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Eine Vielzahl von Strafverfahren wird heute mittels Diversion beendet. Wenn ein Betroffener
ein derartiges Angebot erhält, sollte er Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen.
Die Diversion ist die Möglichkeit der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts (→ BMJ), bei
hinreichend geklärtem Sachverhalt auf die Durchführung eines förmlichen Strafverfahrens
zu verzichten. Der Beschuldigte bzw. der Angeklagte bekommt im Fall der Diversion das
Angebot, sich einer belastenden Maßnahme zu unterwerfen (z.B. gemeinnützige Arbeit).
Hinweis
Die Diversion wurde im Jahr 2000 auch für das Erwachsenenstrafrecht eingeführt – bis zu
diesem Zeitpunkt fand sie ausschließlich im Jugendstrafrecht Verwendung.
Die Verhängung einer Geld- oder Freiheitsstrafe ist somit nicht mehr die einzig mögliche
Reaktion des Staates auf eine geklärte Straftat. Dank der Diversion muss die
Staatsanwaltschaft zwar weiterhin jedem Verdacht der Begehung eines Offizialdeliktes
nachgehen, aber nicht mehr jeden Beschuldigten anklagen.
Wenn ein Strafverfahren mittels Diversion beendet wird, erfolgt kein Schuldspruch und
keine formelle Verurteilung. Es erfolgt auch keine Eintragung im Strafregister, allerdings
wird die Diversion justizintern für zehn Jahre gespeichert.
Achtung
In bestimmten Fällen kann es für den Betroffenen dennoch günstiger sein, die Diversion
abzulehnen. Dies sollte unbedingt mit einem Rechtsanwalt besprochen werden.
Ein Verzeichnis aller österreichischen Rechtsanwälte findet sich auf der Seite des
Österreichischen Rechtsanwaltskammertages.
Offizialdelikt
Bei der Straftat muss es sich um ein Offizialdelikt handeln. Offizialdelikte sind
Delikte, die von Amts wegen verfolgt werden, wie z.B. Körperverletzung oder
Diebstahl.
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Hinreichend geklärter Sachverhalt
Der Ermittlungsstand in der Sache muss zur Erhebung der Anklage ausreichen, das
heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte aufgrund der Beweislage
verurteilt werden würde, muss hoch sein. Ein Geständnis ist zwar nicht erforderlich,
allerdings muss der Beschuldigte zumindest eingeschränkt die Verantwortung für die
Tat übernehmen.
Keine schwere Straftat
Die Diversion ist nur bei Straftaten zulässig, die mit einer maximalen Höchststrafe
von fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Bei Sexualstraftaten ist eine Diversion
hingegen nur dann möglich, wenn die Tat mit maximal drei Jahren Freiheitsstrafe
bedroht ist. Eine solche "höchstzuglässige" Strafdrohung bzw. Einschränkung gilt
nach dem Jugendstrafrecht nicht.
Kein Tod eines Menschen
Durch die Tat darf nicht der Tod eines Menschen verursacht worden sein. Es gibt
allerdings eine Ausnahme: Wenn ein Angehöriger des Beschuldigten fahrlässig
getötet wurde und der Tod des Angehörigen beim Beschuldigten zu einer schweren
psychischen Belastung führt, wegen der eine Bestrafung nicht angebracht ist, ist eine
Diversion möglich.
Keine schwere Schuld
Die persönliche Schuld des Beschuldigten und seine Einstellung gegenüber
gesellschaftlichen Werten beeinflusst die Entscheidung, ob eine Diversion angeboten
wird oder nicht. Auch das Verhalten nach der Tat wird beurteilt. Wenn der
Beschuldigte sich um Wiedergutmachung bemüht, reduziert sich der Schuldvorwurf
und die Chancen auf die Durchführung einer Diversion erhöhen sich.
Fehlende präventive Bedenken
Eine Beendigung von Strafverfahren durch Diversion kann unter den oben genannten
Voraussetzungen erfolgen, wenn eine gerichtliche Strafe nicht notwendig ist, um
den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten oder um
Nachahmungstätern entgegen zu wirken.
Einwilligung
Der Beschuldigte muss sich mit der Diversion einverstanden erklären und die Folgen
akzeptieren.
Hinweis
Auf Vorschlag der Staatsanwaltschaft können die vom Verein Neustart in den
Landeshauptstädten geführten Einrichtungen im Einzelfall klären, welche diversionellen
Maßnahmen geeignet wären.
Die Staatsanwaltschaft teilt dem Beschuldigten mit, dass die Erledigung eines
Strafverfahrens gegen ihn wegen einer bestimmten strafbaren Handlung mittels Diversion
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geplant ist. Sie informiert dabei über die Möglichkeit, von der Verfolgung der Strafe
zurückzutreten (also das Strafverfahren nicht durchzuführen), wenn der Beschuldigte eine
vom Staatsanwalt vorgeschlagene Diversionsform annimmt und gegebenenfalls
Schadenswiedergutmachung in bestimmter Höhe leistet.
Dabei muss der Beschuldigte genau über die Diversion und die Rechtsfolgen wie
beispielsweise die justizinterne Registrierung der Diversion belehrt werden. Er muss sich
insbesondere darüber im Klaren sein, dass er mit der Annahme der Diversion gleichzeitig
auch die Verantwortung der Tat übernimmt. Dies kann in einem Spannungsverhältnis zum
eigenen Empfinden stehen und sollte daher gut überlegt sein. Auch die Folgen bei
Nichterfüllung der Diversionsauflagen wie etwa die Fortsetzung des Verfahrens, werden im
Rahmen der Belehrung erläutert.
Die Diversion kann bis zur Anklageerhebung von der Staatsanwaltschaft angeboten
werden. Gelingt die Diversionsmaßnahme, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der
Straftat zurück. Ab dem Zeitpunkt der Anklageerhebung bis zum Ende der
Hauptverhandlung ist das Gericht für die Einleitung von Diversionsmaßnahmen zuständig.
Das Gericht stellt den Strafprozess bei Gelingen der Diversion durch Beschluss ein.
Entscheidet das Gericht trotz Vorliegen der Voraussetzungen eine Diversion nicht
durchzuführen, kann der Beschuldigte dagegen mit Rechtsmittel vorgehen.
Hinweis
Auch der Beschuldigte selbst kann die Erledigung des Strafverfahrens mittels Diversion
anregen.
Wird ein Strafverfahren mittels Diversion beendet, endet es ohne Urteil. Der Beschuldigte
wird nicht rechtskräftig verurteilt, sondern bleibt formell unbescholten. Allerdings wird die
Diversion registriert und scheint bei einer nur justizintern zur Verfügung stehenden
Namensabfrage 10 Jahre lang auf. Im Strafregister scheint die Diversion nicht auf.
Ist die Diversion nicht erfolgreich, kann der Staatsanwalt die Fortsetzung des
Strafverfahrens beantragen.
Dies ist möglich, wenn
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Diversionsmaßnahmen
Folgende Maßnahmen können im Rahmen der Diversion angeordnet werden:
Hinweis
Es empfiehlt sich, aufgrund der je nach Lage des Falles weitreichenden rechtlichen Folgen
einer solchen Ausgleichsvereinbarung vor Abschluss einen Rechtsanwalt zu konsultieren.
Eine wichtige Rolle im Tatausgleich stellt das Opfer der Tat dar. Das Opfer muss bereit sein,
am Tatausgleich teilzunehmen. Das Zustandekommen des Tatausgleichs hängt in der Regel
von der Zustimmung des Opfers ab. Ist der Täter zum Tatzeitpunkt noch nicht 21 Jahre alt,
so ist die Zustimmung des Opfers nicht notwendig.
Der Staatsanwalt wird vom Sozialarbeiter, dem sogenannten Konfliktregler, über die
Ausgleichsvereinbarungen und die Ergebnisse informiert.
Gemeinnützige Leistungen dürfen täglich nicht mehr als acht Stunden, wöchentlich nicht
mehr als 40 Stunden und insgesamt nicht mehr als 240 Stunden in Anspruch nehmen. Auf
eine gleichzeitige Aus- und Fortbildung oder eine Berufstätigkeit des Beschuldigten muss
dabei Rücksicht genommen werden. Auch in diesem Fall sollte jedoch zusätzlich die
Wiedergutmachung des beim Opfer entstandenen Schadens angestrebt werden.
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Gemeinnützige Leistungen von Personen unter 18 Jahren dürfen täglich nicht mehr als sechs
Stunden, wöchentlich nicht mehr als 20 Stunden und insgesamt nicht mehr als 120 Stunden
in Anspruch nehmen.
Soweit es möglich und zweckmäßig ist, ist der vorläufige Rücktritt von der Verfolgung auch
davon abhängig zu machen, dass sich der Beschuldigte ausdrücklich bereit erklärt, während
der Probezeit bestimmte Pflichten zu erfüllen (z.B. eine Entziehungskur durchzuführen) und
sich von einem Bewährungshelfer betreuen zu lassen. Auch sollte der Täter sich bemühen,
den beim Opfer entstandenen Schaden wiedergutzumachen.
Soweit dies möglich und zweckmäßig ist, sollte der Rücktritt von der Strafverfolgung nach
Zahlung eines Geldbetrages zusätzlich auch davon abhängig gemacht werden, dass der
Beschuldigte den durch die Tat beim Opfer entstandenen Schaden wiedergutmacht.
Hinweis
Die Kosten einer diversionellen Geldbuße sind oft höher als es eine Geldstrafe und die zu
ersetzenden Kosten im Gerichtsverfahren wären. Auch die Wiedergutmachung des Schadens
kann hohe Kosten verursachen.
Quelle: https://www.oesterreich.gv.at/themen/dokumente_und_recht/strafrecht/4/
Seite.2460602.html, Abfragedatum: 1.3.2023