Sie sind auf Seite 1von 77

Mikrobiologie

KSZ, GREGOR ACHLEITNER


SCHWERPUNKTFACH BIOLOGIE UND CHEMIE, 4. KLASSE

SCHULJAHR 2022/2023



1 Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen 1

2 Die historischen Wurzeln der Mikrobiologie 12

3 Anreicherung von Mikroorganismen 15

4 Bau der prokaryotischen Zelle 17

5 Grampositive und Gramnegative Zellen 23

6 Sporenbildende Bakterien 34

7 Das Wachstum von Bakterien 42

8 Physikalische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums 51

9 Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums 55

10 Antibiotikaresistenzen 65

11 Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft 72

12 Bakteriell verursachte Infektionskrankheiten 75

13 Literatur 76


KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 1: Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen

1 Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen




1.1 Einleitung

Die meisten Menschen haben keine genaue Vorstellung von Mikroorganismen; sie verbinden mit ihnen zuerst
Krankheitserreger und damit ausschliesslich negative Gefühle.
Diese Einführung in Mikrobiologie stellt Mikroorganismen, wir behandeln hier vorwiegend die Bakterien (einfache
Pilze und eukaryotische Einzeller werden oft auch als Mikroorganismen bezeichnet, ebenso- jedoch fälschlicherweise-
Viren), als Lebewesen vor, mit ihrer langen Entwicklungsgeschichte, der bisher nur teilweise bekannten Vielfalt, ihrer
scheinbar einfachen Bauart und doch so wirkungsvollen Funktionsweise und der Lebens- und Ernährungsweise. Als
Schattenreich neben den sichtbaren Tieren und Pflanzen werden Mikroorganismen leicht übersehen, sie spielen
dennoch eine entscheidende Rolle in der Natur, besonders beim Kreislauf der Stoffe, aber auch als Symbionten von
höheren Lebewesen.
Der Mensch selbst ist ein von Mikroorganismen besiedelter Raum, besonders die Schleimhäute und der Darmtrakt.
Neuere Forschungsarbeiten zeigen Zusammenhänge zwischen Quantität und Qualität der Magen-Darm-Flora und dem
Auftreten und Verlauf diverser relevanter Krankheiten wie zum Beispiel Übergewicht, Diabetes und Parkinson auf
(Abschnitt 1.9). Für den Menschen haben Mikroorganismen eine grosse wirtschaftliche Bedeutung. Zum einen sind es
Nützlinge, die im Lebensmittelbereich unseren Alltag bereichern und in der Biotechnologie eine immer grössere Rolle
spielen. Zum andern sind Mikroorganismen aber auch als Schädlinge verantwortlich für die Zerstörung von
Materialien und als Krankheitserreger.



1.1.1 Warum sollte man sich mit Mikrobiologie beschäftigen? Tatsache 1: Ganz einfach, weil unser Leben
von Mikroorgansimen abhängt

















1.1.2 Warum sollte man sich mit Mikrobiologie beschäftigen? Tatsache 2: Mikrobiologie ist eine wichtige
Grundlagenwissenschaft







1.1.3 Warum sollte man sich mit Mikrobiologie beschäftigen? Tatsache 3: Mikrobiologie ist eine wichtige
angewandte Wissenschaft







Bevor wir weiterfahren, müssen wir kurz auf Viren zu sprechen kommen (Details zur Biologie von Viren folgen
später). Landläufige Meinung, „Viren sind doch auch so etwas wie Bakterien“ stimmt nämlich ganz und gar nicht. Vom
Zellbiologieblock her sind die wichtigsten Punkte bezüglich der Kennzeichen von Lebewesen (Abbildung 1.1)
hoffentlich noch präsent oder werden es nun wieder.

1
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 1: Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen

1.2 Viren sind keine Lebewesen, weil sie…



1.




2.




3.




4.





Abbildung 1.1: Kennzeichen des Lebens. Sechs Charakteristika zeichnen ein Lebewesen aus.




1.2.1 Aufgabe / Frage: Vielfalt von Viren

• Nenne und notiere an dieser Stelle Namen von dir bekannten Viren.
• Die Aufgabe wird dir leichter fallen, wenn du an bekannte Krankheiten denkst.



1.2.2 Antwort / Lösung

2
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 1: Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen

1.3 Evolution und die Verbreitung mikrobiellen Lebens



Mikroorganismen waren die ersten eigenständig existierenden Einheiten auf der Erde, die die Eigenschaften eines
lebendigen Systems aufwiesen (Abbildung 1.1). Wir werden sehen, dass einer bestimmten Gruppe von
Mikroorganismen, den so genannten Cyanobakterien, eine Schlüsselfunktion in der biologischen Evolution zukommt,
denn Sauerstoff (02) - ein Abfallprodukt ihres Metabolismus - bereitete den Planeten Erde für komplexere
Lebensformen vor.



1.3.1 Die ersten Zellen und der Beginn der biologischen Evolution

Wie entstanden Zellen? Waren die Zellen, so wie wir sie heute kennen, die ersten sich selbst replizierenden
Strukturen auf der Erde? Da alle Zellen ähnlich strukturiert sind, nimmt man an, dass alle Zellen von einer
gemeinsamen Vorfahrenzelle abstammen, dem ältesten universellen gemeinsamen Vorfahren (LUCA ,,last universal
common ancestor").
Nachdem die ersten Zellen aus nicht lebendigem Material hervorgegangen waren (siehe Zellbiologie, Kapitel 1), ein
Vorgang, der Hunderte von Millionen Jahren dauerte, gingen aus dem dann erfolgten Wachstum Zellpopulationen
hervor. Diese begannen mit anderen Populationen in mikrobiellen Gemeinschaften in Wechselwirkung zu treten. Die
Evolution selektierte nach Verbesserung und Diversifizierung dieser frühen Zellen, was zu den hoch komplexen und
unterschiedlichen Zellen führte, die wir heute antreffen.



1.3.2 Das Leben auf der Erde im Lauf von Milliarden von Jahren

Die Erde ist 4.6 Milliarden Jahre alt. Forschern liegen Beweise vor, dass Leben erstmals vor 3.8 bis 3.9 Milliarden
Jahren auftrat und diese Organismen waren ausschliesslich Mikroorganismen. Tatsächlich waren Mikroorganismen
die längste Zeit der Erdgeschichte die einzige Lebensform auf der Erde (Abbildung 1.2).

Allmählich, über ganz lange Zeitabschnitte hinweg,
traten komplexere Lebensformen auf. Welches waren
auf diesem langen Weg die Höhepunkte der Evolution?
Während der ersten ungefähr zwei Milliarden Jahre
war die Atmosphäre der Erde anoxisch. Es gab keinen
Sauerstoff (02), wohl aber Stickstoff (N2), Kohlendioxid
(C02) und einige wenige andere Gase.

Nur Mikroorganismen mit anaerobem Metabolismus
vermochten unter diesen Bedingungen zu überleben,
wozu viele verschiedene Zelltypen zählten. Dazu
gehörten Zellen, die Methan bilden, so genannte
Methanogene. Die Evolution fototropher
Mikroorganismen - Organismen, die ihre Energie aus
dem Sonnenlicht ziehen, also Fotosynthese betreiben -
entstanden eine Milliarde Jahre nach der Entstehung
der Erde. Die ersten Fototrophen waren recht einfache
Organismen, wie zum Beispiel die Purpurbakterien.

Cyanobakterien (oxygene oder Sauerstoff erzeugende
Fototrophe) gingen fast eine Milliarde Jahre später aus
anoxygenen Fototrophen hervor und leiteten den
Prozess ein, in dessen Verlauf die Atmosphäre mit
Sauerstoff angereichert wurde.

Schliesslich entwickelten sich in Folge des Anstiegs von
molekularem Sauerstoff in der Atmosphäre höhere
Organismen, die an Komplexität zunahmen und in den
Pflanzen und Tieren, die wir heute kennen, ihre
Krönung fanden.

Abbildung 1.2: Zeitlicher Verlauf der Entwicklung des Lebens auf der Erde und Ursprung der verschiedenen Zelldomänen.
(a) Vor ungefähr 3.8 Milliarden Jahren entstand zelluläres Leben auf der Erde. Mit den Cyanobakterien begann vor ungefähr 3
Milliarden Jahren langsam die Sauerstoffanreicherung auf der Erde, aber die heutige O2-Konzentration in der Atmosphäre wurde
erst vor 500-800 Millionen Jahren erreicht. (b) Die drei Domänen der zellulären Organismen sind Bacteria, Archaea und Eukarya.

3
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 1: Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen

1.4 Meilensteine in der Mikrobiologie



Die fünfzig Jahr von 1860 bis 1910 werden das klassische Zeitalter der Mikrobiologie genannt. Wichtige methodische
Grundlagen und neue wissenschaftliche Konzepte wurden erarbeitet. Es gelang die Identifizierung der Erreger
gefürchteter Ansteckungskrankheiten, die Gärungsprozesse wurden grundsätzlich verstanden, ja man entwickelte
sogar wirksame Impfungen gegen Infektionskrankheiten. Auch andere praktische Folgerungen und Anwendungen in
grosser Zahl ergaben sich (Tabelle 1.1).

Diese Aufbruchszeit der Biologie ist durch viele hervorragende
Persönlichkeiten geprägt, von denen Louis Pasteur (1822-1895)
und Robert Koch (1843-1910) (Abbildung 1.3) in der
Mikrobiologie am nachhaltigsten gewirkt haben.

Pasteur hatte als Chemiker vor allem technische Prozesse im Auge
und war massgeblich an der Entwicklung der Methoden der
Hitzesterilisation („Pasteurisieren") und der Desinfektion beteiligt.
Diese Verfahren hatten unmittelbare praktische und bleibende
Bedeutung. Für die Mikrobiologie waren keimfreie Medien die
wichtigste Voraussetzung für alles Weitere. Er konnte damit
überzeugend aufzeigen, dass es keine Urzeugung (Kapitel 2) gibt.
Eine Brühe bleibt nach Hitzebehandlung steril, während in
Kontrollversuchen die gewohnte Gärung oder Fäulnis einsetzt.
Seine Gegner hatten gefordert, dass Luft für die Urzeugung nötig
sei; also verwendete er Gefässe mit langen, gebogenen, dünnen
Hälsen, durch die Luft eindringen konnte ("Schwanenhalskolben"),
aber Keime aus der Luft abgehalten wurden.

Er erkannte, dass die Milchsäuregärung und die alkoholische
Gärung wie auch die Umwandlung von Wein zu Essig durch
Mikroorganismen verursacht wird. Gärung deutete er als "Leben
ohne Sauerstoff". Er leistete auch wesentliche Beiträge zur
Impfung gegen Ansteckungskrankheiten.



Der Beweis, dass Mikroorganismen Krankheiten verursachen
konnten, brachte den grössten Anstoss für die Entwicklung der
Mikrobiologie als eigenständige wissenschaftliche Disziplin der
Biologie. Bereits im 16. Jahrhundert vermutete man, dass «etwas»,
das eine Krankheit verursachte, von einem erkrankten Menschen
auf einen gesunden übertragen werden konnte. Nach der
Entdeckung der Mikroorganismen war man weithin der
Auffassung, dass diese Organismen dafür verantwortlich waren,
doch fehlte der endgültige Beweis. Entdeckungen auf dem Gebiet
der Hygiene durch Ignaz Semmelweis und Joseph Lister lieferten
indirekte Beweise für die Bedeutung der Mikroorganismen als
Krankheitserreger, aber erst durch die Arbeit des deutschen
Arztes Robert Koch wurde die Theorie der Infektionskrankheit
experimentell belegt.








Abbildung 1.3: Zwei bedeutende Mikrobiologen. Louis Pasteur (oben)
und Robert Koch (unten).



Der Engländer Edward Jenner (1749-1823) hatte bereits 1797 die wenig gefährlichen Kuhpocken zum Impfen von
Menschen gegen die gefürchteten echten Pocken verwendet. Er verwendete Lymphe aus den Pockenpusteln der Kuh,
man spricht noch heute von Vakzination (von lat. vaccinia, Kuhpocken). Man wusste natürlich noch nicht um die
Natur des Ansteckungsprinzips, in diesem Fall das Pockenvirus.

4
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 1: Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen

In einem spektakulären Versuch impfte Pasteur Schafe mit Proben, die abgetötete Erreger des Milzbrandes enthielten.
Infizierte er später die Schafe mit unbehandelten Proben, überlebten alle geimpften Schafe, während die ungeimpften
Kontrolltiere an Milzbrand starben. Der Erreger, Bacillus anthracis, ist ein grosses, mikroskopisch gut studierbares
Bakterium, das im Zusammenhang mit Terroranschlägen um die Jahrtausendwende wieder bekannt geworden ist.

Wenn man sich vor Augen hält, dass zwischen Fäulnis einerseits und abschreckenden Ansteckungskrankheiten wie
Aussatz (Lepra) andererseits ein offensichtlicher Zusammenhang besteht, versteht man, dass die Zeit damit reif war
für die Lösung des Rätsels Ansteckungskrankheiten. Koch hatte als Landarzt naturgemäss ein besonderes Auge für
dieses Problem und hat erstmals klar gezeigt, dass Infektionskrankheiten wie Milzbrand, Tuberkulose und Cholera
jeweils durch voneinander unterscheidbare Bakterienarten verursacht wurden. Zuvor hatte man angenommen,
Bakterien seien eine einzige Art, die verschiedene Formen annehmen kann; solche Formänderungen kannte man z. B.
von Pilzen mit Wirts-und Generationswechsel.


Tabelle 1.1: Einige Meilensteine der Forschung an und mit Mikroorganismen.

5
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 1: Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen

1.5 Einteilung der Lebewesen in Reiche



Im Rahmen der Zellbiologie haben wir den Zelltyp der Eukaryoten ausführlich behandelt. All diesen Zellen ist das
Vorhandensein eines Zellkerns gemeinsam.
Neben den eukaryotischen Zellen gibt es aber noch einen zweiten wichtigen Zelltyp. Es handelt sich dabei um den
prokaryotischen Zelltyp (= Zellen ohne Zellkern). Zu den Prokaryoten gehören die Bakterien, die allesamt einzellig
sind. Bevor wir auf die Bakterien genauer und ausführlicher eingehen, gliedern wir die verschiedenen
Organismengruppen mit den verschiedenen Zelltypen.



Abbildung 1.4: Einteilung der Lebewesen in Reiche / Gruppen. Einteilung in fünf grosse Reiche respektive in Gruppen.


Das vorliegende System (Abbildung 1.4) unterteilt die Lebewesen in die Eukaryoten und in die Prokaryoten, wobei
das Reich der kernhaltigen Organismen noch einmal in vier Reiche unterteilt wird.
Dabei gibt es auch bei den Eukaryoten Einzeller, dies sind die Protisten. Bekannte Beispiele sind das Pantoffeltierchen
oder die verschiedenen Amöbentypen.
Die drei anderen Reiche, die Pflanzen, die Pilze und die Tiere umfassen vielzellige Organismen. Jedes dieser Reiche ist
bestimmt durch Charakteristika der Körperstruktur und des Lebenszyklus. Diese drei Reiche unterscheiden sich auch
in der Art ihrer Ernährung.

• Pflanzen sind in dieser Hinsicht autotroph. Das bedeutet, dass sie ihre Nährstoffe selbst durch die Fotosynthese
herstellen.
• Pilze sind heterotrophe Organismen. Das heisst, sie können ihre Nahrung nicht selbst herstellen. Pilze ernähren
sich sehr oft von abgestorbenen Lebewesen, z.B. von toten Tieren und Pflanzen.
• Tiere ernähren sich auch auf heterotrophe Art und Weise, indem sie in der Regel Pflanzen und / oder Tiere
fressen.

Neuere Untersuchungen zeigen, dass man die Bakterien in zwei Grossreiche unterteilen muss; in das Reich der
Archaea und in das Reich der Bacteria. Diese Unterteilung ist aufgrund ihrer unterschiedlichen Entstehungsgeschichte
nötig. Die folgende Aufgabe nimmt sich diesem Thema an.



1.5.1 Aufgabe / Frage: Euglena

Warum befindet sich Euglena in der Schnittmenge zwischen Pflanzen und Tieren? Will also heissen, Euglena gehört
sozusagen beiden Reichen an?!?!



1.5.2 Antwort / Lösung

6
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 1: Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen

1.5.3 Aufgabe / Frage: Verwandtschaft innerhalb der drei grossen Domänen des Lebens

Du findest auf der nächsten Seite einen Stammbaum (Abbildung 1.5). Er zeigt die verwandtschaftliche Beziehung der
drei grossen Domänen des Lebens auf.
Darunter ist eine Tabelle (Tabelle 1.2) zu finden. Sie vergleicht die drei grossen Domänen bezüglich neun
ausgewählter Merkmale untereinander. Die meisten Merkmale und Vergleichskriterien sagen dir nichts, respektive
nicht viel. Das ist aber für die Bearbeitung der Aufgabe jedoch nicht von Relevanz.

• Kläre die verwandtschaftliche Beziehung der drei grossen Domänen des Lebens untereinander ab. Dafür
verwendest du Abbildung 1.5 und Tabelle 1.2.
• Das Resultat ist in Form von ein bis zwei Sätzen direkt neben die Abbildung hinzuschreiben.
• Sodann muss deine Aussage datenbasiert bewiesen werden. Dazu muss auf die Merkmale und Daten aus Tabelle
1.2 zurückgegriffen werden.
• Das gesamte Resultat, das nun datenbasiert bewiesen worden ist, wird notiert.

Abbildung 1.5: Einteilung der Lebewesen in Reiche. Einteilung in drei grosse Domänen.



Tabelle 1.2: Vergleich der drei Domänen. Neun ausgewählte Merkmale dienen als Vergleichskriterien.

Merkmal Bacteria Archaea Eukarya



Zellkern fehlt fehlt vorhanden
Membranumschlossene fehlen fehlen vorhanden
Vesikel
Zellwand mit vorhanden fehlt fehlt
Peptidoglycan
Membranlipide FS unverzweigt FS verzweigt FS unverzweigt
RNA Polymerase Ein Typ Mehrere Typen Mehrere Typen
Startaminosäure bei der Formyl Met Met Met
Translation
Introns fehlen Zum Teil vorhanden vorhanden
Histone assoziert mit DNA nein ja ja
Antibiotikaempfindlichkeit ja nein nein



1.5.4 Antwort / Lösung

7
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 1: Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen

1.6 Archaea leben in exotischen Biotopen



Die meisten der kultivierten Archaeen sind Extremophile, das heisst, sie sind besonders an extreme Biotope
angepasst. Viele Vertreter besitzen die Fähigkeit, bei sehr hohen Temperaturen (über 80°C, Hyperthermophile), sehr
niedrigen und hohen pH-Werten (Acidophile bzw. Alkaliphile) oder hohen Salzkonzentrationen (Halophile) zu leben.

Hyperthermophile Archaeen findet man häufig in marinen und terrestrischen vulkanischen Gebieten (Black Smoker,
Geysire); viele dieser Archaeen hat man zum Beispiel aus vulkanisch geprägten Habitaten des Yellowstone National
Parks isoliert.
Halophile gedeihen gut in Umgebungen mit hohem Salzgehalt, so beispielsweise im Toten Meer.
Auch methanogene (Bakterien, die Methan produzieren können) Archaeen sind in gewisser Weise „extrem“: Sie
wachsen ausschliesslich unter sauerstoffarmen und sauerstofflosen Bedingungen und benötigen häufig molekularen
Wasserstoff für ihren Stoffwechsel. Sie sind relativ weit verbreitet: Im Süsswasser, Meer, Boden, aber auch als
Symbionten im Darmtrakt von Tieren und Menschen.

Einige wichtige Anpassungen, molekularer und biochemischer Natur, die diese Bakterien zum Leben benötigen,
werden wir zu einem späteren Zeitpunkt diskutieren.



1.7 Vorkommen, Nutzen und Schaden von Bakterien

Bakterien sind, auch wenn sie aufgrund ihrer Grösse für unser Auge nicht sichtbar sind, omnipräsent. Wir Menschen
assoziieren ihre Präsenz jedoch meist negativ, dabei ist der Nutzen der Bakterien von enormer Grösse und auch - wie
schon einleitend gesagt - von existenzieller Wichtigkeit für uns Menschen.



1.7.1 Aufgabe / Frage: Bakterien als Nützlinge oder Schädlinge

Überlege dir konkret, wo Bakterien überall vorkommen und was sie dort bewirken. Wir machen der Einfachheit
halber zwei Gruppen und teilen somit die Bakterien ein (Tabelle 1.3).
• Bakterien als Nützlinge
• Bakterien als Schädlinge


Tabelle 1.3: Bakterien als Nützlinge und als Schädlinge. Auswahl einiger Punkte und Eigenschaften.

Bakterien als Nützlinge Bakterien als Schädlinge




























8
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 1: Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen

1.8 Todesraten bei den zehn wichtigsten Todesursachen in den Vereinigten Staaten von 1900
und 2000



Abbildung 1.6: Todesraten 1900 und 2000 für die zehn häufigsten Todesursachen in den USA. Die Todesursachen lassen sich
in zwei grosse Gruppen einteilen.




1.8.1 Aufgabe / Frage: Vergleich der verschiedenen Todesraten

Beschreibe und diskutiere die beiden obigen Abbildungen. Konkret gehst du folgendermassen vor.
• Die Todesursachen sind in zwei grosse Gruppen zu kategorisieren, in die grüne und in die rote Gruppe.
• Danach vergleichst du die beiden Gruppen miteinander und notierst die Auffälligkeiten (Resultate).
• Anschliessend werden die Resultate diskutiert.
• Überlege dir, wie eventuell eine dritte Graphik, sagen wir im Jahre 2030 aussehen könnte und begründe deine
Wahl.



1.8.2 Antwort / Lösung

Die beiden Gruppen heissen / sind:



Auffallend ist (Resultate):








Die Gründe dafür sind (Diskussion):








Die Graphik im Jahre 2030 könnte folgendermassen ausschauen (beschreiben oder zeichnen und begründen):

9
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 1: Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen

1.9 Die Bedeutung des Mikrobioms für die Gesundheit des Menschen

Wie einleitend erläutert, entfällt auf die Magen-Darm- Flora (an sich ist der Begriff falsch, Bakterien sind keine
Pflanzen, nur lässt sich der Begriff nicht so leicht aus dem wissenschaftlichen Vokabular verdrängen) für die
Gesundheit und das Wohlergehen des Menschen eine enorme Wichtigkeit. Die Erforschung des sogenannten
Mikrobioms (die Gesamtheit aller den Menschen oder andere Lebewesen (z.B. Regenwürmer, Reptilien, Rinder)
besiedelnden Mikroorganismen) ist in vollem Gang und täglich erreichen uns neue, interessante aber teils auch
widersprüchliche Meldungen. Stellvertretend seien hier drei besonders spannende Abhandlungen (alle aus der NZZ,
Datum der Publikation jeweils am Ende des Artikels) dargestellt. Themen, die das Mikrobiom betreffen, werden wir
auch anhand der Besprechung anderer biologischer Grossthemen (z. B. Neurobiologie, Endokrinologie) ganz sicher
antreffen.



10
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 1: Die Stellung der Bakterien im Reich der Lebewesen

11
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 2: Die historischen Wurzeln der Mikrobiologie

2 Die historischen Wurzeln der Mikrobiologie




2.1 Einleitung

Obwohl die Menschen schon lange vermutet hatten, dass es Lebewesen gibt, die zu klein sind, um sie mit blossem
Auge sehen zu können, wurde ihre Entdeckung erst mit der Erfindung des Mikroskops möglich. Der erste Mensch, der
Mikroorganismen im Detail beobachten konnte, war Antoni van Leeuwenhoek, der dabei um 1684 einfache
Mikroskope verwendete, die er selbst konstruiert hatte (siehe Zellbiologie).
Die Menschen beschäftigte aber zu dieser Zeit noch anderes, so zum Beispiel die Frage nach dem Wesen einer
Infektion. Gibt es womöglich einen Zusammenhang mit Mikroorganismen oder gilt gar die so genannte Urzeugung?
Louis Pasteur, ein französischer Mikrobiologe (1822 - 1895) und Robert Koch, ein deutscher Mikrobiologe (1843 -
1910) trugen massgeblich dazu bei, dass diese Fragen und Probleme gelöst werden konnten.



2.2 Pasteur und das Ende der Urzeugung

Die Idee, die der Urzeugung zugrunde liegt, ist leicht zu verstehen. Wenn man Lebensmittel einige Zeit stehen lässt,
verfaulen sie. Betrachtet man dann das verfaulte Material unter dem Mikroskop, so wimmelt es nur so von Bakterien,
die in den frischen Lebensmitteln nicht zu sehen sind1. Einige Menschen sagten, diese Bakterien würden sich spontan
entwickeln, sie entstünden sozusagen aus dem toten Material. Dies ist der Gedanke der Urzeugung. Der mächtigste
Gegner der Urzeugung war Louis Pasteur, dessen Arbeiten zur Widerlegung der Theorie der Urzeugung äusserst
sorgfältig und überzeugend waren.



2.2.1 Aufgabe / Frage: Pasteurs entscheidende Experimente

Nun bist du an der Reihe. Schlüpfe in die Haut von Louis Pasteur. Konkret lautet die Frage: Wie konnte er zeigen, dass
es keine spontane Bildung von Bakterien in/aus totem organischem Material gibt? Oder anders formuliert. Zeige auf,
dass das Verfaulen von Lebensmitteln mit bereits existierenden Mikroorganismen zusammenhängen muss. Die
Mikroorganismen sind somit Ursache und nicht Folge des Verfaulens.
Konstruiere das Experiment von Pasteur. Pasteur stand die folgende Infrastruktur zur Verfügung (Abbildung 2.1).

• Unsterile Flüssigkeit
• Bunsenbrenner
• Schwanenhalskolben (siehe Abbildung)



Abbildung 2.1: Schwanenhalskolbenexperiment. Ausgangssituation, um die These der Urzeugung zu widerlegen.

1 Bakterien kommen praktisch überall vor, so auch auf/in frischen Lebensmitteln, ausser sie wären vollständig sterilisiert. Ob es durch den Verzehr

solcher Lebensmittel zu gesundheitlichen Komplikationen kommt, hängt primär von der Quantität wie auch von der Virulenz der Keime ab.

12
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 2: Die historischen Wurzeln der Mikrobiologie

2.2.2 Dein Lösungsvorschlag



















2.3 Koch und die Keimtheorie der Krankheiten

Beweise zu finden, dass Mikroorganismen Krankheiten verursachen können, war die grösste Motivation für die
Entwicklung der Mikrobiologie. Tatsächlich vermutete man schon im 16. Jahrhundert, dass etwas von einer kranken
Person auf eine gesunde Person übertragen werden konnte, das in der gesunden Person eine Krankheit auslöste.
Im Jahre 1879 untersuchte Robert Koch das Blut von an Milzbrand erkrankten Rindern unter dem Mikroskop.
Milzbrand war zu dieser Zeit eine weit verbreitete und gefürchtete Viehseuche, die auch gelegentlich beim Mensch
auftreten konnte/kann.
Der Forscher hoffte, bei den erkrankten Tieren Krankheitserreger zu finden. Zunächst blieb er erfolglos. Doch schon
bald konnte er nach einigen Färbetricks unter dem Mikroskop winzige Stäbchen finden.
Doch trotz dieser Erfolgsmeldung hatte Koch noch ein Problem zu lösen. Waren diese Stäbchen die Ursache oder die
Wirkung der Krankheit?



2.3.1 Aufgabe / Frage: Die Frage nach der Ursache

Schlüpfe in die Haut von Robert Koch. Was musst du tun (welches Experiment, welche Strategie, was für eine
Überlegung...) um zu zeigen, dass diese winzigen Stäbchen tatsächlich die Verursacher von Milzbrand sind?
Arbeite einen schriftlichen Lösungsvorschlag alleine oder im Team aus. Wir besprechen die Lösung nachher im
Plenum.



2.3.2 Antwort / Lösung

13
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 2: Die historischen Wurzeln der Mikrobiologie

2.3.3 Die Koch’schen Postulate heute



Wenn man menschliche Krankheiten untersucht, für die ein Tiermodell- zum Beispiel eine Maus- zur Verfügung steht,
dann ist es recht einfach, die Koch’schen Postulate anzuwenden. Dies ist in der modernen klinischen Medizin
allerdings nicht immer so einfach. So verursachen die Erreger einiger Krankheiten des Menschen bei den uns
bekannten Versuchstieren keine Erkrankung. Zu diesen zählen viele Krankheiten, die von Bakterien verursacht
werden, die nur innerhalb der Zellen leben, wie Rickettsien oder Chlamydien, aber auch Krankheiten, die von einigen
Viren oder parasitischen Protozoen verursacht werden. Daher ist es nicht möglich, bei diesen Krankheiten einen
eindeutigen Nachweis für Ursache und Wirkung zu erbringen. Der klinische und epidemiologische (die Krankheit
zurückverfolgende) Nachweis für praktisch jede Infektionskrankheit des Menschen liefert keinen sicheren Beweis für
die spezifische Ursache der Krankheit. Somit ist es nicht möglich, alle Koch’schen Postulate auf jede
Infektionskrankheit des Menschen anzuwenden, obgleich die Koch’schen Postulate der „goldene Standard“ der
medizinischen Mikrobiologie bleiben werden.

14
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 3: Anreicherung von Mikroorganismen

3 Anreicherung von Mikroorganismen




3.1 Praktikum: Beimpfen von Nährböden mit Mikroorganismen aus der Umwelt

3.1.1 Einleitung

Mikroorganismen leben überall, dies ist eine Aussage, die man immer wieder hört. Stimmt das wirklich? Wir
überprüfen diese Aussage im Experiment.



3.1.2 Material und Methoden

3.1.2.1 Material

Petrischalen mit einem Universalagarmedium (Medium auf dem sehr viele unterschiedliche Mikroorganismen
wachsen können)



3.1.2.2 Methode: Experiment 1: Bakterien allerlei

• Eine Petrischale wird am Boden mit wasserfestem Folienstift in sechs bis acht Sektoren eingeteilt.
• Dann werden Abstriche (siehe Anleitung der LP) von diversen festen Gegenständen gemacht.
• Die Platte wird verschlossen und mit Parafilm abgedichtet.
• Die Inkubation erfolgt während 48 Stunden bei 30°C.


3.1.2.3 Methode: Experiment 2: Bakterien auf den Händen

• Eine Petrischale wird am Boden mit wasserfestem Folienstift in fünf Sektoren eingeteilt.
• Sektor 1 „vor dem Händewaschen“.
• Sektor 2 „unmittelbar nach dem Händewaschen und abtrocknen mit Einwegpapier“, als Alternative kann auch
Sterillium verwendet werden, in diesem Fall werden die Hände jedoch nicht mit einem Einwegpapier
abgetrocknet.
• Sektor 3 „20 Min nach Händewaschen“.
• Sektor 4 „40 Min nach Händewaschen“.
• Sektor 5 „60 Min nach Händewaschen“.
• Mit allen vier Fingern wird der jeweilige Sektor beimpft.
• Die Platte wird verschlossen und mit Parafilm abgedichtet.
• Die Inkubation erfolgt während 48 Stunden bei 30°C.


3.1.2.4 Methode: Experiment 3: Bakterien der Kaufläche von Backenzähnen

• Eine Petrischale wird am Boden mit wasserfestem Folienstift in fünf Sektoren eingeteilt.
• Sektor 1 „vor dem Zähneputzen“.
• Sektor 2 „unmittelbar nach dem Zähneputzen“.
• Sektor 3 „20 Min nach Zähneputzen“.
• Sektor 4 „40 Min nach Zähneputzen“.
• Sektor 5 „60 Min nach Zähneputzen“.
• Mit einem Q- Tip wird eine Probe der Kauflächen der Stockzähne entnommen und die entsprechenden Sektoren
werden beimpft. Pro Abstrich wird ein neues Stäbchen genommen.
• Die Platte wird verschlossen und mit Parafilm abgedichtet.
• Die Inkubation erfolgt während 48 Stunden bei 30°C.



3.1.3 Resultate und Diskussion

Darstellung der Resultate und Diskussion dieser. Die Resultate sollen zusätzlich bildlich in Form von Fotos
festgehalten werden.

15
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 3: Anreicherung von Mikroorganismen

3.2 Praktikum: Nachweis von Bakterien in Joghurt



3.2.1 Einleitung

Joghurt wird durch bestimmte Milchsäure-Bakterien hergestellt, die sich bei
Wärme in der Milch vermehren. Durch Färbung mit Methylenblau kann man
die Bakterien sichtbar machen (Abbildung 3.1).



3.2.2 Material und Methoden

3.2.2.1 Material

Handelsübliches Nature – Joghurt, Objektträger, Deckgläser, Bunsenbrenner,
Methylenblau-Lösung (0.1%), deion. Wasser



3.2.2.2 Methode

1. Etwas Joghurt wird auf einen sauberen Objektträger getropft.



2. Mit einem zweiten Objektträger wird das Joghurt ausgestrichen: Im 45
Grad-Winkel wird mit dem zweiten Objektträger das Joghurt möglichst
über den ersten Objektträger gezogen (Verdünnungseffekt).

3. Joghurt an der Luft trocknen, dauert wenige Minuten.

4. Nach dem Trocknen zieht man den Objektträger (Joghurt nach oben) dreimal durch die Flamme des
Bunsenbrenners, auch eine Flamme eines Feuerzeugs wäre dafür geeignet. Die Probe wird dabei fixiert- die
Bakterien haften jetzt fest auf dem Glas.

5. Nun gibt man auf die Probe ein paar Tropfen Färbelösung. Gut geeignet ist Karbol-Fuchsin oder Methylenblau.

6. Fünf Minuten einwirken lassen.

7. Nach fünf Minuten wird die Farblösung mit deion. Wasser abgewaschen und dann ein Deckglas aufgelegt.

8. Die Probe wird nun mikroskopiert.























Abbildung 3.1: Färben von Bakterien. Übersicht über das Prinzip.

16
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 4: Bau der prokaryotischen Zelle

4 Bau der prokaryotischen Zelle




4.1 Der Bau einer typischen prokaryotischen Zelle

4.1.1 Einleitung

Wir unterscheiden mittlerweile zwei Zelltypen:

• Die Eukaryoten, dazu gehören die Einzeller, die Pilze, die Pflanzen und die Tiere. All diese Zellen haben als
gemeinsames Merkmal einen Zellkern.
• Den Eukaryoten stellen wir die Prokaryoten gegenüber. Dazu gehören alle Bakterien. Allen Bakterien gemeinsam
ist das Fehlen eines Zellkerns.

Diesen Zelltyp wollen wir nun etwas genauer anschauen: Wie er aufgebaut ist und wie er funktioniert.



4.1.2 Aufgabe / Frage: Zellbestandteile und Funktion

• Den zur Verfügung stehenden Strukturen ist die richtige Aufgabe zuzuordnen.
• Anschliessend ist eine Bakterienzelle zu zeichnen.


Dies sind die Strukturen:

Vesikel, Zellwand, Ribosomen, Schleimschicht/Kapsel, Plasmid-DNA, Geissel, Zellmembran, Erbsubstanz DNA,
Zellplasma


Dies sind die Funktionen der Strukturen:

• Sie grenzt den Bakterieninnenraum gegen aussen ab. Sie übernimmt wichtige Aufgaben im Zellstoffwechsel.
Name:

• Diese Struktur ist chemisch gleich aufgebaut wie in Eukaryoten. Auch die Funktion ist mit der in den Eukaryoten
identisch. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass sie nicht in einem Kern eingelagert ist. Es gibt pro
Bakterienzelle nur eine solche Struktur. Name:

• Kommen auch in grossen Mengen in eukaryotischen Zellen vor. Sie haben ebenfalls die gleiche Aufgabe wie in
eukaryotischen Zellen. Jedoch zeigen sie Unterschiede im Aufbau. Name:

• Die äusserste Schicht ist eine stark wasserhaltige Substanz aus Zucker und Proteinbausteinen. Sie ist nicht
unbedingt notwendig für die Zellen. Sie verhelfen den Zellen jedoch unter gewissen Umständen zu einem
Überlebensvorteil. Beispielsweise können pathogene (krankmachende) Bakterien mit Hilfe dieser Einrichtungen
sich der Wirkung des Immunsystems entziehen. Name:

• Sie ist die formgebende Komponente der Zelle. Ihre Grundsubstanz ist Murein. Eine analoge Struktur findet man
auch in Pflanzenzellen. Dort ist sie allerdings aus Cellulose aufgebaut. Name:

• In ihnen sind oft Reservestoffe für die Zelle gespeichert. So können z.B. Stärke, Polyphosphate oder auch Schwefel
in ihnen gelagert werden. Gerät die Bakterienzelle in einen Versorgungsengpass, so kann sie auf diese
Reservestoffe zurückgreifen. Name:

• Dies ist der Innenraum der Zelle. Name:

• Die Besitzer von solchen Einrichtungen haben gegenüber anderen Bakterien Überlebensvorteile. Beispielsweise
finden sich auf diesen Einrichtungen die Bauanleitungen (Gene) für Sonder- und Luxusaufgaben (Schutz vor
Giftstoffen, Gene für die Erschliessung besonderer Nährstoffquellen, usw.). Name:

• Bewegliche Bakterien besitzen solche Einrichtungen. Sie dienen der Bakterienzelle als Fortbewegungsmittel. Pro
Minute kann diese Struktur bis zu 3’000 Umdrehungen erreichen. Name:

17
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 4: Bau der prokaryotischen Zelle

4.1.3 Antwort / Lösung




Abbildung 4.1: Bau einer Bakterienzelle. Schematische Darstellung (links) und Aufnahme aus dem EM (rechts).





















Abbildung 4.2: Vergleich einer prokaryotischen (oben) mit einer
eukaryotischen (unten) tierischen Zelle. Auffallend sind die
Grössendimensionen und das Vorhandensein, respektive das Fehlen
zahlreicher Organellen.


Abbildung 4.3: Mikrobielle Zellen- Von der Kolonie zur einzelnen Zelle. (a) Biolumineszente (lichtemittierende) Kolonien des
Bakteriums Photobacterium, die in einer Laborkultur auf einer Petrischale gezüchtet wurden. (b) Eine Kolonie kann mehr als 10
Millionen einzelne Zellen enthalten. (c) Mit dem Rasterelektronenmikroskop aufgenommene Zellen des Bakteriums Photobacterium.

18
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 4: Bau der prokaryotischen Zelle

Tabelle 4.1: Verschiedene Formen von Bakterien. Es sind nur die häufigsten Formen erwähnt.

Beschreibung der Form Beispiel

























Abbildung 4.4: Die wichtigsten Bakterienformen. Kugelbakterien oder Kokken (Staphylococcus aureus), Stäbchenbakterien oder
Bazillen (Bacillus anthracis) und Spiralbakterien oder Spirillen (Helicobacter pylori).

19
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 4: Bau der prokaryotischen Zelle

4.2 Die Bedeutung der geringen Grösse prokaryotischer Zellen



4.2.1 Informationstext und Einleitung

Die Zellgrösse von Prokaryoten variiert von 0.1 – 0.2 μm bis zu 50 μm. E. coli, als bekanntestes Bakterium, hat eine
Grösse von 1 x 3 μm.
Typische Eukaryoten dagegen zeigen Durchmessergrössen, die um ein Vielfaches über denjenigen von Prokaryoten
liegen. Die Werte variieren von 2 bis 200 μm.
Summa summarum lässt sich sagen, dass Prokaryoten viel kleiner sind als Eukaryoten.

Die geringe Grösse von Prokaryoten im Vergleich zu Eukaryoten beeinflusst eine Reihe ihrer biologischen
Eigenschaften.
So ist zum Beispiel die Geschwindigkeit, mit der Nähr – und Abfallstoffe in die Zellen eindringen respektive sie
verlassen - ein Faktor, der zelluläre Stoffwechsel- und Wachstumsraten stark beeinflusst – im Allgemeinen umgekehrt
proportional zur Zellgrösse. Der Grund dafür ist, dass Transportgeschwindigkeiten zu einem gewissen Masse eine
Funktion der verfügbaren Zell-Membranoberfläche sind.



4.2.2 Aufgabe / Frage: Oberflächen-Volumen-Verhältnis

Der letzte Abschnitt ist zugegebenermassen nicht ganz einfach. Mit Hilfe der untenstehenden Formeln wirst du diesen
Satz aber schnell verstehen, respektive du wirst auch zeigen können, dass die Aussage natürlich stimmt.
Konkret lautet die Aufgabe: Wieso macht es stoffwechseltechnisch Sinn, dass Zellen möglichst klein sind? Zur
Illustration führst du ein Beispiel aus mit einer Zelle für die r = 1 μm gilt und für eine zweite Zelle mit doppelt so
grossem Radius (r = 2 μm).

Kugelvolumen: V = (4p/3) x r3

Kugeloberfläche: OF = 4p x r2

Selbstverständlich liegt der Schlüssel zur Antwort beim Oberflächen-Volumen-Verhältnis



4.2.3 Antwort / Lösung / Diskussion

20
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 4: Bau der prokaryotischen Zelle

4.2.3 Das grosse Oberflächen - Volumen -Verhältnis und seine Folgen



4.2.3.1 Ein kleines Zahlenspiel

Wie wir vorher gesehen haben, nimmt mit zunehmender Grösse das Oberflächen - Volumen - Verhältnis ab. Anders
ausgedrückt heisst das, dass kleine Zellen mehr Oberfläche im Verhältnis zum Volumen besitzen. Bei diesen kleinen
Organismen ist das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen also sehr gross. Machen wir auf Grund dieser Tatsache eine
kleine Zahlenspielerei.

Zerteilt man einen Würfel von 1 cm Kantenlänge (= 1 cm3 Volumen) in Würfel von 1 μm Kantenlänge,
so erhält man_______________Würfel von je _________________ Volumen;

______________________________________________________________________________

Bei einem spezifischen Gewicht der Zelle von ca. 1 g/cm3 ergibt sich die Masse einer Bakterienzelle von ca.
______________

Die Oberfläche dieser kleinen Würfel (Bakterien) ist ____________________fach grösser als die des grossen Würfels,
nämlich
____________gegenüber_____________________ .



4.2.3.2 Was zeigt uns dieses Zahlenspiel?

Es zeigt,
_______________________________________________________________________________________________________________________________

________________________________________________________________________________________________________________________________

Diese Eigenschaft ist von Bedeutung, da Mikroorganismen keine Makromoleküle aufnehmen können. Stattdessen
scheiden sie sozusagen Verdauungsenzyme in die Umwelt aus, welche die ungelösten makromolekularen Stoffe mit
Wasser in Bruchstücke spalten; diese werden in die Zelle transportiert.

Die Kleinheit garantiert auch,_____________________________________________________________________________________________________

_______________________________________________________________________________________________________________________________________

Das grosse Oberflächen/Volumen-Verhältnis hat beträchtliche Wechselwirkungen mit der Umgebung zur Folge und
begründet den hohen Stoffumsatz mancher Mikroorganismen. Eine einfache Regel besagt, dass der
Grundenergieumsatz der Tiere nicht der Masse, sondern ihrer Oberfläche proportional ist. Wenn man diese Regel auf
die Verhältnisse bei Geweben und kleinen Zellen anwendet, so müsste man Stoffwechselaktivitäten erwarten, die sich
um mehrere Zehnerpotenzen voneinander unterscheiden, was auch in der Realität zutrifft.
Entsprechend hoch sind auch die Biomassen - Zuwachsraten der Mikroorganismen. Ein Rind von 500 kg bildet in 24
Stunden etwa 0,5 kg Protein, 500 kg Hefezellen können aber im selben Zeitraum mehr als 50’000 kg Protein
produzieren.


21
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 4: Bau der prokaryotischen Zelle

4.3 Ein spezielles Bakterium: Zusammenhang zwischen Helicobacter pylori - Infektion und
Magengeschwüren

Magengeschwüre und Entzündungen der Magenschleimhaut galten lange Zeit als rein psychosomatische
Erkrankungen bis man 1983 Helicobacter pylori in Darmbiopsien von Patienten identifiziert hatte.
H. pylori steht in direktem Zusammenhang mit Magengeschwüren und Magenschleimhautentzündungen, ist doch bei
über 80% der Patienten mit solchen Krankheitsbildern der Keim in Gewebeproben nachzuweisen.
Dies erklärt aus heutiger Sicht auch einfach, wieso die Therapie mit so genannten Säurehemmern praktisch
wirkungslos war (lange Zeit meinte man auch, Magengeschwüre stünden in direktem Zusammenhang mit einer zu
hohen Säureproduktion im Magen).

Für die Entdeckung des Bakteriums Helicobacter pylori und seiner Rolle bei der Entstehung der chronischen
Magenentzündung erhielten Robin Warren und Barry Marshall 2005 den Nobelpreis für Physiologie.

H. pylori ist nicht invasiv, sondern besiedelt die Oberfläche der Magenschleimhaut, wo eine Reaktion des
Wirtsorganismus die Entzündung hervorruft, wobei schwere Entzündungen, die nicht behandelt werden, zu
Geschwüren führen.

Mit dem Wissen, dass hinter diesen Krankheiten ein bakterieller Keim steckt, hat sich auch die Therapie schlagartig
geändert und ebenso ist die Erfolgsrate gegen diese Infektionen sprunghaft gestiegen. Man verwendet heute
Antibiotika gegen diese Krankheitsbilder, was zu einer Heilung der Entzündungen und gar der Geschwüre führt, und
dies dauerhaft.

Normalerweise überleben Bakterien die Magenpassage aufgrund der dort herrschenden sauren Verhältnisse nicht. H.
pylori dagegen fühlt dort hingegen pudelwohl. H. pylori muss offenbar über spezielle Tricks verfügen, um im Magen
überleben zu können. Wir wollen dies im Anschluss etwas genauer betrachten (Abbildung 4.5, von dir gezeichnet).







































Abbildung 4.5: Überlebensstrategie von H. pylori im Magen. Von zentraler Bedeutung ist das bakterielle Enzym Urease.

22
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 5: Grampositive und Gramnegative Zellen

5 Grampositive und Gramnegative Zellen




5.1 Einleitung

Systematik, Einteilung und Ordnung von Organismen sind in der Biologie, sei es in der Zoologie, der Botanik oder
eben hier in der Mikrobiologie, von grundlegender Bedeutung. Während die Systematik in der Zoologie und in der
Botanik aufgrund von morphologischen Merkmalen relativ einfach ist, ist sie in der Mikrobiologie schwieriger, nicht
nur wegen der geringen Grösse der einzuteilenden Organismen.
Eine Möglichkeit, die auch heute immer noch von grosser Bedeutung ist, ist die Einteilung der Bakterien in zwei
Gruppen aufgrund ihres Aufbaus der Zellhülle. Bestimmt wird der Aufbau durch ein Färbeverfahren (siehe Abschnitt
5.3).

Bedeutend ist das Färbeverfahren insbesondere bei der Diagnostik von Infektionskrankheiten. „Grampositive“ und
„Gramnegative“ Bakterien reagieren unterschiedlich auf unterschiedliche Antibiotika (Kapitel 9).

Die Färbemethode ist nach dem dänischen Arzt und Bakteriologen Hans Christian Gram benannt, der sie am Ende des
19. Jahrhunderts entwickelte. Färbt und behandelt man Bakterien nach dem von ihm benannten Verfahren, so lassen
sich Bakterien in zwei Gruppen einteilen.
• Grampositive Bakterien (gram+), die nach dem Färbegang dunkelblau erscheinen.
• Gramnegative Bakterien (gram-), die ungefärbt bleiben. Sie werden zur besseren Identifizierung nachträglich
mittels Safranin rot gefärbt.



5.2 Die zwei grundlegend verschiedenen Zellhüllen im Quervergleich

5.2.1 Bau und Struktur der Cytoplasmamembran

Die Cytoplasmamembran ist eine dünne Barriere, welche die Zelle umgibt und das Cytoplasma von der Umgebung der
Zelle trennt. Ist die Membran geschädigt dann wird der Zusammenhalt der Zelle zerstört, das Cytoplasma läuft in die
Umgebung aus und die Zelle stirbt. Die Cytoplasmamembran bietet nur wenig Schutz vor osmotischer Lyse, stellt aber
eine hervorragende selektive Permeabilitätsbarriere dar (Details siehe Zellbiologie, Kapitel 6).

Die allgemeine Struktur der Cytoplasmamembran
ist eine Phospholipiddoppelschicht.
Phospholipide enthalten sowohl hydrophobe
(Fettsäuren) als auch hydrophile
(Glycerinphosphat) Bestandteile und kommen in
vielen verschiedenen chemischen Formen vor, die
sich aus den verschiedenen Seitengruppen
ergeben, die mit dem Glycerinrückgrat verknüpft
sind (Abbildung 5.1a).

Da Phospholipide in wässrigen Lösungen
aggregieren, bilden sie auf natürliche Weise
Doppelschichtstrukturen. In einer
Phospholipidmembran weisen die Fettsäuren
nach innen aufeinander zu und bilden dadurch
eine hydrophobe Umgebung, während die
hydrophilen Teile weiterhin der wässrigen
äusseren Umgebung oder dem Cytoplasma
ausgesetzt bleiben (Abbildung 5.1b).



Abbildung 5.1: Bau der Zellmembran. a) Glycerin
(blau) ist mit zwei Fettsäuren (gelb) und einer polaren
Substanz (Phosphoethanolamin, blau-grün) verbunden.
b) Allgemeine Struktur der Lipiddoppelschicht. c)
Aufnahme einer Membran mit dem
Elektronenmikroskop.

23
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 5: Grampositive und Gramnegative Zellen

Zwar kann die Cytoplasmamembran in einer Abbildung recht steif wirken, doch in Wirklichkeit ist sie eher beweglich
und in ihrer Konsistenz einem Leichtöl mit niedriger Viskosität ähnlich (Abbildung 5.2). Die Cytoplasmamembranen
einiger Bakterien werden durch Moleküle stabilisiert, die so genannten Hopanoiden. Diese eher steifen, flachen
Moleküle ähneln strukturell sehr stark den Sterolen, Verbindungen, die die Membranen tierischer Zellen stabilisieren,
welche bekanntlicherweise keine Zellwand besitzen.

Wie bei Eukaryoten finden sich in den Membranen Proteine eingebaut (Abbildung 5.2). Sie haben unterschiedliche
Funktionen, wie beispielsweise als Transportproteine oder Rezeptorproteine.
















Abbildung 5.2: Fluid-Mosaic-Modell einer bakteriellen Membran. Die Membran ist nicht starr, sondern zeigt eine Dynamik,
welche wichtig für die Funktion der verschiedenen Membranproteine ist.




5.2.2 Die Cytoplasmamembran als Permeabilitätsbarriere

Die Cytoplasmamembran ist mehr als nur eine Barriere, die das Innere vom Äußeren der Zelle trennt. Die Membran
übernimmt mehrere für die Zellfunktion sehr wichtige Aufgaben. Vor allem dient die Membran als
Permeabilitätsbarriere, die das ungesteuerte Eintreten und Auslaufen von Bestandteilen des Cytoplasmas in die Zelle
hinein oder aus ihr heraus verhindert, wir kennen diese wichtige Funktion bereits aus von Zellbiologie her.

Ferner ist die Membran für viele Proteine ein Anker, von denen einige Enzyme sind, die die bioenergetischen Abläufe
katalysieren, während andere für den Transport von Substanzen in die Zelle oder aus der Zelle heraus verantwortlich
sind.

Das Cytoplasma ist eine Lösung aus Salzen, Zuckern, Aminosäuren, Nucleotiden und einer Vielzahl anderer
Substanzen. Die hydrophobe Natur der Cytoplasmamembran (Abbildung 5.1) macht die Membran zu einer
engmaschigen Diffusionsgrenze für diese Substanzen. Eine Substanz, die die Membran ungehindert in beide
Richtungen durchqueren kann, ist Wasser. Es handelt sich zwar um polares Molekül, doch ist es so klein, dass es
zwischen den Phospholipidmolekülen der Lipiddoppelschicht hindurch gelangt. Außerdem wird die Bewegung des
Wassers durch die Membran von Transportproteine, den Aquaporinen, beträchtlich beschleunigt.



5.2.3 Die Cytoplasmamembran enthält verschiedene Transportproteine

Transportproteine leisten mehr als nur die Beförderung von Substanzen durch die Membran – sie sammeln gelöste
Stoffe gegen den Konzentrationsgradienten. Es ist leicht, die Notwendigkeit von trägerunterstützten Transporten zu
verstehen. Wenn gelöste Stoffe nur durch Diffusion in die Zelle gelangen könnten, dann wären die Zellen niemals in
der Lage, die für den Ablauf biochemischer Reaktionen erforderlichen intrazellulären Konzentrationen zu erreichen.
Das heißt, das Verhältnis von Aufnahme und intrazellulärer Konzentration würde niemals die externe Konzentration
übertreffen, die in der Natur oftmals sehr niedrig ist. Daher müssen Zellen über Mechanismen verfügen, um gelöste
Stoffe – von denen die meisten lebensnotwendig sind –, in Konzentrationen anzusammeln, die größer sind als die in
ihren Habitaten. Darin besteht die Aufgabe der Transportproteine!

Transportproteine besitzen mehrere charakteristische Eigenschaften. Eine Eigenschaft des trägergestützten
Transports ist die hoch spezifische Natur des Transportvorgangs. Viele Trägerproteine reagieren nur mit einem
einzigen Molekül, während wenige andere für eine eng verwandte Klasse von Molekülen Affinität zeigen, zum Beispiel
Zucker oder Aminosäuren (Abbildung 5.3).

24
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 5: Grampositive und Gramnegative Zellen


Abbildung 5.3: Verschiedene, spezifische Transportproteine bei E. coli. Je nach Struktur und Beschaffenheit der
Transportproteine ermöglichen sie eine hohe Stoffselektivität.




Anders als bei der Diffusion zeigen Transportsysteme einen
Sättigungseffekt. Wenn die Konzentration einer Substanz
ausreichend hoch ist, um den Träger zu sättigen, was in der
Natur sogar bei sehr niedrigen Substratkonzentrationen
vorkommen kann, ist die Aufnahmegeschwindigkeit maximal
und das Hinzufügen von Substrat erhöht die
Aufnahmegeschwindigkeit nicht mehr (Abbildung 5.4).

Die dritte Eigenschaft von Transportsystemen besteht darin,
dass deren Biosynthese von der Zelle stark reguliert wird. Das
heißt, dass der spezifische Anteil von Transportproteinen, der
in der Cytoplasmamembran der Zelle jeweils vorliegt, sowohl
von den in der Umgebung vorkommenden Nährstoffen als
auch von deren Konzentration abhängt, Stichwort „Angebot
und Nachfrage“.

Abbildung 5.4: Transport versus Diffusion. Beim Transport hat die
Aufnahmemenge den Sättigungsgrad bei relativ geringer äußerer
Konzentration erreicht.

25
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 5: Grampositive und Gramnegative Zellen

5.2.4 Bau, Struktur und Funktion der Zellwand



Die Zellwände besitzen eine starre Schicht, die hauptsächlich der Festigkeit der Zellwand dient. Diese starre Schicht,
das so genannte Peptidoglykan, ist ein Polysaccharid, das aus Zuckerderivaten besteht: N-Acetylglucosamin und N-
Acetylmuraminsäure sowie einigen wenigen Aminosäuren, darunter L-Alanin, D-Alanin und D-Glutaminsäure und
entweder Lysin oder die strukturell entsprechende Aminosäure, Diaminopimelinsäure (DAP). Die beiden Zucker
werden durch glykosidischen Bindungen miteinander verbunden, was zu einer langen Kette führt (Abbildung 5.5).
Von diesen langen Ketten liegen viele vor, die parallel zueinander angeordnet sind.

Die Zuckerketten werden durch die genannten
Aminosäuren quer vernetzt. Die ganze Stärke der
Peptidoglykanstruktur wird erst dann erreicht, wenn
die Quervernetzung in die horizontale, wie auch in die
vertikale Richtung verläuft (Abbildung 5.6). Das
Ausmass der Quervernetzung kommt bei verschiedenen
Spezies von Bakterien in unterschiedlicher Ausprägung
vor. Eine stärkere Ausprägung der Quervernetzung
bewirkt grössere Festigkeit.






Abbildung 5.5: Struktur der sich wiederholenden
Einheiten in bakteriellen Zellwänden. Die beiden
zuckerartigen Bausteine (G und M)) bauen parallel
angeordnete Stränge auf, die untereinander durch
Aminosäuren (rot gestrichelt umkreist) verbunden werden.










Abbildung 5.6: Gesamtstruktur des Peptidoglykans. M und G stellen die Zuckerbausteine dar, welche lange, parallel angeordnete
Stränge bilden, die untereinander quervernetzt (blau) werden. Die glykosidischen Bindungen (braun) zwischen M und G verleihen
dem Peptidoglykan in X-Richtung Festigkeit, während die Peptidbindungen (blau) in der Y-Richtung Festigkeit verleihen.

26
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 5: Grampositive und Gramnegative Zellen

5.2.5 Bau und Struktur der äusseren Membran



Bei einem Typus Bakterien, den sogenannten gramnegativen Bakterien, folgt der Zellwand eine äussere Membran,
welche den Hauptteil der Zellhülle ausmacht. Sie stellt sozusagen eine zweite Lipiddoppelschicht dar, die aber nicht
nur aus Phospholipiden und Proteinen besteht wie die die Cytoplasmamembran. In der äusseren Membran finden
sich auch Lipide und Polysaccharide zu einem Komplex verknüpft. Aus diesem Grund wird die äussere Membran auch
als Lipopolysaccharidschicht oder einfach als LPS-Schicht bezeichnet (Abbildung 5.7).


Abbildung 5.7: Struktur der Lipopolysaccharidschicht gramnegativer Bakterien. Die Chemie des Lipids A und der
Polysaccharidbestandteile variiert von Spezies zu Spezies, aber die wichtigsten Bestandteile sind im Allgemeinen gleich. Der Lipid-A-
Anteil des LPS kann für Tiere toxisch sein.




5.2.5.1 Bestandteile der äusseren Membran sind giftig

Obwohl die Hauptfunktion der äusseren Membran als Grenze zur Aussenwelt betrachtet werden muss, ist ihre
Toxizität für Tiere ihre wichtigste biologische Eigenschaft. Zu den gramnegativen Bakterien, die für den Menschen
und andere Säugetiere pathogen sind, gehören neben vielen anderen Spezies Vertreter der Gattungen Salmonella,
Shigella und Escherichia.
Einige der Symptome, die diese Pathogenen hervorrufen, gehen auf toxische Bestandteile in der hitzestabilen
äusseren Membran zurück. Die Toxizität steht vor allem in Zusammenhang mit dem Lipid A, deshalb wird auch von
einem Endotoxin gesprochen. Der Begriff "Endotoxin" ist insoweit irreführend, als dass es sich nicht um innere
Bestandteile der Bakterien handelt, wie bei ihrer Entdeckung irrtümlich angenommen wurde, sondern es handelt sich
um Bestandteile der äusseren Membran.

Einige Endotoxine verursachen beim Menschen heftige Symptome, darunter Fieber, Durchfall und Erbrechen. Als
klassische Beispiele seien die Endotoxine von Salmonella und enteropathogener Stämme von E. coli genannt, die für
Lebensmittelvergiftungen verantwortlich sind.

Endotoxine werden normalerweise erst beim Absterben der Zellen, bei einem Angriff durch Komplementsystem (das
ist ein Zweig des Immunsystem) des Wirtstiers, nach einer Aufnahme und Abtötung der Bakterien durch Phagocyten
(bestimmte Immunzellen) sowie bei einer Abtötung durch einige Antibiotika in höherer Konzentration freigesetzt.

Endotoxine sind schon in niedrigsten Konzentrationen (unterer pg/ml-Bereich) biologisch wirksam. Der LD50-Wert2
liegt bei Endotoxinen bei 200-400 µg pro Maus (im Vergleich dazu Exotoxine: LD50-Wert von 25 pg, diese sind somit
viel giftiger, Details folgen später).



5.2.5.2 Zusammenhang mit Erkenntnissen aus der Immunologie

Wenn die Bakterien sterben, setzen sie das Endotoxin frei. Es ist ein PAMP-Molekül (pathogenassoziiertes
molekulares Muster), das an bestimmte Toll-ähnliche Rezeptoren auf Makrophagen binden kann und die Freisetzung
von TNF- α, Interferon, Interleukin-l und anderen Cytokinen bewirkt. Die Freisetzung dieser aktiven Faktoren führt zu
einer Reihe verschiedener Symptome.

2Der LD50-Wert gibt die Menge eines Stoffes oder einer Strahlung an, bei der 50 Prozent einer Population bestimmter Lebewesen
sterben. Der Wert wird in der Regel auf ein Kilogramm Körpergewicht bezogen, z.B. mg Stoff xy/kg Körpergewicht.

27
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 5: Grampositive und Gramnegative Zellen

• Fieber
• Aktivierung von Blutgerinnungsfaktoren, was eine verstreute Blutgerinnung hervorrufen kann
• Ausdünnung von Blutgerinnungsfaktoren, was dann zu inneren Blutungen führen kann
• Aktivierung des alternativen Komplementweges
• Erweiterung der Blutgefäße, wodurch es zu einer Erniedrigung des Blutdrucks kommt
• Schock aufgrund von des Blutdruckabfalls
• Tod aufgrund gravierender übriger Symptome

Die Behandlung einer umfangreichen gramnegativen Blutvergiftung (Sepsis) mit Antibiotika kann durch die massive
Freisetzung des Endotoxins aus toten Bakterien das Problem noch verschlimmern und deshalb zum Tod des Patienten
führen. Eine unbehandelte gramnegative Sepsis dagegen verläuft jedoch fast immer tödlich, sodass eine vorsichtige
Behandlung bei allem Risiko immer geboten ist.

Ein kürzlich erörtertes Verfahren, das einen endotoxischen Schock verhindern soll, beruht auf der Erkenntnis, dass
LPS an den Toll-ähnlichen Rezeptor TLR4 binden muss, um einen endotoxischen Schock hervorzurufen. Wie wäre es
also, wenn man TLR4 durch Antikörper neutralisieren könnte, um dadurch zu verhindern, dass LPS während einer
Infektion daran bindet? In klinischen Versuchen wurden Antikörper gegen TLR4 (Anti-TLR4) in Mäuse injiziert. Die
Antikörper blockierten tatsächlich die TLR4-Rezeptoren und schützten die Mäuse vor einem durch E. coli
verursachten septischen Schock.

28
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 5: Grampositive und Gramnegative Zellen

















Abbildung 5.8: Bau einer grampositiven
Zellhülle. Zellmembran und Zellwand von
Bacillus subtilis.




















Abbildung 5.9: Bau einer gramnegativen
Zellhülle. Zellmembran, Zellwand und
äussere Membran von E. coli.




5.2.6 Aufgaben / Fragen: Rund um die Zellhülle

5.2.6.1 Grampositive und Gramnegative Zellhüllen im Vergleich: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Vergleiche die beiden verschiedenen Zellhüllen miteinander, wo liegen Gemeinsamkeiten, wo lassen sich
Unterschiede finden?

Gemeinsamkeiten Unterschiede












29
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 5: Grampositive und Gramnegative Zellen

5.2.6.2 Zellwand als Antibiotika-Target

Die Zellwand ist ein beliebtes Angriffsziel von Antibiotika und anderen bakterienabtötenden Substanzen.
Was mag wohl der Grund sein?

























5.2.6.3 Verhalten von Protoplasten bei unterschiedlichen Milieubedingungen

Man überführt Bakterien in ein wässriges Medium mit niedriger Stoffkonzentration (im Vergleich zum Zellinneren)
und gibt eine zellwandabbauende Substanz (Lysozym) hinzu. Dadurch erhält man so genannte Protoplasten.
In einem zweiten Ansatz geht man analog vor, nur dass das wässrige Medium nun isotonischer Natur ist.
Die vorliegenden Resultate, siehe dazu Abbildung 5.10, sind darzustellen und zu diskutieren.


Abbildung 5.10: Protoplastenherstellung. Je nach Umgebungsmilieu reagieren Protoplasten unterschiedlich.

30
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 5: Grampositive und Gramnegative Zellen

5.3 Praktikum: Differenzielles Färben von Bakterien: Die Gramfärbung



5.3.1 Färben von Mikroorganismen: Methode: Übersicht




















Abbildung 5.11: Färben von Bakterien. Übersicht über den Ablauf.




5.3.2 Färben von Mikroorganismen: Material

Escherichia coli K12, gramnegativ, Staphylococcus epidermidis, grampositiv; beide Stämme als Flüssigkultur oder auf
Agarplatten
Merck Gram Color Set Nr. 11885 (Nr. 2 Lugolsche Lösung, Nr. 3+4 Ethanol) Impfösen, Objektträger, Deckgläser,
Bunsenbrenner, Holzklammern, Objektträgerpinzetten, Zeitungen, Färbebäder, Spritzflaschen mit deion. Wasser,
Abfallbecherglas, Mikroskop



5.3.3 Färben von Mikroorganismen: Methode im Detail

1. Das Untersuchungsmaterial wird mit ausgeglühter Öse oder mit steriler Plastiköse auf einen fettfreien
Objektträger aufgetragen und ausgestrichen.

2. Nach der Lufttrocknung wird eine Hitzefixierung vorgenommen, indem man den Ausstrich mit dem Material nach
oben dreimal langsam durch den oberen Teil der Bunsenbrennerflamme zieht.

3. Danach erkalten lassen.

4. Zugabe von ein paar Tropfen Kristallviolett (1:5 mit deion. Wasser verdünnt, liegt bereits verdünnt vor) aus der
Tropfflasche auf die Bakterien und 1 Minute einwirken lassen.

5. Farbreste kurz mit Lugolscher Lösung abspülen und 1 Minute einwirken lassen.

6. Mit deion. Wasser kurz spülen.

7. In einem Becherglas mit Alkohol 96% schwenken bis keine Farbwolken mehr abgegeben werden und der
Ausstrich graublau erscheint.

8. Mit deion. Wasser kurz abspülen.

9. Zugabe von ein paar Tropfen Safranin aus der Tropfflasche auf die Bakterien und 1 Minute einwirken lassen.

10. Mit deion. Wasser gut abspülen.

11. Trocknen lassen, mikroskopieren.

31
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 5: Grampositive und Gramnegative Zellen


Abbildung 5.12: Gramfärbung. Ablauf und Resultate.




5.3.4 Diskussion

Vergegenwärtige dir den Aufbau von grampositiven und gramnegativen Zellen (Abbildung 5.8, Abbildung 5.9) noch
einmal. Mit Hilfe der Theorie und den hier vorliegenden Resultaten ist die Gramfärbung zu interpretieren. Oder
anders gefragt: Wieso färben sich die einen Zellen blau und die anderen eher rot?

32
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 5: Grampositive und Gramnegative Zellen

5.4 Praktikum: Grampositive Bakterien zeigen häufig eine Lysozymsensitivität



5.4.1 Einleitung

Lysozym (auch Muramidase genannt) ist ein Enzym, das β-1,4-glykosidische Bindungen zwischen N-
Acetylmuraminsäure- (NAM) und N-Acetylglucosaminresten (NAG) hydrolysiert (Abbildung 5.5). Dies kommt der
molekularen Erklärung gleich, wieso Lysozym die Zellwände von Bakterien zu zerstören vermag. Lysozyme kommen
bei Tieren vor und können ausserdem in Pflanzen, Pilzen, Bakterien und bei Bakteriophagen gefunden werden.
Bei Säugetieren und Menschen kommt Lysozym in vielen Sekreten, wie Tränenflüssigkeit, Speichel, den Sekreten des
Atemtrakts, im Blutserum, im Fruchtwasser und in der Milch vor.
Lysozym ist ein Bestandteil des angeborenen Immunsystems und dient der Abwehr von Bakterien. Die Zellwand
grampositiver Bakterien kann durch Lysozym direkt angegriffen werden. Bei gramnegativen Bakterien stellt die
äussere Membran ein Hindernis für einen Lysozym – Angriff dar.
Wir wollen an dieser Stelle die Wirksamkeit von Lysozym überprüfen.



5.4.2 Material

• Eine Flüssigkultur von gramnegativen Bakterien, zum Beispiel E. coli
• Eine Flüssigkultur von grampositiven Bakterien, zum Beispiel Micrococcus luteus
• Handelsübliches Lysozym, körpereigenes (aus der Tränenflüssigkeit) isoliertes Lysozym
• Petrischalen mit Universalmedium, Socorexpipetten, Bunsenbrenner, Drigalskispatel



5.4.3 Methoden

1. Auf den Boden von zwei Petrischalen mit Universalmedium werden mit wasserfestem Filzstift vier Kreise in etwa
der Grösse eines Einfrankenstücks gezeichnet.

2. 100 μl Bakteriensuspension der grampositiven Kultur werden in die eine Petrischale gegeben und mit dem
Drigalski Spatel gleichmässig verteilt.

3. 100 μl Bakteriensuspension der gramnegativen Kultur werden in die andere Petrischale gegeben und mit dem
Drigalski Spatel gleichmässig verteilt. Erst mit Schritt vier beginnen, wenn der Bakterienfilm mit dem Medium
homogen geworden ist.

4. In einen der vier Kreise gibt man Lysozym vom handelsüblichen Präparat.

5. In die drei anderen Kreise gibt man in unterschiedlichen Mengen eigenes Lysozym. Dieses wird isoliert, indem
man die Produktion von Tränenflüssigkeit mit scharfen Zwiebeln stimuliert3. Die Tränen werden gewonnen,
indem ein Mitschüler diese mit der Socorexpipette beim Auge vorsichtig aufsaugt und dann direkt in die Schale
gibt.

6. Die Schalen werden für 24 - 48 Stunden bei 30°C inkubiert.



5.4.4 Resultate








5.4.5 Diskussion

3 Wer eine bessere Methode zur Tränenproduktion kennt, soll diese bekannt machen.

33
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 6: Sporenbildende Bakterien

6 Sporenbildende Bakterien


6.1 Übersicht

Einige Bakterienspezies bilden während eines Vorgangs, den man Sporulation nennt, Endosporen. Endosporen (endo
bedeutet „innerhalb") sind stark differenzierte Zellen (Abbildung 6.1), die sehr hitzeresistent und widerstandsfähig
gegen aggressive Chemikalien und Strahlung sind. Die biologische Funktion von Endosporen besteht darin, dem
Organismus eine Struktur zu verleihen, die ihm ein Überleben unter ungünstigen Wachstumsbedingungen ermöglicht.
Dazu gehören unter anderem Temperaturextreme, Trockenheit oder Nährstoffmangel. Man kann sich Endosporen
wie die Schlafphase im bakteriellen Lebenszyklus vorstellen: vegetative Zelle ➔ Endospore ➔ vegetative Zelle.
Endosporen können leicht vom Wind, dem Wasser oder über Tierexkremente verbreitet werden.
Endosporenbildende Bakterien findet man häufig im Boden, wobei die Gattung Bacillus am besten untersucht ist.











Abbildung 6.1: Struktur einer bakteriellen Endospore. (a)
Transmissionselektronenmmikroskopische Aufnahme eines Dünnschnitts durch
eine Endospore von Bacillus megaterium. (b) Fluoreszenzaufnahme einer Zelle
von Bacillus subtilis während der Sporulation. Die grüne Farbe beruht auf einem
Farbstoff, der spezifisch ein Sporulationsprotein in der Sporenhülle färbt.




6.2 Bildung und Keimung von Endosporen

Während der Bildung von Endosporen wird die vegetative Zelle zu einer nichtwachsenden, hitzeresistenten Struktur.
Die Sporulation der Zelle erfolgt nicht, wenn die Zelle wächst, sondern nur dann, wenn das Wachstum innehält, weil
ein lebenswichtiger Nährstoff fehlt. Die Zellen von Bacillus, einem typischen Vertreter der endosporenbildenden
Bakterien, stellen ihr Wachstum ein und beginnen mit der Sporulation, wenn zum Beispiel ein wichtiger Nährstoff wie
Kohlenstoff oder Stickstoff zur Neige geht.

Die Endospore kann viele Jahre im Ruhestand verharren, aber sie kann sich relativ schnell in eine vegetative Zelle
zurückverwandeln. Dieser Vorgang läuft in drei Schritten ab: Aktivierung, Keimung und Auswachsen.

• Die Aktivierung setzt ein, wenn man Endosporen mehrere Minuten bei erhöhter, aber nicht abtötender
Temperatur erhitzt.

• Aktivierte Endosporen werden durch Zugabe spezifischer Nährstoffe zur Keimung angeregt, zum Beispiel durch
Zugabe von Aminosäuren. Die Keimung ist ein im Allgemeinen schnell ablaufender Vorgang (in der
Grössenordnung von mehreren Minuten), der mit dem Verlust der mikroskopischen Lichtbrechung, einer
besseren Anfärbbarkeit und dem Verlust der Resistenz gegenüber Hitze und Chemikalien einhergeht.

• Das Endstadium, das Auswachsen, bringt ein sichtbares Anschwellen in Folge von Wasseraufnahme und der
Synthese von RNA, Proteinen und DNA mit sich. Die Zelle tritt aus der zerbrochenen Sporenhülle hervor und
beginnt mit dem Wachstum. Sie verbleibt im Stadium des vegetativen Wachstums, bis Signale aus der Umwelt
wieder die Sporulation auslösen.

34
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 6: Sporenbildende Bakterien

6.3 Die Struktur von Endosporen



Endosporen sind unter dem Lichtmikroskop als stark lichtbrechende Strukturen gut sichtbar (Abbildung 6.1b).
Endosporen sind für die meisten Farbstoffe undurchlässig, so kann man sie gelegentlich als nicht gefärbte Regionen
innerhalb von Zellen erkennen, die mit basischen Farbstoffen wie Methylenblau gefärbt wurden.
Die Struktur der Endospore, wie man sie unter dem Elektronenmikroskop erkennt, unterscheidet sich erheblich von
der Struktur der vegetativen Zelle.
Vor allem ist die Endospore insofern komplexer, als sie viele Schichten besitzt, die der vegetativen Zelle fehlen. Die
äusserste Schicht, die manchmal fehlt, bezeichnet man als Exosporium, eine dünne Proteinhülle. Innerhalb dieser
liegen die Sporenhüllen, die aus Schichten sporenspezifischer Proteine bestehen. Unterhalb der Sporenhülle liegt die
Rindenschicht, der Cortex, der aus locker quervernetztem Peptidoglykan besteht und unter dem Cortex liegt der
„Kern", der die eigentliche Zellwand, die Cytoplasmamembran, das Cytoplasma, DNA, die Ribosomen und andere
wichtige Zellbestandteile enthält. Somit unterscheidet sich die Endospore strukturell von der vegetativen Zelle vor
allem durch die Strukturen, die ausserhalb der Zellwand des Kerns liegen (Abbildung 6.2).

Eine Substanz, die für Endosporen charakteristisch ist, den vegetativen Zellen aber fehlt, ist Dipicolinsäure (Abbildung
6.3), die sich im Sporenkern anhäuft. Endosporen sind ausserdem reich an Calciumionen von denen die meisten an
Dipicolinsäure gebunden sind. Der Calcium-Dipicolinsäure-Komplex macht ungefähr 10 % der Trockenmasse der
Endospore aus. Er hat die Aufgabe, freies Wasser in der Endospore zu binden und hilft ihr dadurch, sie zu
dehydratisieren.



Abbildung 6.2: Der Prozess der Sporenbildung. Die Stadien beruhen auf genetischen Untersuchungen und mikroskopischen
Analysen der Sporulation bei Bacillus subtilis, dem Modellorganismus für Untersuchungen zur Sporulation.


Abbildung 6.3: Dipicolinsäure (DPA). (a) Struktur von DPA. (b) Wie Ca2+ mit DPA-Molekülen durch Quervernetzung einen
Komplex bildet.

35
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 6: Sporenbildende Bakterien

6.4 Bacillus thuringiensis: Ein Bakterium im Kampf gegen Schädlinge


Neue Z}r⌅er Zeitung FORSCHUNG UND TECHNIK Mittwoch, 13.01.1993 Nr.9

wurden Naturisolate mit neuen Wirkungsspektren


entdeckt. Der aktuelle Stand der Forschung lässt
Schädlingskontrolle nach auf eine Vielfalt von einander sehr ähnlichen Pro-
teinen mit insektiziden Eigenschaften schliessen,
Mass die auf einem identischen Wirkungsprinzip basie-
ren. Umweltverträglichkeit und selektive Wirkung
Einsatz der biologischen Wirkstoffe blieben bisher in jedem Fall bewahrt.
von Bacillus thuringiensis
Bildung und Wirkung der Toxine
Von Peter Lüthy Bacillus thuringiensis gehört zu den
sporenbildenden Bakterien. Während des Über-
Das Bakterium Bacillus thuringiensis bildet Ei- gangs zum Sporen- oder Ruhestadium kommt es
weisse mit insektizider Wirkung. Diese er- zur Ausscheidung grosser Mengen einheitlicher
füllen vom ökologischen Gesichtspunkt aus alle Proteine, die sich zu einem Kristall zusammen-
Anforderungen, die an Schädlingsbekämp- lagern. Diese Proteinkristalle, oft die Form einer
fungsmittel gestellt werden. Dank Molekularbiolo- Bipyramide aufweisend, machen bis 30 Prozent
gie und Gentechnologie verzeichnete die der Zellmasse aus. Sie sind im Lichtmikroskop ge-
Erforschung dieser insektiziden Wirkstoffe wäh- rade noch sichtbar. Die Proteinkristalle sind Trä-
rend der letzten Jahre bedeutende Fort- ger des insektiziden Wirkstoffs.
schritte. Zur Entfaltung der Wirkung müssen eine Reihe
von Voraussetzungen erfüllt sein. Einmal haben
die Insekten die Proteinkristalle in genügenden
Langsame Entwicklung
Mengen (einige tausend) mit der Nahrung aufzu-
zum biologischen Insektizid
nehmen. Im Darm kommt es zur Auflösung der
Proteinkristalle durch die Verdauungssäfte. Die
Die erste Beschreibung von Bacillus thurin- freigesetzten Eiweissmoleküle werden durch Ver-
giensis geht auf den Anfang des Jahrhunderts zu- dauungsenzyme an speziellen Stellen gespalten.
rück. In Japan trat er sporadisch als unerwünsch- Die Spaltprodukte binden dann an spezifische
ter Krankheitserreger in Seidenraupenzuchten Rezeptoren an der Oberfläche der Darmwand.
auf. In Europa wurde das Bakterium in kranken Nach der Bindung lagern sie sich höchstwahr-
Mehlmotten gefunden, die aus einer Mühle in scheinlich so in die Zellmembran des
Thüringen stammten. Obwohl in der Folge ein- Darmepithels ein, dass die lebenswichtigen Funk-
zelne Forscher mit wechselndem Erfolg sich tionen der Darmwand durch Porenbildung zer-
immer wieder mit Bacillus thuringiensis beschäf- stört werden. Die Barriere zwischen dem Darm
tigten, dauerte es mehr als fünfzig Jahre, bis ein- und dem Innern des Insekts bricht zusammen.
deutig nachgewiesen wurde, dass ein während der Blutflüssigkeit und Darmsaft vermischen sich.
Sporenbildung ausgeschiedenes Protein für die Das Insekt geht innerhalb von 24 bis 48 Stunden
insektizide Wirkung verantwortlich ist. ein. Die verschiedenen Schritte im
Die Tatsache, dass von Bacillus thuringiensis Wirkungsablauf sind in der Abbildung schema-
ein insektizider Wirkstoff produziert wird, führte tisch dargestellt.
in der Folge zur Entwicklung kommerzieller Pro- Der Nachweis von Bindungsstellen für das
dukte. Die Firmen Abbott Laboratories und San- Toxin an Darmzellen empfindlicher Insekten-
doz waren die ersten bedeutenden Anbieter von larven war einer der entscheidenden Schritte bei
Präparaten auf der Basis von Bacillus thuringien- der Aufklärung der Wirkungsweise. Nur wenige
sis. Der Marktanteil blieb jedoch wegen der selek- nah verwandte Insektenarten, die immer der glei-
tiven Wirkung und der nicht immer optimalen chen Ordnung angehören, besitzen Bindungsstel-
Resultate äusserst bescheiden. Das Schwer- len für bestimmte Bacillus-thuringiensis-Toxine in
gewicht lag bei Einsätzen gegen Schädlinge im ihrem Darmepithel. Massgebend für die selektive
Forst und in Gemüsekulturen. Wirkung ist so einerseits die
Die Unsicherheit über die Zukunft von Bacil- Rezeptorbindungsstelle, andererseits das Toxin,
lus-thuringiensis-Präparaten endete vor knapp das an seiner Bindungsstelle eine bestimmte Ami-
zehn Jahren, als es mit Hilfe gentechnischer nosäuresequenz bzw. Konfiguration aufzuweisen
Methoden gelang, das erste für die Produktion hat.
des insektiziden Proteins verantwortliche Gen zu
isolieren und zu charakterisieren. Parallel dazu Vielfalt und Komplexität der Toxine


© 2005 Neue Zürcher Zeitung AG Blatt 1

36
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 6: Sporenbildende Bakterien
Neue Z}r⌅er Zeitung FORSCHUNG UND TECHNIK Mittwoch, 13.01.1993 Nr.9

Wirkung ist je nach Art und Ort des Einsatzes auf


Bacillus-thuringiensis-Isolate, die bis Mitte der Stunden bis wenige Tage begrenzt. Dies zwingt zu
siebziger Jahre gefunden wurden und auf denen häufigen Behandlungen mit den entsprechenden
die ersten Präparate beruhten, wirkten nur gegen Kostenfolgen oder dann zum Verzicht auf den
eine beschränkte Zahl von Schmetterlingsarten Einsatz von biologischen Produkten.
aus der Ordnung der Lepidopteren. Überraschend Es müssen also neue Wege gesucht werden, um
wurde 1976 in der Negev-Wüste aus einem die Stabilität der insektiziden Wirkstoffe zu ver-
Wassertümpel eine Bacillus-thuringiensis-Varietät bessern und diese in Bereiche einzubringen, wo
mit Wirkung gegenüber Stechmückenlarven iso- die Schädlinge ihre Nahrung vorzugsweise auf-
liert. Die als israelensis bezeichnete Varietät wird nehmen. Gentechnische Methoden bieten dazu die
heute kommerziell hergestellt und weltweit zur Möglichkeit. Die Gene, die für die Produktion
Eindämmung von Stechmückenplagen und zur von Kristallprotein zuständig sind, lassen sich
Kontrolle von Überträgern tropischer Infektions- leicht aus Bacillus thuringiensis herausholen und
krankheiten eingesetzt. Einige Jahre später wurde auf andere Bakterien übertragen. Bakterien, die
eine Varietät mit Wirksamkeit gegenüber Käfern mit diesen Genen ausgestattet wurden, produzie-
gefunden. Dies führte zu Produkten, die in erster ren Kristallprotein. Ein erstes Präparat, in wel-
Linie auf die Kontrolle des Kartoffelkäfers abzie- chem Bacillus thuringiensis durch ein anderes
len. Neu und noch wenig untersucht sind Bacil- Bakterium (Pseudomonas fluorescens) ersetzt wur-
lus-thuringiensis-Isolate mit selektiver Wirkung de, befindet sich in den USA auf dem Markt. Es
auf Nematoden. bietet höhere Stabilität, indem das Kristallprotein
Die Tatsache, dass Bacillus thuringiensis sich auf der Pflanzenoberfläche besser geschützt ist.
leicht aus Bodenproben isolieren lässt, hat die
Suche nach neuen Toxinen oder Das Problem der Resistenz
Toxinkombinationen erleichtert und stimuliert.
Die vielen Naturisolate, die sich in Forschungs- Eine Resistenzbildung gegenüber Bacil-
laboratorien angesammelt haben, verlangen nach lus-thuringiensis-Produkten wurde zuerst als un-
einer ausreichenden Klassifizierung. Eine vom wahrscheinlich gehalten. Dem ersten Bericht über
Bakterium losgelöste Einteilung der Kristall- Resistenz gegenüber einem Vorratsschädling in
proteine wurde 1989 eingeführt. Als Hauptkrite- Getreide wurde relativ wenig Aufmerksamkeit ge-
rien werden die Wirkungsspektren der Toxine und schenkt. Erst als hohe Resistenz aus
deren Gensequenzen berücksichtigt. Zurzeit sind Kohlanbaugebieten in Südostasien gegenüber der
sechs sogenannte Cry-Klassen bekannt. Die Klas- Kohlmotte (Plutella xylostella) gemeldet wurde,
sen Cry I bis Cry IV sind gegenüber Insekten realisierte man die Gefahr, welcher das zurzeit
wirksam, während die kürzlich beschriebenen beste biologische Schädlingsbekämpfungsmittel
Cry-V- und Cry-VI-Klassen gegen Nematoden ausgesetzt ist.
aktiv sind. Klassiert sind heute über 30 Die Handhabung des Resistenzproblems ist
Toxingene, die sich in ihrer Sequenz unterschei- heute Gegenstand weltweit koordinierter Pro-
den. gramme, an denen sich private Unternehmen und
öffentliche Institutionen beteiligen. Die Chancen,
Die Grenzen konventioneller Präparate die Resistenz in den Griff zu bekommen, stehen
gut. Die Ursache der Resistenz liegt auf dem
Der Anwendung klassischer Bacil- Niveau der Rezeptoren in der Insektendarmwand.
lus-thuringiensis-Präparate sind enge Grenzen ge- Die Rezeptoren scheinen sich so verändert zu
setzt. Damit die Proteinkristalle in genügender haben, dass die Toxine nicht mehr zu binden ver-
Menge mit der Nahrung aufgenommen werden, mögen. Man weiss aber, dass Insekten in ihrer
ist eine direkte Behandlung der Standorte und Darmwand verschiedene Rezeptortypen aufwei-
Zonen notwendig, in welchen sich die sen. Sie werden von unterschiedlichen Toxinen
Zielinsekten aufhalten. Im Bereich der Landwirt- erkannt, die in ihrer Gen- bzw.
schaft werden nur Schädlinge erfasst, die sich auf Aminosäuresequenz differieren. Durch Auswahl
der Oberfläche von Kulturpflanzen entwickeln. Im geeigneter Toxingene und/oder der Konstruktion
Fall der Stechmückenbekämpfung müssen mit neukombinierter Gene mit geeigneten
den Präparaten die Wasserzonen erreicht werden, Rezeptorbindungsstellen sollte es gelingen, das
in denen die Larvenstadien nach Nahrung Resistenzproblem in Schach zu halten.
suchen.
Umwelteinflüsse, so etwa Der Einbau von Kristallproteingenen
Ultravioletteinstrahlung, führen zu einer ver- in Kulturpflanzen
gleichsweisen raschen Reduktion der Wirksamkeit
von Bacillus-thuringiensis-Präparaten. Deren


© 2005 Neue Zürcher Zeitung AG Blatt 2

37
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 6: Sporenbildende Bakterien

Neue Z}r⌅er Zeitung FORSCHUNG UND TECHNIK Mittwoch, 13.01.1993 Nr.9

Es liegt auf der Hand, dass intensiv versucht Mensch und Umwelt bisher als sicher erwiesen.
wird, Kristallproteingene in Kulturpflanzen ein- Dies haben die Sicherheitsprüfungen ergeben,
zubauen. Damit sollen Schädlinge erfasst werden, welche mindestens so strengen Anforderungen zu
die mit konventionellen Bacil- genügen hatten wie für chemische Insektizide.
lus-thuringiensis-Produkten nicht zu erreichen Die Erstregistrierungen für Bacil-
sind. Als Beispiel sei der Maiszünsler (Ostrinia lus-thuringiensis-Produkte erfolgten hauptsäch-
nubilalis) angeführt, der sich im Innern der Mais- lich in den USA durch die Environmental Protec-
pflanze entwickelt und der mit konventionellen tion Agency (EPA).
Präparaten von Bacillus thuringiensis kaum zu Die von der EPA festgelegten Prüfkriterien
kontrollieren ist, obwohl er im Labortest emp- wurden auch von den europäischen Ländern, ein-
findlich reagiert. geschlossen die Schweiz, übernommen. Da übli-
Ein weiteres Beispiel in dieser Richtung sind che Feldkonzentrationen bei der Sicherheits-
Bestrebungen, Kristallproteingene in Algen einzu- prüfung auf Nichtzielorganismen keine mess-
führen, die Überträgern tropischer Krankheiten baren Wirkungen zeigten, wurde auf
als Nahrungsquelle dienen. Betreffende For- Maximalmengen basiert, mit denen Mensch, Tier
schungsarbeiten sind recht weit fortgeschritten oder Umwelt in Kontakt kommen könnten. Auch
und werden von der Weltgesundheitsorganisation solche Tests bestätigten die Sicherheit von Bacil-
unterstützt. Eine permanente und flächendecken- lus thuringiensis, so dass eine Freigabe praktisch
de Kontrolle der in kleinsten und versteckten ohne Einschränkungen für den Schutz landwirt-
Wasserstellen brütenden Überträgerpopulationen schaftlicher Kulturpflanzen, für den Einsatz im
wird als notwendiger Teil einer integrierten Be- Forst und zur Kontrolle von Stechmückenlarven
kämpfungsstrategie betrachtet. im Wasser erfolgte.
Der Einbau von Kristallproteingenen in Tabak Von den zuständigen eidgenössischen Behör-
und Tomaten ist relativ einfach. Beide mit den den wurde sogar das Naturschutzreservat Bolle di
Fremdgenen versehenen Pflanzenarten produ- Magadino (Tessin) zur Behandlung mit Bacillus
zierten den insektiziden Wirkstoff in genügenden thuringiensis freigegeben, um die jährlich wieder-
Mengen, um einen ausreichenden Schutz vor kehrenden Stechmückenplagen unter Kontrolle
Insektenbefall zu gewährleisten. Die Ausstattung zu bringen. Der Erfolg der nun seit fünf Jahren
von Maispflanzen mit Kristallproteingenen könn- durchgeführten Stechmückenkontrolle war sehr
te die namhaften Ertragsverluste, die weltweit gut. Die Bewilligung für den Einsatz von Bacil-
durch Maiszünslerbefall hervorgerufen werden, lus-thuringiensis-Produkten wird nur deshalb er-
reduzieren. Der Einbau von Fremdgenen in teilt, weil die Wirksubstanz von Bacillus thurin-
Maispflanzen ist aber schwierig und benötigt giensis nur die im Wasser lebenden Larven der
schrittweise Vorversuche. Diese schliessen Expe- Stechmücken erfasst und das übrige Ökosystem
rimente im Gewächshaus wie im Freiland ein, um unbeeinflusst lässt.
Verhalten und Stabilität von eingebauten Fremd- Die hohe Sicherheit der insektiziden Proteine
genen zu prüfen. lässt sich auch aus dem Wirkungsmechanismus
Die ersten zwei Feldversuche mit Kulturpflan- ableiten. Das Kristallprotein hat eine Kaskade
zen, die Kristallproteingene enthielten, wurden in von Modifikationen zu durchlaufen, bis es
den USA 1986 durchgeführt. Die Gesamtzahl schliesslich seine insektizide Wirkung im
stieg bis 1991 auf über 60 Feldversuche. Da es Insektendarm entfalten kann. Zudem müssen in
sich um natürliche Gene handelt, deren Produkte der Darmwand die passenden Rezeptoren vor-
sich durch Umweltverträglichkeit auszeichnen, handen sein. Es wurde auch nachgewiesen, dass
stösst die Erteilung behördlicher Bewilligungen zum Beispiel bei Ratten Rezeptoren fehlen, an
auf keine Schwierigkeiten. In Europa wurden welche das aktivierte Kristallprotein binden
Freilandversuche in Frankreich, England, Belgien könnte. Da die Kristallproteine von Bacillus thu-
und Holland durchgeführt. ringiensis sämtliche Sicherheitsanforderungen ge-
genüber Mensch, Tieren und Umwelt erfüllen, ist
Sicherheit auch die Ausstattung von Kulturpflanzen mit den
der Bacillus-thuringiensis-Produkte entsprechenden Genen von Bacillus thuringiensis
vertretbar.
Die Höhe der Sicherheit sowie das Verhältnis
zwischen Risiko und Nutzen entscheiden über die
Verwendung von Produkten, die zur notwendigen
Begrenzung von Insekten eingesetzt werden. Die
Der Autor ist Titularprofessor am Mikrobiologischen Institut
von Bacillus thuringiensis gebildeten der ETH Zürich, Schmelzbergstrasse 7, 8092 Zürich.
insektentoxischen Proteine haben sich gegenüber



© 2005 Neue Zürcher Zeitung AG Blatt 3

38
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 6: Sporenbildende Bakterien

6.4.1 Aufgaben / Fragen zum Text



1. Erkläre den Zusammenhang zwischen der Sporenbildung von Bacillus thuringiensis (Bt) und der Auswirkung auf
ausgewählte Insekten.

2. Die Bt Wirkung gegenüber ausgewählten Schädlingen ist sehr selektiv, das heisst, das Toxin wirkt nur gegen eine
sehr eng begrenzte Gruppe von Tieren oder sogar nur gegen eine einzelne Art.
Auf welcher zellbiologischen Grundlage basiert diese Tatsache?

3. Erkläre konkret, wie das Toxin gegenüber Schädlingen wirkt.

4. Diskutiere ökologische als auch wirtschaftliche Probleme der Bt – Anwendung.

5. Zeige den Zusammenhang zwischen Gentechnologie und Bt auf.

6. Erkläre das Problem der Resistenzbildung von Schädlingen gegenüber dem Bt – Toxin.

7. Wieso versucht man das Bt – Gen in höhere Pflanzen einzubauen?



6.4.2 Bemerkung zum Bearbeiten der Aufgaben / Fragen

• Die Antworten zu den Fragen sind direkt dem Text zu entnehmen, das heisst, die Fragen sind artikelspezifisch.

• Die Antwort ist schriftlich zu notieren, der Umfang pro Antwort liegt im Bereich von drei bis sechs Sätzen.

• Die Arbeit kann allein oder im Zweierteam erledigt werden.

• Im Anschluss an die Arbeit erfolgt eine erweiterte Diskussion zum Thema und zu angrenzenden Gebieten im
Plenum.


39
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 6: Sporenbildende Bakterien

6.5 Clostridium botulinum: Der Erzeuger von einem der stärksten Gifte überhaupt

6.5.1 Übersicht

Clostridium botulinum ist ein stäbchenförmiges Bakterium und produziert eines der stärksten Gifte (ein Exotoxin;
vergleiche dazu Endotoxin, Abschnitt 5.2.5), das man kennt, das sogenannte Botulinumtoxin. Das Gift beeinträchtigt
die Übertragung von Nervenimpulsen auf Muskeln. Heutzutage kann und wird das Gift auch zu medizinischen und
kosmetischen Zwecken eingesetzt (Botox!).

Sind Nahrungsmittel - vor allem solche, die in Konserven gehalten werden- vorgängig nicht ausreichend sterilisiert
worden, so kann sich das Gift aufgrund von noch vorhandenen und lebendigen Bakterien bilden. Ein auffälliges
Merkmal bei Konservendosen ist die Wölbung der Konservendeckel nach aussen, der durch den aufgebauten
Innendruck entsteht. Der Innendruck ist auf durch die Bakterien produzierte Gase zurückzuführen.

Die letale Dosis wird mit 0,01 mg (10 µg) für einen Erwachsenen bei oraler Anwendung angegeben. Intravenös
gegeben sind für einen Menschen schon 0,003 µg, also 3 Nanogramm tödlich. Anders ausgedrückt, mit 3 Gramm des
Gifts könnten eine Milliarde Menschen getötet werden.



6.5.2 Wirkungsweise

Das Gift bindet an die präsynaptischen Membranen auf den Enden der stimulierenden Motoneurone an der
neuromuskulären Synapse und blockiert dadurch die Freisetzung von Acetylcholin. Zur normalen Übertragung eines
Nervenimpulses an eine Muskelzelle ist die Wechselwirkung zwischen Acetylcholin und einem Muskelrezeptor
erforderlich; das Botulinumtoxin verhindert, dass der vergiftete Muskel das anregende Acetylcholinsignal empfängt
(Abbildung 6.4). Daher findet keine Muskelkontraktion statt, was zur Muskellähmung und zum Tod durch Ersticken
führt.



Abbildung 6.4: Die Wirkungsweise des Botulinumtoxins von Clostridium botulinum. (a) Nach Stimulierung der peripheren
Nerven und der Hirnnerven wird Acetylcholin (A) im Allgemeinen aus den Vesikeln der neuronalen Stellen der motorischen
Endplatte freigesetzt. Acetylcholin bindet dann an die spezifischen Rezeptoren, was zur Kontraktion führt. (b) Botulinumtoxine
wirken an der motorischen Endplatte und verhindern die Freisetzung von Acetylcholin (A) aus den Vesikeln, so dass es keinen
Stimulus für die Muskelfasern gibt. Dies führt zu einer irreversiblen Relaxation der Muskeln und zur Muskellähmung.




6.5.3 Aufgabe / Frage: Was hat ein so starkes Gift in der Kosmetikindustrie verloren?

40
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 6: Sporenbildende Bakterien

6.6 Clostridium tetani: Verantwortlich für den Wundstarrkrampf



Das Tetanospasmin ist das wichtigste der von Clostridium tetani gebildeten Exotoxine. Es wird teils aktiv von den
Bakterien sezerniert (deshalb der Name „Exo: nach aussen), teils wird es bei Lyse von Bakterien freigesetzt.
Aufgenommen wird das Gift, weil Sporen von Clostridium tetani in eine Wunde oder sonst in den Körper (zum Beispiel
in einen schmutzigen Nagel treten) gelangen. Im verletzten Gewebe herrschen oft sauerstoffarme Bedingungen vor,
was ein Auskeimen der Sporen zu vegetativen Zellen ermöglicht. Dadurch wird auch das Gift freigesetzt.

Es wirkt direkt neurotoxisch. Das Toxin hemmt in bestimmten Nervenzellen die Freisetzung von Botenstoffen (zum
Beispiel Glycin), welche eine Muskelentspannung bewirken (Abbildung 6.5). Somit erfolgt eine Dauerkontraktion der
Muskulatur, was sich schlussendlich in einem Krampf und letzten Endes in einer Lähmung äussert. Unbehandelt
erfolgt der Tod durch Ersticken.
Eine aktive Impfung ist möglich und dringend zu empfehlen.



Abbildung 6.5: Wirkungsweise des Tetanustoxins. Links ist die normale, physiologische Situation dargestellt, rechts die Situation
bei einer Tetanusvergiftung.



Tabelle 6.1: Merkmale von Exotoxinen und Endotoxinen.



41
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 7: Mikrobielles Wachstum

7 Das Wachstum von Bakterien




7.1 Grundsätzliches zum Wachstum von Bakterien

Bakterien wachsen durch Zweiteilung. Eine Zelle teilt sich und es entstehen daraus zwei Tochterzellen. Diese zwei
Tochterzellen wiederum wachsen zu „erwachsenen“ Zellen heran und können sich ihrerseits teilen. Auf diese Art
entstehen pro Tochterzelle wiederum zwei neue Tochterzellen usw.
Abbildung 7.1 auf der linken Seite zeigt diesen Vorgang schematisch auf. Nach n erfolgten Teilungen liegen
folgedessen 2n Zellen vor.
Die rechte Teilabbildung zeigt die Anzahl Zellen, die theoretisch nach 10 Stunden Teilung vorliegen.




Abbildung 7.1: Wachstum bei Bakterien. Links ist die Zellteilung und Vermehrung dargestellt. Auf der rechten Seite ist die
Wachstumsdynamik dargestellt.




7.1.1 Aufgabe / Frage: Wachstum von Bakterien

Setzt man nun für n die Werte 4, 8, 12, 14 usw. ein, liegen immer der Formel entsprechend Zellen vor.
Dies stimmt aber nicht immer. In Labors wachsen Bakterien in Kulturgefässen. Irgendwann einmal, sagen wir nach 48
Stunden und etwa 100 Teilungen stimmt diese Formel nicht mehr, das heisst, es liegen nicht 2100 Zellen vor.

• Liegen eher mehr oder eher weniger Zellen vor?
• Kannst du dir vorstellen, wieso das so ist?
• Notiere eine begründete Antwort dazu. Du arbeitest alleine oder im Zweierteam.



7.1.2 Antwort / Lösung

42
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 7: Mikrobielles Wachstum

7.2 Eine typische Wachstumskurve von Bakterien




















Abbildung 7.2: Wachstumskurve. Vier Phasen sind von Bedeutung.


Tabelle 7.1: Wachstumskurve. Charakterisierung der einzelnen Phasen einer typischen Wachstumskurve.

Phase Beschreibung

Anlaufphase






Exponentielle Phase






Stationäre Phase






Absterbephase







43
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 7: Mikrobielles Wachstum

7.3 Aufgabe / Frage: Das Wachstum von Bakterien hängt sowohl von der Quantität als auch von
der Qualität des Nahrungsangebots ab

7.3.1 Einleitung

Zwei Bakterienstämme (Stamm A und Stamm B) wachsen in einer statistischen Kultur (Abbildung 7.3). Statistische
Kultur bedeutet, dass die räumlichen Bedingungen nicht verändert werden. Es werden auch keine Stoffe während der
gesamten Wachstums- und Absterbephase hinzugeführt oder entfernt.
Den Bakterien stehen zwei verschiedene Substanzen als Energiequellen (sprich: Nahrungsmittel) zur Verfügung: Die
Substanz 1 und die Substanz 2.

Die x-Achse stellt die Zeitachse dar.
Auf der y-Achse kann die relative Menge an Bakterien A und B, sowie der Substanzen 1 und 2 abgelesen werden.

Substanz 1
relative Bakterienkonzentration/Stoffkonzentration

Substanz 2

Bakterienstamm A

Bakterienstamm B

t1 t2 t3 Zeit

Abbildung 7.3: Wachstumsdynamik. Das Wachstum von zwei Bakterienstämmen in Abhängigkeit von zwei verschiedenen
Substraten




7.3.2 Darstellung der Resultate und Diskussion

Das Diagramm ist nach folgenden Kriterien schriftlich alleine oder im Team zu bearbeiten.

• Was kann man zu den Zeitpunkten t1, t2 und t3 über die zwei Bakterienstämme sowie über die zwei Substanzen
sagen? Dies sind die Resultate. Hinweis: Resultate können direkt aus dem Diagramm herausgelesen werden.

• Danach werden die Resultate diskutiert (eine Vermutung, eine Erklärung im Sinn von: „Aufgrund der
Erkenntnisse zum Zeitpunkt t2 kann es sein..., lässt sich sagen..., ist offensichtlich, dass...).

• Die Interpretation der Resultate führt schliesslich zu einer Schlussfolgerung.

44
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 7: Mikrobielles Wachstum

7.3.3 Resultate

Zeitpunkt Resultate

t1







t2







t3









7.3.4 Diskussion

45
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 7: Mikrobielles Wachstum

7.4 Der Einfluss von abiotischen Faktoren auf das bakterielle Wachstum

7.4.1 Temperatur

Die Temperatur ist der wohl wichtigste abiotische Faktor, der das Wachstum
und somit das Überleben von Bakterien beeinflusst (Abbildung 7.4).

Die Teilabbildung auf der linken Seite zeigt die Auswirkungen der Temperatur
auf die Wachstumsgeschwindigkeit sowie die molekularen Folgen in der Zelle.
Wie auch bei den Tieren und den Pflanzen, so gibt es auch bei den Bakterien
Organismen, die in sehr kalten aber auch in sehr warmen Biotopen leben. Die
Spannweite zwischen den beiden Extrema beträgt rund 100°C, die untere
Teilabbildung verdeutlicht das.
Dies ist insofern bemerkenswert, weil bei allen Organismen die Biomoleküle
aus den gleichen Substanzen bestehen. Dennoch sorgen feine molekulare
Anpassungen in den jeweiligen Molekülen dafür, dass die Moleküle
funktionsfähig bleiben und somit können die Organismen bei den
entsprechenden Bedingungen leben.

Abbildung 7.4: Die Temperatur als abiotischer Faktor. Oben ist der Einfluss der Temperatur auf die Wirkungsweise von
Enzymen dargestellt. Unten werden aufgrund der Temperaturvorlieben Bakterien in verschiedenen Thermogruppen eingeteilt.




7.4.2 Aufgabe / Frage: RGT und Optimumskurven

Bringe die vorliegenden Daten aus Abbildung 7.4 mit den aus der Ökologie bekannten Begriffen „RGT-Regel“ und
„Optimumskurve“ in einen sinnvollen Zusammenhang. Notiere deine Überlegungen in ein paar Sätzen an dieser Stelle.



7.4.3 Antwort / Lösung

46
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 7: Mikrobielles Wachstum

7.4.4 Wasserstoffionenkonzentration: pH - Wert



Die Azidität oder Alkalität einer Lösung wird durch den pH
- Wert angegeben. Dabei bedeutet ein Wert von 7
Neutralität. Unterhalb von 7 wird es zunehmend saurer,
darüber wird es basischer (Abbildung 7.5).
Wichtig zu wissen ist, dass der pH - Wert eine
logarithmische Funktion ist. Eine Veränderung um eine pH
- Einheit bedeutet eine zehnfache Veränderung der
Wasserstoffionenkonzentration.

Die meisten Bakterien bevorzugen pH - Werte zwischen 5
und 7. Abweichungen in beide Richtungen sind aber
möglich. So gibt es Bakterien, die Sulfidmineralien
oxidieren und dabei Schwefelsäure produzieren, dadurch
wird ihr Milieu sauer.

Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang die folgende
Tatsache. Auch wenn die Bakterien unter extrem sauren
oder basischen Bedingungen leben, ihr intrazellulärer pH -
Wert muss nahezu neutral bleiben, ansonsten würden die
oftmals säureempfindlichen Moleküle wie Proteine und
DNA sofort Schaden nehmen

Abbildung 7.5: pH -Skala. Der Wert 1 ist sehr sauer, 14 ist sehr
alkalisch.

7.4.5 Salzkonzentration

Es gibt Bakterien, die bei sehr hohen Salzkonzentrationen gut leben
können, andere können das nicht. Extrem salzliebende Bakterien, also
so genannt halophile Bakterien, können in Biotopen leben, in denen
Salzkonzentrationen von bis zu 30 % herrschen (Abbildung 7.6).
Nun gibt es aber ein Problem. Normalerweise, damit sind nicht
salzliebende Bakterien gemeint, ist das Cytoplasma höher an gelösten
Stoffen konzentriert als die Umgebung. Osmotisch bedingt strömt nun
Wasser in die Zelle hinein. Somit ist die Wasserversorgung
gewährleistet.



Abbildung 7.6: Salz als abiotischer Faktor. Nur wenige Bakterien können bei hohen Salzkonzentrationen leben.




7.4.5.1 Aufgabe / Frage: Leben auf Salzseen

Auch extrem halophile Bakterien brauchen Wasser zum Überleben. Jedoch übersteigen die Salzkonzentrationen in der
Umgebung die des Cytoplasmas massiv. Ein Wasseraustritt wäre die Folge, das Bakterium würde sterben. Dagegen
haben die Bakterien aber etwas entwickelt, sonst würden sie ja nicht in diesen Biotopen leben, respektive überleben.
Wie könnte diese Strategie aussehen?



7.4.5.2 Antwort / Lösung

47
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 7: Mikrobielles Wachstum

7.5 Praktikum: Wieviele Zellen kommen in einem Gramm Hefe vor?



Den hier vorliegenden Würfel Backhefe kann man im Grossverteiler für etwa 50
Rappen kaufen. Er besteht aus einer riesigen Anzahl einzelner Zellen. Wir wollen an
dieser Stelle genau wissen, um wieviel Zellen es sich handelt. Um auf diese Zahl zu
kommen, bedienen wir uns der Methode der Verdünnungsreihe.

7.5.1 Einleitung: Wann macht man eine Verdünnungsreihe und was ist eine Verdünnungsreihe?

Will man eine Lösung für eine Untersuchung der Konzentrationsabhängigkeit öfterns verdünnen, so macht man eine
Verdünnungsreihe (Abbildung 7.7).

Gegeben sei eine Probesuspension, zum Beispiel eine Gewässer- oder Bodenprobe, oder eben ein Stück Hefe. Man
möchte herausfinden, wieviele Keime respektive Zellen sich in der Probe befinden.

Man entnimmt zum Beispiel 1 ml der Probesuspension und gibt diese Menge in ein Reagenzglas, in dem sich 9 ml
steriles Leitungswasser (für den vorliegenden Versuch das ideale Verdünnungsmittel) befinden. Das ist die erste
Verdünnung (10-1). Von dieser entnimmt man wiederum 1 ml und überführt diese Menge in ein zweites
Reagenzglas, indem sich ebenfalls 9 ml steriles Leitungswasser befinden. Das ist die zweite Verdünnung (10-2).
Das führt man solange weiter, bis die geeignete/gewünschte Verdünnung vorliegt.

Um Zeit und Material zu sparen, kann man auch zu Beginn der Reihe in/mit 100er Verdünnungsschritten arbeiten.
Das bedeutet, dass von der Probesuspension 1 ml entnommen wird und in einem Erlenmeyerkolben überführt
wird, indem sich 99 ml steriles Leitungswasser befinden. Dieser erste Schritt hat dann einen Verdünnungsfaktor
von 10-2. Im nächsten Schritt entnimmt man dieser Verdünnung 1 ml und überführt die Mengen in einen zweiten
Erlenmeyerkolben, in welchem sich 99 ml steriles Leitungswasser befinden. Nun liegt bereits eine Verdünnung
von 10-4 vor.



Abbildung 7.7: Beispiel einer Verdünnungsreihe. Herstellung einer dezimalen Verdünnungsreihe, also lauter Zehnerschritte.

48
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 7: Mikrobielles Wachstum

7.5.2 Material und Methoden



7.5.2.1 Material

Bäckerhefe, Erlenmeyerkolben, Bechergläser, Reagenzgläser, Reagenzglasgestelle, Glasstäbe, Socorex- Pipetten inkl.
passende Spitzen, Vortex, steriles Leitungswasser, LB-Agarplatten, Drigalskispatel, Ethanol zum Abflammen,
Bunsenbrenner, Parafilm



7.5.2.2 Herstellung Probesuspension

1. 1 g Hefe werden genaustens abgewogen und die Probe wird in ein Reagenzglas überführt, indem sich 9 ml
steriles Leitungswasser befinden.

2. Die Probe mit Glasstab und Vortex sehr gut homogenisieren.



7.5.2.3 Herstellung der Verdünnungsreihe: Vorbereitungen

1. In einen 250 ml Erlenmeyerkolben werden 99 ml steriles Leitungswasser gegeben. Das ist die Verdünnung 10-2.

2. In einen zweiten 250 ml Erlenmeyerkolben werden 99 ml steriles Leitungswasser gegeben. Das ist die
Verdünnung 10-4.

3. In ein erstes Reagenzglas werden 9 ml steriles Leitungswasser gegeben. Das ist die Verdünnung 10-5.

4. In ein zweites Reagenzglas werden 9 ml steriles Leitungswasser gegeben. Das ist die Verdünnung 10-6.

5. In ein drittes Reagenzglas werden 9 ml steriles Leitungswasser gegeben. Das ist die Verdünnung 10-7.

6. In ein viertes Reagenzglas werden 9 ml steriles Leitungswasser gegeben. Das ist die Verdünnung 10-8

7. In ein fünftes Reagenzglas werden 9 ml steriles Leitungswasser gegeben. Das ist die Verdünnung 10-9.

8. In ein sechstes Reagenzglas werden 9 ml steriles Leitungswasser gegeben. Das ist die Verdünnung 10-10.



7.5.2.4 Durchführen der Verdünnungsreihe

1. Die Probesuspension wird mit dem Vortex gut geschüttelt. Danach werden mit der Socorexpipette 1 ml in
den ersten Erlenmeyerkolben überführt. Mit sterilem Glasstab und Vortex gut resuspendieren.

2. Vom ersten Erlenmeyerkolben werden mit der Socorexpipette 1 ml entnommen und in den zweiten
Erlenmeyerkolben überführt. Mit sterilem Glasstab und Vortex gut resuspendieren.

3. Vom zweiten Erlenmeyerkolben werden mit der Socorexpipette 1 ml entnommen und in das erste
Reagenzglas überführt. Mit dem Vortex gut resuspendieren.

4. Vom ersten Reagenzglas werden mit der Socorexpipette 1 ml entnommen und in das zweite Reagenzglas
überführt. Mit dem Vortex gut resuspendieren.

5. Vom zweiten Reagenzglas werden mit der Socorexpipette 1 ml entnommen und in das dritte Reagenzglas
überführt. Mit dem Vortex gut resuspendieren.

6. Vom dritten Reagenzglas werden mit der Socorexpipette 1 ml entnommen und in das vierte Reagenzglas
überführt. Mit dem Vortex gut resuspendieren.

7. Vom vierten Reagenzglas werden mit der Socorexpipette 1 ml entnommen und in das fünfte Reagenzglas
überführt. Mit dem Vortex gut resuspendieren.

8. Vom fünften Reagenzglas werden mit der Socorexpipette 1 ml entnommen und in das sechste
Reagenzglas überführt. Mit dem Vortex gut resuspendieren.

49
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 7: Mikrobielles Wachstum

7.5.2.5 Ausplattieren

1. Beschrifte drei LB- Agarplatten am Boden mit dem Gruppennamen.
Die erste Platte wird mit „Platte 1, Verdünnung 10-8“, die Zweite mit „Platte 2, Verdünnung 10-9“ und die
Dritte mit „Platte 3, Verdünnung 10-10“ beschriftet.

2. Pipettiere mit der Socorexpipette 100 μl aus Reagenzglas 4 auf die Platte 1. Zuvor soll der Inhalt von
Reagenzglas 4 noch einmal mit dem Vortex gut gemischt werden.

3. Pipettiere mit der Socorexpipette 100 μl aus Reagenzglas 5 auf die Platte 2. Zuvor soll der Inhalt von
Reagenzglas 5 noch einmal mit dem Vortex gut gemischt werden.

4. Pipettiere mit der Socorexpipette 100 μl aus Reagenzglas 6 auf die Platte 3. Zuvor soll der Inhalt von
Reagenzglas 6 noch einmal mit dem Vortex gut gemischt werden.

5. Verteile die 100 μl gleichmässig auf der jeder Platte mit dem Drigalskispatel. Der Spatel ist bei jeder Platte zu
sterilisieren: In Alkohol eintauchen und kurz abflammen, anschliessend bis zur vollständigen Abkühlung
warten, das dauert etwa 45 Sekunden.

6. Die Platten werden einen Streifen Parafilm abgedichtet.

7. Die Platten werden bei 30 Grad für zwei Tage inkubiert, die Auswertung erfolgt in der nächsten Stunde.



7.5.3 Resultate

1. Zähle die Kolonien, die auf den Platten gewachsen sind. Jede einzelne Kolonie ist auf eine einzige Hefezelle
zurückzuführen (durch x – maliges Teilen ist eine gut sichtbare Kolonie entstanden).

Anzahl Kolonien auf Platte 1:___________

Anzahl Kolonien auf Platte 2:___________

Anzahl Kolonien auf Platte 3 :___________


Die Anzahl Hefezellen pro Gramm Hefewürfel erhält man, indem man die Anzahl der Kolonien dem
Verdünnungsfaktor (= dem reziproken Wert des Verdünnungsverhältnis) multipliziert und durch das bei der Zählung
eingesetzte Volumen (in ml, also 0.1 ml) dividiert. Das Ergebnis wird noch mit Faktor 10 multipliziert (die
Probesuspension wurde anfänglich 1:10 verdünnt).


2. Wieso hat man überhaupt drei Verdünnungen ausplattiert?

3. Wurden alle ausplattierten Hefezellen erfasst?

4. Wie viele Hefezellen befanden sich demnach in einem Gramm Hefe? Berechne das anhand der oben
ermittelten Kolonien und mit Hilfe der gemachten Verdünnungsschritte.



7.5.4 Diskussion

50
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

8 Physikalische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums




In diesem Abschnitt werden wir Methoden der mikrobiellen Kontrolle betrachten, die in vitro eingesetzt werden. Im
diesem folgenden Kapitel werden wir uns dann mit antimikrobiellen Medikamenten beschäftigen, die zur Behandlung
beim Menschen und bei Tieren dienen.
Physikalische Methoden werden in der Industrie, der Medizin und im Privathaushalt eingesetzt, um eine mikrobielle
Dekontaminierung, Desinfektion und Sterilisation durchzuführen. Zur Zerstörung oder Entfernung von
Mikroorganismen werden häufig Hitze, Strahlung und Filtrierung genutzt. Diese Methoden verhindern mikrobielles
Wachstum oder dekontaminieren Regionen oder Materialien, die den Mikroorganismen als Habitate dienen.



8.1 Sterilisation durch Hitze

Die vielleicht am häufigsten eingesetzte Methode zur Kontrolle mikrobiellen Wachstums ist der Einsatz von Hitze als
Sterilisationsmethode. Zu den Faktoren, die sich auf die Empfindlichkeit eines Mikroorganismus gegenüber Hitze
auswirken, gehören die Temperatur und die Dauer der Hitzebehandlung und der Umstand, ob es sich um trockene
oder feuchte Wärme handelt. Alle Mikroorganismen besitzen eine maximale Wachstumstemperatur, jenseits derer
ihre Lebensfähigkeit abnimmt (siehe Kapitel 7). Mikroorganismen verlieren bei sehr hohen Temperaturen ihre
Lebensfähigkeit, weil Struktur und Funktion der meisten Makromoleküle verloren geht, ein Vorgang, den man als
Denaturierung bezeichnet.



8.1.1 Wirksamkeit von Hitze als Sterilisator

Die Wirksamkeit von Hitze als Sterilisator wird anhand der Zeit gemessen, die für eine zehnfache Verringerung der
Lebensfähigkeit einer mikrobiellen Population bei einer bestimmten Temperatur erforderlich ist. Dies ist die dezimale
Reduktionszeit oder D. Im Rahmen der Temperaturen, die man im Allgemeinen benötigt, um Essen zuzubereiten
(Kochen oder Aufwärmen von Lebensmitteln aus der Dose) ist das Verhältnis zwischen D und Temperatur
exponentiell; der Logarithmus von D, der gegen die Temperatur aufgetragen wird, ergibt eine Gerade (Abbildung 8.1).











Abbildung 8.1: Die Wirkung der Temperatur über einen Zeitraum auf die
Lebensfähigkeit eines mesophilen Bakteriums. Die dezimale
Reduktionszeit D ist die Zeit, nach der nur 10 % der Ausgangspopulation von
Organismen bei einer bestimmten Temperatur lebensfähig bleiben.













Abbildung 8.2: Die Beziehung zwischen Temperatur und der
Geschwindigkeit des Abtötens von Mesophilen und Thermophilen. Die
Daten wurden aus dezimalen Reduktionszeiten D bei mehreren verschiedenen
Temperaturen gewonnen, wie in Abbildung 8.1.

51
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

8.1.1.1 Aufgaben / Fragen



Lege für die beiden oben dargestellten Abbildungen die Daten dar und diskutiere sie. In Abbildung 8.2 ist sodann zu
bestimmten, bei welcher Gerade es sich um einen mesophilen und bei welcher Geraden es sich um einen
thermomophilen Keim handelt.



8.1.1.2 Antworten / Lösungen

Resultate aus Abbildung 8.1







Diskussion zu Abbildung 8.1







Resultate aus Abbildung 8.2







Diskussion zu Abbildung 8.2










8.1.2 Die wohl bekannteste Hitze-Sterilisationsmethode: Das Pasteurisieren

Bei der Pasteurisierung arbeitet man mit genau kontrollierter Hitze, um die Anzahl der Mikroorganismen zu
verringern, die sich in der Milch und anderen hitzesensitiven Flüssigkeiten befinden. Der Vorgang, benannt nach Louis
Pasteur, wurde erstmalig zur Kontrolle des Verderbens von Wein eingesetzt. Bei der Pasteurisierung werden nicht
alle Mikroorganismen abgetötet und daher handelt es sich eigentlich nicht um eine Sterilisationsmethode. Allerdings
verringert man mit Hilfe der Pasteurisierung die mikrobielle Belastung, die Anzahl lebensfähiger Mikroorganismen in
einer Probe. Bei den Temperaturen und Zeiten, die man für die Pasteurisierung von Lebensmitteln wie Milch benötigt,
werden pathogene Bakterien abgetötet. Des Weitern verzögert man durch den Vorgang der Pasteurisierung das
Wachstum der lebensmittel-vergiftenden Mikroorganismen, denn man verringert die gesamte mikrobielle Belastung
und verlängert auf diese Weise das Haltbarkeitsdatum verderblicher Flüssigkeiten.

Im Allgemeinen wird Milch pasteurisiert, indem man diese durch ein Wärmeaustauschgerät laufen lässt. Die Milch
wird durch eine Röhre gepumpt, die mit einer Hitzequelle in Kontakt ist. Durch sorgfältige Kontrolle der
Fliessgeschwindigkeit der Milch und der Grösse und Temperatur der Hitzequelle steigt die Temperatur der Milch für
15 Sekunden auf 71 °C an. Anschliessend wird die Milch sehr schnell abgekühlt.


52
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

8.1.3 Was ist und wie funktioniert ein Autoklav?



Der Autoklav ist ein verschliessbares Gerät, mit dem man Dampf unter Druck setzt, um Mikroorganismen abzutöten
(Abbildung 8.3a). Zur Abtötung hitzeresistenter Endosporen (siehe Kapitel 6) benötigt man eine Temperatur von über
100 °C, dem Siedepunkt des Wassers bei normalem atmosphärischem Druck. Der Autoklav arbeitet mit Dampf unter
1,1 kg/ cm2 Druck, so dass man eine Temperatur von 121 °C erhält. Bei 121 °C beträgt die Zeit zur Sterilisation eines
Materials, das Endosporen enthält, im Allgemeinen 10-15 Minuten (Abbildung 8.3b).



Abbildung 8.3: Der Autoklav und die Sterilisation durch feuchte Hitze. (a) Der Dampfstrom durch einen Autoklav. (b) Ein
typischer Kreislauf in einem Autoklaven. Es ist das vorübergehende Hitzeprofil eines recht klobigen Objektes dargestellt. Die
Temperatur des Objektes (rote Kurve) steigt und fällt langsamer als die Temperatur des Autoklavens (blaue Kurve). Die Temperatur
des Objektes muss die Zieltemperatur erreichen und 10-15 Minuten gehalten werden, um unabhängig von der Temperatur und der
aufgezeichneten Zeit Sterilität sicherzustellen. (c) Ein moderner, in der Forschung eingesetzter Autoklav.

53
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

8.2 Sterilisation durch Strahlung



Hitze ist nur eine Form der Energie, mit deren Hilfe man sterilisieren oder die mikrobielle Belastung verringern kann.
Mikrowellen, ultraviolette (UV-) Strahlung, Röntgenstrahlen, Gammastrahlen und Elektronen vermögen auch
mikrobielles Wachstum wirksam zu verringern, wenn sie in der richtigen Menge und über den richtigen Zeitraum
angewendet werden.

Ultraviolette Strahlung zwischen 220 und 300 nm Wellenlänge besitzt ausreichend Energie, um Veränderungen oder
Brüche in der DNA zu bewirken, die manchmal zur Zerstörung der DNA und zum Tod der Organismen führen, die
dieser Strahlung ausgesetzt wurden. Dieses „fast sichtbare" UV-Licht dient zur Desinfektion von Oberflächen, von Luft
und Materialen wie Wasser, das diese UV-Wellen nicht absorbieren UV-Strahlung kann allerdings feste
lichtundurchlässige oder lichtabsorbierende Oberflächen nicht durchdringen, wodurch der Nutzen dieser Strahlung
auf die Desinfektion von Oberflächen beschränkt ist.

Ionisierende Strahlung ist elektromagnetische Strahlung, deren Energie dazu ausreicht, Ionen und andere reaktive
molekulare Teile aus Molekülen zu bilden, mit denen die Strahlungspartikel kollidieren. Ionisierende Strahlung
erzeugt Elektronen, e-, Hydroxylradikale, OH· und Hydridradikale, H·. Jedes dieser stark reaktiven Moleküle vermag
Makromoleküle wie DNA, Lipide und Protein zu verändern oder zu zerstören. Die Ionisierung und der darauffolgende
Abbau dieser biologisch wichtigen Moleküle führen zum Tod der bestrahlten Zellen.

Die Strahlungseinheit, mit der man den Energieausstoss aus einer Strahlungsquelle misst, ist das Röntgen. Der
Standard für biologische Anwendungen wie Sterilisation ist die absorbierte Strahlungsdosis, die man in rads (100
erg/g) oder Grays (1 Gy= 100 rad) misst. Der Wert D ist analog zur dezimalen Reduktionszeit für die
Hitzesterilisation. Das Verhältnis der überlebenden Fraktion bei logarithmischer Auftragsweise im Vergleich zur
Strahlendosis in Gray ist im Wesentlichen linear.














Abbildung 8.4: Verhältnis zwischen überlebender Fraktion und der
Strahlendosis bei einem Mikroorganismus. Der Wert D ist analog zur dezimalen
Reduktionszeit für die Hitzesterilisation.




8.3 Sterilisation durch Filter

Hitze ist eine effektive Methode zur Dekontamination der meisten Flüssigkeiten und kann sogar zur Behandlung von
Gasen eingesetzt werden. Hitzesensitive Flüssigkeiten und Gase müssen allerdings mit anderen Methoden behandelt
werden. Durch Filtrierung erreicht man eine Dekontamination und sogar Sterilisation ohne den Einsatz
denaturierender Hitze. Die Flüssigkeit oder das Gas werden durch einen Filter geleitet, eine Vorrichtung, deren Poren
keine Mikroorganismen hindurchlassen, durch die aber die Flüssigkeit oder das Gas hindurchströmen. Die Selektion
von Filtern zur Sterilisation muss sich nach der Grösse der auszuschliessenden Kontaminanten richten. Der
Durchmesser einiger mikrobieller Zellen liegt bei 10 µm, während der Durchmesser der kleinsten Bakterien unter 0,3
µm liegt.

54
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

9 Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums




Chemische Substanzen werden üblicherweise zur Kontrolle mikrobiellen Wachstums eingesetzt. Ein antimikrobieller
Wirkstoff ist eine natürliche oder synthetische chemische Substanz, die Mikroorganismen abtötet oder deren
Wachstum hemmt (Abbildung 9.1).



9.1 Nomenklatur und Wirkungsweise

Wirkstoffe, die Mikroorganismen abtöten, haben die Nachsilbe -zid, wobei die Vorsilbe den Typ des Mikroorganismus
angibt, der abgetötet wird. Somit bedeutet…

• bacteriozid
• fungizid
• viruzid

Wirkstoffe, die nicht tödlich wirken, sondern nur das Wachstum hemmen tragen, die Nachsilbe -statisch. Somit
bedeutet…

• bacteriostatisch
• fungistatischeund
• viristatisch


Abbildung 9.1: Bacteriostatische, bacteriozide und bacteriolytische antibakterielle Wirkstoffe. Zu dem durch den Pfeil
angezeigten Zeitpunkt wurde einer exponentiell wachsenden Kultur eine das Wachstum hemmende Konzentration eines jeden
mikrobiellen Wirkstoffs zugesetzt. Die Trübung einer jeden Kultur zusammen mit den Lebendkeimzahlzählungen setzt das
Verhältnis zwischen der Menge lebender und abgetöteter Zellen fest.


Man misst die antimikrobielle Aktivität, indem man die kleinste Menge des Wirkstoffs bestimmt, den man benötigt,
um das Wachstum eines Versuchsorganismus zu hemmen, einen Wert, den man als minimale Hemmkonzentration
(MHK) bezeichnet. Zur Bestimmung der MHK für einen bestimmten Wirkstoff gegen einen Organismus wird eine
Reihe von Kulturröhrchen vorbereitet und mit der gleichen Anzahl von Mikroorganismen angeimpft. Jedes Röhrchen
erhält nun eine ansteigende Konzentration des Wirkstoffs. Nach der Inkubation werden die Röhrchen auf sichtbares
Wachstum (Trübung) überprüft. Die MHK gibt die niedrigste Konzentration eines Wirkstoffs an, der das Wachstum
des Versuchsorganismus vollständig unterbindet (Abbildung 9.2). Diese Methode bezeichnet man als
Röhrchenverdünnungsmethode.



Abbildung 9.2: Versuch zur Empfindlichkeit eines Organismus gegenüber einem antimikrobiellen Wirkstoff mit Hilfe der
Verdünnungsmethoden. Der Versuch bestimmt die minimale Hemmkonzentration (MHK). In einem Kulturmedium wird eine Reihe
eines antimikrobiellen Wirkstoffs mit ansteigenden Konzentrationen vorbereitet. Jedes Röhrchen wird mit einer spezifischen
Konzentration eines Versuchsorganismus angeimpft, dann folgt eine bestimmte Inkubationszeit. Das Wachstum, das durch die
Trübung gemessen wird, findet in den Röhrchen statt, in denen die Konzentration des antimikrobiellen Wirk-stoffs unter der MHK
liegt. Hier beträgt also die MHK 2 mg/L, weil bei dieser und höheren Konzentrationen keine Trübung mehr gemessen werden kann,
was einen Hinweis auf Wachstum bedeutet.

55
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

9.2 Verwendung antimikrobielle Wirkstoffe in vivo

Zur Kontrolle von Infektionskrankheiten benötigt man chemische Verbindungen, die innerlich angewendet werden
können und die im Wirt nicht allzu starke Nebenwirkungen hervorrufen (ohne Nebenwirkungen geht es schlicht
nicht). Die Entdeckung und Entwicklung antimikrobieller Medikamente hat in der Human- und in der Tiermedizin,
aber auch in der Landwirtschaft, eine sehr wichtige Rolle gespielt.
Antimikrobielle Medikamente werden auf der Grundlage ihrer molekularen Struktur, ihrer Wirkungsweise und des
Spektrums ihrer antimikrobiellen Aktivität klassifiziert. Weltweit werden wahrscheinlich mehr als 10‘000 Tonnen
verschiedener antimikrobieller Medikamente hergestellt und jährlich verbraucht. Antimikrobielle Wirkstoffe gehören
zwei grossen Kategorien an; synthetische Wirkstoffe und Antibiotika.

9.3 Entdeckung der Antibiotika: Durch eine unsaubere Arbeitsweise wurde ein antibiotisch
wirksamer Stoff entdeckt

Um Bakterien züchten zu können, lässt man sie auf Nährböden wachsen. Nährböden sind Kulturschalen, die alles
enthalten, was Bakterien benötigen, um zu wachsen. Auf diese Weise entsteht aus einer Bakterienzelle durch viele
Zellteilungen ein Häufchen von Bakterien. Diese Häufchen nennt man Bakterienkolonie(n). Lässt man also auf einem
Nährboden viele Bakterienzellen wachsen, so entstehen folglich viele Bakterienkolonien.
Manchmal kann es vorkommen, dass solche Schalen von aussen verschmutzt werden. Beispielsweise gelangen andere
Mikroorganismen in die Schalen hinein (z.B. durch die Hände des Forschers, durch die Luft, durch Husten, Niesen
usw.). Die Schalen können dann so verunreinigt werden, dass sie völlig verschimmeln (verschimmelte Speisen,
beispielsweise Konfitüren).

Auch der englische Mikrobiologe Alexander Fleming bemerkte im Jahre 1928 eine solche verschimmelte Kulturschale
in seinem Labor (Abbildung 9.3). Wohl war er mit ihr schon auf dem Weg zum Abfalleimer, als er eine merkwürdige
Entdeckung machte. Um die verschimmelten Stellen herum wuchsen keine oder nur sehr kleine Bakterienkolonien
heran. Die Verwunderung von Flemming wich schnell einer faszinierenden Vermutung: Sonderte der Pilz Stoffe ab,
der die Bakterien nicht gedeihen liess? Nach zahlreichen Untersuchungen und Nachforschungen stellte sich
tatsächlich heraus, dass der Pilz, der die Schale verunreinigte, einen solchen Stoff produzierte.

Beim Schimmelpilz handelte es sich um Penicillum notatum, der von ihm abgesonderte Stoff wurde Penicillin genannt.
Penicillin ist ein Antibiotikum (anti aus dem gr. = gegen, bios aus dem gr. = leben).

Bisher sind insgesamt über 10‘000 antibiotische Wirkungen beschrieben worden und über 2‘000 Antibiotika
eingehend charakterisiert worden, jedoch werden nur etwa 50 Antibiotika chemotherapeutisch eingesetzt.













Abbildung 9.3: Hemmung des bakteriellen Wachstums durch Antibiotika. Die
Original-Petrischale, auf der Fleming zum ersten Mal die Hemmung von Bakterien
durch eine Verunreinigung mit dem Pilz Penicillium notatum beobachtete.

56
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

9.4 Bedeutung der Antibiotika für die produzierenden Mikroorganismen

9.4.1 Einleitung

Die Frage, welche Bedeutung die Antibiotika für die sie produzierenden Organismen an ihrem Standort im Boden
haben, ist nicht vollends aufgeklärt. Antibiotika werden auf speziellen Synthesewegen produziert, die man dem
Sekundärstoffwechsel zuordnet. Zu Produkten des Sekundärstoffwechsels führen Synthesewege und Enzyme, die zum
Wachstum und zur Erhaltung der Zellen nicht unbedingt benötigt werden, sie stellen sozusagen einen Luxus dar
(deshalb der Name Sekundär (Zweit)stoffwechsel). Somit stellt der zur Synthese der Antibiotika notwendige
genetische Apparat sozusagen eine Last für den Organismus dar. Trotzdem, sonst würde die Natur kaum solch einen
Aufwand betreiben, müssen Antibiotika einen Nutzen für den Produzenten haben. Das folgende Experiment
(Abbildung 9.4) versucht diesen Verdacht zu bestätigen/widerlegen.



9.4.2 Das Experiment


Abbildung 9.4: Feldtest zur Bedeutung von Antibiotika. Man setzt dem Boden einen antibiotikaproduzierenden Stamm hinzu,
sowie einen Stamm derselben Art, der aber die Fähigkeit zur Antibiotikaproduktion verloren hatte. Danach verfolgt man das
Wachstum während 70 Tagen.




9.4.3 Aufgaben / Fragen: Interpretation der Daten

1. Beschreibe den Verlauf der beiden Kurven.
2. Diskutiere die Ergebnisse.
3. Worin liegt nun der Sinn/Unsinn in der Antibiotikaproduktion der Bakterien?



9.4.4 Antworten / Lösungen

57
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

9.5 Das berühmteste Antibiotikum: Eine nähere Betrachtung der Wirkungsweise von Penicillin

Das heute immer noch wichtigste und bedeutenste Antibiotikum ist das vom Pilz Penicillium notatum und einigen
anderen Pilzen produzierte Penicillin. Mittlerweile ist die Herstellung von so genannten halbsynthetischen
Penicillinen gelungen. Das sind Stoffe, bei denen das Penicillin-Grundgerüst (Abbildung 9.6, oberer Teil) noch mit
anderen chemischen Gruppen verbunden ist (Abbildung 9.6, unterer Teil).



9.5.1 Wirkungsweise von Penicillin

Penicillin wirkt auf wachsende, grampositive Zellen tödlich. Nichtwachsende, also ruhende Zellen, werden von der
tödlichen Penicillin-Wirkung verschont. Dies hat mit der Wirkungsweise von Penicillin zu tun.

Penicillin behindert den Aufbau der bakteriellen Zellwand. Die Zellwände der Bakterien bestehen aus Murein
(Peptidoglucan). Murein seinerseits besteht auf vielen (bis zu 40) parallel zueinander angeordneten Zuckerketten. Die
Ketten sind untereinander über einige Aminosäuren verbunden. Erst die Quervernetzung der einzelnen Zuckerketten
untereinander verleiht der Zellwand ihre Festigkeit und Stabilität (Abbildung 9.5).

Das Antibiotikum Penicillin verhindert nun die wichtige Quervernetzung der einzelnen Zuckerketten miteinander.
Dies geschieht, indem das Enzym, welches die Quervernetzung durchführt (Transpeptidase), durch Penicillin
irreversibel gehemmt wird. Ist die Transpeptidase ausser Gefecht gesetzt, kann die Quervernetzung nicht erfolgen.
Somit ist die Zellwand nicht funktionstüchtig. Das Bakterium ist somit nicht überlebensfähig.














Abbildung 9.5: Ausschnitt aus einer bakteriellen Zellwand. Dargestellt sind zwei Zuckerketten. G und M stellen die
unterschiedlichen Zuckerbausteine der Zuckerkette dar. Die vom Baustein „M“ ausgehenden Ketten mit Kugeln stellen die
Aminosäuren dar. Diese Aminosäurenketten ihrerseits werden durch die Transpeptidase quervernetzt.




9.5.2 Die Chemie von Penicillin

Die Grundbausteine von Penicillin sind zwei Aminosäuren (Valin und Cystein). Ihre Reaktion miteinander führt zur 6-
Aminopenicillansäure (6-APA).
Indem 6-APA mit diversen Säurechloriden umgesetzt wird, lassen sich viele Hunderte verschiedener Penicilline
gewinnen (halbsynthetische Penicilline), so auch das Penicillin G. Durch das Anheften verschiedener Seitenketten
kann man die Wirksamkeit erhöhen und die pharmakologischen Eigenschaften verbessern.

Als Stammverbindung für die industrielle Produktion der einzelnen Vertreter dient das Penicillin G. Wird Penicillin G
verändert, so ist es möglich, Penicilline zu konstruieren, die ein breiteres Wirkspektrum als Penicillin G zeigen, zudem
sind einige resistenter gegen den Abbau.









58
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

Der Pfeil im 6-APA zeigt die Stelle an, an der die meisten
Penicillin inaktivierenden Substanzen, so genannte
Lactamasen, angreifen. Mehr darüber im nächsten Kapitel.




























Abbildung 9.6: Struktur von verschiedenen N-Acylgruppen.
Werden die hier gezeigten chemischen Verbindungen an die 6-APA
angehängt, so entstehen so genannte halbsynthetische Penicilline wie
beispielsweise das Ampicillin.




9.5.3 Halbsynthetische Penicilline erhöhen den Wirkungsbereich von Penicillin

9.5.3.1 Bekannt ist

Penicillin hemmt die Aktivität der Transpeptidase. Dadurch kann die Zellwand bei wachsenden Bakterien nicht
korrekt aufgebaut werden, die Bakterien sterben langfristig ab.
Der Wirkbereich ist jedoch hauptsächlich auf grampositive Bakterien beschränkt.



9.5.3.2 Aufgabe / Frage: Modifikation von Penicillinen

Wie muss man Penicillin chemisch verändern, damit das Wirkspektrum auch auf gramnegative Keime ausgeweitet
werden kann?
Damit du die Aufgabe/ Frage lösen kannst, ist es notwendig, dass du noch einmal die Penicillinstruktur genau
anschaust (Abbildung 9.6) und dass du den Unterschied zwischen grampositiver und gramnegativer Zellhülle kennst
(Kapitel 5).



9.5.3.3 Antworten / Lösungen

59
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

9.6 Wirkungsweise von Antibiotika und anderen antimikrobiellen Stoffen



Prokaryoten verfügen sozusagen über diverse Achillesfersen, also mögliche Angriffsziele von Antibiotika. Sowohl
Bereiche der Zellhülle, also Zellmembran und Zellwand, Enzyme und Vorgänge rund um den DNA-und RNA-
Stoffwechsel sowie auch einzelne ausgewählte Wege des Intermediärstoffwechsels.


Abbildung 9.7: Angriffsziele von Antibiotika. Verschiedene Strukturen und Stoffwechselprozesse sind potentielle Ziele von
Antibiotika.




9.6.1 Zusammenfassung

Antibiotika und andere antimikrobielle Stoffe greifen an fünf grundsätzlich unterschiedlichen zellulären Strukturen
der prokaryotischen Zelle an:











9.6.2 Antibiotika sind vielfach ausgeprägt prokaryotenspezifisch – Die Gründe dafür sind

60
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

9.7 Wie schützt sich der Antibiotikaproduzent vor seinem Gift?



9.7.1 Information

Mikroorganismen, also Pilze und/oder Bakterien, produzieren Antibiotika, um beispielsweise einen
Wachstumsvorteil gegenüber Konkurrenten erreichen zu können. Konkurrenten sind beispielsweise auch Pilze und
/oder Bakterien. Somit stellt sich die berechtigte Frage: Wie kann sich der Antibiotikaproduzent vor seinem Gift
schützen, das sozusagen gegen Artgenossen wirken soll und somit sozusagen gegen sich selber?



9.7.2 Aufgabe / Frage: Schutzstrategien

Suche nach Strategien, Möglichkeiten, Ansätzen, wie so ein Schutz aussehen könnte. Notiere deine begründeten
Vorschläge, die wir anschliessend im Plenum diskutieren.



9.7.3 Antworten / Lösungen











61
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

9.8 Praktikum: Nachweis der Wirkung und des Wirkspektrums von Antibiotika

9.8.1 Einleitung

Wir wollen herausfinden, wie und ob ausgewählte und handelsübliche Antibiotika auf Bakterien wirken.



9.8.2 Material und Methoden

9.8.2.1 Material

• E. coli Flüssigkultur; gramnegativ, Wachstum auf LB-Medium
• Streptococcus thermophilus; Flüssigkultur; grampositiv, Wachstum auf M17-Agar mit 5 g Lactose /l
• Petrischalen mit Universalmedium
• Acht verschiedene Antibiotika



9.8.2.2 Methoden

• Von E. coli wird unter sterilen Bedingungen 100 μl in die Petrischale überführt.
• Mit dem Drigalskispatel wird die Probe in der Petrischale homogen verteilt.
• Das gleiche Prozedere wird für eine zweite Petrischale gemacht.


• Von Streptococcus thermophilus wird unter sterilen Bedingungen 100 μl in die Petrischale überführt.
• Mit dem Drigalskispatel wird die Probe in der Petrischale homogen verteilt.
• Das gleiche Prozedere wird für eine zweite Petrischale gemacht.


• Wenn der Bakterienfilm schön ins Medium eingesogen worden ist, werden die Antibiotikaplättchen verteilt.
• Es gibt acht Antibiotika.
• In die erste E. coli Petrischale werden die ersten vier Plättchen gelegt (Anweisung der LP befolgen).
• Sodann werden die Antibiotika fünf bis acht in die zweite E. coli Schale verteilt.

• Gleiches Prozedere mit Streptococcus thermophilus.

• Alle Platten werden mit Parafilm abgedichtet und für 48 h bei 30°C inkubiert.


62
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

9.8.3 Resultate

Anhand des Hemmhofdurchmessers in Zentimetern (=HHD; Beachte die Hinweise der Lehrperson) wird die
Wirksamkeit des Antibiotikums ermittelt. Einerseits innerhalb der Gruppe andererseits auch klassenübergreifend. Je
ausgeprägter der Hemmhof ist, desto besser wirkt das Antibiotikum.

S. thermophilus E. coli

Antibiotikum HHD im eigenen HHD gesamte HHD im eigenen HHD gesamte
Versuch Klasse Versuch Klasse











9.8.4 Diskussion

Anhand einer Internetrecherche ist der jeweilige Wirkbereich der entsprechenden Antibiotika abzuklären und mit
den vorhandenen Daten zu vergleichen.
Stimmen die Daten aus der Theorie mit der Praxis überein? Wenn nein, was könnten allfällige Gründe dafür sein?

Antibiotikum Wirkbereich (Soll) Vergleich mit dem Experiment (Ist)
































63
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 9: Chemische Methoden zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums

9.9 Praktikum: Qualitativer Nachweis von antimikrobiellen Wirkstoffen in ausgewählten


Pflanzen

9.9.1 Einleitung

Antibiotika sind gängige Wirkstoffe gegen Bakterien. Es gibt aber noch viele andere Stoffe, die Bakterien am Wachsen
hindern. Wir wollen an dieser Stelle solche auf ihre antibiotische Wirkung hin untersuchen.



9.9.2 Material und Methoden

9.9.2.1 Material

• E. coli-Flüssigkultur oder auf Platten; gramnegativ, auf LB-Medium
• Streptococcus thermophilus-Flüssigkultur oder auf Platten; grampositiv, auf M17-Agar
• Petrischalen mit Universalmedium
• Verschiede pflanzliche Produkte: Zwiebeln, Knoblauch, Peperoncini, Ingwer, etc. Zusätzlich Salz und Ethanol



9.9.2.2 Methoden

• Von der E. coli-Flüssigkultur wird unter sterilen Bedingungen 100 μl in die Petrischale überführt.
• Mit dem Drigalskispatel wird die Probe in der Petrischale homogen verteilt.
• Falls Platten mit Kolonien vorliegen: Ein paar Kolonien mit einer sterilen Impföse in 0.9 %iger NaCl-Lösung
suspendieren bis eine leichte Trübung vorliegt.
• Von der Suspension werden 100 μl in die Petrischale überführt.
• Mit dem Drigalskispatel wird die Probe in der Petrischale homogen verteilt.

• Analoges Vorgehen mit Streptococcus thermophilus.

• Von den vorhanden pflanzlichen Produkten werden möglichst reine Extrakte gewonnen (durch pressen,
quetschen, abfiltrieren, etc.)
• Unterschiedliche Mengen der Extrakte werden - anlog dem „Antibiotika-Experiment“- auf die Platten überführt.
• Pro Platte 4-6 Proben, schön gleichmässig und kreisförmig anordnen.

• Die Inkubation erfolgt bei 30°C während 48 Stunden.



9.9.3 Resultate

Getesteter Stoff Hemmhofdurchmesser in Hemmhofdurchmesser in Fazit
mm bei E. coli mm bei S. thermophilus












9.9.4 Diskussion

64
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 10: Antibiotikaresistenzen

10 Antibiotikaresistenzen

10.1 Einleitung

Mit der Entdeckung der Antibiotika glaubte man, alle bakteriellen Infektionskrankheiten im Griff zu haben und diese
auch besiegt zu haben.
Die Hoffnungen zerschlugen sicher aber schnell. In diesem Kapitel geht es somit um die folgenden Fragen:
• Wieso verloren und verlieren die Antibiotika an Wirkung?
• Wie zeigt sich dies auf zellulärer und molekularer Ebene?
• Was kann man dagegen tun?



10.2 Zusammenhang zwischen Antibiotikaverwendung und allfälligen Resistenzen gegen
Antibiotika

Als die ersten Antibiotika Mitte des letzten Jahrhunderts auf den Markt kamen, warnte einer der ersten Pioniere auf
diesem Gebiet, Alexander Fleming, schon früh, dass bei falschem Umgang mit Antibiotika, diese schon bald ihre
Wirkung verlieren würden. Leider bekam er recht. Wir stehen heute vor diesem grossen Problem. Die Abbildung 10.1
zeigt diesen Zusammenhang eindrücklich auf. Kläre mit Hilfe genannter Abbildungen den im Titel formulierten
Zusammenhang ab. Dabei müssen die Resultate in ein paar Sätzen dargestellt werden und anschliessend werden
diese diskutiert.


10.2.1 Resultate

10.2.2 Diskussion

















Abbildung 10.1: Antibiotikaresistenzen. (a) Beziehung zwischen der Verwendung eines Antibiotikums (Angabe des Namens und
der Menge in Tonnen) und dem Prozentsatz von Bakterien von Durchfallpatienten, die gegen das genannte Antibiotikum resistent
geworden sind. (b) Prozentsatz gemeldeter Infektionsfälle (Geschlechtskrankheiten), die durch antibiotikaresistente Bakterien
verursacht werden.

65
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 10: Antibiotikaresistenzen

10.3 Antibiotikaresistenz: Was genau bedeutet das genau?



In den nächsten drei folgenden Abschnitten stehen folgende Fragen im Mittelpunkt:
• Was genau bedeutet/umschreibt der Begriff Antibiotikaresistenz?
• Wie erwirbt ein Keim oder ein Stamm eine Antibiotikaresistenz oder kann man gar von sozusagen von Geburt auf
resistent sein?
• Weiter unterscheiden wir zwei Möglichkeiten, wie eine Resistenz erworben werden kann.

Die relevanten Schlüsselbegriffe heissen:
Antibiotikaresistenz, natürlich Resistenz,
erworbene Resistenz, vertikaler Gentransfer,
horizontaler Gentransfer.

Wir starten die Besprechung mit


Antibiotikaresistenz-Mechanismen. Was genau
bedeutet das? Eine Zelle hat verschiedene
Möglichkeiten/Strategien, sich gegen die
schädliche Wirkung eines Antibiotikums zu
schützen, dazu werfen wir einen Blick auf
Abbildung 10.2.





Abbildung 10.2: Antibiotikaresistenzmechanismen.
Vier Mechanismen werden genauer betrachtet.

• Auswärtspumpe









• Antibiotika spaltendes Enzym









• Antibiotika veränderndes Enzym









• Modifizierte Antibiotikazielstruktur




66
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 10: Antibiotikaresistenzen

10.4 Wie wird ein antibiotikasensitiver Bakterienstamm in relativ kurzer Zeit resistent gegen ein
bestimmtes Antibiotikum?

10.4.1 Information

Resistenzen können durch Mutationen im bakteriellen Chromosom entstehen. Oft handelt es sich um
Punktmutationen. Geschieht eine Mutation an entscheidender Stelle, so kann dies bereits zu einer Resistenz führen.
Eine Punktmutation kann zum Einbau einer anderen Aminosäure in ein Protein führen. Dies kann dann die Struktur
des Proteins verändern. So beispielsweise bei Ribosomen (Streptomycin-Resistenz; Streptomycin kann infolge eines
veränderten ribosomalen Proteins im Ribosom nicht mehr binden und somit auch nicht mehr die Translation
behindern; die Translation ist für Bakterien ein lebensnotwendiger Prozess; siehe Abbildung 8.5).
Aber: Punktmutationen sind sehr selten. Nur etwa ein Bakterium unter einer Million oder gar Milliarde Bakterien
dürfte aus diesem Grund irgendeine Resistenz aufweisen. Das sind nun so wenige Individuen, dass sie in der
Gesamtpopulation quasi untergehen.

10.4.2 Aufgabe / Frage: Resistenzbildung



Versuche herauszufinden, wie es trotzdem möglich ist, dass eine solche Mutation in einem Bakterium, sagen wir unter
einer Milliarde anderen, dazu führen kann, dass ein ganzer Bakterienstamm verhältnismässig schnell gegen ein
bestimmtes Antibiotikum resistent wird.



10.4.3 Antwort / Lösung

67
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 10: Antibiotikaresistenzen

10.5 Resistenz gegenüber Penicillin



Was nützt die beste Wirksamkeit eines Antibiotikums, wenn sie durch eine zunehmende Ausbreitung von Resistenzen
zunichte gemacht wird? Für Antibiotika - Resistenzen gibt es verschiedene Ursachen. Ein verbreiteter Mechanismus
sei an dieser Stelle etwas genauer betrachtet: Die Spaltung einer Bindung im Penicillin-Grundgerüst (Abbildung 10.3.
Dadurch verliert das Antibiotikum die Fähigkeit, sich an die bakteriellen Transpeptidasen anzulagern (siehe Kapitel
9). Somit ist das Antibiotikum seiner Wirkung beraubt.

Verantwortlich für diese Art der Zerstörung von Penicillin und von Penicillin-Abkömmlingen sind unter anderem
Penicillinasen (auch β-Lactamasen genannt). Das sind Enzyme, die zum Standardinventar vieler Bakterien gehören.
Was die Situation noch verschlimmert, ist die Tatsache, dass Penicillinasen durch Plasmide von einem
Mikroorganismus zum nächsten weitergereicht werden können (siehe horizontaler Gentransfer). Die übermässige
Verwendung von Antibiotika hat nicht unwesentlich zu dieser Situation beigetragen. Es wurde nämlich dadurch ein
Selektionsdruck zugunsten derjenigen Mikroorganismen erzeugt, die über das Penicillinase-Gen verfügen (siehe
Aufgabe vorher).



Abbildung 10.3: Antibiotikaresistenzmechanismen. Spaltung von Penicillin durch bakterielle Enzyme zerstören das Penicillin.




10.5.1 Augmentin ist ein aus zwei Wirkstoffen bestehendes Medikament

10.5.1.1 Information

Das Medikament Augmentin®, seit 1981 auf dem Markt, enthält neben dem Penicillin-
Abkömmling Amoxicillin den Penicillinase-Hemmstoff Clavulansäure. Die Clavulansäure ist
dem Penicillin strukturell sehr ähnlich, hat aber selber keine antibiotische Wirkung.



10.5.1.2 Aufgabe / Frage: Wozu die Clavulansäure?

Worin könnte die Wirkung der Clavulansäure liegen?



10.5.1.3 Antwort / Lösung

68
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 10: Antibiotikaresistenzen

10.6 Antibiotikaresistenz im Fokus der Presse: Situation in der Schweiz, NZZ, 16.12.14

69
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 10: Antibiotikaresistenzen

10.7 Auf der Suche nach neuen Medikamenten gegen Bakterien NZZaS, 14.02.16

70
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 10: Antibiotikaresistenzen

10.8 Antibiotikaresistenz im Fokus der Presse: Situation in der Schweiz, NZZ, 19.11.16









71
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 11: Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft

11 Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft




11.1 Problemstellung: Wieso überhaupt Antibiotika in der Landwirtschaft?

Am Horizont der Resistenzentwicklung zeichnen sich neue Probleme ab: Antibiotika in der Tierhaltung haben
möglicherweise grösseren Einfluss auf die Entwicklung resistenter Bakterien als der Einsatz in Krankenhäusern.
Diese Tatsache gibt noch mehr zu denken, wenn man berücksichtigt, dass etwa die Hälfte aller antibiotischen
Medikamente in der Landwirtschaft und Viehzucht eingesetzt werden. In der EU sind das jährlich etwa 800 Tonnen
Antibiotika in den Futtertrögen von Schweinen, Rindern und Co.

Landwirte verwenden Antibiotika vor allem zur Förderung des Wachstums und zur Prävention von Infektionen mit
Keimen, denn für sie bedeutet dies bis zu 20 Prozent mehr Gewinn bei Ferkeln und Mastschweinen. Nur ein Fünftel
wird tatsächlich zur Behandlung von erkrankten Tieren verwendet. Eine vorbeugende Gabe von Antibiotika bedeutet
eine niedrige Dosis über einen langen Zeitraum. So werden die idealen Bedingungen zur Resistenzbildung geschaffen.
Die Bakterien können sich freuen und wir gleich mit, denn resistente Keime, die sich mit gebräuchlichen
Arzneimitteln nicht mehr bekämpfen lassen, gelangen vom Stall über den Teller bis zum Menschen.

Ob und wie es dabei tatsächlich zu Infektionen kommt, ist aufgrund der extrem komplexen Wechselwirkungen und
Verteilungsmöglichkeiten (Abbildung 11.1) jedoch nicht einfach abzuschätzen. Die wissenschaftlichen Daten sprechen
aber eine klare Sprache: Der Weg von antibiotikaresisten Keimen vom Schlachttier via unsere Nahrung in unseren
Körper gilt als gesichert.

Aber wir müssen uns nicht nur um mit Antibiotika kontaminiertes Fleisch sorgen, sondern auch um unser Wasser,
denn nur zehn Prozent der verabreichten Antibiotika werden auch vom tierischen Organismus eingelagert. Die
restlichen 90 Prozent gelangen mit Gülle und Stallmist auf unsere Felder und so in unser Grundwasser. Zur
Anreicherung von antibiotischen Substanzen in Boden und Wasser tragen ausserdem Krankenhausabwässer und
Ausscheidungen von Patienten bei.
Eine grosse Gefahr birgt vor allem die Verbreitung von resistenten Keimen durch den Wasserkreislauf, denn so
gelangen diese in unsere Nahrungskette. Weiter fragt sich, wie sich die antibiotischen Substanzen auf Algen,
wirbellose Tiere und Fische auswirken.


Abbildung 11.1:Verhalten von Antibiotika in der Umwelt. Eintrag von in der Tiermast verwendeten Antibiotika in die Umwelt.

72
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 11: Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft

11.2 Folgen von antibiotikabehandelten Nutztieren für die Landwirtschaft - Teil 1: NZZ am
Sonntag, 16.09.07





11.2.1 Aufgabe / Frage: Kausalkette

Erkläre wie die Begriffe „Bakterien aus dem Tierdarm“, „Bakterien in Gülle“, „Bodenbakterien“, „kontaminiertes
(=verunreinigtes), für den Menschen bestimmtes Gemüse“ und „antibiotikaresistente humanpathogene Keime“
zusammenhängen.
Notiere in eigenen Worten eine Kausalkette.

73
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 11: Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft

11.3 Folgen von antibiotikabehandelten Nutztieren für die Landwirtschaft – Teil 2: NZZ am
Sonntag, 17.06.12

NZZ am Sonntag ! 17. Juni 2012 Wissen 61

Gefährliche Keime in Schweizer Ställen


In der Massentierhaltung breiten sich zunehmend bakterielle Erreger aus, die gegen die gängigen
Antibiotika resistent sind. Eine tiergerechte Haltung könnte Abhilfe schaffen. Von Christian Bernhart
Antibiotika seien «stumpfe Wunder-
PETER SCHNEIDER / KEYSTONE

waffen» titelte der «Spiegel» Anfang


dieses Jahres. Und der «Stern» pran-
gerte die Fleischproduktion als «tieri-
sches Elend» an, wo Hühner mit Anti-
biotika vollgestopft würden und
Schweine in qualvoller Enge lebten. In
der Schweiz stiessen Teams von
«Rundschau» sowie «Kassensturz» in
Spitälern auf besorgte Ärzte, im Feld
jedoch auf Bauern, die beteuerten, man
habe alles im Griff. Kein Anlass also
zur Sorge, dass bei uns Keime, die ge-
gen die gängigen Antibiotika resistent
sind, über gedüngtes Gemüse oder
halb gegartes Fleisch in die Nahrungs-
mittelkette gelangen?
Die Bedenken sind durchaus be-
gründet. Im Mai haben Gudrun Over-
esch und Vincent Perreten vom Insti-
tut für Veterinärbakteriologie der Uni-
versität Bern in einer Studie nachge-
wiesen, dass sich multiresistente Bak-
terien tatsächlich in verschiedenen
Schweizer Nutztierarten eingenistet
haben. Bei 25 Prozent der untersuchten
Masthühner, 3,3 Prozent der Schweine
und 3,9 Prozent der Rinder fanden sie
sogenannte ESBL-Keime, deren En-
zyme zwei der wichtigsten Antibiotika
der Humanmedizin – alle Penicilline
und Cephalosporine – unwirksam ma-
chen. Für die Studie analysierten die
Forscher 600 Kotproben von 120 Hüh-
nern, 60 Schweinen und 51 Rindern, die
aus unterschiedlichen Tierhaltungen
in 16 Kantonen stammten. Rinder im Laufstall: Hätten die Nutztiere mehr Platz, wären sie gesünder und brauchten weniger Antibiotika.

Falscher Einsatz von Antibiotika Trinkwasser oder unter das Futter für halb können sie von einem resistenten telinstitut Swissmedic in seiner Me- Bea Heim zu dieser Problematik drei
Bereits im Juni 2011 wiesen dieselben alle Tiere und behandelt so vorbeu- Bakterium auf ein noch nicht resisten- dienmitteilung zum Resistenz-Monito- Interpellationen an den Bundesrat, der
Wissenschafter nach, dass sich andere gend auch die gesunden. Dabei weiss tes übertragen werden.» Erhält etwa ring feststellt: «Weniger Antibiotika in jüngst zumindest eine Evaluation der
multiresistente Keime – Methi- er aber oft nicht, wie viel ein Tier frisst ein Tier das Antibiotikum Streptomy- der Veterinärmedizin.» Zwar wurden Tierarzneimittel-Verordnung in Aus-
cillin-resistente Staphylokokken au- oder in welcher Menge ein Küken die cin, das in der Humanmedizin nicht 2010 in der Schweiz tatsächlich weni- sicht gestellt hat. Laut Urs Schneeber-
reus (MRSA) – bei Schweinen ausbrei- medikamentös angereicherte Flüssig- mehr verwendet wird, dann überleben ger Antibiotika für die Veterinärmedi- ger vom Bundesamt für Gesundheit
ten. Kamen solche Bakterien 2009 keit aus dem Spender saugt. Gerade nicht nur Bakterien, die gegen Strepto- zin vertrieben als im Vorjahr. «Aber (BAG) soll diese im Herbst vorliegen.
noch bei 2 Prozent von rund 400 zufäl- kranke Tiere können appetitlos sein mycin resistent sind. Man entdeckt die hochwirksamen Cephalosporine, Die Lösung des Problems liegt nicht
lig ausgewählten Schlachttieren vor, und damit in der Nahrung weniger auch Keime, die zusätzlich gegen an- für die geringe Mengen genügen, ha- zuletzt in einer tiergerechten Haltung.
war das ein Jahr später bei 5,9 Prozent Antibiotika aufnehmen, als für die Be- dere, in der Behandlung von Menschen ben erneut zugenommen», sagt Vin- «Weit mehr als die Hälfte der Schwei-
der Fall. Die grösste Zunahme fand in handlung eigentlich nötig wäre. wichtige Antibiotika wie Ampicillin cent Perreten. 2006 wurden 131 Kilo- zer Mastkälber haben keinen Auslauf
den Kantonen St. Gallen, Thurgau, Lu- Hinzu kommt, dass die resistenten und Tetracyclin resistent sind. gramm in Umlauf gebracht, 2010 waren im Freien», erklärt die Tierärztin
zern und Bern statt. Die Keime in den Keime ihre Eigenschaften gerne unter Aus diesem Grund sprachen sich die es schon 237 Kilogramm. Corinne Bähler. Im Auftrag von Coop
Nasenschleimhäuten der Schweine ihresgleichen weitergeben. «Die gene- Bakteriologen Gudrun Overesch und erprobt sie, wie Kälber artgerecht ge-
stammten zum grossen Teil nicht etwa tischen Informationen für Resistenz- Vincent Perreten im Resistenz-Moni- Mehr Auslauf und frische Luft halten werden können. Würden die
aus dem Ausland, denn sie wiesen mechanismen gegenüber verschiede- toring 2010 dagegen aus, dass neuere Die Entstehung und Ausbreitung von Nutztiere nicht in enge Ställe gepfercht
Gensequenzen auf, die man bisher nur nen Antibiotika sind meist gekoppelt», Wirkstoffe der Humanmedizin wie die Antibiotikaresistenzen wird in der und wüchsen sie mit genügend frischer
in der Schweiz gefunden hat. erklärt Joachim Frey, Leiter des Berner Cephalosporine der 3. und 4. Genera- Schweiz zwar eifrig erforscht, eine Luft auf, wären sie weitaus gesünder.
Multiresistente Keime entstehen, Instituts für Tierbakteriologie. «Des- tion in der Tiermedizin eingesetzt Wende zum Besseren ist aber nicht in Das Risiko für die Übertragung von
wenn man in der Massentierhaltung .................................................................................. werden. Mit beschränkter Aussicht auf Sicht. Das 2000 initiierte Nationale Krankheiten wäre geringer, und es
versucht, mit Antibiotika Infektionen Erfolg, denn solche Antibiotika werden Forschungsprogramm NFP 49 endete brauchte weniger Antibiotika.
in Schach zu halten. Werden Antibio- Antibiotikaresistenzen in der Nutztierhaltung immer belieb- 2007 mit der Hauptforderung, das Sei es nun ein sorgfältigerer Einsatz
tika zu wenig lange oder zu tief dosiert
eingesetzt, können gewisse Krank-
werden in der Schweiz ter. Vor allem bei Milchkühen verkür-
zen sie die Behandlungszeit. Damit
Schweizerische Zentrum für Antibio-
tikaresistenzen aufzuwerten. Heute
von Antibiotika in der Behandlung von
Nutztieren oder bessere Haltungs-
heitserreger überleben und durch eine eifrig erforscht, eine lässt sich sicherstellen, dass die Milch wird auf der Website des Zentrums mit bedingungen: Es wird wohl noch Jahre
Genmutation gegen den verabreichten nach einem Krankheitsfall schnell wie- den letzten News von 2006 einzig die dauern, bis sich mit solchen Massnah-
Wirkstoff resistent werden. Bei vielen Wende zum Besseren ist der in die Kannen der Händler fliesst. Antibiotikaresistenz-Datei für die Hu- men die Ausbreitung von Antibiotika-
Antibiotika mischt der Bauer die vom aber nicht in Sicht. Und so entspricht es nur der halben manmedizin nachgeführt. In den letz- resistenzen in der Schweiz wirksam
Tierarzt verordnete Rezeptur in das .................................................................................. Wahrheit, wenn das nationale Heilmit- ten Jahren richtete SP-Nationalrätin verhindern lässt.

Neues aus der Wissenschaft
11.3.1 Aufgabe/ Frage: Zusammenfassung
....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Schlaf oder Schlaganfall Das Web lehrt schreiben Psychology Review», online). Bis ins
Erwachsenenalter haben die ungelieb-
dass die Kinder demjenigen Elternteil
grössere Aufmerksamkeit schenken,
Fasse den Artikel in eigenen Worten in sechs bis acht Sätzen zusammen.
Wer regelmässig weniger als sechs Wenn sich Jugendliche im Internet
Stunden pro Nacht schläft, erhöht sein tummeln, befürchten viele Eltern
ten Kinder zu kämpfen: Für sie bleibt
schwierig, sich auf enge und vertrau-
der mehr Macht und Prestige besitzt
– und das ist häufig der Vater. Für alle
Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. gleich das Schlimmste. Jetzt zeigt eine ensvolle Partnerschaften einzulassen. Väter lautet die Botschaft also: Enga-
Dies geht aus einer Studie hervor, die Studie der Fachhochschule Nordwest- Dabei kann die Zuneigung des Vaters giert euch stärker in der Kindererzie-

Forscher der University of Alabama
an einer Schlaf-Konferenz in Boston
schweiz, dass das Web eine erstaun-
liche Quelle der Bildung darstellen
für die Entwicklung eines Kindes
wichtiger sein als die Mutterliebe.
hung. Und hört auf, die Mütter dafür
verantwortlich zu machen, wenn sich
vorstellten. Sie beobachteten über kann. Kinder, die Zugang zu einer In- Eine mögliche Erklärung dafür ist, die Gören schlecht benehmen. (nst.)
5000 Personen im mittleren Alter ternetplattform hatten, wo sie Texte
während dreier Jahre. Die Teilnehmer schreiben, gegenseitig lesen und kom-
wiesen keine typischen Risikofaktoren mentieren konnten, verbesserten ihre Schluss-Strich von Nicolas Mahler
für Schlaganfall auf: Sie waren nicht schriftlichen Ausdrucksfähigkeiten
..........................................................................................................................................................................
übergewichtig und litten nicht unter innerhalb von drei Jahren deutlich. Sie
einem Schlafapnoe-Syndrom, bei dem schrieben lebendigere Texte, banden
die Atmung mehrmals pro Nacht aus- die Interessen ihrer Leser mehr ein Letters», online). Die Forscher hatten
setzt. Im Vergleich zu jenen, die 7 bis und waren auch orthographisch stär- Stücke analysiert, welche ihre Proban-
8 Stunden pro Nacht schliefen, wiesen ker als Kinder, die ihre Texte mit Stift den beim Zuhören in negative und
die Kurzschläfer ein viermal höheres und Papier verfassten. Für die Studie alarmierte Stimmung brachten. Sie
Risiko für Schlaganfall auf. (tlu.) untersuchten die Forscher um Hans- sind der Meinung, dass die verzerrten
jakob Schneider insgesamt 724 Kinder und grellen Töne an das Schreien von
im Alter von sieben bis zehn Jahren Tieren erinnern, die in Not geraten
COLOURBOX

aus den Kantonen Aargau, Zürich und sind. Diese Töne seien ein Warn-
Baselland. (pim.) signal, das seine Wirkung bis heute
beibehalten habe. (mid.)
Gruselige Musik
In Horrorfilmen spielt unheimliche
Wichtige Vaterliebe
Musik eine wichtige Rolle. Warum Nichts ist schlimmer für ein Kind, als
aber werden bestimmte Kompositio- von seinen Eltern Zurückweisung zu
nen überhaupt als schaurig wahrge- erfahren. Schenken die Eltern ihren
nommen? Daniel Blumenstein und Kindern keine Zuneigung, fühlen die-
sein Team sind der Meinung, dass es se sich ängstlich und unsicher, ausser-
die verzerrten Töne und die abrupten dem treten sie aggressiv auf, wie ame-
Wechsel von Frequenzen sind, die im rikanische Forscher in einer gross
Soundtrack von Gruselfilmen für un- angelegten Metastudie herausgefun-
heimliche Stimmung sorgen («Biology den haben («Personality and Social

74
KSZ, Achl, Mikrobiologie - SPF Kapitel 12: Bakteriell verursachte Infektionskrankheiten

12 Bakteriell verursachte Infektionskrankheiten




Bakterielle Infektionskrankheiten sind Erkrankungen, die durch das Eindringen und Vermehren von Bakterien in
einen Wirtsorganismus verursacht werden können. Dabei muss der Erreger, damit es überhaupt zu
Krankheitssymptomen kommt, über besondere krankmachende Eigenschaften (Pathogenitäten) verfügen oder die
Abwehrmechanismen des Wirtes beeinträchtigen können.
Damit hier jedoch nicht ein falscher Eindruck entsteht, der überwiegende Teil der in der Umwelt vorkommenden
Bakterien ist apathogen, ein kleiner Teil der Bakterien kann jedoch bei Tieren inklusive Mensch und auch bei Pflanzen
zu Problemen führen. Diesen „Problemfällen“ wollen wir uns an dieser Stelle widmen.



12.1 Um was geht es?

Wir wollen ein paar wichtige Infektionskrankheiten kennenlernen. Jede Gruppe bekommt ein Thema zugeteilt. Ziel
der Arbeit ist es, dass alle Mitschüler der Klasse nach Abschluss der Arbeit über jede Krankheit Bescheid wissen.
Damit dies erreicht wird, verfasst jede Gruppe ein „facts sheet“ in Form eine kurzen Powerpoint-Präsentation. Dabei
sollen folgende Themenpunkte behandelt werden.



12.1.1 Eckdaten

• Vorstellen des Erregers (Name, Aufbau, Besonderheiten)
• Geschichte und Historisches zur Krankheit
• Vorkommen der Krankheit
• Übertragungswege, Ansteckungsmöglichkeiten, Inkubationszeit
• Symptome der Krankheit, Klinisches Bild
• Behandlungsmöglichkeiten (Vorbeugende Massnahmen, Medikamente, Impfungen)
• Ein möglichst aktueller Artikel (Datum angeben) aus einer seriösen Zeitung, Zeitschrift oder Journal (also nicht
20 Minuten, Blick oder vergleichbare Zeitschriften)



12.1.2 Fragen

Es sollen zwei Fragen zur Krankheit gestellt werden, welche die Mitschüler nach der Präsentation schriftlich zu
beantworten haben. Nicht Fragen à la „wie lang ist das Bakterium“ oder andere triviale Fragen, wo man den
erfahrenen Stoff einfach wiedergeben kann, sondern zwei Anwendungsfragen, wie sie auch von meinen Prüfungen
her bekannt sind.
Für die Fragen müssen natürlich Musterlösungen vorliegen.



12.2 Umfang

Die Dauer der Präsentation beträgt 5 bis 7 Minuten, maximal 10 Folien, plus eine Folie mit dem Zeitungsartikel, eine
Folie mit den Fragen und eine Folie mit den Antworten, somit sind 13 Folien die maximale obere Grenze.



12.3 Die Themen

Cholera Salmonellose Legionellose Shyphyllis

Pest Tetanus Diphterie Chlamydien-Infektion

Tuberkulose Typhyus Lepra

75
KSZ, Achl, Mikrobiologie-SPF Kapitel 13: Literatur

13 Literatur

Campbell, N. A. und Reece, J. B.: Biologie, Spektrum Akademischer Verlag, Gustav Fischer, 6. Auflage, 2003

Madigan, M. T. und andere: Brock Mikrobiologie, Pearson, 13. Auflage, 2013

Purves, W. K. und andere: Biologie, Spektrum Akademischer Verlag, 7. Auflage, 2006

Schlegel, H. G.: Allgemeine Mikrobiologie, Thieme, 8. Auflage, 2007

Slonczewski, J. L. und Foster, J. W.: Mikrobiologie, Springer Spektrum, 1. Auflage, 2012

76

Das könnte Ihnen auch gefallen