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Handelsmarketing. Grundlagen Der Marktorientierte Führung Von Handelsbetrieben. 2. Auflage
Handelsmarketing. Grundlagen Der Marktorientierte Führung Von Handelsbetrieben. 2. Auflage
Peter Kenning
Christian Brock
Handelsmarketing
Grundlagen der marktorientierten
Führung von Handelsbetrieben
2. Auflage
Handelsmarketing
Dieter Ahlert · Peter Kenning · Christian Brock
Handelsmarketing
Grundlagen der marktorientierten
Führung von Handelsbetrieben
2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
Dieter Ahlert Christian Brock
Marketing Center Münster Lehrstuhl für ABWL: Marketing
Westfälische Wilhelms-Universität Universität Rostock
Münster, Deutschland Rostock, Deutschland
Peter Kenning
Lehrstuhl für BWL, insb. Marketing
Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf, Deutschland
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detail-
lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Vorwort zur 2. Auflage
Als die Verfasser der ersten Auflage im Jahre 2007 die Druckfahnen beim Springer-
Verlag einreichten, waren viele Entwicklungen, die heute das Handelsmarketing
bestimmen und prägen, allenfalls in ersten Ansätzen erkennbar. Die Digitalisierung
der Einkaufsstätten befand sind damals zwar nicht mehr ganz am Anfang; sie fand
aber überwiegend hinter der Sichtlinie des Kunden und somit weitgehend ohne dessen
aktive Beteiligung statt. Im gleichen Zuge aber wie Kunden lernten, neue Technologien
wie Smartphones und Kommunikationsmittel wie Facebook und Instagram zu nutzen,
begannen Händler damit, diese in ihren Marketing-Mix zu integrieren. Damit verbunden
ergaben sich nicht nur in der Wissenschaft interessante Entgrenzungsphänomene, son-
dern auch in der Handelspraxis entwickelte sich eine Vielzahl neuer Formen der Kunden-
ansprache und -integration. Die damit einsetzenden Entwicklungen sind nach wie vor in
vollem Gange und bieten dem Handelsmarketing immer wieder neue Perspektiven und
Möglichkeiten. Möchte man diese erkennen und nutzen, so ist es wichtig, den für diese
Entwicklungen zentralen Begriff, nämlich den der Digitalisierung, einmal genauer zu
betrachten und darauf aufbauend systematisch zu integrieren.
Im Wesentlichen bezeichnet der Begriff „Digitalisierung im Handel“ einen trans-
formativen Prozess, der die Vorteile der Automatisierung handelsbetrieblicher Funktio-
nen nutzt, um ökonomische Potenziale zu realisieren. Zwar handelt es sich, entgegen
der vorherrschenden Darstellung, dabei letztlich um die Fortschreibung von Ent-
wicklungen, die den Handel seit Jahrzehnten schon prägen – man denke beispielsweise
an die Bedeutung digitaler Warenwirtschaftssysteme –, gleichwohl sind die mit diesem
Prozess verbundenen Auswirkungen bisweilen so bedeutsam und rasch, dass sie zu
fundamentalen und deutlichen Veränderungen sowohl der institutionellen Handelsland-
schaft als auch des Handelsfunktionenspektrums führen. Gerade deswegen erschien es
uns wichtig, die mit der Digitalisierung verbundenen Entwicklungen im Kontext der
marktorientierten Unternehmensführung von Handelsbetrieben in der zweiten Auflage
systematisch zu integrieren. Dies geschah zum einen dadurch, dass die bereits in der
ersten Auflage vorhandenen Kapitel an geeigneter Stelle ergänzt und modifiziert wurden,
zum anderen dadurch, dass mit dem Customer Relationship Management sowie dem
V
VI Vorwort zur 2. Auflage
Multikanalmanagement zwei Kapitel neu erstellt und ergänzt wurden, die eng mit dem
Digitalisierungsphänomen im Handel verbunden sind.
Vor diesem Hintergrund ist mit Univ.-Prof. Dr. Christian Brock, Universität Rostock,
ein „neuer“ Autor hinzugekommen, der aber bereits seit seiner Promotion am Münste-
raner Lehrstuhl für Distribution und Handel mit den Herausforderungen des Handels-
marketing vertraut ist. Zudem hat er als ehemaliger Inhaber der – seitens der Otto Group
gestifteten – Juniorprofessur für Distanzhandel und Service Marketing an der Zeppelin
Universität in Friedrichshafen umfassende Erfahrungen in der Lehre und Forschung im
Bereich des Multikanal- und Kundenbindungsmanagements gesammelt, von denen die
Neuauflage unseres Buches an vielen Stellen profitieren kann.
Abschließend muss jedoch betont werden, dass diese Überarbeitung nicht ohne die
tatkräftige Unterstützung und Zuarbeit zahlreicher Personen möglich gewesen wäre.
Daher möchten wir uns bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universität Ros-
tock und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, namentlich bei Frau M.Sc. Maxi
Bergel, Frau M.Sc. Rabea Schrage, Herrn M.Sc. Phillip Frank sowie Herrn M.Sc. Chris-
topher Kaatz für die Zuarbeiten insbesondere bei den neuen Kapiteln sowie Entwicklung
der vonseiten der Studierenden gewünschten Kontrollfragen bedanken. Frau cand. M.Sc.
Sophie Busch gilt unser Dank für die umfangreiche Unterstützung im Vorfeld der Ver-
öffentlichung. Darüber hinaus schulden wir Frau Jutta Tesche einen besonderen Dank.
Durch ihre Expertise im Bereich der Grafikbearbeitung und damit verbundenen die
Überarbeitung sämtlicher Abbildungen leistete Frau Tesche einen wichtigen Support in
der Erstellung der zweiten Auflage.
Frau Barbara Roscher und Frau Jutta Hinrichsen vom Springer-Verlag danken wir
für die stets sehr gute Zusammenarbeit sowie dafür, uns eine unglaublich rasche Druck-
legung ermöglicht zu haben.
Warum gibt es Handel, und wozu? Ist er produktiv? Lässt sich seine Existenz rechtfertigen?
Und: Ist es für BWL-Studenten und spätere Manager(innen) überhaupt ratsam, sich
mit dem Handel zu befassen?
Diese Fragen drängen sich auf, wenn man die Jahrhunderte währenden Dis-
kriminierungen Revue passieren lässt, denen sich der Handel im Verlauf der Geschichte
ausgesetzt sah. Besonders drastisch bringt der französische Frühsozialist Charles Fourier
das Unbehagen der Bevölkerung und von Teilen der Fachwelt auf den Punkt: Zu Beginn
des 19. Jahrhunderts bezeichnet er den Handel „als Partei der Lüge mit dem Rüstzeug
Bankrott, Spekulation, Wucher und Betrug aller Art, die aus verbündeten Piraten und
Schwärmen von Aasgeiern besteht, die die landwirtschaftliche Arbeit und die Manufak-
turen verschlingt und in jeder Hinsicht das gesamte Volk unterjocht.“
Immer wieder wurde gegen den Handel der Vorwurf erhoben, er produziere keine
Sachgüter, vermehre nicht ihren Bestand und verbessere nicht ihren Gebrauchswert,
behalte aber einen Teil des Warenwertes in Form der Handelsspanne ein. Der Handel
trage deshalb nicht nur nichts zur Wohlstandsvermehrung einer Volkswirtschaft bei
(z. B. Physiokraten: „Wo nichts ist, kann auch nichts herkommen“), sondern vermindere
das Güterangebot auch noch durch die Entnahme von Warenwerten als Entgelt der
Handelstätigkeit.
Diese fehlgeleitete Einschätzung der Rolle des Handels kann heute erfreulicherweise
als überwunden gelten. Der Handel überbrückt Knappheitsunterschiede und erhöht damit
ohne jeden Zweifel das Gesamtnutzenniveau aufseiten der Verbraucher. Damit verdient
er seine Handelsspanne. Die nobelpreisträchtige Antwort der Nationalökonomie auf
die Frage nach der Existenzberechtigung mutet fast wie eine Unverschämtheit an: „Der
Handel ist existenzberechtigt, weil er existiert“. Doch bei näherem Nachdenken ist aus
heutiger Sicht nicht die Antwort, sondern die Frage (nach der Existenzberechtigung)
eine Unverschämtheit: Wer in einer funktionsfähigen Marktwirtschaft infrage stellt, ob
die handelnden Akteure berechtigt sind zu handeln, hat das Prinzip des „Wettbewerbs
als Entdeckungsverfahren“ nicht begriffen. Denn: Wer oder was unter Wettbewerb (über)
lebt, ist ex definitionem existenzberechtigt.
VII
VIII Vorwort zur 1. Auflage
Nun wäre es in Zeiten des ‚Geiz ist geil‘ und der Machtkonzentration im Handel maß-
los übertrieben zu behaupten, die Ressentiments der Fachwelt gegenüber dem Handel
hätten sich durchweg in begeisterte Zustimmung verwandelt. Denn Händler leisten mehr
als nur die Überbrückung von Knappheitsunterschieden: Sie bündeln die zersplitterte
Nachfragemacht der Verbraucher und tragen sie massiert an die Herstellerstufe heran.
Mit der schlechten Nachricht konfrontiert, dass seine Markenerzeugnisse in den Augen
der Verbraucher austauschbar geworden sind, sehnt sich manch ein Hersteller ins-
geheim nach ‚dem alten Griechenland‘ zurück. Dort wurden die Überbringer schlech-
ter Nachrichten schon mal ‚einen Kopf kürzer‘ gemacht. Wettbewerbspolitisch gesehen,
handelt es sich indessen um einen durchaus erwünschten Ausleseprozess, der von der
Verbraucherstufe ausgehend über die Handelsstufe auf die Herstellerstufe fortgewälzt
wird.
Solange auf der Handelsstufe intensiver Wettbewerb besteht, sind die Händler zwin-
gend darauf angewiesen, jede nur denkbare Sonderkondition in Anspruch zu nehmen,
um ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dabei ist es gleichgültig, ob diese
Sonderkonditionen in Form von Preisnachlässen oder sogenannten Eintrittsgeldern
gewährt werden. Die Nachfragemacht des Handels kann in dieser Situation als derivativ
bezeichnet werden, da sie sich aus der Übermacht der Verbraucher ableitet. Ganz anders
allerdings wäre die Situation zu beurteilen, wenn es einem hoch konzentrierten Handels-
system gelänge, in einem relevanten Markt den Regalplatz dermaßen zu verknappen,
dass es eine Monopolstellung innehätte. Dabei ist zunächst an die Monopolstellung
gegenüber dem Verbraucher zu denken, aus der sich dann die Unverzichtbarkeit des Han-
dels für die Industrie herleitet. In diesem Falle würde das Handelssystem über eine origi-
näre Machtbasis verfügen, die seine Existenzberechtigung tatsächlich infrage stellt; denn
diese setzt expressis verbis funktionierenden Wettbewerb voraus.
Erheblich komplizierter wird die Beurteilung des Handels, wenn man nun noch
bedenkt, dass der Handel eine weitere Rolle spielt: Nicht nur Knappheitsunterschiede zu
beseitigen, sondern sie erst herbei zu führen, zählt zu seinen existenziellen Aufgaben.
Und diesen Aufgaben, dem so genannten „Handelsmarketing“, ist das vorliegende Buch
gewidmet. Die Intention des Marketing besteht – verkürzt ausgedrückt – darin, (partielle)
Monopolstellungen in den Augen der Verbraucher zu erlangen, spezifische Zahlungs-
bereitschaften zu schaffen und sie dann abzuschöpfen. Das hatte schon Erich Guten-
berg, der Lehrer des alphabetisch erst gereihten Autors dieses Buches und verehrtes
Vorbild beider Autoren, mit der Metapher des akquisitorischen Potenzials zum Aus-
druck gebracht. Die doppelt geknickte Preis-Absatz-Funktion, das Logo dieses Buches,
bringt die Monopolisierungsintention des Handels optisch zur Geltung: Ob mit dem
berüchtigten ‚ich bin doch nicht blöd‘ -Slogan oder der Positionierung als Konsumpalast,
der Handel will sich unverzichtbar machen, er strebt nach originären Machtpositionen.
Geliebt oder nicht geliebt, längst spielt der Handel die zentrale Rolle in der Volks-
wirtschaft, er kann heute als unersetzlich gelten. Eher könnte man schon fragen, ob
Produktion (in Deutschland) überhaupt noch existenzfähig ist. Zahlreiche Industrieunter-
nehmen der Konsumgüterwirtschaft, vielleicht sogar die meisten, sind heute, gemessen
Vorwort zur 1. Auflage IX
Insofern ließe sich eine lange Liste von Personen nennen, denen sich die Verfasser zu
Dank verpflichtet fühlen. Besondere Erwähnung verdienen hier jedoch die Herren
Prof. Dres. Rainer Olbrich und Hendrik Schröder sowie Herr Dr. Stefan Kollenbach
die weite Teile des Curriculums zu ihren Lehrstuhlzeiten mitentwickelt haben. Unseren
Dank verdienen auch Herr Dr. Heiner Evanschitzky sowie Herr Dipl.-Kfm Markus
Blut für ihre ständige Diskussionsbereitschaft. Besonders hervorzuheben ist jedoch
Frau Dr. Kristin Große-Bölting, die unerlässliche Zuarbeiten geleistet und deswegen
einen großen Anteil am Gelingen dieses Buches hat. Frau Dr. Verena Vogel und Herr
Dr. David Woisetschläger haben wichtigen Support für die Kapitel „Preispolitik“ bzw.
„Kommunikationspolitik“ geleistet. Herrn cand. rer. pol. Lukas Weierts danken wir herz-
lich für die umfangreiche Unterstützung im Vorfeld der Veröffentlichung. Darüber hin-
aus schulden wir Frau Anne Feldhaus, Frau cand. rer. pol. Monique Reinhold, Frau cand.
rer. pol. Sonja Heidebur sowie Frau cand. rer. pol. Kristina Böcker unseren Dank dafür,
dass sie das Manuskript akribisch von Rechtschreibfehlern bereinigt haben. Sollten den-
noch einige Fehler im Buch verblieben sein, so tragen die Verfasser daran die alleinige
Schuld!
Herrn Dr. Werner Müller und Frau Manuela Ebert vom Springer-Verlag danken wir
dafür, dass sie die stets sehr gute Zusammenarbeit der letzten Jahre erfolgreich fort-
geführt und eine unglaublich rasche Drucklegung ermöglicht haben.
Schließlich danken wir unseren Familien und Freunden für die stete Nachsicht, mit der
sie unsere Arbeitswut an zahlreichen Sonn-, Feier- und Urlaubstagen in den Jahren 2004
bis 2006 ertragen haben. Ohne Eure Nachsicht wäre dieses Buch sicher nie entstanden.
XI
XII Inhaltsverzeichnis
14 Handelscontrolling. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
14.1 Begriff und Grundprobleme des Handelscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . 377
14.2 Kernfunktionen des Handelscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
14.2.1 Die Informationsversorgungsfunktion des Controllings. . . . . . 379
14.2.2 Die Kontrollfunktion als „harter Kern“ des
Handelscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
14.2.3 Die Beratungs- und Unterstützungsfunktion
des Controllings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
14.3 Konzeptionelle Gestaltung des Handelscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . 384
14.3.1 Ziele des Handelscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
14.3.2 Aufgaben des Handelscontrollings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
14.3.3 Ausgewählte Instrumente des Handelscontrollings. . . . . . . . . . 385
14.3.4 Träger des Handelscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
14.4 Strategisches Handelscontrolling. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
14.5 Organisation des Handelscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
Über die Autoren
Vertical Price Coordination and Brand Care, Wiesbaden 2013 (zusammen mit Benjamin
Schefer).
Vielfalt durch Gestaltungsfreiheit im Wettbewerb – Ein ökonomisches Manifest, Mün-
chen 2011 (zusammen mit Peter Kenning, Rainer Olbrich und Hendrik Schröder).
Handbuch Franchising & Cooperation – Das Management kooperativer Unter-
nehmensnetzwerke, 2. Aufl., Frankfurt am Main 2010 (zusammen mit Martin Ahlert).
Handelsmanagement in der Textilwirtschaft, Frankfurt 2009 (zusammen mit Kristin
Große-Bölting und Gerrit Heinemann).
Dienstleistungsnetzwerke – Management, Erfolgsfaktoren und Benchmarks im inter-
nationalen Vergleich, Heidelberg 2002 (zusammen mit Heiner Evanschitzky).
Internet & Co. im Handel, 2. Aufl., Heidelberg 2001 (zusammen mit Jörg Becker,
Peter Kenning und Reinhard Schütte).
Markenmanagement im Handel, Wiesbaden 2000 (zusammen mit Peter Kenning und
Dirk Schneider).
Prozessmanagement im vertikalen Marketing, Heidelberg 1999 (zusammen mit Stefan
Borchert).
Integrierte Warenwirtschaftssysteme, 3. Aufl., Stuttgart 1997 (zusammen mit Rainer
Olbrich). Distributionspolitik – das Management des Absatzkanals, 3. Aufl., Jena 1996.
Strategisches Handelsmanagement, Stuttgart 1996 (zusammen mit Christian Korte
und Stephan Kollenbach).
XIX
XX Über die Autoren
Univ.-Prof. Dr. Peter Kenning ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre,
insbesondere Marketing an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er studierte
Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und pro-
movierte dort 2001 am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Distribution
und Handel. In den Jahren 2001 bis 2006 arbeitete er als Geschäftsführer des Instituts
für Handelsmanagement im Marketing Centrum Münster. 2007 nahm er einen Ruf an
die Zeppelin Universität, 2013 einen weiteren Ruf an die Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf an. Von 2011–2014 war er Mitglied des wissenschaftlichen Beirats „Ver-
braucher- und Ernährungspolitik“ des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz (BMELV). 2012 wurde er in das Koordinationsgremium
des Netzwerks Verbraucherforschung des Bundesministeriums der Justiz und für Ver-
braucherschutz (BMJV) berufen, 2015 zum Sprecher dieses Gremiums gewählt und in
dieser Funktion bis 2018 bestätigt. Ausgewählte Publikationen:
Univ.-Prof. Dr. Christian Brock ist seit 2014 Inhaber des Lehrstuhls für ABWL: Mar-
keting an der Universität Rostock. Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann und
anschließender Tätigkeit im Vertrieb der 3M-Loewe GmbH absolvierte Christian Brock
das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität
Münster. 2009 promovierte er dort am Lehrstuhl für Distribution & Handel. Im Jahr 2010
wurde Christian Brock auf die von der Otto Group gestiftete Juniorprofessur für Service
Marketing und Distanzhandel an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen berufen.
Abb. Abbildung
AG Aktiengesellschaft
ALDI Albrechts Discount
AP Arbeitspapier
Aufl. Auflage
Asw Absatzwirtschaft
BAG Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels
e. V.
BBE Betriebsberatung des Einzelhandels
BCG Boston Consulting Group
bspw. Beispielsweise
Bsp. Beispiel
C+C Cash und Carry
CPFR Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment
CRM Customer Relationship Management
DBW Die Betriebswirtschaft
DEA Data-Envelopment-Analysis
EAN Europäische Artikel-Nummer
ECR Efficient Consumer Response
EDI Eletronic Data Interchange
Eds. Editors
EHI EuroHandelsInstitut
et al. et alii
etc. et cetera
f. Folgende
FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung
ff. Fortfolgende
FfH Forschungsstelle für den Handel
GfK Gesellschaft für Konsumforschung
GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
XXI
XXII Abkürzungsverzeichnis
das bedeuten? Zum einen würden wir wohl ein gutes Stück unserer emotionalen Kul-
tur vermissen und uns vermutlich auf Dauer langweilen. Zum anderen würden in die-
sem monistischen Wettbewerb nur noch die größten, kostengünstigsten Händler auf dem
Markt übrig bleiben.
Betrachtet man vor diesem Hintergrund die deutsche Handelslandschaft, so feiert die
klassische, ökonomische Theorie offensichtlich freudige Urstände! Wohin man schaut,
der Preis wird als zentrales Marketing-Instrument genutzt. Zahlreiche kleinere Händler
bekommen zunehmend Probleme, im durch digitale Medien angeheizten Preiskampf zu
bestehen, und suchen händeringend nach neuen Marketing-Konzepten. Warum aber sol-
len gerade Marketingkonzepte helfen, den Preiskampf zu verhindern, wo doch der Preis
selbst ein zentrales Marketing-Instrument darstellt?
Nun, der Grund dafür ist, dass die Kernaufgabe des Marketing in der Differenzierung
gegenüber den Wettbewerbern zu sehen ist. Dies kann aber nur dann wirtschaftlich
gelingen, wenn die Bedürfnisse der Kunden differenziert sind. Verkürzt gesagt könnte
man also behaupten, dass jede Bevölkerung die Handelslandschaft vorfindet, die sie
verdient. Gibt es keine differenzierten Bedürfnisstrukturen, macht Differenzierung nur
wenig Sinn. Die Marketingkonzeptionen von Handelsunternehmen sind daher offenbar
Teil und gleichzeitig Gegenstand der kulturellen Entwicklung. Wenn man also verstehen
will, warum es überhaupt so etwas wie „Handelsmarketing“ gibt, ist es sinnvoll, die Ent-
wicklung dieses Phänomens vor dem Hintergrund der wirtschaftlich-kulturellen Ent-
wicklung zu porträtieren.
Dementsprechend soll im folgenden Kapitel zunächst skizziert werden, welche
Bedeutung das Handelmarketing in den verschiedenen wirtschaftlich-kulturellen Epo-
chen gewinnen konnte und welche Marketingprobleme zu verschiedenen Zeitpunkten in
seinem Mittelpunkt standen.
Betrachtet man vor diesem Hintergrund die politischen Verhältnisse in der wirtschaft-
lichen Frühgeschichte, die etwa um 1100 endet, so dominiert hier noch das Prinzip der
Klein- und Kleinstaaten. Dementsprechend herrscht in der Wirtschaft das Prinzip der
Selbstversorgung vor (vgl. Berekoven 1986, S. 13). Gegenstände des täglichen Bedarfs
werden fast ausnahmslos selbst angefertigt. Die meist geringen Überschüsse der Haus-
wirtschaft werden über den Naturaltausch veräußert. Erst nach und nach entsteht aus
diesem Eigenhandel schließlich mit dem selbstständigen Beruf des Hausierers die wohl
älteste Form des institutionellen Einzelhandels (vgl. Mayr 1901, S. 57).
Weitaus spektakulärer und angesehener war jedoch der sog. Fernhandel. Überwiegend
wurde dieser von Kaufleuten, die als Großhändler vorzugsweise seltene Waren ein- und
verkauften, betrieben. Für diese wurde der Begriff „Mercator“ verwendet. Die damali-
gen Herrscher schätzten die Dienste der Mercatoren und gewährten ihnen umfangreiche
Privilegien. Gleichwohl waren die Handelsreisen in der damaligen Zeit außerordent-
lich beschwerlich und gefährlich. Zudem verlangten Städte und Gemeinden, die an den
Handelsrouten (z. B. Chur an der Straße über den Septimer) angesiedelt waren, eine
Vielzahl von Abgaben. Eine Möglichkeit, diese Abgaben zu vermeiden, waren die von
der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit geschaffenen Märkte und Messen, die eine völ-
lige Freizügigkeit des Handels erlaubten. Besonders bekannte Märkte waren die Euse-
biusmesse von Vercelli, die Messen von Pavia sowie Ufermärkte, wie bspw. in Pisa und
Cremona, auf denen die Waren bereits nach dem System der festen Preise angeboten
wurden (vgl. Schaube 1906, S. 74). Einer der Haupthandelsartikel zu jener Zeit war das
Salz (vgl. Schaube 1906, S. 74).
Will man den Marketingaspekt im Zusammenhang mit dieser Zeit fokussieren,
so lagen die zentralen marktlichen Probleme der Händler in dieser Epoche ganz über-
wiegend in der (sicheren) Beschaffung der zu veräußernden, wenig differenzierten
Waren (einen Einblick bietet bspw. Schaube 1906, S. 1). Absatzprobleme werden in
dieser Zeit lediglich dadurch verursacht worden sein, dass den potenziellen Abnehmern
enge finanzielle Grenzen gesetzt waren und die Verderblichkeit bestimmter Artikel
beschränkend auf die Distribution wirkte.
Im Mittelalter entstanden dann nach und nach kleine Handelsflecken auf der europäi-
schen Landkarte, die aber weniger betrieblich als vielmehr städtisch geprägt waren.
Einen Schwerpunkt bildeten dabei italienische Städte wie Florenz, Mailand, Pisa,
Venedig und Genua, die zunächst nur über ein feines Netz verbunden waren. Erst nach
und nach verdichtete sich dieses. Man baute Straßen und sicherte sie mit Patroullien; das
Netz wurde dadurch engmaschiger und umfangreicher. Neue Handelszentren in Flan-
dern und der Champagne entstanden und wurden durch Städte in Bayern (insbesondere
1.2 Die historische Entwicklung des Handelsmarketing 5
Regensburg) und dem Rheinland (insbesondere Köln) ergänzt, bis schließlich durch die
Entwicklung der Hansestädte eine feine und dichte Netzwerkstruktur entstanden war, die
den Austausch von Waren zwischen den noch zahlreichen Nationen und Königreichen
ermöglichte.
Mit dieser Entwicklung ging die Gründung erster kleiner Personengesellschaften
einher, häufig in der Form einer offenen Gesellschaft (vgl. Mayr 1901, S. 75). Beliebt
waren zudem die Stille Gesellschaft sowie die Kommanditgesellschaft. Auch konnten
bereits erste Kooperationen in Form von „Ringen“ und „Syndikaten“ beobachtet werden,
deren Ziel primär in der Verknappung von Waren bestand, deren Preis dadurch in die
Höhe getrieben wurde (vgl. Mayr 1901, S. 75).
Die Ausgestaltung dieser wohl ersten Handelsbetriebe konnte vielfältig sein. So gab
es zum einen Handwerker, die ihr Einkommen durch die Übernahme von ergänzenden
Handelsfunktionen aufbesserten (Handwerkshandel) und die wohl die ersten stationären
Einzelhändler darstellten. Zum anderen zogen Hausierer (Huckler, Fragner, Korbträger)
über das Land, um durch diesen ambulanten Handel den Warenaustausch zwischen den
Dörfern und Städten zu ermöglichen. Manche Hausierer ließen sich in einer Stadt nieder
und führten fortan als sog. Höker eine oft kümmerliche Existenz bei geringem Ansehen.
Höker breiteten anfangs ihre Waren auf dem Boden aus. Später benutzten sie einfache
Bretter als Verkaufstische. Die verderblichen Waren wurden dabei oft zugedeckt, was
ihm den Namen des Krämers einbrachte („Kram“ bezeichnete im Mittelhochdeutschen
ein aufgespanntes Tuch). Die Bedecktheit der Krämer hatte aber noch einen anderen
Sinn: Sie sollte den Wettbewerb zwischen den Krämern entschärfen, wie die folgende
Passage belegt (entnommen aus Berekoven 1986, S. 21):
Im Hintergrund (des Ladens, Anm. der Verf.) befanden sich die Regale mit Schnittwaren.
Borten, Gürtel und ähnliche Waren wurden in Kisten aufbewahrt, die Gewürze in Gewürz-
kisten. Auf dem Ladentisch selbst durften nur Reis, Hirse, Backpflaumen, Lorbeer, Mandeln
und Johannisbrot in offenen Säcken stehen. Es war nicht erlaubt, zu viel Ware zu zeigen, der
Käufer sollte nicht zum Kauf gereizt oder gar einem anderen Zunftgenossen abgeworben
werden. So verlangte es die Erfurter Krämerzunft um 1500.
Aus den Ständen der Krämer entwickelten sich im Laufe der Zeit die ersten „Buden“,
Verkaufsstände aus Holz, die vorwiegend auf Jahrmärkten aufgestellt wurden. Schließ-
lich wurden die Krämer in Wohnhäusern ansässig, oft konzentriert in einer bestimmten
Straße der Stadt. Erste Konkurrenzbeziehungen entwickelten sich, vor allem gegenüber
auswärtigen und fliegenden Händlern. Jedoch wurden die innerstädtischen Händler durch
umfangreiche Gesetze gegenüber auswärtigen Konkurrenten geschützt (vgl. Berekoven
1986, S. 20).
Das Problem dieser Unternehmer war dabei ein gänzlich anderes als das der heutigen
Handelskonzerne. Für sie war es weniger wichtig, mithilfe der Marktforschung geeignete
Artikel für einen engen, wettbewerbsintensiven Absatzmarkt zu konzipieren als viel-
mehr überhaupt Waren beschaffen zu können, die nötig waren, um die Bevölkerung
zu versorgen. Insofern war Handelsmarketing auch in dieser Epoche – will man es in
6 1 Bedeutung und konzeptionelle Grundlagen des Handelsmarketing
Prägendes Merkmal der auf das Mittelalter folgenden Neuzeit war die erstmalig zu
beobachtende gezielte staatliche Wirtschaftslenkung und -förderung mit dem Ziel, durch
Abschottung der Binnenmärkte und durch möglichst hohen Export den Reichtum des
Landes bzw. des Landesherrn zu vermehren. Dies geschah durch eine Vielzahl von Maß-
nahmen wie Zöllen, Steuern und sonstige Abgaben.
In dieser Epoche vollzog sich nach und nach auch die Trennung zwischen Groß- und
Kleinhandel. Zahlreiche Kaufleute gaben ihre kleinen Krämerläden auf und zogen als
Grossisten von Messe zu Messe, um so wichtige Distributionsfunktionen zu erfüllen. In
den Städten entwickelten die verbleibenden Kaufleute ihre Läden oftmals zu Gemischt-
warenhandlungen weiter, indem sie das schmale Sortiment um neue Artikel, die sie aus
dem Fernhandel bezogen, erweiterten. In der Folge entstanden erste Kolonialwaren-
händler, Schnittwarenhandlungen sowie Manufakturwarenhandlungen. Zudem ermög-
lichte die Erfindung der beweglichen Lettern durch Gutenberg die ersten Entwicklungen
des Versandhandels (vgl. Berekoven 1986, S. 25).
Neben dem stationären Handel spielte aber nach wie vor der ambulante Handel eine
große Rolle für die Versorgung der Landbevölkerung. Die Bevölkerungsdichte war in
vielen Regionen noch deutlich zu dünn, um einen eigenen sesshaften Dorfhandel zu
ermöglichen.
Im Handwerk nahm die Arbeitsteilung in dieser Zeit stetig zu. Erste Vorläufer der
industriellen Fakturen, die so genannten „Manufakturen“ entwickelten sich. Diese
vielfach staatlich gegründeten Manufakturen sind z. T. bis heute noch bekannt. So
entspringen die Berliner, die Meißner, die Nymphenburger und die Fürstenberger
Porzellanmanufakturen dieser Zeit (vgl. Berekoven 1986, S. 25).
Wie in der voran gegangenen Epoche ist die zentrale Problemstellung des Handels-
marketing immer noch und vor allem die Beschaffung von Waren. Hinsichtlich der
Zusammenstellung von spezialisierten Sortimenten gewinnen nun aber erste Ent-
scheidungen der Sortimentspolitik an Bedeutung. Weitergehende Profilierungsmaßnah
men gegenüber Wettbewerbern waren jedoch oft nicht notwendig, da der Handel
stark durch gesetzliche Regelungen eingegrenzt wurde.
1.2 Die historische Entwicklung des Handelsmarketing 7
den Jahren zwischen 1832 und 1882 als kleines Textilgeschäft in der Provinz erlebt (z. B.
Gebrüder Wertheim, Oskar und Hermann Tietz (Hertie), Leonhard Tietz (Kaufhof) und
Theodor Althoff (Karstadt)). Ihr großer Aufschwung erfolgte dann um die Jahrhundert-
wende, und zwar vor allem in Berlin (vgl. Berekoven 1986, S. 31). Um die notwendigen
Kundenzahlen zu gewinnen, bedienten sich die Warenhäuser für die damalige Zeit ein-
zigartiger Prinzipien: Jedermann konnte sich frei darin bewegen und wurde nur auf
Wunsch vom Verkaufspersonal angesprochen. Der Kunde hatte somit einen weitgehend
freien Zugriff auf die angebotenen Waren. Eine Vielzahl von historischen Dokumenten
belegt, welchen tiefen Eindruck der erstmalige Besuch eines Warenhauses bei vielen
Menschen jener Zeit hinterlassen haben muss (vgl. z. B. Ladwig-Winters 1997, S. 36).
Parallel zu der Entwicklung der Warenhäuser haben viele, heute noch beobachtbare
Betriebsformen des Handels ihren Ursprung in dieser Epoche. Hierzu gehören Kauf-
häuser, die vor allem als Textilkaufhaus bekannt waren, aber auch der Versandhandel,
der seine Vorläufer in dieser Epoche hatte (einen Überblick bietet Berekoven 1986,
S. 39 ff.). In den sogenannten Konsumgenossenschaften organisierten sich Arbeiter zur
möglichst günstigen Warenbeschaffung und -verteilung, vor allem im Bereich der Nah-
rungs- und Genussmittel. Vor diesem Hintergrund entstand 1898 die EDEKA-Gruppe,
als sich 21 Einkaufsvereine aus dem Deutschen Reich zur Einkaufsgenossenschaft der
Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin zusammenschlossen. Dreizehn
solcher Genossenschaften vereinigten sich 1907 zum Verband deutscher kaufmännischer
Genossenschaften mit angeschlossener GmbH als zentrale Warenbeschaffungsstelle.
Und 1911 wurde aus der Abkürzung EdK (von Einkaufsgenossenschaft der Kolonial-
warenhändler) schließlich der bis heute noch gültige Firmen- und Markenname EDEKA
gebildet.
Die Entstehung der Filialbetriebe ist ebenso dieser bewegten Epoche zuzuordnen. Die
ehemaligen Kaffeehändler Kaiser und Tengelmann zählten zu den Pionieren der Filial-
betriebe. Schon bald begannen die gegründeten Filialunternehmen mit einer Integration
von Industriebetrieben, um sich von der Markenartikelindustrie zu emanzipieren. Dies war
gleichzeitig die Geburtsstunde der Handelsmarken. Die Idee der Markenbezeichnung für
ein Filialsystem stammt allerdings nicht aus dem Lebensmittel- sondern aus dem Schuh-
warenhandel. „Salamander“ war eine der ersten Betriebstypenmarken in Deutschland.1
Hinsichtlich des Handelsmarketing haben sich in dieser Epoche grundlegende Ände-
rungen vollzogen. Die Wettbewerbsverhältnisse und die Etablierung eines anonymen
Massenmarktes führten zu neuen Betriebstypen und -formen des Handels und zum
1Die Filialisierung beschränkte sich nicht nur auf den Nahrungs- und Genussmittelbereich. Auch
Tabakwarenhändler, Gebrauchsgüterhändler und Schuhhändler folgten der Entwicklung (vgl.
Berekoven 1986, S. 46 ff.).
1.2 Die historische Entwicklung des Handelsmarketing 9
Im Gegensatz zu der florierenden Zeit um die Jahrhundertwende war die Zeit während
und nach dem Ersten Weltkrieg gekennzeichnet von einer verheerenden Mangelver-
sorgung mit Nahrungs- und Gebrauchsgütern, die oft einherging mit horrenden Preis-
steigerungen für knappe Güter. Erst im sogenannten „Dritten Reich“ erholte sich der
Einzelhandel langsam wieder wirtschaftlich. Während des Zweiten Weltkrieges wurde
wiederum eine Warenrationierung u. a. durch Lebensmittelmarken betrieben, um Ver-
sorgungsschwierigkeiten vorzubeugen. Dies ist Berekoven (1986) zufolge bis Ende
des Krieges auch wohl weitgehend gelungen, nach Kriegsende erfolgte jedoch der
Zusammenbruch (vgl. Berekoven 1986, S. 55).
Die Entwicklung der verschiedenen Betriebsformen des Einzelhandels während der
Kriegszeit verlief höchst unterschiedlich. Im mittelständischen Einzelhandel setzte sich
nach Ende des Ersten Weltkrieges die begonnene Differenzierung und Spezialisierung
der Geschäfte fort. Es bildeten sich Betriebstypen, die ganz klar auf bestimmte Käufer-
segmente hinsichtlich Preis und Bedarf abgestimmt waren. Die folgende Wirtschafts-
krise ab etwa 1929 führte zu einer gesetzlichen Beschränkung der Expansions- und
Gründungsmöglichkeiten, um eine ruinöse Konkurrenz zu vermeiden. Die im Zweiten
Weltkrieg eingeführte Zwangsbewirtschaftung hatte eine Umfunktionierung des Einzel-
handels zu einem Warenverteilungssystem zur Folge.
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde ein Trend aus den USA nach Deutschland
gebracht: das Einheitspreisgeschäft (vgl. Berekoven 1986, S. 59). Pionier in den USA
war die Kaufhauskette Woolworth. Hierbei handelte es sich um ein Handelssystem,
das Waren des täglichen und kurzperiodischen Bedarfs (ähnlich einem Warenhaussorti-
ment) mit einem neuen Preiskonzept verknüpfte. So gab es eine relativ niedrige obere
Preisgrenze, über die kein Produktpreis angesetzt wurde. Darunter gab es nur wenige
Preisabstufungen. Das Geschäftsprinzip basierte, hierzu passend, auf Selbstbedienung
und schnell drehenden, wenig erklärungsbedürftigen Artikeln. Vor dem Hintergrund
der schlechten wirtschaftlichen Lage in Deutschland etablierte sich diese neue disco-
untierende Betriebsform schnell. Im Zweiten Weltkrieg brachen jedoch auch für diese
Geschäfte harte Zeiten an, denn Warenverknappung und Anonymität im Vergleich zum
„Kaufmann um die Ecke“ erschwerten das Geschäft.
2Die Unterscheidung der Begriffe Betriebstyp und Betriebsform wird im vierten Kapitel erläutert.
Im Wesentlichen ist der Unterschied darin zu sehen, dass Betriebsformen als abstrakter Begriff,
Betriebstypen hingegen als deren konkrete Ausgestaltung verstanden werden.
10 1 Bedeutung und konzeptionelle Grundlagen des Handelsmarketing
Nach Ende des Ersten Weltkrieges setzten die Warenhäuser den bereits vor Kriegs-
ausbruch begonnenen Trading-up-Prozess fort. Eine starke qualitative und quantitative
Warenhausexpansion erfolgte Mitte bis Ende der 20er Jahre. Um die zu der Zeit vor-
liegende Warenknappheit zu umgehen, wurden Produktionsstätten übernommen und
integriert. In der folgenden Wirtschaftskrise erwies sich dieses Vorgehen jedoch als
höchst verlustbringend (vgl. Berekoven 1986, S. 63). Die Wirtschaftskrise traf die
Warenhäuser stark. In noch größere Bedrängnis kamen die großen Warenhäuser wäh-
rend des nationalsozialistischen Regimes, denn der überdurchschnittlich hohe Anteil von
Juden unter den Beschäftigten führte zu Protesten und Hassparolen. Zudem galt der ver-
hängte Expansionsstopp auch für diese Betriebsform. Während des Zweiten Weltkrieges
wurde der größte Teil der Verkaufsflächen der Warenhäuser zerstört. Beispielsweise blie-
ben Kaufhof noch 6 % und Karstadt noch 13 % der Vorkriegsverkaufsfläche übrig (vgl.
Berekoven 1986, S. 66).
Durch das gut ausgebaute postalische Lieferungs- und Zahlungswesen konnte der
Versandhandel Mitte der 20er Jahre in Deutschland Fuß fassen. Gute Preise und zug-
kräftige Artikel (oft aus dem Bereich der Textil- und Kurzwaren) wurden in den Katalo-
gen angeboten. Zielgruppe war vor allem die schlecht versorgte Landbevölkerung. Noch
heute bekannte Versandhäuser wurden zu dieser Zeit entwickelt bpsw. Klingel (1925),
Baur (1925), Wenz (1926), Quelle (1927), Bader (1929) und Schöpflin (1929) (vgl.
Berekoven 1986, S. 67). Während des Krieges kam der Versandhandel aber dann fast
zum Erliegen. Nach Kriegsende war ein völliger Neuanfang notwendig, denn die vor-
handenen Kundenkarteien waren durch den Krieg wertlos geworden.
Nach dem Ersten Weltkrieg konnten die Konsumgenossenschaften zunächst weiter
expandieren und zahlreiche neue Mitglieder gewinnen. Als nicht gewünschte Betriebs-
form verloren sie bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges jedoch einen erheblichen Anteil
ihrer Mitglieder und ihrer Verkaufsstellen. Trotzdem verfügten sie nach Kriegsende noch
über das größte Einzelhandels-Filialnetz in Deutschland. Die Einzelhandels-Einkaufs
genossenschaften profitierten von den wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Die Edeka
verzeichnete hohe Mitgliederzuwächse. Allerdings wurde Mitte der 20er Jahre die
Rewe, ein direkter Konkurrent gegründet, der schnell wuchs. Parallel dazu wurden
einige Handelsketten von Großhändlern gegründet, wie bspw. die Spar. Diese Gruppe
wurde 1932 von Adriaan van Well in den Niederlanden in Zoetermeer gegründet. Selbst-
ständige Groß- und Einzelhändler schlossen sich damals zu einer freiwilligen Handels-
kette zusammen. Das erklärte Ziel dieses Zusammenschlusses war die „Konzentration
der Kräfte“, die dem Druck einer immer stärker werdenden Konkurrenz entgegengestellt
werden sollte. Vom Zusammenwirken dieser Kräfte sollten alle Mitglieder profitieren,
um so ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Diese Idee findet sich auch im Namen
wieder. Dieser leitet sich vom niederländischen Motto „Door Eendrachtig Samenwerken
Profiteren Allen Regelmatig“ (dt.: „durch einträchtiges Zusammenwirken profitieren alle
regelmäßig“), „De SPAR“ ab.
Die Entwicklung der Filialbetriebe verlief, je nach Sortimentsschwerpunkt, unter-
schiedlich. Filialisten im Bereich von Luxusgütern hatten während der Kriegszeit kaum
1.2 Die historische Entwicklung des Handelsmarketing 11
Beginnend etwa mit den 50er Jahren des vorherigen Jahrhunderts beschleunigte sich dann
die Entfaltung der Handelsbetriebe und -systeme gewaltig (vgl. insbesondere Banken
2007). Die zunehmende Differenzierung der Handelslandschaft trug der Notwendig-
keit einer verbesserten Anpassung an die sich verändernden Konsumbedürfnisse der
Bevölkerung Rechnung. Der zu diesem Zeitpunkt einsetzende Wandel vom Verkäufer-
zum Käufermarkt bedeutete die Geburtsstunde des Handelsmarketing. Als Käufermarkt
wird dabei ein Markt bezeichnet, auf dem der Käufer eine überlegene Position innehat.
Die meisten Märkte sind heute Käufermärkte, da der Käufer auf ihnen aus einer Vielzahl
von Anbietern auswählen kann. Dieses heute selbstverständlich anmutende Faktum hat
sich aber erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausgebildet.
Etwa um 1970 hat sich das Marketingkonzept, in dessen Zentrum die dauerhafte
Befriedigung der Kundenbedürfnisse zur Erreichung der betrieblichen Ziele steht, in
der heute noch gültigen Form entwickelt. Nach dieser Denkweise gibt es für eine Unter-
nehmung zwei Möglichkeiten, auf dem Absatzmarkt erfolgreich zu agieren:
Beide Wege schließen einander nicht aus, sondern beeinflussen sich gegenseitig. So kön-
nen Veränderungen der Kundenwünsche im Zeitablauf dazu führen, dass nach der Out-
side-In-Perspektive produzierte Leistungen nicht mehr ohne intensive kommunikative
Beeinflussungen verkauft werden können. Auch können ursprünglich ohne Rücksicht auf
die Kundenwünsche entwickelte Produkte reüssieren, sodass ursprünglich geplante Beein-
flussungen nicht mehr in dem geplanten Maße notwendig sind. Das moderne Marketing
12 1 Bedeutung und konzeptionelle Grundlagen des Handelsmarketing
findet daher regelmäßig im Wechselspiel zwischen diesen beiden Aspekten statt und kann
als markorientierte Unternehmensführung verstanden werden.
Dieses moderne Marketingverständnis gewann in der Literatur zunächst im Bereich
der Konsumgüterindustrie an Bedeutung. Erst seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts
berücksichtigt das Schrifttum explizit den Begriff des Handelsmarketing. Bis dahin
wurden Handelsbetriebe oft als reine Objekte industrieller Absatzstrategien aufgefasst.
Heute werden Handelsbetriebe definiert als Unternehmen, die auf eigene Rechnung
mit Gewinnabsicht Waren einkaufen, um sie weitgehend unverarbeitet an Kunden zu
verkaufen. Durch diese Gewinnerzielungsabsicht in Verbindung mit der wachsen-
den Bedeutung des Handels im Konsumgüterbereich und dem Wegfall der vertika-
len Preisbindung am 1.1.1974 wurde zunehmend eine eigenständige marktorientierte
Unternehmensführung im Handel unabdingbar. Erstmalig manifestierte sich diese Eigen-
ständigkeit des Handels wohl in der Entwicklung und Etablierung von Eigenmarken,
denen zunächst aber nur wenig Erfolg beschieden war.
Neben dieser grundsätzlichen Emanzipation des Handels von der Absatzpolitik der
Industrie erforderten handelsspezifische Besonderheiten, wie die hohe Bedeutung des
Verkaufspersonals für den Unternehmenserfolg sowie die Standortgebundenheit, eine
spezifische Auffächerung der Marketinginstrumente für den Handel. Diesem Aspekt
trugen die Händler durch die Entwicklung neuer Betriebstypen Rechnung, die zumeist
eine Substitution des Faktors Personal durch den Faktor Kapital anstrebten. So erzielten
1960 beispielsweise SB-Läden und Supermärkte eine Personalleistung pro Kopf von
98.000 DM und eine Raumleistung von 8230 DM/m2. Das Verhältnis zwischen Perso-
nal und Raum betrug mithin 11,9. 1980 belief sich diese Relation bereits auf 28,4 (vgl.
Müller-Hagedorn 1999, S. 149).
Parallel zu dieser Substitutionsentwicklung traten die SB-Betriebe ihren Siegeszug
an (vgl. hierzu und zum Folgenden Müller-Hagedorn 1999, S. 150 f.). Der Kern dieses
Prinzips kann mit dem Satz „Shop as you please, pay as you leave“ knapp umschrieben
werden. Diese recht schlichte Aussage entwickelte sich insbesondere im Lebensmittel-
einzelhandel zur Erfolgsformel. Generell ist in dieser Branche seit 1950 ein deutlicher
Trend zu verstärkter Selbstbedienung zu erkennen. Lag der Umsatzanteil der SB-
Geschäfte 1956 noch bei 4,4 %, so betrug er 1997 nahezu 100 %.
Demzufolge suchen Handelsmanager regelmäßig nach weiteren Möglichkeiten der
Personalsubstitution. Oftmals gehen diese mit technologischen Entwicklungen einher.
Bekannte Beispiele sind die Einführung von Scannerkassen oder von Automaten jeder
Art.
Vermutlich auch durch diese starke Kostenorientierung haben sich investive
Differenzierungsstrategien, die den Kern moderner Marketingkonzepte darstellen – man
denke beispielsweise an Red Bull – in der Handelspraxis nur zum Teil durchsetzen kön-
nen. In vielen Handelsbetrieben hat sich daher auch der Wandel vom Absatz zum Mar-
keting zeitlich stark verzögert und sehr heterogen vollzogen. Auf der einen Seite haben
1.2 Die historische Entwicklung des Handelsmarketing 13
einige Handelspioniere wie Oscar Tietz3 oder Georg Wertheim4, ohne den Begriff Mar-
keting zu verwenden, eine dem heutigen Verständnis sehr nahe kommende Führungs-
philosophie verfolgt, wie beispielsweise die stark kundenbezogenen Gründungsanzeigen
verdeutlichen (vgl. Abb. 1.1). Auf der anderen Seite gibt es selbst heute noch stark
einkaufsgetriebene, aktionslastig geführte Unternehmen, die ohne systematische
Beobachtung des Absatzmarktes agieren. Marketing wird dort zum Teil gleichgesetzt mit
Werbung und ist demzufolge als eine Funktion unter vielen verankert.
Daneben gibt es aber auch Handelsunternehmen, die versuchen, beide Aspekte mit-
einander zu verbinden. Den Kern dieser Strategien bilden dabei oft organisationsüber-
greifende Konzepte, wie beispielsweise das ECR-Konzept (vgl. hierzu bspw. Ahlert
und Borchert 2000) oder das Collaborative Planning Forecasting und Replenish-
ment („CPFR“). Diese Ansätze, die unter dem Rubrum der „Netzwerkorganisation“
zusammengefasst werden können, bilden nach wie vor einen aktuellen Untersuchungs-
gegenstand der handelsorientierten Marketingforschung (vgl. hierzu Ahlert und
Evanschitzky 2003; Ramanathan und Gunasekaran 2014).
Zunächst muss an dieser Stelle erläutert werden, warum das Jahr 1995 als Meilenstein
in der weiteren Entwicklung des Handelsmarketing gesetzt wird. Der Grund ist, dass
in diesem Jahr das Internet für die Wirtschaft geöffnet wurde – in diesem Zusammen-
hang wird auch von der Kommerzialisierung des Internets gesprochen (vgl. Riehm
2004; Wirtz 2018, S. 10 f.). Damit einher ging die Gründung zahlreicher bedeutender
E-Commerce-Unternehmen, wie bspw. Amazon.com und ebay. Mitte 1995 wurde bspw.
über die Plattform Amazon.com das erste Buch verkauft (vgl. Abb. 1.2).
Des Weiteren entstanden Suchmaschinen wie bspw. Altavista, Lycos und yahoo; drei
Jahre später erfolgte die Gründung von Google (vgl. Riehm 2004). In den folgenden Jah-
ren verzeichnete der Online-Handel enorme Wachstumsraten. Immer neue Anbieter und
neue Konzepte konnten sich auf dem Markt etablieren. Viele Hersteller nutzen bspw. das
Internet als direkten Vertriebskanal zur Ansprache potenzieller Kunden. Auch zahlreiche
Handelsunternehmen erweiterten ihre Verkaufsbasis durch ein zusätzliches Angebot im
Internet (vgl. insbes. Kap. 13).
Diese Entwicklung resultiert in einem zunehmenden Wettbewerb im Handel. Darüber
hinaus wird der Preiskampf durch die entstandene Transparenz und Vergleichbarkeit for-
ciert, was uns zurück zur Ausgangsfrage bringt: Warum sollen gerade Marketingkonzepte
helfen, den Preiskampf zu verhindern, wo doch der Preis ein zentrales Marketing-Instrument
Im Kontext der bis hierhin beschriebenen Entwicklung des institutionellen Handels und
der damit verbundenen Entwicklung des Handelsmarketing wurde bis zu dieser Stelle
bewusst darauf verzichtet, eine über die reine Deskription hinausgehend wissenschaft-
liche Perspektive einzunehmen. Möchte man jedoch mit Blick auf die Beurteilung
1.2 Die historische Entwicklung des Handelsmarketing 15
künftiger Entwicklungen valide Aussagen treffen ist eine theoretische Reflexion, die
einen über die Beschreibung hinausgehenden, erklärenden Charakter hat, unabding-
bar. Es stellt sich an dieser Stelle somit die Frage, welche theoretischen Konzepte aus
wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive die geschilderte Entwicklung beschreiben
können. Um es vorweg zu nehmen: Aus Sicht der Verfasser kommt der Transaktions-
kostentheorie und hier insbesondere dem sogenannten Baligh-Richartz-Effekt in die-
sem Zusammenhang wohl eine zentrale Rolle zu (vgl. Baligh und Richartz 1964; sowie
weiterführend Picot 1986). Im Kern versucht dieser Effekt zu beschreiben, welche
Effizienzgewinne bei alternativen vertikalen Koordinationsformen zwischen Anbietern
und Nachfragen in (Distributions-)Netzwerken entstehen können. Die folgende
Abbildung verdeutlicht dies am sehr einfachen Fall zweier Koordinationsformen, näm-
lich einem Netzwerk ohne Handel und einem Netzwerk mit Handel. In beiden Fällen
bestünde das Netzwerk annahmegemäß aus jeweils m-Anbietern und n-Nachfragen.
Verbal besagt der Effekt dann, dass bei einer Einschaltung von Handel die Anzahl der
zu koordinierenden Beziehungen innerhalb des Netzwerks von einer multiplikativen
(m*n) auf eine additive (m + n) Zahl reduziert werden kann. Im Beispiel der folgenden
Abbildung ergäben sich somit bei jeweils vier Anbietern und vier Nachfragern in einer
Welt ohne Handel sechszehn Beziehungen (4*4), in einer Welt mit Handel hingegen
nur acht (4 + 4) Beziehungen, die zu koordinieren wären (vgl. Abb. 1.3). Unterstellt
man nun noch einen positiven Zusammenhang zwischen der Anzahl der Beziehungen
und den durch die jeweilige Koordinationsform verursachten Transaktionskosten so
werden die Effizienzvorteile bei Einschaltung von Handel sehr rasch deutlich. Zudem
wird erkennbar, dass je differenzenter die Anbieter- bzw. die Nachfrageseite ist, desto
umfangreicher wird das Netzwerk und desto c.p. vorteilhafter wird die Einschaltung
des Handels. Dieses einfache Beispiel mag verdeutlichen, warum bei einer bis in die
1850e Jahre hinein noch geringen Bevölkerungsdichte sowie wenig differenzierten
Angebotsstrukturen die Entstehung von institutionellen Handelsbetrieben ökonomisch
oft nicht sinnvoll war. Der Handel konnte in einer solchen Struktur „seine“ Trans-
aktionskosten kaum erwirtschaften. Gleichzeitig wird dadurch aber auch erkennbar,
dass Veränderungen der Transaktionskostenrelationen in der Distribution, wie man sie
derzeit im Kontext der Digitalisierung beobachten kann, Auswirkungen auf die Ent-
wicklung und Struktur des institutionellen Handels haben, wie sie u. a. im Zusammen-
hang mit der sogenannten Disintermediationshypothese im Zuge der fortschreitenden
Digitalisierung seit einiger Zeit diskutiert werden.
1. Der veränderte Bildungsstand ist ein wesentlicher Faktor für die Nachfrageent-
wicklung. Zum einen resultiert er in einer erhöhten Lernfähigkeit, ohne die z. B.
die rasche Integration des E-Commerce in die Distributionslandschaft wohl kaum
möglich gewesen wäre. Zum anderen steht dem Handel aber auch mit einem
zunehmenden Anteil von Hochschulabsolventen eine größere Anzahl von Akademi-
kern zur Verfügung. Schließlich sollte dem gestiegenen Bildungsniveau auch in der
Kommunikation Rechnung getragen werden.
2. Der künftige Wohlstand wird wesentlich durch das Volumen und die Qualität der
ererbten Sachgüter geprägt. Die Gewichte zwischen Vererbung und Selbstverdienen
werden sich verschieben.
1.3 Die Rahmenbedingungen des Handelsmarketing im 21. Jahrhundert 17
Ein Beispiel für den zuletzt genannten Trend bietet das Phänomen der so genannten
komplexen Konsumgüter. Hierbei handelt es sich um Kombinationen materieller und
immaterieller Güter für die Lösung umfassender Konsumprobleme des Verbrauchers:
Waren unterschiedlicher Art, Dienstleistungen und Serviceleistungen, aber auch die
Kauf- und Verwendungsberatung sind zu einem fein abgestimmten Angebotsmix für den
anspruchsvollen Verbraucher zu „komponieren“. Der Verbraucher hat nur vordergründig
Bedarf z. B. an Möbeln, Leuchten, Türschlössern, Bewegungsmeldern, Personal-
computern, Unterhaltungselektronik, Tonträgern oder Software, sondern er hat tatsäch-
lich komplexe Einrichtungs-, Sicherungs- oder Multimediaprobleme. Über die Lösung
der Grundprobleme hinaus sind zusätzliche Bedürfnisse des Verbrauchers, etwa das Stre-
ben nach emotionaler Bindung, kommunikativen Kontakten, Anerkennung und Selbst-
verwirklichung, Einkaufserlebnissen, ästhetischem Genuss usw. zu berücksichtigen.
Beim Angebot komplexer Problemlösungen verschwimmen die Grenzen zwischen
Produktion und Distribution. Eine Arbeitsteilung zwischen Herstellern und Händlern
in der Weise, dass sich erstere lediglich um die optimale Marken- und letztere um die
optimale Einkaufsstättenpositionierung zu kümmern brauchten, erweist sich im System-
wettbewerb kompletter Wertschöpfungsketten als überholt. Kundenorientiertes Wert-
schöpfungsprozess-Management bedeutet hier die Entwicklung und Umsetzung einer
vertikal und horizontal integrierten Angebotskonzeption aller an der „Komposition des
Angebotsmix“ teilnehmenden Organisationseinheiten. Es geht um die Positionierung des
von Sachgüterherstellern, Dienstleistern und Einkaufsstätten gemeinsam angebotenen
Problemlösungskomplexes im Wahrnehmungs- und Einstellungsraum der Verbraucher
(vgl. Abb. 1.4).
Einfache Konsumprobleme
62,2 %, im Jahr 2016 hatten die Top 5 im LEH bereits einen Anteil von mehr als 70 %.
(vgl. Metro 2003, S. 12; BVE 2017). Angesichts dieser Konzentrationsentwicklungen
stellt sich die Frage, ob aktuell wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf besteht. Um diese
Frage zu beantworten, ist es sinnvoll zu verstehen, dass es die Verbraucher sind, die für
den Strukturwandel in den Angebotssystemen ausschlaggebend sind. In der Marketing-
literatur wird dieser Sachverhalt dadurch zum Ausdruck gebracht, dass in den meisten
Konsumgüterfeldern eine sog. Käufermarktsituation vorherrsche: Das Machtübergewicht
gegenüber der Industriestufe liege bei der „Verbraucherschaft als Ganzes“.
Im Investitionsgütermarkt kann das Machtübergewicht auf einzelne gewerbliche Ver-
braucher konzentriert sein: Hier kann es sogar vorkommen, dass ein Verbraucherbetrieb
die Systemführerschaft übernimmt, wie dies z. B. im Verhältnis der Automobilhersteller
zu ihren Zulieferern zu beobachten ist. Konzentrieren wir unsere weitere Betrachtung
indessen auf den Konsumentenmarkt, in dem das Machtpotenzial auf eine Vielzahl von
Privathaushalten verteilt ist: Hier ist es der hoch konzentrierte, professionell operierende
Konsumgüterhandel, der die zersplitterten Machtpotenziale bündelt und in kompak-
ter Form an die Industriestufe heranträgt. Soweit auf der Handelsstufe funktionsfähiger
Wettbewerb herrscht, kann die vonseiten der Hersteller häufig beklagte Nachfrage-
macht des Handels somit lediglich als derivativ, d. h. aus der Übermacht der Verbraucher
abgeleitet, interpretiert werden (vgl. Abb. 1.5).
1.3 Die Rahmenbedingungen des Handelsmarketing im 21. Jahrhundert 19
V
I H E
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D A B
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S Derivative
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T Nachfragemacht D A
U
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I
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E L H
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"Käufermarkt"
Neugründungen die großen Verbrauchermärkte überwogen. Andererseits ist auf das dis-
proportionale innere und äußere Wachstum der Lebensmittelhandelsunternehmen zu ver-
weisen. Besonders die größeren Handelsunternehmen konnten ihren Umsatz permanent
weit überdurchschnittlich ausweiten (inneres Wachstum), während die kleineren eher sta-
gnierten. Zusätzlich ist auf die zahlreichen Unternehmenszusammenschlüsse im Lebens-
mittelhandel in den Formen der Konzernbildung und Fusion zu verweisen, die sowohl
innerhalb der einzelnen (integrierten und kooperierenden) Handelssysteme als auch zwi-
schen den Handelssystemen stattfanden (äußeres Wachstum).
Der wachsende Verdrängungswettbewerb aufgrund hoher Überkapazitäten bei gleich-
zeitig stagnierendem Marktvolumen wird in fast allen Konsumgütermärkten, so auch
im Lebensmittelhandel, vornehmlich über den Preis geführt. Dabei sind die discountier-
enden Handelsformate inzwischen in der Lage, aufgrund hoher Abnahmemengen indus-
trielle Markenartikel und zunehmend auch ihre Handelsmarken in vergleichsweise guter
Qualität preisgünstig anzubieten. Hinzu kommt die fortschreitende Globalisierung der
Märkte und des damit einhergehenden weltweiten Wettbewerbs. In der Folge importieren
Handelsunternehmen zunehmend Produkte aus Niedriglohnländern mit vergleichbarer
Qualität in die etablierten Märkte und ziehen damit die dort ansässigen Hersteller und
andere Handelsunternehmen in starke, teilweise existenzbedrohende Preisauseinander-
setzungen hinein.
Die deutsche Handelslandschaft hat sich in den vergangenen 25 Jahren mit
zunehmender Geschwindigkeit von organisatorisch nicht gebundenen Lebensmittel-
geschäften und solitären Fachhandelsbetrieben sowie Kauf- und Warenhäusern hin zu
Fachmärkten, Filialsystemen sowie insbesondere Discountern und SB-Warenhäusern
entwickelt. Immer weniger selbstständige Einzelhändler stehen zunehmend größeren
Systemanbietern gegenüber. Eine Gegenentwicklung zeigt sich in den gewerblichen Ver-
bundgruppen (im Lebensmittelhandel vor allem Edeka und Rewe), denen eine in der
jüngsten Zeit wachsende Anzahl selbstständiger Kooperationskaufleute angehören. Auch
die – sowohl im Lebensmittelhandel als auch im Lebensmittelhandwerk – zunehmend
an Bedeutung gewinnenden Franchisesysteme bieten selbstständigen Kaufleuten als
Franchisenehmern Entwicklungschancen.
Auch aufseiten der Lebensmittelindustrie sind erhebliche Konzentrationsprozesse
und Entscheidungszentralisierungen zu beobachten. Diese Entwicklungen werden mit-
unter übersehen, wenn die Umsatzanteile einzelner Handelssysteme am Gesamtumsatz
eines Lieferanten (nicht selten mehr als 20 %) dem Umsatzanteil des Lieferanten am
gesamten Umsatz des Handelssystem (in der Regel weniger als 2 %) gegenübergestellt
werden. Entscheidend für die Beurteilung der Strukturrelationen ist die Kennziffer Reci-
procal Share of Sales (RSS), d. h. das Verhältnis aus den wechselseitigen Umsatzanteilen
von Herstellern und Einzelhändlern in der entsprechenden Warengruppe (Kategorie) des
Handelsunternehmens. Es kann durchaus sein, dass der Umsatzanteil der Handelsunter-
nehmung in einem Produktlinienbereich des Lieferanten die 20 % deutlich übersteigt,
dass aber auch der Lieferant dann in der engeren Warengruppe, also z. B. nur Kaffee,
20 % des Marktanteils bei dieser Handelsunternehmung hat. Für diesen Fall nähme die
1.3 Die Rahmenbedingungen des Handelsmarketing im 21. Jahrhundert 21
in ihrer Erwartung, die qualitätsbedingt höheren Kosten durch ebensolche Preise ver-
gütet zu bekommen, enttäuscht werden. Damit besteht die Gefahr, dass dieses Segment
im Preis-Leistungsspektrum trotz vorhandenen Bedarfs zukünftig vernachlässigt wird.
Zweitens ist auf die restriktive und zweckentfremdete Anwendung der BauNVO hin-
zuweisen, die bereits die Entwicklung in Richtung auf eine insbesondere den Auswahl-
wünschen der Endverbraucher entsprechende Struktur der Betriebsgrößen und -formen
im Handel behindert. Insgesamt lässt sich somit als Ergebnis der machttheoretischen
Analyse zeigen, dass allenfalls von einer derivativen Nachfragemacht des Lebensmittel-
einzelhandels gesprochen werden kann.
Neben solchen und ähnlichen (macht)theoretischen Analysen, die zumeist einen eher
quantitativen Charakter haben, lassen sich branchenübergreifend aber auch qualitative
Veränderungen der Wettbewerbsstrukturen ausmachen, die in der Abb. 1.6 zusammen-
fassend dargestellt sind. Werden die Entwicklungsrichtungen – wie in der Abb. 1.6
geschehen – als Gegensatzpaare angeordnet, so entsteht bei oberflächlicher Betrachtung
der Anschein einer Unvereinbarkeit, der dazu beigetragen hat, dass vielfach von einer
„Polarisierung der Handelslandschaft“ gesprochen wird. Nach dieser Polarisierungsthese
sind Erfolg versprechende Betriebstypen des Handels
Abb. 1.6 Entwicklungstendenzen im Konsumgüterhandel
24 1 Bedeutung und konzeptionelle Grundlagen des Handelsmarketing
zu suchen. Ein „stuck in the middle“ muss nach dieser These als verhängnisvoll quali-
fiziert werden. Dieser weit verbreiteten Auffassung soll die These entgegengehalten wer-
den, dass die zukunftsträchtigen Konzepte auch und insbesondere in der Kombination,
also in „hybriden Betriebstypen des Konsumgüterhandels“ anzutreffen sind.
In welchen Formen diese neuen hybriden Betriebstypen und Unternehmungsnetze
in Erscheinung treten, soll im Folgenden kurz skizziert werden. Dabei soll zugleich der
dritte wettbewerbsbezogene Trend, die Netzwerkbildung, angesprochen werden.
Als Ausgangspunkt wählen wir die klassische Arbeitsteilung in der Konsumgüter-
wirtschaft, wie sie in der Abb. 1.7 skizziert wird (vgl. hier und im Folgenden Ahlert und
Ahlert 2010, S. 17–28): Um ein Angebot zur Lösung komplexer, individueller Konsum-
probleme „aus einer Hand“ zu entwickeln, sind nun außer den Handelsbetrieben, die als
Filialisten, Mitgliedsbetriebe gewerbliche Verbundsgruppen, Solitäre und Franchise-
nehmer organisiert werden können, Handwerksbetriebe und Dienstleistungsbetriebe sowie
ggfs. auch Industriebetriebe in das Distributionsnetz aufzunehmen. Außerdem bieten
diverse Distributionsdienstleister wie Handelsvertreter, Kommissionäre, Makler, Logistik-
und Finanzdienstleistungsbetriebe, Marktforschungs- und Werbeagenturen u. v. a. ihre
Unterstützungsleistungen an. Um die Summe der Einzelleistungen im Hinblick auf das
Konsumproblem des Kunden zu einem ganzheitlichen Angebotspaket zu „komponieren“,
bedarf es der horizontalen und vertikalen Koordination. Im Kern handelt es sich also
bei der Netzwerkbildung um eine besondere Koordinationsform, die zwischen der
Koordination über den Markt einerseits und der Koordination über Anweisung/Hierarchie
andererseits angesiedelt ist und in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat.
Horizontale Koordinaon
Sekundär-Stufe
Versandhändler
E-commerce
Neben den Kunden, den Wettbewerbern und den im Rahmen der Netzwerkbildung
bereits angesprochenen Lieferanten lassen sich weitere Faktoren identifizieren, die einen
Einfluss auf das Handelsmarketing haben können. In erster Linie sind dies
Insgesamt lässt sich deutlich erkennen, dass das Handelsmarketing zu Beginn des
21. Jahrhunderts keineswegs eine leere Arena betreten kann, in der der Marketing-
manager vollkommen frei agieren kann. Vielmehr gilt es eine Reihe von Rahmen-
bedingungen zu beachten, die einerseits seine Freiheitsgrade reduzieren können,
andererseits aber auch oft ganz neue Chancen bieten und Perspektiven eröffnen.
Die bisherigen Ausführungen sollten verdeutlicht haben, dass Marketing eine wenn auch
noch junge, so doch überaus wichtige Querschnittsfunktion im Handelsbetrieb darstellt.
Die Erfüllung dieser Funktion ist allerdings deutlich komplexer als im industriellen
26 1 Bedeutung und konzeptionelle Grundlagen des Handelsmarketing
Die Liste relevanter Fragen ließe sich beliebig verlängern. Deutlich wird damit, dass
Handelsbetriebe einen nicht unerheblichen Informationsbedarf haben, der gerade auch
durch den Aspekt der Standortpolitik den der Industrie deutlich übersteigen kann. Inso-
fern bildet die Marktforschung einen zentralen Baustein des Handelsmarketing. Welche
Instrumente dem Handelsmarketing zur Deckung des Informationsbedarfs zur Verfügung
stehen und wie diese institutionalisiert werden können, ist Thema des zweiten Kapitels.
Aufbauend auf der Ist-Analyse hat das Marketingmanagement die für den Handels-
betrieb adäquaten Ziele zu formulieren. An diese Zielformulierung werden verschiedene
Ansprüche gerichtet. Zum einen muss ihr Ergebnis kompatibel zu den übergeordneten
Unternehmenszielen (z. B. den Renditeerwartungen der Kapitalgeber) sein. Zum anderen
muss sie aber auch formal exakt sein. Das Zielsystem des Handelsmarketing wird im
dritten Kapitel thematisiert.
Der Phase der Zielformulierung folgt die Strategische Planung. Der Begriff „Strate-
gie“ wird in der Literatur auf vielfältigste Art verwendet. Oft werden Maßnahmen schon
deswegen als strategisch bezeichnet, weil sie langfristig wirksam sind. Folgt man die-
sem Vorschlag, müsste jedoch bereits der Einkauf einer neuen Scannerkasse in einer
Einkaufsstätte eine strategische Entscheidung darstellen, da diese oft über mehrere
Jahre eingesetzt wird. Es ist klar, dass dies nicht der eigentlichen Begriffsbedeutung ent-
spricht. Insofern taugt die Fristigkeit einer Maßnahme nur auf den ersten Blick als Quali-
fizierungskriterium. In diesem Rahmen soll eine Strategie vielmehr als abgestimmtes
1.4 Ein grundlegender Prozess zur Entwicklung … 27
Im Kern können die Bereiche Standort, Sortiment, Preis und Personal sowie Kom-
munikation und Warenpräsentation weitgehend unstrittig dem Handelsmarketing
zugeordnet werden. Die Punkte Vertriebsform und Distribution scheinen nicht ganz über-
schneidungsfrei zu sein und werden je nach Akzentuierung des jeweiligen Verfassers
anders gefasst. Im vorliegenden Buch sollen einige Aspekte aus dem Bereich Vertriebs-
form etwas enger unter dem Begriff „Betriebstypenpolitik“ diskutiert werden. Probleme
der handelsbetrieblichen, eher physischen „Distrubtion“ werden nicht eigenständig,
sondern als Teilbereich der Sortimentspolitik – genauer der Sortimentssteuerung –
subsumiert werden. Der Bereich Handelsmarken bzw. Markenmanagement wird ledig-
lich von zwei Verfassern (Schröder und Berekoven) als eigenes Marketing-Instrument
gesehen. Dies mag historische Gründe haben, eine Vernachlässigung erscheint heute
angesichts der hohen Umsatzbedeutung von Handelsmarken in vielen Branchen aber
nicht mehr angemessen. Die Positionierung des Betriebstyps als Marke wird von keinem
Verfasser als eigenständiger Mix-Bereich thematisiert. Um der großen Bedeutung von
Marken für den Erfolg des Handelsunternehmens gerecht zu werden, soll die Marken-
politik im vorliegenden Buch ergänzend zum bisherigen Schrifttum als eigenständiges
Kapitel behandelt werden.
Insgesamt ergibt sich damit der folgende Handelsmarketing-Mix:
1. Betriebstypenpolitik
2. Markenpolitik
3. Standortpolitik
4. Sortimentspolitik
5. Personalpolitik
6. Preispolitik
7. Präsentationspolitik
8. Kommunikationspolitik.
Entscheidungen weniger stark reflektiert. Ein Handelsbetrieb, der über eine starke Marke
verfügt, kann daher Preiserhöhungen realisieren, da diese vom Kunden nicht unmittel-
bar bemerkt werden. Insofern versuchen diverse Handelsunternehmen durch Marken-
strategien (z. B. durch die Erhöhung des Handelsmarkenanteils) dem Preiswettbewerb
zumindest teilweise zu entkommen. Darüber hinaus erfüllen Marken andere betriebs-
wirtschaftlich wichtig Funktionen. Die Optionen der Markenpolitik sollen im fünften
Kapitel behandelt werden.
Ein weiteres wichtiges Instrument des Handelsmarketing ist die Wahl des Standortes.
Diverse Studien belegen den überragenden Einfluss der Standortpolitik für den handels-
betrieblichen Erfolg im stationären Groß- und Einzelhandel. Als Standort einer Handels-
unternehmung ist jener räumliche Ort anzusehen, an dem die Handelsunternehmung zum
Zweck der Erreichung ihrer Ziele ihre Produktionsfaktoren kombiniert. In der Regel fin-
det die Produktionsfaktorenkombination dabei im engen Kundenkontakt statt. Defizite
bei der Standortpolitik sind oftmals kaum noch zu korrigieren. Eine systematische, ziel-
adäquate Standortpolitik ist daher von überragender Bedeutung für den Erfolg der jewei-
ligen Handelsunternehmung und wird im sechsten Kapitel dargestellt.
Gegenstand des siebten Kapitels – der Sortimentspolitik – ist hingegen die
Zusammenstellung des warenbezogenen Leistungsprogramms der jeweiligen Handels-
unternehmung. Hier geht es also darum, aus Kundensicht attraktive Sortimente
zusammen zu stellen und kontinuierlich zu prüfen.
Ein überaus erfolgskritischer Bereich des Marketing-Mix im Handel ist die Personal-
politik. Marketingkonzepte, die diesen Faktor nicht beachten, laufen schnell Gefahr zu
scheitern. Letztlich ist die erfolgreiche Umsetzung des Konzeptes maßgeblich von der
Unterstützung des Personals vor Ort abhängig. Das zentrale Problem der Personalpolitik
besteht darin, das Personal zu einem zielkonformen Verhalten zu motivieren. Dies ist
aufgrund der Vielzahl individueller Zielvorstellungen und subjektiver Präferenzen ext-
rem problematisch. Die Problemstellungen der Personalpolitik sollen im achten Kapitel
erläutert werden.
Die Preispolitik bildet einen Schwerpunkt im Marketingmix von Handelsbetrieben.
Die zentrale Bedeutung resultiert zum einen aus dem hohen, unmittelbaren Einfluss,
den sie auf die Erreichung der ökonomischen Ziele hat, und zum anderen aus der
Möglichkeit, den Preis als strategischen Parameter zu verwenden. Zudem ist der Preis
für den Konsumenten in vielen Branchen aufgrund mangelnder Differenzierung zum
zentralen Unterscheidungsmerkmal geworden. Es verwundert daher nicht, dass die
Preisproblematik bei Umfragen immer wieder als ein zentraler Problembereich des
Marketingmanagements erwähnt wird. Die Preispolitik ist Thema des neunten Kapitels.
Im Rahmen der Präsentationspolitik (Kap. 10) wird definiert, wie der Kundenkontakt
mit der Ware ausgestaltet werden soll. In diesen Instrumentalbereich fallen die Aufgaben
der Ladengestaltung, der Warenordnung, der Kundenführung, etc. Gemeinsames Merk-
mal präsentationspolitischer Maßnahmen ist, dass das Ergebnis stets tangibel ist.
Gegenstand des elften Kapitels, der Kommunikationspolitik, ist die Planung und
Gestaltung sämtlicher marktgerichteten Kommunikationsmaßnahmen. Ihr Ziel ist es, das
30 1 Bedeutung und konzeptionelle Grundlagen des Handelsmarketing
5Zur Problematik von Shop-Konzepten vgl. Langenhorst (2001) sowie Vogel (2001).
Literatur 31
Informatorische Grundlegung
Zielformulierung
Strategiewahl
Kontrolle
Kontrollfragen
1. Wie ist der Begriff des Handelsbetriebs definiert?
2. Erklären Sie mithilfe des Baligh-Richartz-Effekts die Existenz von Handelsbetrieben.
3. Was versteht man unter der derivativen Nachfragemacht des Handels?
4. Diskutieren Sie die sogenannte Polarisierungsthese.
5. Nennen Sie die wichtigsten Entwicklungstendenzen im Konsumgüterhandel.
6. Worin unterscheidet sich der Marketing-Mix einer Industrieunternehmung vom Mar-
keting-Mix einer Handelsunternehmung.
7. Skizzieren Sie den Aufbau des Marketing-Konzepts von Handelsbetrieben.
Literatur
Ahlert, D., & Ahlert, M. (2010). Handbuch Franchising & Cooperation: Das Management
kooperativer Unternehmensnetzwerke. Frankfurt a. M.: Deutscher Fachverlag.
Ahlert, D., & Borchert, S. (2000). Kooperation und Vertikalisierung in der Konsumgüterdis-
tribution: Die kundenorientierte Neugestaltung des Wertschöpfungsprozeß-Management durch
ECR-Kooperationen. Prozessmanagement im vertikalen Marketing-Efficient Consumer Res-
ponse (ECR) in Konsumgüternetzen, Berlin ua, 1–148.
32 1 Bedeutung und konzeptionelle Grundlagen des Handelsmarketing
Dass der Handelsmarktforschung in der Literatur bisher nur wenig Platz eingeräumt
worden ist, kann auch als Ausdruck der geringen Bedeutung gewertet werden, die ihr
Handelsunternehmen lange Zeit beigemessen haben. In der Vergangenheit wurde Primär-
forschung, also die Erhebung von Originärdaten, vorwiegend von großen Handelsunter-
nehmen betrieben. In der Regel unterhielten (und unterhalten) auch nur Großbetriebe,
Handelskonzerne und die Zentralen der Verbundgruppen des Handels eigenständige
Marktforschungsabteilungen. Den Klein- und Mittelbetrieben fehlten das Know-
how sowie die finanziellen Ressourcen für eigenständige Marktforschungsaktivitäten.
Die Durchführung von Marktforschungsstudien wurde häufig unter Verweis auf den
unmittelbaren Kontakt zum Letztkäufer als nicht notwendig erachtetet: Man kenne sei-
nen Markt und die Wünsche seiner Kunden, absatzseitige Marktforschung sei somit ent-
behrlich (vgl. Berekoven et al. 1999).
Letztgenannte Argumentation ist in mehrfacher Hinsicht zu kritisieren und als
Begründung für einen Verzicht auf Marktforschung nicht mehr haltbar: Die Marktkennt-
nis der Einzelhändler bezieht sich nur auf aktuelle Kunden; potenzielle und auch ehe-
malige Kunden sind aus der Betrachtung ausgeschlossen.
Grundlegend für den Erfolg des Handelsmarketing ist die adäquate Informationsver-
sorgung. Hier geht es darum, Probleme zu erkennen, Handlungsbedarf zu identifizieren
und Anregungen aus vorbildlichen Problemlösungen zu gewinnen. Im Hinblick auf die
Marketingkonzeption ist die Marketingforschung grundlegender Bestandteil der Ist-Analyse
im Rahmen der Marketingplanung. Sie bildet die informatorische Ausgangsbasis für die
Ziel- und Strategieformulierung.
Vor diesem Hintergrund definiert die American Marketing Association (AMA 2004)
den Begriff der Marketingforschung bzw. Marketing Research wie folgt:
Marketing research is the function that links the consumer, customer, and public to the
marketer through information – information used to identify and define marketing oppor-
tunities and problems; generate, refine, and evaluate marketing actions; monitor marketing
performance; and improve understanding of marketing as a process. Marketing research
specifies the information required to address these issues, designs the method for collecting
information, manages and implements the data collection process, analyzes the results, and
communicates the findings and their implications.
Demzufolge soll die Marketingforschung also alle im Zusammenhang mit der Absatz-
gestaltung eines Unternehmens auftretenden Informationsbedarfe decken. Diese
beziehen sich nicht nur auf den Absatzmarkt, sondern auch auf relevante innerbetrieb-
liche Sachverhalte (z. B. Personal- oder Logistikkosten). Im Gegensatz zur Markt-
forschung zählt die im Handel durchaus bedeutsame Beschaffungsseite mithin nicht
explizit zum Betrachtungsfeld der Marketingforschung.
Anhand der Funktionen der Marketingforschung lässt sich die außerordentliche
Bedeutung für den Erfolg der Handelsunternehmung erläutern. Allgemein formuliert ist
es Aufgabe der Marketingforschung, Informationen für Entscheidungsprozesse bereitzu-
stellen. Sie hat somit gegenüber den Entscheidungsträgern eine Unterstützungsfunktion,
die durch die in der Tab. 2.1 aufgeführten Funktionen konkretisiert wird (vgl. Meffert
et al. 2015, S. 92).
Phase 3:
Informations- • Aufbereitung und Analyse der erhobenen Daten
verarbeitung
Zur anschließenden Erhebung der Daten stehen zwei Ansätze zur Verfügung. Die
Primärforschung ist die Form der Datengewinnung, bei der mittels Befragung oder
Beobachtung neues Datenmaterial generiert wird. Im Rahmen der Sekundärforschung
wird auf Daten zurückgegriffen, die bereits unternehmensintern oder -extern vorhanden
sind (vgl. Meffert et al. 2015, S. 146 ff.).
In der dritten Phase des Marktforschungsprozesses, der Informationsverarbeitung,
werden die gewonnenen Daten geordnet, geprüft und analysiert sowie im Hinblick auf
das zugrunde liegende Entscheidungsproblem verdichtet. Durch die Datenauswertung
kann der Informationsgehalt der ‚Rohdaten‘ erhöht werden, indem z. B. in den Daten
enthaltene Zusammenhänge aufgedeckt werden. In der letzten Phase werden die Ergeb-
nisse für die Präsentation aufbereitet und dokumentiert.
In den folgenden Kapiteln sollen die grundlegenden Instrumente und Methoden der
Marketingforschung im Handel dargestellt werden, denn bei der Marketingforschung im
Handel gelten im Vergleich zu Industrieunternehmen einige besondere „Spielregeln“, die
es näher zu erläutert gilt.
Aufgrund der besonderen Bedeutung von Handelsbetrieben im Rahmen des vertikalen Mar-
keting hat nicht nur das Handelsmanagement ein Interesse an handelsbezogenen Daten, son-
dern auch andere Anspruchsgruppen wie z. B. die Konsumgüterindustrie oder gewerbliche
Marktforschungsinstitutionen (vgl. Abb. 2.2). Zudem ist die Marketingforschung im Handel
oft auch auf die Hilfe von Experten, z. B. Marktforschungsunternehmen, angewiesen, die
dann ebenfalls als Träger der Marketingforschung im Handel in Betracht kommen.
In erster Linie ist es natürlich der Handel selbst, der marktbezogene Informationen
zur Steuerung seiner Betriebe bzw. seines eigenen Systems benötigt und sich daher
für den Handel als Betrachtungsobjekt interessiert. Die Fragen, die in diesem Kontext
zu erforschen sind, können aufgrund der Dynamik im Handel hier nicht abschließend
beschrieben werden. Sie können aber grob in kundenbezogene, konkurrenzbezogene und
unternehmensinterne Fragen unterteilt werden. Von besonderer Relevanz sind dabei die
kundenbezogenen Daten und hier oft Fragen zum Kaufverhalten der Konsumenten, die
zur Fundierung der Marketing-Entscheidung im Handel unabdingbar sind. Pars pro toto
können beispielhaft die folgenden Fragen genannt werden:
Sonstige
Handels-
unternehmungen
Auftragsforschung
Markt-
forschungsinstitute
Sonstige Forschungs-
einrichtungen
Darüber hinaus interessiert sich die Herstellerstufe für den Handelsbetrieb. Hier geht
es zum einen um Fragen, die den Handel als Kunden erklären. Zum anderen benötigt
die Industrie Informationen über die Kunden des Handels. Insofern ist der Handel als
40 2 Informationsgrundlagen des Handelsmarketing
Letztlich zielen diese Fragen darauf ab, handelsbezogene Entscheidungen der Industrie-
stufe zu fundieren und so den Regalplatz zu sichern (vgl. hierzu ausführlich Ahlert
1996). Dabei lassen sich sämtliche Fragen nahezu uneingeschränkt auf den Online-
Handel übertragen. Denn auch wenn in diesem Kontext der physische „Regalplatz“ auf-
grund sinkender Speicherplatzkosten nicht knapp ist, soll der Onlineshop ebenfalls als
relevante Einkaufsstätte in den Köpfen der Menschen verankert werden.
Schließlich gibt es aber auch noch eine dritte Gruppe, die den Handel genauer
beobachtet. In dieser Gruppe befinden sich bspw. administrative Gruppen (z. B. das
Statistische Bundesamt), gewerbliche Marktforschungsunternehmen (z. B. GfK oder
ACNielsen), wissenschaftliche Einrichtungen (z. B. das Institut für Handelsforschung
in Köln), Fachverbände (z. B. bevh oder HDE) und Medien (z. B. Zeitschriften wie die
absatzwirtschaft, die Lebensmittelzeitung oder die Textilwirtschaft). Gemeinsames
Merkmal dieser Gruppen ist, dass ihr Informationsinteresse in der Regel derivativ ist.
Als Träger der Marketingforschung des Handels kommen dementsprechend zwei
Gruppen in Betracht: Zum einen die Handelsunternehmung selbst. Dort geschieht Markt-
und Marketingforschung zumeist in internen Abteilungen, die jedoch nicht immer als
Marketingforschung bezeichnet werden müssen. Oft handelt es sich um Stabsabteilungen
in Großunternehmungen, die das Handelsmarketing mit Informationen versorgen. Eine
besondere Bedeutung haben dabei in den letzten Jahren Informationen zu voröko-
nomischen Größen wie der Kundenzufriedenheit und/oder Kundenloyalität erfahren, die
in regelmäßigen Abständen durch die Marktforschung erhoben und in ihrer Bedeutung
für den Unternehmenserfolg analysiert werden. Daneben bieten aber auch die zahl-
reichen innerbetrieblichen Systeme (wie z. B. Warenwirtschaftssysteme) eine wichtige
Informationsquelle der Marketingforschung im Handel.
2.4 Zum besonderen Informationsbedarf des Handels 41
Fünftens ist auf ein gegenüber dem industriellen Marketing Vielfaches an ein-
schlägigen Rechtsrestriktionen hinzuweisen, die bei der Planung und Durchsetzung von
Beschaffungs- und Absatzmaßnahmen im Handel zu beachten sind.
Sechstens hat das Handelsmanagement eine Vielfalt von Abstimmungsproblemen zu
meistern, und zwar:
2.5.1 Umweltanalyse
Eine zentrale Determinante der Marketingplanung ist ihre Umwelt. Umwelt ist an die-
ser Stelle jedoch nicht im ökologischen Sinn zu verstehen, sondern gilt als Rubrum für
sämtliche Determinanten des Handelsmarketing, auf die das Handelsmanagement keinen
mittel- oder unmittelbaren Einfluss nehmen kann. Ein klassisches Beispiel ist das Wetter.
Weitere Kriterien sind die Kaufkraftentwicklung, die Werteentwicklung, etc. Allgemein
lassen sich im Rahmen der Umweltanalyse die folgenden Umweltfaktoren differenzieren
(vgl. Meffert et al. 2015, S. 44).
2.5.1.1 Politisch-rechtliche Umweltfaktoren
Politisch-rechtliche Rahmenfaktoren sind zum großen Teil auf Maßnahmen der Poli-
tik zurück zu führen. Im Handel lassen sich z. B. diverse einschlägige Rechtsnormen
nennen, die einen maßgeblichen Einfluss auf das Handelsmarketing haben können. So
wird die Standortwahl beispielsweise durch die Vorgaben der Baunutzungsverordnung
(BauNVO) wesentlich beschränkt. Das Ladenschlussgesetz als zweites Beispiel hat
einen gravierenden Einfluss auf die Handelsstruktur in ländlichen Regionen und auf die
44 2 Informationsgrundlagen des Handelsmarketing
2.5.1.2 Ökonomische Umweltfaktoren
Zu den ökonomischen Faktoren zählen primär die konjunkturelle Entwicklung, die Ver-
änderungen der Kaufkraft, die Entwicklung der Ausgaben für Konsum, etc. Die wert-
mäßige private Konsumgüternachfrage ist in den letzten Jahrzehnten nur geringfügig
gestiegen (vgl. Abb. 2.3). Ihr Anteil am gesamten privaten Verbrauch ist hingegen stark
rückläufig, d. h. anteilsmäßig wird immer weniger Geld für den einzelhandelsrelevanten,
privaten Konsum ausgegeben. So flossen 1990 noch 44,2 % des privaten Verbrauchs in
den Einzelhandel, 2004 waren es nur noch rund 30 %. Im Jahr 2014 lag der Anteil des
Konsumgüterhandels am gesamten privaten Konsum bei nur noch 27 %.
Eine weitere, zunehmend wichtigere Facette der ökonomischen Umwelt, stellt das
Gebiet der Internationalisierung im Handel dar. Gerade weil es für deutsche Handels-
unternehmen immer schwieriger wird, inländisches Wachstum zu erzielen, versuchen
2.5 Allgemeine Instrumente der Informationsbedarfsdeckung 45
Mrd. Euro
600
492,6
500 483
471,5
450,9 458,1
437,9 445,4
428,3 432,2 426,3 430,2 432,7 427,6 432,3 427,2
423,1 417,2 418,9
400
300
200
100
0
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
2.5.1.3 Sozio-kulturelle Umweltfaktoren
Zu dieser Gruppe zählen überwiegend Verschiebungen in gesellschaftlichen Bereichen.
Ein erster wichtiger Punkt ist die deutliche Veralterung der Gesellschaft. Im Jahr 2050
werden nach Berechnungen des Bundesamtes für Statistik gut 37 % aller Deutschen
älter als 60 Jahre sein. Im Jahr 2010 waren es noch weniger als 27 %. Diese Veralterung
spiegelt sich in den Schlagworten „Seniorenmarketing“ oder „Silver Market“ wider
und dürfte künftig verstärkten Einfluss auf das Handelsmarketing nehmen. Des Weite-
ren können Werteveränderungen insbesondere innerhalb junger, attraktiver Zielgruppen
einen maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg des Handelsmarketing haben. So ließ sich
in den letzten Jahren beispielsweise verstärkt ein Trend zu hedonistischem Verhalten
erkennen, der im Handel durch die Herausbildung erlebnisorientierter Konzepte (z. B.
CentrO Oberhausen) seine Entsprechung fand. Zunehmend stellen auch ethische Kauf-
motive wie bspw. Nachhaltigkeit sowie biologisch und/oder regionale Aspekte zentrale
Determinanten des Kaufs dar (vgl. bspw. Frank 2018; Frank und Brock 2018 sowie
Meffert et al. 2014). Und nicht zuletzt sind in vielen Bereichen auch erhebliche Ver-
änderungen der Konsumpraktiken zu beobachten, die neuere partizipative Formen wie
die erfolgreiche Etablierung von Selbstbedienungstechnologien ermöglichen (vgl. Ken-
ning und Lamla 2017).
Mögliche Informationsquellen des Handelsmarketing stellen neben den bereits
erwähnten externen Dienstleistern oft auch Stiftungen (z. B. die Bertelsmann-Stiftung)
sowie (Trend-) Forschungsinstitute zur Verfügung. Bekannte Beispiele sind der Handels-
monitor oder die Shell-Studie. Und nicht zuletzt können Studien entsprechender NGO
wie bspw. des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände
(vzbv) wertvolle Einblicke vermitteln.
2.5.1.4 Technologische Umweltfaktoren
Dieser Gruppe sind sämtliche Technologien zuzurechnen, die einen Einfluss auf das
Handelsmarketing haben könnten. Die Richtung, die dieser Einfluss annehmen kann,
ist nicht immer eindeutig zu bestimmen. Dies wird am Beispiel des Internets deutlich.
Zunächst befürchteten viele Händler, dass diese Technologie eine dramatische Disinter-
mediation implizieren könnte und somit für den Handel deutlich negativ zu beurteilen
wäre. Disintermediation bedeutet in diesem Zusammenhang, dass durch eine erleichterte
Kommunikation und sinkende Transaktionskosten einzelne Akteure in der Wert-
schöpfungskette wegfallen können. Nach und nach stellte sich jedoch heraus, dass das
Internet auch als zusätzliches Instrument des Handelsmarketing, z. B. im Rahmen des
Direct-Mailing im Vertrieb oder im E-Procurement in der Beschaffung, genutzt werden
konnte. Heute hat sich das Internet zu einem eigenständigen Absatzkanal entwickelt
und wird häufig in der Multikanalstrategie eines Handelsunternehmens eingesetzt (vgl.
insbesondere Kap. 13).
2.5 Allgemeine Instrumente der Informationsbedarfsdeckung 47
Insofern ist bei den technologischen Umweltfaktoren oft nicht ad hoc erkennbar,
elche Bedeutung sie für das Handelsmarketing haben werden. So ist aktuell in der Dis-
w
kussion, welchen Nutzen bspw. das „Internet der Dinge“ auf Dauer haben dürfte. Geräte
wie bspw. Waschmaschinen oder Drucker werden vernetzt und können rechtzeitig
und selbstständig Waschpulver oder Toner nachbestellen. Handelsunternehmen wie
Amazon führen bspw. den Dash-Button („Kaufknopf“) ein, der bspw. an der Waschmaschine
befestigt werden kann. Mit nur einem Knopfdruck ist es für den Kunden nun möglich,
Waschpulver einer bestimmten Marke direkt bei Amazon zu bestellen (vgl. Abb. 2.4).
Wie bereits betont, sind diese Entwicklungen sowie die damit verbundenen
Bedeutungen für und durch den Handel simultan zu beobachten, was die Handelspraxis
regelmäßig vor große Herausforderungen stellt. Um dennoch rechtzeitig Informationen
über relevante technologische Entwicklungen zu erhalten, kann der Marketingmanager
auf eine Vielzahl von Informationsangeboten zurückgreifen. Eine wichtige Funktion
erfüllen hier regelmäßig wiederkehrende Tagungen und Kongresse (z. B. EuroShop des
EHI) und Organisationen (z. B. GS1).
Im Unterschied zur Umweltanalyse besteht bei der Analyse der Wettbewerbsumwelt ein
direkter Bezug zum Handelsunternehmen. Im Rahmen der Wettbewerbsanalyse lassen
sich nach Porter fünf Wettbewerbskräfte unterscheiden, die im Folgenden skizziert wer-
den sollen (vgl. hierzu auch Ehrmann 2005, S. 21 ff.):
Die Verhandlungsstärke der Abnehmer ist eine erste wichtige Wettbewerbskraft,
da die Abnehmer in der Lage sein können, bestimmte Anforderungen an den Händ-
ler zu stellen. Dies gilt insbesondere für Großhändler, die nur wenige große und damit
mächtige Einzelhändler beliefern. Die Gefahr, die sich aus einer solchen Konstellation
48 2 Informationsgrundlagen des Handelsmarketing
ergeben kann, ist, dass die Einzelhändler durch einen Zusammenschluss die Großhan-
delsstufe integrieren können, wie dies z. B. bei der Bildung von Verbundgruppen oft
geschehen ist. Darüber hinaus können große zentralistische Systeme oft auch die Groß-
handelsstufe überspringen. So bilden beispielsweise die Metro, H&M sowie ZARA
oder Ikea solche integrierten Systeme. Auf der Einzelhandelsstufe sind die Nachfrager
zumeist jedoch einzelne Konsumenten, deren Verhandlungsstärke grundsätzlich gering
sein dürfte.
Bedeutsamer für diese Stufe ist die Analyse der Verhandlungsstärke gegenüber den
eigenen Lieferanten. Hier lassen sich immer neue Konstellationen beobachten, die von
der deutlich spürbaren Kooperationstendenz (z. B. im Rahmen von ECR-Konzepten) bis
hin zu offen ausgetragenen Konflikten und Machtkämpfen führen können. Marketing-
relevant sind in diesem Kontext beispielsweise Preiserhöhungen, die zu einer Schwä-
chung der eigenen Wettbewerbsposition führen können.
Eine stärkere Bedrohung geht von potenziellen Konkurrenten aus. Diese sind natur-
gemäß nicht immer zu erkennen. Ein bekanntes Beispiel für den deutschen Handel sind
Lidl oder Aldi, die, obwohl sie eigentlich als Lebensmittelhändler positioniert sind,
mittlerweile zu den zehn größten Textileinzelhändlern zählen und damit einen großen
Teil der Konsumausgaben in dieser Branche auf sich vereinen können. Ein Indiz für die
Gefahr, die von potenziellen Konkurrenten ausgehen kann, ist die Leichtigkeit, mit der
Markteintrittsbarrieren überwunden werden können. Beispielhaft für solche Marktein
trittsbarrieren sind die Finanzierungskraft, die Verfügbarkeit von geeigneter Verkaufs
fläche, der Zugang zu den Beschaffungsmärkten, die Lagerkapazitäten sowie das logistische
Know-how. Stellen diese Gegebenheiten keine Barriere dar, ist der Eintritt potenziel-
ler Konkurrenten in den eigenen Markt immer dann wahrscheinlich, wenn die Durch-
schnittsrendite des Marktes dauerhaft überdurchschnittlich und der Wettbewerb
funktionsfähig ist (vgl. Grossekettler 1991, S. 497 f.).
Weiterhin kann eine Bedrohung durch substitutive Betriebsformen entstehen. Diese
sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die gleichen Funktionen erfüllen wie der bereits
etablierte Betriebstyp, diesem oft aber durch die Weiterentwicklung desselben überlegen
sind. Diese Weiterentwicklung hat ihren Ursprung oft in den Hintergrundssystemen,
z. B. in einer überlegenen Organisation der Beschaffung oder der Logistik. So sind bei-
spielsweise die vertikal organisierten Konzepte im textilen Einzelhandel (H&M, Mango,
Zara, Esprit) im Marktauftritt den etablierten Konzepten (C&A, etc.) ähnlich. Da sie aber
durch eine intelligente Hintergrundorganisation deutlich schneller und flexibler auf kurz-
fristige, modische Entwicklungen reagieren können, verdrängen sie die etablierten Kon-
zepte zunehmend.
Das fünfte Kriterium zur Beurteilung der Wettbewerbssituation ist schließlich die
Wettbewerbsschärfe oder -rivalität. Indikatoren für starke Rivalitäten sind Preiskämpfe
in stagnierenden oder schrumpfenden Märkten. In dieser Situation versuchen einige
Händler, sich durch eine weitere Leistungsdifferenzierung, z. B. durch Handelsmarken-
konzepte, dem Preiskampf zu entziehen. Der Erfolg solcher Versuche ist unterschiedlich
2.5 Allgemeine Instrumente der Informationsbedarfsdeckung 49
und hängt nicht zuletzt auch von der Marketingperformance der jeweiligen Handels-
unternehmung ab. Tendenziell ist er aber gerade bei Handelsunternehmen, deren Sorti-
mente weitgehend aus preissensiblen Gütern des täglichen Bedarfs bestehen, beschränkt.
Ziel der bis hierher dargestellten Wettbewerbsanalyse ist es zum einen, das tatsäch-
liche Drohpotenzial der Konkurrenz zu erkennen, und zum anderen, geeignete Maßnah-
men zum Schutz der eigenen Wettbewerbsposition ergreifen zu können.
2.5.3 Stärken-/Schwächenanalyse
Das gemeinsame Merkmal der bis hierhin vorgestellten Analyseansätze ist ihre
Unabhängigkeit von der jeweiligen Unternehmenssituation. Demzufolge würden im
Ergebnis kleine Handelsunternehmen in etwa zu gleichen Ergebnissen gelangen, wie
dies bei größeren Unternehmen der Fall wäre. Diese Bezugslosigkeit wird durch die
Stärken-/Schwächenanalyse aufgehoben. Ihr Merkmal ist es, dass die eigenen Ressour-
cen im Vergleich zu den stärksten Wettbewerbern bewertet werden. Hierzu sind mithin
zwei Dinge notwendig: Neben der bereits skizzierten Wettbewerbsanalyse müssen Infor-
mationen zu den eigenen Ressourcen vorliegen, die dann durch den Vergleich als Stärke
oder Schwäche kategorisiert werden können. Sinnvoll kann es sein, die im Rahmen die-
ser Analyse gewonnenen Erkenntnisse überblicksartig in einem Stärken-/Schwächenpro-
fil darzustellen und dieses regelmäßig zu aktualisieren.
Kombiniert man die Stärken-/Schwächenanalyse mit den Ergebnissen der Umwelt-
analyse, so erhält man schließlich einen systematischen Überblick über die strategische
Lage des Unternehmens. Für diesen zusammenführenden Analyseschritt hat sich der
Begriff der SWOT-Analyse („Strength-Weakness-Opportunities-Threats“) etabliert. Die
Ergebnisse der SWOT-Analyse sind naturgemäß mit Unsicherheit behaftet, da die Ent-
wicklung bestimmter Trends geschätzt werden muss. Die SWOT-Analyse erfüllt daher
eher eine grobe Frühwarnfunktion.
In Abb. 2.5 wird das fiktive Ergebnis einer solchen Analyse für das Handelsunter-
nehmen Karstadt dargestellt. Da das Karstadt-Warenhaus über besonders breite Sorti-
mente verfügt, dürfte die Entwicklung zum One-Stop-Shopping für das Unternehmen
eher vorteilhaft sein (Feld 1). Dem entgegen stellt die geringe Internationalisierung des
Konzerns wohl eher ein Risiko dar (Feld 2). Eine Chance zur Verbesserung der Wett-
bewerbsposition böte sich dem Unternehmen z. B. dann, wenn es gelänge, das Personal
besser zu entwickeln (Feld 3), während der Online- und Versandhandel sowie die sin-
kende Mobilität der Kunden vermutlich einen negativen Einfluss haben dürfte (Feld 4).
Dieses Beispiel mag verdeutlichen, dass die SWOT-Analyse eine Möglichkeit bietet,
die Ergebnisse einer internen, statischen Stärken/Schwächen-Analyse im Hinblick auf
die beobachtbaren Entwicklungstendenzen außerhalb der Unternehmung zu würdigen.
50 2 Informationsgrundlagen des Handelsmarketing
Unternehmens-
externe Fak-
Unter-
nehmens-
toren Chancen Risiken
interne Faktoren
1 2
3 4
Hohe Overhead-Kosten Zunehmende Veralterung der Gesell-
Schwächen verhindern eine Verbesserung der
schaft wirkt sich negativ auf die Mobilität
Preisposition. aus. In der Folge verlieren die inner-
Vertrauensverluste bei den Kunden städtischen Betriebsformen Kaufkraft.
durch inkonsistente Preispolitik.
Online- und Versandhandel sorgt eben-
Unsicherheit bezüglich der falls für einen Verlust innerstädtischer
künftigen Personalentwicklung hat Kaufkraft
das Personal stark verunsichert.
Bereits im einführenden ersten Kapitel wurde die hohe Bedeutung des Absatzmarktes für
den Erfolg des Handelsmarketing betont. Es ist daher nur konsequent, dass die Analyse
des Absatzmarktes eine bedeutsame Rolle im Marketing-Prozess spielt. Wichtige absatz-
marktorientierte Größen, die auch eine Beurteilung der Attraktivität eines Absatzmarktes
ermöglichen, sind:
• Das Marktpotenzial,
• das Marktvolumen,
• das Marktwachstum und
• der Marktanteil.
Haushalt die Menge von 300 L zweimal im Jahr um so beträgt das mengenmäßige
Marktpotenzial für Tiefkühlkost 4,8 Mrd. L Tiefkühlgut. Multipliziert man diese Menge mit
dem Durchschnittspreis (z. B. 5,- €) für einen Liter Tiefkühlgut, so erhält man in diesem Fall
das wertmäßige Marktpotenzial in Höhe von 24 Mrd. € pro Jahr. €. Es liegt auf der Hand,
dass die konkrete Angabe solcher Werte von zahlreichen Annahmen abhängig ist. Gleich-
wohl erfüllt diese Größe eine wichtige Orientierungsfunktion für das Handelsmarketing.
Das Marktvolumen kennzeichnet die Menge, die tatsächlich in einem Markt abgesetzt
werden kann. Im Beispiel könnte dies bedeuten, dass von den 24 Mrd. € Marktpotenzial
nur 20 Mrd. € realisiert werden können, etwa weil die Belieferung entlegener Kun-
den nicht rentabel betrieben werden kann. Insofern entsprechen sich die Werte Markt-
potenzial und Marktvolumen immer nur dann, wenn die gesamte Nachfrage befriedigt
werden konnte.
Der Begriff Marktwachstum kennzeichnet die Entwicklung, die ein Markt innerhalb
eines bestimmten Zeitraumes aufweist bzw. aufweisen wird. Er kann sich sowohl auf
das Markpotenzial als auch auf das Marktvolumen beziehen. Zudem kann das Markt-
wachstum analog zum Marktpotenzial sowohl als mengenmäßige als auch als wertmä-
ßige Größe angegeben werden. Im Unterschied zu den beiden vorherigen Größen handelt
es sich allerdings um eine relative Größe. Würde im genannten Beispiel die Anzahl
der Truhen innerhalb eines Jahres um 800.000 Stk. ansteigen, so betrüge das Markt-
wachstum hier ceteris paribus 10 %. Aus der Beobachtung des Marktwachstums kann
der Marketingmanager wichtige Schlüsse auf die künftige Entwicklung eines Marktes
ziehen. Verflacht es beispielsweise, so wird der Markt vermutlich bald stagnieren, was
wiederum zu einer erhöhten Wettbewerbsrivalität führen kann. Sinkende Zuwachsraten
sind daher oftmals die Vorboten von Preiskämpfen.
In einer solchen Situation bietet der Marktanteil eine Orientierungshilfe, um die
eigene Wettbewerbsstärke besser beurteilen zu können. Grundsätzlich sind Handels-
betriebe, die einen hohen Marktanteil aufweisen, wettbewerbsfähiger. Zumeist haben
sie eine bessere Kostensituation (z. B. durch Vorteile auf dem Beschaffungsmarkt). Der
Marktanteil ist dabei definiert als der Absatz oder Umsatz eines Händlers in Bezug zum
Absatz oder Umsatz des Gesamtmarktes. Einen besonderen Aussagenwert liefert, ins-
besondere in oligopolistischen Märkten, die Betrachtung des relativen Marktanteils.
Hierbei wird der eigene Marktanteil in Relation zu dem Marktanteil des stärksten Wett-
bewerbers gesetzt. Bisweilen wird auch der Markanteil der größten drei Wettbewerber
verwendet.
Voraussetzung einer marktorientierten Führung von Handelsbetrieben ist eine klare Defi-
nition des relevanten Marktes. Im Handel hat diese Definition auch aus kartellrechtlichen
Gründen eine besondere Bedeutung erfahren (vgl. bspw. Ahlert et al. 2011). Dem vor-
gelagert ist die Frage nach der Marktwahl zu beantworten. Der Begriff „Markt“ wird in
52 2 Informationsgrundlagen des Handelsmarketing
diesem Kontext abstrakt verwendet, d. h. er bezeichnet nicht eine Region oder eine zu
bestimmende Zielgruppe, sondern ist der gedachte Ort, an dem der Leistungsaustausch
i. S. e. Übertragung von Verfügungsrechten stattfindet. Im Handel ergibt sich aus dieser
Definition in Kombination mit dem doppelten Leistungsprinzip die Besonderheit, dass
sowohl die Betriebstypenleistung als auch die Sortimentsleistung auf Märkten gehandelt
werden können. Diese müssen sich jedoch nicht zwangsläufig entsprechen. So ist es
zum Beispiel denkbar, dass die Fachabteilung eines Warenhauses an einem bestimmten
Standort mit dem Facheinzelhandel konkurriert, obwohl die Betriebstypen in anderen
Sortimentsbereichen kaum Überschneidungen aufweisen. Eine weitere Besonderheit
im Handel besteht darin, dass nicht nur die spezifischen Verhältnisse auf den relevanten
Absatzmärkten, sondern in der Regel auch auf den relevanten Beschaffungsmärkten eine
ausschlaggebende Bedeutung für das Handelsmanagement haben. Insofern ist die Frage
nach der Abgrenzung des relevanten Marktes für das Marketingmanagement im Handel
von mehrfacher Relevanz.
Zur Abgrenzung des relevanten Absatzmarktes haben sich in der Literatur drei ver-
schiedene Ansätze herausgebildet, die in der nachfolgenden Tabelle (vgl. Tab. 2.3)
überblicksartig zusammengestellt sind (vgl. vertiefend Ahlert 1987, S. 4 ff.).
Zentrales Merkmal produktbezogener Ansätze ist, dass der relevante Markt sämt-
liche Produkte umfasst, die sich physikalisch-technisch ähnlich sind. Demnach umfasst
zum Beispiel der relevante Markt von Brauereien sämtliche Getränke, die nach dem
Reinheitsgebot gebraut wurden und die aufgrund ihrer physikalischen-technischen
Eigenschaften als Bier bezeichnet werden können. Da Handelsbetriebe mit der Betriebs-
form und dem Sortiment stets zwei Produkte am Markt bewegen, lassen sich die
produktorientierten Verfahren analog in zwei Untergruppen unterteilen: Zum einen agie-
ren demnach die Betreiber ähnlicher Betriebstypen auf dem gleichen Markt. So wären
bspw. im Discountmarkt Aldi, Lidl, Takko und Kik zusammenzufassen. Zum anderen
agieren Handelsbetriebe mit physikalisch-technisch ähnlichen Sortimenten auf dem
gleichen Markt. Insofern ergäbe sich beispielsweise ein Markt der Frischeanbieter oder
ein Markt der Getränkeanbieter. Der Nachteil dieser Verfahren ist, dass sie sehr schnell
komplexen Charakter annehmen können. In einem SB-Warenhaus werden oft mehrere
zehntausend Artikel geführt. Eine Definition des relevanten Marktes auf dieser Ebene
erscheint unmöglich und wenig sinnvoll. Die nächsthöhere Aggregationsstufe bilden
dann die Warengruppen. Zwar ließen sich diese tendenziell als Gegenstand der Marktab-
grenzung verwenden, gleichwohl stellt sich dann die Frage, wie der physikalisch-technische
Charakter auf dieser Ebene (z. B. Getränke, Herrenbekleidung) bestimmt werden kann.
Bei den anbieterorientierten Ansätzen lassen sich diverse Unterformen erkennen. Das
bekannteste Verfahren ist das Konzept der Kreuzpreiselastizität. Demnach befinden sich
zwei Anbieter immer dann auf dem gleichen relevanten Markt, wenn eine Preiserhöhung
(Preissenkung) des einen Anbieters eine positive (negative) Wirkung auf die Absatz-
menge des anderen Anbieters hat. Dieser Ansatz ist nützlich, wenn es wenige Anbieter,
wenige Verbundeffekte und eine hohe Informationstransparenz hinsichtlich der gesetzten
Preise und erzielten Absatzmengen gibt. Dies ist im Handel aber eher selten der Fall.
2.5 Allgemeine Instrumente der Informationsbedarfsdeckung 53
Zahlreiche Artikel sind Verbundartikel und Preiserhöhungen bei einzelnen Artikeln füh-
ren nicht immer umgehend zu einer Absatzverlagerung. Insofern ist das Konzept der
Kreuzpreiselastizität für den Handel nur unter strengen Annahmen nützlich. Die funda-
mentale Kritik an den anbieterorientierten Ansätzen ist jedoch, dass sie den Aspekt der
Kundenorientierung zu wenig beachten. Insofern impliziert ihre Verwendung stets die
Gefahr, bei der Abgrenzung des relevanten Marktes den Kunden zu vergessen.
Diese Kritik adressieren die nachfrager- bzw. kundenorientierten Ansätze. Sie über-
lassen dem Kunden die Abgrenzung des Marktes. Stark vereinfacht lautet die Maxime
54 2 Informationsgrundlagen des Handelsmarketing
dieser Ansätze, dass alles, was aus Sicht des Kunden zum relevanten Markt gehört, tat-
sächlich den relevanten Markt des Handelsbetriebs bildet. Voraussetzung für die Ver-
wendung dieser Methode ist damit, dass der Marketingmanager im Handel einen hohen
Informationsstand über seine Kunden hat. Dies ist insbesondere bei kleineren Handels-
betrieben, die wie bereits erwähnt zumeist keine eigenen Kundeninformations-Systeme
haben, oft nicht der Fall. Diese sind daher entweder auf sekundärstatistisches Material
großer Marktforschungsorganisationen (wie TNS Emnid, GfK oder The Nielsen Com-
pany) oder auf andere publizierte Daten angewiesen und haben insofern einen gewissen
Nachteil.
Die höchste praktische Relevanz, insbesondere auch in wettbewerbsrechtlichen Ver-
fahren (Marktbeherrschung, Fusionskontrolle, etc.), hat wohl das Konzept der sub-
jektiven Austauschbarkeit erreichen können. Demnach besteht der relevante Markt aus
sämtlichen Leistungen, die aus der subjektiven Sicht der Nachfrager als austauschbar
angesehen werden. Analog wird auch der Begriff „Bedarfsmarktkonzept“ verwendet.
Aus Sicht des Handels ist hier aber eine Besonderheit zu vermerken, die mit dem
Leistungsbegriff verbunden ist. Neben der Sachleistung erbringen Handelsunternehmen
nämlich regelmäßig auch Dienstleitungen, indem sie Handelsfunktionen erfüllen.
Diese Unterteilung zwischen Sach- und Dienstleitungen hat sich gerade im Bereich der
Fusionskontrolle als wesentlich herausgestellt (vgl. hier und im Folgenden Ahlert 1987,
S. 4 ff.). Letztlich sollte der Abgrenzung des relevanten Marktes von Handelsbetrieben
daher das „normale Sortiment“ eines bestimmten Handelszweiges zugrunde gelegt wer-
den. Problematisch ist dabei aber die Definition des „normalen Sortiments“, was im
Einzelfall zu definieren ist. Zudem ist zu beachten, dass bei der zur Abgrenzung des
relevanten Marktes wichtigen Definition der Wettbewerbsintensität den Ausweichmög-
lichkeiten der Kunden eine besondere Bedeutung zukommt. Tendenziell kann man fest-
halten, dass eine hohe Beweglichkeit der Nachfrager mit einem hohen Wettbewerbsgrad
einhergeht.
Um herauszufinden, welche Anbieter den relevanten Markt bilden, bieten sich ver-
schiedene Verfahren an. Eine bekannte Methode ist das Verfahren der Aggregation. Bei
diesem Verfahren stehen die Ausweichmöglichkeiten der Kunden im Mittelpunkt. Zur
hier interessierenden Abgrenzung des relevanten Marktes geht man in den folgenden drei
Schritten vor:
Ein Ansatz zur Bestimmung der latenten Konkurrenz ist der sog. Second-Choice Ansatz
(vgl. Kenning 2001 sowie Ahlert 1987, S. 8). Dabei wird untersucht, welche Leistun-
gen der Kunde dann beanspruchen würde, wenn der jeweilige Handelsbetrieb sie nicht
2.5 Allgemeine Instrumente der Informationsbedarfsdeckung 55
• Die Teilbarkeit des Gesamtmarktes: Der Markt muss sich grundsätzlich in mehrere,
von einander abgrenzbare Teilmärkte aufspalten lassen.
• Die hohe interne Homogenität der Marktsegmente: Die jeweiligen Markt-
segmente sollten nach innen hin ähnlich auf Absatzstimuli (z. B. Werbung, Produkt-
innovationen) reagieren.
• Ein ausreichendes Marktsegmentpotenzial: Die jeweils abgegrenzten Marktsegmente
müssen ein Potenzial aufweisen, das ihre gesonderte Bearbeitung rechtfertigt.
• Die Existenz von Segmentierungskriterien: Es muss Größen geben, nach denen der
Markt aufgeteilt werden kann. Diese Größen sollten zeitlich stabil, kaufverhaltens-
relevant, wirtschaftlich beschaffbar und messbar sein.
56 2 Informationsgrundlagen des Handelsmarketing
1Einen Überblick bietet u. a. Müller-Hagedorn und Natter (2011, S. 50 ff.); Zu den Phasen der
Marktssegmentierung im Handel vgl. auch Rudolph (2005, S. 56 ff.).
2.6 Spezifische Methoden der Marketingforschung im Handel 57
Beobachtung/
Panel Testmarktsysteme
Befragung am POS
POS-Beobachtung
Großhandelspanel Storetest
• Distribution
• Preis
Lokaler bzw. • Platzierung
Einzelhandelspanel regionaler Markttest • Kontaktstrecke
Mini-Testmarkt Handelsbefragung
Verbraucherpanel
Beobachtung der
Expertenpanel Handelswerbung
Beobachtung
am POS
Befragung am POS
Scannerdaten
2.6.1 Panel-Analysen
Unter dem Begriff Panel subsumiert man Untersuchungen, die in zeitlich bestimmten,
oft regelmäßigen Abständen bei einem gleich bleibenden Untersuchungskreis durch-
geführt werden. Ihr Ziel besteht darin, Entwicklungen im Zeitablauf zu identifizieren
(vgl. Berekoven et al. 2009, S. 120 ff.). Je nachdem, aus welchen Personen bzw. Organisa
tionen die Panelteilnehmer rekrutiert werden, unterscheidet man Großhandels-, Einzel-
handels- und Verbraucherpanel (vgl. Abb. 2.7).
Verbraucher- und Handelspanel unterscheiden sich vor allem durch die Art der Seg-
mentierung. Bei Verbraucherpanels wird nach verbraucherbezogenen Daten segmentiert
(z. B. Alter, Haushaltsgröße). Ziel ist es, das Verbraucherverhalten zu erfassen. Haus-
haltspanels dienen beispielsweise der Erfassung des Kaufverhaltens privater Haushalte
bezüglich bestimmter Warengruppen. Dabei werden Daten erhoben wie Datum des Ein-
kaufs, Einkaufsstätte (Name und Art des Geschäftes) und alle eingekauften Produkte
(Art und Marke des Produktes, Packungsgröße, Menge, Preis). Im Gegensatz dazu
erfassen Handelspanels das Handelsverhalten und werden nach handelsspezifischen
Gesichtspunkten segmentiert (z. B. Geschäftsgröße, Betriebsform).
58 2 Informationsgrundlagen des Handelsmarketing
Verbraucherpanels
• Haushaltspanels
• Individualpanels
• Großverbraucherpanels
• Spezialpanels
Panel
• Teilerhebung
• Wiederholung in
regelmäßigen Abständen Handelspanels
• identische Stichprobe • Großhandelspanel
• gleiches Thema – Liefer-GH
– C&C-GH
– Warehouse Shipment Service
• Einzelhandelspanel
– Lebensmittel-EH
– Drogerien & Parfümerien
– ...
Abb. 2.7 Panel-Arten
Wesentliche Quellen für das Handelsmarketing sind Verbraucherpanels, die z. B. von
der Gesellschaft für Konsumforschung („GfK“) in Nürnberg bereitgestellt werden.
Sie liefern Abverkaufsdaten über alle vom Verbraucher aufgesuchten Einkaufsstätten
und ermöglichen damit eine Abbildung des gesamten Einkaufsverhaltens. Die sozio-
demografischen Daten der Panelteilnehmer umfassen u. a. den Wohnort, das Alter der
haushaltsführenden Person, die Kinderzahl.
Die Panelforschung ist mit einigen Problemen behaftet. Zu nennen sind vor allem:
• hohe Panelsterblichkeit, d. h. die Fluktuation der Panelteilnehmer (z. B. wegen eines
Ortswechsels),
• hohe Durchführungskosten,
• eingeschränkte Repräsentanz durch hohe Verweigerungsraten bei der Teilnahme am
Panel und ungleiche Verteilung der Verweigerungsraten in der Bevölkerung,
• geringe Fallzahl, die detaillierte Analysen oftmals erschwert und unsichere Ergebnisse
impliziert, sowie
• Paneleffekte: Veränderung des Kaufverhaltens (z. B. erhöhte Preissensibilität) oder
Impuls durch den Berichtsbogen zum Kauf bestimmter, nicht notwendiger Produkte
(Checklist-Effekt), Over- bzw. Underreporting.
Andererseits eignet sich die Panelforschung gut, um die Wirkung zeitlich befristeter
Maßnahmen zu ermitteln, da die Panelteilnehmer nach einer Eingewöhnungsphase ihre
Teilnahmen an der Panelforschung habitualisieren. Insofern kann die Panelforschung gut
im Rahmen evolutionärer Konzepte eingesetzt werden, die oft nach dem Trial-and-Error-
Prinzip funktionieren.
2.6 Spezifische Methoden der Marketingforschung im Handel 59
2.6.2 Testmarktsysteme
Ein zweiter wichtiger Methodenkomplex, der mit der Panelforschung kombiniert werden
kann, sind Testmarktsysteme. Hier unterscheidet man Storetests, lokale Markttests sowie
Mini-Testmärkte.
Beim Storetest ist das Testgebiet die einzelne Einkaufsstätte. In dieser wird für einen
vorher bestimmten Zeitraum ein Parameter variiert (z. B. Test von Teilen des Eigen-
markensortiments) und dessen Wirkungsbeitrag auf die zu beobachtenden Zielgrößen
(z. B. den Umsatz der Einkaufsstätte) erfasst (vgl. Theis 1999, S. 214). Wichtig ist bei
solchen Tests, dass keine Verzerrungen, z. B. durch Aktivitäten der Wettbewerber oder
saisonale Aspekte, erfolgen. Im Kern stellt sich daher die Marketingforscherin im Handel
die Frage, an welchen Standorten und zu welchen Zeiten sie möglichst aussagekräftige
Testergebnisse erhalten kann. In der Praxis werden Storetests oft parallel an mehreren
Standorten durchgeführt. Im Falle lokaler Verzerrungen kann man dann auf die Ergeb-
nisse der verzerrungsfreien Standorte zurückgreifen. Die Vorteile von Storetests sind vor
allem niedrige Kosten, Schnelligkeit und die Gewinnung von marktnahen Ergebnissen.
Die Ergebnisse von Storetests sind jedoch auch mit einigen Nachteilen verbunden. Zu
nennen sind:
• fehlende Repräsentativität,
• ausschließliche Erfassung von Abverkaufsdaten, käuferbezogene Informationen (z. B.
Kaufintensität) sind nur durch zusätzliche Befragungen ermittelbar,
• Beschränkung auf Erst- bzw. Versuchskäufe,
• Möglichkeit zu bewussten Störmaßnahmen der Konkurrenz und
• Test einer „Ladensituation“, Vernachlässigung ggfs. später einzusetzender Werbung.
Letztendlich sind Storetests ein gutes Mittel, um Tendenzaussagen über die Wirkung der
variierten Parameter zu treffen. Auch im Online-Handel wird diese Art von Realexperi-
ment durchgeführt. Durch eine Einteilung in zwei verschiedene Gruppen (A und B) und
die Manipulation bestimmter Parameter wird die Wirkung auf abhängige Größen unter-
sucht. Zum Beispiel werden unterschiedliche Startseiten von Shops und deren Wirkung
auf den Abverkauf untersucht. Diese Tests werden auch häufig als A/B-Tests bezeichnet.
Bei lokalen Markttests werden die Tests auf einen ganzen Standort oder eine ganze
Region ausgeweitet. Dabei wird die Wirkung einzelner Marketingmaßnahmen oder
auch innovativer Konzepte unter weitgehend kontrollierten Bedingungen überprüft. In
diesen künstlichen Experimenten sehen Einzelhändler eine einfache Möglichkeit, die
Akzeptanz und den Erfolg von Maßnahmen, beispielsweise die Aufnahme eines neuen
Sortimentsbereiches (Fahrradzubehör in einem Supermarkt), zu prüfen. Als Maß-
größe werden dabei oft der Umsatz bzw. dessen Entwicklung herangezogen. Um aus-
sagekräftige Ergebnisse zu erzielen, müssen die Testmärkte besonderen Anforderungen
genügen:
60 2 Informationsgrundlagen des Handelsmarketing
Ein solcher Testmarkt befindet sich z. B. in Hassloch in der Pfalz. In diesem „Testort“
leben etwa 20.000 Menschen. Seit 1985 sind rund 3500 der insgesamt 12.400 Haushalte
an den Tests beteiligt. Solche lokalen Markttests sind das einzige Verfahren zur simul-
tanen Überprüfung des gesamten Marketing-Mix. Mithilfe dieses methodisch sehr weit
entwickelten Feldexperiments können repräsentative und marktreale Informationen
gewonnen werden.
So wurde bspw. das Curated Shopping-Konzept KptnCook in Berliner real-Märkten
getestet (vgl. Abb. 2.8). Kunden werden täglich drei unterschiedliche Rezepte präsen-
tiert, die mit dem Sortiment des Handelsunternehmens abgestimmt sind. Zudem wird
eine Einkaufsliste mit Preis- und Mengenangaben generiert, die den Einkaufsprozess
für den Kunden erleichtern soll. Der Markttest im stationären Handel wurde zunächst in
einem regionalen Testmarkt – in diesem Falle in Berlin – durchgeführt.
Kritisch ist jedoch anzumerken, dass derartige Tests einerseits systematisch und kon-
trolliert durchgeführt sowie andererseits dokumentiert werden müssen. Ein systema-
tisches und kontrolliertes Vorgehen ist notwendig, um (extern) valide und auf andere
Standorte übertragbare Ergebnisse zu erhalten. So lassen sich die Ergebnisse der Sorti-
mentserweiterung am Teststandort nicht ohne weiteres auf einen anderen Supermarkt
übertragen, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft sich ein Fahrrad-Fachgeschäft
befindet. Die Dokumentation derartiger Marktexperimente ist ebenso notwendig, um
die gewonnenen Erkenntnisse in einem Handelssystem zu verbreiten, denn vielfach wer-
den derartige Markttests nur intuitiv von den Entscheidungsträgern ausgewertet. Deren
individueller Erfahrungsschatz wird zwar bereichert, ist aber so lange nicht allgemein
zugänglich, wie die Handelsunternehmung auf ein systematisches Wissensmanagement
verzichtet.2
Ein (elektronischer) Mini-Testmarkt ist ein Testverfahren zur Überprüfung der Markt-
chancen neuer oder veränderter Produkte und eine Alternative zum kostenintensiven
lokalen Testmarkt. Es handelt sich dabei entweder um eine Kombination von Storetest
und Haushaltspanel, bei der Abverkaufserfassung via Scanning durchgeführt wird und
die Zuordnung der Verkäufe zu Haushalten über Identifikationskarten erfolgt. Die zweite
2Zum Wissensmanagement im Handel vgl. Blaich (2004), Spelsiek (2004) sowie Ahlert et al.
(2005).
2.6 Spezifische Methoden der Marketingforschung im Handel 61
Den direkten Kundenkontakt und die damit verbundenen persönlichen Gespräche zwi-
schen Verkaufspersonal und Kunde werten viele Einzelhändler als ihre ergiebigste
Informationsquelle. Nicht wenige Einzelhändler halten sie sogar als alleinige
Informationsgrundlage für ausreichend. Diese steht jedoch nur beratungs- bzw. service-
intensiven Handelsbetrieben, z. B. dem Automobil-, Möbel- und Schmuckhandel, teil-
weise auch noch dem gehobenen Bekleidungshandel, zur Verfügung. Dagegen ist
beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel aufgrund der Selbstbedienung, die sich
innerhalb der letzten 30 Jahre durchgesetzt hat, der direkte Kundenkontakt weitgehend
verloren gegangen. Der Kundenkontakt und damit die Informationsbeziehung zum
Kunden beschränken sich hier vor allem auf Bedienungsbereiche (z. B. Fleischtheke) und
den Kassiervorgang. So lässt sich in weiten Teilen des Einzelhandels eine ‚Kundenent-
fremdung‘ konstatieren. Selbst wenn die direkte Kommunikation mit dem Kunden noch
vorhanden ist, kommt es auf das Verkaufspersonal an, diese Informationsquelle zu nut-
zen. Zum einen muss es die Fähigkeit und Qualifikation besitzen, systematisch relevante
Informationen (z. B. Bedarf an neuen Serviceleistungen im Handel) zu erheben, zum
anderen müssen die gewonnenen Erkenntnisse auch weitergeleitet werden (vgl. Meik 2016).
Bei gegebenem Kontakt ist es Aufgabe des Verkaufspersonals, relevante Informa-
tionen über Kunden zu generieren. Es ist jedoch davon auszugehen, dass großen Teilen
des Verkaufspersonals die dazu notwendigen Kenntnisse fehlen. In den Einzelhandels-
betrieben werden heutzutage vielfach Teilzeit- und Aushilfskräfte eingesetzt, bei denen
eine eher geringe Qualifikation vorhanden ist. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen:
Erstens kann davon ausgegangen werden, dass nur wenige Verkaufsmitarbeiter bezüg-
lich der Informationsquelle „Kunde“ sensibilisiert sind. Zweitens sind die vom Verkaufs-
personal gewonnenen Informationen häufig nur sehr eingeschränkt verwendbar, da sie
in der Regel nicht mit der erforderlichen Objektivität und Systematik erhoben werden.
Sie eignen sich allenfalls für Maßnahmen ‚vor Ort‘, nicht aber zur Weiterleitung an die
entsprechende Stelle in der Zentrale des Handelsunternehmens. Die neuen digitalen
Techniken erlauben indessen ein effektives und zunehmend effizientes dossiergestütztes
Kundenkontaktmanagement (vgl. insbesondere Beiträge in Krafft und Mantrala 2010).
Einkaufsverhaltensbeobachtung
z.B. Kundenfrequenz, Kundenlauf
Verwendungsverhaltensbeobachtung
z.B. Produkthandhabung, Service-
Kundenbeobachtung nutzung
Wahrnehmungsverhaltens-
beobachtung
z.B. Sonderplatzierungen
z.B. Verkehrsmittelbenutzung,
Passantenbeobachtung Passantenströme,
Schaufensterwahrnehmung
Hinsichtlich der Personalbeobachtung hat auch der Einsatz sog. Testkunden oder
„Mystery Shopper“ eine große Bedeutung (vgl. Haas 2006). Hier tritt ein Beobachter als
Testkunde auf und prüft die Beratungsqualität des Personals. Diese Testkunden kön-
nen wertvolle Informationen über die Servicequalität vor Ort geben, die oftmals deut-
lich teuere Befragungen im Bereich der Kundenzufriedenheit ergänzen und gelegentlich
sogar ersetzen können.
Hinsichtlich der Durchführungsmethode sind – bezogen auf das Untersuchungsdesign –
folgende Faktoren festzulegen (vgl. Theis 1999, S. 183 ff.):
Der Beobachtung am PoS sind jedoch – nicht nur rechtlich – enge Grenzen gesetzt, da
nicht alle notwendigen Informationen beobachtbar sind. Beispielsweise werden das ver-
gangene Kaufverhalten, Einstellungen sowie weitere psychografische Merkmale nicht
erfasst. Zudem sind die Ergebnisse durch den Beobachter beeinflusst. Auch sind die
Stichproben aus Kostengründen oft eher klein, was repräsentative Aussagen erschwert.
Damit ist je nach Forschungsfrage zu beurteilen, ob eine Beobachtung zweckmäßig ist
oder ob sie kombiniert mit anderen Methoden anzuwenden ist. Der wesentliche Vorteil
von Beobachtungen ist vor allem die Tatsache, dass sie keine Befragung der Probanden
voraussetzt und sie die Möglichkeit der Erfassung unbewusster Verhaltensweisen ermög-
licht (vgl. Theis 1999, S. 198 f.).
Eine wesentliche Weiterentwicklung hat das Instrument der Beobachtung im Zuge
der Entwicklung sogenannter CRM-Programme erfahren (vgl. insbesondere Kap. 12).
2.6 Spezifische Methoden der Marketingforschung im Handel 65
Die Befragung ist wohl die bedeutendste Methode der Primärforschung im Handels-
marketing. Je nach Untersuchungsgegenstand werden Experten, Händler, Kunden oder
Konsumenten befragt bzw. interviewt. Zu unterscheiden sind standardisierte, nicht stan-
dardisierte und teilstandardisierte Befragungen:
Im Rahmen von standardisierten Befragungen werden die Probanden anhand eines
fest vorgegebenen Fragebogens interviewt. Formulierung, Fragestellung sowie Antwort-
möglichkeiten sind fest vorgegeben. Die Vorteile dieser Methode sind vor allem die
gute Vergleichbarkeit der Ergebnisse sowie die leichte Auswertbarkeit für statistische
Zwecke. Zudem hat der Interviewer kaum Einfluss auf die Beantwortung der Fra-
gen. Demgegenüber steht jedoch der Nachteil, dass nicht alle möglichen Antworten im
Fragebogen enthalten sind und die Probanden Antworten geben, die sie in einer offenen
Befragung nicht gegeben hätten.
Bei nicht standardisierten Befragungen wird lediglich das Thema des Gespräches vor-
gegeben. Das Tiefeninterview ist das bekannteste qualitative Intensivgespräch zwischen
zwei Gesprächspartnern und gehört zu den nicht projektiven Erhebungsmethoden. Ähn-
liche Interviewformen wie Exploration, problemzentriertes Interview, unstrukturiertes
Interview, fokussiertes Interview und Intensiv-Interview unterscheiden sich hauptsäch-
lich in dem Grad der Strukturiertheit des Fragenkataloges (vgl. Mayring 2016). Ziel des
Tiefeninterviews ist es, vorbewusste, verborgene und nur schwer erfassbare Motive und
Einstellungen zu ermitteln. Der Vorteil der Interviewmethode liegt in der Aufdeckung
vollständiger Gedanken- und Assoziationsketten. Die Methode stellt jedoch an den Inter-
viewer hohe Anforderungen. Der Interviewer muss ein starkes Einfühlungsvermögen
für die Gesprächssituation besitzen, um im richtigen Moment nachzufragen und das
Gespräch zu stimulieren.
Im Rahmen von teilstandardisierten Befragungen liegt ein grober Gesprächsleitfaden
vor, Reihenfolge und Formulierung der Fragen können aber fallweise variieren. Die im
Handel oft angewendeten Fokusgruppen sind dieser Befragungskategorie zuzuordnen (vgl.
Ahlert et al. 2001, S. 279 f.). Dabei werden je nach Fragestellung ausgewählte Konsu-
menten bzw. Kundengruppen im Rahmen einer Gruppendiskussion unter der Leitung eines
Moderators zu bestimmten Themen parallel befragt. Die Vorteile dieser Methode liegen
vor allem in der Nutzung gruppendynamischer Prozesse und der Verdrängung der Inter-
viewsituation und damit dem Abbau von Widerständen, Hemmungen und Ängsten. Oft
werden Meinungen und Einstellungen offengelegt, die im Rahmen von standardisierten
66 2 Informationsgrundlagen des Handelsmarketing
Interviews nicht expliziert werden. Zudem sind Fokusgruppen rasch zu organisieren und
relativ kostengünstig. Nachteilig wirken sich Störungen des Diskussionsverlaufes durch
„dominante“ Probanden aus. Auch deswegen sind die Ergebnisse in starkem Maße von
den Fähigkeiten des Moderators abhängig und werden durch sein Verhalten beeinflusst
(z. B. durch die Betonung bestimmter Aspekte). Wie bei unstandardisierten Befragungen
ist die Verdichtung qualitativer Aussagen problematisch. Zudem ist die Vergleichbarkeit
verschiedener Gruppendiskussionen nur bei starker Strukturierung gegeben.
Hinsichtlich der Datenerhebung lassen sich bei Befragungen vier Arten unter-
scheiden: telefonisch, schriftlich, mündlich und computergestützt. Die Vor- und Nach-
teile der Methoden können der Tab. 2.4 entnommen werden:
Hinsichtlich der Art der Fragestellung ist zu entscheiden, ob eine direkte oder
indirekte Befragung der Probanden erfolgen soll. Direkte Fragen zielen unmittelbar auf
die Themenstellung ab. Sie sind geeignet, wenn Fragen gestellt werden, die keine Tabu-
themen oder aber sozial erwünschtes Verhalten ansprechen – wenn folglich zu erwarten
ist, dass der Proband ehrlich antworten wird. Bei indirekten Fragen werden die Sach-
verhalte durch psychologisch zweckmäßige Frageformulierungen umschrieben, um eine
wahrheitsgemäße Antwort zu erhalten.
Des Weiteren ist zwischen offenen und geschlossenen Fragestellungen zu unter-
scheiden. Bei geschlossenen Fragen sind im Gegensatz zur offenen Frage feste Antwort-
kategorien vorgegeben. Vorteilhaft an einer geschlossenen Fragestellung ist die bessere
Vergleichbarkeit der Antwortmöglichkeiten. Demgegenüber steht jedoch die Gefahr der
Vernachlässigung wichtiger Antwortmöglichkeiten.
Schließlich ist bei der Durchführung von Befragungen auch die Gestaltung des
Fragebogens festzulegen. Inhaltlich sind vier Gruppen von Fragen zu unterscheiden:
Einleitungs-, Kontakt-, und Eisbrecherfragen; Sachfragen zum Thema; Kontroll- und
Plausibilitätsfragen und Fragen zur Person (Meffert et al. 2015, S. 149). Die Fragen-
formulierung sollte einfach, eindeutig und neutral erfolgen, damit gewährleistet ist,
dass alle Versuchspersonen die Fragen verstehen. Zudem sollte der Fragebogen eine
angemessene Länge haben, d. h. die Beantwortungszeit sollte 10–15 min nicht über-
schreiten.
2.6.6 Kundenzufriedenheitsstudien
Von besonderer marktforscherischer Bedeutung sind im Handel Studien, die die Kunden-
zufriedenheit erfassen. Die Kundenzufriedenheit stellt eine der zentralen Determinanten
für eine langfristige Bindung von Kunden dar (vgl. insbesondere zur Bedeutung der
Kundenzufriedenheit Kap. 12). Eine Vielzahl von empirischen Studien hat diesen
Zusammenhang bereits nachgewiesen. Im Folgenden soll allerdings weniger auf die
Wirkung von Kundenzufriedenheit eingegangen werden, vielmehr auf die verschiedenen
Ansätze zur Messung von Kundenzufriedenheit.
2.6 Spezifische Methoden der Marketingforschung im Handel 67
Ereignisorientierte Verfahren
Merkmalsorientierte Verfahren
• Sequentielle Ereignismethode
• Critical Incident Technique
Direkte Messung Indirekte Messung
zu messen, auf der Zahlen in auf- oder absteigender Ordnung den Abstufungen der
Skala zugeordnet werden. Dieses Vorgehen ermöglicht die Bildung von bestimmten sta-
tistischen Maßen (z. B. Mittelwerte, Streuungsmaße, Korrelationskoeffizienten) und ist
damit die Voraussetzung sowohl für den Einsatz von parametrischen Analysemethoden
als auch für die Berechnung von sog. Kundenzufriedenheitsindizes. Der Einsatz solcher
Analysemethoden unterstellt jedoch, dass die benutzte Skala intervallskaliert ist. Die-
ses Vorgehen wird, wenn überhaupt, damit begründet, dass die Verwendung von rang-
skalierten Daten als intervallskalierte Daten keine praktisch erheblichen Unterschiede
macht (vgl. hierzu die Argumentation bei Labovitz 1970, S. 515 ff.; Allerbeck 1978,
S. 199 ff.). Ob ein solches methodisches Vorgehen gerechtfertigt ist, hängt letztlich
jedoch davon ab, ob die Probanden die Abstände zwischen den einzelnen Skalenstufen
als gleich groß empfinden oder nicht (vgl. Beeskow 1985, S. 204).
Mit Blick auf diese vergleichende Würdigung der vorliegenden Ansatzpunkte zur Mes-
sung der Kundenzufriedenheit lassen sich die folgenden Empfehlungen für die Konzep-
tion eines Customer Satisfaction Measurement (CSM) in der Handelspraxis ableiten:
• Die objektorientierten Ansatzpunkte ohne Problembezug sind für eine Beurteilung der
Kundenzufriedenheit insgesamt als unzureichend zu kennzeichnen und daher als allei-
nige Ansatzpunkte für eine Zufriedenheitsmessung abzulehnen.
2.6 Spezifische Methoden der Marketingforschung im Handel 73
Kundenbefragung
• Merkmalsorientierte Zufriedenheit
• auf kritische Ereignisse bezogene Zufriedenheit
• Beschwerdezufriedenheit
4
Juli
3,5 Sept 34 34
Aug.
3 34
2,5
9% 10% 11% 12% 13% 14% 15%
Käuferfrequenzen
Abb. 2.12 Beispiel Warenkorbanalyse
Neben den bis zu dieser Stelle genannten Methoden und Ansätzen werden seit geraumer
Zeit in der internationalen Marketingforschung Ansätze diskutiert, neuere neurowissen-
schaftliche Methoden für marketingwissenschaftliche Forschungszwecke zu nutzen
(vgl. hierzu grundlegend Kenning 2014 sowie ergänzend Kenning et al. 2007). Die
Forschungsarbeiten fokussieren dabei zumeist Probleme der Marken-, Kommunika
tions- und/oder Käuferverhaltensforschung, die für das Handelsmarketing oft eine zen-
trale Bedeutung haben. Ihre Motivation beziehen die Forscher daraus, dass bis dato
Beobachtungsdaten zu der mit der Kommunikationswahrnehmung, Markenwahl- oder
Kaufentscheidung verbundenen neuralen Aktivität fehlen. Ein Beispiel hierfür ist der
nach wie vor ungeklärte Fragenkomplex, welchen Einfluss Emotionen wann, wie, vor
allem aber warum auf Kaufentscheidungen haben (vgl. Weinberg und Salzmann 2004, S. 47).
76 2 Informationsgrundlagen des Handelsmarketing
Der wohl zentrale Grund für diese Unklarheiten kann darin gesehen werden, dass
intrapersonale Entscheidungsprozesse lange Zeit nicht unmittelbar beobachtet werden
konnten (vgl. Kenning et al. 2005). Demzufolge konnten die Marketingforscher zwar
Stimuli (z. B. Preise) variieren und die entsprechenden manifesten Reaktionen (z. B.
Kaufentscheidungen) beobachten, die dazwischen liegenden (kognitiven und affek-
tiven) Prozesse mussten aber regelmäßig hypothetisch (re-)konstruiert werden. Mit
dem Fortschreiten der neurowissenschaftlichen Methoden und Erkenntnisse verbinden
Marketingwissenschaftler die Hoffnung, die neurale Manifestation dieser Konstrukte
am lebenden Gehirn beobachten zu können und damit einen auch praktisch relevanten
Beitrag zur Weiterentwicklung des Marketing leisten zu können (vgl. Shiv et al. 2005).
Tab. 2.7 bietet eine Übersicht über das entsprechende, angewandte Methodenspektrum
und liefert eine kurze Beschreibung der einzelnen Methoden. So bilden den „harten
Kern“ der Consumer Neuroscience derzeit Studien, in denen die Methode der funktio-
nellen Magnetresonanztomografie („fMRT“) Anwendung findet. In den letzten Jahren
hat sie eine rasche Bedeutungszunahme in zahlreichen sozialwissenschaftlichen Diszipli-
nen erfahren, sodass die Zahl der jährlich durchgeführten fMRT-Studien in die Tausende
gehen dürfte. Ein Grund für diese Entwicklung mag darin liegen, dass das Verfahren
nicht invasiv ist und die natürlichen magnetischen Eigenschaften des Körpergewebes
nutzt, um neurale Prozesse ganzheitlich zu erfassen. Etwas vereinfacht dargestellt las-
sen sich mithilfe der fMRT unterschiedliche Sauerstoffsättigungen im Blut messen, die
mit Hirnfunktionen korreliert werden (sog. „BOLD“ Effekt, vgl. Kwong et al. 1992;
Ogawa et al. 1992). Das Ergebnis einer solchen Korrelationsanalyse sind dann zumeist
strukturelle Hirnbilder, auf denen die aufgabenspezifischen Aktivierungsmuster projiziert
werden. Durch diese Art der Darstellung kann beim (ungeübten) Betrachter leicht der
falsche Eindruck entstehen, dass die Forscher in der Lage wären, Gedanken zu lesen.
Tatsächlich handelt es sich (lediglich) um eine andere, bildgestützte Darstellungsart sta-
tistisch signifikanter Ergebnisse.
Da der Einsatz der genannten Methoden im Handel oft noch sehr spezifische Kennt-
nisse voraussetzt, sei der interessierte Leser an dieser Stelle auf einige weiterführende
Quelle wie Kenning et al. 2007 sowie Kenning 2014 verwiesen.
2.6 Spezifische Methoden der Marketingforschung im Handel 77
Tab. 2.7 (Fortsetzung)
Klassifizierung Methode Kurzbeschreibung
Aktivität des Herz- und Messung der Intensität von Aktivierungs-
Herz-Kreislauf Pulsfrequenzmessung schwankungen mittels Veränderung des Herz-
Systems bzw. Pulsschlages:
+ Relative einfache Apparatur und Datenana-
lyse
+ Relativ geringe Messkosten
− Keine Aussagen über Valenz der Aktivierung
− Viele schwer eliminierbare Störfaktoren
Aktivität der Gesichts-Elektromygrafie Messung des Ausdruckverhaltens durch
Gesichts- (EMG) Zuordnung der Bewegung einzelner Gesichts-
muskeln muskelpartien zu Gesichtsausdrücken. „Facial
Acting Coding System“
+ Relativ einfache Apparatur
+ Relativ geringe Messkosten
− Viele schwer eliminierbare Störfaktoren
− Komplexe Datenanalyse
Aktivität der B1ickverlaufsmessung Messung von Veränderungen der Pupillen-
Augen bewegung als Indikator für die Wahrnehmung
von Stimuli:
+ Relativ einfache Apparatur
+ Relativ geringe Messkosten
− Viele schwer eliminierbare Störfaktoren
Kontrollfragen
1. Definieren Sie den Begriff der Marketingforschung.
2. Beschreiben Sie die generellen Aufgaben der Marketingforschung.
3. Welche Bezugsobjekte der Marktforschung im Handel lassen sich unterscheiden?
4. Skizzieren Sie die einzelnen Phasen des Marktforschungsprozesses.
5. Identifizieren Sie mögliche Träger der Marketingforschung im Handel.
6. Erklären Sie, warum im Vergleich zum Marketing einer Industrieunternehmung der
Informationsbedarf von Handelsunternehmungen deutlich höher ausfällt.
7. Nennen Sie allgemeine Instrumente der Informationsbedarfsdeckung.
8. Diskutieren Sie die Vor- und Nachteile alternativer Befragungsmethoden im Handel.
9. Erläutern Sie die Bedeutung von Kundenzufriedenheitsstudien im Handel. Gehen Sie
dabei insbesondere auf die Erfolgskette der Kundenbindung ein.
Literatur
Ahlert, D., & Schröder, H. (1996). Rechtliche Grundlagen des Marketing. In R. Köhler & H. Meffert
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Ziele und Strategien des
Handelsmarketing 3
• Motivationsfunktion:
Die Entscheidungs- und Handlungsträger sollen zu einem zielkonformen Verhalten
motiviert werden.
• Koordinations- und Integrationsfunktion:
Die Planung soll die sachlich und zeitlich differenzierten Aktivitäten und Ent-
scheidungen angesichts der engen Interdependenzen zielgerecht harmonisieren.
• Leistungsfunktion:
Es wird durch die Planung ein höherer Zielerreichungsgrad angestrebt. Zukünftige
Leistungspotenziale werden eruiert und bewertet.
• Innovationsfunktion:
Planung soll die Entwicklung neuer Ideen zur Leistungsverwertung und die Unter-
nehmungsentwicklung (Evolution) fördern.
Zur Erfüllung dieser Funktionen gilt es, strategisches Planen aus dem extrapolierenden
Denken zu lösen, das sich in einer exakten Fortschreibung der relevanten Größen
von Umwelt und Unternehmung aus der Vergangenheit äußert, und zu einem den dis-
kontinuierlich und schnell wandelnden Kontextfaktoren adäquaten „Querdenken“ weiter-
zuentwickeln. Durch evolutionäre Anpassung mit Hilfe von vorausschauender flexibler
Planung gilt es, die sich durch sog. „schwache Signale“ abzeichnenden Veränderungen
frühzeitig aufzuspüren und als Chance für eine Verbesserung der gegenwärtigen Situa-
tion zu sehen. Das heißt auch, dass bisherige Erfolgsrezepte permanent infrage gestellt
werden.
3.1 Grundzüge des strategischen Handelsmarketing 85
• der strategischen Zielkonzeption (das ist der ‚Wunschort‘, zu der das strategische
Management hinführen soll) und
• der Strategie (das ist die ‚Route‘, die eingeschlagen werden soll, um vom Standort der
Unternehmung zum Wunschort zu gelangen).
Diese Trennung zwischen Zielen und Strategien findet auf sämtlichen Stufen der Unter-
nehmungsplanung statt. Im Einzelnen lassen sich die folgenden Bereiche unterscheiden:
1. Die Ziele unterer Ordnung leiten sich aus den Zielen der jeweils höheren Ordnung ab.
Letztere orientierten sich wiederum an den Zielerreichungsmöglichkeiten der Ziele
der unteren Ebene.
2. Der Schwerpunkt einer Strategie leitet sich aus den Zielen der gleichen Hierarchie-
ebene sowie aus dem Schwerpunkt der Strategie nächst höherer Ordnung ab.
86 3 Ziele und Strategien des Handelsmarketing
3. Die Strategien verschiedener Ebenen sind interdependent, weil die Strategien höhe-
rer Ordnung einerseits die Kanalisierungsfunktion wahrnehmen, andererseits aber erst
durch die Strategien (und letztlich durch die jeweiligen Instrumentekombinationen)
der niedrigeren Ebene konkretisiert werden.
4. Mehrere Strategien einer Hierarchieebene bedürfen der Abstimmung untereinander.
Dies geschieht durch die Zusammenfassung in eine übergeordnete ‚Gesamt-Strategie‘.
5. Wie noch ausführlich darzulegen sein wird, sind die Basisstrategien als eine fest-
stehende Menge alternativer strategischer Grundausrichtungen des jeweiligen
Funktionsbereiches zu verstehen, unter denen die Entscheidungsträger durch sach-
liche und/oder zeitliche Kombination ein unternehmungsspezifisches Lösungskonzept
zusammenstellen können.
6. Die Instrumentalziele und -strategien dienen der konkreten Ausformung dieses grob
skizzierten Lösungskonzeptes bezüglich der einzelnen Instrumentalbereiche.
Rahmenstrategien
• Unternehmungskultur und Philosophie
• Leitbild - Strategien
Unternehmungsbereichsstrategien
• Geschäftsbereichsstrategien • Binnenstrategien
• Funktionsbereichsstrategien • Außenstrategien
– Umwelt-
Marketing- /Öffentlichkeitsstrategien
Strategien – Marktstrategien
Marketing - Basisstrategien
• Verbraucherorientiert
• Konkurrenzorientiert
• Lieferantenorientiert
Marketing - Instrumentalstrategien
• Markenpolitische Strategien • Kommunikationspolitische Strategien
• Sortimentspolitische Strategien • Präsentationspolitische Strategien
• Preispolitische Strategien • Personalpolitische Strategien
• Standortpolitische Strategien
Marketing - Kundenstrategien
• Marktsegmentstrategien
• Kundengruppenstrategien
• Key Account - Strategien
Der Rahmenplan kann Mitarbeitern und der Öffentlichkeit durch ein Unternehmungs-
Leitbild vermittelt werden. Mithilfe eines Leitbildes sollen Freiheitsgrade der Unter-
nehmungsentwicklung eingegrenzt, der Einsatz der (knappen) Unternehmungsressourcen
kanalisiert und ein Fokus für die Unternehmungsaktivitäten zur Imagebildung innerhalb
ihrer Bezugsgruppen gesetzt werden.
1. Marktfeldstrategien
2. Marktstimulierungsstrategien
3. Marktparzellierungsstrategien
4. Marktarealstrategien.
Die Marktfeldstrategien legen den Inhalt und die Ausrichtung des Leistungsprogramms
fest. Sie betreffen die grundsätzlich möglichen Strategierichtungen für sogenannte
Produkt-Markt-Kombinationen (Marktfelder), die ursprünglich für das Produkt-
marketing entwickelt wurden. In der sog. Ansoff-Matrix werden Produkte und Märkte
einander gegenübergestellt (vgl. Ansoff 1966, S. 132). Nach Ansoff können ausgehend
vom angestammten Geschäft verschiedene Wege zur Ausweitung der Marktchancen
begangen werden. Je weiter sich das Geschäft von der ursprünglichen Domäne entfernt,
desto geringer werden die Synergieeffekte im Programm sein. Die vier Handlungs-
bereiche können wie folgt charakterisiert werden:
Tab. 3.1 Ansoff-Matrix für den Handel. (Quelle: Müller-Hagedorn und Natter 2011, S. 68)
Bisherige Kunden Neue Kunden Neue Kunden
(-segmente) (-segmente) in (-segmente) in neuen
bisherigen Regionen Regionen
Bisheriges Sortiment Marktdurchdringung Markterweiterung Markterweiterung
und bisherige (bezogen auf (regional,
Dienstleistungen Segmente) international)
Sortimentserweiterung Leistungserweiterung Diversifikation Diversifikation
Nicht selbstständige Neuer Service Diversifikation Diversifikation
Dienstleistungen
Selbstständige Neue Dienstleistungen Diversifikation Diversifikation
Dienstleistungen
90 3 Ziele und Strategien des Handelsmarketing
Vorteil
Qualität Preis
Markt
Präferenzstrategie Preis-Mengen-
Gesamtmarkt Strategie
„stuck in
the middle“
Teilmarkt „Nischenstrategien“
Abb. 3.2 Die Porter-Matrix
3.1 Grundzüge des strategischen Handelsmarketing 91
Abdeckung des
Marktes
totale partielle
Markterfassung Markterfassung
Kundenakquisition
Gesamtmarkt Gesamtmarkt
Undifferen- Konzen-
einheitliche
ziertes triertes Massenmarkt
Marktbearbeitung Marketing Marketing
Gesamtmarkt Gesamtmarkt
differenzierte Selektiv
Differenziertes Differenziertes Segmentierung
Marktbearbeitung Marketing Marketing
beschränkt sich auf die besonders interessanten Marktsegmente, denen jeweils spezi-
fische Marketingprogramme differenzierend angeboten werden.
Die strategischen Basisformulierungen werden durch die geografische Fixierung,
d. h. Marktarealstrategien sinnvoll ergänzt. Ausgehend von der lokalen Ausrichtung auf
den näheren Umkreis lässt sich bei Konsolidierung des Gesamtkonzeptes eine regio-
nale bis nationale (bspw. das Bundesgebiet) Ausweitung erwägen. Denkbar sind zudem
vorläufige Insellösungen in einigen Schwerpunktgebieten oder bei genügender Finanz-
kraft eine sofortige totale Markterfassung, um durch Abdeckung des Gesamtmarktes
Imitationen der Konkurrenz zu erschweren. Eine mögliche multinationale Ausrichtung
auf die Nachbarländer kann nach den ersten Erfahrungen im Auslandsgeschäft zur Inter-
nationalisierung (z. B. Joint Ventures, Franchising) und zum weltumspannenden (globa-
len) Marketing führen.
Bei allen vier Komponenten der verbrauchergerichteten Marketing-Basis-Strategie
wird von der eigenen Domäne als Stärke bzw. Wettbewerbsvorteil der Unternehmung aus-
gegangen. Nur wenn die gesetzten Ziele nicht erreichbar erscheinen und die angestammten
Märkte nicht auszureichen scheinen, gilt es, eine Ausweitung in weniger synergetische,
neue Felder sachlicher und räumlicher Art anzustreben. Eine verbrauchergerichtete Basis-
strategie ist nur dann vollständig formuliert, wenn sie über alle vier Komponenten definiert
wird.
Es erscheint evident, dass diese verbraucherorientierte Strategieausrichtung durch
eine entsprechende Strategiewahl für das lieferanten- und konkurrenzorientierte Ver-
halten gestützt werden muss.
In den Beziehungen zu den Konkurrenten sind häufig mehrere Verhaltensstrategien
nebeneinander anzutreffen (Beispiel: Kampf gegen den Marktführer mittels einer
Kooperation mit den übrigen Anbietern). Darüber hinaus können verschiedene Ver-
haltensstrategien gegenüber ein- und demselben Konkurrenten bestehen, zum einen bei
3.1 Grundzüge des strategischen Handelsmarketing 93
• Marktforschungskooperation
• Gemeinschaftswerbung
• Gemeinschaftsmarken
• Gemeinsame Gütezeichen
• Gemeinsamer Einkauf
• Kooperationen beim technischen Kundendienst, bei der Verkaufsförderung und der
Managementschulung.
1. Beschaffungswegestrategien
2. Lieferantenauswahlstrategien
3. Beschaffungsarealstrategien
4. Verhaltensstrategien.
Mit der Beschaffungswegestrategie wird die Anzahl der zwischen Hersteller und Händler
geschalteten Stufen, also die Länge des Beschaffungsweges, festgelegt. Bei der Direkt-
bezugsstrategie hat der betrachtete Händler unmittelbaren Kontakt zum Hersteller. Kom-
men für die Beschaffung eines Produktes nur ganz bestimmte Hersteller infrage, so
lässt sich die Beschaffung leicht auch ohne Zwischenschaltung des Großhandels orga-
nisieren. Eine Beschaffungsmittlerstrategie liegt vor, wenn zwischen Hersteller und
Händler noch mindestens eine zusätzliche Stufe eingeschaltet wird. Mit zunehmender
Anzahl der zur Verfügung stehenden Lieferanten und mit zunehmendem Umfang des
Sortiments wird eine Arbeitsteilung im Distributionssystem zweckmäßig. Bei der ein-
stufigen Beschaffungsmittlerstrategie wird z. B. nur ein Spezial-Großhändler zwischen-
geschaltet. Zweistufig ist ein Beschaffungsweg beispielsweise, wenn zusätzlich der
Sortiments-Großhandel Aufgaben innerhalb des Distributionssystems übernimmt.
Im Rahmen der Lieferantenauswahlstrategie hat die Handelsunternehmung die Auf-
gabe, festzulegen, welche Hersteller grundsätzlich für die Belieferung zur Verfügung
stehen sollen. Dabei kann der Kreis der potenziellen Lieferanten horizontal mehr oder
weniger eingegrenzt werden.
3.1.2.4 Marketinginstrumentalstrategien
Der (nur gedanklich isolierbare) Handlungsplan für den Einsatz des einzelnen Ins-
trumentes, etwa der Werbung oder der Preisgestaltung, kann als Marketing-Instru-
mental-Strategie bezeichnet werden. Die Basis-Strategie wird also in eine Reihe von
instrumentbezogenen Teilstrategien aufgelöst und konkretisiert. Es versteht sich, dass bei
der Längsschnittplanung der einzelnen Instrumentalstrategie die Interdependenzen zwi-
schen den Instrumenten (Querschnittplanung des Marketing-Mix) nicht vernachlässigt
werden dürfen. Insofern wurde eingangs von einem „nur gedanklich isolierbaren“ Hand-
lungsplan für das einzelne Instrument gesprochen.
Die Formulierung der Instrumentalstrategien dient als Orientierung für die spezi-
fischen Entscheidungen der für den Instrumenteeinsatz Verantwortlichen – als konkrete
Interpretation der basisstrategischen Grundorientierung – und soll eine rechtzeitige Revi-
sion nicht realisierbarer oder mangelhafter Basisstrategien einleiten.
Zur Verdeutlichung soll exemplarisch die Ableitung einer Instrumentalstrategie vor-
gestellt werden:
Aus der allgemeinen Marketing-Zielvorgabe und den Basisstrategien werden
zunächst instrumentebezogene Ziele fixiert. Die Leitung einer bestimmten strategischen
Geschäftseinheit hat sich entschlossen, innerhalb von fünf Jahren eine erhebliche Markt-
anteilsausweitung durch eine Imageverbesserung anzustreben. In der Basisstrategie
hat man sich auf die strikte Qualitätsorientierung im Teilmarkt des anspruchsvollen
Bedarfs geeinigt. Das Marketing ist national ausgerichtet und soll sich durch Gewin-
nung neuer Kunden im angestammten Betätigungsfeld beschränken. Die Zielvorgabe
auf der Instrumenteebene könnte für die Kommunikationspolitik lauten: Erhöhung des
Bekanntheitsgrades der Betriebstypenmarke bei den relevanten Zielgruppen um 20 %
im Laufe der nächsten zwei Jahre. Dieses nach Inhalt, Ausmaß, Zeit- und Segmentbezug
spezifizierte Ziel kann sodann in eine Kommunikationsstrategie übersetzt werden. Die
Werbekampagne hat sich dann zwingend aus den Basisstrategien vorgegebenen Orien-
tierungen anzupassen. In diesem Fall werden die Medien nach der Zielgruppenadäquanz
ausgewählt und der Werbestil dem qualitativ hochwertigen Charakter der Leistung
angepasst. Die Planer auf dieser Ebene haben zudem die Aufgabe, die Budgetvorgaben
zu prüfen und auf Mängel der strategischen Orientierungen hinzuweisen.
96 3 Ziele und Strategien des Handelsmarketing
Das strategische Management, sei es im Bereich der Unternehmung als Ganzes oder
speziell im Bereich des Marketing, geht über die Funktionen der strategischen Planung
und Entscheidung (Willensbildung) hinaus und umfasst auch die Phasen der strategi-
schen Willensdurchsetzung (Steuerung bzw. Personalführung) und der strategischen
Kontrolle. Der Zusammenhang zwischen den Prozessphasen des strategischen Manage-
ments sowie eine weitere Aufgliederung der einzelnen Phasen sind in Abb. 3.4 im Über-
blick dargestellt.
Willensbildung Kontrolle
E
N
(Planung/Entscheidung) T
W V
Informaonsgewinnung
(Anregung/Analyse/Erfolgsforschung)
Lernen/Dokumeneren I O
C R
Anamnese Diagnose Entwicklungsprognose
K
Abweichungsanalyse L
Zielplanung Vergleich U P
N L
Soll/Ist G
Generierung alternaver Maßnahmen und D A
Strategien E N
Transformaon des Plans in S R
Wirkungsprognose kontrollfähige Größen
Bewertung E E
• planmäßiges Verhalten
• planmäßige Ergebnisse (z.B.
N A
T L
Planverabschiedung Budgets) S
• Planungsprämissen C I
H S
E A
I
Willensdurchsetzung D T
(Steuerung/Führung) U I
Planungs- N O
Abweichungs- Erfassung
Interpretaon prämissen G
N
• Implemenerung („Verkauf nach analyse S
innen“)
• Transformaon des Plans in Vergleich F
E
Phasen des Management- Führungsgrößen Soll/Ist Verhalten Ergebnisse
prozesses • Anweisung/Movaon L
Delegaon/Regelung während der nach Aus- D
vor Ausführung • Ressourcen-Management Ausführung führung E
(ex ante/feed forward)
S
nach Ausführung
(ex post/feed back)
Ausführung
Wie einführend dargelegt, besteht die Aufgabe des strategischen Managements in der
Schaffung, dem Ausbau und der ‚Bewirtschaftung‘ unternehmungsspezifischer Erfolgs-
potenziale. Erfolgspotenziale, Erfolgsfaktoren, Erfolgspositionen und Benchmarks sind
zentrale Begriffe im Bereich des strategischen Managements, die es nachfolgend zu defi-
nieren und abzugrenzen gilt.
Die strategische Planung wird aus unterschiedlichen Informationsquellen gespeist.
In Abb. 3.5 wird ein Raum aufgespannt, in dem in vertikaler Richtung zwischen der
Vorausschätzung von Informationen (Antizipation) und der nachträglichen Erfassung
von Informationen (Ex-post-Reflexion) unterschieden wird, während in horizontaler
Richtung danach differenziert wird, ob die Erfahrungen bzw. Vorausschätzungen selbst
angestellt werden oder von anderen Personen bzw. Unternehmen stammen.
Es zeigt sich, dass die Erfolgsfaktorenforschung gleichbedeutend ist mit dem Lernen
aus den Vergangenheitserfahrungen anderer Unternehmen und/oder des eigenen Unter-
nehmens (vgl. Ahlert et al. 2005, S. 362 ff.).
Strategische Erfolgsfaktoren werden aus der einzelfallübergreifenden Analyse von
in der Vergangenheit abgelaufenen strategischen Managementprozessen gewonnen.
Eine gewisse Berühmtheit hat in diesem Zusammenhang die PIMS-Studie erlangt
(vgl. Buzzel und Gale 1989). PIMS heißt ‚Profit Impact of Market Strategies‘ und ver-
körpert eine umfassende Datensammlung aus ca. 200 Unternehmungen bzw. ca. 3000
strategischen Geschäftseinheiten unterschiedlicher Branchen und Länder. Aus den ana-
lysierten Daten werden Aussagen über die Ursachen des Erfolgs einer Unternehmung
98 3 Ziele und Strategien des Handelsmarketing
Fremd Eigen
zu gewinnen. Die interne Erfolgsfaktorenforschung kann als ein Aufgabengebiet des sog.
strategischen Controllings aufgefasst werden.
Wie noch näher dargelegt wird, ist Erfolgsfaktorenforschung nicht mit Bench-
marking gleichzusetzen (vgl. Abb. 3.6). Benchmarking bedeutet das Lernen von vor-
bildlichen Einzelfällen. Benchmarks im Sinne von exzellenten Praktiken können ganze
Unternehmungskonzeptionen, Teilkonzepte, Konzeptbausteine oder einzelne Prozesse
sein. Benchmarking bedeutet also die systematische Analyse von ‚Gewinnern‘, wäh-
rend die Erfolgsfaktorenforschung herauszufinden trachtet, welche Merkmale ‚Gewin-
ner‘ von ‚Verlierern‘ signifikant unterscheiden. In der Münsteraner Distributions- und
Handelsforschung, die sich sehr intensiv mit diesen Fragen befasst hat, wurden Erfolgs-
faktorenforschung und Benchmarking zum Begriff der Strategischen Erfolgsforschung
zusammengezogen (vgl. bspw. Krönfeld 1995; Alves 1996; Eickhoff 1997 sowie Hesse
2004).
Bei der (strategischen) Erfolgsposition handelt es sich ganz allgemein um das Ergebnis,
das eine bestimmte Unternehmung durch den Prozess der strategischen Erfolgsgestaltung
erreicht hat. Der Ausdruck „Position“ deutet auf eine bestimmte Stellung in einem
„Raum“ hin. Vereinfachend werden Positionierungen oft in zwei- oder dreidimensionalen
Abbildungen dargestellt. Faktisch können aber deutlich mehr als drei Dimensionen das
Kaufverhalten der Konsumenten beeinflussen und daher den potenziellen Positionierungs-
raum aufspannen. Wie noch dargelegt wird, können strategische Geschäftseinheiten
bestimmte Positionen in der Portfolio-Matrix einnehmen, oder eine Einkaufsstätte hat
im Verhältnis zur Konkurrenz eine bestimmte Position im psychologischen Merkmals-
raum des sog. Positionierungsmodells. Es erscheint konsensfähig, den Begriff Erfolgs-
position im engeren Sinne – sofern keine andersartigen Spezifizierungen vorgenommen
werden – als Konstrukt des Positionierungsmodells zu verstehen: Eine besonders vorteil-
hafte Position hat die Unternehmung mit ihrem Produkt, ihrer Leistung, ihrer Einkaufs-
stätte etc. erlangt, wenn ihr Realimage (Marken- bzw. Einkaufsstättenimage) in den Augen
einer hinreichend großen Anzahl von Kunden näher an deren Idealvorstellungen liegt als
die Realimages der wichtigsten Konkurrenten. Das sog. Positionierungsmanagement kann
daher als spezielle Ausprägung des strategischen Managements bezeichnet werden und
umfasst die Summe aller Aktivitäten, um solche vorteilhaften Positionen zu erkennen und
zu erreichen bzw. diese zu stabilisieren (vgl. Abschn. 3.3.4).
Das strategische Erfolgspotenzial, oder besser die strategischen Erfolgspotenziale
können als zentraler, wesensbestimmender und übergreifender Begriff des strategischen
Managements charakterisiert werden. Gemeint sind damit die in einem bestimmten
Unternehmen tatsächlich vorhandenen Voraussetzungen, die es diesem Unternehmen
erlauben, langfristig überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Es handelt sich folg-
lich um die spezifische Kompetenz, das unverwechselbare Unternehmensprofil, die Uni-
que Selling Proposition (USP), den komparativen Konkurrenzvorteil (KKV) – oder wie
immer diese Potenziale in der Literatur und Praxis bezeichnet werden.
Fragt man allgemein nach den Quellen des zukünftigen Erfolges in einer bestimmten
Unternehmung, so bietet sich die folgende Dreiteilung der Erfolgspotenziale an:
1. Der Erfolg der Vergangenheit: Es ist durchaus keine Banalität, wenn man sagt:
„Erfolgsfaktor Nr. 1 ist der Erfolg!“, denn die vorhandenen Ressourcen einer Unter-
nehmung sind das Ergebnis des strategischen und insbesondere operativen Manage-
ments der Vergangenheit, und sie determinieren ganz wesentlich die Freiheitsgrade
bzw. Restriktionen des strategischen Weges in zukünftig bedeutsame Marktfelder.
Hohe Vergangenheitserfolge bilden aber keine Garantie für die gesicherte Existenz in
der Zukunft, sondern können tatsächlich auch eine Gefahr für den künftigen Erfolg
darstellen, wie bpsw. Jenner zeigt (2003, S. 203 ff.).
2. Die gegenwärtige Erfolgsposition: Speziell im Bereich des strategischen
Positionierungsmanagements ist bekannt, dass das Erreichen einer attraktiven
Wunschposition (in der Einstellung der Kunden) ganz wesentlich von der Ausgangs-
position abhängig ist. Gravierende Umpositionierungen (z. B. vom Discounter zur
Boutique) scheitern häufig an dem Glaubwürdigkeitsproblem.
3. Spezifische Bereitschafts- und Fähigkeitspotenziale zur strategischen Fortent-
wicklung: Hiermit sind die Größen angesprochen, die in Literatur und Praxis im enge-
ren Sinne als Erfolgspotenziale bezeichnet werden. Grundsätzlich können in jedem
unternehmerischen Bereich Erfolgspotenziale aufgebaut werden.
3.2 Das Grundverständnis strategischen Planens und Handelns … 101
Zu den unter (3) erwähnten Potenzialen und Ressourcen gehören einerseits die unmittel-
bar – als Bestandteile des Marktauftritts einer Unternehmung – an der Schnittstelle
zum Markt wahrnehmbaren Größen (Absatzprogramm, Personalverhalten, Unter-
nehmungskommunikation, visuelles Erscheinungsbild, etc.), andererseits Größen im
Bereich des Systemhintergrundes, die mittelbar den Marktauftritt bestimmen (vgl.
hierzu auch Evanschitzky 2003, S. 122 ff.). Im Mittelpunkt stehen dabei die Einsatz-
bereitschaft und Leistungsfähigkeit der mit gestaltenden, lenkenden oder ausführenden
Aufgaben betrauten Individuen in der Unternehmung, also besondere Qualifikatio-
nen im Bereich der Human-Ressourcen. Wie stark es nun gelingt, das Erfolgspotenzial
„Human-Ressourcen“ zu nutzen und auszubauen, wird maßgeblich von der Form der
Unternehmungsorganisation und -führung, der Management-Technologie, aber auch von
infrastrukturellen Größen wie Kommunikatons- und Informationstechnologien bestimmt.
Mithin können auch diese Größen Erfolgspotenziale der Unternehmung darstellen.
Um der ohnehin in diesem Bereich vorherrschenden babylonischen Begriffsver-
wirrung nicht noch Vorschub zu leisten, wird auf die Verwendung weiterer Termini wie
Erfolgsdimensionen, Erfolgsursachen bzw. – determinanten, etc. verzichtet.
Seitdem strategische Planung zum Modethema geworden ist, wächst leider auch die Gefahr
eines oberflächlichen und unfachmännischen Umganges mit den neuen Lehren. Wie groß
das Wissensdefizit ist, zeigt beispielsweise eine Umfrage unter größeren deutschen Unter-
nehmen: Eine überwältigende Mehrheit verneint die Aussage, strategische Entscheidungen
könnten auch von Geschäftsbereichsleitungen getroffen werden (1985, S. 248 ff.).
Ein erstes Missverständnis in der Diskussion des Strategiebegriffs ist, dass strate-
gische Planung stets langfristigen Charakter habe. Diese weit verbreitete Ansicht
läuft darauf hinaus, dass operative Planung kurzfristig sei und durch Ausdehnung
102 3 Ziele und Strategien des Handelsmarketing
des Planungshorizontes zur strategischen Planung würde. Tatsächlich ist die Unter-
scheidung zwischen lang-, mittel- und kurzfristiger Planung so sinnvoll und aussage-
fähig wie die Einteilung der Säugetiere in lange, mittellange und kurze Tiere (vgl.
Link 1985, S. 248).
Wie eingangs schon ausgeführt, unterscheidet sich strategische von operativer Pla-
nung dadurch, dass neue Erfolgspotenziale zur Zukunftssicherung der Unternehmung
geschaffen und ausgebaut werden sollen, anstatt nur aus den vorhandenen Erfolgs-
potenzialen den bestmöglichen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. In der Unter-
nehmungspraxis kommt es auf eine sinnvolle Kombination dieser beiden Ansätze im
Rahmen des evolutionären Managements an: Die Perfektionierung des vorhandenen
Geschäftes setzt überhaupt erst die Ressourcen frei, um den Vorstoß in neue, risikobe-
haftete Gefilde wagen zu können. Dabei kann die bestmögliche Ausschöpfung der vor-
handenen Potenziale durch operatives Management durchaus auch langfristig angelegt
sein, während der strategische Vorstoß in neue Marktfelder in relativ kurzer Zeit erfolgen
kann. Die dadurch neu geschaffenen Erfolgspotenziale sind dann wiederum bestmöglich
zu nutzen, d. h. die strategischen Grobpläne sind in operative Detailpläne umzusetzen
(vgl. Abb. 3.7).
Im Planungszeitpunkt befindet sich die Unternehmung in einer bestimmten Ausgangs-
situation (‚Standort‘; vorhandene Erfolgsposition). Strategisches Denken bedeutet, nach
neuen Betätigungsfeldern zu suchen, für die bestimmte Wünsche und Anforderungen
formuliert werden (‚Wunschort‘; strategische Zielkonzeption). Nur in Ausnahmefällen
verfügt die Unternehmung bereits im Planungszeitpunkt über hinreichend präzise Vor-
stellungen über die anzustrebende Situation und den optimalen Weg dorthin.
Wird die Abfolge geplanter Einzelmaßnahmen, die durchgeführt werden müssen, um
unter Einwirkung der externen und internen Einflussgrößen vom Standort zum Wunsch-
ort zu gelangen – also die ‚Route‘ – als Strategie bezeichnet, so können nun drei ver-
schiedene Ansätze der Strategieplanung unterschieden werden (vgl. Bergmann 1988,
S. 41 ff.).
• Als synoptische Planung wird der Versuch bezeichnet, die komplette Route definitiv
vorauszubestimmen. Dies ist nur bei einem sehr weit reichenden Informationsstand
über den ‚Wunschort‘ und die Wirkungsweise der externen und internen Einfluss-
größen möglich, über den gerade im Bereich des strategischen Managements in der
Regel niemand verfügt.
• Das andere Extrem besteht darin, sich auf die Wahl des ersten Schrittes zu
beschränken, d. h. auf langfristige Planung bewusst zu verzichten. In dieser Poli-
tik des „muddling through“ (inkrementalistische Planung) ist wohl keine ernstzu-
nehmende Alternative zu sehen.
• Der geeignete ‚Kompromiss‘ kann in dem Ansatz des evolutionären Managements
gesehen werden. Er geht von der Einsicht aus, dass Unternehmungen nur begrenzt
steuerbar sind, weil
3.2 Das Grundverständnis strategischen Planens und Handelns … 103
Kurz-
Mittel-
Langfristplanung
Zeitablauf
Ist Soll
R o
Standort u Wunschort
t e
Ausgangsposition Zielposition
Strategie
Externe Interne
Einflüsse Planungsansätze Einflüsse
Evolutionäres Management
Schaffung der internen Voraussetzungen planmäßiger Evolution
= Management der Erfolgspotentiale
Einflussfaktoren zulässt. Die grundsätzliche Marschrichtung kann dabei durch ein Unter-
nehmungs-Leitbild in der Weise festgelegt werden, dass nicht erwünschte Richtungen
ausgegrenzt werden.
Die Aufgabe der Geschäftsführung besteht darin, die internen Voraussetzungen einer
‚geplanten‘ Evolution zu schaffen. Es kommt darauf an, geeignete Rahmenbedingungen zu
gestalten, damit das System aufgrund der ihm innewohnenden Selbstorganisationsdynamik
permanent in Richtung der unbekannten und sich ständig wandelnden Optimallösung evol-
vieren kann. Mit anderen Worten: Die Unternehmung ist mit Fähigkeiten auszustatten, die
diese in die Lage versetzen, auf dem Weg vom Standort zum Wunschort die zielführende
Strategie evolutorisch fortzuentwickeln und an den ebenfalls evolvierenden Kontext
anzupassen. Dabei bleibt es häufig nicht aus, von Zeit zu Zeit auch die strategische Ziel-
konzeption zu revidieren. Das heißt: Auch der ‚Wunschort‘ ist keine feststehende, sondern
eine sich dynamisch fortentwickelnde Kategorie strategischen Managements.
Zu diesem Zweck werden unter anderem die folgenden Empfehlungen an das Handels-
management bereitgehalten, die hohe Anforderungen an die Führungskräfte stellen:
Stattdessen ist eine Strategie von „Versuch und Irrtum“ zu organisieren, die sich z. B.
durch eine Projektorganisation in einer dezentralen, partizipativen Problembewältigung
mit weiten Spielräumen zur eigenverantwortlichen Entscheidungsfindung eher reali-
sieren lässt. Die Problemlösung wird dadurch nicht von außen aufgezwungen, sondern
wächst unter aktiver Beteiligung des betroffenen Personals „von innen heraus“. Die Par-
tizipation ist nicht nur deswegen nützlich, weil die Mitarbeiter vor Ort über intime Sach-
kenntnisse verfügen, die sie in den Prozess der strategischen Planung einbringen können.
Vor allem kommt es auch darauf an, dass sich die Mitarbeiter mit dem gefundenen Kon-
zept der gewählten Strategie persönlich identifizieren können.
Um den unvermeidlich positiv oder negativ wirkenden Einflüssen aus dem unter-
nehmungsinternen und -externen Bereich begegnen zu können, ist zudem eine per-
manente Anpassung durch ein lern- und koordinationsorientiertes Controllingsystem
vorgesehen.
Zusammenfassend bildet strategisches Management keine Alternative zum operati-
ven Management, sondern beide sind zu einem ganzheitlichen Management der strate-
gischen Erfolgspotenziale zu verknüpfen. In Zeiten der Instabilität des Kontextes kann
die Anpassungsfähigkeit als wichtigstes Erfolgspotenzial angesehen werden: „Evolu-
tion beruht immer darauf, auf Vorhandenem aufzubauen, Bewährtes zu bewahren und
vom jeweils erreichten Entwicklungsstand aus weitere Neuerungen auszuprobieren“
3.2 Das Grundverständnis strategischen Planens und Handelns … 105
(Malik und Probst 1981, S. 125). Manager fungieren dabei nicht als ‚Macher‘ oder
Kommandeure, sondern als Katalysatoren und Kultivateure eines selbstorganisierenden
Systems in einem evolvierenden Kontext.
In die Filiale eines Warenhauskonzerns wird ein junger Filialleiter entsandt mit dem Auf-
trag, „den Laden auf Vordermann“ zu bringen. Die Konzernleitung ist mit der Entwicklung
des Filialdeckungsbeitrages unzufrieden. Der Neue schafft es innerhalb von nur zwei
Jahren, den Deckungsbeitrag hochzupushen, indem er den gesamten Aufwand für Ein-
kaufsstättenprofilierung (sprich Imagewerbung, Gebäudeerhaltung, etc.) rigoros zusammen-
streicht, das Bedienungspersonal radikal ausdünnt, unter Verzicht auf Vollständigkeit der
Sortimente die Schnelldreher mit Sonderpreisaktionen forciert und die defizitäre Lebens-
mittelabteilung nach dem Store-in-the-Store Prinzip an eine Discountkette vermietet. Auf-
grund der höchst beachtlichen Sanierungserfolge wird dieser Filialleiter in die zentrale
Verkaufsleitung berufen, der Return on Investment in dem sanierten Haus geht in der Folge-
zeit drastisch zurück, und unser Manager genießt fortan eine Legende:
„Die Filiale hatte Schieflage, bevor ER kam, sie blühte auf unter IHM, und sie ging nie-
der, nachdem ER sie verließ“.
Die Verwendung der falschen Maßgrößen für die Beurteilung des Unternehmungs-
erfolges und insbesondere die fehlerhafte Periodenabgrenzung kommen im Bereich des
Marketing besonders bei Investitionen in das Image, sogenannten Marktinvestitionen,
darüber hinaus aber auch bei Investitionen in die Human-Ressourcen vor. Gerade in
diesen Bereichen liegen die Erfolgspotenziale, auf die das strategische Augenmerk
besonders gerichtet sein sollte.
Zweitens lässt sich der Erfolg strategischer Entscheidungen nicht in ein-
dimensionalen, quantitativen Größen ausdrücken. Die strategische Zielkonzeption
umschließt eine mehrdimensionale Beschreibung des „Wunschortes“, insbesondere auch
mit qualitativen Maßgrößen wie z. B.
106 3 Ziele und Strategien des Handelsmarketing
• Firmenimage, Markenstärke,
• Marktadäquanz der Leistungen,
• Technologische Überlegenheit,
• Kreativität, Flexibilität,
• Verfügung über rechtliche Schutzpositionen (Vertragssysteme, Patente, Warenzeichen,
etc.),
• Know-how, Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter, etc.
Drittens ist darauf hinzuweisen, dass der operative Bereich den Bereich harter
wirtschaftlicher Fakten, der robusten Maßnahmen und der hohen Prognosesicherheit
darstellt. Demgegenüber spielen sich strategische Entscheidungen im Bereich hoher
struktureller und substanzieller Ungewissheit ab: Die Prognosen beruhen auf „schwa-
chen Signalen“. Wird von dem aus der operativen Denkweise gespeisten „synoptischen
Planungswahn“ Abstand genommen, muss man sich stets darüber im Klaren sein, dass
niemand die optimale Route im Vorhinein kennt – und damit weiß auch niemand, wann
man sie verlassen hat.
Die Unternehmung ist mit den Potenzialen auszustatten, um sich evolutorisch den
Weg zum Wunschort nicht nur durch alle vorausgesehenen, sondern auch durch die
unerwartet eintreffenden Widerstände und Widrigkeiten zu bahnen. Dies setzt außer den
erwähnten Fähigkeiten auch die Bereitschaft (Willigkeit) zum Aufbruch in unbekannte
Felder voraus.
Zusammenfassend ist darauf hinzuweisen, dass nicht Aufwand und Ertrag, sondern
mehrdimensionale, qualitative Zielgrößen Maßstäbe der strategischen Planung sind. Die-
ser seit vielen Jahren postulierten Selbstverständlichkeit hat die anglo-amerikanische
Managementliteratur inzwischen durch das Konzept der ‚Balanced Scorecard‘ versucht
gerecht zu werden (vgl. Kaplan und Norton 1997).
Missverständnis Nr. 3 lautet: Auch bei der strategischen Planung bildeten die Märkte den
Dreh- und Angelpunkt der Betrachtung.
Wesentliches Kennzeichen der Marketingkonzeption ist die Formel: Führung der
gesamten Unternehmung vom Markt her. Es liegt nun nahe, diese Orientierung auf die
strategische Planung zu übertragen. Dies wäre aber verfehlt: Die Märkte sind nicht Aus-
gangspunkt, sondern Zwischenergebnis der strategischen Planung. Sind die Märkte erst
einmal definiert, so ist ein wesentlicher Teil der strategischen Arbeit bereits getan.
Im Rahmen der strategischen Planung wird nämlich darüber entschieden, welche Märkte
überhaupt als relevant/interessant für das Unternehmen angesehen werden können und wie
sie von anderen Märkten abgegrenzt oder auch mit anderen Märkten zu einem Gesamtmarkt
verschmolzen werden sollen. Man nennt die solchermaßen abgegrenzten, eigenständigen
Märkte üblicherweise ‚Strategische Geschäftseinheiten‘. Ausgewählt und bearbeitet werden
3.2 Das Grundverständnis strategischen Planens und Handelns … 107
nur jene ‚Strategischen Geschäftseinheiten‘, bei denen Chancen und Risiken in Verbindung
mit den eigenen Stärken und Schwächen Aussicht auf eine gute Wettbewerbssituation bieten
(vgl. Link 1985, S. 250).
Auch die Aussage, strategische Planung sei primär die Angelegenheit entsprechender
Stabsstellen, beruht auf einem Missverständnis. Strategische Planung ist Bestandteil
eines umfassenden Aufgabenkomplexes, nämlich des strategischen Managements. Strate-
gisches Management umschließt die Phasen der
• strategischen Willensbildung,
• strategischen Willensdurchsetzung und der
• strategischen Kontrolle.
Es ist offensichtlich, dass das strategische Management eine ureigene Aufgabe der
Linieninstanzen ist und Stäbe hier allenfalls unterstützend tätig werden können.
Dass es gerade bei schwierigen Aufgaben selbstverständliche Pflicht ist, dass ein
‚Kapitän‘ die Schiffsführung und ein ‚Chirurg‘ das Skalpell nicht an Gehilfen übergibt,
steht außer Frage.
Strategische Planung gehört zum harten Kern jener Führungsaufgaben, die von den
Linienmanagern jeweils höchstpersönlich und mit größtem Engagement wahrzunehmen sind.
Stabsstellen leisten wichtige Vorarbeiten, bringen Methodenkenntnisse ein, können dafür
sorgen, dass nach einer bestimmten Technologie geplant und dass die Teilpläne aufeinander
abgestimmt werden (Koordinationsfunktion des strategieorientierten Controllings). Weder
Stabsstellen noch Controllingorganisationen sind aber berufen, die strategische Planung zu
übernehmen. Ebenso wenig kann diese an externe Berater übertragen werden.
Vorstehende Überlegungen sollten indes nicht die in der Literatur zum strategischen
Management regelmäßig erhobene Forderung implizieren, dass strategische Planung den
obersten Führungskräften vorzubehalten sei. Bei genauerem Hinsehen ist dieses Postulat
zu modifizieren. Zwar lassen sich für die Beschränkung der strategischen Planung auf
die oberste Führungsebene unter anderem folgende Argumente ins Feld führen:
• ‚Frontoffiziere‘ dürfen nicht mit strategischen Zweifeln belastet werden, wenn sie ihre
Tagesarbeit erfolgreich erfüllen sollen.
• Aufgrund der Betroffenheit der mittleren und unteren Führungskräfte durch strategi-
sche Entscheidungen können diese nicht in den strategischen Entscheidungsprozess
einbezogen werden.
108 3 Ziele und Strategien des Handelsmarketing
• Wegen der Geheimhaltungsproblematik ist der Kreis der Beteiligten möglichst klein
zu halten.
• Je mehr Führungskräfte an der strategischen Planung beteiligt werden, desto grö-
ßer ist der Zeitaufwand und desto weniger Zeit verbleibt für das wichtige operative
Geschäft.
• Die Beteiligung der mittleren und unteren Führungskräfte an den strategischen Ent-
scheidungen ist eine conditio sine qua non für die Lösung der anschließenden
Umsetzungsprobleme.
• Auf die intimen Sachkenntnisse und den Einfallsreichtum der Basis kann bei strategi-
schen Entscheidungen nicht verzichtet werden.
• Wenn man sich in Abkehr vom synoptischen Planungswahn dem Gedankengut des
evolutorischen Managements verschrieben hat, ist die Beteiligung aller Führungs-
kräfte an strategischen Entscheidungen eine unumstößliche Selbstverständlichkeit.
• Es ist gerade das Wesen des Konzepts der strategischen Geschäftseinheiten, dass mitt-
lere und untere Führungskräfte als Verantwortliche für diese strategischen Geschäfts-
einheiten an dem Prozess des strategischen Managements beteiligt sind.
• Dem Einwand Betroffenheit und Geheimhaltung kann entgegengehalten werden,
dass natürlich in höchst sensiblen Bereichen Ausnahmen von dem allgemeinen
Partizipationsgebot zulässig sind.
Letztlich kann auch die Aussage als verfehlt bezeichnet werden, die strategische Planung
müsse jährlich einmal erstellt werden. Tatsächlich ist die strategische Planung Bestand-
teil des strategischen Managements, das durch den in der Abb. 3.8 dargestellten kumula-
tiven Zirkel über die Zeitachse abgebildet werden kann.
Wie die zweckmäßige Zeitstruktur (Timing) beschaffen ist, hängt von der Dynamik
der Umwelt/der Märkte ab. Im Handel sind im Allgemeinen kleinere Intervalle not-
wendig als in der Industrie, und im stationären Einzelhandel kleinere als im Großhan-
del. Nur in Ausnahmefällen ist es denkbar, dass eine strategische Planung einmal jährlich
sinnvoll sein kann.
Vielmehr ist dieser Planungsrhythmus eher ein Indiz für den mangelnden Willen, den
verabschiedeten Plan überhaupt durchzusetzen. Der Nutzen einer guten strategischen
Planung besteht gerade darin, einen Weg zur Schaffung ausreichender Erfolgspotenziale
zu weisen, dessen Ziel und Richtung eben nicht jedes Jahr mit hohen Kosten und großen
Reibungsverlusten neu gesucht und ausgehandelt werden müssen.
Im Übrigen widerspricht es dem Grundgedanken des evolutionären Managements,
dem strategischen Denken eine starre Zeitstruktur zu verordnen.
3.3 Instrumente des strategischen Handelsmarketing 109
Erwartung
Ex Ante Informations- Informations-
versorgung versorgung
Planung/ Planung/
Entscheidung Entscheidung
Willensdurch- Willensdurch-
setzung setzung
Zeit
Kontrolle Kontrolle
Ex Post
Erfahrung
Befragung Beobachtung
intern extern
persönlich schriftlich telefonisch persönlich maschinell
Skalierung Dateninterpretation
Die GAP-Analyse ist ein traditionelles Instrument der Schwachstellenanalyse. Sie dient
dazu, Planungsprobleme aufzuspüren und entsprechenden Handlungsbedarf rechtzeitig
aufzuzeigen.
Den Ausgangspunkt bildet eine prognostizierte Zielfunktion. Sie stellt die gewünschte
Entwicklung der Erfolgsgröße (z. B. Umsatz oder Deckungsbeitrag) im Zeitablauf dar.
Der Zielfunktion wird eine Basisfunktion gegenübergestellt (vgl. Abb. 3.10). Diese
beschreibt den prognostizierten Verlauf der Erfolgsgröße unter der Annahme, dass keine
weiteren Maßnahmen in den betrachteten Perioden geplant bzw. ergriffen werden. Die
3.3 Instrumente des strategischen Handelsmarketing 111
Umsatz
4. Diversifikation
pro Jahr
3. Produktentwicklung
2. Marktentwicklung
3 Mrd. € 1. Marktdurchdringung
Ohne zusätzliche
Maßnahmen
2018 Zeit
Abb. 3.10 Die GAP-Analyse
Diversifizierte Unternehmungen stehen vor dem Problem, gleichzeitig eine oftmals hohe
Anzahl unterschiedlicher Betriebstypen und Vertriebslinien managen zu müssen. Dazu
ist es notwendig, dass sich die Unternehmungsführung zunächst einen Überblick über
die Tätigkeitsfelder verschafft. Das Handelsmanagement muss weiterhin über die Ein-
führung neuer oder die Liquidation bereits vorhandener Geschäftsbereiche entscheiden
und prüfen, ob die Status quo-Kombination der Geschäftsbereiche auch künftig die Exis-
tenz der Unternehmung sichern kann.
Die Portfolio-Methode erfüllt in diesem Zusammenhang zwei Funktionen: Sie dient
zum einen im Rahmen der Situationsanalyse als Analyse-Instrument und ermöglicht so
einen umfassenden Überblick über die Tätigkeitsbereiche der Unternehmung. Zum ande-
ren wird diese Methode im weiteren Verlauf des Planungsprozesses zur Ableitung strate-
gischer Stoßrichtungen verwendet.
Das Ziel besteht darin, für die gesamte Unternehmung eine ausgewogene sachliche
und zeitliche Kombination der Geschäftsbereiche unter Berücksichtigung der Inter-
dependenzen herbeizuführen und somit vorhandene und zukünftige Erfolgspotenziale zu
sichern.
Der Portfolio-Methode liegen drei Konzepte zugrunde:
• das Lebenszykluskonzept,
• die PIMS-Studie und
• das Erfahrungskurvenkonzept.
3.3 Instrumente des strategischen Handelsmarketing 113
Das Lebenszykluskonzept ist Ausgangspunkt aller Überlegungen für die Anwendung der
Portfolio-Methode. In Analogie zum Lebenszyklus biologischer Organismen wird hier-
bei unterstellt, dass auch der Umsatz- und Absatzverlauf dem „Gesetz des Werdens und
Vergehens“ folgt. Produkte werden entwickelt, auf den Markt gebracht, dort akzeptiert
und vermehrt nachgefragt, um schließlich nach einiger Zeit wieder vom Markt verdrängt
zu werden. Es ist allgemein üblich, diesen Zyklus in Einführungs-, Wachstums-, Reife-,
Sättigungs- und Degenerationsphase einzuteilen (vgl. Abb. 3.11).
Aus finanzwirtschaftlicher Perspektive ergeben sich in Abhängigkeit von der jewei-
ligen Phase folgende Besonderheiten: Produkte in der Einführungsphase zeichnen sich
durch einen sehr hohen Investitionsbedarf aus und erwirtschaften nur geringe Deckungs-
beiträge. Während die in der Wachstums- und Reifephase befindlichen Produkte
durch einen zunehmenden Finanzüberschuss, einhergehend mit einem abnehmenden
Investitionsbedarf, gekennzeichnet sind, verringern sich in der Sättigungsphase sowohl
das benötigte Investitionsvolumen als auch die Höhe der erzielten Deckungsbeiträge.
Merkmal der Degenerationsphase ist schließlich, dass die Nachfragemengen rückläufig
sind und die Rentabilität der Branche gegen null läuft.
Bei einer ausgeglichenen Kombination der Geschäftsfelder können die erwirt-
schafteten Finanzüberschüsse den Produkten mit hohem Investitionsbedarf in der Ein-
führungs- und Wachstumsphase zugeführt werden.
Wie in Abschn. 3.1.4 schon erwähnt, analysiert die seit 1972 existierende PIMS-Stu-
die des Strategic Planning Institute die finanziellen und strategischen Daten von über
3000 Geschäftsfeldern der ca. 200 an der Untersuchung beteiligten Unternehmungen
verschiedener Branchen (vgl. Buzzell und Gale 1989). Ziel dieser Studie ist es, die Aus-
Gesamtnachfrage
(Mengeneinheiten pro Jahr)
0 Jahre
Branchenrentabilität
0
(Gesamtkapitalrendite in %) Jahre
Abb. 3.11 Das Lebenszykluskonzept
114 3 Ziele und Strategien des Handelsmarketing
Grenz-
kosten
100
erfahrungs-
80 degressiv
Kumulierte
Menge (ME)
1000 2000
Abb. 3.12 Der Erfahrungskurveneffekt
3.3 Instrumente des strategischen Handelsmarketing 115
Die Bedeutung des RMA und des MW für den Unternehmungserfolg wird also
sowohl empirisch durch die PIMS-Studie als auch theoretisch durch das Erfahrungs-
kurvenkonzept bestätigt. Diese Erfolgsfaktoren bilden die Grundpfeiler für das von der
Boston Consulting Group entwickelte Basismodell der Portfolio-Analyse (vgl. bspw.
Benkenstein und Uhrich 2010; weiterführend bspw. Bower und Paine 2017). Durch
dieses Verfahren soll ein ausgeglichenes Portfolio unter Berücksichtigung von finanz-
wirtschaftlichen und risikopolitischen Aspekten geschaffen werden (vgl. Abb. 3.13).
Ausgehend von den Ergebnissen einer Ist-Analyse, werden im ersten Schritt strategi-
sche Geschäftseinheiten (SGE) gebildet. In einem Handelskonzern (z. B. Rewe Group)
könnten diese zum Beispiel mit den verschiedenen Betriebsformen und -typen korrespon-
dieren (z. B. Penny, Toom, Rewe). Die Abgrenzung der SGE ist eine zwingende Voraus-
setzung für die Durchführung der Portfolio-Methode (vgl. Roventa 1981), da zu einem
späteren Zeitpunkt eindeutige Strategien für jede SGE formuliert werden, die unabhängig
von anderen SGE durchführbar sein müssen. Diese Voraussetzung ist im Handel nicht
immer erfüllt. So bestehen in großen Handelssystemen oft zahlreiche Interdependenzen
zwischen den Vertriebslinien (z. B. gemeinsamer Einkauf der Basissortimente). Neben
dem formalen Kriterium der Unabhängigkeit sind die Funktion der Betriebsform aus
Kundensicht und die Beschaffenheit der Märkte weitere Abgrenzungskriterien. Allgemein
ist bei der Bildung von SGE einerseits darauf zu achten, dass diese nicht zu groß defi-
niert werden dürfen, um eine Vermischung der Strukturen (Kompetenz, Verbundeffekte,
Synergien) zu vermeiden. Andererseits besteht bei einer zu detaillierten Abgrenzung die
Einführungsphase Wachstumsphase
Marktwachstum (%)
Deckungsbeitrag
Lebenszyklus
III IV
Gefahr, dass bestehende Interdependenzen zwischen den SGE nicht berücksichtigt wer-
den, der planerische Aufwand zu groß wird und der Überblick verloren geht.
Im zweiten Schritt werden die so abgegrenzten SGE in einer sog. 4-Felder-Matrix posi-
tioniert, an deren Achsen der relative Marktanteil (z. B. der Anteil von Plus am Gesamt-
umsatz der Discounter) und das geschätzte zukünftige Marktwachstum abgetragen werden.
Durch die Positionierung werden die SGE den mit Questionmark, Star, Cash Cow
oder Dog bezeichneten Strategiefeldern zugeordnet, für die jeweils folgende generelle
Normstrategien abgeleitet werden.
Die Umsetzung der generellen Normstrategie kann für einzelne SGE durch die Kenn-
zeichnung gewünschter Zielorte im Portfolio visualisiert werden.
In der 4-Felder-Matrix wird die Ableitung der Normstrategien nur auf die ein-
dimensionalen und quantitativen Erfolgsfaktoren relativer Marktanteil und
Marktwachstum zurückgeführt. Die damit verbundenen Nachteile und Gefahren bei
der Strategieableitung führten in einer Weiterentwicklung des Basismodells zu einer
verbesserten 9-Felder-Matrix, die es ermöglicht, eine Vielzahl von Einflussfaktoren zu
berücksichtigen. An den Achsen der Matrix werden nun die mehrdimensionalen Para-
meter Marktattraktivität und relativer Wettbewerbsvorteil abgetragen, die sich aus
der Aggregation verschiedener quantitativer und qualitativer Größen ergeben (vgl.
Abb. 3.14).
Zur Ermittlung der Marktattraktivität werden beispielsweise das Marktwachstum
und die Marktgröße, die Marktqualität, die Energie- und Rohstoffversorgung sowie die
Umweltsituation analysiert.
Die Dimension ‚relative Wettbewerbsvorteile‘ umfasst beispielsweise die relative
Marktposition, die Kundenzufriedenheit und -bindung, die informationstechnologische
Ausstattung, die Markenstärke sowie die relative Qualifikation der Führungskräfte und
Mitarbeiter. Als geeignetes Aggregationsverfahren wird zumeist ein Scoring-Modell
verwendet, in dem die qualitativen Merkmalsausprägungen bepunktet, gewichtet und
3.3 Instrumente des strategischen Handelsmarketing 117
Markt-
„Ist“ Markt-
attrak-
attrak-
„Soll“
tivität
tivität
I II
hoch hoch
IV
mittel mittel III
VI
niedrig niedrig
V
Wie bereits in Abschn. 3.1.4 angedeutet wurde, besteht das Anliegen der Erfolgs-
faktorenforschung darin, durch einen einzelfallübergreifenden Vergleich von ‚Gewin-
nern‘ und ‚Verlierern‘ diejenigen strategischen Erfolgsursachen (Erfolgsfaktoren)
aufzudecken, deren Existenz es dem Handelsmarketing erlaubt, eine längerfristig erfolg-
reiche Stellung im Markt (Erfolgsposition) zu erreichen, zu erhalten oder auszubauen.
Während die Erfolgsfaktorenforschung in industriellen Unternehmungen auf eine Tradi-
tion von über 450 Jahren zurückblicken kann (vgl. z. B. das PIMS-Programm), ist der
Handel erst seit Mitte der 80er Jahre in den Mittelpunkt empirischer Untersuchungen
gerückt (vgl. bspw. Patt 1988 sowie Burmann 1995). Dem praktisch-normativen Aus-
sagegehalt der Erfolgsfaktorenforschung sind jedoch Grenzen gesetzt:
Ein Ergebnis der Untersuchungen ist, dass die Flexibilität, mit der sich eine Unter-
nehmung an veränderte Umweltbedingungen anpassen kann, den zentralen Erfolgsfaktor
bildet. Dabei sind einerseits Unternehmungen sehr erfolgreich, die eine hohe Kreativi-
tät besitzen und selbst neue Konzepte entwickeln. Andererseits sind auch solche Unter-
nehmungen sehr erfolgreich, die über die Fähigkeit und die Bereitschaft verfügen,
exzellente Konzepte aufzuspüren, diese auf ihre Übertragbarkeit hin zu überprüfen und
ggfs. nachzuahmen.
Mit der Erfolgsfaktorenforschung kann jedoch keine Antwort auf die Frage nach
konkreten Informationen für ein vorbildorientiertes Management gegeben werden. Ins-
besondere aufgrund des Problems, dass die Erfolgsfaktorenforschung Daten über die
miteinander verglichenen Unternehmungen einschließlich ihrer situativen Faktoren
teilweise stark verdichtet, eignen sich die Ergebnisse nicht, um konkrete Gestaltungs-
empfehlungen auszusprechen. Der wesentliche Nutzen der Erfolgsfaktorenforschung
besteht vielmehr darin, Anregungsinformationen zu liefern und thematische Suchfelder
einzugrenzen, in denen Erfolgskonzepte aufzuspüren sind.
Informationen über erfolgreiche Praktiken müssen somit auf einem anderen Weg
gewonnen werden. Dieser Weg kann nur darin bestehen, konkrete Einzelfälle zu erheben,
d. h. erfolgreiche Gesamt- oder Teilkonzepte zu identifizieren und zu analysieren (vgl.
nochmals Abb. 3.6). Vorbildorientiertes Management benötigt Informationen über kon-
krete erfolgreiche Praktiken, die Rahmenbedingungen ihrer bisherigen Anwendung und
die Anwendungsbedingungen in der eigenen Unternehmung.
Für den Vorgang der systematischen Suche und Auswertung von Informationen über
erfolgreiche Praktiken und ihre Übertragungsvoraussetzungen wird auch der Begriff
Benchmarking verwendet: Lernen von erfolgreichen Vorbildern oder Praktiken umfasst
den Vorgang des Erwerbs von Erfahrungen und Wissen, um sich der Umwelt anzupassen.
Durch die Ausrichtung auf konkrete Einzelfälle dominiert die unternehmungsindividuelle
Sichtweise, die den geringsten Abstraktionsgrad bzw. die höchste Spezifität aufweist.
Die konstitutiven Merkmale des Benchmarking lassen sich wie folgt zusammenfassen
(vgl. im Folgenden Schröder 1998):
Benchmarking kann sich auf unterschiedliche räumliche, sachliche und zeitliche Dimen-
sionen beziehen. Hinsichtlich des Umfangs wird dabei die ganzheitliche Erforschung
exzellenter Konzeptionen (Benchmarking Typ A) und die partialanalytische Erforschung
exzellenter Teilkonzepte, Konzeptbausteine und Prozesse unterschieden (Benchmarking
Typ B). Beide Typen ermöglichen eine zielorientierte Typologisierung exzellenter Vor-
bilder und stellen damit die Basis für die Übertragung in die eigene Unternehmung dar.
Idealerweise wird das Benchmarking in verschiedene Phasen unterteilt und durch die
Erfolgsfaktorenforschung begleitet (vgl. Abb. 3.16). Diese bietet zusätzlich die Möglich-
keit einer Identifikation derjenigen Merkmale, anhand derer sich exzellente Praktiken
von weniger erfolgreichen unterscheiden. Hierdurch wird einerseits eine Konkretisie-
Feedback
Mit den in diesem Kapitel genannten Instrumenten steht dem Handelsmarketing ein
umfassendes Instrumentarium zum strategischen Management bereit. Gleichwohl ist die
systematische Nutzung dieser Instrumente in der Handelspraxis bisher eher gering. Dies
hat neben der hohen Belastung des Managements mit operativen Aufgaben sicherlich
auch damit zu tun, dass die hohe Dynamik im Handel eine häufige Revision der strate-
gischen Planung notwendig macht. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass Unternehmen,
die ohne strategische Planung geführt werden, Gefahr laufen, strategische Fehlent-
scheidungen zu treffen, die gravierende Folgen haben können.
Kontrollfragen
1. Grenzen Sie die strategische Planung von der operativen Planung ab.
2. Beschreiben Sie die einzelnen Aufgaben der strategischen Planung.
3. Welche Bedeutung kommt dem strategischen Rahmenplan zu?
4. Welche verbraucherorientierten Strategien werden in der Literatur unterschieden?
5. Skizzieren Sie die Ansoff-Matrix speziell für den Handel.
6. Erklären Sie den Begriff der strategischen Erfolgsforschung.
7. Was wird unter dem evolutionären Management verstanden?
8. Beschreiben Sie die einzelnen Phasen des strategischen Managements.
9. Beschreiben Sie in Grundzügen die Portofoliotechnik. Welche drei Konzepte liegen
der Portfolio-Methode zugrunde?
10. Was versteht man unter dem Erfahrungskurveneffekt? Verdeutlichen Sie Ihre Aus-
führungen grafisch.
11. Worin unterscheiden sich die Erfolgsfaktorenforschung und das Benchmarking von-
einander?
12. Skizzieren Sie den idealtypischen Benchmarking-Prozess.
Literatur 123
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D. Ahlert et al., Handelsmarketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55241-0_4
126 4 Die Betriebstypenpolitik
Kostenlose
Lieferung
Installation
Waren- Beratungs-
präsentation leistung
Hotlines
Marken-
name
Andienungs- Sortiment
form Service
Erreich-
barkeit
Garantie- Ladenlayout
leistungen
Beschwerde-
Formale Leistung Finanzierungs- management
möglichkeiten
Kernleistung
Handelsbetriebe
Binnenhandelsbetriebe Außenhandelsbetriebe
einer Zentrale abhängig und vertraglich verpflichtet, diese zu befolgen. Beispiele für
diese straff geführten Systeme sind die Metro, Lidl oder der Karstadt-Konzern.
Zwischen diesen beiden Systemen besteht ein scharfer Wettbewerb um die Gunst der
Verbraucher. Wir wollen diesen im Folgenden „Systemwettbewerb“ nennen (vgl. auch
Abschn. 4.4). Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile. Sind auf der einen Seite
die kooperativen Gruppen zumeist besser in der Lage, lokalen Erfordernissen Rech-
nung zu tragen, fehlt ihnen oft die notwendige Systemeffizienz, die z. B. zur Erreichung
der Kostenführerschaftsposition notwendig ist. Auf der anderen Seite haben die hoch-
konzentrierten Massenfilialisten einen Kostenvorteil, versagen aber regelmäßig bei dem
Versuch, standortspezifische Differenzierungen umzusetzen. Aus Sicht des Handels-
marketing wäre daher eine Kombination der beiden Arten innerhalb eines Handels-
betriebs die ideale Konstellation. Tatsächlich lässt sich in den letzten Jahren eine starke
Entwicklung in Richtung dieser idealen Position beobachten, wie insbesondere die dyna-
mische Entwicklung des Franchisings deutlich macht (vgl. Ahlert und Ahlert 2010).
Diese „hybriden Systeme“ bestehen zumeist aus zwei Teilsystemen. Auf der einen Seite
verfügt die Zentrale über eigene Regiebetriebe, in denen kostenorientiert experimentiert
werden kann. Erfolgreiche Experimente werden dann im Dialog mit den Vertretern des
kooperativen Teils, zumeist handelt es sich hierbei um Franchisenehmer, individualisiert
umgesetzt. Hybride Systeme erfüllen damit im hohen Maße die Anforderungen des evo-
lutionären Managements. Beispiele für solche Systeme sind der Media Markt, Back
Werk oder Obi.
Insbesondere der für die Profilierung wichtige Frischebereich kann auf dieser Fläche
nur sehr begrenzt dargestellt und effizient bewirtschaftet werden. Insofern ist der Super-
markt stets vom Discounter bedroht.
Die ersten Discounter entstanden im Lebensmitteleinzelhandel (vgl. Haas 2000
grundlegend zum Discounting). Das Konzept hat sich jedoch auf andere Branchen aus-
weiten können. Prominenteste Vertreter dieser Betriebsform sind Aldi, Lidl und Netto.
132 4 Die Betriebstypenpolitik
1. Durch den Einkauf großer Mengen bei relativ wenigen Artikeln konnten sehr günstige
Einstandspreise realisiert werden.
2. Durch die Minimierung der Handelsleistung, u. a. durch die Abwälzung wert-
schöpfender Tätigkeiten an den Kunden (z. B. Auspacken der Ware aus Kartons),
konnten Handlungskosten gespart werden.
3. Beides zusammen ermöglicht es dem Discounter, Dauer-Niedrigpreise anzubieten,
die der Kunde auf Dauer lernt und so zu einem positiven Preisimage führen. Hat sich
dieses verfestigt, wird es für Nachahmer schwierig, den Kostenführer zu attackieren.
Mit diesem Konzept hatten die Discounter großen Erfolg, der sich bis heute fortsetzen
konnte und auch wohl fortsetzen wird – auch wenn derzeit doch erste Entwicklungen
eines Trading-Up deutlich erkennnbar werden (vgl. Diller et al. 1997, S. 19 ff.; Schröder
2012, S. 36).
Fachmärkte kennzeichnen sich durch ein tiefes Sortiment, das sie zumeist in peri-
pheren Lagen auf einer Fläche von mindestens 2000 qm zu günstigen Preisen anbieten.
Bekannte Beispiele sind Hagebau, Obi sowie Media Markt. Konstituierend für diese
Betriebsform sind die folgenden Merkmale.
Das Fachmarktkonzept ist bis heute sehr erfolgreich (vgl. Abb. 4.5).
SB-Warenhäuser sind SB-Geschäfte in dezentraler Lage mit einer Verkaufsfläche
von mehr als 5000 qm, in denen ein warenhausähnliches Sortiment angeboten wird.
Bekannte Beispiele sind real, kaufland, hit oder Marktkauf. Das Konzept die-
ser Betriebsform basiert auf zwei Pfeilern. Zum einen fokussieren SB-Warenhäuser in
der Standortpolitik auf verkehrsgünstige Standorte. Sie tragen damit dem Aspekt der
steigenden Kundenmobilität Rechnung und profitieren davon. Zum anderen nutzen
SB-Warenhäuser die zunehmende Bereitschaft der Kunden zur Selbstbedienung. Inso-
fern realisiert diese Betriebsform in zwei Marketing-Instrumentalbereichen erhebliche
Kostensenkungspotenziale, die als niedrigere Verkaufspreise an den Kunden weiter-
gegeben werden.
4.3 Positionierungsanalysen als Grundlage der Betriebstypenpolitik 133
Wettbewerbsvorteil
Leistungsvorteil Kostenvorteil
Gesamt-
markt
Shopping- Factory
City-
Center/ Einkaufszentren Outlet
Center
Mall Center
Waren-
Marktabdeckung
häuser
SB-
Stuck Waren- Verbrau-
in the häuser cher-
middle märkte
Super-
märkte
Teil- Fach-
Fach-
markt discoun-
handel
Fachmärkte ter
1. Bedingt durch diverse rechtliche Maßnahmen stieg der Autonomiegrad des Handels-
marketing sukzessive an. Das Verbot der vertikalen Preisbindung Anfang der 70er
Jahre, der Wegfall des Rabattgesetzes sowie die stetig voranschreitende Liberalisie-
rung der Ladenöffnungszeiten trugen maßgeblich dazu bei, dass der Handel eigene
Marketingkonzeptionen entwickeln und realisieren konnte.
2. Zum anderen ließ sich eine deutliche Professionalisierung des Handelsmarketing
erkennen. Handelsbetriebe betreiben heute oft eine eigene, professionelle Markt-
forschung und nutzen diese erfolgreich zur Umsetzung eigener Konzepte, z. B. im
Rahmen erfolgreicher Eigenmarkenprogramme (vgl. Ahlert et al. 2001, S. 243 ff.).
4.3 Positionierungsanalysen als Grundlage der Betriebstypenpolitik 135
11,8
14,4 15,8
16,0 Fachmärkte
12,2
11,4
13,5
15,5 Filialisten des Fachhandels
Dies kann sogar so weit führen, dass Händler die Daten, die sie am PoS gewinnen,
nutzen, um neue Geschäftsmodelle in digitalen Strukturen daraus zu entwickeln.
Letztlich ist diese Zersplitterung Ausdruck des ständigen Bemühens, aber auch der
Fähigkeit des Handels, sich den immer stärker differenzierenden Bedürfnissen der Kun-
den anzupassen. Insofern handelt es sich nicht um ein handelsspezifisches Phänomen
(Abb. 4.6).
Die Beobachtung der zunehmenden Zersplitterung der Betriebsformenlandschaft
führt gleichwohl zu der Frage, welche Konzepte zur Erklärung dieser Entwicklung vor-
liegen. Diese Frage soll im folgenden Kapitel beantwortet werden.
136 4 Die Betriebstypenpolitik
In Abb. 4.7 ist exemplarisch ein zweidimensionaler Raum dargestellt, der von den bei-
den Wettbewerbsparametern Preisvorteil und Leistungsvorteil aufgespannt wird. Es soll
in diesem vereinfachten Modell angenommen werden, dass der Verbraucher bei der Wahl
seiner Einkaufsstätte nur zwischen den beiden Dimensionen Preis und Leistung abwägt.
4.4 Betriebstypenprofilierung vor dem Hintergrund eines zunehmenden … 137
Preisvorteil
hoch
Betriebstyp eines
zentralistisch geführten Massenfilialsystems
Betriebstyp eines
dezentralistisch organisierten Handelssystems
des Qualitäts - und Erlebnishandels
niedrig
Leistungsvorteil
niedrig hoch
Die These von der Polarisierung der Handelslandschaft (vgl. Abschn. 1.3.2) verleitet nun
zu dem Schluss, dass zentralistisch geführte Massenfilialsysteme eher in der Lage sind,
einen Preisvorteil zu erzielen, und dezentralistisch organisierte Handelssysteme leichter
einen Leistungsvorteil realisieren können. Weiterhin soll davon ausgegangen werden,
dass alle Handelssysteme einen gewissen Gestaltungsspielraum besitzen, sodass sie ihre
Betriebstypen innerhalb des zweidimensionalen Raums in bestimmten Grenzen gezielt
‚positionieren‘ können. In Abb. 4.7 sind beispielhaft die ‚Positionen‘ zweier Betriebs-
typen unterschiedlicher Handelssysteme markiert.
Preisvorteil
hoch
Transformationskurve Discounter
Transformationskurve Fachgeschäft
niedrig
Leistungsvorteil
niedrig hoch
1Vgl. zu diesem aus der Paretianischen Wohlfahrtsökonomie abgeleiteten Verständnis und zur wei-
teren Vorgehensweise Sohmen (1976, S. 30 ff.).
4.4 Betriebstypenprofilierung vor dem Hintergrund eines zunehmenden … 139
hinsichtlich des Aufbaus von Preis- oder Leistungsvorteilen einen zwar positiven, aber
sinkenden Grenznutzen in den Augen der Kunden besitzt. So wird der fortlaufende Auf-
bau einer Profilierungsdimension (z. B. Preisvorteil), gemessen in Einheiten der anderen
Dimension (z. B. Leistungsvorteil), immer teurer. Die Steigung der Transformations-
kurve an einem Punkt, also das Austauschverhältnis zwischen Preis- und Leistungsvor-
teil, kann als Grenzrate der Transformation des Betriebstyps2 bezeichnet werden.
Es existiert ein maximaler Preisvorteil (u. a. determiniert durch die Kosten des Waren-
einstands), den der Betriebstyp zu überschreiten nicht in der Lage ist. Ebenso existiert
ein maximaler Leistungsvorteil, der nicht übertroffen werden kann.
An der Schnittstelle der Transformationskurve mit der Preis-Achse besitzt der
Betriebstyp keinen Leistungsvorteil mehr gegenüber irgendeinem Konkurrenten. Dies
würde bedeuten, dass er bei maximaler Preisorientierung die aus Kundensicht schlech-
teste Angebotsqualität aller Konkurrenten besitzen würde. An der Schnittstelle mit der
Leistungs-Achse könnte die Einzelhandelsunternehmung keinen Preisvorteil aus Ver-
brauchersicht mehr realisieren. Es würde als das teuerste Geschäft wahrgenommen wer-
den. Ob es ökonomisch sinnvoll ist, derartige Randpositionen zu realisieren, hängt von
den Präferenzen der Verbraucher ab.
2Die Steigung der Transformationskurve an jedem Punkt kann durch den Quotienten dL/dP aus-
gedrückt werden, wobei L = Leistungsvorteil und P = Preisvorteil ist (vgl. Schumann et al. 2011).
3Gemeint ist eine Gruppe von Verbrauchern, die ähnliche Präferenzen hinsichtlich der Vorteils-
Preisvorteil
hoch
Transformationskurve Discounter
2
niedrig
1
Leistungsvorteil
niedrig hoch
Preisvorteil
hoch
Transformationskurveheutiger Discounter
Transformationskurvefrüherer Discounter
B
NutzenfunktionenVerbraucher (1<2<3)
Transformationskurve A
Fachgeschäft C 3
2
niedrig
1
Leistungsvorteil
niedrig hoch
1. Beide Einkaufsstätten führen teilweise identische Produkte, allerdings kann der Dis-
counter diese aufgrund seiner geringeren Sortimentsbreite bzw. -tiefe5 und seiner
höheren Systemwirtschaftlichkeit zu einem günstigeren Preis anbieten.
2. Vergleichbare, nicht identische Produkte sind in ihrer Qualität beim Fachgeschäft nur
unwesentlich besser. Das Angebot an Handelsmarken, die u. U. von (ehemaligen)
Markenartikelherstellern produziert werden, wird nicht immer schlechter eingestuft
als das Angebot vergleichbarer Markenartikel im Fachgeschäft. Die mitunter nur auf
kommunikativen Maßnahmen beruhenden, subjektiv wahrgenommenen Qualitäts-
unterschiede verlieren mit der immer transparenter werdenden Austauschbarkeit vie-
ler Produkte ihre Profilierungskraft.
Als Folgewirkung ist die Preisbereitschaft der Verbraucher, insbesondere da, wo iden-
tische Produkte zu auffällig unterschiedlichen Preisen angeboten wurden, gesunken.
Dadurch hat sich die Glaubwürdigkeit höherpreisiger Fachgeschäfte verringert und das
Preisbewusstsein seitens der Verbraucher hat sich verstärkt. Allerdings profitiert der
Discounter nicht selten von der kostenlosen Beratungsleistung, die das Fachgeschäft
auch solchen Verbrauchern anbietet, die sich anschließend zum Kauf beim Discoun-
ter entschließen. Für die hypothetischen Nutzenfunktionen derartig preisorientierter
Verbraucher ergibt sich, dass die subjektiv wahrgenommenen Leistungsunterschiede
gegenüber den objektiv feststellbaren Preisdifferenzen an Bedeutung verlieren und die
Steigung der Nutzenfunktionen sich verändert (vgl. Abb. 4.11).
Der Verlauf der Nutzenfunktionen des preisorientierten Verbrauchers in Abb. 4.11
ist – entsprechend seiner Präferenzen – dadurch gekennzeichnet, dass er eher zum Ver-
zicht auf bestimmte (z. B. psychologische) Leistungsvorteile bereit ist, um dafür weni-
ger für ein Produkt zu bezahlen. Entsprechend könnte er beim Einkauf im Fachgeschäft
maximal das Nutzenniveau 2 (Tangentialpunkt C) erreichen. Er wird also nunmehr den
Einkauf beim Discounter vorziehen, weil er dort das höhere Nutzenniveau 3 (Tangential-
punkt B) erreichen kann. Am Beispiel des Lebensmittelhandels zeigt sich diese momen
tane Entwicklung darin, dass die discountierenden und preisaggressiven Betriebstypen
Preisvorteil
hoch
Transformationskurve heutiger Discounter
Transformationskurve Fachgeschäft
3
C
Nutzenfunktionen preis-
2 orientierter Verbraucher
(1<2<3)
niedrig 1
Leistungsvorteil
niedrig hoch
in den letzten Jahren einen immer größeren Umsatzanteil auf sich vereinigen k onnten.
Die Betreiber dieser Geschäftsstätten sind zum großen Teil Massenfilialsysteme, wie
z. B. Metro und die Regiebetriebe von Rewe und Edeka, sowie Aldi und Lidl im Bereich
ihrer Lebensmitteldiscounter. Offensichtlich sind nur solche Handelssysteme in der
Lage, die für ein preisaggressives Lebensmittelangebot nötige Systemwirtschaftlichkeit
zu erzielen. Es soll jedoch nochmals betont werden, dass es sich hierbei um eine momen-
tane Entwicklung handelt. Es besteht keineswegs Gewissheit darüber, ob der Preis auch
in Zukunft die entscheidende Rolle im Wettbewerb spielen wird.
Vielmehr kann der Zeitpunkt eintreten, in dem die aktuellen Kostensenkungsmöglich-
keiten der Massenfilialsysteme weitgehend ausgeschöpft sein werden und dezentralis-
tisch geführte bzw. kooperierende Handelssysteme die Chance erlangen, die Distanz zu
den Kostenpositionen der Massenfilialsysteme zu verringern. Die Preisunterschiede im
Intergruppenwettbewerb würden dann nach und nach abschmelzen. Bei weitgehender
Preisnivellierung auf niedrigem Niveau würde dann zwangsläufig die Leistungs-
dimension stärker an Bedeutung gewinnen. Verbrauchertrends, wie die zunehmende
Erlebnisorientierung, würden größere Bedeutung erlangen. Verstärkt werden kann dieser
Trend durch die Tendenz zur stärkeren Problemlösungs- und Serviceorientierung seitens
der Anbieter.
Sollten sich die Verbraucherpräferenzen und somit auch seine Nutzenfunktionen ver-
ändern, kann es zu einer Umkehrung der bisherigen Entwicklung kommen. Denn ein
leistungsorientierter Verbraucher hat eine steilere Nutzenfunktion, weil er nur durch
einen relativ großen zusätzlichen Preisvorteil dazu zu bewegen ist, eine Leistungsein-
buße zu akzeptieren.
144 4 Die Betriebstypenpolitik
Preisvorteil
hoch
Transformationskurve Discounter
Transformationskurve Fachgeschäft
B Nutzenfunktionen qualtitäts-
orientierter Verbraucher
C (1<2<3)
3
niedrig
2
1
Leistungsvorteil
niedrig hoch
Preisvorteil
hoch
Transformationskurve Discounter
B
D
C 4
Nutzenfunktionen qualitäts-
niedrig 3 orientierter Verbraucher
(1<2<3<4)
2
1
Leistungsvorteil
niedrig hoch
Es stellt sich die Frage, ob es möglich oder überhaupt sinnvoll ist, einen derartigen
Alleskönner zu entwickeln, der auf der einen Seite in hohem Maße systemwirtschaft-
lich arbeitet und sich auf der anderen Seite durch die Flexibilität und Angebots-
qualität dezentral organisierter Unternehmungen auszeichnet. Ferner ist die Frage zu
beantworten, welcher Handelssystemtyp einen solchen Betriebstyp am ehesten hervor-
bringen und unterstützen kann. Falls solch eine ideale Unternehmung nicht zu realisieren
ist, stellt sich immer noch die Frage, auf welchem Wege das Handelsmanagement die-
sem idealen Systemtyp zumindest nahekommen könnte, um auf die zukünftigen Wett-
bewerbsanforderungen vorbereitet zu sein.
1. Entstehung
2. Aufschwung
3. Annäherung sowie
4. Integration bzw. Rückzug.
4.5 Betriebstypenwahl und -diffusion 147
Profilierungspolitik
Trading -
up
Leistungs-
orientierung II
(Service,
Qualität)
Preis-
orientierung I
Lücke
Zeit
Phase I: Entstehung und Aufstieg Phase II: Reife und Assimilation
Bei beiden Autoren wird der Markteintritt eines neuen Betriebstyps mit einem dem Wett-
bewerb überlegenen absatzpolitischen Konzept begründet. Dieses Konzept beruht auf
einer aggressiven Niedrigpreispolitik und einer im Vergleich zum Wettbewerb reduzierten
Leistungspolitik (z. B. Verzicht auf Serviceleistungen, einfache Ladengestaltung). Nach
Nieschlag würde in den weiteren Phasen die ursprüngliche Konzeption aufgegeben, und
es komme zu einem „Trading-up“, d. h. die ursprünglichen Ausprägungen der absatz-
politischen Instrumente würden umgekehrt (vgl. Abb. 4.14). Das Preisniveau und das
Leistungsangebot in den neuen Betriebstypen steigen. Als Ursache für das Trading-up
wird angeführt, dass die Pionierunternehmer davon ausgehen, dass die den Marktzugang
6Die originäre Bezeichnung „Dynamik der Betriebsformen“ wird hier beibehalten. Mit Blick auf
Abschn. 4.1 und die dort erwähnte Definition der Begriffe „Betriebstyp“ und „Betriebsform“
könnte man aber auch von einer „Dynamik der Betriebstypen“ sprechen.
148 4 Die Betriebstypenpolitik
Anzahl
frühes beschleunigte Reife Verfall
Wachstum Entwicklung
Erfindung Erste
Zeit
einer neuen Anwendung
Betriebsform der Idee
Imitation
(Invention) (Innovation)
Nieschlag sieht die wesentliche Ursache für den Marktzutritt und die Verbreitung
neuer Betriebstypen in der Fähigkeit einzelner Innovatoren, mittels aggressiver Preis-
politik in die Domäne traditioneller Anbieter vorzudringen:
Die Innovatoren, die neuartige Formen von Handelsbetrieben ersinnen und durchsetzen,
sehen in einer aggressiven Preispolitik einen entscheidenden Ansatzpunkt für die Erschlie-
ßung des Marktes.
Diese Verhaltensweise der Pioniere konnte z. B. beim Aufkommen der Warenhäuser in
der Mitte des 19. Jahrhunderts sowie bei der Etablierung von Discountern im 20. Jahr-
hundert beobachtet werden.7
Diese postulierten Gesetzmäßigkeiten sind nicht ohne Kritik geblieben. Oft wird ent-
gegengehalten, sie würden auf einem Induktionsschluss beruhen und damit nur Wahrschein-
lichkeitsaussagen mit einem begrenzten Grad an Validität beinhalten. Beispiele für den
Marktzugang anspruchs- bzw. prestigebetonender Betriebstypen werden angeführt, die mit
einem höheren Preisniveau operieren als ihre Wettbewerber. Barth verweist als Beispiel
auf die in den USA verbreiteten „convenience stores“. Hierbei handelt es sich um Lebens-
mittel-Nachbarschafts-Läden, die Dienstleistungs- und Entgeltpolitik auf hohem Niveau
kombinieren. Die so genannte „historische Methode“, d. h. der Versuch, Entwicklungen
durch ihre historische Beschreibung zu erklären, wird mit derartigen Gegenbeispielen nicht
nur indirekt, d. h. im Hinblick auf die abgeleiteten Aussagen kritisiert, sondern grundsätzlich
als geeignete Form der Gewinnung explikativer Aussagen über die Dynamik der Betriebs-
typen infrage gestellt. Darüber hinaus wird der historischen Beschreibung angelastet, dass
sie durch den Blick in die Vergangenheit zur Gewinnung normativer Aussagen im Sinne
konkreter Problemlösungen wenig beitragen. Ein Argument, dass gerade in Zeiten des
Umbruchs, wie man derzeit im Zuge der Digitalisierung beobachten kann, bedeutsam ist.
Andererseits kann darauf hingewiesen werden, dass Beispiele aus der jüngeren Ver-
gangenheit den Marktzugang über eine aggressive Niedrigpreispolitik, kombiniert mit
einem reduzierten Leistungsangebot, wiederholt belegen. So sei beispielsweise an das Auf-
kommen preisaggressiver Discounter im Lebensmitteleinzelhandel (Aldi, Lidl) und auch
-großhandel (Metro-Cash + Carry) sowie im Möbelhandel (Ikea, Roller) erinnert. Gleich-
wohl ist aufgrund von Gegenbeispielen davon auszugehen, dass das Gesetz des „Wheel of
Retailing“ bzw. der „Dynamik der Betriebsformen“ keine Universalität beanspruchen kann.
7Vgl. bspw. Ladwig-Winters (1997, S. 19), die am Beispiel Lubasch vs. Wertheim die Bedeutung
der Preispolitik in der Zeit um 1890 schildert.
150 4 Die Betriebstypenpolitik
Profilierungspolitik
Trading-
down
Leistungs-
orientierung II
(Service,
Qualität)
Preis-
orientierung I
Zeit
Phase I: Entstehung und Aufstieg Phase II: Reife und Assimilation
Es erscheint naheliegend, Pionier- bzw. Erfindergeist für die Dynamik der Betriebs-
typen verantwortlich zu machen. Interessanter erscheint jedoch die Fragestellung, unter
welchen Bedingungen kreative Ideen in Preis- und/oder Leistungsvorteile umgesetzt
werden können, woher also das Potenzial zur Umsetzung kreativer Ideen stammt und
worin die Voraussetzungen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen bestehen. Dieser
Gesichtspunkt lenkt die Blickrichtung auf innerbetriebliche Faktoren und Strukturmerk-
male der im Markt vertretenen Unternehmungen, die die Veränderung der Angebots-
formen im Konsumgüterhandel maßgeblich beeinflussen können. Es rücken besondere
Charakteristika des Systemwettbewerbs in den Vordergrund der Betrachtung.
Die Entscheidung von Handelskonzernen für oder gegen einzelne Betriebstypen hängt
damit auch von den Konsequenzen für die Vertriebslinienstruktur und die Gesamt-
organisation (dezentrale und zentrale Funktionsbereiche) ab. Hierbei spielen nicht zuletzt
die erzielbaren Größenvorteile (Ökonomisierungseffekte, wie z. B. Synergien zwischen
den Betriebstypen im Rahmen der Absatzkommunikation) und die potenziellen Grö-
ßennachteile (z. B. in Form einer überdimensionierten Auffächerung des Vertriebs-
programms) eine entscheidende Rolle.
152 4 Die Betriebstypenpolitik
Weiterhin stellt sich die Frage, ob unternehmerische Ressourcen geeignet sind, die
Dynamik der Betriebstypen derartig zu beeinflussen, dass Unternehmungen, die nicht
über entsprechende Ressourcen verfügen, vom Wettbewerb um die fortschrittlichsten
Angebotsformen ausgeschlossen werden.
Hinweise auf die Bedeutung innerbetrieblicher Faktoren für die Dynamik der
Betriebstypen finden sich in der Diskussion über die Thesen McNairs und Nieschlags.
So wird im Rahmen der Kritik an der historischen Methode auf Entwicklungstendenzen
verwiesen, die sich gegenwärtig ankündigen und die zukünftige Struktur des Handels
prägen können. Zu diesen Entwicklungstendenzen zählt Barth die Einführung neuer
Warenwirtschafts- und Distributionstechnologien und die durch diese sich noch ver-
stärkende „Systembildung“ und zunehmende Bedeutung „ökonomischer Verbundeffekte“
im Handel. Wie bereits ausgeführt wurde, führt die Systembildung letztlich zu Massen-
filialsystemen und immer größer werdenden Kooperationen. Aufgrund des enormen
Kapitalbedarfs für die Einführung neuer Technologien würden nach Barth die Chancen
für Kleinbetriebe, z. B. durch Distributionsinnovationen einen schnellen Markteintritt
zu erlangen, geringer. Nach dieser Argumentation bilden Kapital und die Verfügbarkeit
neuer Informationstechnologien für die Dynamik der Betriebstypen maßgeblich ver-
antwortliche Ressourcen.
Am Beispiel dieser Argumente wird deutlich, dass Wettbewerbsvorteile auf der
Absatzseite nicht die alleinige Ursache für einen erfolgreichen Marktzugang neuer
Angebotsformen sein können. Nicht nur bestimmte Ausprägungen der handelsbetrieb-
lichen Absatzpolitik, sondern auch unternehmerische Ressourcen erklären die Dynamik
der Betriebstypen. Somit sind auch nicht bestimmte Faktoren unabhängig von Raum
und Zeit ursächlich für die Dynamik der Betriebstypen. Faktoren im innerbetrieb-
lichen Bereich oder auf der Beschaffungsseite der Handelsunternehmung können
ebenso wie Faktoren auf der Absatzseite eine nicht unerhebliche Bedeutung besitzen.
Eine hohe interne Systemwirtschaftlichkeit und damit relativ geringe Kosten können
zudem einzelne Ausprägungen der Absatzpolitik erst ermöglichen (z. B. eine aggressive
Niedrigpreispolitik oder ein hohes Leistungsniveau). Die Systemwirtschaftlichkeit bildet
in diesem Beispiel die Voraussetzung, dass Wettbewerbsvorteile auf der Absatzseite für
die betreffende Unternehmung überhaupt lohnenswert sind.
Die besonderen Charakteristika von Entscheidungsprozessen über die Einführung von
Innovationen in Handelssystemen haben unmittelbare Auswirkungen auf die Diffusion
dieser Innovationen in einem Markt (vgl. Buerke 1988).
Entscheidungen über die Einführung neuer Betriebstypen zählen zu den Grund-
satzentscheidungen der Unternehmungspolitik in Handelssystemen. Es ist davon
auszugehen, dass in einem Großteil der Filialsysteme im Hinblick auf diese Ent-
scheidungen eine zentralistische Entscheidungsstruktur vorliegt. Sie führt dazu, dass
der Diffusionsprozess durch eine zentrale Entscheidung für oder gegen die Einführung
und Multiplikation eines neuen Betriebstyps wesentlich beeinflusst werden kann. In
kooperierenden Handelssystemen liegt auf diesem Gebiet aufgrund der Notwendigkeit
zur Verhaltensabstimmung zwischen Zentrale und Mitgliedsbetrieben ein geringerer
4.5 Betriebstypenwahl und -diffusion 153
Zentralisationsgrad vor, von dem jedoch im Vergleich zum nicht organisierten Einzel-
handel immer noch ein erheblicher Einfluss auf die Verbreitung neuer Betriebstypen aus-
geht. Die Konsequenzen der Entscheidungsstrukturen in Handelssystemen entfalten sich
z. B. durch folgende Wirkungsmechanismen:
Die Entwicklung neuer Betriebstypen kann auf verschiedenen Wegen erfolgen (vgl.
bspw. Brock et al. 2018). Grundsätzlich können hier zwei Formen unterschieden werden.
Zum einen kann es sich um echte Innovationen handeln. Diese Form liegt immer dann
vor, wenn vollkommen neuartige Kombinationsformen zwischen den Faktoren Ware und
Dienstleistung entwickelt werden. Zum anderen können neuartige Betriebstypen aber
auch durch Imitation exzellenter Vorbilder, die beispielsweise im Ausland erfolgreich
sind, entwickelt werden. Da der Aspekt der Imitation eng mit dem bereits erwähnten
Benchmarkingkonzept (vgl. hierzu Abschn. 3.1.4) verbunden ist, soll er an dieser Stelle
nicht weiter thematisiert werden.
Im Rahmen der Innovation können wiederum zwei Unterarten differenziert werden.
Proaktive Innovation liegt dann vor, wenn das Handelsmanagement ohne äußeren Zwang
aus sich heraus neue Konzepte entwickelt und diese realisiert. Reaktive Innovationen
können dann beobachtet werden, wenn die Entwicklung eines neuen Betriebstypen als
Reaktion auf eine sich verändernde Umwelt (z. B. neue Technologien, Änderung der
Ladenöffnungszeiten) erfolgt.
Zur Entwicklung neuer Betriebstypen stehen verschiedene Methoden zur Verfügung,
die zumeist heuristischen Charakter haben. Ein einfaches Beispiel für eine solche Heuristik
zeigt Abb. 4.17. Dieser liegt der Gedanke zugrunde, dass durch die Verknüpfung bekannter
Betriebsformen mit neuen Sortimentsbereichen neue Konzepte entdeckt werden können.
BETRIEBSFORMEN SORTIMENTSBEREICHE
- Bedienungsgeschäft - Brot und Backwaren
- SB -Laden - Obst und Gemüse
- SB -Markt - Fleisch - und Wurstwaren
- Supermarkt - Getränke
- Discountgeschäft Beispiel B - Tiefkühlprodukte
- Verbrauchermarkt - Trockensortiment
Handelsunterneh- - Drogeriewaren
- SB -Warenhaus mensspezifische
- Kleinpreiswarenhaus - Bekleidung (DOB, HAKA,...)
Verknüpfung, Aus- - Schuhe
- Warenhaus gestaltung und - Möbel und Wohnausstattung
- Boutique Marktpositionierung - Bau- und Heimwerkerbedarf
- Spezialgeschäft
- Gartenbedarf
- Fachgeschäft Beispiel A
- Optik
- Fachmarkt
- Bücher und Papierwaren
- Fabrikladen - Elektrogeräte
- Erzeugerladen - Elektronik/Computer
Beispiele: A= Pro-Markt-Elektrofachmärkte
B= REWE-Supermärkte (Kernsortiment Lebensmittel)
Wovon lassen sich Handelssysteme nun bei der Entscheidung für oder gegen die Ver-
breitung eines neuen Betriebstyps leiten?
Letztlich können folgende Gründe sogar für eine Degeneration von Betriebstypen sorgen:
1. Die Standortknappheit führt dazu, dass Betriebstypen an für sie ungeeignete Stand-
orte angesiedelt werden.
2. Die rasche Diffusion neuer Betriebstypen (z. B., um Wettbewerbern rechtzeitig die
noch verfügbaren Standorte vorzuenthalten oder Wettbewerber einzuholen) bringt
Größennachteile mit sich, die die Voraussetzungen der für den Betriebstyp ent-
scheidenden Wettbewerbsvorteile (z. B. Preisvorteile) untergraben.
1. Die Dynamik der Betriebstypen wird nicht allein durch Wettbewerbsvorteile auf der
Absatzseite von Handelsunternehmungen erklärt. Vielmehr spielen Fragen der zur
Verfügung stehenden Ressourcen und der Systemzugehörigkeit eine nicht unerheb-
liche Rolle.
Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob
die Entwicklung zu hohen Konzentrationsgraden, zu Großunternehmungen und
zum Systemwettbewerb im Konsumgüterhandel die fortwährende Verbesserung der
Angebotsformen, insbesondere den Marktzutritt innovativer Angebotsformen fördert
oder behindert. Neue Angebotsformen, also Distributionsinnovationen, werden im
Konsumgüterhandel letztlich durch neue, unternehmungsindividuelle Betriebstypen
repräsentiert. Sollte das Aufkommen neuer Betriebstypen durch diese Entwicklungen
nicht behindert werden, so würde vorstoßender Wettbewerb im Konsumgüterhandel –
idealtypischerweise – sowohl von im Markt bereits vertretenen Groß- oder Klein-
unternehmungen sowie von kleinen oder großen Newcomern ausgehen. Der Wett-
bewerb um neue und vom Verbraucher akzeptierte Angebotsformen sowie die
Diffusion dieser Distributionsinnovationen wären in diesem Falle nicht beeinträchtigt.
Nun sorgen die angeführten Charakteristika des Systemwettbewerbs mit gro-
ßer Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Diffusionsprozess neuer Angebotsformen in
Handelsystemen im Vergleich zum nicht organisierten Handel wesentlich schneller
verlaufen kann. Insgesamt führt die Systembildung im Konsumgüterhandel damit
Bedingungen herbei, die dazu beitragen, dass innovative Betriebstypen in hoch-
konzentrierten Branchen schneller diffundieren können, die Verbreitung innovativer
Angebotsformen also im Bereich der Handelssysteme gefördert wird. Damit stellt
sich allerdings unmittelbar die Frage nach den Überlebenschancen des nicht organi-
sierten Handels, die – quasi als Resümee der vorstehenden Ausführungen – wie folgt
beantwortet werden kann:
2. Handelsbetriebe, die nicht über die den Handelssystemen zur Verfügung stehenden
Ressourcen und Charakteristika verfügen, sind solange nicht vom Wettbewerb um
die fortschrittlichsten Angebotsformen ausgeschlossen, wie sie Betriebstypen mit
Wettbewerbsvorteilen versehen, die nicht von derartigen Eigenschaften abhängen.
Dieses sind derzeit wohl ausnahmslos Leistungsvorteile, da Preisvorteile zumeist
auf den besonderen Charakteristika von Handelssystemen beruhen (insbesondere auf
Größenvorteilen und innerbetrieblichen Ressourcen). Die Chance von kleinen und
mittelständischen Unternehmungen im Wettbewerb um neue Angebotsformen liegt
damit auf der Leistungsseite. Beispiele dafür sind die innovativen Beratungs- und
Betreuungsleitungen in den Bereichen des Solution Selling und der MassComization
(vgl. Steffen 2001; Große-Bölting 2005; Tietz 2007; Kawohl 2010).
158 4 Die Betriebstypenpolitik
Kontrollfragen
1. Definieren Sie die Begriffe „Betriebsform“ sowie „Betriebstyp“ und geben Sie
jeweils ein Beispiel aus der Praxis.
2. Was versteht man im Handel unter dem doppelten Leistungsprinzip?
3. Nennen Sie mögliche Elemente einer Handelsleistung.
4. Was sind die Besonderheiten von hybriden Systemen?
5. Nennen und beschreiben Sie die wesentlichen Betriebsformen des Handels aus der
Sicht der Kunden.
6. Charakterisieren Sie die wesentlichen Unterschiede zwischen Discountern und
Supermärkten.
7. Nennen Sie die Gründe für die zunehmende Zersplitterung der Betriebsformenland-
schaft.
8. Was versteht man unter der Betriebstypenprofilierung?
9. Skizzieren Sie die Transformationskurve sowie die Nutzenindifferenzkurve für den
Fall, dass ein Massenfilialsystem seine Leistungsfähigkeit im Laufe der Zeit steigern
konnte.
10. Was wird unter der Diffusion von Betriebstypen verstanden?
11. Erklären Sie den von McNair formulierten Ansatz des Wheel of Retailing.
12. Beschreiben Sie in Grundzügen das Gesetz von der „Dynamik der Betriebsformen“.
13. Beurteilen Sie die folgende Aussage von Nieschlag: „Die Innovatoren, die neuartige
Formen von Handelsbetrieben ersinnen und durchsetzen, sehen in einer aggressiven
Preispolitik einen entscheidenden Ansatzpunkt für die Erschließung des Marktes.“
14. Systematisieren Sie die im Rahmen der Entwicklung neuer Betriebstypen ver-
wendeten Methoden.
15. Nennen Sie die wesentlichen Entscheidungskriterien für die Verbreitung neuer
Betriebstypen in Handelssystemen.
16. Haben kleine und mittelständische Einzelhändler Chancen, sich im zunehmend
intensiver werdenden Systemwettbewerb durch betriebstypenpolitische Maßnahmen
und Strategien zu behaupten?
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Markenpolitik im Handel
5
Nicht nur in der Industrie, sondern auch im Handel hat das Markenkonzept in den letzten
Jahren eine erhebliche Aufwertung erfahren (vgl. Ailawadi und Keller 2004, S. 332; Ahlert
et al. 2000a; Ahlert 2003; Berentzen 2009; Wildner 2014). Die Gründe hierfür sind vielfältig.
Zentral dürfte aber wohl der Aspekt sein, dass Marken dem Kunden immer dann einen Nut-
zen stiften, wenn er eine Entscheidung treffen muss; Marken erleichtern die Entscheidungs-
findung messbar (vgl. bspw. Kenning et al. 2011). Dies kann sogar so weit führen, dass
objektiv gleichwertige Alternativen subjektiv höchst unterschiedlich beurteilt werden, wie
dies im nun schon „klassischen“ Coca-Cola-Test mehrfach gezeigt werden konnte (vgl. Ken-
ning 2005, S. 20 f.). Anders als noch vor wenigen Jahren haben sich zwischenzeitlich erste
theoretische Ansätze zur Erklärung des Markenphänomens herausbilden können, die das
Fundament der folgenden Ausführungen darstellen. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass
eine einheitliche, in sich geschlossene Markentheorie bisher nicht vorliegt.
Die wichtigsten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Marke sind dann erfüllt,
wenn die Marke es schafft, den Entscheidungsprozess der Kunden zu emotionalisie-
ren. Diese Emotionalisierung bedeutet jedoch nicht, dass die Kunden beim Betrachten
der Marke besonders aufgeregt sein müssen. Mit „Emotionalisierung“ ist vielmehr
gemeint, dass positive Erfahrungen mit dem Markenlogo verbunden sind, die bewusst
oder unbewusst die zu treffende (Kauf-) Entscheidung beeinflussen (vgl. Kenning
et al. 2005, S. 53 f.). Oft geht diese Beeinflussung mit einer Reduktion der wahr-
genommenen Komplexität sowie der für die Entscheidung notwendigen Zeit einher.
Besonders deutlich wird die Wirkung der Marke für den Entscheidungsprozess dann,
wenn Kunden im Geschäft nicht ihre „Lieblingsmarke“ finden. Dies führt dann oft
dazu, dass sie erhebliche Zeit und Mühen aufwenden müssen, um sich für die zweit-
beste Alternative zu entscheiden.
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 161
D. Ahlert et al., Handelsmarketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55241-0_5
162 5 Markenpolitik im Handel
In der Handelsliteratur wurde die Markendiskussion lange Zeit auf das Phänomen der
Handelsmarken verengt. Die anderen Markenarten, über die eine Handelsunternehmung ver-
fügt, nämlich die Betriebstypenmarke (synonym „store brand“, „Händlermarke“, „Einzel-
handelsmarke“, „Retail Brand“), die händlergeführte Dienstleistungsmarke und ggfs. die
händlergeführten Abteilungs- bzw. Shopmarken blieben bis weit in die 90er Jahre des letzten
Jahrhunderts weitgehend unberücksichtigt (vgl. Berentzen 2009; Salfeld 2003; Große-Böl-
ting 2005). Insbesondere das Phänomen der Betriebstypenmarken gewinnt aber in der aktu-
ellen Diskussion der Handelspraxis derzeit sehr an Bedeutung. Es stellt sich daher die Frage,
wie die Betriebstypenmarke in die bestehende Terminologie des Markenmanagements im
Handel einzuordnen ist. Grundsätzlich bieten sich hierzu zwei Möglichkeiten an:
Ein erster Weg ist die Erweiterung des Handelsmarkenbegriffs, d. h. die Subsumtion
der genannten drei Bereiche unter dem Oberbegriff des Handelsmarkenmanagements.
Dieser Weg erscheint zunächst vorteilhaft: Auf einen neuen Begriff kann verzichtet
werden. Zudem kann man Handelsmarken im weitesten Sinne als „Marken, die sich
im rechtlichen Eigentum einer Handelsunternehmung befinden“ (vgl. Müller-Hagedorn
1998, S. 43; Dumke 1996, S. 19), verstehen und so prinzipiell auch die Betriebstypen-
marke und die händlergeführte Dienstleistungsmarke zuordnen, ohne die bestehende
Definition revidieren zu müssen. Eine solche theoretisch scheinbar „saubere“ Lösung
dieses terminologischen Problems würde jedoch aller Voraussicht nach zu erheblichen
Verständigungsschwierigkeiten mit und in der Handelspraxis führen.
Eine Alternative zur Ausdehnung des Handelsmarkenbegriffs ist die Einführung
eines neuen Oberbegriffs. Dieser Weg ist nicht unproblematisch, da der neue Begriff
zumindest anfangs erklärungsbedürftig ist. In Anbetracht der wachsenden Aufmerksam-
keit, die der Handel gerade den drei noch relativ neuen Bereichen „Betriebstypenmarke“,
„Dienstleistungsmarke“ und „Shopmarke“ widmet, könnte es aber gelingen, einen
neuen Begriff in Praxis und Wissenschaft zu etablieren, der die Verständigung dauer-
haft erleichtert. Im Folgenden soll dieser Versuch unternommen werden, indem unter
dem Oberbegriff des Markenmanagements im Handel zunächst vier Aufgabenbereiche
zusammengefasst werden, die im modernen Einzelhandel eine bedeutsame Rolle spielen:
In Publikationen findet man die Differenzierung dieser vier Bereiche lediglich ansatz-
weise (vgl. Jary et al. 1999, S. 149). Es fehlt an systematischen Untersuchungen der
Irradiationseffekte zwischen den verschiedenen Bereichen. So werden die Wechsel-
wirkungen zwischen Betriebstypen- und Handelsmarke(n) noch selten wissenschaftlich
untersucht (vgl. Roeb 1997). Ganz gravierende Forschungsdefizite bestehen im Bereich
der Dienstleistungsmarke. Auch das Markenmanagement in Handelssystemen und
stufenübergreifenden Distributionsnetzen ist bisher nur rudimentär bearbeitet worden.
In einer weiteren Fassung schließt das Markenmanagement im Handel auch den ziel-
gerichteten, planvollen Umgang mit jenen Markenleistungen ein, die sich nicht im recht-
lichen Eigentum der Handelsunternehmung befinden.
Hinzu kommen das Markenportfoliomanagement, das Management netzgeführter
Marken, das Co-Branding und das Branding im Zeitalter des E-Commerce. Werden die
engen Interdependenzen zwischen all diesen Aufgabenbereichen explizit berücksichtigt,
so soll von Integriertem Markenmanagement im Handel gesprochen werden. Abb. 5.1
fasst die bisherigen begriffssystematischen Festlegungen zusammen.
Integriertes Markenmanagement
im Handel
Management
Handelsmarken- Betriebstypenmarken- händlergeführter
management management Dienstleistungs-
marken
Netzmarken-
Management management
fremdgeführter Co–
Herstell- und Branding
Dienstleistungs-
Management von
marken
Markenshops
Alle markenführenden Unternehmungen haben eine rechtliche Basis für ihr Marken-
management zu schaffen; diesen Bereich kann man als Marken-Rechts-Management
bezeichnen.
Da die Marke als ein spezifisches Beziehungsgeflecht zwischen Anbieter und
Abnehmern charakterisiert werden kann, müssen sich die Unternehmungen mit den
kaufverhaltenstheoretischen Grundlagen des Markenmanagements beschäftigen. Im
Zusammenhang mit der bereits geschilderten komplexitätsreduzierenden Wirkung
von Marken spielt das Markenvertrauen dabei eine zentrale Rolle (vgl. Kenning
2003).
Schließlich geht es, wie vorstehend schon deutlich wurde, nicht um das Manage-
ment einer einzelnen Marke. Vielmehr ist in aller Regel eine Mehrzahl händler- und
fremdgeführter Sachleistungs-, Dienstleistungs- und Betriebstypenmarken, ggfs. auch
einer oder mehrerer Netzmarken, zu koordinieren. Hierfür soll der Begriff Marken-
Portfolio-Management verwendet werden (vgl. Plassmann und Steffen 2004, S. 416).
So kann z. B. das Markenportfolio eines solitären Handelsbetriebs folgende Bereiche
umfassen:
1. markierte Sortimentseinheiten
– in eigener Regie geführte Handelsmarken und Dienstleistungsmarken,
– fremdgeführte Handelsmarken (z. B. einer kooperierenden Handelsgruppe),
– Herstellermarken und fremdgeführte Dienstleistungsmarken,
2. markierte Abteilungen oder Markenshops
– in eigener Regie geführte Markenshops,
– fremdgeführte Markenshops,
3. im Rahmen eines Co-Branding gemeinsam mit Dritten geführte Sach-, Dienstleis-
tungs- und Shopmarken,
4. in Kooperation mit anderen Unternehmungen geführte Netzmarken,
5. die Betriebstypenmarke, unter der die Firma als Ganzes auftritt.
Nehmen wir nun die Perspektive der Zentrale eines verzweigten Handelskonzerns mit
mehreren, im Marktauftritt selbstständig agierenden Konzerntöchtern (z. B. die Metro
AG oder die Otto Group) oder einer kooperierenden Handelsgruppe (z. B. Edeka) oder
eines stufenübergreifenden Unternehmensnetzwerkes (z. B. eines Franchisesystems wie
OBI) ein. Hier ist ein zusätzlich zu dem Vorstehenden auftretender Koordinationsbedarf
zu decken, beispielsweise die Abstimmung zwischen
• der Firmenmarke der Zentrale und den Firmenmarken der Konzerntöchter bzw. den
Händlermarken der einzelnen Mitgliedsbetriebe,
• den Betriebstypenmarken differenter Vertriebslinien oder
• dem Markenauftritt des Unternehmensnetzwerkes als Ganzes (etwa des Franchise-
systems) und der angeschlossenen Unternehmer (etwa der Franchisenehmer).
Auch das Co-Branding zwischen den Firmenmarken (z. B. der Electronic-Partner) oder
zwischen der Herstellermarke und den Händlermarken (etwa im Beispiel eines Vertrags-
händlersystems der Automobilbranche) erfordert gezielte Abstimmungsmaßnahmen.
An dieser Stelle muss deutlich gesagt werden, dass das Markenmanagement im
Handel zwar komplex ist, aber das Management von Handelsmarken und der Betriebs-
typenmarke seinen robusten Kern bilden. Mit diesen Problemen ist nahezu jeder Händ-
ler konfrontiert. Sie bilden daher den Schwerpunkt des vorliegenden Kapitels. Die
hohe Kunst des integrierten Markenportfoliomanagements, des Markenmanagements
in Distributionsnetzen und der Markenführung im E-Commerce ist primär die Sache
professioneller Markenmanager in den großen Handelssystemen und Netzwerken der
Konsumgüterdistribution. In diesem Feld werden wir uns auf Strukturierungsleistungen
und pragmatische Empfehlungen beschränken.
5.2 Handelsmarken
1Ausschuss für Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft 2006, S. 73.
5.2 Handelsmarken 167
Die Bedeutung von Handelsmarken hat in den letzten Jahren in fast allen Warengruppen
und Branchen zugenommen. Wurde noch zur Jahrtausendwende postuliert, die Markt-
anteile befänden sich in einer „20-Prozent-Falle“, haben Handelsmarken seitdem wei-
tere 20 %-Punkte gewinnen können. Als Grund hierfür wurde oft die konjunkturelle
Entwicklung propagiert. Diese Argumentation konnte aber zwischenzeitlich widerlegt
werden (vgl. Ahlert et al. 2000b, S. 243 ff.; Berentzen 2009, S. 4; Lamey et al. 2012;
Lebensmittelzeitung n. d.).
Im Wesentlichen kann die zunehmende Bedeutung der Handelsmarken wohl eher
auf eine zunehmende Emanzipierung und Professionalisierung des Handelsmarketing
zurückgeführt werden. Dieses hat es im Zuge der Handelsmarkenentwicklung immer
besser verstanden, die folgenden vier für den Erfolg einer Handelsmarke wesentlichen
Funktionen zu erfüllen:
In der Literatur lassen sich darüber hinausgehend weitere Funktionen finden, die aber im
Wesentlichen auf die hier genannten reduziert werden können (vgl. bspw. Schöner 2004,
S. 440; Schröder 2012, S. 291 ff.; Tietz 1993, S. 320 f.).
168 5 Markenpolitik im Handel
Handelsmarke
Eigenmarke die Möglichkeit bestehen kann, das Commitment des Personals mit der
eigenen Unternehmung zu steigern (vgl. Schöner 2004).
Das fünfte konstitutive Merkmal der Handelsmarke stellt die häufig gänzlich andere
Entstehungsgeschichte dar. Herstellermarken wachsen regelmäßig mehr oder wenig
beständig über Jahre, bis sie schließlich Verkehrsgeltung erlangt haben. Die meis-
ten Marktführer unter den Konsumgütermarken haben diese Position bereits seit Jahr-
zehnten inne (vgl. Jary et al. 1999, S. 32). Große Veränderungen der Absatzmengen und
Distributionsgrade sind eher die Ausnahme. Bei Handelsmarken können die Umsätze
hingegen durch zentral herbeigeführte Entscheidungen zum Teil drastisch schwanken.
Entscheidet sich eine Handelsunternehmung, die bisher unter der Marke X geführten
Produkte zukünftig unter der Marke Y zu führen, und ist zudem die Bindung des Kunden
an die jeweilige Marke gering, so können erhebliche Umsatzschwankungen beobachtet
werden. So beschloss bspw. die Rewe vor einigen Jahren, die gut im Markt eingeführten
Marke „Today“, „Erlenhof“ und „Salto“ aus dem Markt zu nehmen und die ent-
sprechenden Produkte künftig unter der einheitlichen Marke „Rewe“ zu führen.
172 5 Markenpolitik im Handel
Aus diesen Merkmalen der Handelsmarke ergeben sich zwei wesentliche Implika-
tionen für das Handelsmarkenmanagement. Einerseits ist die strategische Ausgangs-
position günstiger als bei einer Herstellermarke, da der Händler näher am Kunden ist
und zusätzliche Freiheitsgrade im Marketing hat. Absatzmittlerbezogene Maßnahmen
können weitgehend entfallen. Die Möglichkeit einer Konfrontation der Verbraucher mit
dem markierten Produkt, also der sogenannte Regalplatz, liegt in der Hand des Marken-
inhabers. Zudem trägt man kaum historische Altlasten mit sich herum.
Andererseits wird das Handelsmarkenmanagement durch ein Know-how- und
Commitment-Defizit im Bereich der Markenführung erschwert. Solange dieses nicht
behoben ist, stellt der hohe Freiheitsgrad eher eine Gefahr für den Aufbau von Marken-
vertrauen dar. Konkret besteht das Risiko, dass durch eine unüberlegte Erweiterung des
Markendaches das Profil der Handelsmarke verwässert wird oder die Handelsmarke
in Warengruppen eingeführt wird, in denen sie als inkompetent wahrgenommen wird
und eine hohe Schwankung der Distributionsdichte dazu führt, das bereits aufgebaute
Vertrauen leichtfertig zu vernichten. Demgegenüber ist bei einer großen Anzahl von
Handelsmarken die Markenführung sehr aufwendig, da nur sehr eingeschränkt Syn-
ergieeffekte entstehen. Schließlich ist die Identifikation der Mitarbeiter mit den Handels-
marken oftmals gering. Die interne Führung ist daher für den Erfolg einer Handelsmarke
von erheblicher Bedeutung (vgl. Kenning und Plassmann 2003, S. 11 f.). Marktprozesse,
die zu einer natürlichen Selektion führen und so eine normative Kraft entfalten, müssen
beim Handelsmarken-Management durch adäquate organisatorische Maßnahmen ersetzt
werden.
Das Phänomen der Handelsmarke ist keineswegs neu (vgl. Berentzen 2009, S. 35 f.;
Schenk 1997, S. 73 f.). Bereits 1869 bewarb die amerikanische Handelsunternehmung
The Great Atlantic & Pacific Tea Company ihre eigene Tee- und Kaffeehandelsmarke
in überregionalen Zeitungen (vgl. Dumke 1996, S. 33). Eine der bekanntesten Handels-
marken in Europa, die Handelsmarke St. Michael der britischen Handelsunternehmung
Marks & Spencer, hat ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert (vgl. Berentzen 2009, S. 35 f.).
Eine zentrale Ursache für das Entstehen von Handelsmarken bildeten in allen
handelsgeschichtlichen Entwicklungsphasen Lieferboykotte der Markenartikelindustrie
(vgl. Tietz 1993, S. 310; Lingenfelder und Dann 1997, S. 93). Um die durch diese Boy-
kotte entstandenen Sortimentslücken zu schließen, blieb dem Handel oft nur der Ausweg,
die entsprechenden Waren selbst zu produzieren oder herstellen zu lassen.
Wesentlich für die Handelsmarkenentwicklung in Deutschland sind zwei Einfluss-
faktoren: zum einen der Erfolg von Aldi (vgl. Tietz 1993, S. 310; Lingenfelder und Dann
1997, S. 93) und zum anderen die von Frankreich zu Beginn der 70er Jahre ausgehende
Handelsmarkeneuphorie. Im Zentrum dieser Euphorie stand die Idee, mittels sog. „No
Names“, die meist als Sortimentsmarken konzipiert waren, die Einkaufsstättenloyalität
5.2 Handelsmarken 173
1. Auf der ersten Entwicklungsstufe befinden sich die No Names (synonym „Gattungs-
marken“, „generics“). Dies sind Handelsmarken, mit denen in erster Linie Basis-
lebensmittel gekennzeichnet werden. Beispiele sind „Ja!“ (Rewe Group) und
„gut&günstig“ (Edeka). Bei der für die Produktion verwendeten Technologie handelt
es sich um Basistechnologien. Die Qualität der No Names liegt deutlich unter der der
Herstellermarke; die Profilierung erfolgt ausschließlich über den Preis. Angestrebtes
Ziel der Gattungsmarken ist es, die Verbraucher an die Einkaufsstätte zu binden.
Nur am Rande sei die Frage diskutiert, ob Gattungsmarken überhaupt als Mar-
ken bezeichnet werden können (vgl. Dreiss und Klaka 1995, S. 24 f.). Diese Frage
ist deswegen bedeutsam, weil es zahlreichen Gattungsmarken sowohl erheblich an
Unterscheidungskraft als auch an Selbstständigkeit mangelt und sie dadurch juristisch
Qualität Geringer als beim Wie Herstellermarken, Besser oder genauso gut
Herstellerprodukt z.T. Qualitätsgarantie des wie führende Marke
Handels
bisweilen nicht schutzfähig sind (vgl. Ahlert und Schröder 1996, S. 121). In den meis-
ten Fällen wird die Einzelfallprüfung zeigen müssen, ob ein tatsächlich nachweis-
bares, aktuelles Freihaltebedürfnis vorliegt und die Marke dadurch schutzwürdig ist
(vgl. Dreiss und Klaka 1995, S. 25). Betriebswirtschaftlich sind Gattungsmarken nur
dann als Marken zu betrachten, wenn sie in der Psyche der Konsumenten fest ver-
ankert sind. Ist dies nicht der Fall, sollte man eher von einem „Label“ sprechen (vgl.
Brandmeyer 1999, S. 90).
2. Die Handelsmarken der zweiten Generation – die klassischen Handelsmarken – die-
nen primär zur Kennzeichnung größerer Warenkategorien. Beispiele hierfür sind die
Handelsmarken „Rewe Beste Wahl“ der Rewe Group und „McNeal“ von Peek &
Cloppenburg. Technologisch sind die mit diesen Marken versehenen Produkte gegen-
über den marktführenden Markenartikeln leicht im Rückstand. Qualitativ befinden sie
sich im mittleren Bereich. Auch bei klassischen Handelsmarken bildet also der Preis
das kaufentscheidende Motiv. Die Produktgestaltung ist aber eigenständiger als bei
Gattungsmarken.
3. Die neueste Stufe der Handelsmarkenentwicklung bilden die Premium-
Handelsmarken.2 Sie zeichnen sich durch ihren segmentierenden Charakter aus
und haben neue Marktsegmente schaffen können. Ein bekanntes Beispiel für eine
Premium-Handelsmarke ist die Handelsmarke „Rewe Feine Welt oder Rewe Bio“, die
das Marktsegment der hochpreisigen Ökoprodukte im Lebensmittelbereich besetzen
konnte.
Der größte Vorteil der Premium-Handelsmarken ist, dass sie neben eigener Diffe-
renzierung einen Beitrag zur Profilierung der Einkaufsstätte und damit zur Kunden-
bindung liefern. Zentrale Probleme sind die Aufrechterhaltung der hohen Qualität und
das Risiko, dass Produktenttäuschungen direkt auf die Handelsorganisation zurück-
schlagen können (vgl. Konorbis 1995, S. 75).
Ein weiters Hemmnis für die Entwicklung von Premium-Handelsmarken sind
die zur Etablierung erforderlichen Investitionssummen, die oftmals zweistellige
Millionenbeträge erreichen. Verschärft wird dieses Investitionshemmnis durch den
§ 248 (2) HGB. Demnach besteht für „immaterielle Vermögensgegenstände des
Anlagevermögens, die nicht geltlich erworben wurden“, ein konkretes Bilanzierungs-
verbot. Investitionen in die Handelsmarke belasten somit unmittelbar den Jahres-
überschuss bzw. den Bilanzgewinn. Der renditeschwache Handel wird so davon
abgehalten, stärker in die eigenen Marken zu investieren. Bedenkt man zudem, dass
die Folgekosten für die Endverbraucherwerbung etwa zwischen 4 und 10 % vom
Endverbraucherpreis liegen, so wird deutlich, wie aufwendig die Etablierung einer
Premium-Handelsmarke ist (vgl. Müller-Hagedorn 1998, S. 439).
2Auch: „Gestaltmarken“, „segmentierende Marken“, vgl. Konorbis (1995, S. 75) sowie Dunne und
Narasimhan (1999, S. 95 f.).
5.3 Betriebstypenmarken 175
In der Realität lässt sich beobachten, dass die drei verschiedenen Handelsmarken-
generationen zur gleichen Zeit existieren. Nimmt man die preisliche Differenz zur
Herstellermarke als Kriterium für die Zuordnung verschiedener Handelsmarken zu einer
Stufe, so befindet sich der überwiegende Teil der Handelsmarken derzeit auf der zwei-
ten Entwicklungsstufe (vgl. Schwertfeger 2017; Zellekens und Horbert 1996, S. 20 ff.;
Dumke 1996, S. 49).
5.3 Betriebstypenmarken
Analog zur Diskussion der Begriffe „Betriebsform“ und „Betriebstyp“ (vgl. hierzu
Kap. 4) lassen sich in der Literatur ebenfalls erste Ansätze einer neuerlichen „Sprach-
verwirrung“ erkennen. So werden recht unterschiedliche Begrifflichkeiten wie „Store
Brand“, „Retail Brands“ „Einzelhandelsmarke“ und „Händlermarke“ verwendet, die
wohl nur bedingt geeignet sind, das eigentliche Phänomen zu fassen. So ist beispiels-
weise der Begriff der „Händlermarke“ so weit interpretierbar, dass eine Abgrenzung
zum Handelsmarkenbegriff kaum mehr möglich ist. Die alternativ verwendeten Begriffe
„Retail Brand“ sowie „Einzelhandelsmarke“ erscheinen hingehen zu eng, da sie nur auf
die Markenführung im Einzelhandel abstellen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es zweckmäßig einen tragfähigeren Begriff zu
verwenden. Da es letztlich bei dem zu definierenden Phänomen um die Markierung
von Betriebstypen geht, erscheint der Begriff „Betriebstypenmarke“ vorteilhaft: Er
kann unabhängig von der Wirtschaftsstufe genutzt werden und erlaubt darüber hin-
aus eine eindeutige Abgrenzung zu anderen Markenbegriffen. Dabei soll unter einer
Betriebstypenmarke eine Marke verstanden werden, die sich im rechtlichen Eigentum
einer Handelsunternehmung befindet und mit der die jeweilige Handelsunternehmung
176 5 Markenpolitik im Handel
ihre Betriebstypen zum Zwecke der Differenzierung kennzeichnet (vgl. hierzu auch
Ailawadi und Keller 2004, S. 332). Analog zu den Ausführungen in Kap. 4 bezeichnet
der Begriff „Betriebstyp“ die konkrete, unternehmensindividuelle Zusammenfassung von
Betreibungskonzepten. Entsprechende Beispiele für Betriebstypenmarken sind Real als
Marke für die SB-Warenhäuser der Metro ag sowie Netto für die Discounter der
Edeka-Gruppe.
Eine wesentliche Zielkategorie des Betriebstypenmarkenmanagements stellt das
öffentliche Vertrauen dar. Dieses Vertrauen kann die vom Kunden wahrgenommene
Komplexität der Einkaufsstättenwahl reduzieren (vgl. Bauer et al. 2005, S. 103 ff.).
Betriebstypenmarken bieten dem Kunden damit einen über die reine Orientierungs-
funktion hinausgehenden Nutzen (vgl. Kenning et al. 2011). Gelingt die Markenbildung,
ist der Kunde geneigt, einen vertrauensvollen Händler selbst dann einem anderem vor-
zuziehen, wenn dieser einen höheren Preis als der andere, weniger vertrauenswürdige
Händler verlangt. Zudem kann ein Vertrauensverlust im Extremfall dazu führen, dass
trotz erheblicher Preisnachlässe keine Kunden gewonnen werden, wie dies bspw. beim
BSE-Skandal im Jahre 2001 deutlich wurde.
Man nimmt an, dass starke Betriebstypenmarken aufgrund einer „Vertrauensprämie“
über ein erheblich höheres akquisitorisches Potenzial verfügen und daher in der Regel
renditestark sind. Empirische Ergebnisse zur Höhe dieser Vertrauensprämie liegen für
Betriebstypenmarken nicht vor; bei Konsumgütern schätzt man das Preispremium starker
Marken aber auf 15–40 % (vgl. Eggert 1999, S. 55; Koch 5. Juli 1999, S. 20; Plassmann
und Steffen 2004, S. 414 ff.).
Betriebstypenmarke
Beispiel: Aldi
2001, S. 2 ff.; Barth et al. 2015, S. 92). Konstitutives Merkmal der Betriebstypenmarke
ist damit, dass die markierte Leistung einerseits intangibel ist: Der Verbraucher kann
diese Leistung, z. B. den gebotenen Service, nicht anfassen. Andererseits ist aber auch
ein großer Teil der mit der Betriebstypenmarke gekennzeichneten Leistung, nämlich das
Sortiment, tangibel. Die Betriebstypenmarke des Handels ist daher hinsichtlich der Tan-
gibilität der markierten Leistung zwischen der Dienstleistungsmarke und dem Marken-
artikel angesiedelt und kann unterschiedlich hohe Sach- und Dienstleistungsanteile
aufweisen (vgl. Abb. 5.6).
Anders als die Handelsmarke muss die Betriebstypenmarke daher nicht nur hinsicht-
lich der Produktqualität kompetent sein, um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.
Auch die kompetente Beratung und die Sortimentskompetenz können den Prozess der
Vertrauensbildung beeinflussen. Tab. 5.1 gibt einen Überblick über mögliche Kompetenz-
dimensionen der Betriebstypenmarke und Maßnahmen, mit denen die vom Kunden wahr-
genommene Kompetenz erhöht werden kann (vgl. hierzu vertiefend Salfeld 2003).
Eine zweite Besonderheit der Betriebstypenmarke betrifft die Vielzahl ihrer Attribute
und die damit verbundenen Schwierigkeiten für das Markenmanagement. Während z. B.
ein Marsriegel aus 16 Zutaten, einigen Geschmackscharakteristika, Verpackung und
Werbeleitmotiven besteht, die auf einer Seite zusammengefasst werden können, besteht
dagegen die Marke eines Lebensmittelhändlers aus Millionen Attributen, einer Kombi-
nation aus zehntausenden von Artikeln („Ware“) und Mitarbeitern („Menschen“) sowie
hunderten von Filialen („Raum“) (vgl. Jary et al. 1999, S. 51 ff.).
Die Kundenerfahrung mit einer solchen Betriebstypenmarke ergibt sich aus der Kom-
bination all dieser Attribute. Zusätzlich verändern sich häufig auch noch 10–20 % der
Artikel und des Personals innerhalb von nur einem Jahr. In modeabhängigen Branchen
100% 100%
Dienstleistung
Sachleistung
0% 0%
ändern sich sogar ganze Sortimente mehrmals im Jahr. Markenstrategien dürfen auf-
grund ihrer Komplexität nicht nur dokumentiert, sondern müssen in mühevoller Detail-
arbeit vor Ort umgesetzt werden. Dazu müssen sie insbesondere vom Top-Management
vorgelebt werden, wie die Beispiele Ikea, h&m und Aldi zeigen.
(vgl. Plassmann und Steffen 2004, S. 419). Voraussetzung für etwaige Mehrerlöse ist
jedoch, dass die Marke dem Kunden einen wahrnehmbaren und relevanten Nutzen
stiftet. Mit der Frage nach dem Markennutzen ist die Frage verbunden, welche Auf-
gabe die Betriebstypenmarke im Rahmen der Kaufentscheidung erfüllt. Um diese Frage
zu beantworten, soll die Kaufentscheidung des Konsumenten zunächst in vier ver-
schiedene Teilentscheidungen unterteilt werden (vgl. Ahlert 1996, S. 72 ff.).
Einkaufsstätten-
Produktartenwahl Markenwahl
wahl
Situative Faktoren;
Erwartungen über
zukünftige Ände- Wahl von Kaufzeitpunkt
rungen der Ange- und
botsleistungen Kaufmenge
Kaufabsicht
Abb. 5.7 Das System der Kauffaktoren und die Teilentscheidungen der Kaufhandlung. (Quelle:
In Anlehnung an Ahlert 1996, S. 76)
182 5 Markenpolitik im Handel
Produktart ein irgendwie begründetes Bedürfnis empfinden. Für den Erwerb und die Ver-
wendung der fraglichen Produktart muss dieser zudem bestimmte rechtliche, wirtschaft-
liche, zeitliche und technische Voraussetzungen erfüllen (z. B. ausreichende finanzielle
Mittel, genügend Zeit für den Kauf).
Der Verbraucher muss darüber hinaus gegenüber einer bekannten Einkaufsstätte eine
positive Einstellung aufweisen. Diese sollte bei mehreren zur Auswahl stehenden Alter-
nativen besser sein, als die gegenüber konkurrierenden Einkaufsstätten. An dieser Stelle
setzt die komplexitätsreduzierende Wirkung der Betriebstypenmarke an.
Eine US-Untersuchung ergab vor einigen Jahren, dass die Markenwahl gegenüber der
Einkaufsstättenwahl bei den Verbrauchern deutlich an Priorität verloren hat (vgl. Jary
et al. 1999, S. 166). Auch heute noch lässt sich nicht nachweisen, dass die Markenwahl
der Verbraucher generell vor der Einkaufsstättenwahl erfolgt. Insbesondere bei Conve-
nience- und Shopping-Goods scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Die Betriebs-
typenmarke kann daher auch einen Einfluss auf die Entscheidung über die zu kaufende
Produktart und Produktmarke haben.
Zwischen den Kauffaktoren bestehen also enge Interdependenzen, die bei der Ana-
lyse ihrer Auswirkungen auf die verschiedenen Dimensionen des Verbraucherverhaltens
sowie der Wechselwirkungen zwischen den Teilentscheidungen der Kaufhandlungen zu
berücksichtigen sind. So weisen z. B. Grewal et al. einen Zusammenhang zwischen
dem Image der innerhalb einer Einkaufsstätte angebotenen Markenartikel und dem
Image der Einkaufsstätte empirisch nach (vgl. Grewal et al. 1998, S. 331 ff.).
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die Betriebstypenmarke dem Kun-
den eine Hilfe bei der Einkaufsstättenwahlentscheidung bietet. Die Markierung des
jeweiligen Betriebstyps ermöglicht es dem Kunden, bestimmte Leistungen mit einer
bestimmten Einkaufsstätte, die ihm im Einzelfall nicht bekannt sein muss, zu verbinden.
Die Betriebstypenmarke erlaubt ihm damit die Extrapolation vergangener Erfahrungen
auf zukünftige Kaufentscheidungen und kann somit dazu beitragen, dass Präferenzen
gegenüber einer bestimmten Einkaufsstätte entstehen, die dann wiederum die Teilent-
scheidungen über die Produktart und Produktmarke beeinflussen können. Konsumenten
entwickeln Betriebstypenmarkentreue gegenüber bestimmten Einkaufsstätten (vgl. Gro-
ße-Bölting 2005 sowie Plassmann et al. 2007). Die damit verbundenen Präferenzen
des Kunden bei der Einkaufsstättenwahl ermöglichen dem Handelsmanagement neben
dem akquisitorischen Potenzial hinsichtlich Menge und Preis, Kosten z. B. für kommu-
nikative Maßnahmen einzusparen. Insofern kann der Aufbau einer Betriebstypenmarke
betriebswirtschaftlich sinnvoll sein.
5.4 Netzmarken
Entwicklung zur Netzwerkbildung erkennbar (vgl. Ahlert und Evanschitzky 2003; Back-
haus 2009; Borchert 2001; Gnoth 2002; Heußler 2011; Evanschitzky 2003; Michae-
lis 2009). In diesem Buch wurde jedoch bisher die Perspektive der idealtypischen
Handelsunternehmung eingenommen, die als Einzelfirma oder als Konzern mit mehre-
ren Tochterfirmen oder als gewerbliche Verbundgruppe mit mehreren Mitgliedsunter-
nehmungen am Markt operiert. Diese Beschränkung soll nun aufgehoben und um den
Aspekt der Wertschöpfungsstufen übergreifenden Kooperation ergänzt werden. Hierzu
soll zunächst die grundlegende Konzeption so genannter „Distributionsnetze“ entwickelt
werden. Unter Netzwerken werden dabei Systeme des gegenseitigen Leistungsaus-
tausches definiert, die nach verschiedenen Kriterien, z. B. der Architektur oder der Rezi-
prozität, definiert werden können.
Das Ziel der Markenführung – die Schaffung von Vertrauen – bekommt im Rahmen
der Netzmarkenführung eine doppelte Bedeutung. Zum einen gilt es, ähnlich wie bei den
Handels- und Betriebstypenmarken, externes Vertrauen (primär beim Kunden) aufzu-
bauen und zu erhalten (vgl. z. B. Bauer et al. 2005, S. 407 ff.). Zum anderen aber, und
hier liegt ein erstes Spezifikum der Netzmarkenführung, muss internes Vertrauen bei
den Netzwerkpartnern aufgebaut und gepflegt werden. Ein Instrument des internen Ver-
trauensmanagements kann z. B. die Relationship-Management Balanced Scorecard dar-
stellen (vgl. hierzu grundlegend Zelewski et al. 2005).
ein ganzes Netz von rechtlich unabhängigen Akteuren dar, die wirtschaftlich aber mit-
einander mehr oder weniger eng verflochten sind. Im Folgenden sollen die möglichen
Ausprägungen von Distributionsnetzwerken kurz skizziert werden.
Eine entscheidende Frage bei der Konfiguration von Distributionsnetzen ist, wer die
Koordinationsaufgaben und damit die Funktion des Systemkopfes im Distributionsnetz
übernimmt. Dieses Merkmal ist daher besonders gut zur Unterscheidung von Netzen
geeignet. Es bieten sich die folgenden Möglichkeiten an (vgl. Abb. 5.8):
Grundsätzlich ist es denkbar, dass der Privathaushalt (1) selbst die Koordination
realisiert, indem er von den differenten Leistungsanbietern der Primärstufe die Einzel-
leistungen erwirbt und zu einem für ihn geeigneten Problemlösungskomplex verknüpft.
Ein Beispiel hierfür wäre ein privater Bauherr. Um die damit verbundenen hohen Such-,
Vertrags-, Koordinations- und Kontrollkosten (die sog. Transaktionskosten) zu ver-
mindern, könnte er spezialisierte Konsumberater (2), z. B. bei Einrichtungs- oder Bau-
vorhaben Architekten, mit dieser Aufgabe betrauen. Damit kann das Problem nur
teilweise gelöst werden: Die „Bauherrenfunktion“ bzw. das Qualitätsrisiko verbleiben
beim Konsumenten. Im Investitionsgütermarkt ist es gut vorstellbar, dass das komplette
Koordinations-Dienstleister (z.B.
12
Broker)
Systemkopf
Sekundär-Stufe
4 5
Industrie 14 Impor -
Hersteller 11
teur Distributions-
8 10
Dienstleister
System - Franchise - Groß - Konzern- Gruppen-
Zentrale Geber Handel 9 Zentrale Zentrale
7
13
Versand/
V EC
Primär-Stufe
e- commerce
Dienstleistung/ DL HW DL 6 FN HW FN DL
Handwerk
2
3 1 Konsumberater
Bindungsgrad
Hierarchie B C
DISTRIBUTIONSNETZE
2 3
Kooperation
1 4
A D
Markt
Autonomiegrad
hoch mittel niedrig
Der Autonomiegrad beschreibt die Freiheitsgrade, über welche die Akteure in dem
abgestimmten Aktivitätsbereich verfügen.
Die Distributionsnetze decken den Raum der Koordinationsmethoden mit dem in der
Abbildung eingezeichneten Rechteck ab. Außerhalb dieses Bereiches liegen die Fälle
der rein marktlichen Koordination (A), der hierarchischen Systeme (Unternehmung,
Konzern) mit zentralistischer Führungsorganisation (C) und solche mit dezentraler
Führungsorganisation (B) und schließlich die in Ad-hoc-Koalitionen kurzfristig, dann
aber mit hohem Commitment zusammenarbeitenden Unternehmungen (D). Innerhalb
des Rechteckes lassen sich die Distributionsnetze, deren gemeinsames Merkmal auf
jeden Fall die Steuerung durch einen Systemkopf ist, in vier Felder einteilen:
Feld (1) umfasst die Distributionsnetze mit dem geringsten Intensitätsgrad der durch
eine zentrale Instanz gesteuerten Verhaltensabstimmung. Hier könnten Efficient Con-
sumer Response-Partnerschaften zwischen Industrie und Handel eingeordnet werden –
von diesen allerdings nur solche, die über einen Systemkopf verfügen. Zu denken ist an
ECR-Partnerschaften, in denen die Beteiligten einer Führungsinstanz, z. B. einem Cate-
gory Management-Team, die Kompetenzen der Willensdurchsetzung übertragen (vgl.
näheres dazu bei Ahlert und Borchert 2000).
Feld (3) umfasst die sog. vertikal integrierten Distributionsnetze. Hier ist zwi-
schen den Fällen der Rückwärtsintegration des Handels in die Produktionsstufe, der
5.4 Netzmarken 187
Andere Firmen
im Netzwerk
Entwickler
Produzent A
Zulieferer
1 Kunde erteilt
Auftrag
Dienstleister
virtuelle
Fabrik löst
3
sich wieder
auf
mit der Digitalisierung of thematisierten „Plattformen“ wie bspw. Amazon wären eben-
falls hier anzusiedeln.
Sofern mehrere Unternehmungen auf diese Weise zusammenarbeiten, gegenüber
Dritten jedoch auftreten, als wären sie eine einzige Unternehmung, wird neuerdings
auch von der virtuellen Unternehmung gesprochen. Bei wechselnden Partnern hat die-
ses Gebilde dann auch auf Dauer Bestand und kann seine Leistungen markieren (Netz-
geführte Marke). Dieser Typ virtueller Distributionsnetze ist wiederum eher in der Nähe
des Feldes (3) anzusiedeln.
Virtuellen Netzen bzw. Unternehmungen ist gemeinsam, dass jeder Akteur nur die
Aufgaben übernimmt, die er am besten beherrscht bzw. zu deren Erfüllung er gerade
Kapazitäten frei hat. Konzentration auf die Kernkompetenzen des einzelnen Partners,
Verteilung der Risiken auf viele Schultern und Aufweichung aller Grenzen innerhalb der
einzelnen Unternehmung, aber auch über die Wirtschaftsstufen hinweg, sind die wesent-
lichen Merkmale dieser Distributionsnetze.
Sieht man von den letztgenannten virtuellen Netzen bzw. Unternehmungen ab,
sind Distributionsnetze keineswegs eine neue Erscheinung. Vertragliche Vertriebs-
systeme zwischen Industrie und Handel gibt es schon seit vielen Jahren (vgl. Ahlert
1981). Abb. 5.11 zeigt, dass auch diese Klassiker in den hier präsentierten Raum der
Koordinationsmethoden eingeordnet werden können.
Bindungsgrad
Hierarchie
Franchisesysteme
Vertragshändlersysteme
Kooperation
Alleinvertriebssysteme
Vertriebsbindungssysteme
Einzelbindungen
Partnerschaftsabkommen
strategische Clubs
Schon in der klassischen Form der Konsumgüterdistribution stellt sich, wie wir gesehen
haben, das Markenmanagement des Handels als ein komplexes Aufgabenspektrum dar.
Zu erinnern ist noch einmal an die Koordinationsprobleme, die im Betriebstypenmarken-
portfolio dann auftreten, wenn in einer Handelsunternehmung bzw. einem Handels-
system verschiedene Tochterfirmen oder mehrere Vertriebslinien unter differenten
Marken auftreten.
Mit der Behandlung des Handelsmarkenmanagements sind wir dann in eine zweite
Komplexitätsstufe eingetreten. Denn der Aufbau einer Handelsmarke kann bereits als ein
erster Schritt zur Überwindung der klassischen Arbeitsteilungsstrukturen in der Konsum-
güterwirtschaft interpretiert werden. Eine rein marktliche Koordination zwischen
Handels- und Herstellerstufe ist hier nicht mehr gegeben: Der Händler übernimmt –
zumindest in den Augen der Verbraucher – die Verantwortung für die Erzeugung und
Qualitätssicherung der von ihm markierten Produkte, und es bedarf einer vertraglichen
Regelung des Beziehungsfeldes zur Industrie.
Schon seit einigen Jahren zeichnet sich nun aber ein radikaler Umbruch in den Dis-
tributionsstrukturen ab, der gegenwärtig durch das Electronic Shopping (E-Commerce)
noch dramatisch beschleunigt wird: Die Vertikalisierung der Distribution über die
Primär- und Sekundärstufe hinweg sowie die Herausbildung virtueller Unternehmungen
und systemkopfgesteuerter Unternehmungsnetze lassen die traditionellen Grenzen zwi-
schen Produktion und Handel verschwimmen. Längst werden Produktions-, Handels-,
Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe, aber auch die Leistungen der sogenannten Dis-
tributionsdienstleister (Berater, Agenturen, Logistik-, Finanzdienstleister, etc.) in die Netz-
werke integriert, um dem Verbraucher ganzheitliche Lösungen ihrer zunehmend komplexer
werdenden Konsumprobleme aus einer Hand anbieten zu können. Seit einigen Jahren wird
in diesem Zusammenhang auch von Solution Selling gesprochen (vgl. Kawohl 2010).
Wenn sich die Grenzen zwischen Produktion und Handel auflösen, wenn hinter den
komplexen Angebotsleistungen vertikalisierte, virtuelle, kooperative Unternehmungs-
netze mit innovativen Systemstrukturen und Wertschöpfungsprozessen stehen, dann
erlangt das Markenmanagement den höchsten Komplexitätsgrad. Es stellen sich die
Fragen, ob und wie die Angebotskomplexe markiert werden sollen und wie die marken-
politischen Kompetenzen im Netzwerk zu verteilen sind. Das Abstimmungsproblem im
Markenportfolio gewinnt somit eine neue, interne Dimension (vgl. dazu ausführlicher
Ahlert und Ahlert 2010).
Von zentraler Bedeutung ist dabei, die zahlreichen, oft kurzfristigen Partikular-
interessen mit dem Anspruch der Kunden auf eine kontinuierliche Markenführung in
Einklang zu bringen. Darüber hinaus stellt sich dem Marketingmanagement die Frage,
wer die für die Markenentstehung wichtigen Innovationen ins Netzwerk einbringt.
Zudem ist fraglich, welche Partner in das Netzwerk aufgenommen werden sollen und
wie diese gewonnen werden können. Wie wichtig dieser Punkt ist, belegt u. a. die Stu-
die von Bauer et al., die am Beispiel eines Onlineshops zeigt, welche positive Wirkung
190 5 Markenpolitik im Handel
die Wahl eines starken Netzwerkpartners auf das (Marken-) Vertrauen, die Einstellung
zum Produkt und die Kaufabsicht haben kann (vgl. Bauer et al. 2005, S. 419). Letztlich
ergeben sich damit strukturell ähnliche Probleme, wie sie aus der Kooperationstheorie
hinlänglich bekannt sind. Neu darin ist jedoch, dass ihre Lösung vor dem Hintergrund
der dargestellten Markenproblematik erfolgen muss.
Kontrollfragen
1. Skizzieren Sie die einzelnen Aufgabenbereiche des Markenmanagements im Handel.
2. Welche Bereiche umfasst das Marken-Portfolio-Management?
3. Definieren Sie den Handelsmarkenbegriff.
4. Nennen Sie in diesem Zusammenhang die wichtigsten Funktionen von Handels-
marken.
5. Nach welchen Kriterien lassen sich Handelsmarken klassifizieren? Geben Sie
jeweils ein Beispiel.
6. Arbeiten Sie die fünf konstitutiven Merkmale einer Handelsmarke heraus.
7. Welche Gründe gibt es für die zunehmende Bedeutung von Betriebstypenmarken
speziell im deutschen Konsumgüterhandel?
8. Systematisieren Sie die Betriebstypenmarken anhand von geeigneten Kriterien.
9. Schildern Sie in eignen Worten, welche Rolle die Betriebstypenmarke bei der Kauf-
entscheidung der Konsumenten einnimmt.
10. Skizzieren Sie die grundlegende Konzeption von Distributionsnetzwerken. Erklären
Sie anschließend die Rolle des Systemkopfs.
11. Die traditionellen Grenzen zwischen Produktion und Handel verschwimmen
zunehmend. Welche Gründe führen zu dieser Entwicklung?
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Die Standortpolitik
6
Als Standort einer Handelsunternehmung ist jener geographische Ort anzusehen, an dem
die Unternehmung zum Zweck der Erreichung ihrer Ziele Produktionsfaktoren kombi-
niert (vgl. für viele: Tietz 1993, S. 200; Müller-Hagedorn und Natter 2011, S. 163 f.;
Schröder 2012, S. 57 ff.).
Der Begriff Standortpolitik umfasst demzufolge sämtliche Entscheidungen und Maßnah-
men des Handelsmanagements, die hinsichtlich des Standorts eines Handelsunternehmens
getroffen werden. Tab. 6.1. gibt einen Überblick über die typischen Geschäftslagen von
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 195
D. Ahlert et al., Handelsmarketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55241-0_6
196 6 Die Standortpolitik
Im Vergleich zur Industrie ist die Standortpolitik des stationären Einzelhandels durch die
folgenden Besonderheiten gekennzeichnet (vgl. auch Müller-Hagedorn und Natter 2011,
S. 161 f.):
• Der Standort legt das Marktsegment einer Einkaufsstätte in räumlicher Hinsicht fest,
während ein Industrieunternehmen seine Abnehmer relativ frei vom Produktions-
standort wählen kann.
• Der Standort bestimmt die relevanten Wettbewerber einer Einkaufsstätte.
• Weitere strukturelle Entscheidungen werden durch die Wahl des Standortes beeinflusst.
So beeinflusst zum Beispiel die Wahl für einen bestimmten Standort aus logistischen
Gründen oft auch die Entscheidung für weitere Standorte. Bruno Tietz (vgl. Tietz
6.2 Charakteristika und Entscheidungsbereiche der Standortpolitik im Überblick 197
der Agglomeration zu beachten, dass ein gewisses Maß an Konkurrenz die Attraktivität
eines Standorts erhöhen kann.
Die Wünsche seiner Kunden sollte der Einzelhandel bei allen standortpolitischen
Entscheidungen vorrangig berücksichtigen. Die Kunden erwarten eine ausreichende
Versorgung mit Gütern, Vergleichsmöglichkeiten innerhalb einer Einkaufsstätte sowie
zwischen verschiedenen Einkaufsstätten und gut erreichbare Einkaufsstätten in geringer
Entfernung von ihrem Wohnort und/oder ihrem Arbeitsplatz.
Als Entscheidungsbereiche der Standortpolitik des Einzelhandels lassen sich die
Standortwahl, die Standortkontrolle sowie die Standortgestaltung unterscheiden. Diese
Bereiche sollen im Folgenden ausführlicher erörtert werden.
Die Standortwahl befasst sich mit der Auswahl der geographischen Orte, an denen der
Kombinationsprozess vorgenommen werden soll (nicht nur Verkaufsraum, sondern
Geschäftsfläche). Gebundene Standortwahl bedeutet, dass bestimmte strategische Ent-
scheidungen über die Merkmale einer Einkaufsstätte bereits getroffen sind, bevor die
Standortwahl erfolgt (Branche, Genre, Betriebsgröße, etc.). Ist dies hingegen nicht der
Fall, spricht man von einer ungebundenen Standortwahl.
Grundsätzlich lässt sich die Standortwahl in die Phasen der Suche nach Makro- und
Mikro-Standorten sowie deren Bewertung und Auswahl einteilen. Der Standortwahl
kommt im stationären Einzelhandel insofern eine besondere Bedeutung zu, als dass sie
relativ langfristige Wirkungen auslöst (Investitionsproblem).
Hinsichtlich der Träger der Standortwahl lassen sich drei Gruppen unterscheiden:
Mit dem Begriff des Standortfaktors werden die erfolgsbestimmenden Merkmale von
Makro- und Mikro-Standorten beschrieben. Welches diese im Einzelnen sind und welche
Bedeutung ihnen beigemessen wird, hängt im Wesentlichen von den Zielsetzungen der
standortsuchenden Unternehmung ab.
Liegt beispielsweise das Ziel einer standortsuchenden Handelsunternehmung darin,
den Kapitalwert einer Einkaufsstätte an einem bestimmten Standort zu maximieren, so
lassen sich die standortbezogenen Determinanten der Ein- und Auszahlungen als Stand-
ortfaktoren bezeichnen. Keine Standortfaktoren sind sog. betriebsindividuelle Ubiqui-
täten, das heißt Gegebenheiten, die an allen zu berücksichtigenden Orten in gleicher
oder zumindest ähnlicher Ausprägung vorhanden sind. Die im Rahmen der Standortwahl
einer Handelsunternehmung (stationärer Einzelhandel) bestehenden Alternativen werden
auf der Basis von Standortfaktoren-Katalogen bewertet. Einen Überblick über denkbare
Standortfaktoren gibt die Tab. 6.2. Beispielsweise lassen sich demografische Faktoren
in drei Untergruppen unterteilen: Bevölkerungsbestand und Verteilung, Bevölkerungs-
struktur sowie die Erwerbs- und Sozialstruktur. Jede Untergruppe wird wiederum von
verschiedenen Faktoren determiniert. Der Bevölkerungsbestand und die Verteilung
werden u. a. durch die Gesamteinwohnerzahl und die Bevölkerungsdichte beeinflusst.
Tab. 6.2 (Fortsetzung)
Faktorengruppe Untergruppe Faktor
Konkurrenzverhält- Konkurrenz- Anzahl der Betriebe, Größe der Betriebe,
nisse bestand und Distributionsform, Rechtsform, Umsatz,
-formen Filialbetriebe, Einkaufsgenossenschaften, freiwillige
Ketten
Konkurrenz- Fachkonkurrenz (gleiche Güter), Funktions-
wirkung in Bezug konkurrenz (ergänzendes Sortiment),
auf die Sorti- Kaufkraftkonkurrenz (Substitutionsgüter)
mentsstruktur
Räumliche Kundennähe, Lage in Bezug auf ‚Passantenmagnete‘
Präferenzen
Sachliche Preisvorteile, Qualitätsvorteile, größere Auswahl,
Präferenzen besseres Image, besserer Kundendienst
Objektbewertung Bewertung des Größe des Objektes (Verkaufsfläche), Gestaltung der
Lokals Ladenfront, Ausbaumöglichkeiten, Zufahrtsmöglich-
keiten (Wirtschaftsverkehr), Lagerräume
Bewertung des Wert und Zusammensetzung der Nachbargeschäfte,
Platzes Passantenmagnete, Lage innerhalb des Verkehrs-
netzes, Parkplatzangebot
Standortabhängige Beschaffung und Zulieferungskosten, Transportkosten (Außenlager
Kosten Vertrieb – Stammhaus), Hauszustellungskosten, Kosten für
Fuhr- und Wagenpark
Gebäude und Grundstück- und Gebäudekosten, Miete und Pacht,
Unterhalt Einrichtungskosten, Reparaturen und Unterhalt,
Energiekosten
Verkauf und Personalkosten, Steuern und Abgaben,
Diverse Beteiligung an Gemeinschaftsaktionen
(z. B. Parkhäuser)
Störfaktoren Gesetzliche Ladenöffnungszeiten, baupolizeiliche Vorschriften,
Bestimmungen sonstige Einschränkungen
Immissionen Klimatische und topografische Nachteile, Lärm-,
Rauch- und Geruchsentwicklung benachbarter
Objekte
Da die Suche einer Handelsunternehmung nach geeigneten Standorten nicht selten mit
erheblichen Aufwendungen verbunden ist (Kontaktieren von Maklern, Schaltung von
Zeitungsannoncen, Online-Inserate, Stadtbesichtigungen, Verhandlung mit der Stadt-
verwaltung, Studium von Bebauungsplänen, Durchführung von Investitionsrechnungen,
etc.), sollte das Suchgebiet konkreter Standortalternativen möglichst vorstrukturiert wer-
den. Die interlokale Wahl des Standortsuchgebietes wird dabei als Makro-Standortwahl
bezeichnet. Im Unterschied dazu beinhaltet die Mikro-Standortwahl die Festlegung des
lokalen Standortes innerhalb des Suchgebietes.
In vielen Fällen steht jedoch das Standortsuchgebiet für eine Einkaufsstätte schon
unumstößlich fest. Gründe hierfür können beispielsweise in örtlichen Präferenzen des
Einzelhändlers, im Angebot eines Standortes (Mietlokal) oder in begrenzten Standort-
alternativen liegen.
Zur Ermittlung der zu erwartenden Kosten des Standortes können einerseits Vergleichs-
zahlen hinsichtlich Grundstücks- und Mietkosten über Maklerverbände bezogen sowie
andererseits Energiepreise bei Versorgungsunternehmen erfragt werden. Auskünfte in
Bezug auf die zu erwartende steuerliche Belastung an dem entsprechenden Standort kön-
nen bei den Gebietskörperschaften eingeholt werden.
Die zu erwartenden Erträge hängen in hohem Maße von den sozio-demografischen
Bedingungen des Standortes ab. Informationen hierüber können das Statistische Bundes-
amt sowie die entsprechenden Industrie- und Handelskammern geben (vgl. Abb. 6.1).
Weitere Informationen wie z. B. Kaufkraftkennziffern und Altersstrukturen sind bei den
6.3 Die Standortwahl
203
Abb. 6.1 Zentralitätskoeffizient für die Stadt Düsseldorf. (Quelle: Michael Bauer Research GmbH; Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf)
204 6 Die Standortpolitik
verwendet.
Ein Beispiel für den Einsatz von Punktbewertungsverfahren in der Standortwahl zeigt
Tab. 6.3.
Eine rein mathematische Lösung des Standortwahlproblems ist nicht möglich, da der
funktionale Zusammenhang zwischen den Standortfaktoren sowie den Ein- und den Aus-
zahlungen aus Komplexitätsgründen kaum bestimmt werden kann. Daher kommen in der
Regel heuristische Verfahren der Punktbewertung zum Einsatz. Die potenziellen Stand-
orte werden im Hinblick auf die wesentlichen Standortfaktoren auf der Grundlage von
Skalen beurteilt. Dabei sollten auch sogenannte „K.O.-Faktoren“ berücksichtigt werden,
deren Nicht-Vorhandensein zur Entscheidung gegen einen konkreten Standort führen
kann.
Der zentrale Vorteil der differenzierten Methodik ist, dass die Entscheidungsträger
dazu gezwungen werden, über einen ganzen Katalog von Standortfaktoren nachzu-
denken. Damit kommt es zu einer Quasi-Objektivierung der Standortentscheidung.
Demgegenüber lassen sich aber auch diverse Nachteile des Punktbewertungsverfahrens
erkennen. Konkret sind dies die Unvollständigkeit des Kataloges von Standortfaktoren,
die Abhängigkeit der Standortfaktoren voneinander, die Möglichkeit eines skalen-
bedingten Informationsverlustes, Messprobleme bei qualitativen Größen, Subjektivismen
bei der Bestimmung von Gewichtungen, der statische Charakter der Methode sowie der
hohe Abstraktionsgrad bei der Bestimmung des Einzugsgebietes.
6.3 Die Standortwahl 205
1. Wie hoch ist die Zahl und wie ist die Art der von einer Einkaufsstätte bzw. vom
Standortsuchgebiet aus mit einer bestimmten Güterart versorgten Personen, das heißt,
wie ist das Einzugsgebiet der Standortalternative beschaffen?
206 6 Die Standortpolitik
Festgelegte Kaufkraft
(z.B. Steuern, Sozialabgaben,
Mieten, Altersversorgung,
Versicherungen)
Einkommen
Sonstige
Konsumausgaben
(Gastronomie,
Nicht einzel-
Tourismus etc.)
handelsrelevante
Verfügbare Kaufkraft
Vermögens- Kaufkraft
verzehr
Sparen
Einzel-
handelsrelevante
Konsumenten- Kaufkraft Konsumausgaben
kredit im
Einzelhandel
2. Wie groß ist die einzelhandelsrelevante Kaufkraft der versorgten Personen, die in orts-
und güter- bzw. betriebsformen- oder unternehmensspezifische Beträge aufgegliedert
werden kann (vgl. Abb. 6.2)?
3. Wie hoch ist das Leistungsvermögen konkurrierender, bereits am Makro- bzw.
Mikro-Standort ansässiger Einkaufsstätten in Bezug auf die infrage stehenden Güter-
kategorien?
Güter des
Güter des
gehobenen
täglichen
Mittelzentrum Bedarfs
periodischen
Bedarfs
(z.B. Lebensmittel)
(z.B. Bekleidung)
Güter des
täglichen
Unterzentrum Bedarfs
(z.B. Lebensmittel)
Durch die Einordnung realer Orte in den Landesentwicklungsplan als Ober-, Mittel-
oder Unterzentrum soll eine ausgewogene Versorgung der Bevölkerung sowohl mit öffent-
lichen als auch privaten Leistungen erreicht werden. Diese Einordnung erfolgt aufgrund
der Größe (Einwohnerzahl) sowie der bisherigen Bedeutung der jeweiligen Gemeinden
für das Umland. Dieses Modell dient in erster Linie als Leitbild für eine an einer aus-
gewogenen Versorgung der Bevölkerung orientierten Raumplanung. Da es jedoch impli-
zit auch Kaufkraft- und Mobilitätsüberlegungen berücksichtigt, eignet es sich auch zur
Festlegung von Standortsuchgebieten (im Rahmen der einzelbetriebswirtschaftlichen
Standortpolitik ist es zwar nicht zwingend erforderlich, sich an raumwirtschaftlichen Leit-
bildern zu orientieren. Die Beantragung von Baugenehmigungen kann allerdings proble-
matisch werden). In Abb. 6.3 wird die Versorgungsfunktion der Zentrentypen für einzelne
Güterkategorien dargestellt.
Der Zentrentyp und damit die Größe einer Gemeinde geben jedoch nicht nur Auf-
schluss über die Anzahl der am Makro-Standort wohnhaften Personen, sondern auch
über die Berufspendler und die in der Umgebung ansässige Bevölkerung, die ihren
Bedarf im Suchgebiet deckt. Dabei lässt sich der kaufkraftrelevante Berufspendlersaldo
wie in Abb. 6.4 dargestellt grob berechnen (eine genauere Analyse müsste jedoch auch
auf die von den Pendlern versorgten Personen abstellen).
208 6 Die Standortpolitik
angeführt werden.
Weite Verbreitung hat das Gesetz von Reilly gefunden (vgl. Müller-Hagedorn 1993,
S. 130 ff.). Nach dem sogenannten Law of Retail Gravitation ziehen zwei zentrale Orte
die Einzelhandelsumsätze eines zwischen ihnen liegenden Untersuchungsortes direkt
proportional zur Einwohnerzahl und umgekehrt proportional zum Quadrat der Ent-
fernungen zu diesem Untersuchungsort auf sich (vgl. auch Tietz 1993, S. 217 ff.). Dieses
6.3 Die Standortwahl 209
Modell führt aber nur dann zu zuverlässigen Ergebnissen, wenn die Bevölkerungszahlen
der zu untersuchenden zentralen Orte in etwa gleich groß sind.1
Der probabilistische Potenzialansatz von Huff bestimmt die Wahrscheinlichkeit, mit
der die Bewohner eines Versorgungsortes i alternative Einkaufsorte j aufsuchen (vgl. Huff
1964, S. 34–38; Tietz 1993, S. 219; Müller-Hagedorn 2001, S. 143 f.; Lademann 2007,
S. 146). Die Wahrscheinlichkeit ist abhängig von der Distanz zwischen Wohnort und Ein-
kaufsorten sowie von der Attraktivität der Einkaufsorte und lässt sich wie folgt berechnen:
Uij dij − ∗ Aj
wij = m = m ; ∀j
i=1 Uij i=1 dij − ∗ Aj
Uij = N utzen, den der Konsument aus dem Verbrauchsort i wahrnimmt, wenn er im
Handelsbetrieb j seinen Bedarf deckt
Aj = Attraktivität des Handelsunternehmens j, gemessen durch die Over-All-Größe
‚Geschäftsquadratmeterzahl‘
dij = Entfernung zwischen dem Verbrauchsort i und dem Handelsunternehmen j,
gemessen in Wegeminuten
λ = Bedeutung, die die Reisezeit für den Konsumenten beim Einkauf bestimmter
Waren hat (Distanzparameter)
Die Wahrscheinlichkeit Wij, mit der Bewohner des Verbrauchsortes i das Handels-
unternehmen j aufsuchen, kann auch als Anteil der Besucher des Verbrauchsortes i
interpretiert werden, die in dem Handelsunternehmen j einkaufen, oder als Anteil
der Kaufkraft des Verbrauchsortes i, der dem Handelsunternehmen j zufließt (vgl.
Müller-Hagedorn 1993, S. 143). Die benötigten Informationen für die Anwendung des
Modells sind dabei wie folgt:
Problematisch an der probabilistischen Methode nach Huff ist zum einen, dass bei der
Abgrenzung jeder Verbrauchsort mit seiner vermuteten Einkaufswahrscheinlichkeit wij
einzubeziehen ist. Dies erfordert ein iteratives Vorgehen, wobei mit der Prüfung jedes
neuen Wohnortes entsprechend neue Einkaufsorte dem Modell hinzuzufügen sind. Dies
kann zu einem schnellen Anwachsen der erforderlichen Daten führen. Vielfach wird das
Einzugsgebiet daher in Analogie zu vergleichbaren Einkaufsorten bestimmt.
Zum anderen stellt sich die Frage, wie die einzelnen Modellvariablen operationalisiert
und die entsprechenden Daten beschafft werden können. Darüber hinaus ist kritisch, dass
Huff zur Bestimmung der Attraktivität des Einkaufsortes sortimentsspezifische Verkaufs-
flächen verwendet. Fraglich ist, ob hierzu die Verkaufsflächen aller Handelsbetriebe der
entsprechenden Branche, lediglich die Verkaufsflächen der unmittelbaren Konkurrenten
oder bei Handelsbetrieben, die gemischte Sortimente führen, die für das entsprechende
Sortiment bereitgestellte Fläche verwendet werden soll. Schließlich ist das Modell
empfindlich gegenüber Parameterveränderungen.
Bei der Kreismethode handelt es sich um ein heuristisches Verfahren (vgl. Schröder
2012, S. 75). Hierbei werden zur Ermittlung der Kaufkraft um das geplante Geschäft
Kreise gezogen (vgl. Abb. 6.5). Der Radius dieser Kreise entspricht der Luftdistanz.
Hindernisse wie Bahndämme (durch Striche gekennzeichnet) oder Steigungen (kurven-
reiche Straßen) werden nicht berücksichtigt. Trotzdem wird diese Methode sehr häufig
angewandt. Der Radius des Kreises, welcher die äußere Begrenzung des Einzugsgebietes
darstellt, kann nur aufgrund von Erfahrungswerten in der Regel betriebstypenspezifisch
bestimmt werden (Supermarkt etwa 1 km).
Abb. 6.5 Kreismethode
6.3 Die Standortwahl 211
Siedlung A
Siedlung B
Geplanter Standort
Distanz [Min.]
30 20 10 0 10 20 30
Abb. 6.6 Zeitdistanzmethode
Gute Prognosen, über die an einem Standort zu erwartenden Umsätze, setzen also
Kenntnisse über Theorien zum Verbrauchs- und Einkaufsverhalten von Konsumenten
voraus; Verbesserungen der bisher bestehenden Verfahren müssen hier ansetzen (so auch
Müller-Hagedorn und Natter 2011).
Auf einer Meta-Ebene liegt die Kontrolle der Managementsysteme, die vielfach auch
Auditing genannt wird. In diesem Zusammenhang hat die lernorientierte Kontrolle eine
besondere Bedeutung. Ihre Aufgabe im Rahmen der strategischen Planung besteht darin,
aus den eigenen Erfahrungen zur Beseitigung
Die Standortkontrolle hat speziell die Aufgabe, die Adäquanz von Standort und betrieb-
licher Leistungserstellung zu überprüfen. Dazu müssen die Ausprägungen des Standortes
hinsichtlich der Standortfaktoren mit den Anforderungen seitens der Verkaufsstätte, des
unternehmerischen Zielsystems und des räumlichen Käuferverhaltens in Bezug auf die-
selben Standortfaktoren verglichen werden. Erweist sich der gegebene Standort als nicht
mehr adäquat, so können entweder
• die Anforderungen an den Standort verändert werden und zwar durch eine Revision
der Ziele oder durch die Anpassung der übrigen absatzpolitischen Instrumente (ins-
besondere der Preispolitik, des Sortimentes, der Angebotsform und der Werbung) an
den Standort und/oder
• standortgestaltende Maßnahmen getroffen oder
• der Standort eliminiert bzw. veräußert werden.
An dieser Stelle wird die besondere Bedeutung der rechtlichen Rahmenbedingungen für
die Standortgestaltung deutlich. Die Entscheidung, welche Flächen für welche Zwecke
vergeben werden, liegt regelmäßig bei den Gemeinden und Städten. Die Gemeinden und
Städte sind es somit auch, die über Ansiedlungsvorhaben und Änderung von Geschoss-
bzw. Verkaufsflächen des Einzelhandels beschließen. Das Kernstück der kommuna-
214 6 Die Standortpolitik
len Planung ist dabei der Bauleitplan. Er regelt die bauliche und sonstige Nutzung von
Grundstücken (§ 1 BauGB). Ein Bauleitplan wird nur aufgestellt, wenn dies für die
städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Ein Rechtsanspruch der
Bürger auf Erstellung eines Bauleitplans besteht nicht. Die Planungsinstrumente sind
der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (ver-
bindlicher Bauleitplan). Der Flächennutzungsplan legt durch den Ausweis von Bau-
flächen (§ 1 Abs. 1 BauNVO) und Baugebieten (§ 1 Abs. 2 BauNVO) fest, wie die
städtebauliche Entwicklung geplant wird. Die BauNVO unterscheidet – anders als die
Handelsbetriebslehre – zwischen „Läden“ und „Einzelhandelsbetrieben“. Nach dem
Bundesverwaltungsgericht muss ein Laden eine Verkaufsfläche von weniger als 700 m2
haben. Der Bebauungsplan ist die verbindliche Festlegung der Nutzung und Bebauung
einzelner Grundstücke. Er wird als Satzung von der Gemeinde beschlossen, d. h. er ist
ein „Ortsgesetz“.
Standortgestaltende Maßnahmen können sowohl vor als auch nach Eröffnung der Ver-
kaufsstätte vorgenommen werden, insbesondere dann, wenn ein Standort zu günstig ein-
geschätzt bzw. die Standortqualität durch äußere Umstände (Konkurrenzansiedlungen,
Veränderung der Siedlungs- oder Wirtschaftsstruktur) gemindert wurde.
Eine weitere bedeutende Alternative der Standortgestaltung ist ferner in einem konse-
quenten und systematischen City-Management zu sehen, das in vielen Städten praktiziert
wird (Meffert und Ebert 2003; Brock et al. 2012). In Düsseldorf und der Hansestadt Ros-
tock sind bspw. eigens gegründete Gesellschaften für das Stadt- und Tourismusmarketing
zuständig.2 Zum einen ist es Ziel, durch spezifische Marketingmaßnahmen die Attraktivi-
tät der Städte und Regionen als Urlaubsdestination zu steigern. Zum anderen soll dadurch
aber auch die Attraktivität der Innenstädte und der dort ansässigen Einkaufsstätten
gesteigert werden.
Bei der Planung standortgestaltender Maßnahmen sollte ein Handelsunternehmen
darüber hinaus die Attraktionswirkung und die Einnahmenwirkung in Abhängigkeit
vom Agglomerationsgrad branchengleicher Verkaufsstätten sowie die sogenannte Durst-
strecke berücksichtigen (vgl. hierzu Abb. 6.7).
Im Distanzhandel nimmt die Standortpolitik in Richtung des Endkunden eine eher unter-
geordnete Rolle ein. Wie in Kap. 14 noch ausführlich darzulegen ist, wird die Distanz zum
Kunden durch spezifische Medien wie bspw. das Internet oder den Katalog überbrückt. Vor
diesem Hintergrund steigt die Bedeutung der Logistik. Die Standortpolitik umfasst somit
insbesondere die Auswahl geeigneter Standorte für zentrale und dezentrale Lager.
2Vgl.bspw. Rostocker Gesellschaft für Tourismus und Marketing mbH oder die Düsseldorf Touris-
mus GmbH.
6.5 Die Standortgestaltung 215
Kontrollfragen
1. Definieren Sie die Begriffe „Standort“ und „Standortpolitik“.
2. Welche Besonderheiten kennzeichnen die Standortpolitik des stationären Einzel-
handels?
3. Nennen Sie die Entscheidungsbereiche der Standortpolitik.
4. Was versteht man unter der Standortwahl? Gehen Sie dabei auch auf mögliche Träger
und Anlässe standortpolitischer Wahlentscheidungen ein.
216 6 Die Standortpolitik
Literatur
Ahlert, D. (2001). Standortpolitik des Handels und City-Management. In D. Ahlert (Hrsg.), Müns-
teraner Schriften zu Distribution und Handel (Bd. 5., 3. Aufl.). Münster: MDHD.
Algermissen, J. (1981). Das marketing der handelsbetriebe. Würzburg: Physica.
Applebaum, W. (1966). Methods for determining store trade areas, market penetration, and potential
sales. Journal of Marketing Research, 3, 127–141.
Brock, C., Meik, J., Kaiser, J., Al-Dari, S., & Handke, B. (2012). Der bürger als kunde – Anliegen-
management im öffentlichen sektor. In S. A. Jansen, E. Schröter, & N. Stehr (Hrsg.), Bürger.
Macht. Staat? (S. 109–124). Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Huff, D. L. (1964). Defining and estimating a trading area. The Journal of Marketing, 28, 34–38.
Lademann, R. P. (2007). Zum Einfluss von Verkaufsfläche und Standort auf die Einkaufswahrschein-
lichkeit. In M. Schuckel & W. Toporowski (Hrsg.), Theoretische Fundierung und praktische
Relevanz der Handelsforschung (S. 143–162). Wiesbaden: DUV.
Meffert, H., & Ebert, C. (2003). Marke westfalen. Grundlagen des identitätsorientierten regionen-
marketing und ergebnisse einer empirischen untersuchung. Ibbenbüren: Ibbenbüren Vereins-
druckerei.
Müller-Hagedorn, L. (1993). Wahrnehmung und verarbeitung von preisen durch verbraucher – Ein
theoretischer rahmen. Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 35(11), 939–951.
Müller-Hagedorn, L. (2001). Kundenbindung mit System. In L. Müller-Hagedorn (Hrsg.), Kunden-
bindung im Handel (2. Aufl., S. 11–46), Frankfurt a. M.: Deutscher Fachverlag.
Müller-Hagedorn, L., & Natter, M. (2011). Handelsmarketing (5. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer.
Schröder, H. (2012). Handelsmarketing. Strategien und instrumente für den stationären einzelhandel
und für online-shops mit praxisbeispielen. Wiesbaden: Springer.
Tietz, B. (1993). Der Handelsbetrieb. Grundlagen der Unternehmenspolitik (2. Aufl.) München:
Vahlen.
Die Sortimentspolitik
7
Um sich die Bedeutung der Sortimentspolitik für den Erfolg des Handelsmarketing vor
Augen zu führen, stelle man sich in Fortführung der Einführung in dieses Buch vor,
dass sämtliche Betriebe ähnliche Sortimente führen würden. Die Folge wäre eine extrem
hohe Austauschbarkeit der Unternehmen bei gleichzeitigem Verlust der den Handel aus-
machenden Vielfalt. Das Sortiment stellt somit den harten Kern der Handelsleistung dar
und bietet somit einen zentralen Ansatzpunkt der Leistungsdifferenzierung (vgl. bspw.
Rudolph und Kotouc 2005). Im Rahmen der Sortimentspolitik werden Entscheidungen
über das Sortiment der Handelsunternehmung getroffen. Neben der Betriebstypenpolitik
bildet die Sortimentspolitik die zweite Facette des doppelten Leistungsprinzips des Han-
dels. Sie hat einen maßgeblichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg und nimmt dies-
bezüglich eine Schlüsselstellung im Marketing-Mix des Handels ein (vgl. Barth et al.
2015, S. 181).
Der hohe Einfluss begründet sich zum einen daraus, dass das Sortiment zum größ-
ten Teil das akquisitorische Potenzial des Handelsbetriebs bestimmt und damit einen
hohen Einfluss auf wichtige handelsbetriebliche Größen wie die Kundenfrequenz, den
Durchschnittsbon und letztlich damit auf den Umsatz hat. Zum anderen verursachen
Sortimentserweiterungen aber auch zusätzliche Kosten, zum Beispiel im Bereich der
Warenlagerung, der Kapitalbindung, der Bewirtschaftung der notwendigen Flächen
sowie der Datenpflege.
Je nach Branche unterliegt die Sortimentspolitik unterschiedlichen Zyklen. Werden
im Lebensmitteleinzelhandel im Laufe des Jahres vergleichsweise wenige Artikel oder
Sortimentsteile verändert, so wird hingegen in modeabhängigen Branchen z. T. das
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 217
D. Ahlert et al., Handelsmarketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55241-0_7
218 7 Die Sortimentspolitik
Die wohl klassische Definition des Sortimentsbegriffs geht auf Rudolf Gümbel
zurück. Er bezeichnet als Sortiment die „gedankliche Zusammenfassung der zu einem
bestimmten Zeitpunkt getroffenen Auswahl verschiedenartiger selbstständiger Sach-
leistungen zum Zweck der Verwertung im Absatzmarkt unter Einschluss der handelsüb-
lichen Manipulationen der im Betrieb neu entstandenen Sachleistungen“ (Gümbel 1963,
S. 59).
Diese Definition beschränkt die Sortimentsleistung des Handelsunternehmens auf
Sachleistungen. Betrachtet man die derzeitige Handelslandschaft, so bedarf diese
Definition aber einer Modifikation. Denn neben Sachleistungen bieten viele Handels-
unternehmungen zusätzlich und verstärkt auch Dienstleistungen an. Beispielsweise
bietet Tchibo neben dem klassischen Kaffee- und Wochensortiment Versicherungsdienst-
leistungen, Mobilfunkverträge und Reisedienstleistungen an. Und selbst bei ALDI kann
man mittlerweile Mobilfunkverträge abschließen. Nach Müller-Hagedorn und Natter
kann dementsprechend unter einem Sortiment „die Summe aller Absatzobjekte (Sach-
güter, Dienstleistungen, Rechte), die ein anbietendes Handelsunternehmen in einer
bestimmten Zeitspanne (z. B. Tag, Woche, Saison) physisch oder auf andere Weise im
Absatzmarkt anbieten will, wobei es sich idealtypisch um beschaffte Güter handelt, es
aber auch denkbar ist, dass die Güter selbst erstellt worden sind“ (Müller-Hagedorn und
Natter 2011, S. 263) verstanden werden.
Um die mit dem Sortimentsmanagement in vielen Fällen verbundene, erhebliche
Komplexität begrifflich fassen und strukturieren zu können, hat sich in der klassischen
Handelsbetriebslehre insbesondere die Seyffertsche Sortimentspyramide bewährt (vgl.
Abb. 7.1).
In diesem Ansatz bildet die Sorte die kleinste Einheit und damit die oberste Ebene der
Sortimentspyramide. Bei Sorten handelt es sich um spezifische Ausprägungen eines Arti-
kels. Artikel bilden die zweite Ebene der Sortimentspyramide. Sie können bei sehr tiefen
Sortimenten jeweils eine Vielzahl verschiedener Sorten umfassen, z. B. Erdbeeren unter-
schiedlichster Anbaugebiete, unterschiedlicher Qualität, verschieder Packungsgröße etc.
Die Zusammenfassung von ähnlichen Artikeln, zumeist nach ihrem physisch-
technischem Charakter, wird als Artikelgruppe bezeichnet. Mehrere Artikelgruppen bil-
den dann eine Warengruppe (z. B. Frischwaren, Damenoberbekleidung), die wiederum
zu Warenbereichen zusammengefasst werden. Die Aggregation von Warenbereichen,
ggfs. ergänzt um die bereits erwähnten warennahen Services, bildet dann schließlich das
gesamte Sortiment des Handelsunternehmens.
7.1 Bedeutung und Grundlagen der Sortimentspolitik 219
Stufe Beispiel
Italien.
Sorte
Erdbeeren
Artikel Erdbeeren
Artikelgruppe Obst
Warengruppe Frischwaren
Warenbereich Food
Sortiment
Eine andere Möglichkeit der Differenzierung von Sortimenten besteht darin, die
Bedeutung verschiedener Sortimentsbereiche aus Kundensicht zugrunde zu legen. Denn
nicht alle geführten Artikel haben für den Kunden die gleiche Bedeutung. Demzufolge
können aus Kundensicht verschiedene Sortimentsarten differenziert werden:
Im Kernsortiment befinden sich demzufolge die Waren, die vom Kunden am stärksten
nachgefragt werden und somit eine besonders hohe akquisitorische Wirkung entfalten.
In einem Fachgeschäft für Damenoberbekleidung gehören hierzu z. B. Blusen, Röcke,
Hosen, Kleider.
Das Randsortiment besteht hingegen aus Sorten und Artikeln, die das Kernsortiment
sinnvoll ergänzen. In Beispiel des DOB-Geschäftes wären die Accessoires, Schuhe und
Halstücher.
Eine dritte Möglichkeit zur begrifflichen Differenzierung in der Sortimentspolitik
besteht darin, verschiedene Sortimentsdimensionen zu unterscheiden. Hier kann man
zunächst zwischen der Sortimentsbreite und der Sortimentstiefe differenzieren (vgl.
Abb. 7.2).
Die Sortimentsbreite wird durch die Anzahl der Warengruppen im Sortiment
bestimmt. Warenhäuser zeichnen sich beispielsweise durch zahlreiche Warengruppen aus
(„Alles unter einem Dach“) und weisen daher eine sehr hohe Sortimentsbreite auf.
Die Sortimentstiefe wird durch die Anzahl der Artikel und Sorten innerhalb einer
Warengruppe gekennzeichnet. Fach- und insbesondere Spezialgeschäfte zeichnen sich
durch ein besonders tiefes Sortiment aus.
220 7 Die Sortimentspolitik
Sortimentsbreite
Zahl der Warengruppen
1b
1c
1d
Sport-
1e
1 DOB = Damenoberbekleidung
2 HAKA = Herrenoberbekleidung
Die Ziele der Sortimentspolitik werden aus den handelsbetrieblichen Zielen abgeleitet.
In der Regel wird auf der Ebene des einzelnen Instruments der optimale Instrumenteein-
satz angestrebt. Insofern bildet auch die Bestimmung des optimalen Sortiments in der
7.2 Sortimentspolitische Entscheidungsprobleme 221
Sortimentspolitik das zentrale Ziel. Ob dieses Ziel erreicht wird, kann jedoch aufgrund
der Komplexität der Sortimentspolitik nicht eindimensional beurteilt werden. Insofern
sieht sich das Handelsmarketing in diesem Bereich mit einer Vielzahl von Zielen kon-
frontiert, deren Erreichung in der handelsbetrieblichen Praxis mit diversen Kennzahlen
beurteilt wird. Einen Auszug dieser Kennzahlen gibt Tab. 7.1.
Ob die mit diesen Kennzahlen inhaltlich beschriebenen Ziele erreicht werden, wird
jedoch von einer Vielzahl von Bestimmungsgrößen beeinflusst, die nur zum Teil wie-
derum durch das Handelsmarketing beeinflussbar sind. Nach Möhlenbruch können
diesbezüglich die folgenden ergänzenden Determinanten unterschieden werden (vgl.
Möhlenbruch 1994, S. 35 ff.):
Bei der Gestaltung der Sortimente sind die außerbetrieblichen Bestimmungsfaktoren oft-
mals von ausschlaggebender Bedeutung. Für das Handelsmarketing ist es daher wichtig,
die künftigen Entwicklungen der externen Rahmenbedingungen abzuschätzen und in der
Sortimentsstrategie zu berücksichtigen (vgl. hierzu auch Kap. 2). Zudem können sich je
nach Betriebsform die jeweiligen Einflussfaktoren unterschiedlich stark auswirken. Von
konjunkturellen Schwächen profitieren beispielsweise eher discountorientierte Unter-
nehmen, wohingegen Handelsunternehmen im Luxussegment eher mit Umsatzeinbußen
zu rechnen haben.
Die innerbetrieblichen Einflussfaktoren sind aus Sicht der Handelsunternehmung
oft nur langfristig variabel und determinieren somit vorab die Sortimentsentscheidung.
Die Betriebsform und die Branche der Unternehmung stellen hier den Rahmen der
Sortimentspolitik dar. Durch die Positionierung in einer bestimmten Branche wird dem
Konsumenten die Orientierung erleichtert. Der Handelsbetrieb passt sich damit an die
Erwartungen der Kunden an („Philosophieaspekt des Marketing“). So erwartet beispiels-
weise der Kunde von einem Zoofachgeschäft nicht, dass er dort Spielwaren oder Obst
und Gemüse einkaufen kann. Von einem SB-Warenhaus erwartet er dies hingegen. Die
Positionierung sollte daher im Sortiment abgebildet werden, da ansonsten die Kunden-
erwartungen enttäuscht werden, was zu einer sinkenden Kundenzufriedenheit und ent-
sprechend negativen Konsequenzen für die Erreichung der ökonomischen Ziele führen
dürfte. Gleichwohl sollte das Handelsmarketing aber nicht aus den Augen verlieren,
dass sich die Erwartungen der Konsumenten rasch einem höheren Niveau anpassen
können. Ein gutes Beispiel einer erfolgreichen Sortimentsentwicklung, die vom Kun-
den rasch gelernt wurde und heute seine Erwartungen bestimmt, sind Tankstellenshops,
von denen heute schon in weiten Teilen die Übernahme von Nahversorgungsfunktionen
222
Tab. 7.1 Quantitative Kennzahlen zur Beurteilung der Sortimentspolitik. (Quelle: In Anlehnung an Müller-Hagedorn und Natter 2011, S. 274)
Beschreibung Berechnung
Brutto-Umsatz Preis inkl. USt * Absatzmenge
Netto-Umsatz Preis exkl. USt * Absatzmenge
Relativer Markanteil Umsatz eines Handelsbetriebs in einer Warengruppe im Verhältnis zum Umsatz der Konkurrenz in diese Warengruppe
(wertmäßig)
Spanne a) Betragsspanne = absolute Differenz von Umsatz (o. UST) und Wareneinstandskosten der abgesetzten Menge
(Warenrohertrag, b) Prozentual als Abschlagsspanne vom Netto-Verkaufspreis
Bruttoertrag, Ertragskraft) c) Prozentual als Aufschlagsspanne auf die Einstandskosten
Gewinn Umsatz minus Wareneinstandskosten minus Handlungskosten = Warenrohertrag minus Handlungskosten
Deckungsbeitrag Umsatz minus variable Kosten
Lagerumschlag Umsatz zu Einstandskosten
Durchschnittlicher Warenbestand (zu Einstandskosten)
Bruttorentabilität Aufschlagsspanne [%] ∗ Wareneinsatz (zu Einstandskosten) Warenrohertrag
=
(Brutto-rentabilitäts-kraft, Durchschnittlicher Warenbestand zu Einstandskosten Durchschnittlicher Warenbestand (zu Einstandskosten)
Bruttonutzen, = Aufschlagsspanne [%] ∗ Lagerumschlagshäufigkeit
Umschlagsnutzen)
Nettorentabilität Deckungsbeitrag * 100
Durchschnittl. Warenbestand (zu Einstandskosten)
erwartet wird. Ein weiteres Beispiel aus dem digitalen Kontext wären die Sortiments-
erweiterungen von Amazon, einem Unternehmen, das zunächst als reiner Online-Buch-
händler gestartet ist.
Hinsichtlich der marktbezogenen Bestimmungsfaktoren nimmt das Nachfrage-
verhalten eine zentrale Stellung ein. Zur Identifizierung der damit angesprochenen
Kundenbedürfnisse ist das Handelsmarketing regelmäßig auf die Markt- und Marketing-
forschung angewiesen (vgl. hierzu Kap. 2). Hierzu ein Beispiel: Lange Zeit wurde
angenommen, dass die für den Handelumsatz wichtigen Impulskäufe primär durch
Persönlichkeitsmerkmale der Konsumenten erklärt werden können. Neuere Studien
belegen hingegen, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen den angebotenen Arti-
keln und der Anzahl von Impulskäufen besteht und die Neigung zum Impulskauf maßge-
blich durch artikelbezogene Merkmale bestimmt wird. Die Sortimentspolitik, die früher
diesen Aspekt eher vernachlässigen konnte, hat dieser neuen Erkenntnis insofern Rech-
nung zu tragen, als dass die Impulskraft, die von einem Artikel ausgeht, in der Listungs-
entscheidung berücksichtigt wird (vgl. Jones et al. 2003, S. 506).
Aber auch der Beschaffungsmarkt kann einen wesentlichen Einfluss auf die Sortiments-
politik ausüben. Gerade im Zuge eigener distributionspolitischer Interessen ist die Listung
in bestimmten Sortimenten seitens des Lieferanten unerwünscht. Für einen Hersteller
hochwertiger Markentextilien (z. B. Lacoste) würde beispielsweise die Listung in einem
SB-Warenhaus rasch negative Folgen auf die Marke haben und somit dem Unternehmen
als Ganzem schaden.
Da es sehr unwahrscheinlich ist, dass die Bestimmungsfaktoren der Sortiments-
politik über einen längeren Zeitraum konstant bleiben, sollte das Handelsmarketing stets
bemüht sein, das Sortiment den sich wandelnden Umweltfaktoren anzupassen.
Neben der Entscheidung darüber, welcher Artikel welcher Sortimentsart zuzurechnen ist,
muss sich das Handelsmarketing auch mit der Frage befassen, wie das Sortiment hin-
sichtlich der bereits genannten Sortimentsdimensionen konkretisiert werden soll. Zur
Optimierung des Sortiments stehen dem Handelsmarketing in dieser Hinsicht grundsätz-
lich die folgenden Handlungsalternativen zur Verfügung:
1. Sortimentsinnovation
2. Sortimentsvariation
3. Sortimentsdehnung
4. Sortimentskontraktion.
Sortimentsbreite
Zahl der Warengruppen
1a 2 3 4 5 6
Anzahl der Artikel und Sorten
B
r
Sortimentstiefe
1b
e
i
1c t
e
n
1d
e
x
p
a
1e
n
s
i
1 f Tiefenexpansion o
n
1 DOB = Damenoberbekleidung
2 HAKA = Herrenoberbekleidung
Eine Breitenexpansion liegt dann vor, wenn neue Warengruppen in das Sortiment
aufgenommen werden. So hat beispielsweise die zunehmende Bedeutung ökologischer
Aspekte in einigen Handelsunternehmen zur Etablierung ökologisch-biologischer Artikel
geführt, die in einer eigenständigen Warengruppe geführt werden.
Im Rahmen der Breitenexpansion werden drei Unterarten unterschieden. Zum einen
kann das Sortiment horizontal erweitert werden. Diese Art ist dadurch gekennzeichnet,
dass das Sortiment um eine Warengruppe derselben Produktionsstufe erweitert wird. Bei
der vertikalen Diversifikation bezieht sich die Erweiterung auf eine dem normalen Sorti-
ment vorgelagerte Stufe. Bietet ein Textilhändler, der sonst nur Konfektion angeboten
hat, nun auch Garne und Stoffe an, so handelt es sich um diesen Expansionstypen.
Schließlich bildet die laterale Diversifikation eine Aufnahme von affinen Artikeln ab, die
bisher nicht zum Sortiment gehörten. Bietet z. B. ein Möbelhändler zusätzlich zum nor-
malen Möbelangebot nun auch Gebäck oder Obst an, so liegt diese Expansionsart vor,
die gleichzeitig auch am risikoreichsten ist.
Bei der Sortimentskontraktion bzw. -bereinigung wird die Anzahl der Warengruppen,
Warenarten und Artikel oder Sorten vermindert. Hierfür können qualitative oder quan-
titative Aspekte ursächlich sein. Ist das Design eines Artikels beispielsweise überaltert
oder ist er technisch überholt, so wird er regelmäßig ausgelistet. Analog zur Sortiments-
expansion wird hier auch die Breiten- und die Tiefenreduktion differenziert. Durch
die Sortimentsreduktion wird das angebotene Leistungsspektrum des Handelsbetriebs
geschmälert. Dieser Prozess wird auch als Trading-down-Prozess bezeichnet (vgl. Barth
et al. 2015, S. 38 f.). Im Gegenzug dazu werden Sortimentsexpansionen auch unter dem
Rubrum des Trading-ups diskutiert (vgl. Barth et al. 2015, S. 26).
Die bis zu dieser Stelle genannten Aspekte bilden einige wesentliche Elemente bei
der Planung von Sortimentsstrategien. Der damit verbundene Bezugsrahmen umfasst ins-
gesamt vier Dimensionen, die in Abbildung dargestellt sind (vgl. Abb. 7.4):
Sortiment
Neben den bis zu dieser Stelle genannten begrifflichen und strukturierenden Aspekte
werden im Rahmen der Sortimentspolitik auch übergreifende Managementkonzepte
diskutiert, die mit den Begriffen Category Management („CM“) und Efficient-Consu-
mer-Response („ECR“) bezeichnet werden. (vgl. Ahlert und Borchert 2000; Schröder
2012, S. 22 ff.; Zielke 2002).
Die vierte ECR-Basisstrategie stellt die Efficient Product Introduction dar. Hier ist
die optimierte Produkteinführung von zentralem Interesse. Ziel ist eine deutliche Sen-
kung der hohen Flopraten bei der Neuprodukteinführung im Konsumgüterbereich, die
teilweise weit über 60 % liegt (vgl. bspw. Zellekens und Horbert 1998, S. 19). Dies soll
über Maßnahmen sowohl auf der Handels- als auch auf der Herstellerseite, insbesondere
durch eine engere Kooperation auf diesem Betätigungsfeld, erreicht werden: Zum einen
wird der Handel nicht nur angehalten, dem Hersteller, z. B. aus dem engeren Kunden-
kontakt des Verkaufspersonals herrührende, zukunftsweisende Anregungen zur Neu-
produkteinführung (oder auch – Nichteinführung) zu geben, sondern dem Hersteller
auch bessere Testmöglichkeiten, z. B. in der Form von Testmärkten oder A/B-Testings,
zu bieten. Zum anderen versucht der Hersteller grundsätzlich, durch eine intensive
Marktbeobachtung rechtzeitig tragfähige Trends zu erkennen und die damit verbundenen
neuen Kundenbedürfnisse frühzeitig im Absatzprogramm zu berücksichtigen.
Im Rahmen einer engen Begriffsfassung wird Category Management mit dem Bereich
der kunden- und renditeorientierten Gestaltung der Warengruppe gleichgesetzt, wäh-
rend in der weiter gefassten Interpretation die gesamten „Demand-Side-Aktivitäten“
228 7 Die Sortimentspolitik
als Category Management bezeichnet werden (vgl. Ahlert und Borchert 2000, S. 80 ff.).
Als Ergebnis einer so verstandenen erfolgreichen Category Management-Kooperation
verfügt z. B. der Lebensmittelhändler über ein nach den Regeln der Kunst optimiertes
Wasch- und Putzmittelregal; Out of Stock-Situationen werden vermieden und der Waren-
nachschub funktioniert elektronisch gesteuert in der Weise, dass überflüssige Lager-
bestände vermieden und der Lagerumschlag maximiert werden (vgl. Abb. 7.6).
Für die Lösung einfacher Konsumprobleme (z. B. Kauf eines neuen Badreinigers)
mag eine derart optimierte Sortimentsgestaltung ausreichen. In der Realität hat der
Konsument jedoch auch komplexe Konsumprobleme zu lösen, die über den einfachen
Erwerb einer Handelsware hinausgehen (siehe hierzu Kap. 1). Als Beispiel sei ein Ver-
braucher genannt, der seine Wohnung einrichten möchte und Beratung beim Kauf der
notwendigen Einrichtungsgegenstände, aber auch Hilfe beim Transport und Aufbauen
der gekauften Möbelstücke benötigt.
Über die Lösung der Grundprobleme hinaus sind somit heute oft zusätzliche Bedürf-
nisse des Verbrauchers, etwa das Streben nach emotionaler Bindung, kommunikativen
Kontakten, Anerkennung und Selbstverwirklichung, Einkaufserlebnissen, ästhetischem
Genuss usw. zu berücksichtigen. Beim Angebot komplexer Problemlösungen ver-
schwimmen oft jedoch die Grenzen zwischen Produktion, Distribution und Konsump-
tion. Eine Arbeitsteilung zwischen Herstellern und Händlern in der Weise, dass sich
erstere lediglich um die optimale Marken- und letztere um die optimale Einkaufsstätten-
positionierung zu kümmern brauchten, erweist sich im Systemwettbewerb als überholt.
Efficient-Consumer-Response-Konzept
Category Management
i.w.S.
Abb. 7.6 Die Stellung des Category Management im ECR- Konzept. (Quelle: Ahlert 2003, S. 20)
7.3 Sortimentssteuerung mithilfe des kundengetriebenen… 229
Mit den vorstehenden Ausführungen sollte skizziert werden, was als „kundengetriebenes“
Category Management bezeichnet werden kann. Es geht um die (Neu-) Gestaltung der
kompletten Wertschöpfungskette mit dem Ziel, innovative Lösungskonzepte für die jeweils
relevanten Kundenprobleme effizient zu vermarkten und dadurch dem Angebotssystem
(und den beteiligten Akteuren) eine profitable Zukunft im Systemwettbewerb zu sichern.
In der Gestaltung neuer bzw. der Restrukturierung vorhandener Wertschöpfungs-
prozesse besteht die systembildende Aufgabe des Category Managements. Die laufende
Praktizierung und Steuerung des Wertschöpfungsprozesses kann als systemkoppelnde
Aufgabe bezeichnet werden. Diese Unterscheidung erfolgt in Analogie zur Konzeption
des Controllings (vgl. bspw. Horváth et al. 2015; Ahlert 1998, S. 23 ff.).
Als unstrittige Selbstverständlichkeit kann heute die Prozessorientierung angesehen
werden, die in allen Erscheinungsformen des Category Managements anzutreffen ist:
Einerseits kann der systembildende Gestaltungsvorgang, soweit er nach den Regeln
des Business Process Reengineering abläuft, selbst als ein mehrstufiger Prozess inter-
pretiert werden (vgl. Ahlert 1999, S. 333 ff.). Andererseits bildet die Umstellung von
einer funktionalen, ressortorientierten Arbeitsweise der an der Wertschöpfungskette
beteiligten Akteure auf eine Prozessorganisation ein geradezu zwingendes Ergebnis des
Gestaltungsvorganges: Die systemkoppelnden Tätigkeiten des Category Management
(-Teams) können als stufenübergreifendes Prozessmanagement interpretiert werden. Auf
diesen Aspekt soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden (vgl. Ahlert und
Borchert 2000, S. 23 ff.).
Problematischer ist dagegen das konstitutive Merkmal der sog. Kundenorientierung.
Diese nimmt jede in praxi realisierte Category Management-Organisation (wie selbst-
verständlich) für sich in Anspruch. Bei näherem Hinsehen wird die „Category“ jedoch
häufig mit „Warengruppe“ gleichgesetzt. Mit der Optimierung von Warenregalen ist
man aber, wie gezeigt, nicht selten weit davon entfernt, Kundenprobleme zu lösen; sie
ist typischerweise das Anliegen eines von Lieferantenseite voran getriebenen Category
Managements. Kundengetriebenes Category Management orientiert sich im Gegensatz
dazu an den Bedarfskomplexen der Nachfrager. In Abhängigkeit von den zu lösenden
230 7 Die Sortimentspolitik
Ein weit verbreitetes Missverständnis besteht darin, Category Management mit einer
bestimmten Methode zur Steuerung des Warenflusses, nämlich dem demand-pull-Prinzip,
zwingend gleichzusetzen.
Zweifellos gibt es gewichtige Argumente dafür, das klassische Versorgungsprinzip
des „Sell what you buy“ (die Waren werden unter kurzfristigen Renditegesichtspunkten
vom relativ marktfernen Einkauf in die Geschäftsstätten des Handels gedrückt) umzu-
kehren und durch eine intensive Kooperation zwischen Industrie und Handel die Waren-
steuerung nach dem Prinzip „Buy what you sell“ anzustreben (vgl. Abb. 7.7).
Im Kern ist dieser Ansatz dem Kanban-Prinzip in Industrieunternehmungen ähn-
lich. Letztlich bestimmt die nachfragende, nachgelagerte Marktstufe darüber, was wann
in welcher Menge eingekauft bzw. produziert wird. Die positiven ökonomischen Kon-
sequenzen sind u. a. geringere Lagerbestände und, damit verbunden, eine höhere Sorti-
mentsrentabilität. Daneben wird die Reaktionszeit des Distributionssystems erheblich
verkürzt (vgl. Ahlert 2001, S. 9 ff.). Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass die
„Buy what you sell“-Strategie nicht in jedem Fall die überlegene Form der Koordination
darstellt. Dies beweisen in der Textilbranche die überdurchschnittlich erfolgreichen,
Push
Ziele: Kurzfristigkeit Umsatz Konditionen
Pull
Ziele: Langfristigkeit Rentabilität Wertschöpfung
v ertikal integrierten Bekleidungsfilialisten wie Hennes & Mauritz, Primark oder GAP,
die in die Produktionsstufe hinein dirigieren und auf Zwischendistribution verzichten
(vgl. Eickhoff 1997; Ahlert et al. 2009, S. 381 ff., 608 ff.).
Das besondere Problem der Bekleidungsbranche – hochmodische Ware, die sich als
trendgerecht erweist, noch in der laufenden Saison nachzuliefern – lösen diese Filialis-
ten durch das Angebot ständig erneuerter, exklusiver Eigenprogramme, mit bis zu zwölf
Kollektionen pro Jahr. Die Trendgerechtigkeit der ständig aktualisierten Ware wird vor
allem durch eine weitgehend von Schnittstellen befreite Gestaltung der Kommunika-
tionsprozesse zwischen Point-of-Sale und den Kollektionsentwicklern erreicht. Das
Warenwirtschaftsmanagement folgt hier also nicht dem Anstoß durch einen Kunden
(Pull-Prinzip), sondern funktioniert nach dem Push-Prinzip einer kontinuierlichen Ver-
sorgung der Filialen mit ständig neuer modischer Ware (vgl. Abb. 7.8).
Das „Buy what you sell“-Prinzip, in der Textilbranche auch „Quick Response“ genannt,
ist dagegen für die Basics das offenbar überlegene Geschäftsmodell (vgl. Abb. 7.9):
Für textile Anbieter, die hochmodische Ware und zugleich Basics führen, dürfte eine
Kombination beider Sortimentssteuerungsprinzipien für die Wertschöpfungskette sinn-
voll sein, also Push für modische Ware und ECR-Pull für Basics.
Letztlich gilt für sämtliche Gestaltungsbereiche, so auch für die Wahl des geeigneten
Steuerungsprinzips, dass eine a priori-Festlegung die radikale Restrukturierung der
Wertschöpfungskette behindert. Die systembildende Aufgabe des Category Manage-
ments weist insofern eine gewisse Ähnlichkeit mit dem „Wettbewerb als Entdeckungs-
verfahren“ auf, als erst nach Abschluss des an den Kundenproblemen orientierten
Gestaltungsvorganges feststeht, welches Prozessdesign das optimale Lösungskonzept
eines bestimmten Angebotssystems kennzeichnet.
Impulse
Fließende Wechselndes Orientierung am
Kollektions - Angebot aktueller modischen
entwicklung modischer Ware Angebot
PUSH PUSH
EDI
Angebot:
Bestands - Nachfrage
Basic-Sortiment
kontrolle nach Basics
POS
zur Ermittlung
von Bestellungen
PULL PULL
Abb. 7.9 Pull- Konzept für Basics (Vendor Managed Inventory). (Quelle: Horstmann 1997,
S. 140)
Ein Aspekt der Sortimentspolitik, der in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich an
Bedeutung gewonnen hat, ist die Markenpolitik. Wie bereits in Kapitel fünf ausführlich
erläutert, ist es die Aufgabe des Handelsmarketing, ein integriertes Markenmanagement
zu betreiben, d. h. sämtliche geführten und eigenen Marken im Hinblick auf die Unter-
nehmensziele zu koordinieren. Aufgabe der Sortimentsplanung ist es, einen optimalen
Mix zwischen Handelsmarken, Herstellermarken und Dienstleistungsmarken zu finden,
die mit der übergeordneten Betriebstypenmarke in Einklang stehen.
Vor allem die Entscheidung, welche Anteile Herstellermarken und Handelsmarken am
Sortiment haben sollen und inwieweit eine Substitution der Marken erforderlich ist, steht
im Rahmen der Sortimentsplanung zur Disposition. Der Anteil geführter Handelmarken
kann von 0 (Verzicht auf Handelsmarken) bis hin zu 100 % (Verzicht auf Hersteller-
marken) reichen. Prominentes Beispiel für einen hohen Handelsmarkenanteil ist nach
wie vor wohl die Aldi-Gruppe. Kleinere Facheinzelhändler hingegen führen oft aus-
schließlich Herstellermarken.
7.4 Spezielle Problemstellungen im Rahmen der Sortimentsplanung 233
[€]
Handelsmarke Herstellermarke
VKP der
Herstellermarke
Preisvorteil
VKP der Herstellerspanne
Handelsmarke
Handelsspanne Handelsspanne
Marketingkosten
Marketingkosten
"Handlingskosten" "Handlingskosten"
Produktionskosten Produktionskosten
Problematisch ist dabei die in vielen Betriebstypen immens große Datenmenge, die
bewältigt werden muss. Je mehr Kaufakte und je umfangreicher das Sortiment des zu
analysierenden Handelsunternehmens ist, desto größer ist die zu handhabende Daten-
menge. Aus diesem Grund ist, je nachdem wie leistungsfähig die entsprechenden
Informationssysteme sind, ggf. vorab zu entscheiden, ob die Analyse artikelgenau oder
bezogen auf Warengruppen oder andere Sortimentseinheiten durchgeführt werden soll.
Zu berücksichtigen ist vor der Analyse auch der Einsatz anderer absatzpolitischer Ins-
trumente, da diese die Ergebnisse der Verbundanalyse beeinflussen. Auch Maßnahmen
von Wettbewerbern können einen Einfluss auf die Analyseergebnisse haben. Dies gilt
insbesondere, wenn die Datenbasis gering ist und sich auf die Daten nur weniger Stand-
orte stützt. Letztgenannte Einflussfaktoren führen auch dazu, dass die zeitliche Konstanz
der Ergebnisse der Verbundanalyse infrage gestellt werden muss. Größere Unternehmen,
z. B. Massenfilialsysteme, dürften hier aufgrund der größeren Streuung ihrer Outlets
Vorteile haben. Dem steht aber derzeit noch das bereits geschilderte Problem der Daten-
speicherung und -pflege gegenüber.
Ein zentrales Problem der Sortimentsverbundmessung ist die Bestimmung des
sogenannten Verbundkoeffizienten (vgl. Möhlenbruch 1994, S. 340). Je nach Skalen-
niveau stehen verschiedene Methoden zur Messung von Verbundbeziehungen zur
Verfügung (vgl. Möhlenbruch 1994, S. 342 ff.; Müller-Hagedorn und Natter 2011,
S. 189 ff.). Tab. 7.3 zeigt einige Methoden in Abhängigkeit des Skalenniveaus auf.
Nachteilig an diesen Methoden ist, dass sie lediglich in der Lage sind, den Kaufver-
bund zwischen verschiedenen Artikeln zu bestimmen. So können sie zwar Eliminations-
entscheidungen und Rahmenentscheidungen stützen, eine Identifikation der künftigen
Konsumentenwünsche im Sinne von Nachfrage- und Bedarfsverbünden ist aber nur
eingeschränkt möglich (vgl. Möhlenbruch 1994, S. 349). Komplementäre Primärunter-
suchungen zu diesen Aspekten erscheinen daher sinnvoll.
Zudem ist mit den o. g. Verfahren die vorherrschende Datenflut nicht zu bewältigen.
Neuere Informationstechnologien wie das Data Mining lösen heute aber zumindest das
Problem der Auswertung von großen Datenmengen (vgl. Barth et al. 2015 S. 189 f.).
Gleichwohl stellt sich dann oft noch die Frage nach der sinnvollen Interpretation der
jeweiligen Analyseergebnisse, zumindest dann, wenn die Sortimentierung nicht voll-
ständig datengetrieben erfolgen sollte.
7.5 Sortimentskontrolle
Unter einem Fehlkauf bzw. Fehlbestand („out-of-stocks“) versteht man vom Kunden
nachgefragte Artikel, die üblicherweise Bestandteil des Sortiments sind, im Moment
der Nachfrage durch den Kunden physisch aber nicht vorhanden sind und daher nicht
verkauft werden können. Als mögliche Gründe kommen verspätete Bestellung, Aus-
lieferung oder Eingangsbearbeitung in Betracht. Die Methode zur Identifikation dieser
out-of-stocks sind regelmäßige Testkundenbesuche, zum Beispiel in der Form des Mys-
tery-Shoppings, oder aber regelmäßige Kundenbefragungen. Bei wiederholtem Auftreten
von Out-of-Stock-Situationen ist eine Analyse der logistischen Prozesse notwendig,
um negative psychografische (Kundenunzufriedenheit und -abwanderungen) und öko-
nomische (Umsatzverluste) Folgen zu vermeiden.
Die Bonanalyse nutzt die Datenquelle „Kassenbon“, um sortimentspolitisch relevante
Informationen zu beschaffen. So liefert die Bonanalyse beispielsweise Informationen darü-
ber, welche Artikel besonders oft gekauft werden. In Kombination mit Kundenkartendaten
werden so Einblicke in das individuelle Kaufverhalten möglich, die dann zum Beispiel für
ein Kundenbeziehungsmanagement (vgl. hierzu auch Kap. 12) genutzt werden können.
238 7 Die Sortimentspolitik
Ein Artikel, von dem beispielsweise 200 Stück pro Jahr verkauft werden konnten und
von dem im Jahresdurchschnitt 20 Stück vorrätig waren, würde demnach einen mengen-
mäßigen Lagerumschlag von 10 erreichen.
Da der mengenmäßige Lagerumschlag immer auf einen Artikel bezogen bleiben
muss, kann der Lagerumschlag einer Warengruppe immer nur wertmäßig erfolgen. Der
wertmäßige Lagerumschlag ist dabei definiert als
Sowohl der Zähler als auch der Nenner dieses Quotienten werden dabei in der Dimension
„Geldeinheiten“ ausgedrückt. Wären beispielsweise die oben genannten 200 Stück jeweils
zu einem Einstandspreis von 100 GE bezogen worden, so betrüge der Wareneinsatz 20.000
GE. Der durchschnittliche Lagerbestand zu Bezugspreisen betrüge dann 2000 GE. Der
wertmäßige Lagerumschlag wäre demnach wiederum 10. Insofern entsprechen sich beide
Werte immer dann, wenn nur ein Artikel in der interessierenden Warengruppe gelistet und
keine preispolitischen Maßnahmen im Berichtszeitraum ergriffen wurden.
7.5 Sortimentskontrolle 239
Grundsätzlich gilt, dass ein Artikel umso attraktiver ist, je höher seine LUG ist, da
hieraus eine geringe Kapitalbindung resultiert. Diese wiederum wirkt sich positiv auf die
Liquidität der Unternehmung aus. Gleichzeitig kann die LUG aber selbst innerhalb einer
Warengruppe stark schwanken. Frischmilch ist beispielsweise bereits nach einem Tag
zu 90 % und nach drei Tagen vollständig abverkauft, Butter hingegen erst nach zwölf
Tagen. Eine Auslistung von Butter zugunsten von Milch würde aber vom Verbraucher
nicht honoriert werden, da dieser von einem Lebensmittelhändler beide Artikel in einem
Kaufakt beziehen möchte. Insofern sollte die jeweilige LUG immer im Vergleich zum
Branchendurchschnitt bewertet werden und nur in sehr seltenen Ausnahmefällen als iso-
liertes Entscheidungskriterium herangezogen werden.
Trägt die LUG dem Aspekt der Kapitalknappheit Rechnung, so fokussiert die Sorti-
mentsstrukturanalyse auf die Knappheit des Faktors Raum, dem die Sortimentspolitik
Rechnung tragen muss. Um Hinweise darauf zu erhalten, welche Artikel und Waren-
gruppen ein besonders gutes Raum/Leistungsverhältnis aufweisen, hat sich im Handel
unter anderem die Anwendung sogenannter Lorenzkurven etablieren können. Lorenz-
kurven zeigen an, welche Artikel oder Warengruppen unter- bzw. überdurchschnittlich
viel Raum beanspruchen. Abb. 7.11 zeigt das Beispiel einer Lorenzkurve eines Uhren-
und Schmuckhändlers, der zudem noch eine Warengruppe Accessoires führt, in der z. B.
Ersatzarmbänder für Uhren gelistet sind.
Die Analyse der Lorenzkurve zeigt, dass die Warengruppen Uhren und Schmuck eine
relativ bessere Raumleistung erzielt als die Warengruppe Accessoires (vgl. Abb. 7.11).
Letztere beansprucht 40 % der Verkaufsfläche, kann auf dieser Fläche aber lediglich 5 %
des gesamten Umsatzes erwirtschaften. Die beste Raumleistung erzielt die Warengruppe
Uhren. Hier werden 80 % des Umsatzes auf nur 40 % der verfügbaren Fläche erwirt-
schaftet. Insofern sollte der Händler erwägen, den Platz für Accessoires zu reduzieren
und diesen mit Uhren zu belegen.
Eine ganz zentrale Kennziffer ist der Deckungsbeitrag („DB“). Diese wird aus der
Kostenrechnung, genauer aus der Kostenträgerrechnung, gewonnen. Als Kostenträger
kommen im Handel u. a. die Filiale, die Warengruppe, aber auch der einzelne Artikel
in Betracht. Die Deckungsbeitragsrechnung gibt betriebswirtschaftlich wichtige Auf-
schlüsse über den Erfolgsbeitrag des jeweiligen Kostenträgers. Im Rahmen der Sorti-
mentspolitik interessiert insbesondere die Deckungsbeitragsrechung („DBR“) auf den
Ebenen der Sortimentspyramide. Grundsätzlich ist der DB definiert als Deckungs-
spanne eines Artikels, multipliziert mit seiner abgesetzten Menge. Die Deckungsspanne
(„DSP“) wiederum ist definiert als Verkaufspreis einer Einheit abzüglich der dieser Ein-
heit zurechenbaren variablen Kosten. Jeder Verkaufspreis, der über den variablen Kosten
liegt, trägt somit zur Deckung der fixen Kosten und ggf. zur Gewinnerzielung bei.
Ein Beispiel für eine einstufige DBR verdeutlicht Tab. 7.4. In dem dort dargestellten
Beispiel verfügt der Handelsbetrieb über zwei Warengruppen mit jeweils zwei Artikeln.
Diese weisen allesamt eine positive Deckungsspanne auf. Unter normalen Bedingungen
wäre somit kein Artikel von der Auslistung bedroht. Auch die Deckungsbeiträge der
einzelnen Warengruppen wären positiv und lägen bei 2183,14 GE für die Warengruppe
240 7 Die Sortimentspolitik
Umsatz [%]
100
95
Schmuck Accessoires
80
Uhren
45°
0
40 60 100
Beanspruchte Verkaufsfläche [%]
A und 3233,10 GE für die Warengruppe B. Der gesamte Betrieb würde demnach einen
Deckungsbeitrag von 5416,24 GE erwirtschaften. Abzüglich der fixen Kosten, zum Bei-
spiel für Mieten und Personal in Höhe von 2700 GE, würde der gesamte Betrieb ein
Betriebsergebnis von 2716,24 Geldeinheiten erwirtschaften.
Würde das Handelsmanagement nun einen Artikel angeboten bekommen, der nach-
weislich einen Deckungsbeitrag von mehr als 1018,64 GE pro Periode erzielen könnte,
so würde Artikel A1 immer dann ausgelistet werden, wenn er a) keine positiven Ver-
bundeffekte zu anderen Artikel aufweisen kann und b) der neu zu listende Artikel keine
Substitutionseffekte zu im Sortiment verbleibenden Artikel aufweisen würde.
Eine wichtige Ergänzungsrechnung zur DBR bildet die Methode der Direkten
Produkt-Rentabilität („DPR“). Durch sie soll ermittelt werden, welche Kosten den
jeweiligen Artikeln zugerechnet werden können. Im Kern versucht diese Methode, das
Gedankengut der Prozesskostenrechnung auf den Handel zu übertragen. Dieser Ansatz
ist zwar in der Literatur heftig umstritten, wird aber in der Praxis oft (ergänzend) ver-
wendet, da die Gemeinkosten im Handel oftmals einen so hohen Prozentsatz an den
Gesamtkosten haben, dass eine differenziertere Analyse der Gemeinkosten, die oft nur
7.5 Sortimentskontrolle 241
pauschal zugeschlagen werden, sinnvoll erscheint. Irreführend ist der Begriff deswegen,
weil es sich nicht um eine „echte“ Rentabilität in dem Sinne handelt, dass der Output
in Relation zu einer Kapitalgröße berechnet wird. Zur Berechnung der DPR werden die
durch den Artikel verursachten Kosten prozessual erfasst und diesem zugerechnet. Hier-
bei werden zumeist zwei Bereiche unterschieden. Zum einen werden die anfallenden
Kosten im Lagerbereich prozessual aufgegliedert und erfasst, zum anderen wird unter-
sucht, welche Kosten der zu beurteilende Artikel im Betrieb verursacht.
Aufgrund des hohen Informationsbedarfs der DPR empfiehlt es sich, diese Rechnung
nur bei konkretem Entscheidungsbedarf durchzuführen. Für eine fortlaufende, ständige
Kontrolle ist sie trotz des erheblichen technischen Fortschritts im Handel durch z. B. die
Einführung der EAN und nun auch RFID bis dato zu aufwendig. Die Zurechnung der so
im Einzelfall erhobenen Daten erfolgt regelmäßig nach dem folgenden Schema:
Position Beispiel in GE
Brutto-Verkaufspreis 119,00
– Umsatzsteuer 19,00
– Erlösschmälerungen (Rabatte, Boni, Skonti) 3,00
– Brutto-Einkaufspreis 46,41
+ Vorsteuer 7,41
+ Sonstige Lieferantenvergütungen 2,20
– Direkte Produktkosten 3,58
Zentrallager:
Disposition 0,30
Warenannahme 0,24
242 7 Die Sortimentspolitik
Position Beispiel in GE
Einlagerung 0,17
Kommissionierung 0,11
Warenausgang 0,24
Transport 0,56
Betrieb
Disposition 0,43
Warenannahme 0,36
Einlagerung 0,17
Transport zum Regal 0,12
Auspacken, Einräumen 0,48
Auszeichnen 0,12
Kassieren 0,17
Umtauschkosten 0,11
= Direkte Produktrentabilität 56,62
Ergebnisse der DPR-Methodik können und sollten mit anderen Kennzahlen wie z. B. der
DBR oder der LUG kombiniert werden, um hieraus Handlungsempfehlungen herleiten
zu können. Insgesamt kann sie das Kontrollinstrumentarium des Handelsmarketing somit
sinnvoll ergänzen.
Insgesamt hat die Sortimentspolitik in den letzten Jahren einen wichtigen Schwer-
punkt der Handelsmarketingforschung und -praxis gebildet. Neue Verfahren, wie
beispielsweise das ECR oder das Category Management, hatten und haben einen
wesentlichen Einfluss auf das Handelsmarketing und sich in einigen Handelsbetrieben
durchsetzen können. Die Verschärfung kartellrechtlicher Interventionen hat in den letz-
ten Jahren allerdings die vertikale Kooperation zwischen Handel und Industrie als
erheblich risikobehaftet erscheinen lassen, sodass ECR- bzw. kooperative Category
Management-Projekte eher auf dem Rückzug sind (vgl. dazu insbes. Ahlert et al. 2011,
S. 237 ff.). Daneben haben rechtliche Veränderungen wie der Fall des Rabattgesetzes
und der Zugabeverordnung sowie verbraucherpolitische Maßnahmen (z. B. im Rahmen
der Verbraucherinformation durch ergänzende Labels) die Sortimentspolitik des Handels
zum Teil gravierend beeinflusst. Es ist daher zu erwarten, dass dieser Bereich wegen sei-
ner hohen Bedeutung für den handelsbetrieblichen Erfolg auch künftig einen zentralen
Stellenwert im Marketing-Mix des Handels einnehmen wird.
Kontrollfragen
1. Erklären Sie, warum die Sortimentspolitik eine Schlüsselstellung im Marketing-Mix
des Handels einnimmt.
2. Skizzieren Sie die SEYFFERTSCHE Sortimentspyramide.
Literatur 243
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246 8 Die Personalpolitik
60
54
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4
2 2 2
0
vor 8 Uhr 8 Uhr 9 Uhr 10 Uhr nach 10 Uhr
Unabhängig von dieser Diskussion, die mit der im ersten Kapitel erwähnten Polari-
sierung der Handelslandschaft entspricht, soll das vorliegende Kapitel die wesentlichen
Gestaltungsbereiche der Personalpolitik skizzieren. Die Aspekte, die näher erläutert wer-
den sollen, sind in Abb. 8.2 dargestellt. Im Einzelnen handelt es sich um
• die Personalplanung,
• die organisatorische Strukturierung,
• die Selektion und Schulung des Verkaufspersonals
• die Vergütung bzw. Entlohnung der Mitarbeiter
• sowie die Personalführungskonzeption.
Personalführungs-
konzeption
Die Wahl der Bedienungsform (auch: „Warenandienung“) hat großen Einfluss auf die
Personalpolitik und Kostenstruktur des Unternehmens. Gleichzeitig stellt sie aber auch
einen wichtigen Parameter des Handelsmarketing dar, der z. B. wesentliche Bedeutung
für das im Rahmen der Markenbildung wichtige Markenvertrauen haben kann. Die Wahl
der Bedienungsform ist daher oft strategischer Natur und sollte Gegenstand des strategi-
schen Marketingmanagements sein.
Je nachdem, für welche Bedienungsform sich das strategische Marketingmanagement
entscheidet, werden völlig andere qualitative und quantitative Anforderungen an den
Personalbedarf gestellt. Die zur Auswahl stehenden Alternativen sollen im Folgenden
kurz skizziert werden.
8.2.1 Selbstbedienungssysteme
In einem Selbstbedienungssystem erfolgt so gut wie keine Beratung durch das Verkaufs-
personal. Die Ware wird vom Kunden ausgewählt und zur Kasse transportiert. Lediglich
im Kassenbereich kommt der Kunde mit dem Personal in Berührung. Dabei oblag es bis-
her dem Kassierer, die Warendaten ins Kassensystem einzugeben bzw. sie einzuscannen.
Derzeitig werden Systeme im Lebensmittelhandel getestet, bei denen der Scannvorgang
durch den Kunden, z. T. bereits direkt am Einkaufswagen, erfolgt („Self-Scanning“).
In der Praxis findet man jedoch häufig Mischformen zwischen Selbstbedienungs- und
Bedienungskonzepten. So ist es im Lebensmittelhandel oft üblich, zumindest die Wurst-/
Fleisch-/und Käsetheke mit Kundenbedienung auszustatten. Gleichwohl steigen auch in
diesen Warengruppen die SB-Anteile deutlich.
Ob ein Selbstbedienungssystem für einen Standort infrage kommt, ist ein wichtiges
Entscheidungsproblem. In einem bestehenden Handelssystem, und dies ist der Regel-
fall, steht der Marketingmanager aber nur sehr selten vor der Entscheidung eines voll-
ständigen Systemwechsels. In der Regel hat er darüber zu entscheiden, inwieweit auf
Bedienung zugunsten der Selbstbedienung verzichtet werden kann. Bei dieser Ent-
scheidung sind folgende besondere Merkmale des Selbstbedienungssystemes zu berück-
sichtigen:
• Der Verkaufsraum und die Einrichtung müssen so ausgestattet sein, dass der Kunde
sich leicht orientieren kann. Dies geht mit erhöhten Ansprüchen an die Waren-
präsentation und die Verpackungsgestaltung einher.
• SB-Systeme sind vor allem für wenig erklärungsbedürftige Produkte und durch die
Werbung bereits vorverkaufte Waren geeignet.
• Mit dem Wechsel der Bedienungsform verändert sich auch die Betriebsform der
Handelsunternehmung.
• Der Personalaufwand ist niedriger als im Bedienungssystem.
8.2 Wahl der Bedienungsform 249
Neben diesen Faktoren hat sich im Zusammenhang mit der Wahl der Bedienungsform
im Handel eine weitere Gruppe von Faktoren und Instrumenten entwickelt, die in der
Marketingliteratur unter dem Oberbegriff „Self-Service-Technologies“ beforscht und dis-
kutiert wird. Hierbei handelt es sich um Technologien, die es dem Handel ermöglichen,
bestimmte Serviceelemente auf den Kunden zu übertragen (vgl. Meuter et al. 2000).
Als Beispiele für solche Technologien können EC-Automaten oder das Online-Banking
genannt werden. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung dieser Technologien
im Handel soll zunächst ein kurzer Überblick über verschiedene Formen von Self-Ser-
vice Technologies gegeben werden. Darauf aufbauend wird der aktuelle Forschungsstand
in diesem Gebiet gewürdigt. Abschließend wird ein Ausblick auf die mögliche Ent-
wicklung dieses Themas versucht und ein kurzes Fazit gezogen.
Die reale Vielfalt von SST kann nach verschiedenen Kriterien systematisiert werden.
In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur hat sich der von Meuter et al. (2000) vor-
geschlagene Ansatz durchsetzen können. Nach dieser Systematik können nach der Art der
verwendeten Schnittstellen (Telefon, Online, Stationäre Systeme, Video/CD) sowie nach
dem Zielbereich des Technologieeinsatzes (Beratung, Transaktionen und Selbsthilfe)
zwölf unterschiedliche SST-Formen unterschieden werden, die in der nachfolgenden
Übersicht dargestellt werden.
Es fällt auf, dass zwischen den in der nachfolgenden Abbildung unterscheid-
baren Feldern Überschneidungen bestehen. Diese Überschneidungen ergeben sich aus
dem Umstand, dass in der Praxis die SST-Nutzung oft nicht nur auf einen Zielbereich
beschränkt bleibt. So kann bspw. Self-Scanning sowohl zur Erleichterung von Trans-
aktionen als auch zur Information über den Preis eines Produktes verwendet werden. In
ähnlicher Weise können Avatare eingesetzt werden, um Transaktionen zu erleichtern oder
aber um Produktinformationen zu vermitteln. Es ist daher anzunehmen, dass der in der
Abb. 8.3 dargestellte Ansatz trotz seiner aktuell anerkannten Bedeutung im Schrifttum in
den nächsten Jahren zu modifizieren ist.
Die wirtschaftswissenschaftliche Literatur zum Thema „SST“ ist überwiegend empi-
risch orientiert und kann etwas vereinfacht und nach dem jeweiligen Erkenntnisziel in
zwei Gruppen unterteilt werden können.
Die Studien der ersten Gruppe widmen sich der Frage, welche möglichen Antezedenzen
der (erstmaligen) SST-Nutzung durch Endkunden identifiziert werden können. Besondere
konzeptionelle Bedeutung haben dabei das Technology-Acceptance-Modell nach Davis
(1985) sowie der von Parasuraman (2000) entwickelte Technology Readiness Index
erfahren. Auch mithilfe dieser Konstrukte konnten gezeigt werden, dass für die Akzep-
tanz einer SST in erster Linie der vom Kunden wahrgenommene Technologie-Netto-
Nutzen, zudem bestimmte Persönlichkeitsmerkmale (z. B. novelty seeking, technological
anxiety) sowie einige Eigenschaften der Beziehung zwischen Kunden und Anbieter (z. B.
Vertrauen) bedeutsam sind. Diese drei Faktoren – Nutzen, Persönlichkeit, Beziehung –
erklären einen hohen Anteil der beobachtbaren Akzeptanz-Varianz.
Neben den direkten Einflussgrößen der (erstmaligen) SST-Nutzung lassen sich
ergänzende Studien finden, die moderierende Effekte zwischen den Antenzedenzen und
250 8 Die Personalpolitik
Telefone/Interaktive Stationäre
Voice Response-Systeme Online/Internet (Kiosk-)Systeme Video/CD*
Beratung • Telefon-Banking • PaketTracking • EC-Automaten • Produktinformations-CDs
• Elektronische Grußkarten
• Avatare
• Autovermietung
• Personal Shopping
Assistant
• Rückgabe-Automaten
der erstmaligen Nutzung fokussieren. Leider sind die Befunde in diesem Forschungs-
feld uneinheitlich und oft wenig handelsspezifisch: So zeigen zum Beispiel Dabholkar
et al. (2003) in einer Studie zum Self-Scanning zwar, dass weder das Alter noch das
Geschlecht noch das Bildungsniveau einen Einfluss auf die Nutzung haben. Dem ent-
gegen berichten sowohl Venkatesh und Morris (2000) als auch Elliott und Hall (2005)
signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Letztere zeigen, dass Män-
ner eine deutlich stärkere Neigung haben, neue Technologien zu probieren, als Frauen.
Zudem wird berichtet, dass Frauen weniger Vertrauen in ihre eigenen technologischen
Fähigkeiten haben und daher mehr Unterstützung bei der erstmaligen SST-Nutzung wün-
schen. Weitere Unterschiede berichten Weitjers et al. (2005), die den Handelskontext
fokussieren. In ihrer Studie zur Akzeptanz von Self-Scanning Technologien im Handel
zeigen sie, dass neben dem Geschlecht sowohl das Alter als auch das Bildungsniveau
einen signifikanten Einfluss auf die erstmalige Nutzung der jeweiligen SST haben. Ins-
gesamt kann somit noch nicht abschließend beurteilt werden, welche Bedeutung einzelne
Moderatoren für die Akzeptanz einer bestimmten SST haben.
Hinsichtlich der Auswahl der zu untersuchenden Technologie lässt sich ein leich-
tes Übergewicht von Studien im Bereich „Telefon/Online“ erkennen. Relativ wenige
Studien widmen sich den Bereichen „Kiosk“ und „CD/Video“. Eine systematische
8.2 Wahl der Bedienungsform 251
urchdringung der verschiedenen Technologien ist nicht erkennbar. Auch werden nur
D
selten die Wechselwirkungen zwischen zwei SST (z. B. Online und Telefon) in kombi-
nierten Studien untersucht.
Sichtet man den aktuellen Forschungsstand, so lassen sich neben den bereits
genannten Punkten mindestens drei weitere Forschungslücken erkennen:
Zum einen fehlt es an einer systematischen theoretischen Fundierung der betriebs-
wirtschaftlichen Bedeutung von SST. Eine seltene Ausnahme bildet die Untersuchung
von Dabholkar (1996), der versucht die Nutzung alternativ attributionstheoretisch bzw.
affektiv zu erklären. Im Ergebnis findet er, dass beide Ansätze in der Lage sind, die Nut-
zung zu prognostizieren und somit beide Ansätze für weitere Forschungsarbeiten ver-
wendet werden könnten.
Zweitens gibt es nur wenige Studien, die die Bedeutung von SST im gewerblichen
Bereich untersuchen. Diese wenigen Studien zeigen, dass im gewerblichen Umfeld der
mit der Technologie verbundene Nutzen eine höhere Bedeutung für die Technologie-
akzeptanz hat.
Drittens gibt es bis dato kaum Studien, die mögliche (kurz- und langfristige) Kon-
sequenzen der SST-Nutzung untersuchen. So ist unbekannt, welchen (kurz- und lang-
fristigen) Einfluss die Einführung einer SST auf wichtige vorökonomische Größen wie
Kundenloyalität oder Kundenvertrauen hat. Auch ist nicht klar, welchen Einfluss SSTs
auf die im Relationship Marketing zentralen Kundenwerte haben oder welche Ver-
änderungen der Kundenstruktur mit der Einführung einer SST einhergehen. Die zur
betriebswirtschaftlichen Beurteilung dieser Technologien notwendigen Outputgrößen
fehlen somit noch weitgehend.
Aus handelsbetrieblicher Sicht besonders gravierend ist jedoch der Mangel an Unter-
suchungen, die mögliche, mit der Einführung einer SST verbundene Konsequenzen
adressieren. Eine Ausnahme bildet hier neben der Studie von Weitjers et al. (2005) die
Studie von Evanschitzky et al. (2015), die zeigen kann, dass der betriebswirtschaftliche
Erfolgsbeitrag entsprechender Technologien im Handel von vielen Faktoren abhängt und
bis dato nicht umfassend erklärt werden kann. Zudem scheinen bestimmte Faktoren den
nachhaltigen Erfolg einer entsprechenden Technologie im Handel zu gefährden. Gerade
an diesem Punkt könnten künftige Forschungsarbeiten ansetzen um so einen Beitrag zur
verbesserten Durchdringung dieses betriebswirtschaftlich bedeutsamen Phänomens zu
leisten.
Kassenzettel zu schreiben. Ein Beispiel dafür ist der Verkauf von Möbeln, die oft in Aus-
stellungsräumen präsentiert werden. Für die Übergabe der Ware wird dann aber regelmä-
ßig das Verkaufspersonal eingesetzt.
In einem reinen Bedienungssystem steht der persönliche Verkauf im Mittelpunkt des
Aufgabengebietes des Verkaufspersonals. Unter den vielfältigen Verkaufsinstrumenten
ist der persönliche Verkauf – von wenigen Ausnahme abgesehen, wie etwa dem Ver-
sandhandel oder dem SB-Handel – oft das letztlich ausschlaggebende Mittel der
Kaufentscheidungsbeeinflussung durch das Handelsunternehmen. Er zählt zu den obliga-
torischen, d. h. nicht substituierbaren, Instrumenten der Marktbearbeitung. Die zentrale
Bedeutung des persönlichen Verkaufs hat vor allem folgende Grundlage:
Der persönliche Verkauf ist für die Erreichung kurzfristiger Umsatzziele ausschlag-
gebend. Ein guter Verkäufer ist beispielsweise in der Lage, den Abteilungsumsatz in
bestimmten Grenzen unmittelbar positiv zu beeinflussen. Kaum ein anderes Instru-
ment der Marktkommunikation ist in dem Maße wie das persönliche Verkaufsgespräch
geeignet, die langfristigen Marketingziele positiv (oder auch negativ) zu beeinflussen.
Der Verkäufer stellt die Personifizierung der kompletten Angebotsleistung einer Unter-
nehmung dar. Nicht selten bekommt die abstrakte Betriebstypenmarke durch ihn „ein
Gesicht“ und trägt somit wesentlich dazu bei, dass der entsprechenden Marke vertraut
wird (vgl. Rampl et al. 2012). Dank der im Verkaufsgespräch stattfindenden Inter-
aktion (zweiseitige Kommunikation) kann der Verkäufer sein Verhalten und seine Argu-
mente auf die spezifischen Vorkenntnisse, Bedürfnisse und Konsumprobleme, aber auch
Sprach-, Erlebens- sowie Verhaltensgewohnheiten des Kunden individuell abstimmen.
Der Verkäufer kann somit nachhaltig auf den Inhalt des Langzeitgedächtnisses (Lern-
prozesse) des Kunden einwirken und dessen Einstellungen gegenüber der kompletten
Angebotsleistung grundlegend beeinflussen (Imagewirkung des persönlichen Verkaufs).
Aus Sicht der Handelsunternehmung erfüllt der persönliche Verkauf somit folgende
Funktionen:
• Gewinnung von Informationen über den Kunden (dies bietet dem Unternehmen die
Möglichkeit der Nutzung intimer Marktkenntnisse der Verkäufer bei der Konzeption
und Fortentwicklung kundenorientierter Problemlösungen)
• Erzielung von Kaufabschlüssen
• Verkaufsunterstützung (Beratung, Warenpräsentation)
• Einstellungs- und Imagebildung im Hinblick auf die Betriebstypenmarke
Die erfolgreiche Wahrnehmung dieser Funktionen ist jedoch stark von der Moti-
vation und den persönlichen Fähigkeiten des Verkäufers abhängig. In einer breit
angelegten Studie zur Motivation des Verkaufspersonals in den USA auf der Ebene
des „Store-Management“ attestieren Rhoads et al. (2002) dem Handel noch erheb-
liche Motivationsdefizite. Diesen Defiziten kann das Handelsmanagement nur begrenzt
durch eine gewissenhafte Personalauswahl und Schulungssysteme entgegenwirken.
Wirkungsvoller kann die Motivation wohl durch Anreizlohnsysteme und durch den
8.2 Wahl der Bedienungsform 253
Führungsstil beeinflusst werden. Allerdings ist dieser Mechanismus noch nicht voll-
kommen erforscht. So gibt es bspw. Menschen, auf die eine Erhöhung der extrinsi-
schen Anreize (z. B. Prämien) demotivierend wirkt (sog. „Crowding-out-Effekt“, vgl.
Strombach et al. 2016 sowie Strang et al. 2016).
Der größte Nachteil des Bedienungssystems ist sicherlich der mit dem persönlichen
Verkauf verbundene hohe Personalkostenanteil. Eine wichtige Problemstellung, die
sich aus den hohen Personalkosten des Bedienungssystems ergibt, ist dann die Frage,
wo der quantitativ optimale Personaleinsatz liegt. So ist nicht davon auszugehen, dass
ein linearer Zusammenhang zwischen der Anzahl der Verkäufer und der Anzahl der
Kaufabschlüsse besteht (vgl. Müller-Hagedorn und Natter 2011, S. 414 f.). Darüber
hinaus sind auch viele Faktoren, die die Beratungsinanspruchnahme im Handel beein-
flussen, noch unbekannt (vgl. Haas und Kenning 2014). Zur Planung des entsprechenden
Beratungsangebots wäre es somit von besonderem Interesse zu wissen, ob man die Nach-
frage nach Beratung aus der Art der Ware, also z. B. auf Basis der Artikel ableiten kann
oder ob man dafür auf die Kunden abstellen muss. Tatsächlich hat sich die Forschung in
diesem Bereich bis vor einigen Jahren insbesondere mit der Reduktion von Unsicherheit
durch Beratungsinanspruchnahme beschäftigt. Eindeutige Befunde für einen Zusammen-
hang konnten jedoch nicht präsentiert werden (vgl. Haas und Kenning 2008). Neuere
Studienergebnisse weisen nun darauf hin, dass die Beratungsinanspruchnahme wohl
überwiegend nicht von bestimmten Merkmalen der Ware, sondern vom Kunden getrieben
wird. So entwickelten Haas und Kenning (2014), aufbauend auf weiterführenden theore-
tischen Überlegungen, das in der Abb. 8.4 dargestellte Modell, welches einen Überblick
über die nach dem aktuellen Forschungsstand wohl wesentlichen Faktoren darstellt, die
einen Einfluss auf die Beratungsinanspruchnahme im Handel haben. Das Modell wurde
Beratungs-
+ Kaufverhalten
Kaufunsicherheit inanspruchnahme +
+
Einstellung zum
Verkaufspersonal
Kontrollvariablen:
Individuelle Einflussfaktoren
• Alter
+ • Geschlecht
• Bonuskartenbesitzer
Einkaufsvergnügen
• Ausbildung
• Fort- und Weiterbildung
• Umschulung.
Aber auch der entgegengesetzte Effekt ist denkbar. Kunden, die keine Beratung wün-
schen, werden zwar angesprochen, lehnen die Beratung aber ab und suchen sich die zu
kaufenden Artikel selbst (vgl. Haas und Kenning 2014). Diese Kaufakte wären somit
auch ohne Beratung getätigt worden. Schreibt man diese – fälschlicherweise – dem
jeweiligen Personalbestand zu, so droht die Gefahr der Überbesetzung. Die damit ver-
bundenen oft gegenläufigen Effekte verdeutlicht Abb. 8.5.
Im Fazit bieten Kassendaten allenfalls eine erste Orientierungshilfe für die handels-
betriebliche Personaleinsatzplanung.
Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, bestünde darin, die Kundenfrequenz z. B.
mit Hilfe von Zählern im Eingangsbereich (sogenannte Foot-Fall-Systeme) der Einkaufs-
stätte zu erfassen und, darauf aufbauend, einkaufsstättenindividuell unterschiedliche Per-
sonal/Kunden-Relationen zu testen. Die Testergebnisse können dann die Basis für eine
evolutionäre Optimierung bieten, die den standortspezifischen Besonderheiten der Kund-
schaft Rechnung trägt.
Eine andere Möglichkeit der Harmonisierung von Personalbedarf und Personalnach-
frage besteht darin, die Nachfrage dem kostenoptimalen Personalbestand anzupassen. Im
Kern wird damit der Aktionsaspekt des Handelsmarketing angesprochen (vgl. Kap. 1).
Demnach hat Marketing auch und gerade die Aufgabe, den Absatzmarkt der Handels-
unternehmung im Sinne der Unternehmensziele positiv zu beeinflussen. Bezogen auf
die Personalplanung bedeutet dies, die Nachfrageströme so zu lenken, dass Belastungs-
spitzen harmonisiert werden können. In Innenstadtlagen bilden bspw. die Wochenenden
regelmäßig Kapazitätsspitzen, da an diesen Tagen ortsfremde Kunden in die Städte
gezogen werden. Konzepte der Nachfragesteuerung könnten daher versuchen, ent-
weder diesen Strom auf andere Tage zu verlagern oder aber die heimischen Kunden –
zumindest teilweise – auf andere Wochentage umzulenken.
Beratungs- Beratungs-
inanspruchnahme Bedeutung
inanspruchnahme
der Effizienz des
Einkaufsvorgangs Gesamteffekt
Vermutete
Wahrscheinlichkeit,
dass die Beratung die
Effizienz des
Einkaufsvorgangs
erhöht
Effizienz- Effizienz-
8.4 Entgeltpolitik
Die Entgeltpolitik ist ein wichtiges Mittel der Personalplanung (vgl. hierzu grundlegend
Lehmkühler 2001). Insbesondere im beratungsintensiven Einzelhandel ist die Qualität
des Verkaufspersonals oft von ausschlaggebender Bedeutung für den Kauf eines Artikels.
Eine überdurchschnittliche Bezahlung kann u. a. für die Gewinnung besonders kompe-
tenter Mitarbeiter ausschlaggebend sein. Zudem besteht im Rahmen der Entgeltpolitik
die Möglichkeit, leistungsorientierte Anreize zu setzen und so die Leistungsbereitschaft
der Mitarbeiter zu steigern. Ziel der Entgeltpolitik ist neben der dargestellten Effizienz-
steigerung auch, individuelle Leistungsunterschiede zu belohnen.
Grundsätzlich können drei Formen der leistungsorientierten Entgeltdifferenzierung
unterscheiden werden (vgl. Barth et al. 2015, S. 63):
Para-
Ausprägung der Parameter (Variablen)
meter
P1
Aktivitäten des Aktivitäten des
Steuer-
Verkaufsprozesses Reklamationsbe-
ungs- arbeitungsprozesses
objekt
P2
P4
P5
8.5 Personalführung
Aus den bisherigen Ausführungen wurde bereits ersichtlich, dass Fragen der Vergütung
und der Motivation eng mit Fragen im Bereich der Personalführung und –organisation
verbunden sind (vgl. insbesondere Nerdinger 2013, S. 104 ff. sowie Scherm und Süß
2016). So stellt sich aufgrund der je nach Bedienungsform hohen Bedeutung des Faktors
Personal für das Handelsmarketing ja immer wieder die Frage, wie die Mitarbeiter durch
geeignete Mechanismen so angereizt werden können, dass sie einen möglichst hohen
8.5 Personalführung 259
die Gefahr, dass der Handel auf Dauer als eher unattraktiver Arbeitgeber mit ent-
sprechend schwachen Employer Brands wahrgenommen wird (vgl. Rampl und Kenning
2014). Eine Entwicklung, der durch entsprechende Maßnahmen gerade durch diejenigen
Händler begegnet werden sollte, deren Andienungsform auf kompetentes und motivier-
tes Personal angewiesen ist (vgl. zu den neueren Führungskonzepten Ahlert et al. 1996,
S. 69 ff, 2009, S. 591 ff.; Eickkhoff 1997, S. 114 ff.).
Kontrollfragen
1. Nennen und skizzieren Sie die Gestaltungsbereiche der Personalpolitik.
2. Diskutieren Sie Vor- und Nachteile des persönlichen Verkaufs aus Sicht einer
Handelsunternehmung?
3. Was versteht man unter der Personalplanung?
4. Welche drei Formen der leistungsorientierten Entgeltdifferenzierung können unter-
schieden werden?
5. Erläutern Sie im Kontext der Personalführung die Grundidee von Prozesstheorien.
6. Welche Empfehlungen bzgl. personalpolitisch relevanter Entscheidungen, insbesondere
der Anreizsysteme, würden Sie einer Handelsunternehmung in Abhängigkeit von dem
konkreten situationalen Kontext geben?
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Die Preispolitik
9
Der Preis stellt nach wie vor das zentrale Marketing-Instrument im deutschen Handel
dar. Dies hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen zeichnet sich die Preispolitik
durch eine erhebliche Wirkungsstärke aus. Zum anderen ist die Wirkungsgeschwindig-
keit preispolitischer Maßnahmen außergewöhnlich hoch (vgl. Meffert et al. 2015,
S. 437). Gefestigt wird diese zentrale Position des Preises derzeit u. a. durch die folgen-
den Entwicklungen:
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 263
D. Ahlert et al., Handelsmarketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55241-0_9
264 9 Die Preispolitik
In Anbetracht dieser Entwicklungen und der traditionell hohen Bedeutung des Prei-
ses für die Einkaufsstättenwahlentscheidung der Konsumenten verwundert es wenig,
dass der Preis sowohl für die Forschung als auch für die Praxis sowie die Medien eine
interessante Größe darstellt (vgl. bspw. Kenning 2003; Ahlert et al. 2003; Barth et al.
2015, S. 195 ff.; Kenning und Schleusener 2017; Kenning und Pohst 2016a; Kenning
et al. 2016). Fraglich ist jedoch nach wie vor, auf welche spezifischen Ursachen die
besonders hohe Preissensibilität der Konsumenten im Handel zurückzuführen ist. Eine
provokante These könnte lauten: Gerade aufgrund der hohen Betonung des Preises durch
das Handelsmarketing und insbesondere durch dessen Hervorhebung in der Handels-
kommunikation bleibt dem Kunden bei austauschbaren Sortimenten und Betreibungs-
konzepten kein anderes Entscheidungskriterium als der Preis. Somit wäre es der Handel
selbst, der den Kunden zu einem verschärften Preisbewusstsein erzogen hat.
Unabhängig von der Gültigkeit dieser These sind die Folgen der zunehmenden
Preissensibilität aus Handelssicht gravierend: Die Margen schrumpfen in vielen
Handelsbranchen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie diejenigen Handels-
unternehmen, die aufgrund fehlender Skaleneffekte auf Dauer nicht die Möglichkeit zur
Kostenführerschaft haben, ihre Preise setzen können, um überlebensfähig zu bleiben.
Darüber hinaus ist die Preispolitik im Handel durch das doppelte Leistungsprinzip
erschwert. Immer wieder lässt sich beobachten, dass Handelsunternehmen zwar bei
einzelnen Artikeln extrem günstig sind, der Betriebstyp insgesamt aber als wenig preis-
günstig beurteilt wird. Insofern stellt sich dem Marketingmanager nicht nur die Frage
nach dem richtigen Preis für den einzelnen Artikel, er muss zudem auch den richtigen
Preis für die Betriebstypenleistung (z. B. die Erlebnisse und Beratung im Kaufhaus)
erkennen.
Als Preis eines Absatzguts kann die Summe der Geldeinheiten bezeichnet werden, die
von dessen Anbieter auf dem Markt gefordert wird (Preisforderung) oder die von einem
Nachfrager für dieses Gut geboten wird (Preisgebot). Voraussetzung für das Zustande-
kommen eines Kaufabschlusses und damit eines realisierbaren Preises ist, dass Preis-
forderung und Preisgebot – z. B. durch Aushandeln – miteinander in Einklang gebracht
werden können. Im Rahmen der Preispolitik werden Preise für die von der Handels-
unternehmung angebotenen Waren und Leistungen festgelegt. Seit der Aufhebung des
Rabattgesetzes im Jahre 2001 nehmen zudem Maßnahmen der „indirekten“ Preispolitik
bei der Preisgestaltung eine wichtige Rolle ein. Diese Maßnahmen beinhalten mehr
oder weniger verdeckte Korrekturen der Hauptpreisforderung (Bruttopreise), um zu den
eigentlichen Preisen (Nettopreisen) zu gelangen. Beispiele sind Rabatte (z. B. durch
Kundenkarten), Zugaben sowie weitere fixierte Vereinbarungen mit der Erbringung der
Gegenleistung (z. B. günstige Zahlungs- und Kreditbedingungen) und, in jüngster Zeit
verstärkt, Coupons sowie Maßnahmen im Bereich des Dynamic Pricing (vgl. Kenning
und Schleusener 2017).
9.1 Preispolitische Entscheidungsprobleme im Handel 265
Unabhängig von diesen konkreten Maßnahmen umfasst das Aktionsfeld der handels-
betrieblichen Preispolitik zwei Ebenen von Preisentscheidungen. Zum einen die
Entscheidung über die Gestaltung von Einzelpreisen und zum anderen strategische Ent-
scheidungen im Rahmen der Preispolitik. Eine Übersicht über diese beiden Ebenen und
die entsprechenden Elemente vermittelt Tab. 9.1.
Zur Bestimmung des optimalen Preises lassen sich in der Theorie grundsätzlich vier ver-
schiedene Formen der Preisfindung unterscheiden (vgl. bspw. Olbrich 2001, S. 129 ff.).
So richten Unternehmen ihre Preisentscheidung z. B. an
aus. In der Praxis finden sich auch regelmäßig Mischformen dieser vier Ansätze. Häu-
fig werden dabei die (Einstands-) Kosten als Basis von Preisaufschlägen verwendet (sog.
„Aufschlags- oder Zuschlagskalkulation“). Hierbei werden verschiedene Aufschläge
zugeordnet, wobei sich hinsichtlich der Gestaltung der jeweiligen Aufschlagssätze unter-
schiedliche Faustregeln etabliert haben (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 518). Der
Handelsmanager prüft anschließend den so ermittelten Verkaufspreis ergänzend auf die
Wettbewerbsstellung und die etwaige Kundenakzeptanz, wobei aber gerade letztere oft-
mals „aus dem Bauch heraus“ geschätzt wird.
Die praktische Verbreitung dieser Kosten-Plus-Methode ist hoch. Ein wesentlicher
Grund für ihre praktische Beliebtheit mag in der einfachen Handhabung zu sehen sein.
Diesem Vorteil stehen aber mindestens drei gravierende Nachteile gegenüber.
Der erste Nachteil bezieht sich auf die fehlende Objektivität. Der so gefundene
Preis ist nicht das Ergebnis eines systematischen Preisfindungsprozesses, sondern
wird subjektiv-willkürlich gewählt. Verschiedene Personen können demnach unter-
schiedliche Preise setzen, die im Zeitablauf leicht veränderbar sind. Eine integrierte,
strategisch-orientierte Preispolitik bleibt dem Zufall überlassen.
Der zweite Nachteil der Kosten-Plus-Methode ist in der Gefahr zu sehen, dass sich
die Handelsunternehmung aus dem Markt kalkulieren kann. Sinken bspw. aufgrund
exogener Einflüsse die von der Handelsunternehmung abgesetzten Mengen, so dürfte
dies ggfs. eine Verschlechterung der Einkaufspreise nach sich ziehen. Dies würde dazu
9.2 Preistheoretische Grundlagen 267
führen, dass die Verkaufspreise erhöht werden, was ceteris paribus wiederum in sinken-
den Absatzmengen usw. resultiert.
Der dritte und vermutlich schwerwiegendste Nachteil besteht darin, dass die
tatsächliche Zahlungsbereitschaft der Kunden vernachlässigt wird. Mögliche
Deckungsbeiträge werden unter Umständen nicht identifiziert. Die Rentabilität der
gesamten Unternehmung sinkt. Dies dürfte gerade bei Artikeln, bei denen die Handels-
unternehmung eine Alleinstellung innehat (z. B. bei Handelsmarken), problematisch
sein. Vorteilhafter wäre es daher, die Zahlungsbereitschaft des Kunden in den Preis-
findungsprozess zu integrieren, wie dies bspw. beim noch zu besprechenden Konzept des
Target Pricing der Fall ist (vgl. Meffert et al. 2015, S. 440 ff.). Voraussetzung dafür ist
aber eine profunde Kenntnis über die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten z. B. bei
der Einführung neuer Produkte, oder aber über ihr Preiswissen bei etablierten Produkten.
In der Preistheorie lassen sich derzeit mindestens zwei Strömungen identifizieren. Zum
einen gibt es eine formal weit entwickelte, eher makroökonomisch orientierte Preis-
theorie, die mit klassischen Konzepten wie der Preis-Absatzfunktion oder Elastizitäten
arbeitet. Zum anderen hat sich mit dem Konzept des Behavioral Pricing in den letzten
Jahren eine eher verhaltenswissenschaftlich und auf das indiviuelle (Kauf-) Verhalten aus-
gerichtete Linie entwickeln können. In diesem Kapitel werden beide Aspekte behandelt.
Entsprechend der historischen Entwicklung soll aber zunächst auf die „klassische Preis-
theorie“ eingegangen werden. Als Anschauungsbeispiel wird dabei auf den Lebensmittel-
einzelhandel zurückgegriffen, der den Annahmen dieser Theorie am ehesten entspricht.
9.2.1.1 Preisbestimmung im Monopol
Ein erstes wichtiges Kriterium der klassischen Preistheorie ist die Marktstruktur. Diese
determiniert die zugrunde liegende Preisabsatzfunktion und den sich für den Händ-
ler ergebenden preispolitischen Spielraum. Grundsätzlich lassen sich monopolistische,
oligopolistische und polypolistische Märkte unterscheiden. Und auch wenn die Markt-
form Monopol nur eine geringe Relevanz für das praktische Handelsmarketing haben
dürfte, ist es doch für das grundlegende Verständnis preispolitischer Entscheidungen
von Bedeutung, die gewinnmaximale Preisforderung im Monopol zu diskutieren. Das
klassische, von Cournot entwickelte Modell basiert auf der Annahme, dass sowohl die
Nachfrage- als auch die Kostenfunktion bekannt sind. Zudem liegen keine finanziellen
oder Kapazitätsbeschränkungen vor. In diesem Fall lässt sich die gewinnmaximale Preis-
forderung wie folgt algebraisch herleiten:
G(x) = U(x) − K(x) → max!
268 9 Die Preispolitik
Mit G = Gewinn
x = Menge
U = Umsatz
K = Kosten
Diese Funktion hat dort ihr Maximum, wo die erste Ableitung nach x gleich Null ist und
die zweite Ableitung an dieser Stelle einen negativen Wert hat. Somit muss gelten:
und damit
U ′ (x) = K ′ (x)
Mit anderen Worten liegt das Gewinnmaximum dann vor, wenn die Grenzkosten
gleich den Grenzerlösen sind. Der didaktische Wert dieses Modells von Cournot liegt
darin, dass mit ihm nachgewiesen werden kann, dass lediglich die Kenntnis der Grenz-
kosten, nicht jedoch die Höhe der Gesamtkosten zur Bestimmung des gewinnmaximalen
Preises notwendig ist. Zwar ändert sich mit steigenden oder fallenden Gesamtkosten
die absolute Höhe des Gewinns, für die Preispolitik ist dies aber unerheblich. Es
lässt sich daher festhalten, dass die fixen Kosten für die betriebliche Preispolitik nicht von
Bedeutung sind. Problematisch an der kostenorientierten Methode ist indes, dass eine zu
stark kostengetriebene Preispolitik Gefahr läuft, sich aus dem Markt zu kalkulieren, wie
bereits angedeutet wurde und in Abschn. 9.2.2 noch einmal deutlich gezeigt wird.
9.2.1.2 Preisbestimmung im Polypol
Eine in der Realität weitaus bedeutsamere Marktform als das Monopol ist das Poly-
pol. Tatsächlich charakterisieren manche Autoren den deutschen Lebensmitteleinzel-
handel als Polypol (vgl. Meffert et al. 2015, S. 494). Das bedeutet, dass viele Anbieter
durch ihre Nähe zueinander in ausreichendem Wettbewerb stehen und auf viele Nach-
frager treffen (vgl. Wied-Nebbeling 1997, S. 7). Jedoch müssen auch die in letzter Zeit
verstärkt auftretenden Konzentrationstendenzen im Handel sowie die Vertriebskanal- und
Betriebstypenvielfalt der einzelnen Händler Berücksichtigung finden, sodass anderer-
seits der Kontext eines Oligopols als Marktform infrage kommt (vgl. Bundeskartell-
amt 2014; Möser 2002, S. 18; Pütthoff und Lenders 1999, S. 33). Dieses zeichnet sich
durch wenige Anbieter sowie viele Nachfrager aus, wobei im Gegensatz zum Polypol
das Konkurrenzverhalten bei der Preisbildung einzubeziehen ist. Zwar sprechen in der
aktuellen Situation viele Argumente für die Marktform des Oligopols, jedoch führt die
Anwendung der „Vermutungsschwelle für oligopolistische Marktbeherrschung“ des
Bundeskartellamts nicht zu diesem Ergebnis (vgl. Bundeskartellamt 2014, S. 4). Dem-
nach liegt ein Oligopol bei einem gemeinsamen Marktanteil von 50 % für maximal drei
bzw. von zwei Dritteln für maximal fünf Unternehmen vor. Beide Grenzwerte werden
nach eigenen Berechnungen in der Lebensmittelbranche derzeit (noch) unterschritten. Es
9.2 Preistheoretische Grundlagen 269
ist daher nicht möglich, eine der zwei Marktformen auszuschließen. Jedoch ist eher eine
Tendenz zum Oligopol festzustellen.
Sowohl diese Interpretationsspielräume als auch didaktische Gründe erklären die Vor-
gehensweise, wonach in den nächsten Unterkapiteln für beide potenziellen Marktformen
die doppelt geknickte Preis-Absatzfunktion von Gutenberg dargestellt wird. Sie ist theo-
retisch fundiert und empirisch mehrfach bestätigt worden (vgl. Diller 2008, S. 79; Simon
und Fassnacht 2016, S. 114 ff.; Gutenberg 1984, S. 272).
Diese Funktion charakterisiert sowohl im Oligopol als auch im Polypol drei unter-
schiedliche Bereiche. So differenziert man einen relativ unelastischen, steil laufenden
mittleren Bereich sowie zwei relativ elastische und flache Randbereiche. Die Preis-
elastizität, definiert als
..
Relative Anderung der abgesetzten Menge
η =
Relative Preisänderung
kennzeichnet das Verhältnis der relativen Änderung der Nachfrage zu der sie aus-
lösenden relativen Änderung des Preises (vgl. Simon und Fassnacht 2016, S. 108 ff.).
Sie stellt ein dimensionsloses Maß für den Einfluss des Preises auf den Absatz dar, das
im „Normalfall“ negative Werte annimmt, da Preiserhöhungen – annahmegemäß! – mit
sinkenden Absatzmengen einhergehen. In den elastischen Randbereichen lösen Preis-
variationen starke Kundenveränderungen aus, wohingegen im mittleren Bereich nur
geringfügige Nachfragevariationen zu beobachten sind.
Das Modell Erich Gutenbergs basiert auf der Beobachtung, dass auf einem unvoll-
kommenen Markt mit Produktdifferenzierung verschiedene Preislagen existieren, in
die die Konsumenten gemäß ihrer Qualitätsvorstellungen unterschiedliche Artikel ein-
ordnen (vgl. Wied-Nebbeling 1997, S. 119). Innerhalb einer Preislage verfügt der
Anbieter über ein bestimmtes preisautonomes Intervall, das in der Marktform des Poly-
pols als monopolistischer Bereich definiert ist (vgl. auch im Folgenden Gutenberg 1984,
S. 243 ff.). Vor Beginn der Preisvariation befindet sich der Anbieter annahmegemäß in
diesem mittleren Teil der Preisabsatzfunktion. Ausgehend von dem in der folgenden
Abbildung als p0 bezeichneten Preis führt eine Preiserhöhung auf p1 zu einer Kaufein-
schränkung der Stammkundschaft (von x0 auf x1). Aufgrund des akquisitorischen Poten-
zials des Händlers (z. B. aufgrund von Standortvorteilen) kommt es jedoch nicht zu einer
Abwanderungsbewegung der Stammkunden zur Konkurrenz (vgl. Abb. 9.1).
Unter dem akquisitorischen Potenzial werden alle Faktoren zusammengefasst, die
die Anziehungskraft des Unternehmens zum Ausdruck bringen (vgl. Gutenberg 1984,
S. 243). Dabei handelt es sich im Lebensmitteleinzelhandel beispielsweise um die
Reputation des Händlers, seine Betriebstypen- und Handelsmarke(n), seine Liefer- und
Zahlungsbedingungen, seinen Standort und Service sowie die Qualität und das Angebot
der Waren. Je größer die Präferenzen seitens der Konsumenten für den Lebensmittel-
händler sind, desto größer ist auch dessen preispolitischer Spielraum. So kann der
Händler, um die Zahlungsbereitschaft seiner Kundschaft vollständig abzuschöpfen, die
Preise innerhalb dieses Bereiches erhöhen, ohne in bemerkenswertem Umfang Nach-
fragemengen an andere Händler zur verlieren. Denn durch die Individualisierung der
270 9 Die Preispolitik
Preis p
Oberer
polypolistischer
Bereich
p2
Monopolistischer
p1 Bereich
p0
p3
Unterer
polypolistischer
Bereich
p4
angebotenen Leistung erschafft der Händler seinen eigenen „Firmenmarkt“ und bindet
die Stammkundschaft an das Unternehmen, sofern er das spezifische Preisintervall nicht
überschreitet (vgl. Gutenberg 1984, S. 243). Innerhalb des Preisintervalls ergeben sich
zwar auch leichte mengenmäßige Nachfrageverschiebungen durch die preisbedingte
Nachfragezunahme oder -abnahme der Stammkundschaft (vgl. die Abnahme der Stamm-
kundschaft durch die Preiserhöhung von p0 auf p1), jedoch kommt es zu keinen Fluk-
tuationen oder Zuwanderungen von Stammkunden konkurrierender Unternehmen. Die
konkurrierenden Händler sehen somit keinen Anlass zu einer preispolitischen Reaktion.
Eine weitere Preiserhöhung auf p2, d. h. außerhalb des monopolistischen Bereichs,
führt zu einer deutlich sinkenden Nachfrage der Stammkunden. Nun ist der Preis näm-
lich so hoch, dass annahmegemäß das akquisitorische Potenzial des betrachteten
Händlers nicht mehr ausreicht, den im Vergleich zur Konkurrenz sehr hohen Preis zu
rechtfertigen. Die Stammkunden werden zum einen ihre Nachfrage einschränken, zum
anderen werden sie teilweise zu Laufkunden, die zur Konkurrenz abwandern (vgl.
Schmalen 1995, S. 108). Der Nachfragezufluss ist für jeden der vielen konkurrierenden
Händler jedoch nahezu unbemerkbar. Konkurrenzreaktionen bleiben somit auch hier aus.
9.2 Preistheoretische Grundlagen 271
Problematisch ist im Handel oftmals die Umkehrung der letzten zwei Aspekte: Ein
relativ geringes akquisitorisches Potenzial der Anbieter und die Fixierung der Kunden
bzw. Konsumenten auf den Preis als wesentliches Kaufentscheidungskriterium schrän-
ken den preispolitischen Spielraum extrem ein. Diese beiden Aspekte führen zu der
Schlussfolgerung, dass der monopolistische Bereich in der Marktform des Polypols eher
schwach ausgeprägt ist und schon relativ geringe Preisänderungen einen sehr starken
Einfluss auf die Nachfrage ausüben. Wie sich Preisänderungen auf den Lebensmittel-
händler im Oligopol auswirken, wird im folgenden Kapitel dargestellt.
Preis p
H
Oberer
oligopolistischer
Bereich
p2
Reaktionsarmer
p1 Bereich
p0
p3 Unterer
oligopolistischer
Bereich
p4
H‘
Menge x
x2 x*2 x1 x0 x3 x*4 x4
Bei einer Preiserhöhung auf p2 schränkt die Stammkundschaft zum einen ihren
Bedarf ein, zum anderen wird sie teilweise zur Laufkundschaft, die zur Konkurrenz
abwandert. Die Nachfrage geht aufgrund des im Vergleich zur Konkurrenz ungünstigen
Preisniveaus kurzfristig folglich auf x2 zurück. Im Normalfall erfolgt nun aber eine
Reaktion der Konkurrenz, weil diese die Nachfragesteigerung spürt und wegen ähnlicher
Kosten- und Erlösstrukturen ebenfalls ihre Preise ohne Gewinneinbußen erhöhen kann
(vgl. Schmalen 1995, S. 108). Das Resultat dieser Reaktionen ist für den Anbieter aus
der Ausgangssituation eine Rückgewinnung abgewanderter Stammkunden – die ver-
kaufte Menge steigt wieder auf x*2.
Im umgekehrten Fall einer Preissenkung auf p4, d. h. im Vergleich zu einem im Ver-
hältnis zur Konkurrenz relativ günstigen Preis, steigt sowohl die Nachfrage der Stamm-
kunden als auch die zuwandernde Anzahl an Laufkunden der Konkurrenz. Letztere wird
nun jedoch aufgrund ihrer großen Anzahl den Nachfragerückgang spüren und zu Gegen-
maßnahmen greifen. Indem sie ebenfalls ihre Preise senkt, strebt sie die Rückgewinnung
ihrer ehemaligen, zum preisaggressiven Konkurrenten übergelaufenen Stammkunden an.
Die dauerhafte Folge dieser Reaktion für den im Beispiel betrachteten Preisaggressor
274 9 Die Preispolitik
ist somit lediglich eine Nachfragesteigerung auf x*4 (und nicht mehr auf x4), wobei der
Zuwachs ein Resultat der Nachfrage- und nicht der Kreuzpreiselastizität ist (vgl. Diller
2008, S. 80 f.).
Diese in der Realität im Oligopol zu beobachtenden Preissenkungsmaßnahmen,
die aufgrund eines konkurrenzseitigen Preisdrucks entstehen, bezeichnen Urbany
und Dickson als „Price-Cutting Momentum“ (vgl. Urbany und Dickson 1991, S. 393).
Aldi und Lidl unterbieten beispielsweise ständig die jeweiligen Konkurrenzpreise –
die im Lebensmittelhandel zu beobachtende Preisspirale nach unten kann somit auch
durch dieses Verhalten erklärt werden (vgl. bspw. LZ 2016). Aus der Veränderung der
Konkurrenzpreise resultiert dazu noch eine für alle beteiligten Unternehmen neue
Absatzsituation und damit eine neue Lage der Preisabsatzfunktionen (vgl. Gutenberg
1984, S. 298 ff.). Die jeweiligen reaktionsfreien Zonen verlaufen dabei stets auf der
Gleitkurve HH’, welche die konjekturale, d. h. die nach Konkurrenzreaktion gültige
Preisabsatzfunktion darstellt (vgl. Gutenberg 1984, S. 298; Diller 2008, S. 80 f.).
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die hier vorgestellte Preisabsatzfunktion
von Gutenberg für das Polypol und Oligopol im deutschsprachigen Raum große
Beachtung gefunden hat. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sie in der doppelt-
geknickten Form lediglich eine Vereinfachung des kontinuierlichen Verlaufs darstellt, bei
der sowohl die exakte Preisuntergrenze als auch -obergrenze des autonomen Intervalls
nicht zu erkennen sind. Diese Preisgrenzen, die als ein Bestandteil des Preiswissens gel-
ten, stellen die Verbindung zum preispsychologischen Konstrukt des Preiswissens dar,
auf das später näher eingegangen wird.
In der Praxis haben sich diese theoretischen, absatzmarktorientierten Ansätze indes
nur bedingt durchsetzen können. Stattdessen ist die praktische Preispolitik im Handel
oft hybrid. Zwar wird im Rahmen von Aktionspreisen die Wirkung der gesetzten Preise
auf den Kunden antizipiert und demzufolge beispielsweise mit Lockvogelangeboten
oder ähnlichen psychologischen Preisen gearbeitet. Außerhalb dieser Aktionspreispolitik
wird hingegen eher mit beschaffungsmarktorientierten Methoden wie zum Beispiel der
Zuschlagskalkulation gearbeitet. Im Folgenden sollen daher beide Methodengruppen im
Zusammenhang mit weiteren Prinzipien der Preisfindung im Handel dargestellt werden.
Neben den bis zu dieser Stelle genannten theoretischen Ansätzen, die weitgehend auf dem
Gedankengut Erich Gutenbergs basieren, bilden die im Folgenden dargestellten Prinzi-
pien der Preisfindung einen wesentlichen Aspekt der Preispolitik im Handel. Im Wesent-
lichen lassen sich fünf verschiedene Prinzipien der Preisfindung unterscheiden (vgl.
Olbrich 2001). So kann das Handelsmanagement bei der ziel- und strategiekonformen
Wahl der Methoden der Preisfindung die folgenden, prinzipiell unterschiedlichen
Ansätze in Betracht ziehen:
9.2 Preistheoretische Grundlagen 275
• Beschaffungsorientierung
• Kostenorientierung („Kosten-Plus-Methode“)
• Orientierung an der Konkurrenz
• Warenorientierung sowie
• Kundenorientierung
Diese fünf Ansätze und die mit ihnen verbundenen Methoden sollen im Folgenden
erläutert und diskutiert werden (vgl. hierzu und im Folgenden: Kenning und Eberhardt
2013).
9.2.2.1 Beschaffungspreisorientierte Methoden
Die klassischen Preisfindungsmethoden des Handels resultieren oft noch aus der Zeit vor
der Einführung des – zunächst in § 14 GWB – kodifizierten Verbots der vertikalen Preis-
bindung (vgl. Ahlert 1982, 2004). Merkmal dieser Methoden war, dass der Handel in
weiten Teilen eine eher an der Beschaffung orientierte Preispolitik verfolgte.
Bei den entsprechenden beschaffungsorientierten Preisfindungsmethoden bil-
det der Einkaufspreis die Basis der Preisfindung. Dieser wird um einen bestimmten
Kalkulationsaufschlag ergänzt, der die geforderte Mindestrendite der Handelsunter-
nehmung sichern soll. Je nachdem, wie der jeweilige Kalkulationssatz berechnet wird,
wird zwischen der Zuschlags- und der Abschlagskalkulation unterschieden.
Bei der Zuschlagskalkulation bildet der Einkaufspreis (EK) die Basis, zu der der
Zuschlagssatz in Beziehung gesetzt wird, um dann den Verkaufspreis (VK) zu erhalten.
Ein Zuschlagssatz von 100 % würde demzufolge bedeuten, dass der Einkaufspreis genau
die Hälfte des Verkaufspreises darstellt (VK-EK/EK*100 % = Zuschlagssatz).
Bei der Abschlagskalkulation wird hingegen gefragt, wie viel Prozent des Verkaufs-
preises dem Einkaufspreis zuzurechnen sind. Demzufolge würde beispielsweise ein Arti-
kel, der im EK 50,- € kostet und zu 100,- € angeboten wird, eine Abschlagskalkulation
von 50 % aufweisen (VK-EK/VK*100 % = Abschlagssatz).
In der Praxis finden beide Methoden aufgrund ihrer Einfachheit noch heute
Anwendung. Zudem fokussieren sie auf die Möglichkeit, durch geschickte Ver-
handlungsführung einen positiven Ergebnisbeitrag leisten zu können. Dieser Ansatz-
punkt ist wegen der relativ geringen Komplexität des Beschaffungsmarktes im
Vergleich zum Absatzmarkt naheliegend. Darüber hinaus haben gerade große Handels-
systeme eine gewisse Verhandlungsmacht gegenüber kleineren Industrieunternehmen,
die zur Durchsetzung vorteilhafter Konditionen genutzt werden kann.
Gleichwohl weist die beschaffungsorientierte Methode mindestens die folgenden bei-
den Schwächen auf:
276 9 Die Preispolitik
9.2.2.2 Die Kosten-Plus-Methode
Eine Weiterentwicklung der Orientierung an den Beschaffungspreisen stellt die Kosten-
Plus-Methode dar. Bei Anwendung dieser Methode werden nicht nur die E inkaufspreise,
sondern weitere Kostenarten bei der Preisfindung berücksichtigt (vgl. Simon und
Fassnacht 2016, S. 195 f.). Im Rahmen der Kosten-Plus-Methode wird häufig das fol-
gende, klassische Schema der „progressiven“ Kalkulation verwendet:
Der Listenpreis ist in der Regel die Preisforderung des Lieferanten. In der Praxis wer-
den Listenpreise bei dieser Methode zunächst als erste Orientierungshilfe verwendet.
Konkretisiert wird die Forderung des Lieferanten dann durch die Definition der zumeist
handelsunternehmungsspezifischen Konditionen, die insofern für die Industrie ein
Differenzierungsinstrument darstellen. Die Differenzierung kann durch Rabatte, Boni
und/oder Skonti erfolgen. Zumeist werden alle drei Parameter in Kombination verwendet.
Insbesondere das anlassbezogene Instrument der Rabatte hat in den letzten Jahren erheb-
lich an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung wurde gerade von Handelsunternehmen
9.2 Preistheoretische Grundlagen 277
vorangetrieben, die zu ganz bestimmten Anlässen besondere Konditionen seitens der Lie-
feranten verlangten. Eine Form ist zum Beispiel der so genannte „Hochzeitsrabatt“, der
immer dann bedeutsam wird, wenn im Rahmen einer Wachstumsstrategie andere Handels-
betriebe übernommen werden.
Einen weiteren Ansatzpunkt der Differenzierung sahen zahlreiche Betriebe in den
Bezugskosten. Diese umfassen zum Beispiel die Kosten für transportbedingte Waren-
manipulationen oder die Kosten für den Transport selbst. Der Listenpreis abzüglich
der gewährten Konditionen zuzüglich der zu zahlenden Bezugskosten ergibt dann den
Einstandspreis. Ergänzt um die Handlungskosten bildet er den Selbstkostenpreis der
Ware. Die Handlungskosten sind dabei ein Sammelbegriff für sämtliche Kosten der
Handelsunternehmung, die der Ware zugerechnet werden können. Dies sind zum Bei-
spiel die Kosten für notwendige Warenmanipulationen oder für den innerbetrieblichen
Transport. In der Regel handelt es sich um ein Konglomerat aus Einzel- und Gemein-
kosten. Durch ihre Berücksichtigung wird gewährleistet, dass das Handelsmanagement
eine Information über die langfristige Preisuntergrenze der Ware hat; also den Preis
kennt, zu dem die anfallenden Kosten gerade noch dauerhaft gedeckt werden können.
Die Höhe des Gewinnaufschlags wird durch die Renditevorstellung des Handels-
managements bzw. durch die Renditeforderung der Kapitalgeber (z. B. der Aktionäre)
beeinflusst. Diese kann von Branche zu Branche sehr unterschiedlich ausfallen und
wird nicht zuletzt durch das jeweilige Branchenrisiko bestimmt. So liegen die Gewinn-
aufschläge in der tendenziell risikoreicheren Textilbranche höher als beispielsweise im
risikoärmeren Lebensmitteleinzelhandel.
Der Nettoverkaufspreis beinhaltet damit die Renditeforderungen, jedoch noch
nicht die Forderungen des Staates, der verlangt, dass die Verbrauchssteuern vom Kun-
den getragen werden. Insofern werden Preise im Einzelhandel regelmäßig inklusive der
jeweiligen Umsatzsteuersätze als Bruttoverkaufspreise angegeben, wobei der Handel
die Abführung an den Staat organisiert. Im Großhandel hingegen werden oft Nettover-
kaufspreise ausgezeichnet.
Der Vorteil der Kosten-Plus-Methode liegt in der einfachen Handhabung. Der so
ermittelte Preis wird in einem zweiten Schritt vom Händler auf die Kundenakzeptanz hin
geprüft. Gerade diese wird bei der Kosten-Plus-Methode oftmals „aus dem Bauch her-
aus“ geschätzt. Diese Methode ist somit zwar einfach zu handhaben, hat aber mindestens
vier gravierende Nachteile, die bereits zu Beginn des Kapitels angesprochen wurden
(vgl. Abschn. 9.1.2) und hier noch einmal verdeutlicht werden sollen:
1. Der so kalkulierte Preis ist nicht das Ergebnis eines systematischen Preisfindungs-
prozesses, sondern willkürlich gewählt. Unterschiedliche Personen können demnach
je nach Verhandlungsgeschick unterschiedliche Preise setzen; eine stringente Preis-
politik ist damit eher zufällig.
2. Es besteht die Gefahr, dass der Händler sich aus dem Markt kalkuliert. Diese
Gefahr ist dabei umso größer, je höher die Fixkostenanteile (z. B. für Miete oder Per-
sonal) in den jeweiligen Kalkulationen sind. Diese Problematik soll mit einem Bei-
spiel verdeutlicht werden (vgl. Tab. 9.2):
278 9 Die Preispolitik
a rtikelspezifische Flächenbedarf oder der Zeitbedarf beim Einräumen der Ware? Noch
komplexer werden die entsprechenden Prozesse in den Frischesortimenten, die oft-
mals auch durch verderbliche Waren und Kuppelproduktionen gekennzeichnet sind,
beispielsweise bei Veredelungsprozessen im Bereich der roten Ware. Wie wären hier
die entsprechenden Kosten aufzuschlüsseln? Wie würden die jeweiligen Grenz- und
Opportunitätskosten sowie etwaige Opportunitätserlöse ermittelt? Bereits diese weni-
gen Fragen deuten an, dass die für eine exakte Kostenträgerrechnung notwendigen
Informationsbedarfe zu extrem komplexen Entscheidungsstrukturen führen könnten,
die dann rasch zu suboptimalen Verhalten führten.
4. Schließlich besteht die Gefahr, dass auch die mit dieser Methode ermittelten Preise
die tatsächliche Zahlungsbereitschaft der Kunden vernachlässigen. Mögliche
Deckungsbeiträge würden ggfs. nicht identifiziert und ungenutzt bleiben. Vorteilhafter
wäre es daher, die Zahlungsbereitschaft des Kunden in den Preisfindungsprozess zu
integrieren, wie dies beispielsweise beim Konzept des Target Pricing der Fall ist. Die-
ser Gedanke wird später noch einmal aufgegriffen.
9.2.2.3 Orientierung am Wettbewerb
Insbesondere in oligopolistischen Handelsstrukturen hat neben der Orientierung an den
Kosten die Orientierung am Wettbewerb eine besondere preispolitische Bedeutung. Der
Grund hierfür liegt darin, dass in diesen Märkten, die oft auch von hohen Sättigungs-
graden gekennzeichnet sind, preispolitische Aktionen eines Händlers zu Reaktionen
anderer Händler führen. In solchen Konstellationen kann die Handelsunternehmung
preispolitisch nicht mehr eigenständig agieren. Vielmehr gilt es, bei der Definition preis-
politischer Ziele und Strategien die Wettbewerbsperspektive zu berücksichtigen. Formal
stellt sich die Situation dabei wie folgt dar:
Xi = f Pi,Pj (Pi), . . . , Pn(Pi)
Dabei bezeichnet i den jeweiligen Händler, dessen Preispolitik (Pi) in Relation mit
den Wettbewerbern j, …, n steht. Xi symbolisiert die durch den Händler i bei einem
bestimmten Preis Pi zu realisierende Absatzmenge, die anders als im Falle des Monopols
nun auch vom Preis der Wettbewerber abhängt.
Hinsichtlich der in einer solchen Situation möglichen Verhaltensweisen gegenüber
dem Wettbewerb kommen grundsätzlich die folgenden Alternativen in Betracht.
a) Wirtschaftsfriedliches Verhalten
b) Kampfverhalten
c) Koalitionsverhalten
Zu a) Wirtschaftsfriedliches Verhalten
Bei dieser Verhaltensweise treffen die Oligopolisten die relevanten preispolitischen Ent-
scheidungen in erster Linie zur Erreichung der eigenen Ziele, nicht aber um dem Wett-
bewerber zu schaden oder um diesen aus dem Markt zu drängen (vgl. Meffert et al. 2015).
280 9 Die Preispolitik
Zu b) Kampfverhalten
Diese Verhaltensweise ist dadurch gekennzeichnet, dass bei den entsprechenden preis-
politischen Maßnahmen der Versuch im Vordergrund steht, dem Wettbewerber zu scha-
den und diesen aus dem Markt zu drängen. Ein Grund dafür kann sein, dass der jeweilige
Händler vermutet oder weiß, dass der Wettbewerber Kostenstrukturen besitzt, die wei-
tere Preissenkungen unmöglich machen. Im Lebensmitteleinzelhandel wäre dies z. B.
dann denkbar, wenn der Wettbewerber nicht in der Lage ist, die jeweilige optimale
Betriebsgröße (z. B. hinsichtlich der Filiallogistik oder der Einkaufskonditionen) zu
erreichen. Zu Preiskämpfen kann es kommen, wenn der Markt für die konkurrierenden
Unternehmen zu eng wird. Oft kann man diese daher beobachten, wenn ein neuer Wett-
bewerber in einen weitgehend verteilten, gesättigten Markt eintreten möchte.
Zu c) Koalitionsverhalten
Neben den bis zu dieser Stelle genannten Möglichkeiten könnte das Handelsmanagement
als dritte Alternative erwägen, eine Koalition mit dem Wettbewerb einzugehen. In vie-
len Situationen würde dies wohl auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive die erfolg-
reichste Verhaltensweise darstellen. Tatsächlich sind solche Koalitionen aber rechtlich
regelmäßig nicht zulässig, da sie dem Wettbewerb schaden könnten. Die entsprechende
Norm findet man im § 1 GWB wie folgt:
§ 1
Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen.
Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen
und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung
oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.
Und auch wenn im § 2 GWB verschiedene Bedingungen genannt werden, unter denen
das in § 1 GWB kodifizierte Verbot zulässig sein kann, so fallen Preisabsprachen als
sogenannte „Hardcore-Kartelle“ regelmäßig nicht unter den § 2 GWB (vgl. hierzu Ahlert
et al. 2011). Koalitionsverhalten soll daher hier nicht vertiefend diskutiert werden.
9.2.2.4 Informationsökonomische Orientierung
In den letzten Jahren haben im Handel informationsökonomische Aspekte an Bedeutung
gewonnen. Diese Entwicklung trug der Beobachtung Rechnung, dass für die Kauf-
entscheidung der Kunden nicht nur die beiden Parameter „Güter“ und „Geld“ von
Bedeutung sind, sondern auch die mit der jeweiligen Kaufentscheidung verbundenen
Informationsprobleme. Diese Entwicklung hat unter anderem dazu geführt, dass die
Güter nach dem Grad der zwischen Angebots- und Nachfrageseite vorherrschenden
Informationsasymmetrien in Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgüter differenziert wer-
den. Diese Differenzierung ist preispolitisch bedeutsam, da Preisinformationen, je nach-
dem wie stark die Informationsasymmetrien zwischen den beiden Marktseiten sind,
unterschiedliche Wirkungen auf das Kaufverhalten der Kunden haben können (vgl.
Kenning und Wobker 2012; Völckner 2006a). Von besonderer Bedeutung ist dabei aus
9.2 Preistheoretische Grundlagen 281
9.2.2.5 Orientierung am Kunden
Neben der Orientierung an den Kosten, am Wettbewerb sowie an den Eigenschaften der
Ware kann das Handelsmanagement als fünfte Bezugsrichtung eine kundenorientierte
Preispolitik betreiben. Hierbei lassen sich zwei Unterformen unterscheiden, die hier als
„SR“ bzw. „SOR“-Ansatz beschrieben werden sollen. Diese Akronyme stehen dabei für
die in der Konsumentenverhaltensforschung wichtigen Erklärungsansätze „Stimulus-Re-
sponse“ (SR) bzw. „Stimulus-Organism-Response“ (SOR).
Merkmal der SR-Ansätze ist, dass sie ausschließlich auf Reiz-Reaktions-Muster fokus-
sieren (Kotler und Armstrong 2009). Die mit der Wahrnehmung, Verarbeitung und Speiche-
rung der jeweiligen Reize verbundenen latenten, psychischen Prozesse bleiben außerhalb
der Betrachtung. Dies ist der zentrale Unterschied zu den SOR-Ansätzen, bei denen diese
Prozesse mit entsprechenden Methoden (z. B. der Befragung) rekonstruiert werden. Im
Folgenden sollen diese beiden Ansätze im preispolitischen Kontext gewürdigt werden.
9.2.2.5.1 SR-Ansätze
Im Kontext der SR-Ansätze lassen sich methodisch verschiedene Verfahren unter-
scheiden, mit denen das Handelsmanagement zu unterschiedlichen preispolitischen Maß-
nahmen kommen kann. Ausgangspunkt ist dabei stets die für die Maßnahmenplanung
grundlegende Informationsgewinnung. Hierbei kommen regelmäßig marktforscherische
Instrumente zur Anwendung. Bei den SR-Ansätzen fokussiert man primär die beobacht-
baren Kundenreaktionen auf preispolitische Maßnahmen (z. B. Preiserhöhungen). Um
diese zu erfassen, sind künstliche und/oder natürliche Marktexperimente denkbar, die
insbesondere im digitalen Kontext an Bedeutung gewonnen haben.
Besonders relevant ist die systematische Erfassung und Dokumentation der natür-
lichen Marktexperimente, da hier die jeweiligen Informationen quasi als Abfallprodukte
zur Verfügung stehen. Im Ergebnis können diese dann zur Ermittlung artikelspezifischer
Preis-Absatzfunktionen genutzt werden. Aus diesen Funktionen erhält das Handels-
management dann mindestens zwei Informationen: Zum einen die Bogenelastizität,
zum anderen die Punktelastizität. Dabei bezeichnet die Bogenelastizität die Steigung
der Preisabsatzfunktion, die regelmäßig negativ ist. Die Punktelastizität fokussiert hin-
gegen auf die relativen Änderungen der nachgefragten Menge in Abhängigkeit eines
bestimmten Punktes auf der Preis-Absatzfunktion. Sie kann somit an verschiedenen
Punkten der Preis-Absatzfunktionen unterschiedlich sein.
282 9 Die Preispolitik
und geheime Preisschwelle, so wird der Preisvorschlag angenommen und der Kauf fin-
det statt, anderenfalls wird der Preisvorschlag abgelehnt (vgl. weiterführend Spann et al.
2010). In der handelsbetrieblichen Praxis findet dieser Mechanismus bei sogenannten
„Name-Your-Own-Price“ („NYOP“) Händlern Anwendung. NYOP Händler wie Price-
line oder Hotwire zielen dabei ganz bewusst auf preissensible Kundengruppen. N euere
Studien belegen dabei, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Bieterverhalten und
den durch die Bieter realisierten Preisnachlässen gibt (vgl. Joo et al. 2012). Darüber
hinaus zeigen aktuelle Studien, dass das Bieterverhalten durch den jeweiligen Händler,
z. B. durch ein entsprechendes Design der User Interfaces, beeinflusst werden kann (vgl.
Spann et al. 2012).
Eine weitere Möglichkeit zur Abschätzung der kundenseitigen Preisbereitschaften
bietet die Conjoint-Analyse, auf die wir aufgrund ihrer besonderen Bedeutung im Mar-
keting im Folgenden etwas ausführlicher eingehen werden (vgl. weiterführend Backhaus
et al. 2015; Völckner 2006b). Im Kern handelt es sich dabei um ein Instrument zur Mes-
sung von Teilnutzenwerten, das Hinweise auf den Teilnutzen unterschiedlicher Preise
und somit auf die Zahlungsbereitschaften der Kunden liefern kann (vgl. Voeth 1999).
Die Vorgehensweise bei der Conjoint-Analyse kann nach Backhaus et al. (2015) in
die folgenden fünf Schritte unterteilt werden:
Der Preismanager im Handel muss demzufolge zunächst die aus Kundensicht relevan-
ten artikelspezifischen Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen definieren. Bei-
spielsweise kann man zur Abschätzung der Zahlungsbereitschaft für einen Artikel aus
der Warengruppe „Obst und Gemüse“ die Eigenschaft „Herkunft“ festlegen, der dann die
Ausprägung „Deutschland“ oder „Spanien“ zugeordnet werden kann.
Im zweiten Schritt hat der Preismanager dann zu klären, wie viele Stimuli abgefragt
werden sollen. Dabei ist zu beachten, dass die Anzahl der Stimuli überschaubar bleiben
sollte (vgl. Hahn und Voeth 1998). Im genannten Falle wäre es beispielsweise denk-
bar, dass neben der Eigenschaft „Herkunft“ die weiteren Eigenschaften „Marke“, „aus
kontrolliertem Anbau“ und „ohne Gentechnik“ und schließlich „Preis“ in die Erhebung
integriert werden, um so insgesamt fünf Stimuli bewerten zu lassen (vgl. ähnlich
Rudolph und Meise 2010). Im Rahmen der konkreten Bewertung können verschiedene
Methoden Anwendung finden. Generell unterscheidet man zwischen der Profil- und der
Zwei-Faktor-Methode.
Bei der Profilmethode besteht ein Stimulus aus der Kombination je einer Ausprägung
mit einer Eigenschaft.
284 9 Die Preispolitik
Bei der Zwei-Faktor-Methode werden zur Bildung eines Stimulus jeweils nur zwei
Eigenschaften herangezogen.
Im dritten Schritt wird die Rangfolge der Stimuli ermittelt, die die Nutzenvor-
stellungen der Probanden widerspiegelt. Hierzu bieten sich diverse Methoden an. Oft
wird diese Rangfolge als Rangreihung ermittelt. Dabei werden die Stimuli nach dem
empfundenen Nutzen von den Testpersonen mit Rangwerten versehen.
Zur Schätzung der jeweiligen Nutzenwerte werden auf Basis der so ermittelten
Daten zunächst Teilnutzenwerte ermittelt. Aus diesen lässt sich dann zum einen der
Gesamtnutzenwert für alle Stimuli ermitteln, zum anderen können die relativen Wichtig-
keiten der einzelnen Eigenschaften, u. a. des Preises, bestimmt werden. Dadurch kann
letztlich der Teilnutzenwert unterschiedlicher Preise ermittelt und somit ein Indikator der
Zahlungsbereitschaft gewonnen werden.
Zumeist bietet ein Handelsunternehmen seine Artikel einer größeren Gruppe von
potenziellen Käufern an. Insofern sind die individuellen Preis-Teilnutzenwerte bzw.
Zahlungsbereitschaften auf ein Gruppenniveau zu aggregieren. Diese Aggregation kann
auf verschiedene Wege erfolgen. Auf der einen Seite ist es möglich, die auf Basis von
Individualanalysen gewonnenen Daten zu aggregieren. Auf der anderen Seite kann aber
auch eine gemeinsame Conjoint-Analyse für eine Mehrzahl von Personen durchgeführt
werden, die dann aggregierte Teilnutzenwerte liefert. Die Conjoint-Analyse bietet somit
eine gute Grundlage, die mit einem bestimmten Artikel verbundenen Zahlungsbereit-
schaften der Kunden zu erfassen. Gleichwohl ist es schwierig zu erkennen, wie unter-
schiedliche Zahlungsbereitschaften der Kunden entstehen können. Hierfür wäre es
notwendig, mehr über die den jeweiligen Verhalten zugrunde liegenden Entscheidungs-
prozesse der Kunden zu erfassen.
Neben der Conjoint-Analyse hat auch die Preisanalyse nach van Westendorp in der
Literatur immer wieder eine besondere Beachtung erfahren. Auch diese Methode soll
daher im Folgenden skizziert werden.
Die Methode von van Westendorp (auch: „Preisbarometer“, „Price Sensitivity Baro-
meter“) hat zum Ziel, die artikelspezifischen Preisunter- und -obergrenzen zu ermitteln
(vgl. hierzu und im Folgenden Wildner 2003, S. 6 ff.). Die grundlegende Methodik
hierzu ist die Befragung. Zunächst wird den Probanden ein bestimmter Artikel vor-
gestellt. Danach werden sie gebeten, ungestützt vier Preise für diesen Artikel zu
benennen:
Zur Auswertung werden die Ergebnisse kumuliert dargestellt (vgl. Abb. 9.3). Dabei ergeben
die Antworten zu den Fragen 1 und 4 sinkende Kurvenverläufe. Frage 2 und Frage 3
9.2 Preistheoretische Grundlagen 285
100
80
Anteil der Befragten
akzeptabler
Bereich
60
zu billig
noch günstig
40 relativ hoch
zu teuer
20
0
0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
Preis in €
Point of Point of
marginal cheapness marginal expensiveness
h ingegen führen regelmäßig zu steigenden Kurven. Die sich aus den fallenden bzw. steigen-
den Kurvenverläufen ergebenden Schnittpunkte werden dann wie folgt interpretiert:
• Der Schnittpunkt aus den Kurven „relativ hoch“ und „zu billig“ bildet die Preisunter-
grenze. Eine Preissenkung unterhalb dieser Grenze ist in jedem Fall unvorteilhaft,
weil hierdurch der Anteil derjenigen, die das Angebot als preiswert erachten, über den
Anteil derjenigen steigt, die den Preis als eher hoch empfinden.
• Die Preisobergrenze ergibt sich aus dem Schnittpunkt der Kurven „gerade noch güns-
tig“ und „zu teuer“. Eine Preiserhöhung über diese Grenze hinaus führt dazu, dass
der Anteil derjenigen, die das Angebot als zu teuer erachten, über den derjenigen
steigt, die es als noch günstig erachten.
Der Bereich zwischen der Preisober- und Preisuntergrenze wird als der akzeptable
Bereich bezeichnet.
Obwohl diese Methode sehr einfach zu handhaben ist, erscheint sie allenfalls als
Heuristik nützlich zu sein, da sie eine Reihe theoretischer Schwächen aufweist. Diese
resultieren primär aus ihren realitätsfernen Annahmen. So besteht ein großer Nachteil der
Methode von van Westendorp in der zentralen Annahme, dass Probanden bzw. Kunden
stets in der Lage und motiviert sind, ihr Wissen vollständig und ad hoc zu explizieren.
Die im nachfolgenden Kapitel noch darzustellenden Aussagen zur Vielschichtigkeit
des Preiswissens belegen aber, dass diese Annahme zu stark vereinfachend ist. Zudem
286 9 Die Preispolitik
unterstellt van Westendorp, dass die Aussagen der Probanden in die Zukunft extrapoliert
werden können. Damit nimmt er letztlich eine statische Wettbewerbsumwelt an, die
ebenfalls wenig realistisch ist. Schließlich wird unterstellt, dass die nachgefragte Menge
pro Proband bzw. Kunde stets gleich ist. Diese Annahme ist notwendig, um von der Ver-
teilung der Probanden auf die nachgefragte Menge schließen zu können. Nachfrage-
bündelungen (z. B. bei Einkäufen für Großfamilien) werden so jedoch nicht erfasst.
9.2.2.5.2 SOR-Ansätze
Im Gegensatz zu den SR-Modellen, die den Kunden als Black-Box betrachten, ist es das
Merkmal der SOR-Ansätze, dass sie die innerhalb des Kunden ablaufenden, psychischen
Prozesse erfassen und auf einem dementsprechend differenzierten Kundenverständ-
nis Informationen für das Preismanagement zur Verfügung stellen. Für diese spezi-
fische Form des verhaltenswissenschaftlich fundierten Preismanagements hat sich auch
der Begriff „Behavioral Pricing“ etabliert. Die Behavioral Pricing-Forschung unter-
sucht, wie Kunden Preise bzw. Preisinformationen aufnehmen und verarbeiten, wie sie
auf Preisangebote reagieren und wie sie Preisinformationen in ihren Urteilen und Ent-
scheidungen nutzen. Sie verfolgt in erster Linie einen deskriptiven Forschungsansatz
und richtet sich insbesondere auf die kognitiven Prozesse, die von der klassischen Preis-
theorie und auch im Kontext der SR-Modelle nicht thematisiert werden. Es handelt sich
demnach um eine Perspektive, die die klassische Preistheorie ergänzt (vgl. Homburg und
Koschate 2005b, S. 501).
Neben anderen Arbeiten, z. B. im Bereich der Preisendungsforschung (vgl. Macé
2012), die sich mit der Bedeutung verschiedener Preisendungen (üblicherweise „9“ oder
„.99“) befasst, hat in den letzten Jahren in der psychologisch orientierten Preisforschung
die Preiswissensforschung an Bedeutung gewonnen. Die Idee des wissensorientierten
Preismanagements besteht darin, das Preiswissen der Kunden in die Preispolitik einflie
ßen zu lassen. Das Preiswissen der Kunden wird dabei verstanden als die (kognitive oder
affektive) Fähigkeit, sich an einen bestimmten Preis (explizit oder implizit) zu erinnern.
Seine Bedeutung erfährt die Thematik vor allem aus der vermuteten Relevanz des Preis-
wissens für die Preisbeurteilung der Konsumenten. Im Sinne interner Referenzpreise
(vgl. Diller 1988) ermöglicht das Preiswissen dem Konsumenten beispielsweise, die
Attraktivität von Sonderangeboten zu beurteilen, Preissteigerungen zu erkennen oder
Preisvergleiche zwischen unterschiedlichen Einkaufsstätten durchzuführen (vgl. Schnei-
der et al. 2009; Kopalle et al. 2012). Neuere Studien zeigen, dass eine Berücksichtigung
der Heterogenität von Referenzpreisen in der Preispolitik des Händlers einen positiven
Effekt auf den handelsbetrieblichen Erfolg haben kann (vgl. Kopalle et al. 2012). Um
diesen Effekt zu nutzen, ist es wichtig, aufbauend auf einer klaren konzeptionellen Defi-
nition empirische Daten zum kundenindividuellen Preiswissen zu erfassen.
Nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Kaufverhaltensforschung ist das Preiswissen
allgemein das Resultat eines vorgelagerten, psychischen Prozesses (vgl. Diller 2008).
Ausgelöst durch die Konfrontation mit der Preisinformation stehen am Anfang des
9.2 Preistheoretische Grundlagen 287
• Eine Zahl, die beispielsweise dem Individuum vorgelesen wurde, wird als abstrakter
Begriff bzw. als Wort gespeichert (vgl. Vanhuele und Drèze 2002). Dieser Code wird als
auditory verbal bezeichnet.
• Eine Zahl wird als Bildinformation abgespeichert, wobei die optische Darstellung
dabei unabhängig von der Bedeutung oder der Aussprache der Zahl ist (vgl. Homburg
und Koschate 2005b). Somit ist dieser Code als visual arabic bezeichnet.
• Eine Zahl wird anhand auditiver und visueller Inputs als ungefähre Größe
abgespeichert. Dies unterscheidet diesen Code, der als analogue magnitude bekannt
ist, von den beiden anderen (vgl. Vanhuele und Drèze 2002).
Der PEE stellt die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem geschätzten Preis
im Verhältnis zum tatsächlichen Preis dar. Je größer diese Differenz zwischen dem
geschätzten Preis und dem Verkaufspreis ist, desto höher ist der absolute Wert des PEEs
und umso geringer ist das Preiswissen der Kunden. Dem Nachteil der Kompensation von
Über- und Unterschätzung des Verkaufspreises steht als Vorteil die zusätzliche Informa-
tion des Vorzeichens gegenüber (vgl. Evanschitzky et al. 2004). Durch das Vorzeichen des
PEE sind Aussagen über die Richtung der Abweichungen möglich. Ist das Vorzeichen
positiv, so ist der Verkaufspreis des Produktes höher als der vermutete Preis. Der Preis
des Artikels wurde somit durch die Kunden unterschätzt. Ist das Vorzeichen hingegen
negativ, so liegt der tatsächliche Preis unter dem geschätzten und wurde folglich über-
schätzt.
n
| erinnertertatsächlicher
Preis−tatsächlicher Preis
Preis | · 100
i=1 (2)
PAD =
n
n = Anzahl der Beobachtungen
9.2 Preistheoretische Grundlagen 289
Wie der PEE basiert auch die PAD auf der Differenz zwischen dem tatsächlichen und
dem geschätzten Preis im Verhältnis zum tatsächlichen Preis. Die PAD unterscheidet sich
insofern vom PEE, als dass dieser den PEE im Betrag darstellt. Diese Eigenschaft der
PAD wirkt der Kompensation innerhalb des PEEs, hervorgerufen durch die Über- und
Unterschätzungen, entgegen, sodass die PAD einen exakten Indikator des Preiswissens
darstellt. Somit werden aus Managementsicht beide Indikatoren benötigt, um Kenntnisse
der Preisüber- und Unterschätzung und mithin des genauen Preiswissens zu erlangen.
Als weitere Indikatoren zur Messung des Preiswissens können vorab definierte Preis-
bänder (PB) herangezogen werden. So wird innerhalb der wissenschaftlichen Literatur
oft eine maximale Abweichung vom Verkaufspreis in Höhe von ± 5 % verwendet. Wei-
tere Preisbänder für Fehlertoleranzen wie 5 % – 10 % bzw. 10 % – 20 % sowie > 20 %
lassen sich ebenfalls in wissenschaftlichen Arbeiten finden (vgl. Dickson und Sawyer
1990; Estelami 1998; Goldman 1977; Lenzen 1984; McGoldrick et al. 1989; McGol-
drick und Marks 1987; Vanhuele und Drèze 2002).
Unter Anwendung dieser unterschiedlichen Indikatoren zur Messung des expliziten
Preiswissens kommt eine Vielzahl empirischer Studien zu dem Ergebnis, dass das Preis-
wissen der Kunden eher begrenzt ist (vgl. Estelami und Lehmann 2001).
Im Hinblick auf die Möglichkeiten, diese Ergebnisse in die handelsbetriebliche Preis-
findung zu integrieren, wäre es nun unter anderem denkbar, die genannten Preise als Ver-
kaufspreise zu definieren. Dabei wäre aber mit Blick auf die Streuung um die jeweiligen
Mittelwerte zu prüfen, welchen genauen Preis man jeweils wählen möchte und wie viel
Nachfrage zu diesem Preis vermutlich nicht befriedigt werden könnte. Darüber hinaus
wäre zu fragen, ob eine an den kognitiven und affektiven Fähigkeiten der Kunden orien-
tierte Preispolitik mit anderen Aspekten einer nachhaltigen Unternehmensführung im
Handel (z. B. Preisfairness oder Vertrauen) in Einklang zu bringen ist. Insgesamt sollten
Erkenntnisse aus der Preiswissensforschung daher primär komplementär und integrativ
zum Einsatz kommen (z. B. bei der Neueinführung von Artikeln). Dies auch deswegen,
weil es in der Forschung bis dato an einem schlüssigen Modell fehlt, welches die Varian-
zen im Preiswissen auf bestimmte Ursachen zurückführen kann.
Zahlungsbereitschaft Kostenspaltung
des Kunden (z.B. EK-Preis)
ja drifting costs
Zielpreis geschätzte Kosten
=
“target price” allowable costs? “drifting costs”
nein
Maßnahmen zur
Reduzierung der
“drifting costs” (z.B.
EK-Verhandlungen)
Plan-Artikelpreis. Im Hinblick auf die wettbewerblichen Aspekte ist die Annahme hier-
bei, dass etwaige Preisstellungen des Wettbewerbs an dieser Stelle durch den Kunden
implizit in den Preisfindungsprozess integriert werden. Von den geplanten Artikelpreisen
wird die von den Eigentümern erwartete Zielrendite abzogen. Im Ergebnis erhält der
Preismanager die für den jeweiligen Artikel zulässigen Kosten. Diese werden den tat-
sächlichen Kosten gegenübergestellt. Der Vergleich zeigt dann auf, ob eine etwaige
Anpassung der Kostenstruktur (z. B. durch eine entsprechende Neuverhandlung der
EK-Preise) notwendig ist oder ob der jeweilige Zielpreis mit den bestehenden Kosten-
strukturen gehalten werden kann. Ist dies nicht der Fall und können die entsprechenden
Kosten nicht gesenkt werden, sollte der Händler auf eine Listung des jeweiligen Artikels
verzichten (vgl. Abb. 9.4).
Abschließend sei erwähnt, dass im Rahmen der Preispolitik im Handel zwei weitere
Aspekte methodisch bedeutsam sind, nämlich das dynamische Preismanagement sowie
die etwaige Berücksichtigung von Verbundeffekten. Da diese Aspekte im vorliegenden
Kapitel nur kurz angesprochen wurden, sei der Leser diesbezüglich auf weiterführende
Quellen verwiesen (vgl. z. B. Kenning und Pohst 2016b; Schröder 2012).
Neben dem bis zu dieser Stelle fokussierten Konzept des Preiswissens lassen sich im
Zusammenhang mit dem Ansatz des „Behavioral Pricing“ weitere psychologische Phä-
nomene benennen, die für die Preissetzung relevant sind (vgl. Tab. 9.3).
9.2 Preistheoretische Grundlagen 291
Beachtet man dieses Phänomen, kann der Erklärungsgehalt der als Black-Box-Ansatz
zu interpretierenden Preisabsatzfunktion erheblich gesteigert werden (vgl. Müller 1996,
S. 23).
Preisverhalten O
S R
Aktivierung Kognitionen Intentionen
(Preis-
(Kauf-
höhe, Preis - Preis - Preis - Preis - Preis - Preis - Preis - Preis - Preis -
und
Rabatte, erleb - inte- wahr- wissen urteil bereit - präfe - zufrie - ver-
nis resse neh- schaft renz denheit trauen Absatz-
Preis-
mung menge,
aktion,
Umsatz,
Preis-
Gewinn
optik
usw.)
usw.)
9.3.1 Niedrigpreisstrategien
Der Betriebstyp des Einzelhandelsgeschäftes spiegelt oft schon die grundsätzliche preis-
politische Positionierung wider. Vor allem Niedrigpreisstrategien spielen im Einzel-
handel des 21. Jahrhunderts eine große Rolle. Vor dem Hintergrund der theoretischen
Ausführungen zur Entstehung von Betriebstypen („Wheel-of-Retailing“) scheint es
einen engen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Handelslandschaft und der
Preisstrategie einzelner Händler zu geben. Insbesondere Niedrigpreisstrategien kön-
nen nach dem Ansatz von McNair zu wesentlichen Veränderungen der Handelsbranche
führen. Vor diesem Hintergrund gibt die folgende Abbildung einen Überblick über die
einzelnen Optionen einer Niedrigpreisstrategie im Einzelhandel (vgl. Ahlert 1983,
1986a, 1986b). Neuere Erkenntnisse zur Wirkung unterschiedlicher Preisstrategien im
Handel legten Müller-Hagedorn und Preißner (2006) vor.
Sonderpreise (auch „Aktionspreise“) werden zeitlich befristet eingesetzt. Der
„Sonder“-Angebotscharakter einzelner Artikel oder ganzer Sortimentsbereiche wird
deutlich herausgestellt. D. h. Sonderangebotspolitik wird i. d. R. durch werbliche Maß-
nahmen unterstützt. Von echten Sonderpreisen wird gesprochen, wenn sich das Angebot
auch ohne Lockwirkungen bzw. kalkulatorischen Ausgleich unter kaufmännischen
Aspekten „rechnet“. Dies ist beispielsweise auch bei defensiven Untereinstandspreisen
der Fall, da hier höhere Preisstellungen zu noch größeren Verlusten führen würden.
Sonderpreise im Rahmen von Lockvogelangeboten führen auf den jeweiligen Artikel
bezogen zu Erfolgsminderungen, rechnen sich aber über den kalkulatorischen Ausgleich
(vgl. Abb. 9.6).
Ziel der Sonderangebotspolitik ist es, den Umsatz und auch den Bruttogewinn der
beworbenen Sonderangebote zu steigern. Als sekundärer Effekt sollen Sonderangebote
Kunden anlocken und auch dadurch den Absatz anderer Güter steigern. Es gibt e mpirische
Hinweise darauf, dass diese Ziele erreicht werden. So zeigen Müller-Hagedorn
und Preißner (2006, S. 15) in der bereits erwähnten Studie, dass
9.3 Preispolitische Strategien 293
Niedrigpreise im Einzelhandel
Untereinstandspreise Lockpreise
Niedrigpreise im Einzelhandel
• mehr als jeder zweite Konsument (57,7 %) in Geschäften, die er aufsucht, um dort
ein Sonderangebot zu kaufen, auch Produkte kauft, für die er den regulären Preis
bezahlen muss;
• nur jeder Vierte (24,9 %) das Geschäft nur deswegen aufsucht, um ausschließlich
Sonderangebote zu erwerben;
• gut jeder dritte Konsument (34,1 %) aufgrund von Sonderangeboten teure Marken
kauft, die er sonst nicht kaufen würde;
• nur jeder Vierte (23,6 %) sich aufgrund von Sonderangeboten und Rabatten oft Vor-
räte anlegt;
• über ein Viertel der Käufer (27,3 %) seine Käufe bis zum nächsten Sonderangebot
verschiebt;
• demgegenüber fast jeder vierte Konsument (23,1 %) sich durch Sonderangebote zu
Käufen verleiten lässt, die er eigentlich nicht geplant hat.
Zu berücksichtigen ist auch, dass Sonderangebote positive Auswirkungen auf das Preis-
image des Handelsbetriebs haben können. Die Wirkung von Sonderangeboten ist in zahl-
reichen empirischen Studien erforscht worden (vgl. bspw. Müller-Hagedorn und Natter
2011, S. 319 ff.). Jüngere Studien belegen, dass Sonderangebote sogar einen Absatz-
anstieg erzielen, auch wenn keine Preisreduzierung vorgenommen wurde.
294 9 Die Preispolitik
Untereinstandspreise werden als defensiv bezeichnet, wenn dadurch der Absatz der
reduzierten Ware gefördert werden soll. Der erzielbare Preis liegt unter dem (histori-
schen) Einstandspreis. Mögliche Gründe sind:
• abgesunkener Marktpreis/Absatzstockung
• modisch/technisch überalterte Ware
• beschädigte/verderbliche Ware
• liquiditätsbedingte Notverkäufe
• Aus-, Räumungs-, Saisonschluss-, Inventurverkäufe und dergleichen.
9.3.2 Preisbündelung
Bei Preisbündelung werden die Preise nicht nur für einen einzelnen Artikel festgelegt,
sondern mehrere Produkte werden zeitgleich zu einem Gesamtangebot zusammengestellt
und mit einem eigenen Preis versehen. In der Praxis wird das Mittel der Preisbündelung
häufig für Reisen, Topf-Sets oder auch bei HiFi-Anlagen und Multimedia angewendet.
Die Summe der Einzelpreise liegt dabei wesentlich über dem geforderten Preis für
das Komplettpaket. Die hohe Attraktivität des Set-Preises soll den Kunden dazu ver-
leiten, Zusatzkäufe zu tätigen (z. B. statt des Kaufes von zwei einzelnen Töpfen für 89 €
der Kauf eines vierteiligen Topf-Sets für 129 €). Um den Umsatz und den Gewinn des
Handelsunternehmens zu steigern, ist jedoch eine Abschätzung der Zahlungsbereitschaft
der Konsumenten für den einzelnen Artikel als auch der Zahlungsbereitschaft für das
Komplettpaket erforderlich.
9.3.3 Preisdifferenzierung
Neben diesen Ansätzen lassen sich weitere kombinierte Ansätze nennen, die z. B. die
zeitliche Preisdifferenzierung mit verhaltenswissenschaftlichen Kategorien der Beha-
vioral Pricing Forschung (z. B. Referenzpreismodelle) kombinieren. Ein Beispiel für die
erfolgreiche Anwendung solcher kombinierten Ansätze zeigen Natter et al. (2007).
9.4 Totalmodell
Die bis zu dieser Stelle genannten Ansätze können abschließend in ein Gesamtmodell
der Preisfindung im Handel integriert werden, wie es in der folgenden Abbildung dar-
gestellt wird. Ausgangspunkt dieses Modells bildet zunächst die Wahl des jeweiligen
Prinzips der Preispolitik, die dann ziel- und strategiekonform zu definieren ist. Wählt
der Händler wie z. B. beim Target Pricing einen kundenorientierten Ansatzpunkt, hat
er als Nächstes die Entscheidung zu treffen, welche diesem Ansatz zuzurechnende
Methode (Explizite Abfrage? Conjoint? Auktionen? Preiswissen?) konkret zum Einsatz
kommen soll. Darauf aufbauend sollte der Händler weitere Bestimmungsfaktoren (z. B.
informationsökonomische Aspekte, Kosten) in die Preisfindung integrieren. Zudem sollte
die erweiterte Wettbewerbsperspektive berücksichtigt und die damit verbundene Ver-
haltensweise im Wettbewerb definiert werden. Der mithilfe dieses integrativen Ansatzes
gefundene Preis nimmt dann in Kombination mit anderen nichtpreislichen Maßnahmen
einen wesentlichen Einfluss auf die betrieblichen Zielgrößen (vgl. Abb. 9.7).
Kontrollfragen
1. Was versteht man unter dem Begriff der Preispolitik?
2. Welche zwei Ebenen werden hinsichtlich des Aktionsfelds der handelsbetrieblichen
Preispolitik unterschieden?
3. Nennen und erläutern Sie mögliche Anlässe preispolitischer Entscheidungen im
Handel.
4. Skizzieren Sie die polypolistische Gutenberg-Preisabsatzfunktion und erklären Sie
die Bedeutung des akquisitorischen Potenzials speziell für den deutschen Lebens-
mitteleinzelhandel.
5. Nennen Sie die klassischen Preisfindungsmethoden des Handels. Welche weiteren
Methoden stehen Handelsunternehmungen zur Verfügung?
Literatur 297
Bestimmungs-
Preis
faktoren
der Preis-
entscheidung Nichtpreisliche
Marketingmaßnahmen
Preise und
Absatz Kosten
Marketingmaßnahmen
der Konkurrenz
Umsatz Gewinn
6. Beschreiben und skizzieren Sie die Auswirkungen der Preissetzung auf die Kaufent-
scheidung.
7. Erklären Sie, warum in manchen Fällen ein niedrigerer Preis nicht zwingend zu
einem höheren Umsatz führt.
8. Was versteht man unter dem preispsychologischen S-O-R-Modell. Skizzieren Sie
die einzelnen Komponenten des Modells.
9. Definieren Sie den Begriff des Preiswissens. Welche Dimensionen des Preiswissens
lassen sich unterscheiden?
10. Erläutern Sie den Ansatz der Preisanalyse nach van Westendorp. Welche vier Fragen
werden den Probanden in diesem Zusammenhang gestellt.
11. Beschreiben Sie die Grundidee und die Vorgehensweise der Conjoint-Analyse.
12. Nennen Sie drei mögliche preispolitische Strategien. Welche dieser Strategien spielt
im Einzelhandel eine besondere Rolle?
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Die Präsentationspolitik
10
Die Art und Weise, wie und in welchem Umfeld ein Artikel präsentiert wird, hat oft einen
signifikanten Einfluss auf die Ausgaben, die ein Kunde in einer Einkaufsstätte tätigt
(vgl. Zielke 2003, S. 245 f.). Zudem beeinflusst die Präsentationspolitik maßgeblich die
Beurteilung der Qualität eines Artikels (vgl. Chebat und Michon 2003, S. 535 f.). Insofern
spielt die Präsentationspolitik, verstanden als Gesamtheit aller Maßnahmen zur Planung,
Realisation und Kontrolle einer zielkonformen Warenpräsentation, eine wichtige Rolle im
Marketing-Mix des Handelsbetriebs. Gleichwohl ist es praktisch nahezu unmöglich, eine
optimale Warenpräsentation zu realisieren, da ständige Sortimentsänderungen, geänderte
Arbeitsabläufe und Kundenansprüche oftmals eine permanente Variation des Verkaufs-
raums erfordern. Dies sollte z. B. immer dann geschehen, wenn modische Elemente
obsolet wurden und zu ändern sind oder wenn technologische Weiterentwicklungen
Änderungen des Ladenlayouts erforderlich machen. Zudem sind viele implizite Prozesse,
die die Wahrnehmung und das Verhalten der Kunden am Point-of-Sale beeinflussen, bis
dato kaum erforscht (vgl. Krampe et al. 2018).
Die Gestaltung der Warenpräsentation und des Ladens spielen insbesondere bei
denjenigen Händlern eine große Rolle, deren Sortimente hohe Anteile von Spontan-
kaufgütern beinhalten (z. B. Lebensmittel und Textilien). Abb. 10.1 verdeutlicht die
Gestaltungsbereiche der Präsentationspolitik:
Im Rahmen der Ladengestaltung sind primär die beiden folgenden Fragen zu klären:
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 303
D. Ahlert et al., Handelsmarketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55241-0_10
304 10 Die Präsentationspolitik
Ladenlayout
Warenpräsentation Warenplatzierung
Gestaltungsbereiche
der
Präsentationspolitik
Mit der ersten Frage werden Gestaltungsfragen beantwortet (z. B. Dekoration, Auswahl
der Warenträger, Kundenführung, Beleuchtung, Beschallung). Die zweite Frage hin-
gegen geht auf die Aufteilung der gesamten Verkaufsfläche und Regale ein (vgl. Matt-
müller und Günther 1993, S. 77 ff.). Beide Problemkreise spielen in der Praxis eine
bedeutsame Rolle, da zum Beispiel Veränderungen der Kundenfrequenzen oftmals
mit Problemen in der Präsentationspolitik begründet werden. Problematisch ist dabei
jedoch oft die detaillierte Klärung der Frage, welche Konsequenzen Veränderungen
der Präsentationspolitik auf die ökonomischen, handelsbetrieblichen Ziele haben wer-
den. Die hier empirisch gewonnenen Ergebnisse sind oft nicht eindeutig: So zeigt
bspw. Kinateder (1989), dass eine Orientierung der Warenpräsentation an den kog-
nitiven Strukturen der Kunden diesen zwar das Zurechtfinden erleichtert, aber keine
Wirkung auf den Umsatz hat. In einer anderen Publikation weist Wittmann (1991)
darauf hin, dass ca. 20 % der Arbeitszeit des Verkaufspersonals zur Beantwortung von
Orientierungsfragen seitens des Kunden verwendet wird und nicht mehr für Verkaufs-
gespräche zur Verfügung steht. Trotz dieser Einzelbefunde fehlt es an systematischen
Untersuchungen der Erlös- und Kostenwirkungen präsentationspolitischer Aspekte.
Möchte man sich diesen Aspekten aber dennoch in einem Lehrbuch nähern, so ist es
zweckmäßig, die Ziele der Präsentationspolitik instrumentalbereichsspezifisch zu for-
mulieren. Ein Ziel kann es beispielsweise sein, bestimmte Bedürfnisse beim Kunden
zu wecken, seine Aufmerksamkeit auf bestimmte Artikel oder Warengruppen zu len-
ken oder aber spontane Kaufentscheidungen auszulösen. Die Realisierung dieser Ziele
ist dabei oft an Bestimmungsfaktoren gebunden, die in artikel- und handelsbetriebliche
Bestimmungsfaktoren unterteilt werden können.
10.2 Festlegung des grundlegenden Layouts 305
Die Aufteilung der Gesamtfläche kann in die folgenden, teilweise nicht eindeutig
abgrenzbaren Flächen vollzogen werden: Warenfläche, Beratungszonen, Kundenflächen
sowie sonstige Flächen (vgl. Abb. 10.2).
Auf der Warenfläche werden die Waren auf Paletten, Ständern, Regalen oder anderen
Warenträgern präsentiert. Zu diesen Flächen gehören auch Sonderplatzierungen (z. B.
für bestimmte Themen), auf denen das Angebot häufig variiert und die oft für Zweit-
platzierungen genutzt werden (z. B. Süßwaren zu Weihnachten). Dieser dynamische Teil
der Warenfläche ist deswegen bedeutsam, da der Kunde Variationen begrüßt und der
Händler hier über eine flexible Ressource verfügt, die er kurzfristig und regelmäßig zur
Kundenakquise nutzen kann. Der Anteil dieser dynamischen Flächen sollte nicht zu groß
sein, da der Kunde sonst Probleme bekommt, sich im Laden zu orientieren.
Beratungszonen liegen außerhalb des Kundenstroms, um diesen nicht zu behindern.
Ihr Flächenanteil hängt von der gewählten Betriebsform ab. Ist diese sehr beratungs-
intensiv, sollte dies bei der Ladenplanung beachtet werden. Im Automobilhandel finden
sich solche Zonen oft in den Büroräumen der Angestellten. Im Möbelhandel sind diese
oft in den Verkaufsraum integriert.
Schließlich ist die Kundenfläche dem Kunden vorbehalten, um die gewünschten Arti-
kel zu erreichen. Kundengänge, Rolltreppen, Aufzüge, Ruhezonen etc. zählen zu diesen
Bereichen. Besondere Bedeutung hat die Gestaltung und Untersuchung der Kunden-
gänge erfahren. Ein Instrument, um zu identifizieren, ob die Gestaltung der Kunden-
gänge optimal ist, sind sogenannte Kundenlaufstudien (vgl. Schröder 2012, S. 27). Hier
wird untersucht, wie der normale Kundenlauf ist und ob dieser noch optimiert wer-
den kann. Den größten Teil der sonstigen Flächen machen die Personal-, Kassen- und
Thekenflächen aus.
Den letzten grundlegenden Entscheidungsbereich bezüglich des Ladenlayouts bildet
die Frage nach der konkreten Anordnung der Warenträger. Ziel dieser Entscheidungen
ist es zum einen, dem Kunden einen möglichst großen Teil des Sortiments zu präsentie-
ren, und zum anderen, die Verweildauer des Kunden, z. B. durch sogenannte „Zwangs-
führungen“ nicht unnötig zu verlängern, da dies nachteilige Wirkungen auf die
Kundenzufriedenheit haben kann. Bei der Gestaltung der Einkaufsstätte ist aus handels-
betrieblicher Sicht an dieser Stelle somit grundsätzlich zu beachten, dass der Kunde den
Besuch der Einkaufsstätte positiv wahrnimmt. Denn diese bewusste oder unbewusste,
positive Wahrnehmung hat unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf sein Kauf-
verhalten. Unmittelbar ist eine positive Wahrnehmung deswegen erfolgsrelevant, weil es
einen Zusammenhang zwischen dem Betrag, den ein Kunde in einer Einkaufsstätte aus-
gibt und der sogenannten „Verweildauer“, d. h. der Zeit, die der Kunde im Markt ver-
bleibt, gibt (vgl. Zielke 2003). Mittelbar ist die Gestaltung der Einkaufstätten in diesem
Zusammenhang deswegen erfolgskritisch, weil die beim Einkauf unbewusst empfun-
denen Emotionen und Gefühle eine positive Wirkung auf die Marke des Handelsunter-
nehmens haben, die dann bei künftigen Entscheidungen über die Einkaufsstätte von
Bedeutung ist. Insofern befindet sich der Ladenplaner stets im Trade-off zwischen kur-
zer und langer Verweildauer. Zudem muss er beachten, dass die wahrgenommene Orien-
tierung des Kunden einen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben kann. Es kann
daher Sinn machen, zur Optimierung der Regalbelegungspläne nicht nur den kognitiven
Strukturen der Kunden Rechnung zu tragen (vgl. Kinateder 1989, S. 86 ff.; Zielke 2001,
S. 100 ff.) sondern auch affektive Aspekte zu berücksichtigen (vgl. Krampe et al. 2018).
Insbesondere mit Blick auf das nachfolgende Kapitel ist die Anordnung der Warenträger
nicht gänzlich unabhängig von der Warenplatzierung zu bearbeiten. Je nach Warengruppe
(z. B. Obst und Gemüse; Aktionsware) bieten sich unterschiedliche Anordnungen an.
Generell sind bei der Anordnung der Warenträger zwei geometrische Grundmuster
möglich, die auch kombiniert werden können (vgl. Abb. 10.3): die Längs- und die Quer-
platzierung. Bei Querverbindungen existieren sehr viele Warenträgerköpfe, was die Kunden
zu Impulskäufen animieren kann. Allerdings ist das System unübersichtlich und kann daher
negative Wirkungen auf die Kundenzufriedenheit haben. Dies gilt besonders für gelenkte
Zwangläufe (vgl. Birker und Voss 2000, S. 56). Das Längssystem hingegen gewährleistet
eine bessere Kundenbeobachtung, reduziert aber die Wahrscheinlichkeit von Impulskäufen.
10.3 Warenplatzierung 309
WAR E NTR Ä G E R
W W W
A A A
R R R WAR E NTR Ä G E R
K u n d e n la u f
E E E
N N N
T T T
WAR E NTR Ä G E R
R R R
Ä Ä Ä
G G G
E E E WAR E NTR Ä G E R
R R R
WAR E NTR Ä G E R
Längsplatzierung Querplatzierung
10.3 Warenplatzierung
10.3.1 Raumzuteilung
Die Warenplatzierung beschäftigt sich mit der Frage der quantitativen Raumaufteilung
der Verkaufsflächen einschließlich der Regalflächen (vgl. Schröder 2012, S. 158; Tietz
1993, S. 462 ff.). In ihrem Kontext werden die Raumzuteilung und die Aufteilung der
Regalkapazität diskutiert.
Die Raumzuteilung regelt die Aufteilung der Verkaufsfläche auf Warengruppen und
Artikel. Die informatorische Basis bilden oft empirische Kundenlaufstudien. Bei die-
sen Studien wird das Verhalten der Kunden am PoS beobachtet, um zu erfahren, welche
Wege der Kunde normalerweise wählt. Im Ergebnis konnten solche Studien bis heute
die folgenden Erkenntnisse liefern, die quasi den Charakter von Faustregeln haben (vgl.
Schröder 2012, S. 169 f.; Birker und Voss 2000, S. 56 ff.):
1. Kunden screenen das Sortiment zunächst senkrecht und orientieren sich an Anker-
artikeln, z. B. bekannten Markenartikeln (vgl. Mewis 2004, S. 78).
2. Kunden blicken und greifen in der Regel zuerst nach rechts, sie haben gewissermaßen
einen „Rechtsdrall“. Immer wenn ein Bild erfasst wird, wandert der Blick von links
nach rechts und bleibt rechts ein paar Sekunden haften.
310 10 Die Präsentationspolitik
3. Kunden sind bequem. Sie bevorzugen die kürzesten Wege und sparen Ecken und die
Ladenmitte aus.
4. In den Eingangszonen laufen Kunden relativ schnell, da sie von der Straße ein schnelle-
res Tempo mitbringen. In mittleren Zonen, wenn sie sich an den Laden gewöhnt haben,
reduzieren sie ihr Tempo, um dieses in der Nähe der Kassenzone wieder zu erhöhen.
Aus diesen Beobachtungen lassen sich Zonen ableiten, denen der Kunde mehr oder
weniger starke Aufmerksamkeit schenkt. Demzufolge unterscheidet man verkaufsstarke
und verkaufsschwache Zonen.
Zu den verkaufsstarken Zonen gehören erfahrungsgemäß die Zonen, die rechts vom
Kundenlauf liegen, insbesondere die Außengänge, Kassenzonen, sofern der Kunde dort
warten muss, und Orientierungspunkte im Laden (z. B. Gangkreuzungen).
Verkaufsschwache Zonen sind hingegen Bereiche, die links vom Kundenlauf liegen,
Mittelgänge des Verkaufsraums, die Eingangszone, weil sie schnell durchlaufen wird,
sowie Ecken. Die Stärke der schwachen Zonen lässt sich durch geeignete Maßnahmen
zum Teil erhöhen. So installieren Händler häufig am Eingang langsam öffnende Dreh-
kreuze oder Eingangstüren, um die Kundengeschwindigkeit in der Einkaufszone zu redu-
zieren. Darüber hinaus werden in dieser Zone oft Stopper aufgebaut, die aus besonders
interessanten Angeboten bestehen können. Auch hochfrequentierte Shops (im Lebens-
mittelbereich zum Beispiel Tchibo-Shops), die vom Kunden bewusst aufgesucht werden,
können diese Stopper-Funktion erfüllen.
10.3.2 Regalzuteilung
1. Reckzone (über 160 cm): Diese Zone ist weniger verkaufsintensiv und sollte für leich-
tere Artikel vorgesehen werden.
2. Sichtzone (120 bis 160 cm): Artikel dieser Zone genießen die größte Aufmerksam-
keit. Demzufolge ist diese Zone besonders verkaufsintensiv („eye-level is buy-level“).
Plätze in der Sichtzone sind daher für Markenartikelhersteller von besonderem Inter-
esse. Der Händler platziert hier häufig die Artikel mit den höchsten Deckungsspannen.
3. Greifzone (80 bis 120 cm): Auch diese Zone ist noch verkaufsintensiv. Oft werden
hier Spezialitäten platziert, die gut kalkuliert sind und eine akquisitorische Wirkung
haben.
4. Bückzone (bis 80 cm): Dieser Bereich ist weniger verkaufsstark. Hier sollten schwere,
voluminöse Artikel (z. B. Windeln, Getränkekisten) platziert werden. Oft findet man
hier auch ertragsschwache Artikel und No-Names.
10.4 Warenpräsentation 311
Die dargestellten Platzierungshilfen sagen jedoch noch nichts über die konkrete Platzie-
rung im Regal aus. Diesbezüglich lassen sich verschiedene Platzierungsmöglichkeiten
unterscheiden, von denen die folgenden drei wohl die wichtigsten darstellen und des-
wegen hier erwähnt werden sollen:
1. Herstellerblock: Hier sind sämtliche Artikel eines Herstellers, die gelistet sind, prä-
sentiert (z. B. Milka). Der Hersteller präferiert diese Platzierung deswegen, weil sie
ihm eine möglichst gute Darstellung seines Absatzprogramms ermöglicht.
2. Produktblock: Hierbei werden ähnliche Produkte ohne Rücksichtnahme auf die jewei-
ligen Hersteller zusammengestellt. Den Herstellern ist diese Platzierung oft nicht so
angenehm, da sie den Kunden den Preisvergleich ermöglicht.
3. Kreuzblock: Der Kreuzblock besteht aus horizontal angeordneten Artikelgruppen
(z. B. Hautpflegemitteln), innerhalb derer verschiedene vertikale Produzentenblöcke
gebildet werden (z. B. Nivea, bebe). Diese Art der Regalaufteilung wird von den Kun-
den als besonders logisch empfunden (vgl. Birker und Voss 2000, S. 59).
10.4 Warenpräsentation
1. Fantasiefenster: Diese sind häufig themenorientiert gestaltet (z. B. „Alles für die Rad-
tour“, „Alles für den italienischen Abend“, „Alles für den Schulanfang“).
2. Plakatfenster: Hier handelt es sich meist um reine Plakatwerbung, die evtl. durch eine
kleine Artikelauswahl ergänzt werden kann.
3. Stapelfenster: Hier werden größere Warenmengen einer Warengruppe dargestellt
(z. B. Herrenhemden, Schuhe)
4. Übersichtsfenster: Diese geben einen Überblick über das gesamte Sortiment des
Händlers (z. B. bei Juwelieren).
312 10 Die Präsentationspolitik
Bisher liegen nur wenige wissenschaftliche Studien zur Wirkung von Schaufenstern vor
(vgl. Fließ et al. 2005, S. 26). Man geht aber davon aus, dass Schaufenster kognitiv und
emotional auf den Kunden wirken. Der kognitive Effekt basiert auf der Informations-
funktion und dürfte daher in einer frühen Phase des Kaufentscheidungsprozesses, in dem
die Kunden gezielt nach Informationen suchen, wirken. So untersuchen Edwards und
Shackey (1992) die Wirkung von Schaufenstern einer englischen Drogeriekette mit dem
Ergebnis, dass Design und Größe des Fensters einen Einfluss auf die Kaufentscheidung
haben (vgl. Edwards und Shackey 1992). Den emotionalen Aspekt untersuchen Fließ
et al. (2005) auf Basis eines S-O-R-Modells. Sie verwenden dazu die Pleasure-Arousal-
Skala und messen das Kaufverhalten über zwei Items. Insgesamt wurden 173 Personen
in einer deutschen Großstadt befragt. Im Ergebnis können Fließ et al. (2005) einen
signifikanten Zusammenhang zwischen den durch das Schaufenster vermittelten Emotio-
nen und dem Kaufverhalten der Konsumenten ermitteln (vgl. Fließ et al. 2005, S. 29 f.).
Trotz dieser vereinzelten Ansätze, sich dem Thema wissenschaftlich zu nähern, lässt
sich festhalten, dass die Präsentationspolitik für das Handelsmarketing zwar ein wich-
tiges, aber relativ schlecht strukturierbares Entscheidungsfeld darstellt, in dem noch
erheblicher Forschungsbedarf besteht. Im Kern ist es problematisch, dass die Wirkungen
einzelner Maßnahmen auf die Erreichung des übergeordneten Unternehmensziels nur
sehr schwer isoliert und daher kaum valide und reliabel gemessen werden können. Inso-
fern ist der Marketingmanager hier oft auf die Anwendung der skizzierten Faustregeln
und Heuristiken sowie auf die Zusammenarbeit mit Spezialisten (z. B. Ladenbauer,
Innenarchitekten) angewiesen. Impulse werden hier aber durch das bereits skizzierte
Category Management gesetzt, das die Bereiche der Sortimentspolitik und Waren-
präsentation miteinander verbindet (vgl. Zielke 2001, S. 100 ff.).
• Raumgestaltung
• Ladeneinrichtung
• Farbgestaltung
• Dekoration
• Beleuchtung
• Raumumfeld (z. B. Musik, Raumtemperatur, Gerüche) (vgl. Berekoven 1995, S. 284).
10.5 Gestaltung der Einkaufsatmosphäre 313
Ziel der Gestaltung des inneren Erscheinungsbildes ist es, den Konsumentenzielgruppen
eine angenehme und kaufanreizende Umgebung zu vermitteln (vgl. Hansen 1990, S. 306).
Im Rahmen der Raumgestaltung wird über das grundsätzliche Ladenlayout ent-
schieden (z. B. nach Feng-Shui-Kriterien, ob runde oder strenge Formen benutzt werden
sollen, etc.). Die Vorgaben der Raumgestaltung werden dann durch die Ladeneinrichtung
(Regale, Warenträger, Ruhezonen, etc.) umgesetzt. Die dabei angewendete Farb-
gestaltung hat einen großen Einfluss auf die Atmosphäre der Einkaufsstätte. Beispiels-
weise wird „rot“ als eher stimulierend und aktiv wahrgenommen, wohingegen „grün“
oder „blau“ eine eher ruhige Atmosphäre ausstrahlen. Dementsprechend sind vor allem
anregende Farben für die Gestaltung des Umfeldes von Impulsartikeln geeignet.
Zur Dekoration zählen alle Gegenstände, die eine schmückende Funktion ausüben
und nicht zum Sortiment gehören. Dekorationsgegenstände können einerseits wech-
selnde, themengebundene Einkaufserlebnisse schaffen und andererseits Bestandteil der
allgemeinen Ladenatmosphäre sein (z. B. Pflanzen oder Bilder). Dekorationsgegenstände
dienen vornehmlich dazu, die Einkaufsatmosphäre positiv zu unterstreichen.
Hinsichtlich der Beleuchtung von Einkaufsstätten existieren mittlerweile zahlreiche
Studien, die den Einfluss auf das Kaufverhalten untersuchen. Wesentliche Erkenntnisse
dieser Studien sind vor allem, dass eine hellere Beleuchtung zu längeren und häufigeren
Kundenkontakten mit der Ware führt als eine gedämpfte Beleuchtung (vgl. Summers und
Herbert 2001, S. 145 ff. und die dort angegebene Literatur; Spence et al. 2014, S. 472 ff.).
Die fortschreitende Technologisierung führt ebenfalls in der Gestaltung der Einkaufs-
atmosphäre zu einer Veränderung. Zunehmend kommen neue digitale Konzepte in der
Raumgestaltung zum Einsatz. So hat der Juwelier Christ bspw. im Jahr 2017 einen Store
mit zahlreichen digitalen Elementen in Hamburg eröffnet. Neben digitalen Schaufenstern
mit wechselnden Bewegtbildern und Angeboten können Kunden bspw. Schmuckstücke
per Augemented Reality anprobieren und in der Filiale abholen. Ein weiteres Beispiel
zeigt die Kooperation zwischen Ebay und Rebecca Minkoff. Die Unternehmen haben
u. a. einen Smart Mirror entwickelt, der eine mittels Touchscreen gesteuerte Anprobe
und einen PayPal-Checkout innerhalb weniger Sekunden ermöglicht. Selbst wenn
das gewünschte Kleidungsstück nicht mehr verfügbar ist, kann es am „Spiegel“ direkt
bestellt und nach Hause geliefert werden.
Ziel dieser digitalen Konzepte in der Raumgestaltung ist es, eine moderne und inno-
vative Einkaufsatmosphäre zu gestalten. Des Weiteren soll allerdings auch eine Ver-
schmelzung der jeweiligen Absatzkanäle (stationäre und online) erfolgen, sodass
Medienbrüche innerhalb des Kaufprozesses minimiert werden (vgl. insbes. Kap. 13).
Darüber hinaus werden in diesem Zusammenhang auch die im zweiten Kapitel
beschriebenen neurowissenschaftlichen Methoden zunehmend eingesetzt. Die damit
angesprochene Shopper Neuroscience (vgl. Krampe et al. 2017; Krampe et al. 2018)
verfolgt das Ziel einer systematischen Integration von neurowissenschaftlichen Theo-
rien, Methoden und Erkenntnisse in die Käuferverhaltensforschung am PoS. In diesem
Zusammenhang zeigen erste Forschungsergebnisse, dass die Anwendung neurowissen-
schaftlicher Methoden signifikant zur Varianzaufklärung beitragen kann (vgl. Venkatraman
et al. 2015; Gier et al. 2018; Kopton und Kenning 2014; Krampe et al. 2018).
314 10 Die Präsentationspolitik
So scheint es möglich, Informationen, die mit Hilfe der Theorie des regulatorischen
Fokus formuliert wurden (vgl. Crowe und Higgins 1997), so zu kommunizieren, dass
neurophysiologische und oftmals unbewusst ablaufende Wahrnehmungsprozesse inter-
feriert werden können (vgl. Gier et al. 2017, 2018). Im Rahmen einer Forschungsarbeit
wurden hierzu verschiedene Kommunikationen im Kontext von Tierhaltungsmethoden
im Promotionsfokus oder Präventionsfokus formuliert. Der Promotionsfokus ist dadurch
gekennzeichnet, dass er Erfolge einer Maßnahme in den Vordergrund stellt. Im Gegen-
satz dazu ist es Merkmal des Präventionsfokus, dass dieser Sicherheits- und Schutz-
aspekte thematisiert. So zeigen vorläufige Ergebnisse, dass der ventromediale präfrontale
Kortex (vmPFC), eine Hirnregion, welche unter anderem eine zentrale Rolle bei
Bewertungsprozessen spielt, dann eine stärkere Aktivität aufweist, wenn die Information
im Promotionsfokus im Kontrast zum Präventionsfokus formuliert war (vgl. Gier et al.
2018). Demzufolge erzeugt eine Information, welche sich auf Erfolge, Errungenschaften
und Verbesserungen fokussiert, eine stärkere neurale Reaktion in Hirnregionen, welche
mit emotionalen Bewertungsprozessen assoziiert sind (vgl. Bartra et al. 2013; Plassmann
und Weber 2015). Dies lässt vermuten, dass durch eine effektive Kommunikation die
emotionale Wertung der beschriebenen Entität erhöht werden kann, was sich eventuell in
Einstellungs- und/oder Verhaltensänderungen manifestiert.
In einer weiteren neurowissenschaftlichen Studie wurde schließlich mittels der funk-
tionalen Nah-Infrarot-Spektroskopie („fNIRS“) die neurale Reaktion von Konsumenten
auf verschiedene PoS-Kommunikationselemente bemessen (vgl. Krampe et al. 2018).
Die damit angesprochene Forschungsrichtung der Shopper Neuroscience steht aber
zweifelsohne noch ganz am Anfang (vgl. Krampe et al. 2018).
Kontrollfragen
1. Skizzieren Sie die einzelnen Gestaltungsbereiche der Präsentationspolitik.
2. Welche Ziele verfolgt die Präsentationspolitik? Welche Bestimmungsfaktoren beein-
flussen die Zielerreichung?
3. Welche Entscheidungsbereiche ergeben sich im Rahmen der Festlegung des grund-
legenden Layouts?
4. Was versteht man im Handel unter verkaufsstarken und verkaufsschwachen Zonen?
5. Welche Ziele verfolgt die Warenpräsentation?
6. Erläutern Sie die einzelnen Aktionsparameter zur Gestaltung der Einkaufsatmosphäre.
Welches Ziel wird verfolgt?
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Die Kommunikationspolitik
11
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 317
D. Ahlert et al., Handelsmarketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55241-0_11
318 11 Die Kommunikationspolitik
Zielperson
Unternehmen Werbemittel Werbeträger Umworbener
Enkodierung Dekodierung
wird zu einer Nachricht (bspw. einer Anzeige) verschlüsselt. Mittels eines Werbeträgers
wird diese Nachricht zum Rezipienten übertragen und von diesem dekodiert, d. h. über-
setzt und interpretiert (vgl. Schweiger und Schrattenecker 2017, S. 12 f.).
In diesem Zusammenhang ist eine erste Aufgabe der Kommunikationspolitik im
Rahmen des Handelsmarketing die planmäßige Gestaltung und Übermittlung von
Informationen an marktrelevante Adressaten, um diese zieladäquat im Sinne der Erfolgs-
ziele der Unternehmung zu beeinflussen (vgl. Bänsch 1995, Sp. 1187). Werbung hin-
gegen lässt sich verstehen als versuchte Verhaltensbeeinflussung, die mittels bezahlter
Kommunikationsmittel erfolgt, von einem erkennbaren Sender ausgeht und sich an ein
breites Publikum richtet (vgl. Kroeber-Riel 1995, Sp. 2692 sowie ähnlich Barth et al.
2015, S. 217). Somit ist Werbung als Bestandteil der kommunikationspolitischen Maß-
nahmen der Unternehmung aufzufassen, dargestellt in der Abb. 11.2.
Während Public Relations als Zielsetzung die Schaffung eines möglichst positiven
Bildes der Unternehmung in der Öffentlichkeit hat, zielen Verkaufsförderung und Wer-
bung direkt auf den Absatzerfolg (vgl. Behrens 1996, S. 5). Die Abgrenzung zwischen
Werbung und Verkaufsförderung hingegen ist weniger trennscharf und hat in Zeiten
der digitalen Kommunikation (z. B. im Kontext des „Influencer Marketing“) zusätzlich
an Trennschärfe verloren. Während Verkaufsförderung zeitlich befristete Maßnahmen mit
11.2 Ziele und Strategien der handelsbetrieblichen Kommunikation 319
Kommunikationspolitische Maßnahmen
persönliche unpersönliche
Kommunikation Kommunikation
Persönlicher Verkauf
Aktionscharakter umfasst (vgl. Gedenk 2002, zit. in Homburg 2017, S. 734), zielt Wer-
bung eher auf die langfristige Beeinflussung psychischer Größen ab (vgl. Behrens 1996,
S. 5). Die sonstigen Maßnahmen unpersönlicher Kommunikation umfassen bspw. das
Sponsoring, das Product Placement und das Event-Marketing (vgl. bspw. Woisetschläger
et al. 2017). Aufgrund ihrer hohen praktischen Bedeutung werden im folgenden
Abschnitt Maßnahmen der (Massen-) Werbung und der (unpersönlichen) endkunden-
bezogenen Verkaufsförderung des Einzelhandels vorgestellt.
Image
Bekanntheit Präferenz
Rendite
Zufriedenheit
Deckungs-
Kundenbindung beitrag/
Gewinn
Wieder- Markt-
Kauf Umsatz
kauf anteil
Kosten
Märkten über eine Vielzahl von Standorten ihre entsprechenden lokalen Bekanntheiten
erreicht haben. Dies gilt insbesondere für die Systeme, die in die Distribution schnell
drehender Konsumgüter („Fast-Moving-Consumer-Goods“) eingeschaltet sind, also
z. B. Lebensmittelhändler wie Edeka, Rewe, Lidl, Aldi etc. (vgl. Morschett et al. 2010).
Gleichwohl gibt es im Bereich des Mobile- und Electronic-Commerce (vgl. insbesondere
Kap. 13) neuere Handelsakteure, deren Ziel darin besteht, Angeboten zunächst hin-
reichende Bekanntheit zu verschaffen. Ein Beispiel hierfür ist die mit hohem Werbe-
druck in den deutschen Markt eingeführte Marke „Zalando“. Die Kampagne „Schrei vor
Glück“ steigerte die ungestützte Markenbekanntheit des Online-Schuhhauses innerhalb
von sechs Monaten von drei auf 30 % (vgl. o. V. 2011).
Eng mit dem Ziel der Bekanntheit verbunden ist die Zielstellung, dem Handelssystem
ein entsprechendes Image zu verschaffen. Images können als mehrdimensionale Ein-
stellungskonstrukte definiert werden. Sie entsprechen inneren Bildern, die der Kunde
von den Unternehmen bzw. Handelsleistungen hat (Meffert et al. 2015, S. 118). Im
Idealfall sollen Images a) den Präferenzen der Kunden entsprechen und b) das jewei-
lige Handelssystem vom Wettbewerb unterscheiden. Tatsächlich ist die Differenzierung
vom Wettbewerb im Handel oft nicht dauerhaft. In Folge entsprechender Imitationen
bilden sich langfristig aber häufig oligopolistische Strukturen, die einen Einfluss auf die
Kommunikationspolitik derart haben können, dass wettbewerbsvergleichende Komponen-
ten in der Kommunikation an Bedeutung gewinnen. So weisen bspw. im LEH viele Händ-
ler regelmäßig darauf hin, dass ihre Preiseinstiegsmarken dem Preisniveau der Discounter
322 11 Die Kommunikationspolitik
entsprechen. Darüber hinaus lässt sich aber auch regelmäßig beobachten, dass innovative
Händler den Versuch unternehmen, bestimmte, sich erst entwickelnde Zielgruppen anzu-
sprechen und neue Artikel unter eigenen Marken („Handelsmarken“) einzuführen (vgl.
hierzu auch Kap. 5).
Ziel kommunikationspolitischer Maßnahmen aus ökonomischer Sicht ist es, den Kun-
den zum Kauf zu bewegen. Die Kaufentscheidung stellt somit die Schnittstelle zwischen
den psychografischen und den ökonomischen Zielgrößen dar. Aus dem tatsächlichen
Kauf resultiert die im vorökonomischen Bereich anzusiedelnde Kundenzufrieden-
heit (vgl. auch Kap. 2 und 12). Diese entsteht aus dem psychischen Vergleichsprozess
zwischen den Erwartungen des Kunden (z. B. an einen bestimmten Artikel) und sei-
nen Erfahrungen. Generell gilt dabei, dass die Kunden dann zufrieden sind, wenn ihre
Erwartungen mindestens erfüllt werden. Aus Zufriedenheit entsteht zudem das Gefühl,
dem Händler vertrauen zu können (vgl. Kenning 2001, 2002).
Auch im ökonomischen Bereich wirkt sich Kundenzufriedenheit positiv aus, da Kun-
den, die auf Dauer an das Unternehmen gebunden werden können, zum einen höhere
Umsätze mit einem bestimmten Händler realisieren (vgl. allgemein Reichheld und
Sasser 1990 sowie spezifisch Vogel et al. 2008), zum anderen weniger Kosten ver-
ursachen (z. B. im Rahmen einer Beratungsinanspruchnahme, vgl. Haas und Kenning
2008). Zudem geht mit einer höheren Kundenzufriedenheit und -bindung oft eine Stei-
gerung des Marktanteils einher, was wiederum positive Effekte für die im Handel oft
besonders bedeutsamen Einkaufskonditionen haben kann. Es verwundert daher nicht,
dass viele Händler dem Kundenzufriedenheitsmanagement eine besondere Bedeutung
beimessen und regelmäßig Kundenzufriedenheitsstudien durchführen.
Um die genannten Ziele zu erreichen, können Händler, aufbauend auf entsprechenden
Situationsanalysen, unterschiedliche Strategien verwenden. Strategien können als Maß-
nahmenbündel zur Erreichung eines bestimmten Sollzustands verstanden werden. Die im
Handel üblichen Strategien können nach verschiedenen Kriterien unterschieden werden,
die hier nicht vollständig entfaltet werden können und die zudem im Wettbewerb auch
immer wieder neu entdeckt werden. Eine Möglichkeit besteht aber darin, die Stufigkeit
der Strategien als Unterscheidungsmerkmal zu nutzen. Demzufolge ließen sich einstufige
von mehrstufigen Kommunikationsstrategien unterscheiden (vgl. Abb. 11.4).
Merkmal einstufiger Kommunikationsstrategien ist die direkte Fokussierung auf den
Verbraucher (z. B. durch ein persönliches Couponing). Im Gegensatz dazu umfassen zwei-
und mehrstufige Kommunikationsstrategien auch die etwaige multiplikative Bedeutung
der Werbesubjekte (z. B. durch Weiterempfehlungen). Nicht immer lassen sich die jewei-
ligen Kommunikationsträger einer der beiden Strategien überschneidungsfrei zuordnen.
Gleichwohl lässt sich beobachten, dass im Handel mehrstufige Kommunikationsstrategien
aufgrund technologischer Entwicklungen an Bedeutung gewonnen haben. Beispiele hier-
für findet man im u. a. im Kontext des viralen Marketing, im Affiliate Marketing des
Online-Händlers Amazon oder aber im sogenannten F-Commerce, dessen Idee darin
besteht, die multiplikative Bedeutung einzelner Personen im Facebook-Netzwerk für
kommunikative Zwecke zu nutzen (vgl. Brock et al. 2011).
11.3 Kommunikationsmaßnahmen und ihre Bedeutung im Einzelhandel 323
1. Stufe 2. Stufe
Rückkopplung
Kontakt- Konsum-
botschaft demonstration
Verbraucher
Rückkopplung
Die Umsetzung der Strategien erfolgt im Handel durch eine Vielzahl einzelner Maß-
nahmen, die im Folgenden kurz skizziert werden sollen. Zunächst einmal können hier
klassischerweise die standortgebundenen Maßnahmen genannt werden. Diese las-
sen sich in Kommunikationsmaßnahmen in der Verkaufsstelle, auf der Ware und in der
Außenwerbung unterteilen.
Innerhalb der Verkaufsstelle wird im Schaufenster und Verkaufsraum geworben
(vgl. Müller-Hagedorn und Natter 2011, S. 400). So werben in hochfrequentierten
City-Lagen fast alle Unternehmungen auch im Schaufenster (vgl. Tietz 1993, S. 438;
Müller-Hagedorn und Natter 2011, S. 400). Im Verkaufsraum werben die Handelsunter-
nehmen mit Lautsprechermitteilungen (vgl. Müller-Hagedorn und Natter 2011, S. 435),
Informationstafeln und thematisch zum Produkt passend ausgestalteten Store-Designs
(vgl. Schmitz und Kölzer 1996, S. 311 ff.; Frechen 1998, S. 139 ff.).
Darüber hinaus kann auch die Präsentation der Ware selbst als Werbemaßnahme auf-
gefasst werden. Produktanmutung, Erscheinungsbild des Marktes und damit schließlich
das Kaufverhalten der Verbraucher werden durch unübersichtliche bzw. unordentliche
Warenpräsentation vielfach negativ beeinflusst (vgl. Fieder 2001, S. 45).
Unter Außenwerbung lassen sich werbliche Aktivitäten subsumieren, die im Freien
stattfinden wie bspw. Plakatanschlag und Verkehrsmittelwerbung (vgl. Berekoven 1995,
S. 241 f.). Besonders Plakate im City-Format erfreuen sich bei Handelsunternehmungen
steigender Beliebtheit, bspw. bei Karstadt, h&m und Media Markt (vgl. Berekoven
1995, S. 243). 2001 machte die Außenwerbung mit 467,3 Mio. EUR jedoch nur etwa
drei Prozent der gesamten Werbeumsätze aus (vgl. Bauer Media KG 2003, S. 4).
324 11 Die Kommunikationspolitik
2016 sind es bereits 1033 Mio. EUR, was auf eine Wertsteigerung dieses Maßnahmenbe-
reichs aufgrund der zunehmenden Mobilität der Konsumenten zurückzuführen ist (vgl.
Krieger 2012, S. 4 f.; ZAW 2017, S. 13).
Standortungebundene Maßnahmen umfassen den Bereich der Online-Werbung, Direkt
werbung und die sogenannte „klassische Werbung“, unter der Werbung in Insertions-/
Printmedien und elektronischen Medien (TV, Kino, Rundfunk) verstanden wird.
Unter dem Begriff der Online-Werbung sollen im Folgenden Werbemaßnahmen auf
Internet-Seiten und Werbung mittels E-Mail subsumiert werden. Die Werbung auf Inter-
net-Seiten umfasst Seiten mit Produktinformationen, Online-Shops, Sponsoring und
Banner-Werbung (vgl. Fritz 2017). Dabei hat sich der Stellenwert von Online-Werbung
für Handelsunternehmen verändert. So war diese Werbeform im Jahr 2016 mit den
zweithöchsten Bruttowerbeaufwendungen verbunden (vgl. EHI Retail Institute 2016a).
Bei Werbung mittels E-Mail hat vor allem der Newsletter eine große Bedeutung. News-
letter übermitteln Informationen über neue Produkte, Ankündigungen von Sonder-
aktionen und Angeboten sowie Aufforderungen zur Teilnahme an Gewinnspielen und
Umfragen (vgl. Matejcek 2002, S. 158).
Unter Direktwerbung wird die direkte Übermittlung einer Werbebotschaft in Form
eines selbstständigen Werbemittels ohne Hilfe eines anderen Werbeträgers verstanden
(vgl. Dallmer 2002, S. 8). Über den Postweg oder über sonstige Austräger zugestellte
Werbeprospekte werden vom Einzelhandel intensiv genutzt. Sie bieten jedoch keine
Response-Möglichkeit. Daher kann auch kein Wissen über die individuellen Wünsche
und Bedürfnisse der Kunden aufgebaut werden (vgl. Rensmann 2000, S. 14). Im Rahmen
von Coupon-Anzeigen, Werbebriefen, Werbe- und Antwortkarten und Katalogen lassen
sich unpersönliche Medien einsetzen, die durch das Angebot einer Response-Möglichkeit
direkte Werbemaßnahmen darstellen (vgl. Meffert 2002, S. 47). Der Einsatz von Kunden-
karten erlaubt eine bedürfnisgerechtere Ansprache der Zielgruppe, da die Stammdaten
der Kartenbesitzer und ihrer Kaufhistorie verfügbar sind (vgl. Mohme 1993, S. 60).
Durch persönliche Ansprache lassen sich die Werbewirkung und Akzeptanz beim Kun-
den sowie die Kundenbindung erhöhen. Darüber hinaus können die Wettbewerber die
Werbeaktivitäten nicht unmittelbar nachvollziehen und zielgruppengenau imitieren (vgl.
Mohme 1993, S. 61; Olbrich 1997, S. 144). Tendenziell ist der Streuverlust umso niedri-
ger, je persönlicher die Werbeaktivität ist (vgl. Lammers 2000, S. 24).
Die Werbung in elektronischen Medien wie Kino, Rundfunk und Fernsehen hat für
Einzelhandelsunternehmungen nach der Print-Werbung (48 %) die größte Bedeutung.
2016 entfielen auf diesen Bereich etwa 35 % der gesamten Netto-Werbeeinnahmen der
erfassten Werbeträger (vgl. ZAW 2017, S. 13). Während Hörfunk- und Kinowerbung
zusammen nur 5,5 % des Werbeaufkommens ausmachen, ist die Fernsehwerbung in
ihrer Bedeutung seit Jahren steigend (vgl. ZAW 2017, S. 13). Auf Handelsorganisationen
11.3 Kommunikationsmaßnahmen und ihre Bedeutung im Einzelhandel 325
ohne Spezialversender entfällt traditionell nur ein geringer Anteil des gesamten Werbe-
aufkommens, was sich primär mit dem starken Engagement der Konsumgüterhersteller
in diesem Werbesegment begründen lässt (vgl. VPRT 2017). So sind unter den Top 20
der Werbetreibenden im Fernsehen auch nur wenige Handelsunternehmen zu finden.
Einzelne Handelsunternehmen wie Lidl, Rewe, Media-Saturn oder Amazon haben ihre
TV-Werbeinvestitionen jedoch drastisch erhöht (vgl. VPRT 2017).
Die höchste monetäre Bedeutung für die Kommunikationspolitik des Handels haben
nach wie vor Printmedien wie Tageszeitungen, Anzeigenblätter oder Publikumszeit-
schriften (vgl. EHI Retail Institute 2016a). Allerdings verkleinert sich der Anteil die-
ser Instrumente stetig, sodass 2016 erstmals additive Werbeformen (z. B. Instore- und
Onlinewerbung) mehr Budget (52 %) erhalten haben als die klassische Printwerbung
(48 %) (vgl. EHI Retail Institute 2016b). Tab. 11.1 zeigt die zehn deutschen Handels-
unternehmen – Betriebstypen einer Handelsorganisation wurden nicht zusammengefasst –
mit den höchsten Werbeinvestitionen in den Jahren 2015 und 2016.
Neben der klassischen Anzeigenwerbung in Tageszeitungen, welche im Jahr 2016
etwa 16,5 % der erfassten Netto-Werbeeinnahmen umfasst (vgl. EHI Retail Institute
2016a), sind Anzeigenblätter sowie kostenlos verteilte Angebots-Handzettel und Bei-
lagenwerbung intensiv vom Handel genutzte Kommunikationsinstrumente. Durch die
Kombination der Beilage mit einem anderen Printmedium erreicht die Beilagenwerbung
höhere Akzeptanzwerte als Postwurf-Handzettel und wird von drei Vierteln der Emp-
fänger als nicht störend empfunden (vgl. Berekoven 1995, S. 237). Weitere Vorteile sind
die im Vergleich zur klassischen Anzeige umfangreiche Präsentationsfläche, auf der das
Angebot detailliert dargestellt werden kann, sowie die lose Bindung des Werbemittels,
Einem anderen
Umfangreiche
Lose Verbindung Informationsmedium
Präsentationsfläche
beigelegt
Handling-Vorteile Imagetransfer
Relativ geringe
• Selektionsmöglichkeit Belegungskosten
• leichteAufbewahrung
Ausreichend Platz für
• leichte Wiederholungs- Werbekostenzuschuss-
und Mehrfachnutzung finanzierte Industriewerbung
• leichte Mitnahme-
möglichkeiten
Nicht nur, aber auch aufgrund der Tatsache, dass viele Milliarden Prospektbeilagen pro
Jahr verbreitet werden, stellt sich die Frage nach dem Stand der Erfolgs- bzw. Wirkungs-
kontrolle von Werbemaßnahmen (vgl. Clancy und Stone 2005, S. 18). Im nächsten
Abschnitt wird daher eine Systematisierung der Ansätze der Werbeerfolgs- und Werbe-
wirkungsforschung vorgenommen. Zunächst sollen jedoch kurz die relevanten Begrifflich-
keiten erläutert werden.
Als Werbewirkung im weiteren Sinne kann jede Reaktion einer Zielperson auf Werbe-
stimuli interpretiert werden (vgl. Steffenhagen 1995, Sp. 2679). Als Werbewirkung im
engeren Sinne werden psychische Größen angesehen, während für die in ökonomischen
Dimensionen feststellbaren Folgen werblicher Maßnahmen der Begriff Werbeerfolg ver-
wendet wird. Die psychischen Vorgänge werden hierbei als dem Werbeerfolg vorgelagert
angesehen (vgl. Mayer 1990, S. 38; Abb. 11.6).
• Werbebegegnung
• emotionale Reaktionen
• Informationsaufnahme,
• Absatz
-verarbeitung und -speicherung
• Umsatz
• Akzeptanz der Botschaft
• Kostenreduktion
• Verhaltensabsicht
• Gewinn
• Kaufverhalten (Finale
Verhaltensreaktion)
Die Ansätze der Werbewirkungsforschung lassen sich analog zur Unterteilung der Werbe-
ziele in ökonomische und psychografische Werbewirkungsuntersuchungen gliedern.
Ökonomische Werbeerfolgsuntersuchungen prüfen die Rentabilität der Werbe-
investitionen. In der Regel fokussieren sie den Einfluss der Werbung auf den Umsatz
(vgl. Erichson und Maretzki 1993, S. 525). In Marktreaktionsmodellen werden Werbe-
maßnahmen, Preise und Verkaufsförderungsmaßnahmen direkt mit den beobachtbaren
Reaktionen im Markt wie Absatz, Umsatz sowie Marktanteil in Beziehung gesetzt (vgl.
Müller-Hagedorn und Natter 2011, S. 376 f.). Im Einzelnen werden die Entwicklung des
Umsatzes, das Verhältnis von Werbeaufwand zu Werbeertrag sowie mögliche Effekte der
Kombination aus Werbung und anderen Instrumenten des Marketing-Mix betrachtet (vgl.
Mayer 1990, S. 93 f.). Zur Verdeutlichung werden einige dieser Ansätze vorgestellt.
Bei artikelbezogenen Werbemaßnahmen können bspw. umsatzbezogene Ana-
lysen durchgeführt werden. Grundsätzlich werden hierbei die Umsätze vor und
11.4 Kommunikationseffizienz als wichtige … 329
Werbekontakt
schwache starke
Aufmerksamkeit Aufmerksamkeit
kognitive emotionale
Vorgänge Vorgänge
Einstellung
Kaufabsicht
Verhalten
unterschieden werden (vgl. Berekoven et al. 2009, S. 170 f.). Abb. 11.9 gibt einen
Überblick von auf Befragungen und Beobachtungen aufbauenden Verfahren der
Werbewirkungskontrolle.
Eine weitere Möglichkeit der Werbewirkungskontrolle stellen Expertensysteme dar.
Expertensysteme können als wissensbasierte Computerprogramme bezeichnet werden.
Sie speichern und verarbeiten Wissen, um Probleme auf einem spezifischen Fachgebiet
zu lösen (vgl. Esch 1994, S. 12). Expertensysteme umfassen zum einen eine Wissens-
basis, in der Fakten wie „die Wahrscheinlichkeit, dass die Marke A wiedergekauft wird,
ist 70 %“ und Erkenntnisse über das Zusammenwirken mehrerer Größen wie „sponta-
nes Markengefallen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Marke wiedergekauft wird“
gespeichert sind (vgl. Esch 1994, S. 14). Zum anderen dient eine Inferenzkomponente
dazu, Folgerungen aus dem gespeicherten Wissen zu ziehen, um das gestellte Prob-
lem zu lösen. Systeme wie ADEXPERT dienen zur Unterstützung der Gestaltung und
Bewertung von Werbung (vgl. Winter und Rossiter 1994, S. 81 f.). Das Expertensystem
11.4 Kommunikationseffizienz als wichtige … 333
kognitive emotionale
Aufmerksamkeit Beeinflussung
Kommunikation Kommunikation
zur Werbewirkungsanalyse (ESWA) ist ein regelbasiertes System, welches dem Nut-
zer Fragen zur untersuchten Werbemaßnahme stellt und diese mit dem gespeicherten
theoretisch-wissenschaftlichen Wissen zur Werbung abgleicht (vgl. Neibecker 1994,
S. 97 f.). Die Zielsetzung dieser Entwicklung lässt sich mit den Worten von John
McCann, zusammenfassen: „We don’t need information anymore, we need insights“
(vgl. Winters 1991, S. 74). Vermutlich auch deswegen hat sich in der neueren handels-
betrieblichen Praxis auch der Begriff „Consumer Insights“ etablieren können, der genau
diese erkenntnisorientierte Informationsgewinnung betont.
Kontrollfragen
1. Was versteht man unter dem Begriff der Kommunikation?
2. Skizzieren Sie in diesem Zusammenhang das klassische Kommunikationsmodell von
Lasswell.
3. Welche Aufgabe verfolgt die Kommunikationspolitik im Rahmen des Handelsmarketing?
4. Nennen Sie mögliche Kommunikationsmaßnahmen des Einzelhandels und erläutern
sie diese.
5. Worin unterscheidet sich die Werbewirkung vom Werbeerfolg?
6. Welches Ziel verfolgt die Werbewirkungskontrolle? In welche Kategorien lassen
sich die Verfahren der Werbewirkungskontrolle systematisieren?
334 11 Die Kommunikationspolitik
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338 12 Customer Relationship Management im Handel
In diesem Zusammenhang kristallisierte sich die Zufriedenheit des Kunden als zentrale
Determinante für eine langfristige Bindung von Kunden heraus und trägt damit unmittelbar
zum geschäftlichen Erfolg bei (vgl. bspw. Vogel et al. 2008; Homburg 2015). Wie bereits
im zweiten Kapitel dargelegt, liegen zahlreiche Forschungsarbeiten zur Messung von
Kundenzufriedenheit, aber auch zu deren Erfolgswirkungen vor (vgl. bspw. Anderson
und Sullivan 1993; Szymanski und Henard 2001). Die Kundenzufriedenheit wirkt dem-
entsprechend über die Kundenloyalität auf die Kundenbindung und letztendlich auf den
ökonomischen Erfolg (vgl. Abb. 12.1). Diese Wirkungskette wurde als Erfolgskette der
Kundenbindung bezeichnet und in zahlreichen Studien einer empirischen Überprüfung
unterzogen (vgl. bspw. Oliver 1980; 1999 und Evanschitzky und Wunderlich 2006).
Eine hohe Kundenzufriedenheit impliziert nach dieser Erfolgskette gleichzeitig
dauerhaft hohe Kostensenkungspotenziale im Bereich der Kundenbetreuung, beispiels-
weise durch weniger Reklamationen, Garantie- und Beschwerdefälle oder Senkung
der Beschwerdeeinzelkosten. Erfahrungswerte zeigen in diesem Zusammenhang, dass
zur Pflege loyaler Kunden ein fünf- bis achtfach niedrigeres Marketingbudget erforder-
lich ist als zur Neukundengewinnung. Zudem scheinen auch die Bindungswirkungen,
die von Kartenprogrammen ausgehen sollen, durch eine hohe Kundenzufriedenheit
positiv beeinflusst zu werden (vgl. Helm und Ludl 2005). Diese Ertrags- und Kosten-
wirkungen führen im Ergebnis zu einer Steigerung der erwirtschafteten Deckungsbei-
träge und zu einer Verbesserung der Gewinnsituation (vgl. auch Reichheld und Sasser
1990, S. 105 ff.).
Vor dem Hintergrund der erörterten Erfolgskette der Kundenbindung lässt sich die
Kundenzufriedenheit als Frühindikator der Absatzentwicklung kennzeichnen und ist als
ein bekanntes Phänomen dem Bereich des Environmental Monitoring zuzuordnen. Mit
diesen Überlegungen ist zusammenfassend festzuhalten, dass die Sicherung zukünftiger
Wettbewerbspositionen maßgeblich von einem systematischen und vertikal integrierten
Kundenbindungsmanagement mit dem Ziel der Schaffung und Erhaltung einer hohen
Kundenzufriedenheit abhängen wird. Aus dieser Feststellung ergibt sich unmittelbar,
dass die Messung des Erfolgsindikators Kundenzufriedenheit zur Basisaufgabe der
Marktforschung im Handel heranwachsen muss. Dem Handelsmarketing stellt sich fort-
während die Aufgabe, Entscheidungsträger über das Ausmaß der Kundenzufriedenheit,
die Gründe für Kundenzufriedenheit und die Ursachen einer Kundenunzufriedenheit zu
informieren. Das Spektrum der relevanten Fragestellungen ist für Handelsunternehmen
jedoch stets situativ bedingt, sodass kein allgemeingültiger Ansatz zu Erhebung der
Kundenzufriedenheit existiert.
Die Erfüllung der damit verbundenen Aufgaben setzt die frühzeitige Identifikation
einer kritischen Phase in einer Kundenbeziehung voraus. Ob klassische Erfolgskenn-
zahlen wie z. B. der Unternehmungsumsatz oder der Marktanteil als Feedback-Grö-
ßen des Absatzmarktes zur Beurteilung des Grades der produkt- und händlerbezogenen
Kundenzufriedenheit geeignet sind, ist in diesem Zusammenhang fraglich. Die Zweck-
mäßigkeit solcher Erfolgsgrößen erscheint umso problematischer, je länger sich die
Wiederkaufzyklen für ein Produkt bzw. eine Händlerleistung darstellen (z. B. Auto-
mobile, HiFi-Geräte, Haushaltsgeräte, Abendgarderobe, etc.). Für den Einzelhandel
bedeuten diese Überlegungen konkret, dass die traditionell an Absatzzahlen orientierte
Beurteilung des Unternehmungserfolges allein nicht mehr zielführend sein kann.
Für die Zufriedenheit der Kunden bzw. Konsumenten ist jedoch nicht nur die Ver-
kaufsphase maßgeblich, vielmehr haben alle am Wertschöpfungsprozess beteiligten Stu-
fen einen Einfluss auf die Zufriedenheitsbeurteilung des Kunden (vgl. hierzu Abb. 12.2).
In den letzten Jahren wurden weitere verhaltenswissenschaftliche Aspekte in die
Modelle der Kundenbindung integriert. Insbesondere sind hier die positive Wieder-
kaufintention sowie das Weiterempfehlungsverhalten zu nennen. Sowohl die Wieder-
kaufintention als auch das positive Weiterempfehlungsverhalten gegenüber Freunden
und Bekannten korrelieren hoch mit dem tatsächlichen Verhalten. Somit stellen beide
- ...
Konstrukte einen akzeptablen Indikator für die Bindung des Kunden und damit dem
zukünftigen geschäftlichen Erfolg dar.1
Homburg und Bruhn (2005, S. 8) verstehen vor diesem Hintergrund unter Kunden-
bindung „[…] sämtliche Maßnahmen eines Unternehmens, die darauf abzielen, sowohl
die Verhaltensabsichten als auch das tatsächliche Verhalten eines Kunden gegenüber
einem Anbieter oder dessen Leistungen positiv zu gestalten, um die Beziehung zu die-
sem Kunden für die Zukunft zu stabilisieren bzw. auszuweiten.“ Die Definition ver-
deutlicht, dass Kundenbindung sowohl aus nachfrager- als auch anbieterorientierter
Perspektive betrachtet werden kann.
Die anbieterbezogene Sicht der Kundenbindung umfasst insbesondere management-
bezogene Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Beziehung. Homburg und Bruhn
(2005, S. 8) definieren das Management der Kundenbindung aus anbieterbezogener
Sicht als „Analyse, Planung, Durchführung sowie Kontrolle sämtlicher auf den aktu-
ellen Kundenstamm gerichteter Maßnahmen mit dem Ziel, dass diese Kunden auch in
Zukunft die Geschäftsbeziehung aufrechterhalten oder intensiver pflegen.“ Ergänzend
hierzu umfasst die nachfragerbezogene Sicht dagegen eher kaufverhaltensrelevante und
intentionale Aspekte, wonach sowohl Einstellungs- als auch Verhaltenskomponenten in
das Konzept integriert werden.
Die Kundenbindung stellt somit einen zentralen Bestandteil des CRM dar und ist
ebenfalls eng mit den theoretischen Grundlagen verknüpft, die nachfolgend dargestellt
werden.
1Es muss betont werden, dass eine positive Intention nicht automatisch auch im Verhalten mündet.
So zeigen insbesondere Kaufverhaltensstudien im Bereich von Biolebensmitteln, dass zahlreiche
Barrieren existieren, die trotz bekundeter positiver Intention nicht im tatsächlichen Kauf enden
(vgl. bspw. Frank und Brock 2018).
12.1 Begriffliche und theoretische Grundlagen 341
2Vgl.bspw. Bruhn (2015, S. 21 ff.) für eine ausführliche Darstellung zur theoretischen Fundierung
des Relationship Marketing.
342 12 Customer Relationship Management im Handel
Im Mittelpunkt dieser Theorie steht das Entstehen von Verhaltensabsichten, die aus einer
wahrgenommenen Ungleichheit (inequity) interpersoneller Austauschprozesse resultie-
ren. Dabei geht die Equity-Theorie von der Annahme aus, dass Individuen die erhaltenen
Erträge (outcomes) mit den von ihnen erbrachten Leistungen (inputs) vergleichen, und
auf Basis dieses Input-Outcome-Verhältnisses die Austauschbeziehung als fair bzw. unfair
evaluieren (vgl. Adams 1963). Dabei liegt der Theorie die Annahme zugrunde, dass Indi-
viduen in sozialen Austauschbeziehungen Gerechtigkeit anstreben (vgl. Homburg und
Krohmer 2003, S. 123). Die empfundene Fairness hängt vom Verhältnis des geleisteten
Inputs und des erhaltenen Outcomes ab; jede Abweichung von einem ausgewogenen
Input-Outcome-Verhältnis wird als unfair empfunden. Eine Beziehung wird auch dann
als unfair bewertet, wenn eine der Parteien das Gefühl hat, dass die Gegenseite über-
proportional von der Beziehung profitiert. Jeder Beitrag, den eine Person in einer Aus-
tauschbeziehung leistet, wird als Input bezeichnet. Spätere Arbeiten zur Equity-Theorie
spezifizieren die Input-Komponente deutlicher und unterscheiden verschiedene Input-
Komponenten in unterschiedlichen Austauschbeziehungen (vgl. Walster et al. 1973,
S. 152). Im industriellen Kontext werden bspw. Kapital und Arbeitseinsatz, im sozialen
Kontext Freundlichkeit und persönliches Engagement als Input-Komponenten angesehen.
Die Beispiele verdeutlichen, welch breites Anwendungsspektrum die Equity-Theorie
eröffnet. In der Konsumentenverhaltensforschung findet die Theorie häufig im Kontext
von Kunden-Anbieter-Beziehungen Anwendung und dient insbesondere der Erklärung
unterschiedlichen Konsumentenverhaltens. In diesem Zusammenhang umfasst der Input
des Kunden bspw. Mühen und Zeit, aber auch Verbundenheit in Form von Anbieter-
treue und Loyalität. Hinsichtlich der Outcome-Komponente bezieht Adams seine Über-
legungen vorwiegend auf Austauschbeziehungen im industriellen Kontext. Allerdings
verdeutlichen bereits die Darstellungen zur Input-Komponente, dass spätere Arbeiten
den Grundgedanken der Equity-Theorie auf weitere Austauschbeziehungen übertragen.
In Kunden-Anbieter-Beziehungen umfasst das Outcome für die Kunden bspw. die
erhaltene Leistung und die damit verbundene Zufriedenheit. Im Falle eines nicht aus-
gewogenen Verhältnisses von Input und Outcome entsteht aufseiten der beteiligten Per-
sonen das Verlangen, diese Unausgewogenheit zu beseitigen. Die Reduktion des Inputs
und die Steigerung des Outcomes können sowohl durch faktische Verhaltensänderungen
als auch durch eine Einstellungsänderung erreicht werden. Wird eine Beziehung als sehr
ungerecht wahrgenommen und sieht die benachteiligte Person keine Möglichkeit, ein
ausgeglichenes Verhältnis wiederherzustellen, bricht die Person die Beziehung ab.
Die Ziele des CRM sind eng mit dem Kundenbeziehungslebenszyklus verknüpft (vgl.
hier und im Folgenden Ahlert und Hesse 2002). Dieser stellt die idealtypische Gesetz-
mäßigkeit im zeitlichen Verlauf einer Kundenbeziehung dar. Darauf basierend können
Ansatzpunkte für die jeweils einzusetzenden Maßnahmen des CRM identifiziert und
12.2 Ziele des Customer Relationship Managements 343
ergriffen werden. In Anlehnung an Bruhn (2015, S. 59 ff.) können die folgenden über-
geordneten Ziele identifiziert werden:
Ergänzend zum zweiten Kapitel dieses Buches, in dem die allgemeinen Informations-
grundlagen des Handelsmarketing behandelt wurden, werden hier nochmals die (kunden-
bezogenen) Informationsgrundlagen des CRM gesondert betrachtet (vgl. Kap. 2). Mit
Blick auf die zuvor abgeleiteten Ziele sollen zum einen der Informationsbedarf und zum
anderen mögliche Quellen zur Deckung dieses Informationsbedarfs exemplarisch identi-
fiziert und beschrieben werden.
Im Rahmen der Neukundenakquise besteht im Handelsunternehmen ein anderer
Informationsbedarf als bspw. zur Bindung der Bestandskunden. Insbesondere kommt an
dieser Stelle die Kritik aus dem zweiten Kapitel zum Tragen. Denn auch wenn der Händ-
ler vor Ort seine Kunden und die jeweiligen Wünsche sowie Bedürfnisse kennt, fehlen
jedoch oft Informationen über potenzielle Kunden. Diese Informationen sind essenziell
zur Akquise von Neukunden. So müssen einerseits Fragen zur aktuellen Positionie-
rung der Einkaufstätte beantwortet werden, um eine spezifische Ansprache potenzieller
Neukunden zu gewährleisten. Andererseits müssen ebenfalls potenzielle Bedürfnisse
sowie bestehende Kaufbarrieren potenzieller Kunden identifiziert werden. In diesem
Zusammenhang lauten relevante Fragestellungen beispielsweise wie folgt:
• Welches Image hat die Einkaufsstätte bei Kunden und Nichtkunden? Wie ist die Ein-
kaufsstätte im Vergleich zum Wettbewerb positioniert?
• Welche Marktsegmente und Zielgruppen können unterschieden werden?
• Welche Kaufbarrieren bestehen bzw. was hält potenzielle Kunden vom Kauf ab?
• Wird die Einkaufsstätte seitens der zufriedenen Bestandskunden an potenzielle Kun-
den weiterempfohlen?
Auch an dieser Stelle ließe sich die Aufzählung zu beantwortender Fragen nahezu
beliebig erweitern. Der Unterschied ist jedoch, dass in dieser Phase die Fragen mehr-
heitlich mit bereits vorliegenden Daten – in diesem Falle Sekundärdaten – beantwortet
werden können. Täglich werden Millionen von Transaktionsdaten der Kunden erfasst
und gesammelt. Hinzu kommen Kundendaten aus eigenen (z. B. Douglas Card, Sport-
scheck Clubcard) oder übergreifenden Prämienprogrammen (z. B. DeutschlandCard,
payback). Dem Handelsunternehmen liegt damit ein Datenfundus vor, der systematisch
ausgewertet werden muss. Ziel ist neben der Beantwortung der oben aufgeworfenen
Fragen die Befriedung und Weckung von Kundenbedürfnissen zur Steigerung des einzel-
nen Kundenwerts.
Zur Erreichung der letzten beiden Ziele – gefährdete Kundenbeziehungen erkennen
und stabilisieren sowie die Rückgewinnung abgewanderter Kunden – sind wiederum
andere Fragen zu beantworten und folglich auch andere Informationsbedarfe notwendig.
In diesem Zusammenhang wesentliche Fragestellungen lauten beispielsweise:
Diese Fragen können zum Teil mit bereits vorliegenden Daten des Händlers beantwortet
werden. Sowohl die Beschwerdequote als auch die Noncomplainerquote ist direkt
beobachtbar. Ebenfalls kann das Zufriedenheitsniveau direkt in der Einkaufsstätte
ermittelt werden. Viele Handelsunternehmen haben im Anschluss an die Kassenzone
bereits Systeme installiert, die es dem Kunden ermöglichen, mit wenigen Klicks ihre
Zufriedenheit oder auch Unzufriedenheit wiederzugeben (vgl. Abb. 12.4).
Darüber hinaus wird in manchen Einkaufsstätten aktiv Feedback durch das Personal
eingeholt. Während des Bezahlvorgangs wird bspw. gefragt, ob alles zur Zufriedenheit
abgelaufen ist oder ob alle gewünschten Artikel vorrätig waren. Allerdings können nicht
sämtliche notwendigen Informationen durch den Händler vor Ort generiert werden. Zusätz-
liche Informationsbedarfe müssen durch Marktforschungsstudien gedeckt werden, um bei-
spielsweise abgewanderte Kunden oder auch Noncomplainer, also Kunden, die sich trotz
eines negativen Vorfalls nicht beschweren, erreichen zu können (vgl. Brock et al. 2011).
346 12 Customer Relationship Management im Handel
12.3.2 Datenauswertung
Perioden
Abb. 12.5 Modell zur Berechnung des CLV. (Quelle: In Anlehnung an Gupta et al. 2006, S. 141)
Vor diesem Hintergrund wird der CLV häufig als Segmentierungs- und
Strukturierungsinstrument der Kundenbasis genutzt. Im Rahmen einer ABC-Analyse
wird bspw. die Kundenbasis in A-, B- und C-Kunden unterteilt. A-Kunden liefern bspw.
im Hinblick auf den CLV den höchsten Beitrag, gefolgt von B- und C-Kunden.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgen auch die bekannten RFM-Modelle im Versand-
bzw. Distanzhandel, die im stationären Handel aber oft noch eine Ausnahme bilden (vgl.
ähnlich Krafft und Rutsatz 2006, S. 684). Dabei steht das Akronym „RFM“ für „recency
of last purchase, frequency of purchase, and monetary value.“
Im Rahmen empirischer Studien konnte gezeigt werden, dass der Kundenwert mit der
Aktualität des letzten Kaufs (recency), der Häufigkeit (frequency) und dem monetären
Wert der bisherigen Geschäftsbeziehung (monetary value) positiv korreliert (vgl. Krafft
und Albers 2000). Auf Basis dieses Modells können Kunden wiederum in verschiedene
Segmente unterteilt werden. Ein konkretes Beispiel für einen solchen entwickelten
Ansatz bietet die in der Abb. 12.6 dargestellte Methode eines deutschen Distanzhändlers.
Verwendet ein Händler, aufbauend auf entsprechenden kundenindividuellen Daten,
einen RFM-Ansatz, gewinnen im Fortgang des Kundenmanagements insbesondere
Cross- und Up-Buying-Strategien an Bedeutung.
Neben diesem Ansatz dienen Metriken zur Messung von Cross-Buying und Up-Buy-
ing regelmäßig dem Ziel, die Kaufsumme des Kunden bei einzelnen Transaktionen und
bei nur unterproportionalen Kostenzuwächsen zu erhöhen.
12.3 Aufgaben des Customer Relationship Managements 349
Die wohl zentrale Kennzahl, die im Handel in diesem Kontext eingesetzt wird, ist
die Umsatzpotenzialausschöpfung oder auch Share-of-Wallet. Sie ist definiert als Rela-
tion des Umsatzes, den ein Kunde bzw. eine Kundengruppe in einer bestimmten Artikel-
gruppe bei einem bestimmten Händler tätigt, zu den gesamten Ausgaben des Kunden
bzw. der Kundengruppe in dieser Artikelgruppe (vgl. Schröder 2016).
Im Hinblick auf die Rückgewinnung abgewanderter Kunden sowie das Erkennen und
Stabilisieren gefährdeter Kundenbeziehungen haben Metriken zur Messung der Rück-
gabe bzw. Kundenbeschwerden im Handel aufgrund der relativ hohen betriebswirtschaft-
lichen Relevanz dieses Faktors insbesondere im Distanzhandel (z. B. Amazon, Otto,
Zalando) eine hohe Bedeutung. Wichtige Kennziffern sind hier die Retourenquote eines
Kunden sowie auf der aggregierten Ebene Kennzahlen im Kontext des Beschwerde-
managements, wie z. B. die Beschwerdezufriedenheit oder die Noncomplainerquote
(vgl. Brock et al. 2010). Dabei sind insbesondere drei Ebenen zu untersuchen, die nach
dem jeweiligen Analyseobjekt unterschieden werden können (vgl. Abb. 12.7):
Zunächst geht es um die Analyse des negativen Vorfalls z. B. hinsichtlich der Anzahl
sowie der Art und Ursache. Im Anschluss daran erfolgt die nähere Betrachtung der Non-
complainer, wobei zu beachten ist, dass diese Kundengruppe oft nur schwer zu erreichen
ist. Die dritte Ebene fokussiert dann die Gruppe der Kunden, die ihre Beschwerde gegen-
über dem Anbieter artikuliert (Complainer). Einerseits muss das Niveau der Zufrieden-
heit mit der Beschwerdebearbeitung gemessen werden, andererseits müssen die
Determinanten der Beschwerdezufriedenheit identifiziert werden.
Forschungsarbeiten zeigen in diesem Zusammenhang, dass durch eine exzellente
Bearbeitung der Beschwerde das Kundenbindungsniveau nach der Beschwerde ein höhe-
res Niveau erreichen kann als vor der Beschwerde. Dieses Phänomen wird auch als Ser-
vice Recovery Paradoxon bezeichnet (vgl. bspw. Brock 2010).
350 12 Customer Relationship Management im Handel
1. Marktforschungsspezifische Entscheidungsfelder
4.Analyseobjekt:Complainer
Nachdem bis zu dieser Stelle ein Überblick über die verschiedenen Verfahren und Metri-
ken gegeben wurde, die im (stationären) Einzelhandel grundsätzlich im Zusammenhang
mit dem CRM zum Einsatz kommen können, soll im Folgenden der Einsatz spezifischer
Instrumente in der Handelspraxis an einigen ausgewählten Beispielen verdeutlicht wer-
den. Im Rahmen der damit angesprochenen operativen Implementierung können im
CRM grundsätzlich drei Kategorien von Instrumenten unterschieden werden (vgl. Bruhn
2015, S. 191):
Die Individualisierung der Geschäftsbeziehung zielt darauf ab, dem Kunden eine lang-
fristig attraktive Beziehung zum Handelsunternehmen zu bieten. Dabei steht ins-
besondere die Befriedung kundenindividueller Bedürfnisse im Mittelpunkt möglicher
Marketingmaßnahmen.
Das zweite Handlungsfeld umfasst die Steigerung der Leistungsnutzung, um mög-
liche Zusatzkäufe (Cross- und Up-Selling) zu generieren. Mögliche Marketing-
instrumente sind in diesem Zusammenhang nicht überschneidungsfrei, daher werden
nachfolgend ausgewählte Beispiele für beide Handlungsfelder aufgezeigt.3
Zahlreiche stationäre Händler setzen zunehmend Loyalitätsprogramme – bspw. auf
Basis der Deutschlandcard oder der Paybackkarte – ein, um etwa das Kundenverhalten
hinreichend genau analysieren zu können. So werden einerseits dem Kunden individuelle
Angebote unterbreitet, andererseits aber auch monetäre und nicht monetäre Anreize über
Kontrollfragen
1. Definieren Sie den Begriff des Customer Relationship Marketing.
2. Skizzieren und erklären Sie die Erfolgskette der Kundenbindung.
3. Nennen Sie mögliche Ansatzpunkte für Einzelhändler die Zufriedenheit ihrer Kun-
den in den einzelnen Phasen des Verkaufsprozesses zu verbessern.
4. Erklären Sie, was man unter der Kundenbindung versteht. Gehen Sie dabei auf die
anbieter- und nachfragerbezogene Sicht ein.
5. Erklären Sie in Grundzügen die Dissonanztheorie.
6. Beschreiben Sie anschließend die Equity-Theorie.
7. Welche Ziele werden mit dem CRM verfolgt?
8. Nennen Sie die einzelnen Aufgaben des CRM.
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Multikanalmanagement
13
Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln das Marketing und damit verbundene Auf-
gaben vornehmlich aus der Perspektive des stationären Handels betrachtet wurden, wird
im Folgenden diese Perspektive erweitert und ein Einblick in die Grundlagen des Multi-
kanalmanagements geliefert. Dieses Kapitel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Dem Multikanalmanagement wurden in den letzten Jahren zahlreiche Bücher und Bei-
träge gewidmet, sodass eine Abhandlung auf wenigen Seiten lediglich einen Überblick
über dieses in hohem Maße aktuelle und sehr praxisrelevante Thema geben kann (vgl.
bspw. Ahlert et al. 2010; Heinemann 2011; Schröder 2005).
Um die Problematik des Multikanalmanagements zu verstehen, sollte man sich
zunächst einmal aus einer theoretischen Perspektive vergegenwärtigen, dass einem
Handelsunternehmen vier grundlegend verschiedene Kontaktmöglichkeiten bzw.
Prinzipien zur Durchführung einer Transaktion zur Verfügung stehen (vgl. Schröder
2012, S. 325). Im Einzelnen sind dies:
• Das Residenzprinzip: Hier sucht der Kunde den Händler auf (bspw. stationärer Handel)
• Das Domizilprinzip: Hier sucht der Händler den Kunden auf (bspw. Haustürverkauf)
• Das Treffprinzip: Hierbei treffen sich außerhalb des Domizils des Kunden sowie der
Residenz des Händlers beide Marktseiten (bspw. Marktverkauf)
• Das Distanzprinzip: Bei diesem Prinzip wird die physische Distanz zwischen Kunden
und Händlern durch spezifische Medien überbrückt (bspw. Versandkatalog, Internet-
verkauf)
In den letzten Jahren zeigten die Entwicklungen, dass Anbieter und Händler zunehmend
verschiedene Kanäle und verschiedene Kontaktprinzipien kombiniert einsetzen.
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 359
D. Ahlert et al., Handelsmarketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55241-0_13
360 13 Multikanalmanagement
Ein wesentlicher Grund dafür war die zunehmende Bedeutung des Distanzprinzips,
die letztlich wohl ganz wesentlich auf die im Zuge der Digitalisierung entstandenen
Potenziale zur Senkung von Transaktionskosten in der Distribution zurückgeführt wer-
den kann. Das damit verbundene Multikanalmanagement wird als Kombination und
Koordination verschiedener Absatz- und Vertriebskanäle verstanden. Ziel ist es, dem
Kunden durch die Vernetzung der Absatzkanäle ein kanalübergreifendes und konsis
tentes Einkaufserlebnis zu bieten sowie daraus resultierendes Umsatzwachstum abzu-
schöpfen. Darüber hinaus sollen durch die effiziente Vernetzung der Kanäle mögliche
Ineffizienzen (z. B. im Kontext der Kundenansprache) reduziert werden. Im Ergeb-
nis erhoffen sich Handelsunternehmen somit eine positive Wirkung nicht nur auf den
Umsatz, sondern auch auf die Gewinnsituation des Unternehmens. Vorwiegend wur-
den in den ersten Jahren in diesem Zusammenhang stationäre Einkaufsstätten durch
die Möglichkeiten des Distanzhandels erweitert. Nach rückläufigen Tendenzen in den
1980er und 1990er Jahren erfreut sich der Distanzhandel spätestens seit Etablierung
des Internets als Vertriebskanal zunehmenden Wachstums (vgl. hier und im Folgenden
Brock und Streubig 2014, S. 339 ff.). Im Distanzhandel wird die physische „Distanz“
zwischen Kunden und Anbietern durch verschiedene Medien überbrückt (vgl. bspw.
Schröder 2012, S. 324). War bis Anfang 2000 hierfür noch der Katalog das klassische
Mittel, holte das Internet als Medium schnell auf. Neben dem Katalog und dem Inter-
net kommt auch dem Fernsehen mit zunehmender Beliebtheit eine Bedeutung als Ver-
triebskanal zu. Hinsichtlich der prozentualen Umsatzverteilung auf die verschiedenen
Vertriebskanäle überholte das Internet im Jahre 2009 erstmals die klassischen Medien.
So wurden 46,7 % des Umsatzes über die klassischen Vertriebswege generiert. Die rest-
lichen 53,3 % entsprachen den reinen über das Internet erzielten Umsatzanteilen.
Neben dieser Verschiebung ist zusätzlich ein stetig wachsender Umsatzanteil des
Distanzhandels am gesamten Einzelhandel in Deutschland zu erkennen. Mittlerweile erzielt
der Distanzhandel in all seinen verschiedenen Ausprägungen nahezu 13 % des Umsatzes
des deutschen Einzelhandels (vgl. Bevh 2016). Insbesondere vor dem Hintergrund
zum Teil stagnierender Einzelhandelsumsätze ist diese Entwicklung bemerkenswert. Für
diese Entwicklung sind drei Faktoren von hoher Bedeutung, die nicht unabhängig von-
einander betrachtet werden können:
Wie eingangs bereits angesprochen, wurde diese Entwicklung maßgeblich durch das
Aufkommen des Internets und neuer Technologien forciert (vgl. Ahlert et al. 2001).
Niedrige Transaktionskosten sowohl auf Kunden- als auch auf Anbieterseite eröffneten
jedoch nicht nur Chancen für den klassischen stationären Händler. Auf Anbieterseite
13.1 Grundlagen und Entwicklung 361
drangen neue Wettbewerber auf den Markt, wie bspw. sogenannte Internetpureplayer, die
ausschließlich auf das E-Commerce als Absatzkanal setzen (vgl. hier und im Folgenden
Heinemann 2009). Als prominentestes Beispiel ist an dieser Stelle insbesondere Ama-
zon anzuführen, dessen Bedeutung schon früh erkannt wurde (vgl. Ahlert et al. 2000).
Neben den Internetpureplayern entdeckten aber auch bereits etablierte Händler und Her-
steller dieses Medium als zusätzlichen Verkaufskanal. Händler erweiterten durch ihre
E-Commerce Aktivitäten ihre Möglichkeiten zur Kundenansprache und nutzen die spezi-
fischen Vorteile des Internets (wie die Unabhängigkeit von Ladenöffnungszeiten, die
breitere Angebotsfläche, z. T. geringere Kosten etc.). Hersteller treten mit dem eigenen
Internetauftritt direkt mit dem Kunden in Kontakt und umgehen somit bspw. den Handel
als Absatzmittler. Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass nicht mehr nur ein Vertriebs-
kanal implementiert wurde. Viele etablierte (Distanz-)Händler entwickelten sich zum
Multikanalanbieter (Multichannelhandel), d. h. es wurde nicht mehr nur auf den klas-
sischen Katalog und/oder die stationäre Filiale gesetzt, sondern die Basis wurde durch
Online-Shops erweitert.
Auch heutzutage ist eine fortschreitende, technologische Entwicklung zu beobachten:
Neben Erweiterung der Vertriebsbasis sowie Erhöhung der Kundenkontaktpunkte durch
Geräte wie Smartphones und Tablet-PC ist eine zunehmende Bedeutung des Social Com-
merce zu beobachten (vgl. Abschn. 13.2.3). Dabei werden Social Media Plattformen
durch Shopfunktionen erweitert, sodass Kunden bspw. in Interaktionen mit Freunden
Käufe tätigen können (vgl. Brock et al. 2011).
Ein weiterer bedeutender Faktor ist die Veränderung des Kauf- und Konsum-
verhaltens. Zum einen ist eine Entwicklung in Richtung Convenience-Shopping zu
beobachten. Kunden möchten – unabhängig von Zeit und Ort – mögliche Bedarfe
decken. Diese Veränderung resultiert u. a. aus der fortschreitenden Digitalisierung. Zum
anderen wird diese Entwicklung durch eine zunehmende (Markt-)Transparenz flan-
kiert. Hier sind bspw. eine zunächst hohe Preistransparenz und die damit verbundene
Vergleichbarkeit der Angebote zu nennen. Informationen sind permanent verfügbar und
fließen in die Kaufentscheidung mit ein.
Diese zuvor angesprochenen Veränderungen zwingen Handelsunternehmen zur
Anpassung und Überarbeitung ihres Geschäftsmodells. So erweiterten zahlreiche sta-
tionäre Händler seit der Jahrtausendwende den bestehenden Absatzkanal um weitere
Kanäle wie bspw. den online-Handel (vgl. Ahlert et al. 2000). Aber auch reine Online-
Händler entwickeln sich in Richtung Multichannelhändler: Beispielsweise werden statio-
näre Outlets eröffnet oder das Angebot wird um einen Katalog erweitert.
Nachfolgend werden wesentliche Absatzkanäle im Multikanalmanagement vor-
gestellt. Da der Schwerpunkt bisheriger Kapitel im Bereich des stationären Handels
liegt, wird dieser Absatzkanal nicht nochmals explizit behandelt.
362 13 Multikanalmanagement
Auch wenn der Katalog in den letzten Jahren an Bedeutung verloren hat, stellt dieser
auch heute noch einen wichtigen Bestandteil im Gefüge des Multikanalmanagements
dar. Der Katalog dient in der Anstoßkette als wichtiger Impulsgeber für Käufe in anderen
Absatzkanälen. Vor diesem Hintergrund werden nachfolgend wichtige Funktionen des
Katalogs knapp skizziert.1
Sowohl die Digitalisierung als auch die zunehmende Veränderung des Kundenver-
haltens forcierten die Nachteile eines umfassenden Hauptkatalogs. Zum einen ist die
mangelnde Dynamik und Aktualisierung anzuführen. Der Hauptkatalog wurde mit einer
Gültigkeit von bis zu sieben Monaten hergestellt und distribuiert. Preise und Kollek-
tionen konnten in dieser Zeit nicht verändert werden. Zum anderen war eine kunden-
individuelle, auf die jeweiligen Bedürfnisse des Kunden abgestimmte Ansprache mittels
eines Hauptkatalogs nicht möglich. Die teilweise mehr als 1300 Seiten umfassenden
Hauptkataloge hatten aufgrund der großen Auswahl eher den Charakter eines Kauf-
hauses. Trotz dieser offenkundigen Nachteile erfüllen Kataloge noch immer wesentliche
Funktionen: Neben positiven Imageeffekten ist der Katalog ein bedeutender Impulsgeber
innerhalb der Anstoßkette. Es werden durch den Katalog nicht nur Umsätze im online-
Handel generiert, sondern auch im stationären Handel. Empirische Untersuchungen zei-
gen bspw., dass der Katalog als Absatzkanal nach wie vor eine Existenzberechtigung
besitzt (vgl. Schröder und Witek 2010, S. 98).
Vor diesem Hintergrund ergaben sich wesentliche Konsequenzen für das Katalog-
geschäft. Neue Kataloge mussten es schaffen, sowohl die Dynamik als auch die
kundenindividuelle Ansprache abzubilden. Daraus resultierten die Konzeptionen von
Zwischenkatalogen in kurzen zeitlichen Abständen und der Ausbau von ziel- und waren-
gruppenspezifischen Spezialkatalogen. Zwischenkataloge haben sich in den letzten
Jahren zu einem wichtigen Treiber in der Anstoßkette entwickelt. Dabei fungiert diese
Katalogart als Aktivierungs- bzw. Reaktivierungsmedium für Bestandskunden, aber auch
als Instrument zur Neukundenakquisition. Es stehen häufig sog. Rennerartikel und der
Preis im Mittelpunkt der Konzeptionen. Daneben liefern Spezialkataloge einen wichtigen
Beitrag zur Profilierung und Ergänzung der Anstoßkette. Diese Katalogart ist auf indi-
viduelle Kundenwünsche und spezifische Zielgruppen (Angler, Jäger etc.) ausgerichtet
und unterstützt damit eine bedarfsgerechte Ansprache der Kunden. Ebenfalls sind in den
letzten Jahren weitere Differenzierungen von Katalogen zu beobachten. Es wurden bspw.
„Magaloge“ entwickelt, die eine Mischung aus einem hochwertigen themenspezifischen
Magazin und einem klassischen Versandkatalog darstellen. Auch reine online-Händler,
wie bspw. Zalando, nutzen dieses Medium innerhalb ihrer Anstoßkette.
1Vgl. Dr. Bernd Vogt und den Vortrag zur Bedeutung des Katalogs im Multikanalmanagement.
13.2 Wesentliche Absatzkanäle im Multikanalmanagement 363
Wie eingangs bereits erläutert, hat sich das Internet in den letzten Jahren und Jahr-
zehnten zu einem wesentlichen Absatzkanal entwickelt. Nicht nur Handelsunternehmen
nutzen das Internet als zusätzlichen Absatzkanal, auch Hersteller vertreiben ihre Pro-
dukte immer häufiger über diesen Vertriebsweg (vgl. Ahlert et al. 2000, S. 3 ff.).
Hersteller nutzen das Internet als direkten Vertriebsweg zum Endkunden und eröffnen
eigene Shops im Internet. Handelsunternehmen erweitern durch das Internet ihre Ver
kaufsbasis. Einerseits nutzen zahlreiche Kunden das Internet außerhalb der Öffnungs-
zeiten als Einkaufskanal. Folglich wird u. U. eine andere Zielgruppe angesprochen als
im rein stationären Handel. Andererseits dient Handelsunternehmen das Internet als eine
„Verlängerung des Regalplatzes“. Im stationären Handel sind die Flächen sowie der
vorhandene Regalplatz knapp bemessen, sodass viele Artikel aufgrund dieser Restriktio-
nen nicht angeboten werden können. Als prominentes Beispiel können an dieser Stelle
Gartenmöbelgarnituren angeführt werden, die im Frühjahr zunehmend online auch von
Lebensmittelhändlern angeboten werden. Im stationären Handel wäre die platzintensive
Ausstellung nicht möglich bzw. nicht zielführend.
Notwendige Bedingung zur Steigerung des Umsatzes und Ausweitung der Kunden-
basis ist allerdings, dass Besucher eines online-Shops auch tatsächlich Käufe dort täti-
gen. Die in diesem Zusammenhang zentrale Kennzahl zur Messung des Verhältnisses
zwischen Besuchern und Kunden ist die Conversion-Rate. Diese Kennzahl zeigt, wie
viele Besucher eines online-Shops auch tatsächlich zu Käufern werden.
Zu Steigerung der Conversion-Rate und zur Steigerung der Wiederkaufrate wurde in
den letzten Jahren das Konzept der „E-Service-Quality“ erforscht und entwickelt.2 Im
Mittelpunkt stehen Determinanten, die sowohl die Kundenzufriedenheit als auch das
Wiederkaufverhalten aufseiten der Kunden positiv beeinflussen. Wolfinbarger und
Gilly (2003, S. 183) definieren E-Service-Qualität als „[…] the beginning to the end of
the transaction including information search, website navigation, order, customer service
interactions, delivery, and satisfaction with the ordered product.”
Obwohl es durchaus Überschneidungen geben kann, ist es wahrscheinlich, dass
sich die E-Service-Qualität und die Servicequalität im stationären Handel substan-
ziell voneinander unterscheiden. Für diese Argumentation spricht, dass E-Services
durch mangelnden interpersonalen Kontakt gekennzeichnet sind und größere wahr-
genommene Risiken sowie Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre aufwerfen können
(vgl. bspw. Brock et al. 2017). Dementsprechend können Ergebnisse bezüglich der tra-
ditionellen Servicequalität aus dem stationären Handel nicht ohne Anpassung auf den
E-Commerce-Bereich übertragen werden.
2Esmuss betont werden, dass dieses Konzept neben Dienstleistungen insbesondere Online-Shops
umfasst.
364 13 Multikanalmanagement
Um die damit verbundene Problematik besser zu verstehen, wurde seit ungefähr dem
Jahre 2000 eine Vielzahl empirischer Studien durchgeführt. Einen Überblick über die
entsprechenden Ergebnisse gibt die Studie von Blut et al. (2015). Diese fasst die Ergeb-
nisse von 89 empirischen Untersuchungen von mehr als 31.000 Probanden zusammen.
Aus ihr geht hervor, dass die E-Service-Qualität maßgeblich von 16 Attributen, wie
bspw. Informationsqualität der Website, Websitepersonalisierung, Preisangebote sowie
die Sicherheit und Privatsphäre der Website, beeinflusst wird, die wiederum in vier
Dimensionen zusammengefasst werden können: Website Design, Fulfillment, Kunden-
service und Sicherheit (vgl. Abb. 13.1). Diese Dimensionen haben wiederum erheblichen
Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und die Wiederkaufabsicht.
Eine der größten Herausforderungen für Online-Händler liegt in der erhöhten Intan-
gibilität des Angebots begründet. Der positive Einfluss eines Kundenkontaktmitarbeiters
fehlt im digitalen Umfeld. Damit spielt die Implementierung eines zuverlässigen sowie
individuell angepassten Kundenservices eine besondere Rolle. Zudem sind mit der
erhöhten Intangibilität zusätzliche wahrgenommene Risiken auf Kundenseite verbunden,
die das Management mit verschiedenen informationsökonomischen Instrumenten aktiv
adressieren muss. Auf der einen Seite haben (Handels-)Unternehmen die Möglichkeit,
über die Implementierung von Dienstleistungsgarantien dem Kunden Qualität zu signa-
lisieren. So können Kunden bspw. bei manchen Online-Händlern ihre Bestellung noch
bis zu 100 Tage nach Bestellung ohne die Angabe von Gründen retournieren. Auf der
anderen Seite ist es in einer digitalen Welt von essenzieller Bedeutung, eine starke Marke
zu schaffen, um Vertrauen aufzubauen und mögliche Sicherheitsbedenken zu reduzie-
ren. Damit geht häufig der Aufbau einer starken Community in sozialen Medien einher,
damit die Kunden von gemeinsamen Erfahrungen profitieren können. Voraussetzung sind
hierbei allerdings eine hohe Qualität der Leistung und daraus resultierend zufriedene
Kunden. In diesem Zusammenhang repräsentiert die Website eines Anbieters den zent-
ralen Kontaktpunkt zum Kunden. Dementsprechend muss sie die Kompetenz der Unter-
nehmung ausstrahlen und bei den Kunden Vertrauen schaffen. Neben dem Sortiment
- Informationsqualität
- Websiteorganisation
Website Design
- Kaufprozess
- Websitekomfort
- Produktauswahl Kundenzufriedenheit
- Warenverfügbarkeit
- Preisangebote
- Websitepersonalisierung Fulfillment
- Systemverfügbarkeit
E-Service-Qualität Wiederkaufsabsicht
- Pünktlichkeit der Lieferung
- Liefergenauigkeit
- Lieferungszustand Kundenservice
- Service Level
- Rückversand-
Weiterempfehlungsverhalten
bestimmungen
Sicherheit
- Sicherheit
- Privatsphäre
und der Preisstrategie des Anbieters sind die übersichtliche Darstellung relevanter Infor-
mationen, eine selbsterklärende Struktur, tief greifende Such- und Filtermöglichkeiten
sowie moderate Zahlungsmodalitäten Erfolgsgaranten für einen effizienten Webauftritt.
Dabei gilt es aber auch zielgruppenspezifische Unterschiede zu beachten (vgl. Riedl
et al. 2010). Im Rahmen der Auftragsabwicklung sollte das Management auf Schnellig-
keit und Prozesstransparenz setzen. Kunden haben mittlerweile die Erwartung, dass der
bestellte Artikel zeitnah nach der Bestellung an einen gewünschten Ort geliefert wird.
In diesem Zusammenhang muss der Anbieter den Kunden über den Stand der Lieferung
selbstständig informieren.
Ähnliche Wachstumsraten, wie noch vor zehn Jahren im E-Commerce, werden heut
zutage im Bereich des Mobile Commerce (M-Commerce) erzielt. (vgl. Hubert et al. 2017)
Unter M-Commerce wird jede Art von monetärer Transaktion verstanden, bei der die
beteiligten Transaktionspartner im Rahmen des Leistungsprozesses ein mobiles Endgerät
verwenden, welches mit einem mobilen Kommunikationsnetzwerk verbunden sein muss
(vgl. Kaatz et al. 2017). Da mobile Kommunikationsnetze überall und zu jeder Zeit
verfügbar sind, stellt das mobile Endgerät einen ubiquitären Absatzkanal des Anbieters
dar. Potenzielle Kunden können zu jeder Zeit und von nahezu jedem Ort auf das Angebot
eines Unternehmens zugreifen.
Mobile Endgeräte zeichnen sich durch folgende Merkmale aus: S tandortspezifität,
Tragbarkeit und drahtloser Internetzugang (vgl. Shankar und Balasubramanian 2009).
Folglich zählen Smartphones, Tablets und Wearables in diese Kategorie. Während
Werara bles, wie z. B. Fitness-Tracker oder Smartwatches, vor allem dazu genutzt
werden, um Daten über den Kunden zu sammeln, bieten Smartphones und Tablets
zusätzlich die Möglichkeit, aktiv mit dem Kunden zu kommunizieren.
Mobile Endgeräte stellen inzwischen essenzielle Kontaktpunkte auf dem Weg zum
Kauf und damit innerhalb der Customer Journey dar. Die Customer Journey umfasst
dabei sämtliche Phasen, die ein Kunde bis zum finalen Kauf durchläuft. Lemon und
Verhoef (2016) unterscheiden bspw. drei zentrale Phasen innerhalb der Customer
Journey: Die Vorkaufphase, die eigentliche Kaufphase und die abschließende Nach-
kaufphase. In sämtlichen Phasen stellen mobile Endgeräte einen entscheidenden
Kontaktpunkt dar. So werden bereits ein Drittel aller Internettransaktionen im B2C-
Sektor über mobile Endgeräte abgeschlossen. Außerdem werden rund 43 % aller Trans-
aktionen am klassischen PC mit der Hilfe von mindestens einem mobilen Endgerät
vorbereitet (vgl. Criteo 2016).
Die inhärenten Eigenschaften des M-Commerce – Ubiquität, Lokalisierung und
Personalisierung – konfrontieren Handelsunternehmen mit neuen Herausforderungen,
stellen aber zugleich auch Chancen dar (vgl. Kaatz et al. 2017). Ubiquität bezieht sich auf
366 13 Multikanalmanagement
eine allgegenwärtige Konnektivität, welche die Mobilität der Nutzer steigert und einen
bequemen Zugang und eine ständige Erreichbarkeit unterwegs ermöglichen. Während
E-Commerce vor allem die zeitliche Dimension des Kaufs (24h/7 Tage pro Woche)
beeinflusst hat, verändert M-Commerce zusätzlich die örtliche Dimension des Han-
dels. Mit der Möglichkeit der Lokalisierung eröffnet sich für den Handel eine neue
Möglichkeit, Kunden über das Global Positioning System (GPS) zu orten und gezielt
anzusprechen. Sogenannte Location-Based-Services (LBS) verändern die Interaktion
zwischen Händler und Kunde in einen Austausch von Informationen (vgl. Kleijnen et al.
2007). Informationen werden auf den Kunden und auf den Ort zugeschnitten. So wer-
den bspw. in entsprechender Nähe zum stationären Einzelhandelsgeschäft spezielle
Rabattaktionen oder spezifische Angebote an das Smartphone des potenziellen Kunden
übermittelt. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass der Kunde den entsprechenden Dienst-
leistungsangeboten zustimmen muss. Die dafür notwendigen Voraussetzung zu schaffen
ist eine zunehmende bedeutsame Aufgabe des Handelsmanagements, die oft auch durch
sich veränderte regulatorische Aspekte (z. B. die EU-Daten-GVO) beeinflusst wird.
Neben den zuvor angesprochenen Chancen und Möglichkeiten im Bereich des
M-Commerce bringt diese Technologie auch Herausforderungen für Handelsunter-
nehmen mit sich. Insbesondere die Einführung und das Management eines zusätzlichen
Absatzkanals steigern die Komplexität hinsichtlich des Multikanalmanagements erheb-
lich. Allerdings ist aufgrund steigender Nutzungszahlen die Einführung dieses zusätz-
lichen Kanals alternativlos.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Universität Rostock wurden im R ahmen
einer qualitativen Pilotstudie sowie einer quantitativen Folgestudie zum einen die Unter-
schiede zwischen E- und M-Commerce erarbeitet (vgl. Abb. 13.2). Zum anderen wurden
innerhalb der quantitativen Studie mögliche Determinanten der Nutzung sowie wahr-
genommene Risiken und damit verbundene Barrieren identifiziert (vgl. Hubert et al. 2017
sowie Kaatz et al. 2017).
Aus technologischer Perspektive ist M-Commerce hinsichtlich des Endgerätes und
des Kommunikationsnetzwerkes gegenüber Notebooks und Desktop-PCs benachteiligt.
Smartphones und Tablets sind – im Vergleich zu Laptops/Desktop-PCs – limitiert in ihrer
Akkuleistung, haben kleinere Bildschirme sowie Eingabetasten und verfügen über eine
geringere Prozessorleistung. Folglich ist die Präsentation der Inhalte sowie das User
Interface auf mobilen Endgeräten weniger komfortabel. Zusätzlich sind mobile Netz-
werke mit einer geringeren Bandbreite und langsameren Übertragungsgeschwindigkeiten
ausgestattet, sodass die Übermittlung von Daten mehr Zeit in Anspruch nimmt. Aufgrund
dessen ist das Vertrauen vorwiegend unerfahrener Nutzer in mobile Kommunikations-
netzwerke eher eingeschränkt. Aus diesen technologischen Unterschieden resultieren
wahrgenommene Risiken seitens der Nutzer. Finanzielle Risiken im Kontext des mobilen
Shoppings beziehen sich auf mögliche Verluste während einer Transaktion und senken
die Wahrscheinlichkeit eines wiederholten Gebrauchs. Dementsprechend hemmen finan-
zielle Risiken die Akzeptanz des Kanals und müssen bei der Entwicklung von mobilen
Shopping-Anwendungen berücksichtigt werden (Hubert et al. 2017).
13.2 Wesentliche Absatzkanäle im Multikanalmanagement 367
E-Commerce M-Commerce
Sicherheit
Bezahlung
Vorteile
Ubiquität
Display
Preis
Touch-
Ladezeit screen
Informations-
Bedien- qualität
barkeit
Display
Ubiquität
Bedien-
Nachteile
barkeit
Sicherheit
Mobile
Webseiten
Abb. 13.2 E-Commerce versus M-Commerce. (Die Größe der Kreise spiegelt die Anzahl der
Nennnungen wider. Insgesamt handelt es sich um eine Stichprobengröße von 221 Probanden.)
Leistungsbezogene Risiken hängen zum einen mit dem mobilen Netzwerk zusammen,
zum anderen aber auch mit dem mobilen Endgerät selbst. Bedenken hinsichtlich eines
Abbruchs der Verbindung bestehen insbesondere bei finanziellen Transaktionen in Ver-
bindung mit der Eingabe persönlicher Daten. Das kleinere Display und die kleineren
Eingabetasten erhöhen die Wahrscheinlichkeit, wichtige Informationen zu überlesen oder
eine falsche Eingabe zu tätigen.
Wie bereits zuvor angesprochen, werden die Risiken des M-Commerce vorwiegend
von unerfahrenen Nutzern wahrgenommen. Mit zunehmender Nutzung werden finan-
zielle und/oder leistungsbezogene Risiken jedoch als weniger bedeutend wahrgenommen
und die Vorteile dieses Absatzkanals überwiegen.
Neben der Nutzung als weiteren Absatzkanal forcieren Smartphones die fort-
schreitende Verschmelzung der offline- und online-Kanäle hin zum Omnichannel-Handel
(vgl. bspw. Verhoef et al. 2015). Die Grenzen zwischen den verschiedenen Kanälen lösen
sich auf und mobile Technologien kommen zunehmend auch im stationären Handel zum
Einsatz. Zum Beispiel können Kunden im stationären Handel zusätzliche Informationen
auf ihrem mobilen Endgerät abrufen oder Artikel, die nicht vorrätig sind, bestellen und
liefern lassen. Diese Konzepte werden auch als „Showrooming“ bzw. „Webrooming“
bezeichnet.
368 13 Multikanalmanagement
(vgl. bspw. Homburg et al. 2014). Zudem sind Kunden heutzutage nicht mehr nur
auf einen Kanal beschränkt. Viele Kunden nutzen die unterschiedlichen Kanäle eines
Händlers und tragen somit ebenfalls zu einer Steigerung des Unternehmenswerts bei
(vgl. Kushwaha und Shankar 2013).
Multikanalstrategien schaffen nicht nur multioptionale Einkaufsmöglichkeiten für den
Kunden, sondern beeinflussen auch die Bindung des Kunden (vgl. Brock et al. 2012).
Das Verhalten von Kunden innerhalb der verschiedenen Kanäle ist nicht nur durch eine
Nutzenorientierung, sondern auch durch psychologische und soziale Prozesse gekenn-
zeichnet. Aufgrund der hohen Komplexität bedarf es sogenannter Totalmodelle, um alle
wesentlichen Konstrukte und deren Beziehungen untereinander darzustellen. Ein viel
genutztes Modell ist hierbei das Engel, Kollat und Blackwell-Modell (EKB-Modell),
welches aus den drei Hauptkomponenten Entscheidungs-, Informationsverarbeitungs-
und Bewertungsprozesse besteht (vgl. Engel et al. 1978). Der Entscheidungsprozess
umfasst dabei die Problemerkenntnis, Informationssuche, Bewertung der Alternativen
und Kaufentscheidung (vgl. auch Meffert et al. 2015, S. 132 ff.). Ursprung für das
Entstehen einer Kaufintention ist die Wahrnehmung einer Dissonanz zwischen dem
Soll- und Istzustand und damit verbunden dem Erkennen eines Problems. Ist keine
unmittelbare Problemlösungsstrategie bekannt, sammelt der Kunde die für seine Kauf-
entscheidung benötigten Informationen. Diese Informationen können über sämtliche
Kanäle des Unternehmens gewonnen werden. So können beispielsweise Maße, Farbe
und Gewicht einer Ware aus einem Katalog oder der Unternehmenswebsite entnommen
werden, wohingegen das Produkt im stationären Handel auch „mehrdimensional“
begutachtet werden kann. Auch hier zeigt sich wiederum, dass die Existenz mehrerer
Kanäle unabdingbar ist. So werden Kanäle möglicherweise nicht nur nach einem Kauf
gewechselt, auch innerhalb des Kaufprozesses ist ein Wechsel jederzeit möglich.
Da der Onlinekanal zumeist mit geringeren Fixkosten verbunden ist, können Waren
dementsprechend günstiger angeboten werden. Dies bietet Kunden oftmals den Anreiz,
nach der eigentlichen Informationssammlung den Kanal zu wechseln und das ent-
sprechende Produkt nach Ausräumung aller Zweifel kostengünstiger im Internet zu
erwerben (vgl. Ahlert et al. 2001). Dieses opportunistische free-riding Phänomen wird
auch als channel hopping bezeichnet und beschreibt das multioptionale Verhalten
von Kunden, die innerhalb des Kaufprozesses die Kanäle wechseln (vgl. Heinemann
2011). Die im vorherigen Kapitel angesprochene Customer Journey kann folglich auch
den stationären Handel mit umfassen. Das „channel hopping“ ist in der nachfolgenden
Abb. 13.3 beispielhaft dargestellt.
Parallel zum zuvor bereits betrachteten Entscheidungsprozess laufen Informations-
verarbeitungs- und Bewertungsprozesse ab, welche ebenfalls für ein erfolgreiches Multi-
kanalmanagement relevant sind. Da Kunden nur begrenzt Informationen aufnehmen
und speichern können, sollten die über alle Kanäle bereitgestellten Informationen
verständlich, nachvollziehbar und stringent sein. Insbesondere sollte sich die Kommuni-
kation über die verschiedenen Kanäle nicht widersprechen. Ein Wechsel der Absatzkanäle
eines Unternehmens soll häufig durch entsprechende Maßnahmen gefördert werden. So
13.3 Kundenverhalten im Multikanalkontext 371
STATIONÄRER KANAL
ALTERNATIVEN-
BEGUTACHTUNG BERATUNG WARENKAUF
BEWERTUNG
ONLINE KANAL
werden bspw. in der stationären Filiale entsprechende Gutscheine für den Onlineshop an
den Kunden ausgegeben oder der Kunde kann im Onlineshop wählen, ob die Artikel nach
Hause versandt werden sollen oder zur Selbstabholung in die stationäre Betriebsstätte
(click-and-collect). Ziel dieser Strategie ist es, einerseits die Akzeptanz mancher Kanäle
zu steigern. Kunden, die bisher vorwiegend im stationären Handel gekauft haben, werden
zusätzlich angereizt, Käufe über das Internet zu tätigen. Anderseits sollen u. U. noch wei-
tere Umsätze durch die Selbstabholung in der Filiale generiert werden. Kunden, die pri-
mär online gekauft haben, sollen noch weitere Käufe vor Ort tätigen. So zeigt eine Studie
am Beispiel Macy’s Inc. Store, dass Kunden, die click-and-collect in einem der Macy’s
Kaufhäuser nutzen, weitere 25 % Umsätze generieren (vgl. Lindner 2017).
Diese und ähnliche Beispiele zeigen, dass ein parelleler und sich ergänzender Einsatz
mehrerer Absatzkanäle unabdingbar ist. Dem Kunden soll damit die Möglichkeit ein-
geräumt werden, zu jeder Zeit und an jedem Ort seine Einkaufswünsche zu befriedigen.
Ziel ist es folglich, diesen „multioptionalen“ Kunden nachhaltig an das Unternehmen zu
binden.
Die Koordination und Steuerung von Multikanalaktivitäten stellt die Handels- und
Unternehmenspraxis vor spezifische Herausforderungen. Dabei können insbesondere
Koordinations-, Optimierungs- und Allokationsprobleme identifiziert werden, die es zu
lösen gilt. Es ist zu betonen, dass sämtliche Herausforderungen nicht überschneidungs-
frei sind und damit unabhängig voneinander betrachtet werden können. In Teilen
bedingen sich die Herausforderungen des Multikanalmanagements einander.
372 13 Multikanalmanagement
• Wie sieht die Gestaltung des Sortiments aus? Sollen über die verschiedenen Kanäle
einheitliche Sortimente angeboten werden oder dient bspw. die online-Präsenz der
Erweiterung des stationären Sortiments?
• Wie gelingt ein einheitlicher Markenauftritt über die verschiedenen Absatzkanäle?
Wie sehen kommunikationspolitische Maßnahmen im Multikanalkontext aus?
• Wie gelingt die Verknüpfung und Koordination von Maßnahmen im Customer
Relationship Management? Wie kann der Kunde einheitlich über sämtliche Kanäle
angesprochen werden?
• Ist „channel hopping“ auch bei Retouren bzw. Reklamationen möglich? D.h. kann
ein Kunde Artikel, die online bestellt wurden, auch in der stationären Filiale retour-
nieren bzw. umtauschen?
• Welchem Kanal werden die Umsätze zugerechnet? Wie viel Prozent der online-
Umsätze wurden bspw. durch den Katalog oder eine Filiale induziert?
• Wie viele Absatzkanäle sind optimal? Lohnt sich bspw. die Erweiterung um einen
Absatzkanal im Bereich Social Media?
• Wie sollen die dem Marketing zur Verfügung stehenden Ressourcen (z. B. im Rahmen
der Kommunikationspolitik) alloziert werden um ein optimales Ergebnis zu erzielen?
• Welche Investitionen sind wann für welchen Kanal zu tätigen, um ein optimales
Ergebnis zu erzielen?
• Wie können kanalübegreifende Zielkonflikte zwischen Umsatzwachstums- und
Gewinnzielen optimiert werden?
Kontrollfragen
1. Was versteht man unter dem Multikanalmanagement?
2. Welches Ziel hat das Multikanalmanagement?
3. Welche Absatzkanäle stehen Handelsunternehmungen im Rahmen des Multikanal-
managements zur Verfügung?
4. Nennen Sie die Dimensionen, welche die Qualität von E-Services aus Kundensicht
beeinflussen. Nennen Sie jeweils Beispiele.
5. Welche drei zentralen Phasen unterscheiden Lemon und Verhoef innerhalb der
Customer Journey?
6. Diskutieren Sie die Chancen und Herausforderungen des M-Commerce.
7. Arbeiten Sie Vor- und Nachteile des stationären Handels im Vergleich zum Online
Handel heraus.
8. Beschreiben Sie in Grundzügen das Engel, Kollat und Blackwell-Modell (EKB-
Modell).
374 13 Multikanalmanagement
9. Erklären Sie den Begriff des channel hoppings. Verdeutlichen Sie Ihre Aus-
führungen grafisch.
10. Die Koordination und Steuerung von Multikanalaktivitäten stellen die Handels- und
Unternehmenspraxis vor spezifische Herausforderungen. Nennen und erklären Sie in
diesem Zusammenhang mögliche Probleme.
11. Welches Ziel verfolgt das Omnichannel-Management?
12. Was ist mit Showrooming und Webrooming gemeint?
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Schröder, H. (2005). Multichannel-Retailing: Marketing in Mehrkanalsystemen des Einzelhandels.
Berlin: Springer.
Schröder, H. (2012). Handelsmarketing: Strategien und Instrumente für den stationären Einzel-
handel und für Online-Shops mit Praxisbeispielen. Berlin: Springer.
Schröder, H., & Witek, M. (2010). Zur Bedeutung des Katalogkanals (Mailorder-Channel) für
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Handelscontrolling
14
In der handelsbetrieblichen Praxis übernimmt das Controlling eine Vielzahl von Funk-
tionen, die der Unterstützung des Handelsmanagements (und hier insbesondere des
Handelsmarketing) dienen (vgl. bspw. Ahlert 2010; Breitkopf 1999; Becker und
Winkelmann 2014; Kispalko und Moretti 2016; Schröder 2006). Im Einzelnen sind ins
besondere Informationsversorgungs-, Beratungs-, Kontroll- und Koordinationsaufgaben
zu erfüllen (vgl. Ahlert 1997, S. 3 ff.; Barth et al. 2015, S. 349 ff.; Ebner 2015, S. 114 ff.).
Pragmatisch soll daher im Folgenden unter dem Begriff „Handelscontrolling“ die
Gesamtheit aller Institutionen und Funktionen verstanden werden, die insbesondere durch
die Erfüllung von Informationsversorgungs-, Beratungs-, Kontroll- und Koordinations-
aufgaben zur Unterstützung des Handelsmanagements beitragen.
Die Erfüllung der genannten Aufgaben ist in der Handelspraxis nicht unproblematisch
(vgl. Barth et al. 2015, S. 353). Ein zentrales Problem des praktischen Controllings
besteht darin, dass im Aufgabenbereich der Kostenkontrolle häufig die notwendigen
Kosteninformationen fehlen und/oder ein Zurechnungsproblem der Kosten auf die jewei-
lige Marketingaktivität besteht (vgl. Battenfeld 1997). Daneben ist es nur bedingt mög-
lich, die jeweiligen Umsatzerlöse eindeutig bestimmten Marketing-Maßnahmen oder
-Instrumenten zuzurechnen.
Neben diesem zweifachen Zurechnungsproblem, sowohl in der Kosten- als auch in
der Leistungsrechnung, besteht ein weiteres Problem des Controllings darin, dass nur
selten vergleichende Aussagen intra- oder interorganisationaler Art getroffen werden
können. Dies liegt in erster Linie darin begründet, dass das Handelsmarketing fort-
laufend in veränderten Kontexten agieren muss. Die extrem hohe Dynamik der handels-
betrieblichen Umwelt – hier verstanden als Gesamtheit aller Geschehnisse, die zwar
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 377
D. Ahlert et al., Handelsmarketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55241-0_14
378 14 Handelscontrolling
einen Einfluss auf das Handelsmarketing haben, von diesem aber nicht beeinflusst wer-
den können – macht einen intraorganisationalen Vergleich des Periodenerfolgs mit vor-
herigen Perioden nur schwer möglich. Aber auch der interorganisationale Vergleich ist
oftmals nicht möglich, da die handelsbetrieblichen Kennzahlen von Unternehmung zu
Unternehmung unterschiedlich sein können. Allenfalls die Funktion von Richtwerten
können beispielsweise die durch den Betriebsvergleich des Instituts für Handels-
forschung an der Universität Köln verfügbaren Daten erfüllen. Ein effizienzsteigerndes,
externes, monokausales Benchmarking ist daher im Handelsmarketing oft nicht ohne
weiteres möglich. Eine Ausnahmesituation stellen jedoch die in der jüngsten Vergangen-
heit häufig zu beobachtenden Unternehmensfusionen und -integrationen dar, bei denen
die beteiligten Unternehmen plötzlich Zugriff auf die marketingpezifischen Daten einer
anderen, strukturell oftmals ähnlichen Unternehmung erlangen. Zudem bieten die bereits
beschriebenen Netzwerkkonfigurationen eine Möglichkeit zum interorganisationalen
Vergleich, und zwar immer dann, wenn eine Systemkopfsteuerung vorliegt, bei der der
Systemkopf aufgrund des hohen Vertrauens der Netzwerkakteure auch sensible Daten
netzwerkintern weiterleiten darf (vgl. Ahlert 2010, S, 412 ff.).
Typische Probleme im Bereich der Informationsversorgungsfunktion ergeben sich
immer dann, wenn vom Marketingmanagement Daten und Informationen gefordert
werden, deren Erhebung an technischen Voraussetzungen scheitert. Besonders schwer-
wiegend ist dieses Problem, wenn für erstmalige Entscheidungen im Rahmen der Ent-
scheidungsunterstützung Daten benötigt werden, die in der Vergangenheit nicht erhoben
wurden. Das Handelscontrolling hat daher auch die Aufgabe, proaktiv tätig zu werden
und den zukünftigen Informationsbedarf des Handelsmarketing weitgehend zu anti-
zipieren. Geschieht dies nicht oder nur ungenügend, kann dies im Extremfall dazu
führen, dass bei der Lösung erstmalig auftretender Probleme auf eine informatorische
Grundlegung der Entscheidungsfindung weitgehend verzichtet werden muss.
Schließlich ist im Beratungsbereich häufig der konkrete Beratungsbedarf des
Handelsmarketing unklar. Daneben sind oftmals zwischen dem Marketingmanager und
-controller Vertrauensprobleme beobachtbar, die sich zum Beispiel darin äußern, dass
die vom Stab gelieferten Daten kritisch hinterfragt oder aber von der Linie „zur Kont-
rolle“ noch einmal erhoben werden. Abb. 14.1 gibt noch einmal einen Überblick über die
Grundprobleme im Bereich des Handelscontrollings.
Vor dem Hintergrund der drei skizzierten Problembereiche soll dieses Kapitel einen
Überblick über die Thematik des Handelscontrollings geben und Methoden zur Lösung
der oben genannten Probleme aufzeigen. Hierzu sollen zunächst die Kernfunktionen
des Handelscontrollings aufgezeigt werden. Im Anschluss daran wird skizziert, wie das
Handelscontrolling im Handel konzeptualisiert werden kann.
Neben diesen in erster Linie auf das operative Controlling bezogenen Ausführungen
wird der zunehmenden Bedeutung des strategischen Managements dadurch Rechnung
getragen, dass die Besonderheiten eines strategischen Handelscontrollings im H
andel kurz
14.2 Kernfunktionen des Handelscontrollings 379
gewinnungsinstrumente
Dokumentationsformen
Speicherungs - und
Informationsversor -
Informationsbedarfs
Informationsbedarf
gungsinstrumente
Informations -
Informations -
Informations -
empfänger
zeitpunkt
erhebliche Rolle: Grundsätzlich gilt: Je differenzierter die Kundschaft ist und je mehr
Marktsegmente durch eigene Betriebstypen bearbeitet werden, desto mehr Objekte sind
Gegenstand der Verhaltenskontrolle.
Im Rahmen der Prämissenkontrolle wird überprüft, inwiefern die Rahmendaten, unter
denen eine marketingpolitische Entscheidung seinerzeit getroffen worden ist, heute noch
aktuell sind. Ein Beispiel hierfür ist die Kontrolle einer Unternehmung der Bekleidungs-
industrie, ob der technologische Fortschritt nicht zukünftig auch den Verkauf von Maß-
konfektion über das Internet ermöglicht.
Bei der Systemkontrolle steht schließlich die Überprüfung des Führungssystems
bzw. der Führungsteilsysteme im Vordergrund. So wird hier bspw. untersucht, ob das
Kontrollsystem der Unternehmung noch den betrieblichen Erfordernissen entspricht oder
ob eine Modifikation desselben notwendig ist. Abb. 14.3 gibt noch einmal einen Über-
blick über die Kontrollaufgaben des Controllings.
Sofern dies vom Marketingmanagement gewünscht wird, kann das Controlling auch
eine Beratungs- und Unterstützungsfunktion wahrnehmen, so zum Beispiel bei der
Frage, ob die gewählte Filialstruktur effizient ist oder aber ob und wie die Effizienz des
Verkaufspersonals, z. B. durch eine stärkere dezentrale Führung, erhöht werden kann
(vgl. Siebenbrock 1992; Michaelis 2009; Barth et al. 2015, S. 421 f.). Das Controlling
nimmt hier die Rolle eines „Sparringspartners“ für das Marketingmanagement wahr.
Auch im Bereich der Beratungsfunktion kann die erwähnte Trennung in system-
bildende und sytemkoppelnde Aufgaben vorgenommen werden. Im Bereich der
Systembildung wäre es dann die vordringliche Aufgabe des Controllings, Management-
leitsysteme zu entwickeln und zu gestalten. Zu den systemkoppelnden Aufgaben zählt
die permanente Betreuung des Managements, beispielsweise bei der Nutzung bestimmter
EDV-Programme, die im Rahmen des Marketingmanagements bedeutsam sind (z. B.
SAP ERP). Eine weitere unterstützende Aufgabe wäre darin zu sehen, dass das Control-
ling mithilft, die Aktivitäten des Marketingmanagements zu koordinieren.
An diesen Subzielen wird noch einmal die fehlende Entscheidungs- und Durchsetzungs-
kompetenz des Controllings als zentrales Unterscheidungsmerkmal zum Marketing-
Management deutlich, da die genannten Punkte lediglich Beratungscharakter haben.
1. Der Soll-Ist-Vergleich: Hier werden die tatsächlich realisierten Umsätze den Plan-
umsätzen gegenübergestellt. Treten Abweichungen auf, sollte eine Abweichungsana-
lyse erfolgen.
2. Der Zeitvergleich: Diese Methode ist in der Handelspraxis besonders beliebt. Bei ihr
werden die Umsätze einer bestimmten Zeitspanne (z. B. Tag, Monat, Quartal) mit
denjenigen vergangener Zeiträume verglichen. Zumeist wird hierbei das Vorjahr ver-
wendet. Der Marketing-Controller prüft also, in welcher Relation der Umsatz z. B.
am 30.12.2017 zu demjenigen am 30.12.2016 steht.
3. Der Betriebsvergleich: Hier werden die Umsätze verschiedener Betriebe bzw. Stand-
orte zu gleichen Zeitpunkten verglichen. Betriebe, die sich in Relation zu anderen
Betrieben besonders positiv entwickeln, können dann als potenzielle Benchmarks
betrachtet werden (vgl. Barth et al. 2015, S. 391 ff.).
4. Der Marktanteilsvergleich: Hier wird der eigene Umsatz in Relation zur Entwicklung
des jeweiligen Marktvolumens analysiert. Diese Analyse liefert wichtige Daten für
das strategische Marketing.
Für die konkrete Konzeption eines strategischen Handelscontrollings ergeben sich daraus
analog die folgenden drei Aufgabenbereiche:
In der Planungsphase – zum Beispiel einer Absatzkanalstrategie – muss das strate-
gische Handelscontrolling laufend überprüfen, ob die Annahmen, unter denen sich der
Planungsprozess vollzieht, noch zutreffen. So obliegt dem strategischen Controlling
beispielsweise bei der Konzeption des Vertriebsweges „Internet“ die Aufgabe zu über-
prüfen, ob die technologischen Planungsdaten noch aktuell sind oder aber ob sich die
Kosten für einen eigenen Online-Shop seit Planungsbeginn bereits verändert haben.
In der Realisationsphase hat das strategische Controlling bspw. die Aufgabe zu prü-
fen, ob die Erreichung bestimmter Ziele noch möglich ist oder aber ob die Strategie revi-
diert bzw. im Extremfall ganz abgebrochen werden muss.
14.5 Organisation des Handelscontrollings 389
In der Kontrollphase hat das strategische Controlling schließlich die Aufgabe, einen
Lernprozess zu initiieren. Dabei werden analog zum operativen Handelscontrolling die
notwendigen Abweichungsinformationen durch Soll-Ist-Vergleiche erhoben. Im Beispiel
der Social-Media-Aktivitäten könnte dies bedeuten, dass im Rahmen des strategischen
Controllings erkannt worden ist, dass das Handelsunternehmen insgesamt deutlich zu
langsam auf neue technologische Entwicklungen reagiert. Eine Folge, die sich aus die-
ser Erkenntnis bspw. ergibt, wäre die Entwicklung eines Informationssystems, das die
frühzeitige Identifikation relevanter technologischer Entwicklungen im technologischen
Bereich ermöglicht. Konkret könnte dies bedeuten, regelmäßige Messebesuche durchzu-
führen sowie Fachzeitmedien routinemäßig auszuwerten.
Bei der ersten Variante ist das Controlling Teil der Linienorganisation (vgl. Abb. 14.4).
Die Vorteile dieser Organisationsform liegen in der hohen Akzeptanz des Controllers,
390 14 Handelscontrolling
Unternehmensleitung
HC
1. 2.
HC HC
der selbst auch Teil des Linienmanagements ist. Dadurch wird ihm der Zugang zu for-
mellen und informellen Quellen wesentlich erleichtert. An wichtigen Entscheidungen ist
das Handelscontrolling automatisch beteiligt. Nachteilig ist jedoch, dass es dem Control-
ling unter Umständen an der notwendigen Distanz zur Linie fehlt und Beurteilungen und
Berichte subjektiv ausfallen können.
Bei der zweiten Variante bildet das Handelscontrolling einen eigenen, s eparaten Stab
(vgl. Abb. 14.5). Vorteilhaft ist hier, dass diese Organisationsform eine Spezialisierung
der Controllingmitarbeiter ermöglicht und so die Einführung neuerer, spezialisierter
Controllingkonzepte, wie die derzeit stark diskutierte Balanced Scorecard, unternehmens-
weit erheblich erleichtert wird. Zudem ist die Controllingorganisation gegenüber der
Linie weitgehend unabhängig, sodass die Objektivität von Berichten und Beurteilungen
weitgehend gegeben ist. Dies führt zu einer höheren Akzeptanz in der Organisation.
Gleichzeitig kann die Abkopplung von der Linie aber auch die Gefahr beinhalten, dass
das Marketingmanagement auf untergeordneten Ebenen dem Controller als „Spion der
Zentrale“ wichtige Informationen vorenthält, wenn es für die eigenen Interessen vorteil-
haft ist (vgl. Ahlert und Burg 1996, S. 440 f.). Dies führt im Extremfall zu einer totalen
Informationsblockade durch die Linie. Schließlich ist denkbar, dass der Distributions-
controller nicht zur Entscheidungsunterstützung herangezogen wird. Dies ist ins-
besondere dann wahrscheinlich, wenn über neue, riskante Projekte entschieden werden
soll und die Befürchtung besteht, dass das Controlling das Projekt „kaputtrechnet“.
14.5 Organisation des Handelscontrollings 391
Unternehmensleitung HC
1. HC 2. HC
Bei der dritten Variante erfolgt die Organisation des Handelscontrollings nach dem
„dotted-line-Prinzip“ (vgl. Abb. 14.6). Hierbei werden die Controller der unteren Ebe-
nen entweder fachlich dem obersten Controller und disziplinarisch dem Bereichsleiter
oder umgekehrt disziplinarisch dem Fachleiter und fachlich dem Bereichsleiter unter-
geordnet.
Von Vorteil ist diese Lösung deswegen, weil sie die Möglichkeit bietet, die Linien-
erfordernisse mit den Controllingnotwendigkeiten zu verbinden. Nachteilig ist, dass die
Doppelunterstellung zu einem Dauerkonflikt führen kann, der die Funktionsfähigkeit
des Controllings reduziert. Zudem besteht die Gefahr, dass der Controller weder von der
Linie, noch vom obersten Controlling akzeptiert wird.
Bei der vierten Variante bildet das Controlling schließlich eine eigene Linien-
organisation (vgl. Abb. 14.7). Hierbei ist der der Geschäftsleitung angegliederte
Controller der fachliche und disziplinarische Vorgesetzte der untergeordneten Dis-
tributionscontroller. Vorteilhaft ist die klare Kompetenzregelung in Verbindung mit der
fachlichen Kompetenz. Gleichwohl ist zu beachten, dass die Gefahr einer „Organisation
in der Organisation“ besteht, die eigene Interessen verfolgt und zudem nur schwer kon-
trolliert werden kann. Sinnvoll kann eine solche Organisationsform aber für diejenigen
Unternehmungen sein, in denen der schnelle Informationsfluss von der Basis wichtig ist.
Dies könnten zum Beispiel solche Unternehmungen sein, die in sehr dynamischen Märk-
ten agieren.
Insgesamt weisen die vier genannten Bereiche spezifische Vor- und Nachteile auf. Es
kann daher nicht eine Organisationsform als „Königsweg“ angesehen werden. Vielmehr
392 14 Handelscontrolling
Unternehmensleitung HC
1. 2.
HC HC
Unternehmensleitung HC
1. 2.
HC HC
hängt es vom betrieblichen Kontext ab, welche Organisationsform wann geeignet ist. So
ist beispielsweise in einer offenen, weitgehend konfliktfreien Unternehmungskultur die
Organisation des Handelscontrollings nach dem dotted-line-Prinzip vorteilhaft, während
in einer anderen, konfliktträchtigeren Kultur die Linienorganisation besser geeignet sein
dürfte.
Kontrollfragen
1. Was wird unter dem Begriff des Handelscontrollings verstanden?
2. Grenzen Sie das Marketingmanagement und das Handelscontrolling mit geeigneten
Kriterien voneinander ab.
3. Welche Ziele verfolgt das Handelscontrolling?
4. Welche drei Aufgabentypen des Handelscontrollings lassen sich unterscheiden?
5. Nennen Sie Instrumente, die dem Handelscontrolling für die Aufgabenerfüllung zur
Verfügung stehen.
6. Nennen Sie mögliche Träger des Handelscontrollings.
7. Welche Aufgabe verfolgt das strategische Controlling? Gehen Sie auf die phasen-
bezogenen Aufgaben ein.
8. Skizzieren Sie vier Varianten einer möglichen Integration des Handelscontrollings in
der Aufbauorganisation einer Handelsunternehmung. Diskutieren Sie jeweils die Vor-
und Nachteile.
Literatur
Artikelmarke Auch Individual- oder Monomarke. Marke, die nur einen Artikel
kennzeichnet.
Betriebstypenmarke Auch Händler-, Haus- oder Firmenmarke. Die Betriebstypen-
marke ist das Firmenzeichen des Betriebstyps. Handelsmarke und Betriebstypen-
marke können identisch sein (Bsp. Bo-Frost).
Beacon Sender oder Empfänger, der eine Weiterentwicklung der Bluetooth-Technologie
darstellt. Im stationären Einzelhandel werden Beacon bspw. zur Übertragung von
Informationen auf Smartphones eingesetzt.
Category Management Die nachfragebezogene und marketingorientierte Säule von
Efficient Consumer Response. Mit dem Begriff werden das Prinzip der endver
braucherorientierten Sortimentsgliederung, das Prinzip der systematischen Führung
einzelner Kategorien (Categories) und das Prinzip der Zusammenarbeit zwischen
Herstellern und Händlern betont.
C + C-Betrieb Ein C + C = Cash + Carry-Betrieb ist ein Großhandelsbetrieb, der
Wiederverkäufern und gewerblichen Verbrauchern Waren gegen Barzahlung (Cash)
und zur Selbstabholung (Carry) anbietet.
Co-Branding Markierung eines Artikels oder einer Leistung durch zwei Warenzeichen.
Convenience Store Kleine SB-Lebensmittelgeschäfte (bis ca. 350 qm) mit breitem,
aber flachem, „bequemlichkeitsorientierten“ Sortiment und zusätzlichen Service-
Angeboten.
Dachmarke Warenzeichen, das einen übergeordneten inhaltlichen Bezug zu anderen
Warenzeichen aufweist.
Discountgeschäft Lebensmittelgeschäft, das nach dem Discountprinzip arbeitet, d. h.
begrenztes Sortiment, einfache Ladenausstattung und niedrige Preise.
Discounter Lebensmittel-Einzelhandelsgeschäft für deren Absatzpolitik das Discount-
Prinzip (Niedrigpreise, begrenztes Sortiment) maßgebend ist. Die Fläche spielt hier
als Abgrenzungskriterium keine Rolle.
Efficient Consume Response (ECR) Die effiziente Reaktion auf die Nachfrage der
Konsumenten. Durch die Kooperation zwischen Handels- und Herstellerunternehmen
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 395
D. Ahlert et al., Handelsmarketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55241-0
396 Glossar
sowie weiteren an der Versorgungskette beteiligten Partnern sollen Waren, Geld- und
Informationsflüsse im gesamten Wertschöpfungsnetzwerk effizienter gestaltet werden.
EDIFACT EDI for Administration, Commerce and Transport. Datenaustauschstandard
der Vereinten Nationen, der den digitalen, firmenübergreifenden Geschäftsverkehr
international einheitlich organisiert.
Elektronischer Handel (Electronic Commerce) Transaktionen auf einem Markt,
durch die der Austausch von wirtschaftlichen Gütern gegen Entgelt (z. B. Kauf,
Miete, Pacht) begründet wird (Handel im funktionellen Sinne) und bei denen nicht
nur das Angebot elektronisch offeriert, sondern auch die Bestellung bzw. die Inan-
spruchnahme elektronisch unter Verwendung eines computergestützten Netzwerks
(insb. des Internets) erfolgt.
E-Payment (Electronic Payment) Unter dem Begriff E-Payment werden Verfahren sub-
sumiert, mithilfe derer Leistungen, die über das Internet in Anspruch genommen wer-
den (insb. Käufe von physischen und von digitalen Gütern), bezahlt werden können.
Fachmarkt SB-Fachgeschäft, das für eine oder mehrere Warengruppen die Sortiments-
breite und -tiefe eines Fachgeschäftes mit den Angebotsformen des SB-Handels
verbindet. Beispiele für Fachmarkt-Typen: Getränkemarkt, Weinfachmarkt, Drogerie-
markt, Elektronikmarkt.
Eigenmarke Auch Handelsmarke. (Interne) Bezeichnung für die eigene Handelsmarke
aus der Sicht der jeweiligen Handelsunternehmung bzw. -organisation.
Einkaufskontore Gemeinschaftliche Beschaffungsorgane des Großhandels auf dem
Nahrungs- und Genussmittelsektor. Ursprüngliche Aufgabe war ausschließlich
das Vermittlungsgeschäft, insbesondere durch den Abschluss sog. Empfehlungs
abkommen zwischen den Einkaufskontoren und der Industrie; hierbei sammelten die
Kontore die Bestellungen ihrer Gesellschafter und gaben sie zusammengefasst an die
Hersteller weiter, welche die Gesellschafter unmittelbar belieferten.
Einkaufsvereinigung des Einzelhandels Zusammenschlüsse kleiner und mittle-
rer Einzelhändler zu in der Regel genossenschaftlich organisierten Verbänden, mit
dem Ziel der Existenzsicherung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Durch den
gemeinsamen Einkauf können kleinere Einzelhändler im Preiswettbewerb mit größe-
ren Handelsunternehmungen besser bestehen.
Factory Outlet (Fabrikladen) Mittel- bis großflächiger Einzelhandelsbetrieb mit
einfacher Ausstattung, über den der Hersteller im Direktvertrieb insbesondere
Ware zweiter Wahl, Überbestände und Retouren seines Produktionsprogramms
oder Zukaufssortiments, meist in Selbstbedienung, an fabriknahen oder verkehrs
orientierten Standorten absetzt.
Firmenmarke Marke, die im Wortstamm Elemente der Firma führt.
Freiwillige Ketten Formen der Kooperation, bei denen sich Groß- und Einzelhändler
zur Stärkung ihrer Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit zusammengeschlossen
haben. Zwischen den Mitgliedern und der Systemzentrale bestehen keine gesell-
schaftsrechtlichen, sondern nur vertragsrechtliche Bindungen.
Glossar 397
A Betriebstypen, 126
Abschlagskalkulation, 275 Betriebstypenmarke, 175
Abstimmungsaufgabe, 385 Big Data, 353
AIDA-Regel, 331 Bindungsgrad, 185
Anordnung der Warenträger, 308 Breitenexpansion, 225
Anreizsystem, 259 Business Process Reengineering, 229
Artikel, 218
Aufgabe
systembildende, 380 C
systemkoppelnde, 380 Category Management, 227, 312
Auktion Channel Hopping, 370
englische, 282 Co-Branding, 165
holländische, 282 Conjoint-Analyse, 283
Außenwerbung, 323 Consumer Neuroscience, 76
Auswahlverbund, 235 Conversion-Rate, 363
Autonomiegrad, 186 Cournot, Antoine-Augustin, 267
Customer Journey, 365
Customer Lifetime Value, 347
B Customer Relationship Management, 337
Baligh-Richartz-Effekt, 15
Bedarfsverbund, 235
Bedienungsform, 248 D
Befragung, 65 Direkte Produkt-Rentabilität (DPR), 240
Behavioral Pricing, 267, 286 Direktwerbung, 324
Bekanntheit Discounter, 131
gestützte, 320 Dissonanztheorie, 341
ungestützte, 320 Distanzhandel, 360
Benchmarking, 99, 120 Dynamic Pricing, 264, 282
Beratungsaufgabe, 385
Beratungsfunktion, 384
Bereich, monopolistischer, 269 E
Beschaffungsarealstrategie, 95 E-Commerce, 361
Beschaffungswegestrategie, 94 Efficient
Beschwerdemanagement, 343 Consumer Response, 226
Betriebsform, 126 Product Introduction, 227
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 401
D. Ahlert et al., Handelsmarketing,
https://doi.org/10.1007/978-3-642-55241-0
402 Sachverzeichnis
G M
GAP-Analyse, 110 Magnetresonanztomografie, funktionelle
Geschäftseinheit, strategische, 115 (fMRT), 76
Grenzerlös, 268 Makro-Standortwahl, 202
Grenzkosten, 268 Management, evolutionäres, 102
Markenmanagement, integriertes, 163
Marken-Portfolio-Management, 164
H Marken-Rechts-Management, 164
Handel, ambulanter, 5 Markenvertrauen, 164
Handelscontrolling, 377 Marketingforschung, 35
Handelsmarke, 165 Funktionen, 36
Handelsmarkenentwicklung, 172 Marktanteil, 51
Hauptkatalog, 362 Marktarealstrategie, 92
Markteintrittsbarriere, 21
Marktergebnisbetrachtung, 22
I Marktfeldstrategie, 88
Image, 321 Marktpotenzial, 50
Informationsversorgungsaufgabe, 385 Marktsegmentierung, 55
Informationsversorgungsfunktion, 378 Marktstimulierungsstrategie, 89
Instrumentalstrategie, 95 Markttest, 59
Marktvolumen, 51
Marktwachstum, 51
K Massenmarktstrategie, 91
Katalog, 362 M-Commerce, 365
Kaufverbund, 235 Messansatz, 68
Kernsortiment, 219 Mikro-Standortwahl, 202
Kommunikation, 317 Monopol, 267
Sachverzeichnis 403
O Q
Oligopol, 268 Qualitätsvermutung, preisabhängige, 281
Omnichannel
Handel, 367
Management, 373 R
Online-Werbung, 324 Randsortiment, 219
Raumzuteilung, 309
Realisationsphase, 388
P Reciprocal Share of Sales (RSS), 20
Panel, 57 Regalzone, 310
Personalbedarf, 245 Return on Investment, 105
Personalbedarfsplanung, 254 Reverse-Pricing-Mechanismus, 282
Personalbeschaffungsplan, 254
Personaleinsatzplan, 255
Personalplanung, 254 S
Personalstruktur, 245 Scannerdaten, 74
PIMS-Studie, 113 Scoring-Modell, 116
Planung Segmentierungsstrategie, 91
operative, 84 Sekundärforschung, 38
strategische, 83, 86 Selbstbedienungssystem, 248
Planungsphase, 388 Self-Service-Technologie, 249
Polypol, 268 Share-of-Wallet, 349
Portfolio Shopper Neuroscience, 313
Analyse, 115 Social-Commerce, 368
Methode, 112 S-O-R-Modell, 281, 331
Positionierungsmodell, 118 Sorte, 218
Potenzial, akquisitorisches, 269 Sortiment, 218
Präferenzstrategie, 91 Sortimentsbreite, 219
Prämissenkontrolle, 383 Sortimentsdehnung, 224
Präsentationspolitik, 303 Sortimentshöhe, 220
Predictive Modeling, 354 Sortimentsinnovation, 223
Preis, 263 Sortimentskontraktion, 225
Preisabsatzfunktion, 267 Sortimentskontrolle, 237
404 Sachverzeichnis
Sortimentspolitik, 217 V
Sortimentsstrategie, 225 Verbrauchermarkt, 130
Sortimentsstrukturanalyse, 239 Verbundeffekt, 234
Sortimentstiefe, 219 Verdrängungswettbewerb, 20
Sortimentsvariation, 224 Verhaltenskontrolle, 382
Sortimentsverbund, 234 Verhaltensstrategie, 95
Sortimentsverbundanalyse, 235 Verkaufsförderung, 318
Spezialkatalog, 362 Versandhandel, 10
SR-Ansatz, 281 Vickrey-Auktion, 282
Standort, 195 Vier-Felder-Matrix, 116
Standortfaktor, 199
Standortgestaltung, 213
Standortkontrolle, 213 W
Standortpolitik, 195 Warenbereich, 218
Standortwahl, 198 Warenfläche, 307
Stärken-/Schwächenanalyse, 49 Warengruppe, 218
Storetest, 59 Warenhaus, 10
Strategie, 85 Warenplatzierung, 303, 309
Supermarkt, 130 Warenpräsentation, 303
SWOT-Analyse, 49 Werbeerfolg, 327
Systemkontrolle, 383 Werbeerfolgsuntersuchung, ökonomische, 328
Systemwettbewerb, 129 Werbewirkung, 327
Werbewirkungspfad, 331
Werbung, 318
T Wettbewerbskräfte, 47
Target Pricing, 267, 289 Word-of-Mouth, 346
Testmarktsystem, 59
Tiefenexpansion, 224
Totalmodell, 331 Z
Transaktionskostentheorie, 15 Zeitdistanzmethode, 211
Triple-Code-Modell, 287 Zeitgleichermethode, 211
Zuschlagskalkulation, 275
Zwangsführung, 308
U Zwischenkatalog, 362
Unternehmungsplanung, siehe
auch Planung, 83