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Pfizer, Theodor Paul  

Geburtsdatum/-ort: 19.02.1904;  Stuttgart Suche 


Sterbedatum/-ort: 17.07.1992; München

Beruf/Funktion: Kommunal- u. Kulturpolitiker


Partner
Kurzbiografie: 1923–1927 Studium d. Rechtswissenschaft u. Volkswirtschaft in
Tübingen, München u. Berlin mit I. jurist. Examen
1927–1929 Geschäftsführer d. Tübinger Studentenhilfe (=
Studentenwerk), anschl. Vorbereitungsdienst für II. jurist. Examen
1931 Assessorexamen, anschließend wiss. Hilfsreferent beim
Landesarbeitsamt Südwestdeutschland in Stuttgart
1932 Übernahme in den Dienst d. Reichsbahn, Tätigkeit in Frankfurt
Verknüpfte Inhalte
am M., Ludwigshafen, Mainz, Wien, Dresden, Berlin u. Gleiwitz;  Orte (1)
zuletzt Verkehrsdezernent in Stuttgart
1946–1948 Ministerialrat im Verkehrsministerium Württemberg-  Personen (0)
Baden
 Objekte (71)
1948–1972 Oberbürgermeister d. Stadt Ulm; Mitglied des Dt.
Städtetages u. Vorsitzender des Schulausschusses, ab 1965  Themen (0)
Stellvertr. Vorsitzender des Kulturausschusses, ab 1968 bis 1971
Vorsitzender des Städtetages Baden-Württemberg
1954–1965 Vorsitzender des Dt. Ausschusses für das Erziehungs-
u. Bildungswesen
1955–1978 Präsident d. Hölderlin Gesellschaft
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1955ff. Mitglied des Staatsgerichtshofs Baden-Württemberg


1966–1975 Mitglied im dt. Bildungsrat
1960–1981 Vorstandsvorsitzender d. Studienstiftung des Dt.
Volkes
1972–1980 Vizepräsident d. Dt. Schillergesellschaft
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Weitere Angaben zur Person: Religion: ev. leobw https://www.leo-bw.de 

Auszeichnungen: Ehrungen (Auswahl): Bundesverdienstkreuz I.


Klasse (1952); Ehrensenator d. Univ. Freiburg (1957); Ehrensenator
d. Univ. Tübingen (1958), Dr. h. c. d. phil. Fakultät d. Univ. Heidelberg
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(1960); Ehrenbürger d. Stadt Ulm (1972); Ehrensenator d. Univ. Ulm
(1975); Professor des Landes Baden-Württemberg (1978);
Ehrenpräsident d. Hölderlin-Gesellschaft (1978); Ehrenvorsitzender
Durchschnitt (0 Stimmen)
d. Ulmer Universitätsgesellschaft (1981); Ehrenpräsident d.
Studienstiftung des Dt. Volkes (1981); Gründung d. Theodor-Pfizer-
Stiftung zur Unterstützung d. Studienstiftung (1986); Theodor- Kommentare
Pfizer- Platz in Ulm (2004).
Verheiratet: 1945 (Stuttgart) Ursula, geb. Zaiss (geboren 1920)
Eltern: Vater: Karl (1872–1917), Landgerichtsrat in Stuttgart
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Mutter: Erica, geb. Haagen (1882–1947)
Geschwister: Marie (geboren 1910)
Kinder: 2; Ricarda u. Ursula

GND-ID: GND/118593633
Biografie 

Biografie: Michael Kitzing (Autor)


Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 364-369

Pfizer wurde in Stuttgart in eine Familie mit juristischer, literarischer


und liberaler Tradition geboren. Sein Vater war dort Landgerichtsrat.
Der Großvater Emil von Pfizer (1843–1920) war
Landgerichtspräsident in Ulm, was bereits auf seinen späteren
Wirkungsort hinweist.
Die Schulzeit schloss Pfizer 1923 mit dem Abitur am
humanistischen Eberhard-Ludwig-Gymnasium ab. Bereits hier war
er mit den Brüdern Alexander (1905–1964), Berthold (1905–1944)
und Claus Graf Schenk von Stauffenberg (1907–1944) befreundet.
1923 bis 1927 studierte Pfizer Rechtswissenschaft und war
anschließend zwei Jahre als Geschäftsführer des Tübinger
Studentenwerks tätig. Das Rechtsreferendariat absolvierte er 1929
bis 1931 in Stuttgart, und wurde 1932 Referent für den Freiwilligen
Arbeitsdienst beim Landesarbeitsamt Südwestdeutschland. Im
Herbst 1932 wechselte er zur Reichsbahn, in deren Dienst er bis zu
seiner Berufung ins Verkehrsministerium Württemberg-Baden im
Juni 1946 blieb.
Die Rolle Pfizers bei der Reichsbahn während des „Dritten Reichs“
war bereits bei seiner Kandidatur für das Amt des Ulmer
Oberbürgermeisters 1948 Gegenstand von Auseinandersetzungen.
Sie wurde erneut seit 2004 diskutiert, als anlässlich seines 100.
Geburtstages eine Schule in Wiblingen nach Pfizer benannt werden
sollte. Das Vorhaben scheiterte. Noch im gleichen Jahr erfolgte die
Benennung eines Platzes in Ulm nach Pfizer.
In dieser Diskussion hat Andreas Lörcher die Rolle Pfizers auf der
Grundlage der Spruchkammerakte nochmals eingehend
untersucht: Im Rahmen eines ersten Verfahrens im März 1946 war
Pfizer von der Spruchkammer als vom Befreiungsgesetz nicht
betroffen eingestuft worden. Er hatte angegeben, weder NSDAP-
Mitglied noch Anwärter gewesen zu sein. Im Zusammenhang mit
seiner Ernennung zum Ministerialrat im Verkehrsministerium
Württemberg-Baden waren jedoch von Seiten der
Einheitsgewerkschaft der Eisenbahner Vorwürfe gegen Pfizer
erhoben worden. Der Vorsitzende Karl Molt (1891–1978) hielt Pfizer
vor, dass er noch 1944 als Propagandist von NS-Gedankengut
hervortrat, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Hitler, Goebbels
und Albert Ganzenmüller (1905–1996), den Staatssekretär im
Reichsverkehrsministerium. Er habe Durchhalteappelle in der
Reichsbahnverwaltung verbreitet und sei regelmäßig mit führenden
NS-Größen verkehrt. Obwohl er hierzu als höherer Beamter nicht
verpflichtet war, habe er eine Uniform getragen, die der der SS
geglichen habe.
Es kam zur Wiederaufnahme des Spruchkammerverfahrens gegen
Pfizer und stellte sich heraus, dass er unvollständige Angaben
gegenüber den US-Behörden gemacht hatte. Schon als 19-jähriger
Student hatte er sich der Schwarzen Reichswehr, einem
Kampfverband der extremen Rechten, angeschlossen. Auch wurde
bekannt, dass Pfizer sich 1941 um eine Mitgliedschaft in der
NSDAP beworben habe, jedoch abgelehnt worden sei. Pfizer stellte
in seiner Rechtfertigung seine persönliche Nähe zu einer ganzen
Reihe ausgewiesener Gegner des NS-Regimes heraus, so zu den
Brüdern Stauffenberg. Graf Alexander sagte für ihn aus, genauso
wie die Witwe des Widerstandskämpfers Friedrich Reck-
Malleczewen (1884–1945). Pfizer habe sich mehrfach mit Nikolaus
Graf von Üxküll-Gyllenband (1877–1944), einem Verwandten und
Mitstreiter der Stauffenbergs, getroffen und über die Beseitigung
des Regimes gesprochen. Eugen Gerstenmaier habe ihn über die
Absichten des Kreisauer Kreises und die Pläne, die schließlich zum
Attentat vom 20. Juli 1944 führten, unterrichtet. Aufgrund seiner
Freundschaft zu den Brüdern Stauffenberg und zu Dietrich
Bonhoeffer (1906–1945), so Pfizer, habe er mit seiner Verhaftung
rechnen müssen. Die Bewerbung um eine Parteimitgliedschaft sei
auf Anraten eines Vorgesetzten aus Karrieregründen erfolgt. Die
ihm vorgeworfene Propagandatätigkeit rechtfertigte er als
Anweisungen von Vorgesetzten, die er weiterzugeben hatte. Mit der
beanstandeten Uniform habe er nur Solidarität mit unteren
Dienstgraden ausgedrückt, die sie tragen mussten. Seine geistige
Haltung hingegen spiegle seine Privatbibliothek, in der sich lediglich
verbotene Literatur finde, keine NS-Schriften.
Andererseits fällt auf, wie schnell Pfizer Karriere gemacht hatte:
1932 war er außerplanmäßiger Assessor, 1933
Reichsbahnassessor und im Jahr darauf schon als Reichsbahnrat
Leiter des Reichsbahnverkehrsamts in Ludwigshafen, von wo aus
er 1938 nach Mainz und 1939 zur obersten Bauleitung der
Reichsautobahn nach Wien wechselte. 1940 endlich war er in die
Reichsbahndirektion in Dresden aufgestiegen, 1941 in die
Generalbetriebsleitung Ost-Berlin als Verbindungsmann zum
Steinkohlesyndikat in Gleiwitz. Ein Jahr später wurde er nach
Stuttgart als Reichsbahnoberrat versetzt und leitete das Dezernat
Güterverkehr und zugleich die Pressearbeit. In dieser Funktion war
er auch für Propagandafragen zuständig. In den
Verantwortlichkeitsbereich des Güterverkehrs fiel schließlich die
Verwaltung der Zwangsarbeiterlager in Ulm, Bietigheim und
Plochingen, in denen mehrere hundert ausländische Kräfte wie
Sklaven unter menschenunwürdigen Bedingungen gehalten
wurden. In dieser Zeit wurden Gegner des NS-Regimes in sieben
Güterzügen vom Stuttgarter Nordbahnhof aus in die
Konzentrationslager im Osten deportiert. Es ist jedoch nicht
bekannt, ob Pfizer an diesen Aktionen beteiligt war. Da schließlich
keiner derjenigen, die bei der Eisenbahnergewerkschaft Klage
geführt hatten, vor der Spruchkammer gegen Pfizer aussagte,
wurde er Anfang 1947 erneut freigesprochen.
Die Bewertung seines Handelns in der Forschung fällt ambivalent
aus. Von seiner geistigen Haltung her kann Pfizer nicht als
Nationalsozialist betrachtet werden. Er bewegte sich im Umfeld von
führenden Gegnern des Regimes, war sicherlich über deren Pläne
informiert und hat sie gebilligt. Als Regimegegner kann er jedoch
auch nicht angesehen werden. Er hat sich im Rahmen seiner
Tätigkeit bei der Reichsbahn durchaus in den Dienst des NS-
Regimes gestellt, wobei sein Handeln einzig auf das berufliche
Fortkommen ausgerichtet war. Das wurde besonders deutlich
durch seine freiwillige Tätigkeit bei der NSDAP-Ortsgruppe
Gleiwitz-Ring, die den Parteieintritt forcieren sollte.
Dennoch kandidierte er auf Anraten von Theodor Heuss am 11.
April 1948 bei der Wahl des Oberbürgermeisters von Ulm. Bei der
überaus scharf geführten Auseinandersetzung mit dem parteilosen
Amtsinhaber Robert Scholl und dem Sozialdemokraten Wilhelm
Schöneck (1902–1974) wurde er von CDU und FDP unterstützt. Der
erste Wahlgang endete in einem Patt. Pfizer konnte 35,20 Prozent
der Stimmen erhalten, Schöneck 33,1 Prozent, gefolgt von Scholl
mit 31,7 Prozent, der bei der Stichwahl nicht mehr antrat. Nun
setzte sich Pfizer deutlich mit 55 Prozent der abgegebenen
Stimmen gegen Schöneck durch. Weit weniger umkämpft war
seine Wiederwahl 1954; 1966 wurde er ein zweites Mal im Amt
bestätigt.
An den Beginn seiner Amtstätigkeit setzte Pfizer eine umfassende
Reform der noch provisorischen Nachkriegsverwaltung, die er
durch ein auswärtiges Organisationsbüro überprüfen ließ. Am Ende
dieses Verfahrens stand die Auflösung bzw. Zusammenlegung
zahlreicher städtischer Ämter, wodurch bei der Währungsreform
Einsparungen möglich wurden. Schlussendlich gliederte sich der
Verwaltungsapparat in drei Hauptabteilungen: Verwaltung,
Finanzen und Wirtschaft mit Bürgermeister, Stadtkämmerer und
Stadtbaudirektor an der Spitze. Pfizer ließ einen
Geschäftsverteilungsplan mit klar geregelten Zuständigkeiten der
einzelnen Ämter ausarbeiten, eine neue Besoldungsordnung und
eine neue Hauptsatzung, die die Kompetenzen zwischen
Oberbürgermeister, Stadtrat und den kommunalen Ämtern klar
festlegen sollte. Beachtung in der gesamten Bundesrepublik fand
auch die von Pfizer erlassene Allgemeine Dienstordnung, deren
erster Satz die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung ausdrücklich
zum Dienst am Bürger verpflichtete. Man pflegte während der Ära
Pfizer vom „Ulmer Stil“ zu sprechen: Die Bürger sollten möglichst
umfassend über die Tätigkeit von Oberbürgermeister und
Gemeinderat informiert und auch in das Stadtgeschehen
einbezogen werden. 1949 führte Pfizer die Tradition des
Schwörmontages wieder ein. In der sogenannten Schwörrede griff
Pfizer symbolisch auf die reichsstädtische Tradition zurück,
zugleich blickte er in der Schwörrede auf die Ereignisse des
abgelaufenen Jahres zurück. Nähe zum Bürger suchte Pfizer auch
beim jährlichen Neujahrsempfang sowie auf regelmäßig
abgehaltenen Bürgerversammlungen. In seiner Amtszeit fanden
insgesamt 113 derartige Versammlungen statt, die er fast alle
persönlich leitete. Bemerkenswert sind auch die
Bürgerinnenversammlungen, auf denen sich Pfizer speziell den
Sorgen des weiblichen Bevölkerungsteils zuwandte. Auch mit Hilfe
einer ausgeprägten Festkultur suchte er die Identifikation der
Bürger mit dem Gemeinwesen zu fördern. Die in der Phase des
Wiederaufbaus zahlreichen Einweihungsfeiern und die 1100-Jahr-
Feier der Stadt 1954 boten dazu reichlich Gelegenheit.
Der Wiederaufbau der zerstörten Stadt – 1,2 Mio. Kubikmeter
Trümmer, 9000 zerstörte sowie 8500 schwer beschädigte
Wohnungen – wurde durch mehrere Faktoren erschwert:
Geographisch war Ulm eingeengt zwischen Schwäbischer Alb,
Hochsträß und der Donau. Auf der anderen Donauseite war die
bayerische Grenze. Die Stadt Ulm gehörte zum Land Württemberg-
Baden in der amerikanischen Zone, Oberschwaben, ihr natürliches
Hinterland aber war Teil des Landes Württemberg-Hohenzollern in
der französischen Zone.
Es gelang schon während der ersten Amtszeit Pfizers., den Schutt
zu mehr als 90 Prozent zu beseitigen und zu verwerten. Die
Einwohnerzahl stieg von 58 000 im Jahr 1946 auf 85 000 im Jahr
1954. Mitte der 1950er-Jahre waren mehr als 50 000 Menschen in
Ulm beschäftigt. Hierzu beigetragen hatten vor allem die
Erschließung und der schrittweise Ausbau des südwestlich der
Stadt gelegenen Industriegebiets im Donautal.
Als während des Koreakrieges militärische Anlagen erneut
beansprucht wurden, die zuvor aufgelassen, als Schul- und
Kindergärten oder zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt
worden waren, hatte dies einen zusätzlichen Impuls für den
Wohnungsbau zur Folge. Zwischen 1950 und 1957 wurden knapp
1000 Wohnungen jährlich gebaut; die Stadt begann sich auf die
Schwäbische Alb hin auszudehnen. Insgesamt entstanden in der
Amtszeit Pfizers 15 000 Wohnungen allein am Eselsberg, später
kamen nochmals 9000 Wohneinheiten in Böfingen und 7000 in
Wiblingen hinzu. Diese Zahlen wurden von der Presse beim
Abschied Pfizers als Erfolg gewertet. Er war aber selbstkritisch
genug, in seiner Abschiedsrede zu hinterfragen, ob „die neuen
Siedlungen auch lebensgerecht seien“ (Südwestpresse, 23.7.1992).
Knapp 200 km Straßen waren unter Pfizer neu entstanden, 30
kleinere Brücken, 40 Fußgängerunterführungen und 2000
Parkplätze. Eine Ost-West-Achse durchquerte nun die Altstadt, ein
Ringstraßensystem umgab sie. Eine Grünzone war geschaffen
worden, einschließlich eines durchgehenden Fußweges am Ufer der
Donau, der alte Friedhof war in eine Parkanlage verwandelt worden,
die Wallanlagen der ehemaligen Bundesfestung waren begrünt.
Turnhallen und Sportstätten kamen der Jugend zugute, die „Aktion
Sandfloh“ machte es sich zur Aufgabe, Kinderspielplätze anzulegen.
Ein ungelöstes Problem der Ära Pfizer bildete die Grenze zum
bayrischen Neu-Ulm. Deren Überwindung stelle, so Pfizer, eine
politische Tat dar. Sein gesamtes Wirken war geprägt durch die
Suche nach Lösungen für grenzüberschreitende Planungen, war
aber von wechselndem Erfolg gekennzeichnet. Bevor es zur
Einrichtung des Gewerbegebiets im Donautal kam, war der Versuch,
ein grenzüberschreitendes Industriegebiet zu schaffen, an
bayrischen Behörden gescheitert. Dagegen gelang es, gemeinsam
mit Neu-Ulm eine Kläranlage zu betreiben, auch richteten beide
Gemeinden einen gemeinsamen Schlacht- und Viehhof im
Donautal ein. Die Schaffung eines gemeinsamen
Flächennutzungsplanes gelang jedoch nicht. 1954 besuchte
schließlich der Neugliederungsausschuss des Bundestages Ulm. In
seinem Gutachten wurde die Vereinigung von Ulm und Neu-Ulm
befürwortet, was jedoch an der bayerischen Befürchtung scheiterte,
Neu- Ulm werde zur Vorstadt herabsinken und an Bedenken einer
höheren steuerlichen Belastung. So blieb das Gutachten des
Neugliederungsausschusses letztlich lediglich Papier. Neue
Kooperationsmöglichkeiten schuf erst Ende der 1960er- Jahre die
Schaffung der Planungsgemeinschaft Donau-Iller. Auch der 1971
geschlossene Städtevertrag zwischen Ulm und Neu-Ulm
verbesserte die Kooperation zwischen beiden Städten. Schließlich
schufen die Eingemeindung von Jungingen, Mähringen und
Unterweiler neue Entwicklungsmöglichkeiten und -richtungen am
Ende der Amtszeit Pfizers.
Politisch erstrebte Pfizer eine Stadt „im Geiste unserer Zeit“:
bewohnt und geprägt von einer mündigen Bürgerschaft (Schwäb.
Ztg., 24.7.1992). Darum legte er einen Schwerpunkt seiner Politik
auf Bildungsfragen. Er förderte die von Inge Aicher-Scholl (1917–
1998) 1946 gegründete Volkshochschule, deren Ziel es war, „aus
den Ruinen und der Orientierungslosigkeit der Nachkriegszeit eine
neue Gesellschaft zu bauen und humanistische Bildungsinhalte und
demokratische Grundwerte zu vermitteln“ (Michael Wettengel,
Theodor Pfizer als Bildungspolitiker, 2004, S. 2). 1968 wurde der
Volkshochschule im Einstein-Haus ein geräumiges Domizil
geschaffen. Seine Verbundenheit mit dieser Institution blieb über
das Ende seiner Amtszeit hinaus bestehen, er saß weiter in deren
Kuratorium.
Auch der Schulhausneubau wurde unter Pfizer vorangetrieben, so
dass am Ende die massiven Verluste des II. Weltkrieges
ausgeglichen waren. Seit den 1950er-Jahren entstanden fast 30
neue Schulen. Auch hier fällt auf, wie Pfizer über seine engeren
Aufgaben hinausblickte. Er setzte sich für Reformen im Schulwesen
ein. Persönlich zwar der humanistischen Bildung verpflichtet wurde
mit dem Schuljahr 1970 das „zweite Ulmer Modell“ eingeführt, ein
„mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasiums mit
Koedukation, europäischer Orientierung und Kurssystem mit
differenzierten Fachunterricht“ (ebd.).
Gleichzeitig geschah der Ausbau als Hochschulstandort. 1960
wurde die Staatliche Ingenieursschule gegründet, die 1972
Fachhochschule wurde. 1967 war der Aufstieg zur Universitätsstadt
geschafft. Dafür hatte Pfizer seit 1960 als Vorsitzender des
Arbeitskreises Universität gewirkt. Nach der Universitätsgründung
setzte der Arbeitskreis seine Tätigkeit als Ulmer
Universitätsgesellschaft fort, ein Gremium, dem Pfizer weiter
verbunden blieb. Schließlich fand auch die 1953 von Max Bill
(1908–1994) und Otl Aicher (1922–1991) gegründete Hochschule
für Gestaltung in Pfizer bis zum Ende ihres Bestehens 1968 einen
zuverlässigen Förderer.
Pfizers Arbeit hat bis in die bundesdeutsche Bildungspolitik
hineingewirkt. Als Mitglied des Kulturausschusses des Deutschen
Städtetags und Vorsitzender des Schulausschusses und des
Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen,
als Mitglied auch des Deutschen Bildungsrates sprach er mit. Dem
Auswahlausschuss der Studienstiftung des Deutschen Volkes
gehörte Pfizer seit 1956 an, vier Jahre später trat er als
Vorsitzender des Stiftungsvorstandes an die Spitze des größten
politisch, weltanschaulich und konfessionell unabhängigen
deutschen Begabtenförderungswerkes, eine Tätigkeit, die er 21
Jahre fortführte.
Privat galten die Interessen Pfizers in erster Linie der Literatur. Über
Jahrzehnte baute er seine 10 000 Bände umfassende Bibliothek
auf, die ein breites Spektrum abdeckte. So finden sich unter den von
Pfizer gesammelten Werken Gesamtausgaben wie die 147 Bände
umfassende Sophien-Ausgabe Johann Wolfgang von Goethes
(1748–1832). Hinzu kamen Schriften über Landeskunde, Politik und
Geschichte sowie Pfizers eigene Veröffentlichungen. Unterstützt
durch die Universitätsgesellschaft wurde diese Bibliothek 1995 von
Stadt und Universität Ulm erworben. Sie ist heute in der Villa
Eberhardt untergebracht.
Schon bei seiner Verabschiedung aus dem Amt, erneut bei seinem
Tod wurde Pfizers Wirken für Ulm eingehend und kritisch gewürdigt.
Dabei klingt auch an, dass Pfizer in Ulm mit seiner Nähe zum
barocken Oberschwaben als ein nüchterner, kühler,
altwürttembergischer Pietist und Puritaner gesehen wurde. So kam
eine Tageszeitung zum Schluss, dass er mit der Stadt nicht auf Du
und Du gelebt habe. Es bleibe dahingestellt, ob das Urteil Person
und Sache gerecht würdigt.

Quellen: StadtA Ulm, Nachlass Theodor Pfizer; G 2 (Personengeschichtliche


Dokumentation Theodor Pfizer); Michael Wettengel, Theodor Pfizer
als Bildungspolitiker. Notiz für OB Ivo Gönner vom 23.3.2004, in:
StadtA Ulm, G 02.
Werke: Bibliographie: Heidrun Schleyer, Bibliographie Theodor Pfizer, in:
Hans Eugen Specker (Hg.), Tradition u. Wagnis. Ulm 1948–1972,
1974, 262-292. – Einzelwerke (Auswahl): Neubau d. Stadt: Die
Ulmer Schwörreden von 1949–1958, 1959; Aufgaben d.
Volksbildung in unserer Zeit, 1959; Ansprache bei d. Einstein-Feier
in Ulm, 1960; Hg. zus. mit Ewald Lissberger u. Bernhard Zeller, In
libro humanitatis, 1962; (zus. mit Georg Sigmund Graf Adelmann),
Baden-Württemberg – Staat, Wirtschaft, Kultur, 1963; Hg. von:
Gemeinde u. Erwachsenenbildung 1964; Ausbau d. Stadt: Die Ulmer
Schwörreden von 1959–1968, 1969; Ulmer Theater: Neubau 1969,
1969; Ulm 1970, Schwörrede des Oberbürgermeisters am 20. Juli
1970; Ulm 1971, Schwörrede des Oberbürgermeisters am 19. Juli
1971; Hg. von: Der Bürger im Staat, Politische Bildung im Wandel,
1971; Kommunalpolitik, Praxis d. Selbstverwaltung, 1973;
Verantwortung für Stadt u. Bürger, 1979; Im Schatten d. Zeit: 1904–
1948, 1979; Reden u. Aufsätze zur Kultur u. Kommunalpolitik, hg. v.
Hans-Eugen Specker u. Herbert Wiegand, 1984; Albrecht Herzog
von Württemberg 1865–1939, in: Robert Uhland/Willi A. Boelcke
(Hgg.), 900 Jahre Haus Württemberg, 1984, 363-378; Reden u.
Aufsätze zur Kultur. Kommunalpolitik aus den Jahren 1950–1979,
1984.

Nachweis: Bildnachweise: Foto (o. J.), in: Baden-Württembergische


Biographien 6, S. 354, StadtA Ulm. – Specker, 1974, 8 (vgl.
Literatur).

Literatur + Links 

Literatur: Fünf Jahre „Ära Theodor Pfizer“, in: Schwäb. Donauztg. vom
30.5.1953; Zehn Jahre Ära Pfizer in Ulm, ebd. von 11.4.1958; Karl
Wieder, Loyalität u. Liberalität, ebd. vom 19.2.1964; Dr. h. c. Theodor
Pfizer seit 20 Jahren Oberbürgermeister in Ulm, in: Südwest Presse
vom 31.5.1968; Die nächste Schwörrede hält ein neuer
Oberbürgermeister, in: Schwäb. Ztg. vom 30.7.1971; Keine Laudatio
für Dr. Pfizer, in: Neu-Ulmer Ztg. vom 15.12.1971; Mit Ulm nicht auf
du u. du, in: Südwest Presse vom 19.2.1972; Wilhelm Hoffmann,
Theodor Pfizer. Persönlichkeit u. Werk, in: Südwest Presse vom
22.7.1972; Ein Vierteljahrhundert Neubau d. Stadt, ebd.; Eugen
Specker (Hg.), Tradition u. Wagnis. Ulm 1948–1972, 1974; Wilhelm
Hofmann, Theodor Pfizer. Lebenswege u. Amtsführung, ebd., 9-23;
Gerd Albers, Planung u. Aufbau, ebd., 24-48; Hans Eugen Specker,
Grundlinien d. wirtschaftlichen Entwicklung, ebd., 49-91; Herbert
Wiegandt, Das kulturelle Geschehen, ebd., 92-136; Theodor Pfizer
wurde nach Stichwahl Oberbürgermeister, in: Südwest Presse vom
23.3.1978; Studienstiftung des Deutschen Volkes (Hg.), Theodor
Pfizer zu Ehren, 1983; Schöpfer des „Ulmer Stils“: Skeptisch – auch
gegen sich, in: Südwest Presse vom 23.7.1992; Prof. Dr. h. c.
Theodor Pfizer, geb. 19.2. 1904, gest. 17.7.1992, Oberbürgermeister
von 1948 bis 1972 u. Ehrenbürger d. Stadt Ulm, 1992; Wolfram
Enge (Hg.), Leser, Sammler, Kommunalpolitiker, 1994; Bücher
prägen Weg des Theodor Pfizer, in: Südwest Presse vom 7.1.1995;
Hans-Eugen Specker (Hg.), Die Ulmer Bürgerschaft auf dem Weg
zur Demokratie, 1997; Theodor Pfizer wird OB von Ulm, in: Südwest
Presse vom 11.4.1998; Eugen Specker, Pfizer, Theodor Paul, in: NDB
20, 2001, 344f.; Nazi-Verdacht vorgebracht, in: Südwest Presse
vom 2.4.2004;; Keine Schule mit Pfizers Namen, in: Neu-Ulmer
Zeitung 7.4.2004; Ulm hat jetzt einen Theodor-Pfizer-Platz, in:
Schwäb. Ztg. vom 17.7.2004; Tausende wussten von den
Todeszügen, in: Südwest Presse vom 1.10.2004; Als Ulm u. Neu-
Ulm die „Vernunftehe“ schlossen, in: Neu-Ulmer Ztg. vom
18.1.2006; Ulmer Stadtgeschichte von 854 bis heute, 2009, 40-45;
Frank Raberg, Biografisches Lexikon für Ulm u. Neu-Ulm 1802–
2009, 2010, 310-312; Andreas Lörcher, Die biografische Lücke, in:
Südwestpresse vom 22.3.2012; ders., Pflichterfüllung statt
Zivilcourage. Theodor Pfizer, in: Wolfgang Proske (Hg.), Täter, Helfer,
Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus dem Raum Ulm/Neu-Ulm, 2013,
141-149.

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