISCH 2000, pazitäten, Fertigkeiten und auch Sehnsüchte“
137). zu, deren Präsenz für Lebenszufriedenheit,
Diese Argumentation wirkt plausibel, ich kann psychische Gesundheit und „erhöhtes Wohl-
ihr jedoch nur dann zustimmen, wenn sie mit befinden“ respektiert werden muss. Diese
einer Analyse der institutionellen Bedingungen Grundüberzeugung bezieht sich sowohl auf
von der Rechte- und Betroffenen-Perspektive einzelne Individuen als auch auf Familien,
aus verschränkt wird. Das heißt: eine Instituti- Gruppen, das soziale Umfeld oder die gesell-
on ist nur dann nicht verwerflich, wenn sie im schaftliche Bezugswelt (SALEEBEY 1997). Eine
Sinne von Goffman keinen „totalen“ Charakter zentrale Aufgabe der Behindertenarbeit ist es,
impliziert (z. B. auch strukturelle oder institu- individuelle und soziale Stärken (z. B. Umfeld-
tionelle Gewalt), keine soziale Isolation erzeugt Ressourcen) zu erschließen, um über eine
und all das zulässt, was im Sinne von Inclusi- Förderung und Unterstützung einer allseitigen
on, Partizipation und Empowerment für ein Persönlichkeitsentwicklung hinaus den Weg für
5
menschenwürdiges Leben nicht nur als not- haltgebende Strukturen (Enabling Niches) zu
wendig, sondern gleichfalls als wertvoll erach-
tet wird. Dazu zählen sowohl strukturelle An-
gebote eines gemeindeintegrierten Lebens für men werden von Betroffenen geschätzt, und fach-
alle Menschen mit Behinderungen als auch lich betracht können die Alternativen als „zeitge-
inhaltliche Konzepte einer lebensweltbezoge- mäß“ im Hinblick auf individuelle Bedürfnisse und
nen Behindertenarbeit, die aus anthropologi- Wünsche betrachtet werden.
5
scher Perspektive das Modell der „empowered Über die Bedeutung von Enabling Niches oder
person“ so auszulegen und aufzubereiten hat, Community Care im Kontext eines “Supported Li-
dass jeder behinderte Mensch davon profitie- ving” bin ich in Kapitel 5 meiner Schrift „Krisen und
4 Verhaltenauffälligkeiten bei geistiger Behinderung
ren kann (hierzu THEUNISSEN 2000) . Hinzu
und Autismus“, Stuttgart (Kolhammer-Verlag)
2003, ausführlich eingegangen. Diesem Beitrag ist
nem Leben in einer Institution und einer ge- zu entnehmen, dass es nicht nur in Institutionen
meindeintegrierten Wohnform. (Heimen), sondern gleichfalls im Bereich des „am-
4
EMERSON ET AL. (2001, 409) haben in ihrer Ver- bulanten“, „betreuten“ oder „unterstützten“ Woh-
gleichstudie in Bezug auf „supported living“, „small nens Strukturdefizite geben kann. Hinzu kommt,
group homes (1 – 3 Plätze) und „larger group ho- dass intellektuell behinderte Menschen mit psy-
mes“ (4 – 6 Plätze) keine signifikanten Unterschie- chosozialen Problemen zumeist gemeinschaftliche
de in Bezug auf Lebenszufriedenheit aus der Sicht Lebensformen und/oder tragfähige (haltgebende)
der Betroffenen feststellen können. Alle drei For- soziale Netze benötigen, um nicht in der Isolation
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ebnen, die es dem Einzelnen erlauben, an auswirken (kann, G.T.), dass partielle Anteile
gesellschaftlichen Bezügen zu partizipieren aus dem intellektuellen und emotionalen Be-
und ein autonomes Leben im Rahmen seiner reich verändert sind oder auch eine Reduktion
Möglichkeiten zu verwirklichen. erfahren, während andere erhalten bleiben
oder sich sogar im Sinne einer Steigerung der
Fähigkeiten bemerkbar machen“ (OESTER-
Wie wir uns die Umsetzung dieser Leitgedan-
REICH 1975, 96). Dies gilt zum Beispiel für Frau
ken vorstellen können, möchte ich richtungs-
B.‘s Stärke, den Alltag zu genießen und dies
weisend an folgendem Beispiel (entnommen
über eine faszinierende Mimik auch anderen
aus THEUNISSEN 2000, 254ff.) anskizzieren:
mitteilen zu können, für ihre herzlich-
Sowohl Frau B. (gilt als schwerst geistig und humoreske Art zu kommunizieren und Bedürf-
mehrfachbehindert) als auch Frau F. (Diagno- nisse zu äußern wie auch für ihre Launenhaf-
se: frühkindlicher Autismus mit akzessorischen tigkeit oder (Unmuts-)Äußerungen bei Unzu-
Verhaltensauffälligkeiten) sind heute über 50 friedenheit oder in Situationen, die ihr nicht
Jahre alt. Beide leben zusammen mit zwei passen. Was sich aus der Perspektive der
weiteren Frauen und drei Männern mit hohem Mitarbeiterinnen dagegen als Problem dar-
Assistenzbedarf in einem Wohnhaus. Die stellt, ist ihre Skoliose, die sich im Zuge des
Gruppe (WG) besteht seit 1991 und das Ver- Älterwerdens stärker ausgeprägt habe und
hältnis zu den Nachbarn wird als gut beschrie- eine Krankengymnastik erforderlich mache. So
ben. Während Frau B. von Anfang an in dieser sei inzwischen ein Sitzen auf einem normalen
WG lebt, ist Frau F. vor etwa vier Jahren zuge- Stuhl nicht mehr möglich, weshalb sie einen
zogen. Der Personalschlüssel beträgt 1:1,16 ihrer Körperbehinderung angepassten Spezi-
und entspricht damit Empfehlungen und inter- alstuhl erhalten habe. Ferner könne sie auch
nationalen Standards für vergleichbare Wohn- nur noch an kurzen Spaziergängen partizipie-
gruppen. ren, da das Laufen für sie sehr anstrengend
Die WG hat sich dem Ziel der größtmöglichen und bei längeren Strecken mit Schmerzen
Lebensautonomie in sozialer Bezogenheit verbunden sei. Um ein gewisses Maß an Be-
verschrieben, indem sie sich zum Beispiel weglichkeit beizubehalten, gehen die Mitar-
völlig selbstversorgt, die Tagesgestaltung ge- beiterinnen mit Frau B. auch häufig schwim-
meinsam bestimmt und eben „ein Leben so men, außerdem nimmt sie regelmäßig an ei-
normal wie möglich“ (NIRJE) zu verwirklichen nem therapeutisch orientierten Reitangebot
versucht. teil. Ihre körperliche Beeinträchtigung sei aller-
Als Gast und Beobachter habe ich eine ent- dings kein Grund dafür, sie in eine Pflegeein-
spannte und gemütliche Atmosphäre erlebt - richtung zu verlegen.
so wie sich vermutlich viele Menschen ihren Auch bei Frau F. stellt sich dieses Thema
Lebensalltag vorstellen und gestalten. Diese nicht. Sie hat sich nach Ansicht der Mitarbeite-
Gemütlichkeit, verstärkt durch eine bedürfnis- rinnen in der WG gut eingelebt und gilt als eine
orientierte, stimulierende, aber nicht aufdringli- ausgesprochen aufmerksame, aktive und
che Wohnraumgestaltung, wird vor allem von selbstständige Bewohnerin. Die Mitarbeiterin-
Frau B. geschätzt, die gerne auf einem nen sind davon überzeugt, dass die WG den
„Knautschsessel“ im Wohnzimmer liegt und Wünschen und Bedürfnissen von Frau F. ent-
das Alltagsleben genießt. Wenngleich sie bei sprechen würde. Eine autonome Entscheidung
der alltäglichen Pflege Assistenz benötigt und von Frau F. über die Wahl ihrer Wohngruppe
diesbezüglich in den vergangenen Jahren sei zwar nicht möglich gewesen, dennoch
keine Fortschritte im Hinblick auf mehr Selbst- hätte sie die Vorschläge eines Gruppenwech-
ständigkeit gemacht hat, würden wir ihr nicht sels (Frau F. lebte zuvor in einer Heimgruppe)
gerecht, wenn wir ihre Gesamtentwicklung als sowie die entsprechenden Vorbereitungen
„stagnierend“ bezeichnen würden. Denn es weithin positiv aufgenommen. Recht schnell
lassen sich bei ihr Momente beobachten, die habe sie ihr neues Zimmer angenommen und
auf ein „erfolgreiches Altern“ hinweisen einen für sie relativ autonomen Lebensstil ge-
(THEUNISSEN 2002), welches sich als eine funden, sowohl was die Auswahl ihrer Klei-
„qualitative Umstrukturierung... in der Weise dung und Speisen als auch die Gestaltung
ihres Alltags betreffe. Zudem würde sie von
dem angenehmen Gruppenklima sehr profitie-
zu dekompensieren, in eine psychische Krise oder ren und sich auch selbst durch Musikhören
auch Verwahrlosung zu entgleiten.
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alter, ihr vertrauter Schlager und Volkslieder in ten der Bereitschaft der helfenden Berufe be-
ihrem Zimmer entspannen. darf, die Wertebasis von Empowerment
Besondere Stärken und Interessen zeige sie (Selbstbestimmung, demokratische und kolla-
im Bereich der alltäglichen Hausarbeiten. So borative Partizipation, Verteilungsgerechtigkeit)
habe sie sich von Beginn an im Haushalt der sowie das Recht auf Inclusion anzuerkennen.
Gruppe orientieren können und inzwischen Das gilt sowohl für diejenigen, die unmittelbar
würde sie zahlreiche Tätigkeiten eigenständig- in Praxis stehen, als auch für diejenigen, die
verantwortlich ausführen (Tisch decken und auf übergeordneter Ebene tätig sind (z. B.
abräumen, Spülmaschine ausräumen, Wäsche Vorgesetzte, Politiker, Verwaltungskräfte).
falten, aufräumen u. dgl.). Ferner beteilige sie Letztlich kommt es immer auch auf die Perso-
sich stets an der alltäglichen Zubereitung der nen an, die die Reformen mit Leben füllen
Mahlzeiten und den entsprechenden Einkäu- müssen. Das sollte bei aller Reformfreudigkeit
fen. Darüber hinaus bestünde eine enge Be- nie in Vergessenheit geraten.
ziehung zu einer Mitbewohnerin, der sie beim
Aus- und Anziehen behilflich sei.
Literatur
Wenngleich sie auch schon in den Jahren
BARTLE, E. ET AL.: Empowerment as a Dynamically
zuvor Hausarbeiten erledigte, kommen ihre Developing Concept for Practice: Lessons Learned
Fähigkeiten und Fertigkeiten erst in der neuen from Organizational Ethnography. In: Social Work ,
Gruppe aufgrund der häuslichen Struktur an- Vol. 47 2002, 32-43
gemessen zur Entfaltung, so dass wir es hier –
BAUDISCH, W.: Rehabilitationspädagogische Aufga-
aus der Beobachterperspektive – um einen
ben in Prozessen der De-Institutionalisierung von
wertvollen Zugewinn an Möglichkeiten einer Behindertenhilfe, in: GOLZ, R.; KECK, W.;
sinnerfüllten Lebensgestaltung zu tun haben. MAYRHOFER, W. (HRSG.): Humanisierung der Bildung
Allerdings war Frau F. bis zu ihrem Gruppen- Jahrbuch 2000, Frankfurt u. a. 2000, 136-152
wechsel in einer heiminternen Arbeits- und BRINGS, N.; ROHRMANN, E.: Jüngere Behinderte in
Beschäftigungsstätte tätig gewesen, und au- Einrichtungen der stationären Altenhilfe, in: Zeit-
ßerdem hatte sie all die Jahre immer wieder in schrift für Heilpädagogik 4/2002, 146-152
ihrer Freizeit ein Heim-Cafe und Lebensmittel-
BRONFENBRENNER, U.: Die Ökologie der menschli-
geschäft selbstständig aufgesucht und kleinere
chen Entwicklung. Stuttgart 1981
Einkäufe getätigt. Diesbezüglich bot ihr das
Heim- und Klinikgelände einen relativ „ge- CONROY, J. W.: The small ICF/MR program: Dimen-
schützten“ und insbesondere verkehrssicheren sions of quality and cost, in: Mental Retardation, 34
Ort zum Leben. In ihrem jetzigen Umfeld ist Vol. 1996, 13-26
Frau F. dagegen mit „normalen“ Anforderun- DALFERTH, M.: Enthospitalisierung in westlichen
gen und Aufgaben konfrontiert, die sie nicht Industrienationen am Beispiel der USA/Kalifornien,
eigenständig bewältigen kann (Straßen- bzw. Norwegen und Schweden, in: THEUNISSEN, G; LINGG,
Stadtverkehr). So benötigt sie für einen Stad- A. (HRSG.): Wohnen und Leben nach der Enthospi-
teinkauf oder Spaziergang Assistenz. In der talisierung, Bad Heilbrunn, S. 88-113
Hinsicht könnte im Vergleich zum „Schonraum EMERSON, E. ET AL.: Quality and Costs of Supported
Heim“ eine Einschränkung ihres Freiheitsgra- Living Residences and Group Homes in the United
des behauptet werden, ließe sich die neue Kingdom, in: American Journal on Mental Retarda-
Lebenslage nicht als eine pädagogische Her- tion, Vol. 106 2001, 401-415
ausforderung für weitere Schritte in Richtung EMERSON, E.; HATTON, C.: Deinstitutionalization in
eines Mehr an Lebensautonomie betrachten the UK and Ireland: Outcomes for service users,:
und aufbereiten. Hierzu gehören zum Beispiel Journal of Intellectual and Developmental Disabili-
auch Bemühungen, Nachbarn und andere ties, 16 Vol. 1996, 17-37
Personen für die Situation und Belange von EDGERTON, R. B.; BOLLINGER, M.; Herr, B.: The cloak
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̈ BEHINDERTENHILFE IM UMBRUCH ? __________________________________________________
____________________________________ 29 ____________________________________
̈ BEHINDERTENHILFE IM UMBRUCH ? __________________________________________________
Heimvertrag
6
BT-Drs. 14/5399 S. 19
7
§ 25a Erprobungsregelungen
(1) Die zuständige Behörde kann ausnahmsweise
Zusammenfassend ist Heimrecht nur anwend- auf Antrag den Träger von den Anforderungen des
bar, wenn § 10, den Anforderungen der nach § 3 Abs. 2 er-
lassenen Rechtsverordnungen teilweise befreien,
̇ älteren Menschen oder pflegebedürfti- wenn dies im Sinne der Erprobung neuer Betreu-
gen oder behinderten Volljährigen ungs- oder Wohnformen dringend geboten er-
Wohnraum mietweise überlassen wird, scheint und hierdurch der Zweck des Gesetzes
nach § 2 Abs. 1 nicht gefährdet wird.
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öffnen kann, dürfte zumindest im Bereich von abzuwarten, ob dieses Recht des Bewohners
Einrichtungen der Behindertenhilfe fraglich in der Praxis eine Bedeutung erlangen kann.
sein. Die Landesrahmenverträge und der Ko-
stendruck lassen den Einrichtungen kaum
Raum für differenzierte Angebote.
Ferner muss nach Abs. 3 S. 3 dem Bewohner Öffnung des Heimbeirates für ex-
ersichtlich sein, welche einzelnen Leistungen terne Mitglieder
des Heimträgers Gegenstand des individuellen
Heimvertrages sind und wie hoch das Entgelt
Die Mitwirkung der Heimbewohner erfolgt
– gegliedert nach den Kostenblöcken Unter-
durch Heimbeiräte (§ 1 Abs. 1 Heimmitwir-
kunft, Verpflegung und Betreuung – für diese
kungsverordnung / HeimmitwV). Dieses Mit-
Einzelleistungen ist. Die hier verlangte indivi-
wirkungsgremium ist erheblich umgestaltet
duelle Leistungsbeschreibung bei einer viel-
worden.
fach schwankenden Bedarfslage wird sich nur
schwer durchführen lassen. Um eine gewisse Gemäß der Verordnungsermächtigung in § 10
Pauschalisierung, etwa durch den Verweis auf Abs. 5 S. 2 HeimG ist in der zu erlassenden
die jeweilige Hilfebedarfsgruppe in Verbindung Verordnung vorzusehen, dass auch Angehöri-
mit dem individuellen Hilfeplan wird man wohl ge und sonstige Vertrauenspersonen der Be-
nicht umhin kommen. An dieser Stelle kann wohner, von der zuständigen Behörde vorge-
jedoch nicht weiter auf die Problematik des schlagene Personen sowie Mitglieder der örtli-
Heimvertrags, der Entgelterhöhung und des chen Seniorenvertretungen und Mitglieder von
Kündigungsrechts eingegangen werden, da örtlichen Behindertenorganisationen in ange-
diese Thematik nicht im Zentrum dieses Refe- messenem Umfang in den Heimbeirat gewählt
rates steht. werden können. Hiervon haben die zuständi-
gen Ministerien in der Heimmitwirkungsverord-
Auf das neu eingeführte Minderungsrecht des
nung Gebrauch gemacht. Somit können neben
Heimbewohners bei Minder- oder Schlechtlei-
den Heimbewohnern auch externe Personen
stung sei dennoch kurz hingewiesen. Nach § 5
in den Heimbeirat gewählt werden. Die Rege-
Abs. 11 HeimG kann der Bewohner bis zu
lung trägt dem Umstand Rechnung, dass in
sechs Monate rückwirkend eine angemessene
vielen Altenpflegeheimen häufig nicht genü-
Kürzung des Heimentgelts verlangen, wenn
gend Personen zur Verfügung stehen, die in
der Träger die vertraglichen Leistungen ganz
der Lage sind, die Aufgaben eines Heimbei-
oder teilweise nicht erbringt oder wenn sie
ratsmitgliedes wahrzunehmen.
nicht unerhebliche Mängel aufweisen8. Zwar
steht der Kürzungsbetrag vorrangig dem Sozi- Auch im Bereich von Einrichtungen der Behin-
alleistungsträger zu, aber das Recht, die Ent- dertenhilfe wurde, insbesondere von Eltern,
geltminderung geltend zu machen, steht dem ein größeres Mitspracherecht geltend ge-
Bewohner als Vertragspartner zu. Es bleibt macht. Zwar steht der Heimbeirat nunmehr
externen Bewerbern offen, die Majorität von
Heimbeiratsmitgliedern, die aus der Bewoh-
8
„(11) Erbringt der Träger die vertraglichen Leistun-
nerschaft stammen, ist jedoch weiterhin ge-
gen ganz oder teilweise nicht oder weisen sie nicht währleistet (§ 4 Abs. 2 HeimmitwV). Auch der
unerhebliche Mängel auf, kann die Bewohnerin Vorsitz im Heimbeirat soll gemäß § 16 Abs. 1
oder der Bewohner unbeschadet weitergehender HeimmitwV einem Bewohner zustehen. Hier-
zivilrechtlicher Ansprüche bis zu sechs Monate von kann jedoch abgewichen werden. Um
rückwirkend eine angemessene Kürzung des ver- eine Interessenskollision zu vermeiden,
einbarten Heimentgelts verlangen. Dies gilt nicht, schließt § 3 Abs. 3 HeimmitwV Personen, die
soweit nach § 115 Abs. 3 des Elften Buches Sozi- in einer arbeitsrechtlichen Beziehung zum
algesetzbuch wegen desselben Sachverhaltes ein Heimträger, einem Kostenträger oder zur Hei-
Kürzungsbetrag vereinbart oder festgesetzt wor-
den ist. Bei Personen, denen Hilfe in Einrichtungen
maufsichtsbehöre stehen oder die in einem
nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährt wird, Organ des Heimträgers tätig sind, von der
steht der Kürzungsbetrag bis zur Höhe der er- Wählbarkeit aus9. Gleiches gilt für Personen,
brachten Leistungen vorrangig dem Sozialhilfeträ-
ger zu. Versicherten der Pflegeversicherung steht
9
der Kürzungsbetrag bis zur Höhe ihres Eigenent- „(3) Nicht wählbar ist, wer bei dem Heimträger, bei
gelts am Heimentgelt zu; ein überschießender Be- den Kostenträgern oder bei der zuständigen Behör-
trag ist an die Pflegekasse auszuzahlen.“ de gegen Entgelt beschäftigt ist oder als Mitglied
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die bei einem anderen Heimträger oder einem kann. In diesem Fall kann ein Heimfürsprecher
Verband von Heimträgern eine Leitungsfunkti- bestellt werden. Von der Bestellung eines
on inne haben. Heimfürsprechers kann abgesehen werden,
Interessant ist die Regelung in § 5 Abs. 2 S. 3 wenn ein Ersatzgremium besteht, das die Auf-
HeimmitwV, nach der nur Heimbewohner, gaben des Heimbeirates gleichwertig wahr-
Angehörige von Heimbewohnern und die Hei- nehmen kann (§ 26a Abs. 2 HeimmitwV). Ein
maufsichtsbehörde Wahlvorschläge unterbrei- Beirat nach § 1 Abs. 4 HeimmitwV ist ein Er-
ten können. Den sonstigen Vertrauensperso- satzgremium im vorstehenden Sinne und kann
nen sowie den örtlichen Senioren- und Behin- somit alle Funktionen eines gesetzlichen
dertenorganisationen steht dieses Recht nicht Heimbeirates wahrnehmen.
zu.
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§ 34 Nr. 8 HeimmitwV, die gemäß § 21 Abs. 2 ben.13 Es ist dennoch zu hoffen, dass der Ge-
Nr. 1 HeimG mit einem Bußgeld von 10.000 setzgeber noch überzeugt werden kann, den
Euro geahndet wird. Heimbeiratsmitgliedern dieselben Schulungs-
und Fortbildungsmöglichkeiten einzuräumen,
wie sie den Werkstatträten heute schon zuge-
billigt werden.
Schulungs- und Beratungsan-
spruch der Heimbeiräte
Schlussbemerkung
Für eine wirksame Inanspruchnahme der Mit-
wirkungsrechte ist eine umfassende Schulung
und Beratung des Heimbeirates unabdingbar, Mitwirkung ist keine Mitbestimmung, sondern
wenn die Mitwirkung nicht ins Leere gehen sie bedeutet die aktive Einbeziehung in die
soll. Allein die erweiterten Mitwirkungsrechte Entscheidungsfindung.14 Führt man sich diese
wie die Einsichtnahme in die Kalkulationsun- Tatsache vor Augen, kann man die Mitwir-
terlagen bei Entgelterhöhungen und die Vorbe- kungsrechte realistisch einschätzen. Man sollte
reitung von Verhandlungen mit den Kostenträ- sie aber auch nicht zu gering schätzen, denn
gern erfordert ein Mindestmaß an Fachkennt- bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten und ei-
nissen, das von Heimbeiräten mit geistiger nes kompetent besetzten und ausreichend
Behinderung nicht erwartet werden kann. Auch geschulten Heimbeirates ist durchaus eine
wenn die Kompetenz der Heimbeiräte durch wirksame Vertretung der Interessen der Heim-
externe Mitglieder gesteigert werden kann, ist bewohner erreichbar.
gerade eine Schulung der aus der Bewohner-
schaft kommenden Heimbeiratsmitglieder un-
erlässlich, damit sie innerhalb des Heimbeira- ̈ PETER DIETRICH
tes eine gleichwertige Stellung erlangen kön-
nen und nicht Heimbeiratsmitglieder „zweiter BUNDESVEREINIGUNG LEBENSHILFE FÜR
Klasse“ verkörpern. MENSCHEN MIT GEISTIGER BEHINDERUNG
RAIFFEISENSTR. 18, 35043 MARBURG
Dessen war sich auch der Gesetzgeber be-
wusst. So hat er in § 10 Abs. 1 S. 4 HeimG WWW.LEBENSHILFE.DE
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̈ PERSPEKTIVEN _________________________________________________________________
BETTINA LINDMEIER
Die Entwicklung der Institutionen rend diese Tendenzen in ganz Europa und in
den USA nachweisbar sind, haben wir in
für Menschen mit (geistiger) Be- Deutschland während des Nationalsozialismus
hinderung eine noch heute kaum vorstellbare Umsetzung
Seit Jahren, seit Jahrzehnten sprechen wir dieser Gedanken erlebt: die organisierte
schließlich von Leitprinzipien wie Normalisie- Zwangssterilisierung und die Ermordung be-
rung und Gemeindeintegration. Gibt es zu hinderter und psychisch kranker Menschen
diesem Thema überhaupt noch etwas zu sa- (vgl. LINDMEIER/LINDMEIER 2002).
gen? Und was hindert uns, ein ‚Leben ohne
Institution‘ umzusetzen?
Zur Beantwortung dieser Fragen halte ich es
für nötig, in Erinnerung zu rufen, wie die Ein-
richtungen für Menschen mit Behinderung sich
seit ihrer Entstehung entwickelt haben.
Einrichtungen für Menschen mit Behinderung
sind flächendeckend im 19. Jahrhundert ent-
standen, wobei bestimmte Behinderungsarten
früher, andere später in den Blick gerieten. Die
Bildung, Ausbildung und Wohnversorgung war
zu dieser Zeit nur in Form von ‚Anstalten‘ zu
organisieren. Die Versorgungsstandards die-
ser Einrichtungen waren großenteils hoch –
sowohl hinsichtlich der Bildungschancen, der
materiellen Versorgung einschließlich der Er-
nährung und auch hinsichtlich der Achtung der
Individualität der dort lebenden Menschen. Für
die meisten Menschen dürfte ihre Unterbrin-
gung in diesen sogenannten Anstalten eine Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde an die bis
deutliche Verbesserung ihrer Lebensbedin- zur Weimarer Zeit bestehenden Formen der
gungen bedeutet haben. Viele heute kritisch Betreuung anzuknüpfen versucht. Neben
gesehene Punkte – Fremdbestimmung, ein Komplexeinrichtungen entstanden z. B. seit
kleiner sozialer Radius, wenig Möglichkeiten Beginn der 60er Jahre auch Schulen für Kinder
zur Realisierung eines selbstgewählten Le- mit geistiger Behinderung, die zu Hause leb-
bensstiles – waren kein spezifisches Merkmal ten, analog zu den früheren Sammelklassen.
des Lebens in Anstalten, sondern trafen eben- Die Unterbringung in Komplexeinrichtungen
so auf das Leben der Mehrheit der Bevölke- blieb aber bis in die 70er Jahre eine gängige
rung zu (vgl. LINDMEIER/LINDMEIER 2002) . Lösung, zumal es kaum begleitende Hilfen bei
der Pflege oder andere Entlastungsmöglich-
Während des ersten Weltkrieges und der
keiten für Familien wie Frühförderung, Fami-
Weltwirtschaftskrise verschlechterten sich die
lienentlastungsdienste, Kurzzeitpflege oder
Versorgungsstandards in den Anstalten dra-
Ferienmaßnahmen gab, die heute zum Stan-
stisch, zudem wurde seit dem ausgehenden
dard gehören.
19. Jahrhundert der Sozialdarwinismus in Eu-
ropa diskutiert, und die Eugenik wurde zu ei- Während die Gesellschaft sich stark verän-
nem wichtigen Thema der Sozialpolitik. Wäh- derte (z.B. durch die demokratische Gesell-
____________________________________ 35 ____________________________________
̈ PERSPEKTIVEN _________________________________________________________________
schaftsordnung), veränderten sich die soge- chen (WACKER ET AL. 1998, 51); die meisten
nannten Anstalten kaum, so dass die Differen- von ihnen sind weniger schwer behindert.1
zen zwischen den Lebensbedingungen ‚drin- Ein weiterer Unterschied in der bundesdeut-
nen‘ und ‚draußen‘ immer größer wurden. schen Situation betrifft die Größe der Einrich-
In Dänemark, wo ebenfalls große Anstalten tungen einschließlich der gemeindenahen
existierten, wurde 1959 von BANK-MIKKELSEN Einrichtungen. Einrichtungen mit 24 oder sogar
das Normalisierungsprinzip formuliert: Behin- 40 Plätzen, wie sie bei uns als gemeindenah
derte Menschen sollen ein Leben so normal geführt werden, würden in vielen anderen
wie möglich führen können. Von dem Schwe- Ländern als ‚institutions‘ bezeichnet und nicht
den NIRJE wurden 1968 die berühmten acht mehr genehmigt werden (vgl. LINDMEIER 2002).
Punkte aufgestellt, die ein ‚normales Leben‘ In der Bundesrepublik, so könnte man folgern,
kennzeichnen (normaler Tagesablauf; norma- wird die Größe der Wohnform für weniger
ler Wochenablauf, normaler Jahresablauf; wichtig gehalten.
normaler Lebenszyklus; normaler Respekt; Aber auch kleine Einrichtungen sind, insbe-
Leben in einer zweigeschlechtlichen Welt; sondere in den angelsächsischen Ländern in
normaler wirtschaftlicher Standard; normale die Kritik geraten. Diese Kritik betrifft nicht nur
Umweltbedingungen; vgl. zusammenfassend niedrige Betreuungsstandards in Einrichtun-
NIRJE 1994a,b). Über die USA, wo es von gen, die auf privatwirtschaftlicher Grundlage
WOLFENSBERGER weiterentwickelt wurde, ge- geführt werden und in denen die Gewinnma-
langte das Normalisierungsprinzip in die Bun- ximierung im Vordergrund steht (vgl. DALFERTH
desrepublik Deutschland und ist heute in den 1997). Die Kritik richtet sich auch auf ein Wie-
Leitlinien zur Behindertenpolitik ebenso ent- derentstehen institutioneller Praktiken und
halten (vgl. u.a. NIEDERSÄCHSISCHES BMFAS damit verbunden die Entstehung von ‚Miniin-
1993, BMA 1998) wie in den Konzeptionen der stitutionen in der Gemeinde‘2.
weit überwiegenden Mehrheit von Wohnein-
richtungen.
Anders als in den skandinavischen und angel- Was bedeutet ein ‚normales Le-
sächsischen Ländern hat die Rezeption des ben‘ heute?
Normalisierungsprinzips in der BRD aber nicht
Aus der Kritik am Bestehenden folgt aber noch
zur Schließung der Großeinrichtungen geführt,
nicht notwendig ein Maßstab hinsichtlich des-
sondern zu ihrer internen Veränderung. So gut
sen, was als Verbesserung angesehen werden
wie alle großen Einrichtungen bieten heute
soll. Was wir heute wissen, ist zunächst ledig-
verschiedene Formen des Wohnens, darunter
lich, dass die bloße Verkleinerung von Ein-
Wohngruppen mit Pflegeangebot, mit inte-
grierter Förderung, Wohngruppen für Men-
schen, die in einer Werkstatt für behinderte
Menschen (WfbM) oder anderswo außerhalb 1
„Zu diesen Wohnformen zählen das Betreute Einzelwoh-
arbeiten, Außenwohngruppen, ambulant be- nen/Paarwohnen, Außenwohngruppen, Wohngemein-
treutes Einzel- und Paarwohnen, Trainings- schaften, Trainingswohngruppen/-plätze sowie sog. Ser-
wohnen. Die Veränderungen betreffen nicht vicehäuser“ (WACKER ET AL. 1998, 50).
2
nur neue Angebote in der Gemeinde, sondern Institutionelle Praktiken meint u.a.
es hat auch in den Zentralbereichen dieser ̇ eine vorrangige Orientierung an den Anforderungen
ehemaligen Anstalten Veränderungen gege- der Organisation, z. B. rechtliche Absicherung der
ben, aber sie bieten noch immer Lebensper- Mitarbeiter, Dokumentationspflichten, Dienstplänen
spektiven, die sich von denen anderer Men- ̇ eine Tendenz zu Gleichbehandlung und mangeln-
der Individualisierung
schen unserer Gesellschaft deutlich unter-
̇ wenig Interaktion mit den Bewohner/innen unab-
scheiden, beispielsweise hinsichtlich der Mög- hängig vom Personalschlüssel oder Verringerung
lichkeiten einer selbständigen Lebensführung. der Interaktion mit steigendem Personalschlüssel
Wenn wir die Zahl der Plätze betrachten, leb- ̇ eine Neigung zur Vernachlässigung der sozialen
ten im Jahr 1998 nur ca. 15% der Menschen Kontakte der Bewohner/innen außerhalb der Woh-
mit Behinderung, die in Wohnformen der Be- neinrichtung und die Tendenz zur ‚Abschottung
hindertenhilfe leben, in solchen Formen, die nach draußen‘.
eine selbständigere Lebensführung ermögli-
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̈ PERSPEKTIVEN _________________________________________________________________
richtungen und der Umzug von Menschen meinem Clan, zu meiner Szene oder zu
noch kein ‚Leben ohne Institution‘ bewirkt. meiner Selbsthilfegruppe.
Das Normalisierungsprinzip bietet noch immer ̇ Diese Netze und die mit ihnen assoziier-
einen geeigneten Hintergrund zur schnellen ten Solidaritätspotentiale reproduzieren
Einschätzung von Lebensbedingungen, indem die grundlegenden Formen gesellschaftli-
wir fragen: Möchten wir so leben? Ist dieses cher Ungleichheit. Eine Sozial- und Bil-
Leben innerhalb der Bandbreite dessen, was dungspolitik, die sich allein auf sie ver-
wir in unserer Gesellschaft für ‚normal‘ erach- läßt, wird gesellschaftliche Spaltungen
ten? Und falls nicht, sind der/dem Betroffenen vertiefen und nicht nur vorhandene Un-
Alternativen zugänglich? gleichheit in der Verteilung der materiel-
Was bedeutet aber ein ‚normales Leben‘ heu- len Ressourcen reproduzieren, sondern
te? auch die ungleichen Zugänge zu sozialen
Sicherlich lässt es sich noch weniger in Form und psychosozialen Ressourcen ver-
eines typischen Lebenslaufes skizzieren als schärfen.
zum Zeitpunkt der Formulierung des Normali- ̇ Eine Sozial- und Bildungspolitik, die auf
sierungsprinzips. Angesichts der Pluralisierung Chancenungleichheit reagiert, muss von
der Lebensformen bedeutet es unter anderem, den immer noch vorherrschenden kom-
aus der Vielfalt möglicher Lebensformen und pensatorischen und befriedenden Strate-
-stile, Beschäftigungen und Freizeitmöglich- gien Abschied nehmen. Sie muss alle
keiten auswählen zu können. Aus diesem Personen – im Sinne des Empowerment-
Grund wird diese Frage häufig verkürzt auf Ansatzes – als Menschen sehen und be-
eine Selbstbestimmung, die als Wahlfreiheit handeln, die den Wunsch haben, Subjekt
verstanden wird. Dies erscheint insbesondere des eigenen Handelns zu sein“ (KEUPP
für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf 1997B, 28F).
problematisch, da ‚Wahlfreiheit‘ für diesen
Für Menschen mit geistiger Behinderung stellt
Personenkreis häufig mit ‚Bedürfnisbefriedi-
sich die Lage so dar, dass sie typischerweise
gung‘ gleichgesetzt wird (vgl. CH. LINDMEIER
in der folgenden Situation sind:
1999).
Die Gleichsetzung der Pluralisierung von Le- ̇ Ihr soziales Netz umfasst mehr Profes-
bensformen mit der ‚Möglichkeit zu mehr sionelle, deren Status als ‚bezahlte Un-
Selbstbestimmung‘ verkennt, dass die gesell- terstützung‘ bzw. als ‚Freunde‘ nicht im-
schaftlichen Entwicklungen, die traditionelle mer klar ist bzw. von den beteiligten Per-
soziale Einbindungen immer weiter reduziert sonen unterschiedlich definiert wird.
haben, für alle Menschen nicht nur Chancen, ̇ Die Kontakte zu Professionellen oder,
sondern auch Risiken produzieren. Aus der wenn sie zu Hause wohnen, zu den An-
Vielzahl der Risiken möchte ich hier nur das gehörigen sind oft gekennzeichnet durch
Risiko der Isolierung und des Herausfallens eine einseitige Abhängigkeit und geringe
aus sozialen Beziehungen nennen, dessen Reziprozität, oft bei zugleich enger emo-
Folge die Notwendigkeit der Schaffung und tionaler Bindung.
des Erhalts unserer sozialen Netze ist. Men-
schen mit Behinderung sind bei der Bewälti- ̇ Die meisten sonstigen Beziehungen be-
gung dieser Aufgabe – wie alle unterprivile- stehen zu Arbeitskollegen in der WfbM,
gierten Gruppen – in einer schlechteren Aus- häufig sind dies die gleichen Kontakte wie
gangslage: im Wohnheim und in der Freizeit; im El-
ternhaus lebende Menschen haben häu-
̇ „Eine sich zunehmend individualisierende fig wenige und lose Freizeitkontakte.
Gesellschaft erzeugt nicht notwendiger-
weise isolierte und vereinsamte Ego- ̇ Menschen, die bei ihrer Vermittlung aus
Menschen. Es existieren in dieser Gesell- der WfbM auf den ersten Arbeitsmarkt
schaft ganz im Gegenteil hohe Potentiale nicht über stabile Beziehungsnetze oder
für solidaritätsfördernde Netze. Aber die- eine feste Partnerschaft verfügen, leiden
se Netze haben zugleich die Tendenz zu ohne unterstützende Angebote häufig
›Stammeskulturen‹: Unterstützt wird, wer unter Einsamkeit. Es ist anzunehmen,
zu ›uns‹ gehört, zu meiner Familie, zu dass beim Auszug aus Elternhaus oder
____________________________________ 37 ____________________________________
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̈ PERSPEKTIVEN _________________________________________________________________
Individualisierung und der expandierenden Dieses Ziel soll erreicht werden durch Verän-
Persönlichkeitsrechte der post- und spätmo- derungen auf drei Ebenen: der Ebene des
dernen Menschen des 21. Jahrhunderts nicht Wohnens, der Ebene der Unterstützung und
mehr gerecht werden“ (FORSCHUNGSAR- der Ebene der Gemeindeentwicklung und der
BEITSGEMEINSCHAFT ‚MENSCHEN IN HEIMEN‘ Veränderung des Hilfesystems.
UNIVERSITÄT BIELEFELD 2001, 2).
Die Initiative zur Einrichtung einer Enquête der
Ebene des Wohnens
Heime nennt eine Reihe weiterer Forderungen,
die in der Tagungsdokumentation nachzulesen ̇ Trennung von Wohnung und Betreuung
sind (vgl. HOPFMÜLLER/RÖTTGER-LIEPMANN
2002): Die Trennung der Bereitstellung von
Wohnraum und Unterstützung ist das
̇ Heime stellen keine zeitgemäße Le- Fundament des ‚Supported living‘. Durch
bensform mehr dar; die Trennung von Wohnraum und Unter-
stützung erhalte ich die Möglichkeit, die
̇ neue, flexiblere Gestaltungen von Sorge
unterstützende Organisation zu wechseln
sind notwendig (‚Sorgemix‘);
und in meiner Wohnung zu bleiben. Bei
̇ keine zusätzlichen Belastungen für An- einem Wohnungswechsel kann ich die
gehörige, aber Unterstützung behalten. In ambulanten
Wohnformen verliere ich in der Regel bei
̇ Respektierung der Verantwortung von
einem Wohnungswechsel die Betreuung
Angehörigen;
bzw. die Betreuungspersonen; ebenso
̇ Veränderung professioneller Unterstüt- kann ich bei Unzufriedenheit mit meiner
zung. Betreuung nicht in der Wohnung bleiben
Bereits in meinem Beitrag zur oben genannten und neue Betreuung suchen: im Gegen-
Tagung hatte ich kurz angedeutet, dass neue- teil, ich muss befürchten, dass ich aus-
re Konzepte aus den USA, Großbritannien und ziehen muss, weil ich ‚nicht tragbar‘ für
Skandinavien großen Wert auf die Anerken- die Wohnform bin!
nung von Menschen mit Behinderung als Bür- Eine vertragliche Trennung von Wohn-
ger mit Bürgerrechten legen. Eine Bürgerin/ein raum und Unterstützung bedeutet für eine
Bürger mit Bürgerrechten belegt keinen Institution der Behindertenhilfe, dass sie,
Wohnplatz, sondern bewohnt eine Wohnung, wenn sie bezahlte Unterstützung bereit-
und soweit sie/er Unterstützung benötigt, be- stellt, bei der Suche nach Wohnraum be-
schafft sie/er sie sich, gegebenenfalls mit der hilflich sein darf, aber den Wohnraum
Unterstützung von Freunden oder professio- nicht selbst mieten oder käuflich erwer-
nellen Vermittlungsdiensten. ben darf.
̇ Mieterstatus statt Bewohnerstatus
Die handlungsleitenden Prinzipen Der Status eines Wohnheim- oder Wohn-
des ‚supported living‘ gruppenbewohners ist gekennzeichnet
durch eine relative Rechtlosigkeit: selbst
Ich möchte Ihnen daher das Handlungskon- wenn ein Vertrag besteht, enthält er Hin-
zept des ‚supported living‘ vorstellen, denn es weise auf eine Hausordnung, gibt es we-
greift diese Gedanken auf: Es will Menschen nig Mitsprachemöglichkeiten hinsichtlich
mit Behinderung dabei unterstützen, aktive der Mitbewohner/innen, es gibt mögli-
und engagierte Bürger ihrer Gemeinde zu sein, cherweise Tage der offenen Tür und an-
indem es dere institutionelle Praktiken: ich fühle
̇ sie dabei unterstützt, in ihren eigenen mich nicht als ‚Hausherr‘ oder ‚Hausher-
Häusern oder Wohnungen zu leben (so- rin‘. Das Wohnen in der eigenen Woh-
wohl als Eigentümer als auch in Mietver- nung ist folgerichtig der große Leben-
hältnissen) straum vieler behinderter Menschen.
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̈ PERSPEKTIVEN _________________________________________________________________
Die Unterstützung wird am Bedarf der je- Betreuung oder der Finanzierung der Be-
weiligen Einzelperson festgemacht und ist treuung zu tun hat.
nicht, wie üblich, Bestandteil des Pakets
̇ Erhalt und Erweiterung sozialer Bezie-
‚Wohnen im Wohnheim‘ oder des Pakets
hungen
‚Wohnen im betreuten Wohnen‘. Es ist ein
Unterschied, ob in gemeindenahen Woh- Der Erhalt und der Ausbau bzw. Aufbau
neinrichtungen eine Individualisierung der sozialer Beziehungen ist eine ‚Kernlei-
Unterstützung angestrebt und innerhalb stung‘ in der Unterstützung, gleichrangig
gewisser Grenzen auch erreicht wird, mit anderen Unterstützungsleistungen.
oder ob von Anfang an die Planung eines Die Unterstützerkreise sind ein Mittel zur
einzigartigen Betreuungsangebots erfolgt. Erweiterung der sozialen Beziehungen.
Zentral ist die Planung mit und für eine ̇ Schutz und Sicherheit
einzelne Person zur Zeit (focussing on
one person at a time). Leben in der Gemeinde, vielfältige Bezie-
hungen und ein selbstbestimmtes Leben
̇ Kombination professioneller und nicht- bergen unterschiedliche Risiken. Bei der
professioneller Unterstützung Planung der Unterstützung müssen diese
Bei der Planung der Unterstützung sollen bedacht und, soweit möglich, Sicherheit
funktionierende soziale Netze und deren gewährleistet werden. Eine regelmäßige
gegenseitige Unterstützungsleistungen gemeinsame Weitentwicklung der Pla-
nicht zerstört, sondern erhalten und mög- nung gehört ebenfalls zu den ›Sicher-
lichst erweitert werden, ohne allerdings heitsvorkehrungen‹, ebenso wie die Ein-
das soziale Netz zu überfordern – eine richtung des Unterstützungskreises, die
schwierige Gratwanderung, deren Ziel es Verteilung der Unterstützung auf mehrere
ist, angemessene und ausreichende Un- Personen, die Eigentümerschaft oder der
terstützung zu erreichen, aber eine Ent- Mietvertrag für den Wohnraum. Sie sollen
wicklung zur Unselbständigkeit und Ab- verhindern, dass die größere Verletzbar-
hängigkeit durch ‚Vollversorgung‘ zu ver- keit behinderter Menschen eine tatsächli-
meiden. che Entrechtung oder Ausbeutung zur
Folge hat.
̇ Personzentrierte Planung
Hilfen und Dienstleistungen sollen ent-
sprechend der Bedürfnisse, Interessen
und Wünsche des jeweiligen Individuums Ebene der Gemeindeentwicklung und Sy-
konzipiert werden. Dies impliziert die stemveränderung
Entwicklung von Methoden zur Ermittlung ̇ Lobbyarbeit - Brücken bauen – Gemein-
dieser Wünsche und Bedürfnisse, sowie deentwicklung
deren Übersetzung in konkrete Arrange-
ments. Diese Methoden müssen in der Wenn die individuelle Unterstützung auch
Bundesrepublik weiter verbreitet werden; die Teilhabe am Leben der Gemeinde
zu ihnen gehören PATH, MAP, essential einschließen soll, müssen sich die Struk-
lifestyle planning (vgl. DOOSE 1997, 1999; turen der Gemeinde verändern. ›Suppor-
KAN/DOOSE 1999, BOBAN/HINZ 1999) ted living‹ schließt somit auch Lobbyarbeit
ein, die eine ›inklusive Gesellschaft‹ zum
̇ Planung mit Unterstützerkreisen Ziel hat. Hierzu ist die Kooperation mit
Personenbezogene Planung sollte mit den vorhandenen Strukturen und Initiati-
Unterstützerkreisen durchgeführt werden, ven und die systematische Suche nach
denn jede Form der Planung neigt zur Anknüpfungspunkten wichtig.
Favorisierung von Lösungen, die die be- ̇ Veränderung des Hilfesystems
teiligten Menschen sich vorstellen kön-
nen: daher sollen möglichst unterschiedli- Analog zu der angestrebten Veränderung
che Menschen teilnehmen: Der Mensch der Gesellschaft muss sich auch das tradi-
mit Unterstützungsbedarf, seine Freunde, tionelle Hilfesystem dahingehend verän-
Verwandte, Professionelle und ein Mode- dern, dass es sich stärker auf Beratungs-
rator. Der Moderator sollte nicht zu einer und Unterstützungsangebote ausrichtet
Institution gehören, die mit der weiteren und die üblichen separaten Institutionen
____________________________________ 40 ____________________________________
̈ PERSPEKTIVEN _________________________________________________________________
____________________________________ 41 ____________________________________
̈ PERSPEKTIVEN _________________________________________________________________
Vor allem aber ist es wichtig, nicht neue Vor- WILKEN, E. (HRSG.): Neue Perspektiven für Men-
gaben zu formulieren, beispielsweise zu for- schen mit Down-Syndrom. Erlangen 1997, 198-215
dern, dass jede/r in seinem eigenen Haus le- DOOSE, ST.: „I want my dream!“ Persönliche Zu-
ben soll: Den Wunsch des betroffenen Men- kunftsplanung – Neue Perspektiven und Methoden
schen in den Mittelpunkt stellen und diesem einer individuellen Hilfeplanung mit Menschen mit
Wunsch als ständige Aufforderung zu begrei- Behinderungen. In: KAN, P. VAN; DOOSE, ST.: Zu-
fen, mit den vorhandenen Mitteln das Beste zu kunftsweisend. Peer Counseling & Persönliche
schaffen und die gefundene Lösung immer Zukunftsplanung. Kassel 1999, 71-134
wieder zu überprüfen kommt nicht nur dem DOOSE, ST./ GÖBEL, S.: Materialien zur Persönlichen
Grundgedanken des Konzepts näher, sondern Zukunftsplanung – Texte und Arbeitsblätter – In:
auch unserer Vorgehensweise in unserem KAN, P. VAN; DOOSE, ST.: Zukunftsweisend. Peer
eigenen Leben. Counseling & Persönliche Zukunftsplanung. Kassel
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____________________________________ 44 ____________________________________
̈ AUS DEN ARBEITSGRUPPEN UND WORKSHOPS __________________________________________
AUS DEN
ARBEITSGRUPPEN
UND
WORKSHOPS
____________________________________ 45 ____________________________________
̈ AUS DEN ARBEITSGRUPPEN & WORKSHOPS ____________________________________________
Zu den Arbeitsbereichen der SELAM- Le- Nach Umzug in die eigene Wohnung kön-
benshilfe gehören: nen folgende Assistenzangebote stattfin-
̇ Förderstätte den:
̇ Fahrdienst ̇ Grundpflege (wir sind ein anerkannter
̇ Familienentlastender Dienst Pflegedienst), Hilfestellung sowie An-
leitung bei der Körperpflege
̇ Assistenz beim Wohnen
̇ Anleitung und Hilfestellung bei der
̇ Freizeitstätte KIEK- IN Haushaltsführung, beim Kochen, bei
̇ Freizeit und Reisen der Wohnungsreinigung, beim Einkauf
usw.
̇ Hilfen bei der Tagesstrukturierung
Assistenz beim Wohnen durch alltäglich wiederkehrende Abläufe
̇ Orientierungshilfen in der Öffentlichkeit,
Leistungsbeschreibung der Assistenz beim Erweiterung der Mobilität
Wohnen (ABW) ̇ Hilfestellung beim Umgang mit Ämtern
Die ABW bietet erwachsenen Menschen mit und Behörden, Beratung in rechtlichen
Behinderung die Möglichkeit, ein selbstbe- und finanziellen Angelegenheiten, so-
stimmtes Leben in einer eigenen Wohnung mit wie entsprechender Schriftverkehr
Hilfe der individuellen Assistenz zu führen. ̇ Hilfen bei der individuellen Lebenspla-
Jeder Mensch mit einer Behinderung kann von nung, u.a. in Form von Beratung und
uns Hilfe erhalten, unabhängig von der Art, Kooperation mit anderen Diensten
dem Schweregrad oder der Ursache der Be- ̇ Unterstützung bei der Finanzplanung
hinderung (Ausnahme: ausschließlich alters-
̇ Unterstützung bei Konflikten, z.B. bei
bedingte Behinderung).
Wohngemeinschafts-, Eltern- und Paar-
Ziel der ABW ist es, Menschen mit Behinde- konflikten
rungen vergleichbare Lebensverhältnisse und -
̇ Hilfen und Begleitung zur Teilnahme
perspektiven wie nicht behinderten Menschen
am gesellschaftlichen Leben, u.a. durch
zu eröffnen.
Freizeitplanung und –gestaltung
Um Selbstbestimmung von Menschen mit Be-
̇ Bedarfsgerechte Hilfestellung - auch
hinderung zu ermöglichen, muss ausgehend
rund um die Uhr.
von der persönlichen Lebenssituation der indi-
viduellen Hilfebedarf ermittelt werden. Hierbei
sollen Ressourcen und Kompetenzen in den Unsere Arbeit basiert auf folgenden Quali-
unterschiedlichsten Lebensbereichen gestärkt tätsstandards:
und aufgebaut werden.
̇ ganzheitliches Hilfsangebot durch Ver-
bindung von Eingliederungshilfe, Hilfe
Damit die Assistenz beim Wohnen umgesetzt zur Pflege und Pflegesachleistung
werden kann, wird diese durch die Abteilung ̇ auf den Hilfebedarf bezogene Perso-
der „Vorbereitung der Assistenz beim nenwahl und kundenbezogenes Team
Wohnen“ vorbereitet und begleitet.
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̈ AUS DEN ARBEITSGRUPPEN & WORKSHOPS ____________________________________________
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̈ AUS DEN ARBEITSGRUPPEN & WORKSHOPS ____________________________________________
1
mit freundlicher Genehmigung der BUNDES-
VEREINIGUNG LEBENSHILFE
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bauen. Sie sollte sich nicht scheuen, sich mit BSHG stärker als bisher Realität werden zu
ihren qualitativ hochwertigen Diensten auf den lassen. Programmatisch dazu passt das Enga-
regionalen Markt sozialer Dienstleister zu be- gement für neue ambulante Dienstleistungen
geben. (Kriseninterventionsdienste etc.) bzw. auch die
Obwohl das BSHG den Vorrang “ambulant vor Offenheit für neue Allianzen, um das örtliche
stationär” festschreibt, werden von den jährlich Hilfenetz bedarfsgerecht weiter zu entwickeln.
30 Milliarden DM Eingliederungshilfe nach dem Die Gliederungsebenen der Lebenshilfe-
BSHG 3 % für die "ambulante Sorge", aber Landesverbände und örtlichen Vereinigungen
97% für die stationäre Eingliederungshilfe der sind aufgerufen, analog zu den Aktivitäten der
Behindertenhilfe ausgegeben2. Bundesebene den Aufbruch zu wagen, den
Um das Wahlrecht aller Menschen mit Behin- Dialog zu suchen und den “Ausbau ambulant”
derung zu ermöglichen ist es erforderlich, den substantiell zu befördern.
individuellen Hilfebedarf konsequent zu ermit-
teln, in Leistungsstunden zu überführen und
passende Stundensätze (einschl. Regiekosten,
Vorlaufzeiten u.a.m.) zu verhandeln (vgl. hier- 7. Fachliche Standards
zu 8.2). zur Ambulanten Unterstützung
Bei der Umstellung auf eine einheitliche Ko- beim Wohnen
stenträgerschaft ist darauf zu achten, dass an
bundesweit modellhafte und praxisbewährte
Settings angeknüpft wird. Auch in diesem An- Insbesondere die folgenden vier Aspekte sind
gebotsfeld gilt: “Lernen von den Besten”. Diese als fachliche Standards hervorzuheben:
gibt es, und die Akteure in der Lebenshilfe
können auf funktionierende Praxis Bezug
nehmen - so z.B. in Münster, Oldenburg und ̈ Nutzerrat:
Schwerin. Als Pendant zum Heimbeirat ist auch im Am-
Von den Kostenträgern vorgetragene Wün- bulant Unterstützten Wohnen ein gewähltes
sche und Vorstellungen der Budgetierung bzw. Gremium als Interessenvertretung der Nutzer
Kontingentierung sind in der Konsequenz als erforderlich. Dieser Nutzerrat kann seine
Begrenzungen wahrzunehmen, die letztlich der Funktion nur dann qualifiziert ausfüllen, wenn
individuellen Bedarfsdeckung und guter seine Mitglieder sich kontinuierlich beraten
Dienstleistungsqualität entgegenstehen. lassen, sich schulen und weiterbilden können.
Deshalb appellieren wir an die verbandlichen Hierfür muss ein Finanzierungsrahmen bereit-
Entscheidungsträger: Mut zum Risiko - streit- gestellt werden.
bar auftreten. Dazu gehört:
̇ Potentielle Nutzer ambulanter Hilfen bei ̈ Begleitende Supervision:
Rechtsstreitigkeiten zur Durchsetzung Zur Sicherung der Fachlichkeit ist die kontinu-
ihrer Leistungsansprüche unterstützen. ierlich begleitende Supervision für die Mitar-
̇Die Schiedsstellen dazu nutzen, ver- beiter zu gewährleisten. Sie ist in die Vergü-
tretbare Vereinbarungen gem. § 93 ff tungsverhandlungen einzubeziehen. Ihrer Be-
BSHG zu erzielen. Erste Priorität bei deutung als konstante Strukturqualität sollte
den Verhandlungen mit den Kostenträ- durch eine rechtliche Absicherung wie bei-
gern muss sein, einträgliche – und da- spielsweise bei der Sozialpädagogischen Fa-
mit auch “wirtschaftliche” Stundensätze milienhilfe im KJHG Rechnung getragen wer-
auszuhandeln (Sätze, mit denen es sich den.
wirtschaften lässt).
So können Vertreter der Lebenshilfe einen ̈ Leistungen aus einer Hand:
wichtigen Beitrag dazu leisten, den § 3a des Kommen bei einem Nutzer Dienstleistungen
aus verschiedenen Fach- bzw. Rechtsberei-
2
nach KLEIN/ZECHERT: Ambulant vor stationär – chen zum Tragen (z.B. Pflegeversicherung,
oder wie man aus einer Mücke einen Elefanten Jugendhilfe, Eingliederungshilfe), so ist anzu-
macht. In: Sozialpsychiatrische Informationen Heft streben, dass diese Leistungen aus einer
2, 2000
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̈ AUS DEN ARBEITSGRUPPEN & WORKSHOPS ____________________________________________
Hand angeboten werden. Sollte dies nicht ̇ § 40 BSHG Maßnahmen der Hilfe
möglich sein, so ist eine enge inhaltliche und in den Blick zu nehmen.
organisatorische Koordination der in dem
Dem stehen nach wie vor strukturelle und fi-
Haushalt aktiven Dienste bzw. Personen si-
nanzielle Benachteiligungen im Vergleich zum
cherzustellen. Gleiches gilt auch für weitere
stationären Wohnen gegenüber: Insbesondere
Dienstleistungsangebote aus dem Gemein-
ist hier die weiter bestehende Heranziehung
deumfeld (z.B. Essen auf Rädern, Kranken-
Unterhaltspflichtiger zu nennen. Diese wird
pflege, Freizeitbegleitung).
auch durch das Grundsicherungsgesetz ab
01.01.2003 voraussichtlich nur teilweise auf-
̈ Leistungsbeschreibungen und –ver- gehoben.
einbarungen sowie Qualitätsentwick-
lung: Marburg, im April 2002
Zum Thema Qualitätsentwicklung wird auf die
„Arbeitshilfe zur Qualitätssicherung und -
entwicklung in Diensten für Unterstütztes
Wohnen (AQUA-UWO)“ des Zentrums für Pla- ̈ BUNDESVEREINIGUNG LEBENSHILFE FÜR
nung und Evaluation Sozialer Dienste (ZPE) MENSCHEN MIT GEISTIGER BEHINDERUNG E.V.
AUSSCHUSS "OFFENE HILFEN", AUSSCHUSS
der Universität-Gesamthochschule Siegen3 "WOHNEN"
verwiesen. Als Orientierungsrahmen für Lei-
RAIFFEISENSTRAßE 18, 35043 MARBURG
stungsbeschreibungen und –vereinbarungen
gem. §§ 93 ff BSHG bietet sich die Arbeitshilfe WWW.LEBENSHILFE.DE
im Verlag der BUNDESVEREINIGUNG LE-
4
BENSHILFE an .
8. Rechtliche Aspekte
3
ZENTRUM FÜR PLANUNG UND EVALUATION SOZIALER
DIENSTE (ZPE), Universität Siegen, Adolf-
Reichwein-Strasse 2, 57068 Siegen, www.uni-
siegen.de/~zpe
4
BUNDESVEREINIGUNG LEBENSHILFE, 3. Auflage
2/2001
____________________________________ 53 ____________________________________
̈ AUS DEN ARBEITSGRUPPEN & WORKSHOPS ____________________________________________
____________________________________ 54 ____________________________________
̈ AUS DEN ARBEITSGRUPPEN & WORKSHOPS ____________________________________________
z. B. Studenten;
̇ Vorbereitung von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern auf assistieren-
de/unterstützende Tätigkeiten geistig
behinderter Menschen mit hohem Assi-
stenzbedarf im Rahmen des betreuten
Wohnens bzw. in kleinen, gemeindein-
tegrierten Wohngruppen;
̇ Internationale Vergleiche: die große
Mehrheit von geistig behinderten Men-
schen mit hohem Assistenzbedarf und
herausforderndem Verhalten lebt in den
führenden westlichen Industrienationen
(bis auf die skandinavischen Länder)
weithin in (großen) Institutionen (z. B.
USA), klinisch organisierten Heimen o.
dgl.); gleichfalls ist der Anteil von Er-
wachsenen mit geistiger Behinderung,
die noch in ihren Herkunftsfamilien le-
ben, international betrachtet sehr hoch
(z. B. 70-80% in den skandinavischen
Ländern, USA); allerdings besteht im
Unterschied zu Deutschland in vielen
dieser Länder ein tragfähiges Unter-
stützungssystem für Familien mit be-
hinderten Angehörigen, das verfügbar
und erreichbar ist;
̇ Probleme der „leeren Kassen“ und
Gefahr der „selektiven Integration“: Au-
ßenwohngruppen, unterstütztes Woh-
nen nur für sog. leicht geistig behin-
2
Erfahrungen hierzu bietet das „Handbuch Krisen-
intervention“ von E. WÜLLENWEBER und G.
THEUNISSEN, erschienen im Kohlhammer-Verlag,
Stuttgart 2001; darüber hinaus erscheint Ende
2003 das Handbuch II, in dem schwerpunktmäßig
Erfahrungen aus der Praxis in Bezug auf unter-
schiedliche Kriseninterventionsdienste und –mög-
lichkeiten dargestellt werden; auch diese Schrift
erscheint im Kohlhammer-Verlag
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Erfahrungen Haltung
Bedingungen
Bedürfnisse für die Attraktivität
herausfinden der Arbeit
Enthospitalisierung
des
„harten Kerns“
Historische Zukünfte
G ewachsenheiten Institution denken
Übergänge Strukturen
Haltung Fianzierung
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̈ AUS DEN ARBEITSGRUPPEN & WORKSHOPS ____________________________________________
beantwortet werden. Das Personal darf können. Wir waren uns bewusst, dass
dabei nicht übergangen werden. die Finanzierung zur Zeit ein grosses
Problem darstellen wird. Wir waren
̇ Verfahren: Das Personal benötigt, um
aber überzeugt, dass dies uns nicht da-
die oben postulierten Ansprüche (s. Pkt.
von abhalten soll, die neuen Modelle zu
1) einlösen zu können, differenziert
denken. Gerade für den Bereich von
ausgearbeitete individuums- und tea-
Menschen mit psychosozialen Auffällig-
morientierte Verfahren für die Bearbei-
keiten lässt sich voraussagen, dass hier
tung dieser komplexen Aufgabenstel-
die erheblichen Assistenzkosten, wel-
lungen
che jetzt durch den auffälligkeitsbe-
̇ Attraktivität der Arbeit: Die Frage, ob dingten Assistenzbedarf entstehen, bei
eine solche Arbeit für das Personal individuell angepassten Wohnformen
überhaupt noch interessant ist, muss sicher zurückgehen werden.
ebenfalls in allen Überlegungen mitre-
̇ Strukturen: Die neuen Strukturen der
flektiert werden.
Trägerschaften müssen flexibel und
̇ Gefahr der Übertragungen: Gerade in veränderbar gestaltet werden. Es gibt
Veränderungssituationen muss noch noch viel weniger als bisher die richtige
viel mehr wie im Alltag darauf geachtet Struktur.
werden, dass ich meine Wünsche nicht
̇ Übergänge: Die Übergänge von der
mit jenen der Bewohnerinnen und Be-
einen in die andere Wohnform müssen
wohner verwechsle resp. meine Vorlie-
auf allen Ebenen (gesamtinstitutionell,
ben / Abneigungen zu den ihren mache.
Bewohnerinnen und Bewohner, Perso-
Auch dazu braucht es bestimmte Ver-
nal, Angehörige, gesetzliche Vertretun-
fahren und Vorgehensweisen.
gen etc.) nach system-ökologischen
̇ Haltung: Generell lässt sich sagen, Gesichtspunkten sorgfältig geplant,
dass ein grosser Teil der Arbeit von der durchgeführt und evaluiert werden
Haltung des Personals unmittelbar und
̇ Historische Gewachsenheit: Es gilt
stark beeinflusst wird. Es ist darum bei
die Geschichte der Institutionen als sol-
Personalauswahl und -schulung unbe-
ches sowie ihre Einbettung in das so-
dingt auf diese Fragen zu achten. Dem
ziale Umfeld zu beachten. Institutionen
Bewusstmachen und der Bearbeitung
hatten lange Zeit als Nachfolgemodell
der mentalen Modelle der Mitarbeiten-
des Anstaltswesens ihre Berechtigung.
den ist daher stark Beachtung zu
Sowohl aufgrund theoretischer Überle-
schenken.
gungen als auch praktischen Erfahrun-
gen haben wir heute Erkenntnisse ge-
3. Institution wonnen, welche eine Überwindung des
klassischen Institutionsmodells als an-
̇ Haltung: Gerade auch von Träger- gezeigt erscheinen lassen. Wir sollten:
schaften und Leitung her braucht es ei-
ne unterstützende und fördernde Hal- ̇ Zukünfte denken: Gemeinsam mit al-
tung, welche (erneute) Hospitalisierun- len Beteiligten sollen neue Modelle er-
gen möglichst vermeiden, welche den arbeitet, ausprobiert, ausgewertet und
sich dauernd verändernden Rahmen- wiederum weiterentwickelt werden.
bedingen Rechnung trägt und innovati-
ves Denken und Handeln unterstützt.
̇ Finanzierung: Die Gruppe war sich ̈ DANIEL KASPER
bewusst, dass die neuen Wohnmodelle FACHSTELLE LEBENSRÄUME FÜR MENSCHEN
resp. eine differenzierte Angebots- MIT GEISTIGER BEHINDERUNG
struktur (bspw. Erfahrungsmöglichkei- BÜRGLISTR. 11, CH-8002 ZÜRICH / SCHWEIZ
ten vor der Entscheidung) einen erheb- EMAIL: DANIEL.KASPER@LEBENSRAEUME.CH
lichen finanziellen Aufwand bedeuten
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an der Zukunfts- bzw. Hilfeplanung be- eher die Interessen der Eltern im Vordergrund
teiligt sein. stehen könnten als die der behinderten Be-
wohner.
̇ Das Verhältnis zwischen Eltern/ Ange-
hörigen und Mitarbeitern sollte durch Der Stellenwert, der Eltern innerhalb einer
mehr Toleranz, Verständnis und Em- Einrichtung beigemessen wird, ist u. a. er-
pathie sowie Kontingenzfreudigkeit ge- kennbar in der Darstellung der Kooperation im
prägt sein. Rahmen des Leitbilds (z. B. „Wir wünschen
uns eine kritische Begleitung durch Angehöri-
̇ Es sollten regelmäßig Gespräche mit ge.“) und im Kontext der Maßnahmen zur
Eltern/Angehörigen stattfinden: wech- Qualitätssicherung bzw. -entwicklung (z. B.
selseitige Information, offene Ausspra- Befragungen zur Zufriedenheit der Angehöri-
che (zeitnah, wenn Probleme auftau- gen mit der Einrichtung). Das Ziel einer part-
chen) und gemeinsame Suche nach nerschaftlichen Zusammenarbeit ist noch nicht
Lösungswegen außerhalb der eingefah- überall erreicht. Unterschiede zeigen sich so-
renen Wege; genaue Absprachen und wohl auf der Ebene der Professionellen als
Einhalten der Vereinbarungen; bei Kon- auch in Einstellungen und Verhalten von El-
flikten sich in die Elternrolle versetzen. tern, z. B. in den neuen Bundesländern:
Bei festgefahrenen Problemen ist eine „Durch meine ehrenamtliche Arbeit in der Lebens-
neutrale Anlaufstelle sinnvoll (z. B. pa- hilfe und dadurch bedingte Kontakte zu Eltern in
ritätisch besetzter Konfliktlösungsaus- den alten Bundesländern habe ich dort bei Eltern
schuss als Vermittler bei festgefahre- wesentlich mehr Selbstbewusstsein und ein größe-
nen Konflikten4). res Anspruchsdenken hinsichtlich der Förderan-
sprüche unserer Kinder kennen gelernt. Hier im
̇ Erfahrungen und Ressourcen von El-
Osten sind noch immer viele Eltern vor allem voller
tern und Angehörigen sollten genutzt Dankbarkeit dafür, dass ihre Kinder überhaupt be-
werden – nicht nur hinsichtlich ihrer treut werden, dass ihnen überhaupt jemand die Last
Kompetenzen als Eltern, sondern auch zeitweise abnimmt. Ich habe beobachtet, dass sich
auf anderen Gebieten (z. B. Beruf). die Ansprüche häufig erschöpfen in der Forderung
̇ Notwendig erscheint eine Fortbildung nach sorgfältiger Behütung, nach Zuwendung und
Fürsorge. Die Ansprüche an systematische fachlich
für Eltern über aktuelle Leitideen der
fundierte Förderung sind eher weniger ausgeprägt.
Behindertenhilfe (z. B. Selbstbestim- Trotzdem erwarten vor allem die Mitglieder der
mung) und über rechtliche Ansprüche Lebenshilfe und die jüngeren Eltern zunehmend
sowie eine Sensibilisierung der Eltern mehr als Aufbewahrung von den Einrichtungen. Das
für Entwicklungen in der Behinderten- kollidiert aber zur Zeit sehr stark mit den Möglich-
hilfe. keiten der Träger, die Fachkraftquote auf der bishe-
̇ Die Eltern- bzw. Angehörigen-Arbeit ist rigen Höhe zu halten. Kürzungen bzw. langjähriges
Stagnieren der Pflegesätze bringen Probleme mit
als konzeptioneller Bestandteil der sich. Auch die Bezahlungsunterschiede zwischen
professionellen Arbeit zu verankern Ost und West sorgen immer öfter für Mangel an
(Konzepte und Schulungen). Allerdings hoch qualifiziertem Fachpersonal“ (JUTTA HILDE-
wurde die Befürchtung geäußert, dass BRAND, Sachsen-Anhalt; Mutter einer erwachsenen
hinsichtlich der dafür erforderlichen Ar- Tochter mit schwerer Behinderung).
beitszeit Schwierigkeiten entstehen
könnten. Auch wenn in Anbetracht der begrenzten Zeit
der Arbeitsgruppe viele Aspekte nur angeris-
Das Problem der Elternmitwirkung bei der
sen werden konnten, hat die Diskussion Anre-
Umsetzung des Heimgesetzes und der neu-
gungen für die Arbeit vor Ort gegeben.
en Heimmitwirkungsverordnung bewegt alle
Beteiligten in starkem Maße. Dabei zeigen sich ̈ DR. MONIKA SEIFERT, UNIVERSITÄT ZU KÖLN
zwiespältige Erwartungen. Einerseits werden HEILPÄDAGOGISCHE FAKULTÄT
die Chancen für die Beteiligung der Nutzer KLOSTERSTRAßE 79B, 50931 KÖLN
E-MAIL: M.SEIFERT@UNI-KOELN.DE
begrüßt, andererseits gibt es wegen der mögli-
chen Zusammensetzung der Heimbeiräte (bis ̈ DR. JUTTA HILDEBRAND
zu 4 : 5 / Eltern : Nutzer) Befürchtungen, dass LEBENSHILFE-LANDESVERBAND SACHSEN-ANHALT
ACKERSTR.23, 39112 MAGDEBURG
4
HOLM, Christa: Einmischung unerwünscht. Kompetenz- WWW.LEBENSHILFE-LSA.DE
gerangel zwischen Eltern und Fachleuten. In: Zusammen
5 (1997) 32-33
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wortlichen ihn wollen und befördern. Dazu sierter Gruppen, wie Obdachlose, Asylsu-
braucht es Gesetze, natürlich, aber Gesetze, chende u.ä. mehr. Daran lässt sich nicht
die deutlicher und unmissverständlicher sind nur die Bereitschaft ablesen, sondern auch
als die, welche wir in den letzten Jahren in die geübte Praxis in diesem konkreten
unserer Republik erleben durften. Aber auch Gemeinwesen. Wie offen ist ein Gemein-
nicht nur Gesetze. Die politisch Verantwortli- wesen für so genannte Abweichler und wie
chen vor Ort müssen die Veränderungen mit geht sie formell und informell mit ihnen
begleiten. um?
Ein konkretes Beispiel aus der jüngeren Al- Die Antwort auf diese Fragen gibt auch
sterdorfer Geschichte macht dies deutlich. Auskunft über die Akteure im Gemeinwe-
Anlässlich eines Neubaus mit siebzehn Apart- sen, auf die möglichen Ansprechpartner,
ments für Menschen mit Lernschwierigkeiten die hilfreich sind bei der Verwirklichung
im Stadtteil Fuhlsbüttel organisierte sich im von Inklusion. Es macht ohnehin viel Sinn,
Stadtteil der Widerstand. Wie hätten wir diesen die Einrichtungen und Menschen aufzu-
Widerstand ausgehalten ohne die klare Posi- spüren, die offen sind für diese Bewegung
tionierung des Ortsausschusses im Bezirk und dafür, die Interessen von Menschen
Nord? Die Rückverlagerung von Verantwor- mit Lernschwierigkeiten zu vertreten oder
tung in die Gemeinden gelingt nur im Einver- zumindest zu berücksichtigen. Auf die so
nehmen mit den Verantwortlichen. Dazu gehö- gewonnene Einsicht in ein Gemeinwesen
ren nicht nur die Politiker sondern auch andere können die Planungen für eine Teilhabe
Vertreter des öffentlichen Lebens. Sie müssen am Leben in dieser Gemeinde aufbauen.
gewonnen werden. Tut man dieses nicht oder Dies gilt auch dann, wenn in einem Stadt-
nicht ausreichend, geht man das Risiko ein, teil sich Bürger zusammentun, um gegen
nicht nur den Widerstand zu mobilisieren son- neue Wohnprojekte zu agieren.
dern auf Dauer auch solche neuen Projekte Diesen Weg sind wir in Alsterdorf bereits
von vornherein zu isolieren und die Chance vor 20 Jahren gegangen als wir das
auf ein Miteinander damit zu verspielen. Natür- Wohnprojekt Schnelsen für 34 Personen
lich ist Augenmaß für Verhältnismäßigkeit ge- aus der Zentraleinrichtung planten. Der
boten und die Rückverlagerung von Verant- Stadtteil wurde von Mitarbeitern der Stif-
wortung darf nicht die Gemeinde überfordern, tung erforscht und Kontakte wurden ge-
z.B. durch unverhältnismäßig große Ansied- knüpft. Davon hat dieses Projekt in seiner
lung von Menschen mit Behinderung. Auch Anfangsphase sehr profitiert. Nicht immer
dazu haben wir in Alsterdorf in jüngster Ver- sind wir so konsequent vorgegangen und
gangenheit unsere Erfahrungen gemacht. jetzt steht das Dezentralisierungspro-
gramm unter einem gewaltigen Zeitdruck,
Anforderungen an Inklusion weil wir uns verordnet haben, von zentra-
len überalterten Wohngebäuden auf unse-
Einige wichtige Anforderungen an die Gesell-
rem Gelände Abschied zu nehmen und
schaft hat MICHAEL TÜLLMANN, Leiter der Be-
geeigneten Wohnraum für die ausziehen-
hindertenhilfe im Rauhen Haus in Hamburg,
den Menschen finden müssen, was nicht
formuliert und ich möchte sie hier kommentie-
immer einfach ist.
ren.
̈ Vermeidung von falschen und folgen-
̈ Die Inklusionsbereitschaft der Gesell-
schweren Zuschreibungen: Falsche
schaft muss realistisch erfasst werden.
Vorstellungen von Inklusionsbereit-
Die Ausweitung dieser Bereitschaft
schaft der Gemeinwesen schaden den
muss mit operationalisierbaren Zielen
behinderten Menschen genauso wie ein
politisch und praktisch betrieben wer-
unrealistisch unterstelltes Selbststän-
den.
digkeits- und Selbstbestimmungspoten-
Sicherlich ist das Gemeinwesen, die Ge- tial. Sie können Gesundheitsgefähr-
meinde oder der Sozialraum darauf hin zu dung, Isolation und Kriminalisierung
untersuchen, ob und in welchem Umfang zur Folge haben.
dort bereits vergleichbare Prozesse der In-
Gelegentlich ist noch die Meinung vorherr-
klusion statt finden oder statt gefunden
schend, dass Leben in der Gemeinde oh-
haben z.B. hinsichtlich anderer marginali-
ne Institution nur den sogenannten „fitten“
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vorbehalten ist. Das Dezentralisierungs- Auf der Seite der Gemeinwesen bedeutet
programm unserer Einrichtung ist davon dieses die Bereitschaft, sich den neuen
lange Zeit gekennzeichnet gewesen, auch Teilnehmern und ihren Wünschen nach
wenn von Anfang an mutige Mitarbeitende Teilnahme zu öffnen.
mit schwerst und mehrfach behinderten Es wird so allmählich deutlich, dass hier
Menschen ausgezogen sind. Leben in der eine neue Art der Assistenz gebraucht
Gemeinde muss auch ihnen möglich sein, wird, die wir gelegentlich als „Brückenbau-
auf die Assistenz kommt es an. erfunktion“ beschreiben. Der Brückenbau-
Leben in der Gemeinde ohne Institution er verbindet zwei Ufer miteinander, damit
darf nicht verwechselt werden mit Leben Menschen leichter zueinander kommen
ohne Assistenz oder selbständig leben. können.
Gerade bei den sogenannten leichter be-
hinderten Menschen besteht die Gefahr ̈ Verpflichtung der Öffnung aller öffent-
der Überschätzung, Verwahrlosung kann licher Räume und Angebote für Men-
die Folge sein. Dieses Bild ist der Teil- schen mit Behinderungen
nahme am Leben in der Gesellschaft nicht Leben ohne Institution bedeutet zwar Le-
zuträglich. ben ohne die spezifische institutionelle
Unterstützung oder Betreuung, es bedeu-
̈ Aufklärung der Gesellschaft über die tet nicht der Verzicht auf Unterstützung
Grenzen der Teilhabe behinderter Men- überhaupt. Anstelle der spezifischen insti-
schen allein durch Sozialhilfe finanzier- tutionellen Unterstützung tritt die Nutzung
ter Unterstützungsformen der allgemeinen Dienste und Einrichtun-
An dieser Aufklärungsaufgabe sind einige gen des Gemeinwesens, wie wir alle das
Dinge fest zu machen. Die derzeitigen von tun.
der Sozialhilfe finanzierten Unterstüt- Dies hat zweierlei Implikationen: Erstens
zungsformen zur Eingliederung sind weit- sind die Menschen mit Lernschwierigkeiten
gehend noch institutionsgebunden. Der darauf nicht vorbereitet und darin nicht ge-
weit überwiegende Teil ist zudem dem übt, aber zweitens sind auch die allgemei-
stationären Setting gewidmet. nen Dienste und Einrichtungen darauf
Volle Teilhabe am gesellschaftlichen Le- nicht vorbereitet. Die Forderung nach Öff-
ben in der Gemeinde muss zwangsläufig nung aller öffentlicher Räume und Ange-
andere Prioritäten setzen. Sie nimmt den bote für Menschen mit Behinderung ist da-
Ausgangspunkt zwar in einer genauen Klä- her zu ergänzen mit dem Angebot der
rung von dem, wie jemand leben will und flankierenden Unterstützung durch die
was sie oder er dazu braucht, aber bezieht professionellen Unterstützer. Hier wird die
das örtliche Gemeinwesen und seine Mit- Funktion des Brückenbauers erneut kon-
glieder ausdrücklich ein in die Verwirkli- kret.
chung dieser Vorstellungen. Ein Beispiel macht deutlich worum es geht.
Die dezentrale Ansiedlung von Wohnan- Eine ältere Bewohnerin eines dezentralen
geboten in den Gemeinwesen beinhaltet Wohnhauses in Hamburg Nord ist bekannt
für sich genommen noch keineswegs Teil- wegen ihrer Vorliebe für Handarbeiten. Die
nahme am Leben im Gemeinwesen. Dazu Kirchengemeinde, in der sie lebt, bietet
braucht es über dieses Wohnen hinausge- einmal die Woche für Senioren einen
hende Kontakte zu Einrichtungen, Perso- Handwerksnachmittag an. Die Gruppe hat
nen u.ä. im Gemeinwesen. Dieses geht aber keinerlei Erfahrung im Umgang mit
schon deswegen nicht von alleine, weil Menschen mit Lernschwierigkeiten. Wie
Menschen mit Lernschwierigkeiten oft lan- kommen nun beide Seiten zusammen?
ge Zeit in den Institutionen verbracht ha- Hier ist die Aktivität einer Mitarbeiterin hilf-
ben und mit dieser nicht gewohnten, offe- reich gewesen, die beide Seiten kennt,
neren Lebensweise nicht vertraut sind. In sowohl die Dame mit ihren Neigungen und
der Regel werden sie dazu individuell an- Vorlieben als auch das Angebot der Senio-
gemessene Assistenz und Begleitung rengruppe und ihre Leiterin.
brauchen, damit Kontakte geknüpft werden Nach Vorgesprächen mit der Gruppe und
und die Nutzung der allgemeinen Einrich- ihrer Leiterin hat sie die Dame bei ihrem
tungen im Gemeinwesen stattfinden kann..
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ersten Besuch in der Gruppe begleitet und rigkeiten sind Menschen mit Rechten und
dafür gesorgt, dass die Hemmschwellen Möglichkeiten, die ihren Beitrag in der Ge-
abgebaut werden. Bei der Gelegenheit war sellschaft einbringen können. Dass sie da-
ihr deutlich geworden, wie traditionell noch zu Unterstützung benötigen, ist eine
die Vorstellungen von Menschen mit Lern- Selbstverständlichkeit, die dennoch immer
schwierigkeiten als hilflose Wesen in die- wieder gesagt werden muss, genauso,
ser Gruppe (und sicherlich nicht nur dort) dass diese Unterstützung Geld benötigt.
sind. Die Leiterin hat ihre bevormundende Dies hat mit herkömmlicher Darstellung
Vorgehensweise so ausgelebt, dass die von Menschen mit Behinderung als mit-
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des leidwürdigen Geschöpfen nichts mehr zu
Wohndienstes sich bereits überlegten, die tun. Die öffentliche Diskussion darf daher
ältere Dame von der Teilnahme abzumel- nicht den sozialen Einrichtungen überlas-
den, da sie kontraproduktive Wirkungen für sen werden.
ihr sonst auf „Selbstbestimmung“ ausge- Während der anschließenden Diskussion
richtete Assistenzleistungen befürchteten. anlässlich eines Vortrages über Commu-
Hier brauchte es erneut die intensive Ver- nity Care an der Fachhochschule für Sozi-
mittlung besagter Mitarbeiterin, damit die alpädagogik in Hamburg wurde vom Fach-
Teilnahme an diesem Seniorenangebot bereichsleiter die lapidare Feststellung in
der Kirchengemeinde weitergeht. den Raum gesetzt, dass also nun auch
Dies ist ein relativ harmloses Beispiel, wel- noch die geistig gehinderten Menschen die
ches aber gleichwohl die vielen Facetten Ressourcen des Gemeinwesens anzapfen
des Geschehens deutlich macht. U.a. ist würden. Ob dies nun ernst gemeint war
aus der intensiven Diskussion dieses Vor- oder in Spaß gesagt wurde, sei dahin ge-
ganges die Idee geboren, von Alsterdorf stellt. Es kann aus der Sicht einer inklusi-
aus die Kirchengemeinden aufzusuchen ven Betrachtungsweise nicht die Frage
und mit den Pastorinnen und Pastoren und sein, ob nun auch Menschen mit Lern-
den Gemeindevorständen, in deren Ge- schwierigkeiten teilhaben dürfen oder kön-
meinden Menschen mit Lernschwierigkei- nen. Es darf auch nicht von der professio-
ten aus Alsterdorf leben, das Gespräch zu nellen Präferenz abhängig sein, wer wohl
suchen und die neue Behindertenhilfe be- und wer nicht teilhat.
kannt zu machen. Dabei wird die Frage ei- Alle sind Bürger mit gleichen Rechten und
ne große Rolle spielen, die wir hier disku- Pflichten und haben gleiche Rechte auf
tieren: Was muss passieren, damit Men- Teilhabe. Dies ist die Botschaft der neuen
schen mit Lernschwierigkeiten teilnehmen Bewusstseinsbildung.
können in den Kirchengemeinden. Auch
unter den Pastoren gibt es einige, die mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten im
Gottesdienst ihre Schwierigkeiten haben.
Andere wiederum stehen offen und freuen Ergebnisse des Workshops 1
sich über die neuen Gemeindemitglieder. in Kurzfassung
̈ Öffentliche Diskussion über Inklusion
und Exklusion als Ausdruck von ge- I. Erwartungen der Teilnehmerinnen,
sellschaftlicher Wirklichkeit und nicht die sie an diesen Workshop stellen:
als Fantasielosigkeit der in der Gesell- ̇ Suche nach Perspektiven für Menschen in
schaft zuständigen Institutionen des der Einrichtung
sozialen Bereiches. ̇ Möglichkeiten, wie schwerbehinderte Men-
Die öffentliche Diskussion über Inklusion schen ambulant betreut werden können
und Exklusion muss stattfinden. Sie findet ̇ Vernetzung in der Region
bei uns in Deutschland ungenügend statt.
Noch vielmehr als bisher muss über die ̇ Problem mit Gemeinden bei/ durch De-
Medien Meinungsbildung betrieben wer- zentralisierung
den. ̇ „Ich konnte es mir gar nicht vorstellen“
Die Leitlinien dieser neuen Meinungsbil- ̇ „Was können wir tun für die Integration in
dung sind klar: Menschen mit Lernschwie- der Gemeinde?“
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„Autonom Leben“
„People first“
Hamburger Arbeitsassistenz“ DHG Tagung: Leben ohne Institution
Stadthaushotel
usw.
Was wäre für eine Verschiebung von
Einfluss und Kontrolle nötig ?
Persönliche Zukunftsplanung
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ZEITSCHIENE 1945-60ER JAHRE, PUNK- 60er- bis in die 90er Jahre ab ca. Mitte der 90er Jahre
TUELL AUCH HEUTE NOCH
Quelle: ULRICH NIEHOFF: Selbstbestimmung, Assistenz, Begleitung. Professionelles Handeln unter neuen Para-
digmen. In: DEUTSCHE HEILPÄDAGOGISCHE GESELLSCHAFT (Hg.): Hilfe nach Maß ?! DHG-Schriften Nr. 6:
Mainz/Düren 2001, S. 11
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Community Care -
ein Weiterbildungsangebot der Fachschule für Heilerziehung
Inhalt: Mit der Diskussion um einen Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe verändert sich auch die gesell-
schaftliche Stellung des Menschen mit Assistenzbedarf. Eine Neuorientierung unter dem Aspekt „Selbstbestim-
mung“ prägt zunehmend die Unterstützung bzw. Assistenz in der Behindertenhilfe.
Der Mensch mit Assistenzbedarf und seine Wünsche stehen im Vordergrund, nicht die „Behinderung“. Die gesell-
schaftliche Einbindung (Community Care) und der gesetzliche Rahmen (§ 93 BSHG / SGB IX) bestimmen die
praktische Umsetzung der Autonomie maßgeblich.
Durch das Kennenlernen der gegebenen Rahmenbedingungen und Konzepte können Überlegungen zu einer
Veränderung seitens aller Beteiligten erarbeitet werden.
̇ Was verbirgt sich hinter Community Care ?
̇ Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten braucht ein Mitarbeiter ?
̇ Welche Rolle spielt das Entwicklungsniveau für die Autonomie eines Menschen ?
Die Teilnehmer müssen ihr Verständnis von professioneller Begleitung in Bezug auf die Autonomiewünsche des
Menschen mit Assistenzbedarf und ihr Bild von einer Behinderung im Kontext dieser gesellschaftlichen Verände-
rungen neu reflektieren.
Um einen hohen Praxisbezug zu gewährleisten wird jede/r TeilnehmerIn anhand eines subjektzentrierten Instru-
mentes (hier: Persönliche Zukunftsplanung nach Stefan Doose) eine Annäherung an die Wünsche einer Person
mit Assistenzbedarf erstellen. Außerdem wird jede Blockwoche durch Menschen mit Assistenzbedarf unterstützt
und durch Kolloquien „Vor Ort“ evaluiert.
Termine : Die Weiterbildung findet in vier Blockwochen (Montag bis Freitag von 9.00 bis 16.00 Uhr) statt.
Insgesamt 132 Stunden
Preis : 750,- Euro incl. Arbeitsmaterialien und Imbiss
Leitung : Kai – Uwe Schablon und Usula Riebeling (Fachschule für Heilerziehung)
Gastreferenten: Pastor Rolf Baumbach (Ev. Stiftung Alsterdorf)
(angefragt) Stefan Doose ( Persönliche Zukunftsplanung)
Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner
Doris Haacke ( People first)
Thomas Hoffmann (Uni Reutlingen)
Karl- Ulrich Iden ( Schlumper Maler)
Prof. Evemarie Knust –Potter (FH Dotmund)
Theodorus Maas ( Ev. Stiftung Alsterdorf)
Rüdiger Pohlmann ( Leben mit Behinderung)
Klaus Schubert ( WfB MA & Lebenskünstler)
Udo Sierck ( Mitinitiator „Krüppelbewegung“)
Gabriele Splinter ( Fachschule für Heilerziehung)
Michael Tüllmann (Stiftung Rauhes Haus)
Gert Westphal ( Dipl. Psychologe / Supervisor)
Prof. Dr. Andre Zimpel (Uni Hamburg)
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Was braucht ein Mitarbeiter bei Community Care ? (Schaubild: KAI-UWE SCHABLON)
U mich persönlich ?
Wohnfelderkundung
Soziale Karte : Nicht „für“ nur „mit“ dem
N Netzwerk aufbauen, ( allgemein + Klienten. („face to face“)
pflegen u. nutzen persönlich )
G Professionelles Coaching Lebensweltanalyse Ratschläge so anbieten, dass der
Praktische Sozialarbeit ( vermitteln, Nutzer eine wirkliche Auswahl hat
E Evaluation / Zertifikat verhandeln, Konflikte handhaben
Subjektlogik rekonstruieren. (Biografie-
N Überleitung zu einem arbeit, biologischer Aspekt,
„ berufsmäßigen“ Coach für Innenbeobachter...)
den MA CC. ( extern )
Kontextbezogene Andragogik.
Bezug zum Nutzer/ zur Situation/ Kultur /
- 72 - Politik / Kulturgut
Veränderungen durch Community Care (Schaubild: KAI-UWE SCHABLON)
Enthinderungsandragogik Generalist
• Normalisierungsprinzip
(Pädagogik, die Kennzeichen der
Erwachsenenbildung benutzt und Behinderung
minimiert Fähigkeiten eines Fähigkeiten eines
Moderators Unternehmers • Erwachsenenbildung
Partizipation Zuerst : Hilfe
durch das eigene Erwachenenbildner Kein "Norm-Päd."
(Ziel : Teilhabe)
soziale Netzwerk
• Integrationsgedanke
Kommunalpolitiker Drittmittelakquisiteur
Kompetenz, Willensäuße-
1 Nutzer rungen von Nutzern
Zeit Beschwerde-
für Kommunikation management
Information
Kommunikation
Betreuer Institution
2 Nutzer
̇ Assistenzkonzept
̇ Rechte Behinderter ge- ̇ nutzerorientierte
stärkt, z.B. HeimGesetz Dienstplanung
̇ Angehörige, gesetzliche ̇ Planung gemeinsamer
Betreuer mit einbeziehen Ressourcen
̇ systemisches Denken ̇ Persönliches Budget
̇ Perspektiven entwickeln ̇ Personalführung
mit Mitarbeitern
̇ Individueller Blick
Betreuer Institution
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3
Nutzer
persönliches Budget
unabhängige Unterstützung
Assistenzplanung
als Vertrag
Betreuer Institution
Freiräume
Fehler akzeptieren
Mut machen
Betreuer Institution
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Spätschicht) nicht mehr als 7 Tage be- ̈ Schichtlänge: Die tägliche Arbeitszeit
tragen. von 8 Stunden sollte auf keinen Fall
überschritten werden.
̈ Für den Nachtdienst sollten noch kürze-
re Phasen von 1-3 Tagen geplant wer- ̈ Einhaltung von Pausenzeiten: Geregelte
den. Dem Nachtdienst sollte grundsätz- Pausen sollten auch außerhalb des Ar-
lich eine zusammenhängende Freizeit beitsbereiches ermöglicht werden.
von mindestens 24 Stunden folgen.
̈ Freizeitausgleich für Überstunden:
̈ Schichtfolge: Das Wechseln von einer Überstunden sollten generell begrenzt
Schicht zur anderen sollte vorwärts er- werden und grundsätzlich durch Freizeit
folgen (Früh-, Spät-, Nachtschicht), da ausgeglichen werden.
auf diese Weise zwischen den Schich-
ten längere Freizeitperioden möglich
sind. Der sog. Schaukeldienst ist daher
abzulehnen. ̈ Die Erhebung der lst-Situation
̈ Zusammenhängende Freizeit: Freie Kontrolle der Plausibilität
Tage sollten möglichst in größere Blöcke
zusammengefasst und geblockte Wo- Die vorliegende Checkliste soll zunächst dazu
chenendfreizeiten eingeplant werden. dienen, ob die Einrichtung eine moderate
Dienst-/ Einsatzplanung vorliegt. Das Vorliegen
Das freie Wochenende muß nicht immer
Samstag bis Sonntag frei bedeuten, je- von Dienstplänen wird künftig nicht nur von der
doch ist der Sonntag immer als freier Heimaufsicht geprüft, sondern auch vom Medi-
Tag zu berücksichtigen: Auf individuel- zinischen Dienst der Pflegekassen auf Plausi-
len Wunsch können auch Sonntag und bilität überprüft.
Montag oder Freitag bis Sonntag als
freie Tage geplant werden, um soziale
und familiäre Beziehungen zu fördern.
Selbstbewertung
Bewerten Sie Ihre Organisation bezüglich dieses Themas anhand folgender Fragen:
0= nicht erfüllt; 1= im Ansatz erfüllt; 2= teilweise erfüllt; 3= voll erfüllt
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Literaturhinweise
BIRKENFELD, RALF: ABC der Dienstplangestaltung. Arbeitszeitflexibilität und neue Arbeitszeitmodelle. Köln 1997
BRUSE, DETLEV: BAT und BAT-Ost - Bundesangestellentarfvertrag BAT. Kommentar für die Praxis. 2. überarb.
Auflage
BURR, DORIS: Qualitätsmanagement in der Altenpflege erfolgreich umsetzen. WEKA-Verlag, Kissing 1999
BÜRGERLICHES GESETZBUCH BGB. dtv, Nördlingen 1994
FIEDLER, MANFRED; SCHELTER, WOLFGANG: Arbeitszeitrecht für die Praxis. Das Arbeitszeitrechtsgesetz (ArbZRG).
Texte und Erläuterungen. Frankfurt/M. 1994
GOBERT, OTTO: Heimgesetz. Taschenkommentar Heimgesetz und zugehörige Verordnungen. 3. neubearb. und
erweiterte Auflage, Hannover 1997
KITTNER, MICHAEL: Arbeits- und Sozialordnung. Ausgewählte und eingeleitete Gesetzestexte. 19. Auflage, Köln
1994
̈ JOACHIM SCHOLZ
LEHRER FÜR PFLEGEBERUFE; PFLEGEMANAGEMENT
LUDWIGSTR. 22, 51643 GUMMERSBACH
WEBMASTER@JOACHIMSCHOLZ.DE
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̈ THEATER _____________________________________________________________________
DIE
GEHEIMNIS-
VOLLE
REISE
DES
GELBEN
KOFFERS
THEATERGRUPPE
„DAS FANTASTISCHE ECHO“
WOHNHAUS FOHLENWEG
LEBENSHILFE HALLE
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̈ THEATER _____________________________________________________________________
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̈ ZUM ABSCHLUSS ________________________________________________________________
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auch in Einrichtungen der Behin- on Betreutes Wohnen für Menschen mit geisti-
dertenhilfe, um ökonomisch begrün- ger Behinderung in Hessen vor.
dete Verlegungen in Pflegeheime zu
stoppen
Die Chance: Verstärkung personenbezoge-
8. Feststellung der Fehlplatzierung von
ner Hilfen außerhalb von Heimen
behinderten Menschen in Alten- und
Pflegeheimen als Aufgabe der Hei- Das neue SGB IX eröffnet für Menschen mit
maufsicht Behinderung in vielen Bereichen neue Per-
9. Wiedereingliederung der als ‚Pfle- spektiven. Erklärtes Ziel ist die Förderung ei-
gefälle‘ deklarierten behinderten nes selbstbestimmten Lebens und die gleich-
Pflegeheimbewohner in Wohnange- berechtigte Teilhabe am Leben der Gesell-
boten der Behindertenhilfe schaft für alle Menschen mit Behinderungen.
10. Erprobung personenbezogener Hil- Im SGB IX stärker verankert werden auch
fen außerhalb von Heimstrukturen personenbezogene Hilfen außerhalb von
für Menschen mit geistiger Behinde- Heimstrukturen, z.B. Assistenzdienste, Per-
rung und hohem Hilfebedarf (z. B. sönliches Budget und ausdrücklich auch „Hil-
Assistenzdienste, Persönliches fen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten
Budget, ambulant betreutes Woh- Wohnmöglichkeiten“ (SGB IX, §55 Abs.2).
nen) Die DEUTSCHE HEILPÄDAGOGISCHE GE-
11. Erweiterung ambulanter regionaler SELLSCHAFT unterstützt ausdrücklich solche
Hilfesysteme mit der Zielperspektive Bemühungen zur Erweiterung eines selbstbe-
‚Community Care’ (‚Sorge-Mix‘) oh- stimmten Lebens, personenbezogener Hilfen
ne zusätzliche Belastung der Her- und der Teilhabe am Leben der Gesellschaft
kunftsfamilien. für Menschen mit Behinderungen, fordert aber
Das Recht auf selbstbestimmte Lebensgestal- nachdrücklich den Einbezug geistig behinder-
tung und Teilnahme am Leben der Gesell- ter Menschen auch mit hohem Hilfebedarf7.
schaft ist unteilbar. Es gilt für alle Menschen, Nicht nur in der Selbsthilfebewegung, auch in
unabhängig von Art und Schweregrad der der Fachdiskussion8 werden verstärkt Selbst-
Behinderung. bestimmung und Assistenz als handlungslei-
tend in der Behindertenhilfe angemahnt. Ein-
gefordert wird ein Umbau des in mehr oder
weniger großen Heimen und Wohngruppen
organisierten Hilfesystems in Richtung indivi-
Ambulant Betreutes Wohnen –
dueller Hilfearrangements. Wegweisend als
Chancen und Risiken Leitziel der Behindertenhilfe ist geworden: Von
der Betreuung zur Assistenz.9 Selbstbestimmt
Unter dem wachsenden Druck der kritischen
Haushaltslage von Kommunen bzw. über- 7
DHG: Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben
kommunaler Verbände als Kostenträger der
in der Gesellschaft – auch für Menschen mit ho-
Behindertenhilfe und gleichzeitig steigender hem Hilfebedarf. Positionspapier vom März 2002
Kosten der teil- und vollstätionären Behinder- 8
vgl. Tagungsberichte der DHG: Individuelle Hilfe-
tenhilfe wird zur Zeit in verschiedenen Bun- planung, Bonn/Düren 2000. Hilfe nach Maß?!
desländern ein deutlicher Ausbau des Betreu- Hilfebedarf, Individuelle Hilfeplanung, Assistenz,
ten Wohnens gefordert. Auch der Landes- Persönliches Budget, Mainz / Düren 2001. Einig-
wohlfahrtsverband Hessen (LWV) beabsichtigt keit und Recht und Gleichheit? Neue Weichen-
„eine Weiterentwicklung, einen Umbau des stellungen in der Behindertenhilfe, Berlin / Düren
Systems aus fachlichen und finanziellen Grün- 2002. Außerdem DHG (Hg.): Individuelle Hilfepla-
nung. Anforderungen an die Behindertenhilfe.
den“6 und stellte im November 2001 im Rah-
Hamburg/ Düren 2002
men einer Fachtagung unter dem Motto „Woh- 9
DHG (Hg.): Persönliche Assistenz – assistierende
nen im Verbund“ seine konzeptionellen Über-
Begleitung. Veränderungsanforderungen für die
legungen zur Weiterentwicklung der Konzepti- professionelle Betreuung und für Einrichtungen der
Behindertenhilfe. Von Erik Weber, Köln/ Düren
2002. Vgl. auch Verein für Behindertenhilfe e.V.
6
LWV Hessen: Wohnen im Verbund. Konzeption. (2000): Von der Betreuung zur Assistenz. Profes-
Kassel, November 2001 (S.2) sionelles Handeln unter der Leitlinie der
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̈ ZUM ABSCHLUSS ________________________________________________________________
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̈ ZUM ABSCHLUSS ________________________________________________________________
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FACHTAGUNG AM 28./29. NOV. 2002 IN HALLE / SAALE
LEBEN OHNE INSTITUTION ?
PERSPEKTIVEN FÜR DAS WOHNEN
GEISTIG BEHINDERTER MENSCHEN MIT HOHEM DHG-Geschäftsstelle
HILFEBEDARF Heilpädagogisches Heim Düren
Meckerstr. 15, 52353 Düren
* 02421 - 40-2228
* 0172 - 2038918 (Bradl)
Fax: 02421 - 402286
eMail: mail@dhg-kontakt.de
Internet: www.dhg-kontakt.de
PRESSEMITTEILUNG
Leben ohne Institution? - Mit diesem provozierenden Titel hat die Deutsche Heilpädago-
gische Gesellschaft (DHG) zu einer Fachtagung über Perspektiven für das Wohnen geistig
behinderter Menschen mit hohem Hilfebedarf nach Halle eingeladen. Zwei Tage lang disku-
tieren rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen Bundesländern über
neue Wege in der Behindertenhilfe, die der Zielsetzung des neuen Sozialgesetzbuches IX
(SGB IX) Rechnung tragen.
Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Menschen mit schwerer Behinderung mehr Selbstbe-
stimmung in ihrem Alltag erlangen können. Dazu gehören
̈ ein verändertes Selbstverständnis von Fachkräften (Assistenz statt Betreuung)
̈ mehr Mitwirkungsmöglichkeiten im Heim (Heimgesetznovelle)
̈ personenbezogene Hilfen, d.h. Ausbau ambulanter Dienste und Veränderung veral-
teter Heimstrukturen
̈ Gemeinwesenarbeit im Sinne von ‚Community Care’.
Dies soll eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Le-
bensbereichen sichern. Besondere Beachtung findet die gesellschaftliche Einbeziehung von
geistig behinderten Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten, die teilweise jahrzehntelang in
Psychiatrischen Kliniken fehlplatziert waren.
Wichtige Impulse für die Weiterentwicklung geben behinderte Menschen, die auf der Ta-
gung über ihre Erfahrungen im Wohnalltag und ihre Wünsche für die Zukunft berichten. Auch
Eltern von behinderten Söhnen und Töchtern sind in die Diskussion einbezogen. Sie haben
Gelegenheit zum Austausch mit Fachleuten über gegenseitige Erwartungen sowie Chancen
und Probleme der Zusammenarbeit.
Sehr besorgt sind die behinderten Menschen, Angehörigen und Fachleute, dass die be-
drohliche Finanzlage vieler Kommunen und Sozialbehörden besonders zu Lasten der
schwerst.- und mehrfach behinderten Menschen geht.
Die Tagung findet statt in Kooperation mit dem Landesverband Sachsen-Anhalt der „Le-
benshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V.“ und dem Institut für Rehabilitation-
spädagogik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Prof. Dr. Georg Theunissen).
Düren / Halle, den 26.11.2002
Dr. Christian Bradl, Vorsitzender DHG
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Dr. Christian Bradl, Kerpen (Vorsitzender), Dr. Monika Seifert, Berlin und Carsten Krüger, Berlin (stv. Vorsitzende)
Lothar Hildebrandt, Waldfischbach (Schriftführung); Walter Horstmann, Kassel (Kassenführung)
Antje Koepp, Hönow und Ulrich Niehoff, Herborn (Beisitz)