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DJI Kinder - Und Jugendmigrationsreport 2020
DJI Kinder - Und Jugendmigrationsreport 2020
Jugendmigrationsreport 2020
Datenanalyse zur Situation junger Menschen in Deutschland
2020
DJI-Kinder- und Jugendmigrationsreport 2020
DJI-Kinder- und
Jugendmigrationsreport 2020
Datenanalyse zur Situation junger Menschen in Deutschland
2020
Das Deutsche Jugendinstitut e. V. (DJI) ist eines der größten sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute Europas.
Seit über 50 Jahren erforscht es die Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen und Familien, berät Bund, Länder und
Gemeinden und liefert wichtige Impulse für die Fachpraxis.
Träger des 1963 gegründeten Instituts ist ein gemeinnütziger Verein mit Mitgliedern aus Politik, Wissenschaft,
Verbänden und Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe. Die Finanzierung erfolgt überwiegend
aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Bundesländern. Weitere
Zuwendungen erhält das DJI im Rahmen von Projektförderungen vom Bundesministerium für Bildung und For-
schung, der Europäischen Kommission, Stiftungen und anderen Institutionen der Wissenschaftsförderung.
Aktuell arbeiten und forschen ca. 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den beiden Standorten München und
Halle (Saale).
Herausgeber: Mitwirkende:
Susanne Lochner, Alexandra Jähnert Dr. Christian Alt
Dr. Alexandra Langmeyer
Autorinnen und Autoren:
Prof. Dr. Birgit Reißig
Elena Gnuschke: Forschungsverbund DJI/TU Dortmund, AKJStat
Dr. Christine Steiner
Stefan Hofherr: Deutsches Jugendinstitut (DJI)
Alexandra Jähnert: Deutsches Jugendinstitut (DJI) Gestaltung und Layout Innenteil:
Tilly Lex: ehem. Deutsches Jugendinstitut (DJI) Carmen Safdari
Susanne Lochner: Deutsches Jugendinstitut (DJI) Satz Innenteil:
Christiane Meiner-Teubner: Forschungsverbund DJI/TU Dortmund, AKJStat Karin Kopp, Grafik + Druck digital K.P. GmbH
Ninja Olszenka: Forschungsverbund DJI/TU Dortmund, AKJStat
Agathe Tabel: Forschungsverbund DJI/TU Dortmund, AKJStat Lektorat:
Dr. Jürgen Barthelmes
Vorwort
Als das Deutsche Jugendinstitut im Jahr 2012 erstmals Gleichzeitig darf die Situation diejenigen jungen Men-
einen Kindermigrationsreport und ein Jahr später einen schen nicht aus dem Blick geraten, deren Eltern oder
Jugendmigrationsreport veröffentlichte, stand dahinter Großeltern nach Deutschland zugewandert sind. Auch
der Gedanke, dass das Thema „Aufwachsen mit Migra- wenn diese in der zweiten und vor allem dritten Ge-
tionshintergrund“ für die deutsche Gesellschaft immer neration deutlich bessere Bildungserfolge aufweisen,
wichtiger, aber bislang in seiner Eigenständigkeit kaum haben doch andere nach wie vor mit ungleichen Chan-
wahrgenommen wird. Dass diese Thematik durch die cen im deutschen Bildungssystem zu kämpfen. Die
ungewöhnlich hohe Zuwanderung in den Jahren 2015 unterschiedlichen Wege des Aufwachsens bleiben ins-
und 2016 noch weitaus stärker an Bedeutung gewin- besondere für spezifische Zuwanderergruppen persis-
nen würde, war damals noch nicht abzusehen. tent und sind somit umso alarmierender. Differenziert zu
Auch wenn die Zuwanderungszahlen nach diesen betrachten ist schließlich auch die Gruppe der Zuwan-
beiden Ausnahmejahren wieder auf eine unauffällige derer im Rahmen der EU-Binnenmigration. Auch die-
Größenordnung gesunken sind, bleibt das Thema den- sen Familien gelingt ein Ankommen in der deutschen
noch weit oben auf der gesellschaftlichen Agenda. Von Gesellschaft nicht immer problemlos: Sprachbarrieren
allen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und teilweise geringe Kenntnis des hiesigen Schul- und
in Deutschland hatte, bei deutlichen regionalen Unter- Ausbildungssystems stellen für sie Hürden dar.
schieden, im Jahr 2017 mehr als ein Drittel – 34 Pro- All das zeigt, dass Migration im Allgemeinen und die
zent – einen Migrationshintergrund. In vielen westdeut- Lage der Kinder und Jugendlichen im Besonderen für
schen Ländern liegt dieser Wert inzwischen bei über Deutschland zu einem bedeutenden Thema geworden
40 Prozent und in manchen Großstädten bei über 50 sind, das einer empirischen Vergewisserung bedarf und
Prozent. Mit anderen Worten: Heutzutage hat in vielen nicht in allgemeinen Migrationsdebatten verschwinden
Landstrichen Deutschlands nahezu jedes zweite Kind darf. Deshalb sind differenzierte Analysen, wie sie mit
eine Zuwanderungsgeschichte. Deshalb ist es mehr als diesem Kinder- und Jugendmigrationsreport vorgelegt
notwendig, sich ausführlicher mit dieser Thematik zu werden, so wichtig.
befassen.
Dabei muss klar sein, dass Kinder und Jugendliche
mit Migrationshintergrund in keiner Weise eine homo- Prof. Dr. Thomas Rauschenbach
gene Gruppe darstellen. Nur ein Teil von ihnen – gut München, im Mai 2020
ein Viertel – kam selbst nach Deutschland, knapp drei
Viertel von ihnen sind hier geboren und in Familien auf-
gewachsen, die in den Jahrzehnten zuvor zugewandert
sind. Und dennoch gibt es immer wieder Hinweise da-
rauf, dass das Aufwachsen jenseits des Herkunftslan-
des der Eltern mit besonderen Herausforderungen ver-
bunden sein kann.
Dies gilt in erster Linie für geflüchtete Kinder und
Jugendliche, die sich nach ihrer Ankunft häufig in äu-
ßerst prekären Lebensumständen befunden haben, die
teilweise durch traumatisierende Erlebnisse im Her-
kunftsland sowie auf der Flucht noch verschärft wor-
den sind. Dennoch zeichnen sich insbesondere für
die Gruppe der Schutz- und Asylsuchenden der Jahre
2015/16 mit einer sog. „sicheren Bleibeperspektive“
Verbesserungen hinsichtlich des Spracherwerbs, der
Integration in das Bildungswesen und der Erwerbstä-
tigkeit ihrer Eltern ab.
V
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abkürzungen
AID:A Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (DJI-Survey)
abH ausbildungsbegleitende Hilfen
ASD Allgemeine Soziale Dienste
AsylblG Asylbewerberleistungsgesetz
AsylG Asylgesetz
AufenthG Aufenthaltsgesetz
AZR Ausländerzentralregister
BA Bundesagentur für Arbeit
BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
BaföG Bundesausbildungsförderungsgesetz
BbiG Berufsbildungsgesetz
BGJ Berufsgrundbildungsjahr
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung
BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
BVA Bundesverwaltungsamt
BvB Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen
BVFG Bundesvertriebenengesetz
BVJ Berufsvorbereitungsjahr
CILS4EU Children of Immigrants Longitudinal Survey in four European countries
DAZUBI Datensystem Auszubildende
DJI Deutsches Jugendinstitut
DSW Deutsches Studentenwerk
DZHW Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung
EB Erziehungsberatung
EQ Einstiegsqualifizierung
GFK Genfer Flüchtlingskonvention
HwO Handwerksverordnung
HzE Hilfen zur Erziehung
HZB Hochschulzugangsberichtigung
IAB Institut für Arbeitsmarktforschung
iABE integrierte Ausbildungsberichterstattung
IEB Integrierte Erwerbsbiografie
IQB Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen
ISCED International Standard Classification of Education
KfbG Kriegsfolgenbereinigungsgesetz
KiBS DJI-Kinderbetreuungsstudie
KJH-Statistik Kinder- und Jugendhilfestatistik
KMK Kultusministerkonferenz
KompAS Kompetenzfeststellung, frühzeitige Aktivierung und Spracherwerb
LAufnG Landesaufnahmegesetz
NEPS Nationales Bildungspanel (National Educational Panel Study)
PerfF Perspektiven für Flüchtlinge
PerjuF Perspektiven für junge Flüchtlinge
SGB Sozialgesetzbuch
StAG Staatsangehörigkeitsgesetz
UMA Unbegleitete ausländische Minderjährige
Ein E im Text verweist auf methodische oder definitorische Erläuterungen, die in einem separaten Erklärkasten beschrieben
sind. Eine Übersicht zu den Erklärkästen sowie ihre Verortung im Text E-Kastenverzeichnis findet sich am Ende des Berichts.
VI
Inhalt
Inhalt
1 Vielfältige Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund – eine Einleitung
Susanne Lochner.................................................................................................................................................................... 1
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen........... 156
5.1 Inobhutnahmen
Elena Gnuschke.................................................................................................................................................................. 158
5.2 Hilfen zur Erziehung
Agathe Tabel....................................................................................................................................................................... 169
7 Kindheit und Jugend in Deutschland ist vielfältig – die soziale Herkunft ausschlaggebend:
ein Resümee
Susanne Lochner................................................................................................................................................................ 225
VII
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Anhang....................................................................................................................................................................................... 228
Literaturverzeichnis...................................................................................................................................................................... 250
Abbildungsverzeichnis................................................................................................................................................................. 266
Tabellenverzeichnis...................................................................................................................................................................... 271
E-Kastenverzeichnis..................................................................................................................................................................... 272
VIII
1 Vielfältige Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund – eine Einleitung
Seit Erscheinen der ersten Kinder- und Jugendmig- ellen amtlichen Statistiken oder repräsentativen Sur-
rationsreporte (Cinar u.a. 2013; Stürzer u.a. 2012) hat vey-Daten analysiert.
sich die Struktur der in Deutschland lebenden Kinder,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen deutlich ge- Datengrundlagen1
wandelt. So ist die Kindheit und Jugend in Deutschland Als Anknüpfung an die letzten Kinder- und Jugend-
durch gestiegene Zuwanderung – insbesondere durch migrationsreporte werden die amtlichen Daten des
die Fluchtmigration in den Jahren 2015/16 – sowie Mikrozensus 2009 aufgegriffen, die in den damaligen
durch in Deutschland geborene Kinder von nichtdeut- Berichten die statistische Grundlage bildeten. Ein Ver-
schen Eltern vielfältiger geworden. Um diese neueren gleich der Daten der amtlichen Statistik der Jahre 2009
Entwicklungen aufzugreifen, wird mit diesem Bericht und 2017 verdeutlicht Veränderungen der letzten acht
an den ersten damals separat veröffentlichten Kinder- Jahre in den Lebenswelten, die Kinder, Jugendliche
migrationsreport und Jugendmigrationsbericht ange- und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund in
knüpft. Im Fokus stehen Kinder, Jugendliche und junge Deutschland vorfinden. Über den Mikrozensus können
Erwachsene bis unter 25 Jahren. Aussagen zu den Lebenslagen von unterschiedlichen
Im Jahr 2015 hat die Migration nach Deutschland Migrationsgenerationen getroffen werden, da der Ge-
mit über zwei Millionen Zuzügen ihren bisherigen Höhe- burtsort der Kinder sowie deren Eltern und meist auch
punkt erreicht, das Wanderungssaldo des Jahres 2015 der Großeltern erhoben wird. Des Weiteren können
betrug über eine Million. Knapp die Hälfte der Zuge- Analysen nach familialer Herkunft erfolgen, da das
wanderten waren Jugendliche und junge Erwachsene Herkunftsland der unter 25-Jährigen oder deren Eltern
unter 25 Jahren. Die stark angewachsene Zuwande- sowie Großeltern erfasst wird. Da Asylsuchende kaum
rung setzt sich primär aus EU-Binnenmigranten, ins- Eingang in den Mikrozensus finden und zudem nicht
besondere aus den Ländern der EU-Osterweiterung, separat ausgewiesen werden (A-1.1), können in Bezug
sowie aus Asylsuchenden zusammen. Diese in den auf diese Gruppe keine Aussagen auf Basis des Mik-
letzten Jahren Neuzugewanderten stellen jedoch nur rozensus getroffen werden. Daher wird für die Analyse
einen geringen Anteil an allen Personen mit Migrations- von Asylsuchenden auf die amtlichen Statistiken des
hintergrund in Deutschland dar. Ein Großteil der Kinder, Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und des Sta-
Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrations- tistischen Bundesamts zurückgegriffen. Über die Asyl-
hintergrund ist in Deutschland geboren. Dieser Bericht geschäftsstatistik (A-1.2) können soziodemografische
möchte nicht nur die Lebenswelten in Familie, Freizeit Aussagen zu aktuell Asylantragstellenden getätigt wer-
und Freundeskreis aufzeigen, sondern umfasst ex- den, während das Ausländerzentralregister (A-1.2) alle
plizit auch institutionalisierte Lebenslagen von jungen in Deutschland lebenden Personen mit ausländischer
Menschen mit Migrationshintergrund. Institutionalisier- Staatsangehörigkeit umfasst. Über das Ausländerzen-
te Lebenslagen werden im Besonderen durch das Bil- tralregister als Bestandsgröße können somit Aussagen
dungssystem geprägt. Für asylsuchende Jugendliche zu allen in Deutschland lebenden Asylsuchenden mit
und junge Erwachsene sind zudem die durch die Kin- unterschiedlichen Aufenthaltstiteln getätigt werden.
der- und Jugendhilfe angebotenen Handlungsfelder der
Inobhutnahmen und Hilfen zur Erziehung für ein erstes 1 Zur Verdeutlichung, welche Ergebnisse sich auf amtliche Daten bezie-
hen, werden Prozentangaben der amtlichen Statistik mit einer Nach-
Ankommen in Deutschland von hoher Relevanz. Diese kommastelle dargestellt, während Ergebnisse aus Surveys auf ganze
Bereiche werden im Bericht aufgegriffen und mit aktu- Zahlen gerundet angegeben werden.
1
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Den Daten aus amtlichen Statistiken sind Grenzen ge- Aufbau des Reports
setzt, da sie lediglich Grunddaten erheben und nicht in Zu Beginn des Berichts gibt das konzeptionelle Kapi-
die Tiefe gehen: Ein tieferer Einblick in die Lebenswel- tel 2 eine Einführung zu Kategorisierungen des Migra-
ten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund tionshintergrundes und den historischen Dimensionen
wird durch die Analyse von repräsentativen Surveys der Zuwanderung nach Deutschland. Die vier großen
gegeben. Für diesen Bericht wurden die Daten der Zuwanderergruppen und ihre Besonderheiten werden
DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS; A-2.3), des Natio- anhand ihrer Entwicklung und Soziodemografie ana-
nalen Bildungspanels (NEPS; A-2.2) sowie des Sozio- lysiert. Der Einfluss prägender familiärer Hintergrund-
oekonomischen Panels (SOEP; A-2.1) herangezogen. faktoren wie der sozioökonomischen Situation der Fa-
Mit den 2016 neu implementierten Samples der IAB- milie sowie der familiären Sprachpraxis wird in diesem
BAMF-SOEP Befragung von Geflüchteten können nun Kapitel erläutert und bildet die Basis für die weiteren
auch detaillierte Aussagen zu den Lebenswelten von Analysen des Berichts.
asylsuchenden Kindern und Jugendlichen getätigt Die spezifischen Lebenswelten von Kindern, Ju-
werden (A-2.1). gendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrations-
Kindertagesbetreuung, Inobhutnahmen und Hilfen hintergrund thematisiert Kapitel 3. Die familiäre Aus-
zur Erziehung werden auf Basis der Kinder- und Ju- gangssituation, frühkindliche und außerschulische
gendhilfestatistik (A-1.3) analysiert. Auch hier gilt es Förderung in den Familien und die darunterliegenden
Einschränkungen zu beachten, da der Migrationshin- Erziehungsstile, Wertvorstellungen und Religiosität
tergrund spezifisch über das Geburtsland der Eltern werden dargestellt. Zudem wird beleuchtet, welchen
definiert wird. Somit können keine detaillierteren Ana- Einfluss die Familie und deren Wertvorstellung auf das
lysen zu Migrationsgenerationen oder nationaler Her- Freizeitverhalten und den Freundeskreis der Kinder und
kunft der Eltern durchgeführt werden. Jedoch wird eine Jugendlichen haben.
zusätzliche Komponente erhoben, die für die gesamt- Das deutsche Bildungssystem hat den Anspruch,
gesellschaftliche Integration und insbesondere in der allen Kindern – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft
frühen Kindheit eine bedeutsame Rolle einnimmt: die in – die gleichen Chancen zu gewähren. Ob dies bei Kin-
der Familie vorrangig gesprochene Sprache. dern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migra
Die amtlichen Statistiken zum Bildungssystem, die tionshintergrund gelingt, wird in Kapitel 4 untersucht.
Schul- sowie die Hochschulstatistik (A-1.4 bis A-1.8), Das Kapitel 4 zeigt den Stellenwert von frühkindlichen
erheben bislang lediglich die Staatsangehörigkeit der Bildungsangeboten für Kinder mit Migrationshintergrund
Schülerinnen und Schüler bzw. der Studierenden. So- und stellt einrichtungsbezogene Segregationstendenzen
mit ist es in diesem Bereich nicht möglich, auf Basis dar, die Folge einer wohnräumlichen Segregation sind.
der amtlichen Statistik Aussagen zu jungen Menschen Die Grundschule bietet mit ihrer Konzeption als Ge
mit Migrationshintergrund treffen zu können. Es kann samtschule allen Kindern, unabhängig ihrer sozialen
lediglich zwischen deutschen und nichtdeutschen Per- Herkunft, denselben Einstieg in das Bildungssystem.
sonen unterschieden werden. Daher erfolgt die Analyse Bereits mit dem Übergang auf weiterführende Schulen
der schulischen Laufbahn über repräsentative Surveys, findet eine starke Selektion nach Schultypus statt, die
die nach Migrationshintergrund unterscheiden, wie den entlang der Trennlinie Migrationshintergrund verläuft.
DJI-Survey „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ Diese Selektionsmechanismen ziehen sich auch durch
(AID:A 2013/14, A-2.6) sowie den IQB-Bildungstrends das berufliche Ausbildungssystem sowie das Studium.
(A-2.4). Die DJI-Neuzuwandererstudie (A-2.5) lässt zu- Welchen Stellenwert das berufliche Ausbildungssystem
dem detaillierter Analysen von in den letzten Jahren nach für Jugendliche mit Migrationshintergrund und insbe
Deutschland migrierten Jugendlichen –und somit auch sondere für junge Asylsuchende hat, wird in diesem Ka
Asylsuchenden – im deutschen Schulsystem zu. pitel dargestellt. Insgesamt gilt es zu hinterfragen, ob
das deutsche Bildungssystem dem Anspruch einer die
familiären Hintergrundfaktoren ausgleichenden Maß
nahme genügen kann.
Welche Gegebenheiten junge Menschen in den
Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe vorfin-
2
1 Vielfältige Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund – eine Einleitung
3
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
2
Zuwanderung
nach Deutschland:
Demografische
Entwicklungen
5
Kinder- und Jugendmigrationsreport
6
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
7
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Einleitung
Seit der Einführung der Kategorie „Migrationshinter- dro Portes und Rubén G. Rumbaut (2005; 2001) nach-
grund“ in der amtlichen Statistik des Mikrozensus im weisen, dass ein geradliniger Integrationsprozess über
Jahr 2005 ist es möglich, sowohl Teilhabechancen als die Zuwanderergenerationen hinweg nicht zwangsläu-
auch Benachteiligungen von Personen mit Migrations- fig gegeben sein muss. Die zweite Generation mancher
hintergrund im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zu Zuwanderergruppen passte sich mehrheitlich nicht an
analysieren. Im Rahmen der statistischen Erfassung den „Mainstream“ der Aufnahmegesellschaft an, son-
erfolgt eine Fremdzuschreibung in die Kategorie „Mi- dern an die „Unterschicht“. Mit dieser „downward as-
grationshintergrund“ auf Basis bestimmter Merkmale similiation“ war somit ein sozialer Abstieg der zweiten
– die Person selbst wird nicht nach ihrer Selbstwahr- Generation zu beobachten, der den klassischen Assi-
nehmung und Verortung in den Kategorien gefragt. milationstheorien widersprach. Um diese theoretischen
Durch diese Zweiteilung der Gesellschaft in Personen Aspekte in den empirischen Analysen überprüfen zu
mit und ohne Migrationshintergrund verfestigt sich He- können, ist es entscheidend, die Lebenslagen und in-
terogenität und ein Anderssein, das Klassifikationen stitutionellen Bezugsrahmen von Kindern und Jugend-
im Allgemeinen inhärent ist (Will 2016). Die Kategorie lichen in den unterschiedlichen Migrationsgenerationen
„Migrationshintergrund“ vereint ausgesprochen hete- darzustellen.
rogene Gruppierungen; hier sollen insbesondere die
unterschiedlichen Migrationsgenerationen sowie die Migrationsgenerationen
verschiedenen Herkunftsregionen bzw. Zuwanderer- Die Kategorie „Migrationshintergrund“ wird in den je-
gruppen berücksichtigt werden. Trotz der genannten weiligen Datengrundlagen äußerst heterogen erhoben.
Heterogenität, die der Begriff „Migrationshintergrund“ Je differenzierter der Migrationshintergrund erfasst
vereint, gibt es verbindende Elemente, die Personen werden soll, desto aufwändiger gestalten sich sowohl
mit Migrationshintergrund von anderen abheben: Sie Befragung als auch methodische Aspekte wie Stich-
alle verbindet jeweils direkt oder indirekt die Heraus- probenziehung, Probandenrekrutierung und nicht zu-
forderung, sich in einer neuen Gesellschaft zurechtzu- letzt Fragebogenübersetzungen. Insbesondere seit der
finden sowie ein Leben zwischen zwei oder mehreren Jahrtausendwende haben sich diverse Konzepte zur
Kulturen zu führen. Erfassung und Untergliederung eines Migrationshinter-
grunds entwickelt. Relevante Indikatoren sind: (1) die
Staatsangehörigkeit bei der Geburt, (2) der Geburtsort
2.1.1 Zur Kategorie der Person, (3) der Geburtsort der Eltern und manchmal
„Migrationshintergrund“ der Großeltern, (4) die zu Hause überwiegend gespro-
chene Sprache (vor allem in Bezug auf den frühkind-
Die Erfassung eines differenzierten Migrationshinter- lichen und schulischen Bereich) (Maehler u.a. 2016;
grunds ist insbesondere für junge Menschen ausschlag- Maehler/Brinkmann 2016).
gebend, um die Entwicklung von Teilhabechancen in
der Generationenfolge analysieren zu können. Ent-
sprechend den klassischen Assimilationstheorien (Park E1: Staatsangehörigkeits- und Migrationskonzept
1950; Park/Burgess 1921) sowie der Neoassimilations- Staatsangehörigkeitskonzept: Lediglich das
theorie (Alba/Nee 2005) kommt es erst im intergenera- Merkmal der Staatsangehörigkeit wird heran-
tionalen Verlauf zu einer Angleichung oder „Verschmel- gezogen. Es kann nur zwischen deutsch und
zung“ der Zuwanderer mit der Aufnahmegesellschaft. nichtdeutsch unterschieden werden (z.B. Schul-
Insbesondere die abschließenden Dimensionen des statistik).
Akkulturationsmodells (Esser 2001; Berry 1997), die In- Migrationskonzept: Das eigene Geburtsland
teraktion mit Personen der Aufnahmegesellschaft und sowie das der Eltern und ggf. der Großeltern wird
die Identifikation mit dem Aufnahmeland, erstrecken herangezogen, um den Migrationshintergrund zu
sich über Generationen hinweg. Mit der „Children of bestimmen.
Immigrants Longitudinal Study“ (CILS) konnten Alejan-
8
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Auf Basis der erhobenen Merkmale liegt entweder das nicht durch Geburt besitzt“ (Statistisches Bundesamt
Staatsangehörigkeits- oder das Migrationskonzept E1 2018i). Des Weiteren wird zwischen Personen mit Mi-
zugrunde. Wird nur die Staatsangehörigkeit erfasst, kön- grationshintergrund und eigener Migrationserfahrung
nen Migrationsgenerationen nicht dargestellt werden. und solchen ohne eigene Migrationserfahrung differen-
Als Feingliederung kann nach Migrationsgenerationen ziert. Personen mit eigener Migrationserfahrung gehö-
E2 und dem Migrationsstaus E3 in der zweiten Gene- ren der ersten Generation an, während Personen ohne
ration unterschieden werden. Dabei wird meist die ers- eigene Migrationserfahrung entweder der zweiten oder
te und zweite Migrationsgeneration erfasst. sogar dritten Generation zugerechnet werden. Da über
die Staatsangehörigkeit nicht das Geburtsland erfasst
wird, kann manchen Personen im Mikrozensus kein
E2: Migrationsgenerationen Migrationshintergrund zugewiesen werden, obwohl sie
1. Generation: Zielperson ist im Ausland geboren in der dritten Generation in Deutschland leben (A-1.1).
2. Generation: Zielperson ist in Deutschland, aber Die im Report dargestellten Analysen der Mikrozensus-
mindestens ein Elternteil im Ausland geboren daten unterscheiden zwischen „1. Generation“ sowie
3. Generation: Zielperson selbst sowie deren „2./3. Generation“. Zu beachten ist hierbei, dass die
Eltern sind in Deutschland geboren, jedoch ist Kategorie „2./3. Generation“ nicht alle Personen der
mindestens ein Großelternteil im Ausland geboren dritten Migrationsgeneration umfasst, da diesen basie-
rend auf der Definition kein Migrationshintergrund zu-
geordnet wird.
Neben der Migrationsgeneration ist relevant, ob Kinder Auch das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) klassi-
aus einer interethnischen Partnerschaft stammen oder fiziert nach Staatsangehörigkeit. So wird hier zwischen
ob beide Eltern im Ausland geboren sind. Dieser ein- einem direkten (1. Generation) und indirektem (2. oder 3.
oder beidseitige Migrationsstatus hat Auswirkungen Generation) Migrationshintergrund unterschieden (A-2-1).
auf die Sozialisation der Kinder (Gerleigner/Prein 2017). Während das Statistische Bundesamt den Migrati-
Studienergebnisse lassen darauf schließen, dass Kin- onshintergrund über die Staatsangehörigkeit bestimmt,
der der zweiten Migrationsgeneration mit nur einem wird in einigen repräsentativen Surveys das Geburts-
nach Deutschland zugewanderten Elternteil (einseitig) land der befragten Person, deren Eltern und teilweise
eher mit Kindern der dritten Generation vergleichbar auch der Großeltern herangezogen. Für die Studie „Auf-
sind, während Kinder der zweiten Generation mit zwei wachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A) und das
zugewanderten Elternteilen (beidseitig) Kindern der Nationale Bildungspanel (NEPS) wurde eine umfängli-
ersten Generation ähneln (Berngruber u.a. 2012). che Kategorisierung des Migrationshintergrunds vorge-
nommen, in der die erste bis dritte Migrantengeneration
feinstufig abgebildet werden kann (Olczyk u.a. 2014). Im
E3: Migrationsstatus der zweiten Generation Anhang ist eine Übersicht zu den in relevanten Surveys
Einseitiger Migrationshintergrund: Kind in und Statistiken verwendeten Operationalisierungen
Deutschland geboren, ein Elternteil hat je nach des Migrationshintergrunds dargestellt (A-1, A-2). Da
Definition ausländische Staatsangehörigkeit bzw. die Schulstatistik lediglich die Staatsangehörigkeit der
wurde im Ausland geboren. Schülerinnen und Schüler erfasst, kann nur zwischen
Beidseitiger Migrationshintergrund: Kind in deutsch und nicht-deutsch unterschieden werden und
Deutschland geboren, beide Elternteile haben je somit wird ein Großteil der Kinder mit Migrationshinter-
nach Definition ausländische Staatsangehörigkeit grund nicht dargestellt.
bzw. wurden im Ausland geboren. Der Vergleich der jeweiligen Operationalisierungen
des Migrationshintergrunds in amtlichen Statistiken
und repräsentativen Surveys verdeutlicht, wie vielfältig
Dem Mikrozensus liegt die Definition des Statistischen die Kategorie gefasst ist. Diese Uneinheitlichkeit, die
Bundesamts zugrunde nach der eine Person dann einen sowohl aus differierenden Schwerpunktsetzungen der
Migrationshintergrund hat, „wenn sie selbst oder min- Studien als auch aus methodischen Erwägungen resul-
destens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit tiert, erschwert eine systematische und vergleichende
9
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Auswertung der Datenquellen. In den folgenden Kapi- in den jungen Alterskohorten ein höherer Anteil der
teln wird eine größtmögliche Einheitlichkeit der Klassi- Kinder einen Migrationshintergrund aufweist. Bei den
fikationen sowie eine möglichst differenzierte Katego- unter 5-Jährigen hatten im Jahr 2017 39,1% einen Mi-
risierung des Migrationshintergrunds angestrebt. Bei grationshintergrund, während es bei den 20- bis unter
unzureichenden Fallzahlen werden die erste und zweite 25-Jährigen nur 28,6% waren. Über den Lebensver-
Generation beidseitig zusammengefasst und die dritte lauf zeigt sich eine starke Abnahme von Personen mit
Generation gemeinsam mit der zweiten Generation ein- Migrationshintergrund in den älteren Alterskategorien:
seitig betrachtet. Bei den über 64-Jährigen lag der Anteil an Personen
Informationen über Zugewanderte finden sich in der mit Migrationshintergrund im Jahr 2017 bei nur 11,5%
amtlichen Statistik in zwei Datenquellen: Wanderungs- (Statistisches Bundesamt 2018c).
statistik und Mikrozensus. Die Wanderungsstatistik Durch diese Ausgangslage und aufgrund höherer
erfasst die Zahl der Zuzüge von bzw. Fortzüge nach Fertilitätsraten unter Migrantinnen3 wird zukünftig in
Deutschland in einem bestimmten Zeitraum und stellt Deutschland ein immer größerer Anteil an Kindern, Ju-
somit eine über die Jahre variable Flussgröße dar. Der gendlichen und jungen Erwachsenen aus Familien mit
Mikrozensus wiederum stellt eine Bestandsgröße dar, Migrationserfahrung stammen. Zusätzlich zum großen
die Aussagen zur soziodemografischen Struktur aller Anteil an Neugeborenen mit Migrationshintergrund
in Deutschland lebenden Personen mit Migrationshin- zeigt die Entwicklung zwischen 2009 und 2017, dass
tergrund zulässt. Um die Entwicklung der letzten Jahre auch der Anteil an Jugendlichen mit Migrationshinter-
abbilden zu können, wird die Datengrundlage des ers- grund anwächst.
ten Kindermigrationsreports aufgegriffen und aktuellen Mit steigendem Alter sinkt die Quote an Kindern
amtlichen Daten gegenübergestellt. In Bezug auf den und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der je-
Mikrozensus werden im Folgenden somit die Jahre weiligen Kohorte. Seit 2009 ist jedoch ein deutlicher
2017 und 2009 verglichen. prozentualer Anstieg des Migrantenanteils in den älte-
ren Jahrgängen zu verzeichnen: So kam es zwischen
2009 und 2017 bei den unter 5-Jährigen nur zu einem
2.1.2 Zur Demografie prozentualen Anstieg um 14%, während dieser in der
von unter 25-Jährigen mit Alterskohorte der 20- bis unter 25-Jährigen um 23%
anwuchs (Abb.2-1). Dies kann ein Hinweis auf die in
Migrationshintergrund den letzten Jahren deutlich angestiegene Zahl an unbe-
Im Jahr 2017 lebten 6,7 Millionen unter 25-Jährige mit gleiteten minderjährigen Asylsuchenden sein (Kap. 6.1).
Migrationshintergrund in Deutschland (Statistisches Eine Betrachtung der absoluten Zahlen in den ein-
Bundesamt 2018b). Ein Vergleich mit dem ersten Kin- zelnen Alterskohorten verdeutlicht den allgemeinen Be-
dermigrationsreport (Cinar u.a. 2013) verdeutlicht, dass völkerungsrückgang in Deutschland mit einer immer
die Anzahl der Kinder, Jugendlichen und jungen Er- geringeren Anzahl an Personen in den jüngeren Alters-
wachsenen mit Migrationshintergrund von 5,6 Millionen kohorten. Die deutliche Zunahme von Kindern und Ju-
im Jahr 2009 um mehr als eine Million angestiegen ist. gendlichen mit Migrationshintergrund in allen Altersko-
Gemessen an allen unter 25-Jährigen in Deutschland horten unterstreicht die Relevanz, die Lebenslagen und
wiesen im Jahr 2017 34,1% einen Migrationshinter- institutionellen Begleitumstände von Kindern, Jugend-
grund auf, im Jahr 2009 waren es noch 28,2% (Abb. lichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshinter-
2-1). Das Geschlechterverhältnis zeigt sich über die grund genauer zu analysieren.
Jahre als relativ konstant mit einem sehr leichten Über-
hang an männlichen Kindern, Jugendlichen und jungen
Erwachsenen.
10
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Abb. 2-1: Unter 25-Jährige mit Migrationshintergrund nach Alterskohorten 2009, 2017 (in %)
in %
50
39,1 37,6
40
35,9
34,4 30,8 28,6
30 34,1
31,7
28,2 29,0
25,4 23,3
20
10
0
0 - u. 25 0 - u. 5 5 - u. 10 10 - u. 15 15 - u. 20 20 - u. 25 Jahre
2009 2017
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2009, 2017; N2009= 20,0 Mio., N2017= 19,5 Mio.
11
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 2-3: Generationszugehörigkeit bei unter 25-Jährigen nach Alter 2017 (in %)
in %
80
69,2 71,4
62,4 64,1
60,9
60
40
34,5 28,5 27,6
22,2 15,1
20
9,1 8,3 8,6
4,5 13,5
0
0 - u. 5 5 - u. 10 10 - u. 15 15 - u. 20 20 - u. 25 Jahre
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017; N1.Gen.= 1,8 Mio., N2./3. Gen.= 4,8 Mio., NohneMH= 12,9 Mio.
Aufgrund der höheren Geburtenquote bei ausländi- land 0,3 Mio. unter 25-Jährige mit Migrationshinter-
schen Müttern ist die jüngste Alterskohorte von Per- grund lebten. Die höchsten Werte an unter 25-Jährigen
sonen mit Migrationshintergrund sogar größer als die mit Migrationshintergrund sind in den Stadtstaaten Bre-
der 5- bis unter 10-Jährigen. Nicht nur durch höhere men (49,1 %), Berlin (44,5 %) und Hamburg (43,8 %) zu
Geburtenraten, sondern auch durch Zuwanderung finden (Abb. 2-4). Dies entspricht der grundsätzlichen
(vorrangig EU-Binnenmigration und Asylzuwanderung) sozialräumlichen Verteilung innerhalb Deutschlands, in
sowie durch Familiennachzug ist zukünftig eine deut- der Personen mit Migrationshintergrund primär in städ-
liche Zunahme an Kindern, Jugendlichen und jungen tischen Gebieten leben (Kap. 3.1.2).
Erwachsenen mit Migrationshintergrund zu erwarten In allen Bundesländern weisen die unter 6-Jährigen
(Rauschenbach u.a. 2017). Demzufolge ist es unerläss- den höchsten Migrationsanteil auf. Somit zeigt sich in
lich, dass sich Institutionen, die sich mit unter 25-Jähri- jedem Bundesland deutlich der dargestellte deutsch-
gen befassen, noch stärker als bisher auf die Erforder- landweite Trend, dass der Anteil an Personen mit Migra-
nisse von Zugewanderten einstellen. tionshintergrund mit steigendem Alter abnimmt und die
höchsten Anteile in den jüngeren Generationen auftreten.
Deutschlandweite Verteilung In Ostdeutschland ist Zuwanderung im Vergleich
Personen mit Migrationshintergrund leben vorrangig in zu Westdeutschland ein relativ neues Phänomen, das
Westdeutschland: 26,5% der Bevölkerung in den west- besonders durch den erhöhten Zuzug an Asylsuchen-
deutschen Bundesländern haben einen Migrations- den in den Jahren 2015/16 und die deutschlandweite
hintergrund, in den neuen Ländern ohne Berlin sind es Verteilung der Asylsuchenden relevant geworden ist
lediglich 6,8%. Eine Eingrenzung auf jüngere Altersko- (Kap. 6). Diese historische Entwicklung spiegelt sich
horten verstärkt diese Verteilung noch: Während in den auch in der aktuellen Verteilung der Migrationsgenera-
westdeutschen Ländern 37,3% der unter 25-Jährigen tionen in den west- und ostdeutschen Bundesländern
einen Migrationshintergrund aufweisen, trifft dies in den wider (Tab. 2-1).
neuen Bundesländern nur auf 12,5% dieser Altersspan- Der zwar immer noch vergleichsweise geringe An-
ne zu. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass im Jahr teil an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachse-
2017 in Westdeutschland 6,4 Mio. und in Ostdeutsch- nen mit Migrationshintergrund in Ostdeutschland ist
12
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Abb. 2-4: Unter 25-Jährige mit Migrationshintergrund in den Bundesländern 2017 (in %)
23,9
Schleswig-
11,6
Holstein
Mecklenburg-
Vorpommern
43,8
49,1 Hamburg 44,5
Berlin
Bremen
30,8
Niedersachsen
12,4
11,3 Brandenburg
Sachsen-
40,4 Anhalt
Nordrhein-
Westfalen
13,7
10,1 Sachsen
Thüringen
43,5
Hessen Anteil der unter 25-Jährigen
mit Migrationshintergrund (in %):
34,1
Rheinland- 0,0 - u. 20,0
Pfalz 20,0 - u. 30,0
30,0 - u. 40,0
32,0
Saarland 40,0 - u. 50,0
31,8
Bayern
40,8
Baden -
Württemberg
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017; N= 19,5 Mio.
13
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017 Basis: Alle Personen der jeweiligen Alterskategorie; N= 19,5 Mio.
14
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
15
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Einleitung
Eine rückblickende Betrachtung der Zuwanderung als Anlass für Diskriminierungen herangezogen werden
nach Deutschland verdeutlicht, wie heterogen Mig- können, (4) herkunftslandbezogene Ressourcen z.B.
rantengruppen sind: Politische Ereignisse oder die das Bildungssystem, (5) Migrationsmotive z.B. Verfol-
ökonomische Lage in den Herkunftsländern können gung im Herkunftsland, ökonomische Entwicklung im
Auslöser für diverse Migrationsbewegungen sein. Mit Herkunftsland.
dem Migrationsmotiv gehen unterschiedliche aufent- Analysen nach Herkunft müssen sensibel gegen-
haltsrechtliche Bestimmungen einher, insofern wirkt über Kulturalisierungen sein. Es gilt die hinter den
sich die Herkunft auch auf die Integrationsprozesse Herkunftsländern liegenden Wirkungsfaktoren heraus-
und Lebenslagen von Zuwanderern in Deutschland zustellen, da die familiale nationale Herkunft keine al-
aus. Empirisch erweist sich eine Erfassung der ein- leinstehende Begründung für bestimmte Ergebnisse
zelnen Zuwanderergruppen als schwierig, da aufent- darstellt. Der Gefahr von Kulturalisierung kann durch
haltsrechtliche Merkmale wie der Aufenthaltstitel im eine detaillierte Betrachtung des nationalen Herkunfts-
Mikrozensus oder in repräsentativen Surveys kaum kontexts entgegengewirkt werden. Zum Beispiel kann
erfasst werden. Um unterschiedliche Zuwanderer- eine Analyse der Bildungssysteme in den Herkunftslän-
gruppen ansatzweise abbilden zu können, kann auf dern Hinweise auf das unterschiedliche Abschneiden
Herkunftsregionen zurückgegriffen werden. Die Mig- von bestimmten Zuwanderergruppen im deutschen
rationsforschung fordert seit einigen Jahren eine deut- Schulsystem liefern (Berngruber u.a. 2012).
lich stärkere Berücksichtigung des Herkunftslandes Die Ergebnisse von PISA 2003 belegen die Rele-
von Zugewanderten (Maehler u.a. 2016; Esser 2008; vanz von zusätzlichen Analysen nach Herkunftsland:
Tubergen van/Kalmijn 2005). Bei den unter 15-Jährigen schnitt die zweite Generation
Mit einer Differenzierung nach nationaler Herkunft entgegen allen Erwartungen in Mathematik und Lesen
der Familie können folgende Faktoren abgebildet wer- schlechter als die erste Generation ab. Das schlechte-
den: (1) die Heterogenität von Kindern und Jugendli- re Abschneiden der zweiten Generation kann auf die
chen mit Migrationshintergrund, (2) unterschiedliche unterschiedliche Herkunftszusammensetzung der Mi-
Voraussetzungen und Restriktionen, die sich aus dem grationsgenerationen zurückgeführt werden: Während
Aufenthaltsstatus ergeben und die Teilhabechancen Jugendliche der zweiten Generation einen türkeistäm-
beeinflussen, (3) kulturelle Eigenschaften (im Beson- migen familialen nationalen Hintergrund aufweisen, war
deren Sprache, Religion) und äußere Merkmale, die ein Großteil der ersten Generation bei PISA 2003 als
16
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Spätaussiedler nach Deutschland gekommen (Konsor- Ausschlaggebend ist hierbei, welche Herkunftsland-
tium Bildungsberichterstattung 2006). Da Spätaussied- gruppen nach der Migration in Deutschland geblieben
ler bereits bei der Einreise Deutschkenntnisse nach- sind und sich hier eine Familie aufgebaut haben. Diese
weisen müssen, sind diese Herkunftslandunterschiede Analyse unterstreicht, welche Herkunftsländer die ak-
nicht sehr verwunderlich. tuell in Deutschland lebenden und meist auch hier ge-
Die Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland borenen Kinder prägen.
verdeutlicht, welche Zuwanderergruppen für Deutsch- Internationale Migration bedeutet im Kern die Wan-
land prägend sind und welche Faktoren die Migration derungsbewegung über Staatsgrenzen hinweg (Pries
geprägt haben bzw. welche Bedingungen die Zuwan- 2015) und sie lässt sich für Deutschland seit 1954 über
derer in Deutschland vorgefunden haben. die Wanderungsstatistik (A-1.2) anhand der Zu- und
Fortzüge über die Bundesgrenze aufzeigen (Abb. 2-5).
Dabei sind die Zeiträume bedeutsam, in denen die Zu-
2.2.1 Zuwanderung wanderung die Abwanderung deutlich übersteigt, so-
nach Deutschland wie jene Zeitspannen, die ein negatives Wanderungs-
saldo aufweisen.
Zum Verständnis, welche Zuwanderergruppen junge
Menschen mit Migrationshintergrund in den einzelnen
Migrationsgenerationen in Deutschland heute prägen,
ist es relevant, die historische Entwicklung der Zuwan-
derung aller Altersgruppen in den Blick zu nehmen.
Abb. 2-5: Zu- und Fortzüge von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit 1956–2017 (Anzahl)
in Tausend
2.000
Flucht
EU-Osterweiterung
1.500 EU-Binnenmigration
Asyl
Familiennachzug
„Gastarbeiter“- Anwerbung
1.000
500
0
1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2017
Zuwanderung Abwanderung
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Wanderungsstatistik 2017.
Anmerkungen: Die EU-Binnenwanderung ist in der Zu- und Abwanderung erfasst, (Spät-)Aussiedler aufgrund der deutschen Staatsangehörig-
keit nicht.
17
Kinder- und Jugendmigrationsreport
18
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
wanderergruppen zu großen Teilen nicht mehr in ihre abkommen mit der Türkei9 sowie die Einordnung diver-
Heimatländer zurückkehren würden, da diese sich in ser Staaten als „sichere Herkunftsländer“10 führte zu
Deutschland mit ihren nachgezogenen Familien ein einem bereits im Frühjahr 2016 spürbaren Rückgang
Leben aufgebaut hatten. Ergebnis dieser Politik wa- der Asylbewerberzahlen in Deutschland. Im gesamten
ren die Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes Jahr 2016 wurden lediglich etwa 280.000 Asylsuchen-
(2000) und das Zuwanderungsgesetz8 (2005) (Bom- de registriert. Der drastische Rückgang der Asylbewer-
mes 2006). Bis zum Jahr 2010 blieben die Zuzüge von berzahlen findet sich auch in dem Rückgang aller Zu-
Ausländerinnen und Ausländern nach Deutschland züge nach Deutschland wieder, die 2017 bei etwa 1,6
auf einem konstant niedrigen Niveau. Während die Millionen Ausländerinnen und Ausländern lagen. Mit
absoluten Zuwanderungszahlen eine Stagnation vor- der Wiedereinführung des Familiennachzugs seit Au-
täuschen, zeigen sich bei genauerer Betrachtung zwei gust 2018 für subsidiär Schutzbedürftige können die
gegenläufige Migrationstrends im ersten Jahrzehnt vorrangig männlichen Asylsuchenden sukzessive Fami-
des neuen Jahrtausends: Während die Zuwanderung lienmitglieder nach Deutschland holen (Kap. 6.1). Somit
aus europäischen Ländern im Zuge des EU-Erwei- kann es auch hier zu nachholendem Familiennachzug
terungsprozesses nach Deutschland zugenommen kommen, wie er bereits in den 1970er-Jahren im Rah-
hat, verlief der Zuzug aus Ländern Afrikas und Asiens men der Gastarbeiterzuwanderung stattfand.
rückläufig, sodass die Gesamtzuwanderung bis 2010
stagnierte. Mit der ersten EU-Osterweiterung im Jahr Während die Fluchtmigration seit 2016 kontinuierlich
2004 kam es zu einem deutlichen Zuwachs der Zu- abnimmt, verbleibt die EU-Binnenmigration insbeson-
wanderung aus Polen: 2003 migrierten etwa 88.000 dere aus den Ländern der EU-Osterweiterung auf ei-
Personen nach Deutschland, im Jahr 2004 wurden nem konstant hohen Niveau von etwa 950.000 Zuwan-
bereits 125.000 Zuzüge aus Polen nach Deutschland dernden (60,9% an allen Zuzügen) jährlich (Abb. 2-7).
registriert. Mit dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens
im Jahr 2007 haben sich die Zuwanderungszahlen aus Die Zuwanderung von unter 25-Jährigen
diesen Ländern fast verdoppelt und steigen seitdem Die Zuwanderung von Kindern, Jugendlichen und jun-
kontinuierlich an. Im Jahr 2015 hat die Zuwanderung gen Erwachsenen hat in den letzten Jahren etwas an
aus Rumänien mit mehr als 220.000 Personen die aus Bedeutung gewonnen. Um die Jahrtausendwende lag
Polen bereits übertroffen. die Quote an unter 25-Jährigen unter allen Zuzügen von
Seit 2010 stiegen die Zuwanderungszahlen nach Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit bei
Deutschland rasant an und erreichten im Jahr 2015 mit etwa 39%, ging dann im Jahr 2006 auf 33,5% zurück
etwas mehr als 2 Millionen Migranten den mit Abstand und stieg wiederum 2017 auf 41,4% an. Mit der deut-
höchsten Wert der Nachkriegszeit (Abb. 2-5). Dies kann lichen Zunahme des Zuzugs nach Deutschland im Jahr
zum Einen durch eine deutlich gestiegene EU-Binnen- 2015 stieg auch die absolute Anzahl an unter 25-Jähri-
wanderung erklärt werden: Seit 2010 kam es zu einer gen auf über 500.000 an (Abb. 2-6).
absoluten Zunahme der Zuwanderung sowohl der EU-
Beitrittsstaaten von 2004, 2007 und 2013 als auch der
EU-15-Länder (Statistisches Bundesamt 2016a).
2015–2017: Fluchtzuwanderung
Die verstärkte Zuwanderung von Asylsuchenden in der 9 Das EU-Türkei-Abkommen, das im März 2016 verabschiedet wurde,
zweiten Jahreshälfte 2015 trug zum anderen zu einem erneuerte ein Rücknahmeabkommen der Türkei mit der EU, das im
Zuzug von etwa 890.000 Personen primär aus den Län- Kern die Abschiebung von irregulär nach Griechenland eingereisten
Migranten in die Türkei legitimiert. Im Gegenzug verpflichtete sich die
dern Syrien, Irak, Afghanistan, Albanien und Kosovo EU, bis Ende 2018 mit insgesamt 6 Milliarden Euro die Geflüchteten in
bei. Die Schließung der Balkanroute, das Rücknahme- der Türkei zu unterstützen sowie die Verhandlungen über einen EU-Bei-
tritt der Türkei zu beschleunigen und Visaerleichterungen für türkische
Bürger umzusetzen.
10
Im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes (AsylVBG)
8 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von wurden Albanien, Kosovo und Montenegro im Herbst 2015 in die Liste
Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG). der „sicheren Herkunftsländer“ aufgenommen.
19
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 2-6: Wanderungssaldo von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit nach Alter 2000–2017
(absolut, in %)
in Tausend
1.400
1.157
1.200
1.000
800
577 635
600 499
450
387
400 303
188 154
153
200 86 103 96 75 99 11 28
55
0
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Wanderungsstatistik 2017.
20
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Anmerkung: Die Zuordnung der Herkunftsländer zu den Hauptzuwanderungsgruppen erfolgt annäherungsweise, da es bei einigen Ländern
Überlappungen zwischen den einzelnen Kategorien gibt. So dient diese Zuordnung einer groben Kategorisierung, um die Größenordnung der
nationalen Herkunftslandgruppen abschätzen zu können.
Diese Klassifikation auf Grundlage der Herkunftslän- Entwicklung der Zuwanderung in den Herkunftsland-
der ist eine vereinfachte Darstellung. Es kann demnach gruppen verdeutlicht, dass Personen aus EU-Ländern in
nicht davon ausgegangen werden, dass alle Zuwande- den letzten Jahren die Zuwanderung nach Deutschland
rer aus den Ländern Amerikas als Asylsuchende nach klar dominierten (Abb. 2-7): Im Jahr 2017 kamen knapp
Deutschland migrieren. Hierbei handelt es sich manch- 950.000 Personen aus einem EU-Land nach Deutsch-
mal auch um Arbeitsmigranten oder Familiennachzug; land; dies entspricht knapp zwei Drittel aller Zuzüge in
diese Zahlen sind jedoch verhältnismäßig gering. Die diesem Jahr. Seit 2010 stieg die Zuwanderung aus den
Klassifikation nach Herkunftslandgruppen ermöglicht EU-15-Ländern bis 2017 nur leicht auf etwa 330.000
aber zumindest eine Orientierung. Die Länder des Personen an. Die Zuwanderung aus Ländern der EU-
„sonstigen Europas“ können schlecht einer der vier Osterweiterung verdoppelte sich in diesem Zeitraum
Hauptkategorien zugeordnet werden, da es sich hierbei von 300.000 auf 612.000 Personen. Im Jahr 2015 kam
sowohl um Asylsuchende als auch um Arbeitsmigran- es zu einer deutlich erhöhten Zuwanderung aus Syrien,
ten oder Familiennachzug handeln kann. die jedoch bereits 2016 wieder auf knapp 180.000 Per-
sonen zurückging und 2017 lediglich 76.000 betrug.
Zuwanderung nach Herkunftslandgruppen Die beiden Zuwanderergruppen aus der Türkei und
Aus der Beschreibung der historischen Zuwanderung der ehemaligen Sowjetunion stellen im Vergleichszeit-
nach Deutschland wurde klar, dass es nicht ausreicht, raum seit 2010 keine bedeutsamen Gruppen dar: Die
die gesamte Zuwanderung von unter 25-Jährigen in Zuwanderung aus der Türkei bewegte sich konstant um
den Blick zu nehmen. Demnach ist für nachfolgende die 25.000 Personen, aus Russland wanderten noch
Migrationsgenerationen die Zuwanderung aller Alters- weniger Personen zu. Jedoch hat die Zuwanderung
gruppen zu betrachten. Eine genauere Betrachtung der aus den Ländern der überwiegend Asylsuchenden so-
21
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 2-7: Zuwanderung nach Herkunftslandgruppen auf Basis der Wanderungsstatistik und Anteil der
EU-Binnenmigration 2010–2017 (Anzahl)
in Tausend
2.500
2.000
Afghanistan
Irak
1.500 Syrien
Sonst. Länder
Afrik. Länder
1.000 Sonst. Europa
EU-Ost
500
EU-15
0
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
EU-Binnen-
migration 45,2% 50,5%
60,9%
62,2% 78,5% 77,8% 74,6% 69,4%
(EU-Ost + EU-15):
N=523.401 N=660.483 N=751.322 N=826.196 N=932.752 N=966.752 N=942.569 N=944.453
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Wanderungsstatistik 2017.
Anmerkung: Die Wanderungsstatistik weist seit 2015 die Staatsangehörigkeit der Zuwanderer aus, davor wurde lediglich das Herkunftsland
nichtdeutscher Personen erfasst (hierbei kann es sich auch um Drittstaatsangehörige handeln). Aufgrund von technischen Neuerungen sind die
Zahlen von 2016 nur bedingt mit den Vorjahreswerten vergleichbar (A-1.2).
wie die EU-Binnenwanderung deutlich zugenommen. das im Zuge der Osterweiterung in die EU eingetreten
Die Abb. 2-7 verdeutlicht somit, dass die erste Gene- ist. Polen nimmt hier einen besonderen Stellenwert ein,
ration an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachse- da 8,0% der unter 25-Jährigen einen polnischen Migra-
nen, die in Deutschland leben, vorrangig im Rahmen tionshintergrund aufwiesen. Insgesamt lebte somit ein
der EU-Binnenmigration oder als Asylsuchende nach knappes Drittel der Kinder, Jugendlichen und jungen
Deutschland gekommen sind. Erwachsenen mit Migrationshintergrund in einer Familie
aus einem EU-Land.
Familiale nationale Herkunft von Ein Zeitvergleich zeigt, dass zwischen 2009 und
unter 25-Jährigen mit Migrationshintergrund 2017 der Anteil an Kindern, Jugendlichen und jungen
Eine Betrachtung der Herkunftsländer verdeutlicht, dass Erwachsenen aus Ländern, die der EU seit 2004 bei-
im Jahr 2017 mehr als 1,0 Million der unter 25-Jährigen getreten sind, sowie Ländern des Nahen und Mittleren
türkeistämmig waren, was 16,2% aller Kinder, Jugend- Ostens deutlich angestiegen ist (Abb. 2-9). Gleichzeitig
licher und junger Erwachsener mit Migrationshinter- ist ein Rückgang von unter 25-Jährigen aus der Türkei
grund entspricht (Abb. 2-8). Werden Herkunftsregionen sowie aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion zu ver-
betrachtet, dann kamen 2017 mit 29,0% knapp 2,0 Mil- zeichnen. Dies kann auf die erhöhte EU-Binnenmobilität
lionen der unter 25-Jährigen selbst oder mindestens ein sowie auf den Zuzug von Asylsuchenden in den Jahren
Elternteil aus einem Land der EU. Insbesondere Länder, 2015/16 zurückgeführt werden. Insgesamt ist der An-
die seit 2004 in die EU eingetreten sind, spielen hierbei teil an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen,
eine Rolle: 17,3% der Kinder, Jugendlichen und jungen deren Familien aus einem EU-Land stammen, zwischen
Erwachsenen stammten im Jahr 2017 aus einem Land, 2009 und 2017 von 25,9% auf 29,2% angestiegen.
22
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Abb. 2-8: Familiale nationale Herkunft von unter 25-Jährigen mit Migrationshintergrund 2017 (absolut, in %)
in Tausend
2.000
1.776
1.500
1.083
968 899
1.000 78,9%
791
617
534 40,6%
74,2%
500 72,4% 96,1%
57,1%
73,0% 59,4%
42,9% 21,1%
27,6% 27,0% 25,8%
0
EU-15 EU-Ost Polen Türkei Ehem. SU Naher/Mittl. Sonst. Länder
Osten
1. Generation 2./3. Generation
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; N= 6,6 Mio.
Wie im Kap. 2.1.2 gezeigt unterscheidet sich der An- Generationenzugehörigkeit genauer betrachtet sowie
teil an Personen mit Migrationshintergrund in Ost- und ein Überblick zu den aufenthaltsrechtlichen Regelungen
Westdeutschland deutlich. Der Grund liegt insbeson- gegeben, die für die jeweilige Zuwanderergruppe gelten.
dere im unterschiedlichen Umgang mit Zuwanderung
in den politischen Systemen der BRD und der DDR.
Diese Verteilung der Migrationsgenerationen in Ost- Abb. 2-9: Unter 25-Jährige mit Migrationshintergrund
und Westdeutschland hat auch Unterschiede in der Zu- nach familialer nationaler Herkunft 2009, 2017 (in %)
sammensetzung der Herkunftsländer zur Folge (Abb.
2-10). Eine prozentuale Betrachtung der Anteile nach 13,4
EU-15
Herkunftsland an allen unter 25-Jährigen mit Migra- 11,9
EU-Ost 4,5
tionshintergrund jeweils in Ost- und Westdeutschland 9,3
verdeutlicht, dass Türkeistämmige in den westdeut- Polen 8,0
8,0
schen Bundesländern sehr stark vertreten sind, jedoch 10,3
Sonst. Europa 8,9
in den ostdeutschen Bundesländern einen verschwin-
21,8
dend geringen Anteil ausmachen. Hingegen stammt in Türkei 16,2
Ostdeutschland fast ein Drittel aller unter 25-Jährigen Ehem. SU 17,4
14,5
mit Migrationshintergrund aus einem Land des Nahen
Naher/Mittl. Osten 5,7
oder Mittleren Ostens. Die unterschiedliche Herkunfts- 13,5
landverteilung zwischen Ost- und Westdeutschland Sonst. Länder 11,2
12,7
lässt sich auf die bis zum Mauerfall kaum spürbare Zu- Ohne Angabe 9,8
7,3
wanderung nach Ostdeutschland und die in den letzten 0 10 20 30
Jahren erfolgte starke Fluchtmigration zurückführen in %
(Kap. 2.1.2). 2009 2017
Im Folgenden werden die vier Hauptherkunftsregio-
nen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder,
in Deutschland nach ihrer Altersstruktur, Nationalität und Mikrozensus 2009, 2017; N2009= 5,6 Mio., N2017= 6,6 Mio.
23
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 2-10: Familiale nationale Herkunft von unter hat. Aufgeschlüsselt nach Ländern wird deutlich, dass
25-Jährigen mit Migrationshintergrund in West- das Wanderungssaldo aus dem neusten EU-Mitglied
und Ostdeutschland 2017 (in %) Kroatien sowie den Ländern der EU-Osterweiterung
Rumänien, Bulgarien und Polen am Größten ausfällt
12,1
(Abb. 2-12). Während die Wanderungsbilanz aus den
EU-15 6,9 EU-15-Ländern, mit Ausnahme von Italien, über alle
9,3
EU-Ost 9,1 Altersgruppen hinweg deutlich negativ ausfällt, zeigt
8,0 sich für unter 25-Jährige aus allen EU-Ländern ein
Polen 7,6
positiver Saldo.
16,9
Türkei 2,8
14,2
Ehem. SU 20,5
Abb. 2-11: Wanderungssaldo nach EU-Ländern und
12,6
Naher/Mittl. Osten 30,3 Alter 2017 (absolut)
26,9
Sonst. Länder 22,7
0 10 20 30 40 73
in % Rumänien 29
Westdeutschland (inkl. Berlin) Kroatien 33
14
Ostdeutschland 30
Bulgarien 13
Polen 34
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 15
Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; NWest= 6,4 Mio., Italien 16
9
NOst= 0,3 Mio.
EU-15 (ohne Italien) -53
3
sonst. EU-Länder 23
11
24
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Abb. 2-12: Unter 25-Jährige mit Migrationshinter- Die Altersstruktur der unter 25-Jährigen aus der EU-15
grund aus EU-Ländern 2009, 2017 (in %) und Ländern der EU-Osterweiterung (ohne Polen) so-
wie Polen unterscheidet sich deutlich (Abb. 2-13): Die
28,8 Anteile von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwach-
Polen 27,5 senen aus den EU-15-Ländern über die Alterskohorten
Italien 16,2
13,5 sind in etwa gleichbleibend; der Anteil an unter 5-Jäh-
Rumänien 7,8 rigen bei Personen mit polnischen Wurzeln oder aus
12,4
7,4 einem anderen Land der EU-Osterweiterung ist jedoch
Griechenland 6,2 höher als in den anderen Alterskategorien.
6,5
Kroatien 5,9 Während etwa 73% der Kinder, Jugendlichen und
Bulgarien 0,4 jungen Erwachsenen aus einem EU-15-Land oder Po-
5,1
4,6 len der zweiten bzw. dritten Migrationsgeneration zu-
Österreich 3,9 gerechnet wird, ist knapp die Hälfte der unter 25-Jäh-
3,3
Spanien 3,9 rigen aus Ländern der EU-Osterweiterung selbst nach
Frankreich
3,9 Deutschland migriert (Abb. 2-14).
3,1
3,3
Insbesondere die Zuwanderung aus Bulgarien
Portugal 2,7 und Rumänien hat in den letzten Jahren deutlich zu-
3,9
Niederlande 2,6 genommen. Fast die Hälfte aller Kinder, Jugendlichen
Vereinigtes Königreich 2,6 und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund
2,1
ist aus einem Land der EU-Osterweiterung selbst
11,2
Sonst. EU-Länder 11,2 nach Deutschland zugewandert. Die meisten der unter
0 5 10 15 20 25 30 25-Jährigen mit familiären Wurzeln in einem EU-Land
in %
2009 2017 stammen aus Polen, jedoch sind drei Viertel dieser
Gruppe bereits in Deutschland geboren.
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus
2009, 2017; N2009= 1,5 Mio., N2017= 1,9 Mio.
Anmerkung: Kroatien wurde für eine bessere Vergleichbarkeit auch
2009 als EU-Land klassifiziert
Abb. 2-13: Unter 25-Jährige aus EU-Ländern nach Alter 2017 (absolut)
in Tausend
200
157 165 161
152 156
150
147 129
119 119
124 103
119
100
99 93 99
50
0
0 - u. 5 5 - u. 10 10 - u. 15 15 - u. 20 20 - u. 25 Jahre
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017.
25
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 2-14: Unter 25-Jährige aus EU-Ländern nach Abb. 2-15: Unter 25-Jährige aus Hauptasylher-
Migrationsgenerationen und familialer nationaler kunftsländern 2009, 2017 (in %)
Herkunft 2017 (absolut, in %)
Bosnien/Herzeg. 4,0
in Tausend 3,6
Europa
Sonst.
Kosovo 6,5
1.000 6,6
Serbien 4,7
791 3,5
800
617 Syrien 12,0
534
Naher/Mittl. Osten
600 2,5
Irak 4,0
400 72,4%
57,1% Iran 2,0
73,0% 1,7
200 Afghanistan 2,7
3,9
27,6% 42,9%
27,0%
0 Pakistan 1,4
EU-15 EU-Ost Polen
Afrika 10,7
12,2
Sonst. Länder
1. Generation 2./3. Generation Amerika 6,2
5,8
Sonst. Asien 34,2
29,2
Ohne Angabe 26,5
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 16,1
2017. 0 10 20 30 40
in %
2009 2017
2.2.4 Asylsuchende
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus
In den letzten Jahren hat ferner die Fluchtzuwanderung 2017; N2009= 2,1 Mio., N2017= 3,0 Mio.
26
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
men, die schon länger in Deutschland lebt (Abb. 2-16). 2.2.5 Türkeistämmige
59,2% der unter 25-Jährigen aus Ländern des Nahen
und Mittleren Ostens gehören der ersten Migrations- Neben diesen beiden großen aktuellen Zuwanderer-
generation an, während Personen unter 25 Jahren aus gruppen befanden sich im Jahr 2017 unter Kindern,
europäischen Nicht-EU Ländern und weiteren Ländern Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrations-
zum Großteil bereits in Deutschland geboren sind. hintergrund 16,2% mit türkischen Wurzeln (Abb. 2-9).
Die aktuelle Zuwanderung aus der Türkei machte 2017
nur 3,1% an der Gesamtzuwanderung aus und liegt
seit Langem auf einem konstant niedrigen Niveau. Da-
Abb. 2-16: Unter 25-Jährige aus Hauptasylher- her handelt es sich bei den in Deutschland lebenden
kunftsländern nach Migrationsgenerationen 2017 unter 25-Jährigen mit türkischen Wurzeln vorrangig um
(absolut, in %) Personen ohne eigene Zuwanderungserfahrung, da
deren Eltern bereits in Deutschland aufgewachsen sind
in Tausend
(Abb. 2-17). Nur in den älteren Alterskohorten der 15-
1000
901 846 bis unter 25-Jährigen ist ein minimaler Anteil an selbst
800 Zugewanderten zu verzeichnen. Mehr als ein Drittel der
40,8%
600
596 türkeistämmigen Bevölkerung war im Jahr 2017 unter
65,6%
25 Jahre alt und von diesen nur 2,9% in der Türkei ge-
400 72,7% boren. Die Alterskohorte der 15- bis 19-Jährigen war
59,2% im Jahr 2017 mit 8,7% an allen Türkeistämmigen am
200
34,4%
27,3% stärksten ausgeprägt (Statistisches Bundesamt 2018b).
0
Naher/ Sonst. Europa Sonst. Länder Die Situation der türkeistämmigen Bevölkerung in
Mittl. Osten Deutschland kann nicht getrennt von deren Zuwande-
1. Generation 2./3. Generation rungsgeschichte betrachtet werden, da diese bis heute
Auswirkungen auf die gesellschaftliche Integration auch
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus der zweiten oder dritten Migrationsgeneration hat. Im
2017.
Zuge der Anwerbung der sogenannten „Gastarbeiter“
kamen seit 1955 vorrangig männliche Zuwanderer aus
südeuropäischen Ländern nach Deutschland. Zum Groß-
Die Zuwanderung von Asylsuchenden in den Jahren teil blieben jene türkischen Gastarbeiter in Deutschland,
2015 und 2016 macht sich bereits in den Daten der die verstärkt durch den 1973 beschlossenen Anwerbe-
amtlichen Statistik bemerkbar, obwohl Asylsuchende stopp auf Basis des Familiennachzugs ihre Frauen und
in Gemeinschaftsunterkünften nicht Teil der Mikrozen- Kinder in die neue Heimat holten (Kap. 2.2.1). Die ehe-
sus-Stichprobe sind (A-1.1). So hat sich der Anteil der malig als Gastarbeiter Angeworbenen stammten meist
Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus den aus den östlichen Landesteilen der Türkei, die ländlich
Ländern des Nahen und Mittleren Ostens seit 2009 auf und traditionell geprägt sind: Die Geburtenrate ist dort im
13,5% im Jahr 2017 mehr als verdoppelt (Abb. 2-14). Landesvergleich überdurchschnittlich hoch, Religiosität
Insgesamt sind aus dieser Herkunftsgruppe mehr als stark ausgeprägt und es herrscht eine geringe Schul-
die Hälfte selbst zugewandert. Nachdem die Fluchtzu- bildung vor (El-Menouar/Fritz 2009). Die als Gastarbeiter
wanderung durch abschottende Maßnahmen auf EU- Angeworbenen arbeiteten in Deutschland in nicht qualifi-
und Bundesebene im Laufe des Jahres 2016 zu einer zierten Tätigkeiten für die auch kaum ein Schulabschluss
deutlichen Abschwächung der Zuwanderung nach benötigt wurde. Während die Männer im Rahmen ihrer
Deutschland führte, ist momentan nicht von einer Ver- beruflichen Tätigkeit zumindest rudimentäres Deutsch
stärkung der Zuwanderung von Asylsuchenden auszu- lernen konnten, waren Frauen meist von Lerngelegenhei-
gehen. ten ausgeschlossen. So konnten, auch verstärkt durch
die geringe Schulbildung, insbesondere türkeistämmige
Mütter ihre Deutschkenntnisse auch noch nach langer
Aufenthaltsdauer in Deutschland nicht aufbauen.
27
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 2-17: Unter 25-jährige Türkeistämmige nach (§ 4 Abs. 3 StAG). Zwischen den Jahren 2000 und 2011
Migrationsgenerationen und Alter 2017 (absolut) wurden hierdurch fast 500.000 türkeistämmigen Kin-
dern zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit zu-
erkannt (Alscher u.a. 2014; Alscher/Kreienbrink 2014).
in Tausend
300 Mit der Einführung des „ius soli“ ging jedoch auch die
250
241 Optionspflicht (§ 29 StAG) einher: Junge Erwachse-
229
197 202 212 ne mit zwei Staatsangehörigkeiten mussten sich bis
200
zu ihrem 23. Geburtstag für eine Staatsangehörigkeit
150 entscheiden. Aufgrund der deutlichen Kritik an der
100 Rechtsunsicherheit, der strukturellen Benachteiligung
50 von Kindern mit Migrationshintergrund sowie finanziel-
len Erwägungen (Worbs u.a. 2012) müssen sich seit
0
0 - u. 5 5 - u. 10 10 - u. 15 15 - u. 20 20 - u. 25 Jahre Ende 2014 mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der
1. Generation 2./3. Generation Optionspflicht (BGBl. I S. 1714) in Deutschland aufge-
wachsene Kinder von ausländischen Eltern nicht mehr
für eine Staatsangehörigkeit entscheiden.
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus In Übereinstimmung mit den deutlich gesunkenen
2017. Zuzugszahlen nimmt auch die türkeistämmige Bevöl-
kerung in Deutschland seit 201113 ab: Waren es im Jahr
2011 noch 2,96 Millionen Türkeistämmige, sind es im
Die niedrige Schulbildung der Eltern, traditionelle Prä- Jahr 2017 nur mehr 2,77 Millionen Personen in allen
gungen sowie Diskriminierungen beeinflussen die In- Altersstufen. Auch die Entwicklung in den einzelnen Al-
tegration von türkeistämmigen Kindern, Jugendlichen terskohorten verdeutlicht einen Rückgang in den jünge-
und jungen Erwachsenen bis heute (insbesondere ren Alterskategorien (Abb. 2-19). Lediglich bei den 20-
in Bezug auf die ökonomische Situation und den Bil- bis 24-Jährigen kam es zu keinem Rückgang seit 2009.
dungsweg). Jedoch dürfen auch hier keine Verallgemei- Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die
nerungen zu „den“ Türkeistämmigen getroffen werden, Anzahl an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwach-
da auch nach der Gastarbeiter-Zuwanderung in den senen mit türkischen Wurzeln aufgrund geringer aktuel-
1980er- und 1990er-Jahren viele Türkeistämmige nach ler Zuwanderung und einer Angleichung der Geburten-
Deutschland migrierten. Da diese als Reaktion auf den quote an die gesamtdeutsche Bevölkerung rückläufig
Militärputsch oder als Zugehörige der ethnischen Min- ist. Jedoch stellen Türkeistämmige im Jahr 2017 immer
derheit der Kurden in Deutschland Asyl beantragten, noch 16,2% aller unter 25-Jährigen mit Migrationshin-
unterscheiden diese sich deutlich von den als „Gast- tergrund und sind damit eine der großen Migranten-
arbeiter“ nach Deutschland Gekommenen: Innerhalb gruppen in Deutschland. Zudem kann es auch wieder
der türkischen Gemeinschaft in Deutschland treten da- zu einer verstärkten Zuwanderung aus der Türkei kom-
durch auch heute noch Konflikte in Bezug auf Religiosi- men, falls sich die politische Situation in diesem Land
tät, ethnische und konfessionelle Zugehörigkeit sowie zuspitzt. Deutschland ist und bleibt aufgrund der gro-
politische Ausrichtung auf (Uslucan 2017). ßen türkischen Gemeinschaft im Rahmen von Ketten-
Türkeistämmige und deren Nachfahren sind ins- migrationsprozessen das Hauptemigrationsland.
besondere durch die Änderungen des Staatsangehö-
rigkeitsgesetzes (StAG 2000) zugunsten des Geburts-
ortsprinzips (ius soli) und aufgrund der Einführung der
Optionspflicht mit der Frage nach der Staatsangehö-
13 N
ach einer Umstellung der Kategorisierung im Jahr 2011 kam es zu
rigkeit konfrontiert. Mit den Änderungen des StAG er-
einem deutlichen Anstieg der Türkeistämmigen im Mikrozensus, da
warben nun Kinder von Eltern mit einem dauerhaften nun auch in Deutschland geborene Kinder von Türkeistämmigen mit
Aufenthalt von mindestens acht Jahren und einem un- deutscher Staatsangehörigkeit mitgezählt wurden (Statistisches Bun-
desamt 2017a). Daher werden hier nicht die Zahlen des Jahres 2009
befristeten Aufenthaltstitel neben der Staatsangehörig-
als Vergleich herangezogen, sondern die Daten aus dem Jahr 2011.
keit der Eltern auch die deutsche Staatsangehörigkeit
28
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Abb. 2-18: Unter 25-jährige Türkeistämmige nach Alter 2009, 2017 (absolut)
in Tausend
300 285
274
221 243
250
210
229 241
200
202 212
197
150
100
50
0
0 - u. 5 5 - u. 10 10 - u. 15 15 - u. 20 20 - u. 25 Jahre
2009 2017
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2009, 2017.
29
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 2-19: Unter 25-Jährige aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Migrationsgenerationen 2017
(absolut, in%)
in Tausend
250
210
196 194
187 182
200
150 30,8%
85,2% 70,1%
100 93,4% 87,7% 30,2%
50 12,4%
39,0%
9,1% 9,5% 17,5%
0
0 - u. 5 5 - u. 15 10 - u. 15 15 - u. 20 20 - u. 25 Jahre
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017.
Personen registriert (Bundesverwaltungsamt 2018). Auf Spätaussiedler an allen unter 25-Jährigen mit eigener
lange Sicht wird die Zuwanderung von Spätaussiedlern Migrationserfahrung ist sehr hoch (Abb. 2-20): Ins-
auslaufen, da nur Personen, die vor 1993 geboren wur- gesamt ist mehr als ein Drittel aller unter 25-Jährigen
den, als Spätaussiedler anerkannt werden (Worbs u.a. aus einem Land der ehemaligen Sowjetunion als Spät-
2013). Lebten 2011 noch 3,2 Millionen (Spät-)Aussied- aussiedler zugewandert. Da für die zweite bzw. dritte
ler in Deutschland, ist diese Zahl im Jahr 2017 auf 2,85 Generation der Spätaussiedlerstatus der (Groß-)Eltern
Millionen zurückgegangen (Statistisches Bundesamt nicht ausgewiesen ist, kann der Anteil an Spätaussied-
2018b, 2012c). Da im Mikrozensus nicht die Nachfahren lern und deren Nachkommen unter allen Migranten aus
von (Spät-)Aussiedlern ausgewiesen werden, ist dieser der ehemaligen Sowjetunion nicht dargestellt werden.
Rückgang nicht verwunderlich. Lediglich 122.000 Per- Die zweite bzw. dritte Migrationsgeneration aus Län-
sonen unter 25 Jahren gaben 2017 an, als (Spät-)Aus- dern der ehemaligen Sowjetunion ist in den jüngeren
siedler zugewandert zu sein: Dies entspricht nur 4,3% Alterskohorten sehr stark vertreten.
an allen als (Spät-)Aussiedler Zugewanderten. Eine Analyse der Herkunftsländer zeigt, dass im Jahr
Bei unter 25-jährigen Spätaussiedlern, die seit 1993 2009 der Großteil der unter 25-Jährigen aus den Nachfol-
geboren wurden, wird die klare Dominanz von Perso- gestaaten der Sowjetunion noch aus Russland kam (Abb.
nen aus der ehemaligen Sowjetunion sichtbar: Fast alle 2-20). 2017 hat der Anteil an Kindern, Jugendlichen und
der seit 1993 in Deutschland registrierten Spätaussied- jungen Erwachsenen aus Kasachstan zugenommen, so-
ler stammen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion dass nun etwa jeweils ein gutes Drittel der unter 25-Jäh-
(Bundesverwaltungsamt 2018). Daher werden Spätaus- rigen aus Russland und Kasachstan stammen. Während
siedler bei den Herkunftsländern Polen, Rumänien und jeweils ein Viertel der Personen aus Russland und der Uk-
Ungarn nicht gesondert ausgewiesen.16 Der Anteil der raine selbst zugewandert sind, gehören lediglich 14,3%
der unter 25-Jährigen aus Kasachstan der ersten Migra-
16 Berücksichtigt werden muss jedoch, dass die Eltern von Kindern und tionsgeneration an. Da der Anteil der ersten Generation
Jugendlichen mit polnischem oder rumänischem Migrationshinter- noch deutlich höher ist, kann die Zunahme der Kinder mit
grund in der zweiten oder dritten Generation auch als Aussiedler nach kasachischen Wurzeln auf eine hohe Geburtenrate hin-
Deutschland migriert sein können. Diese können jedoch im Mikrozen-
sus nicht als solche ausgewiesen werden, da nur (Spät-)Aussiedler mit weisen. Der Anteil der Personen aus der Ukraine ist im
eigener Zuwanderungserfahrung erfasst werden. Zeitvergleich konstant bei knapp 8% geblieben.
30
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
43,0
Russland 38,4
7,6
Ukraine 7,8
27,0
Kasachstan 36,8
22,4
sonst. Länder/ehem. SU 16,9
0 10 20 30 40 50
in %
2009 2017
31
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Fazit
Die Lebenswelten von Migranten werden teilweise stark zu den Größenordnungen der Kinder von Spätaussied-
durch ihren Aufenthaltstitel, aber auch durch andere lern getätigt werden.
Faktoren, die mit der Zugehörigkeit zu einer bestimm- Auch die Anzahl an Kindern, Jugendlichen und jun-
ten Zuwanderergruppe in Zusammenhang stehen, ge- gen Erwachsenen mit türkischen Wurzeln ist aufgrund
prägt. Die historische Zuwanderung nach Deutschland geringer aktueller Zuwanderung und einer Angleichung
verdeutlicht, wann welche Zuwanderergruppen aus der Geburtenrate an die gesamtdeutsche Bevölkerung
welchen Motiven nach Deutschland kamen. Aus der rückläufig. Jedoch stellen Türkeistämmige im Jahr
familialen nationalen Herkunft lassen sich somit aufent- 2017 immer noch 16% aller unter 25-Jährigen und sind
haltsrechtliche Bestimmungen sowie Aufenthaltsdauer damit eine der großen Migrantengruppen in Deutsch-
und hieraus resultierend unterschiedliche Migrations- land. Zudem kann es auch wieder zu einer verstärkten
generationen ableiten. Zudem zeigt die nationale Her- Zuwanderung aus der Türkei kommen, falls sich die
kunft auch die Größe der ethnischen Gemeinschaft in politische Situation zuspitzt. Deutschland ist und bleibt
Deutschland an, die in der Integrationsforschung als aufgrund der großen türkischen Gemeinschaft im Rah-
eine relevante Ausgangsbasis für eine gesamtgesell- men von Kettenmigrationsprozessen das Hauptemig-
schaftliche Integration gesehen wird. rationsland. Aufgrund von Diskriminierungserfahrungen
Bei Betrachtung der nationalen Herkunft werden vier sowie gesetzgeberischer Ungleichbehandlung von
große Zuwanderergruppen in Deutschland ersichtlich: Türkeistämmigen (z.B. Optionspflicht) und einer gro-
EU-Binnenmigranten, Asylsuchende, Türkeistämmige ßen türkischen Gemeinschaft in Deutschland kann es
sowie Personen aus den Nachfolgestaaten der ehema- zu einem Rückzug in die eigene Community und somit
ligen Sowjetunion bzw. Spätaussiedler. Diese Gruppen zu einer Abwendung von der deutschen Gesellschaft
bringen eine höchst unterschiedliche Zuwanderungs- kommen. Obwohl die meisten unter 25-jährigen Türkei-
geschichte mit sich; des Weiteren auch diversifizierte stämmigen somit nicht selbst zugewandert sind, gilt es
aufenthaltsrechtliche Bestimmungen und unterschied- immer noch die gesellschaftliche Integration dieser Zu-
liche Wege der Integration in die gesamtdeutsche Ge- wanderergruppe zu stärken.
sellschaft. Die Zuwanderung von Asylsuchenden in den Jah-
Aktuell wird die Zuwanderung durch EU-Binnenmi- ren 2015 und 2016 macht sich bereits in den Daten der
gration sowie Asylsuchende geprägt. Die EU-Binnen- amtlichen Statistik bemerkbar, obwohl Asylsuchende
migration ist in den letzten Jahren durch verstärkte Zu- in Gemeinschaftsunterkünften nicht Teil der Mikrozen-
wanderung aus Bulgarien und Rumänien geprägt. Die sus-Stichprobe sind. So hat sich der Anteil der Kinder,
meisten der unter 25-Jährigen mit familiären Wurzeln in Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus den Län-
einem EU-Land stammen aus Polen, jedoch sind drei dern des Nahen und Mittleren Ostens seit 2009 mit
Viertel dieser Gruppe bereits in Deutschland geboren. 14% im Jahr 2017 mehr als verdoppelt. Nachdem die
Die Anteile von unter 25-Jährigen aus den Nachfolge- Fluchtzuwanderung durch abschottende Maßnahmen
staaten der ehemaligen Sowjetunion sind entsprechend auf EU- und Bundesebene im Laufe des Jahres 2016
des sinkenden Zuzugs von (Spät-)Aussiedlern rückläu- zu einer deutlichen Abschwächung der Zuwanderung
fig. Da nur Personen, die vor dem Jahr 1993 geboren nach Deutschland führte, ist momentan nicht von einer
wurden, als Spätaussiedler anerkannt werden, wird die Verstärkung der Zuwanderung von Asylsuchenden aus-
Zuwanderung von Spätaussiedlern auf lange Sicht aus- zugehen. Relevant für diese Zuwanderergruppe ist eine
laufen. Spätaussiedler und deren Angehörigen bringen aktive Integration in die Gesellschaft, die aus den Inte-
gute Startbedingungen für eine erfolgreiche Integration grationsprozessen früherer Zuwanderergruppen gelernt
mit, da sie bereits bei der Einreise nach Deutschland hat.
mindestens grundlegende Deutschkenntnisse vorwei-
sen müssen. Obwohl langfristig kaum mehr Spätaus-
siedler und ihre Nachkommen nach Deutschland zu-
wandern werden, kann die zweite und dritte Generation
noch zunehmen. Durch die Nichtidentifizierbarkeit in
der amtlichen Statistik können jedoch kaum Aussagen
32
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Familiäre Faktoren, wie die zu Hause gesprochene Eine kombinierte Betrachtung aller drei Risikolagen (so-
Sprache und die sozioökonomische Lebenssituation zial, kulturell, finanziell) verdeutlicht die prekäre Lage,
der Familie, haben einen entscheidenden Einfluss auf in der sich insbesondere Minderjährige mit eigener Zu-
die Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen und jungen wanderungserfahrung befinden: 20% der unter 12-Jäh-
Erwachsenen mit Migrationshintergrund. Diese Fakto- rigen der ersten Generation sind von allen drei Risikola-
ren sind bei der Betrachtung der Lebensumstände, in gen betroffen. Ebenso prägen die drei Risikolagen das
denen sich unter 25-Jährige mit Migrationshintergrund Leben von einem Viertel der Kinder, Jugendlichen und
befinden, zu berücksichtigen. jungen Erwachsenen aus den Ländern des Nahen und
Mittleren Ostens.
Datengrundlage Während Neuzugewanderte häufig eine Verbesse-
Für die Analysen der familiären Hintergrundfaktoren rung der sozioökonomischen Situation mit zunehmen-
werden die Daten des Mikrozensus 2017 herangezo- der Aufenthaltsdauer in Deutschland erfahren, verblei-
gen. Erstmals wurde 2017 die familiäre Sprachnutzung ben manche Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
im Mikrozensus erhoben. der zweiten und dritten Migrationsgeneration in prekä-
ren Verhältnissen: So lebt mehr als die Hälfte der unter
Sprache 25-jährigen Türkeistämmigen in mindestens einer Risi-
Die jeweilige Migrationsgeneration prägt die familiäre kolage, obwohl der Großteil bereits in der zweiten oder
Sprachnutzung stark: Während in Haushalten der ers- dritten Zuwanderergeneration in Deutschland lebt.
ten Generation (in denen alle Personen zugewandert
sind) nur zu 14% Deutsch als Kommunikationssprache
zu Hause genutzt wird, sprechen 59% der Haushalte
mit Personen der zweiten oder dritten Generation in der
Familie Deutsch. Jedoch kommunizieren mehr als ein
Drittel der Haushalte mit Personen, die bereits in der
zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben,
noch hauptsächlich in einer anderen Sprache.
Sozioökonomischer Status
Auch der sozioökonomische Status von Kindern, Ju-
gendlichen und jungen Erwachsenen unterscheidet
sich deutlich nach der jeweiligen Migrationsgeneration:
Die unter 5-jährigen Kinder der ersten Generation sind
zu 58% am häufigsten von Armut gefährdet. In der
zweiten oder dritten Generation sind es noch ein Drittel
der Kinder, wobei die unter 5-Jährigen ohne Migrati-
onshintergrund die geringste Armutsgefährdungsquote
von 15% aufweisen.
33
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Einleitung
Neben der nationalen Herkunft der Familie beeinflussen sowie mehr Akzeptanz und Wertschätzung für die zu-
weitere Faktoren, die durch den familiären Kontext vor- sätzlichen Kompetenzen von mehrsprachigen Personen
gegeben werden, die institutionellen und lebenswelt- in der Gesellschaft zu schaffen (Lengyel 2017; Panagio-
lichen Gegebenheiten von Kindern, Jugendlichen und topoulou 2016). So wird eine „diversitätsbewusste früh-
jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund. Fa- kindliche Erziehung zur Mehrsprachigkeit als Normalität“
miliäre Hauptfaktoren für eine gesamtgesellschaftliche (Panagiotopoulou 2016) gefordert, die eine dynamische
Integration stellen die Deutschnutzung in der Familie Nutzung von Sprache betont, wie „Translanguaging“
sowie die sozioökonomische Stellung der Familie dar. (García/Li 2014) oder „Code switching“ (Földes 2005).
Das Beherrschen der Sprache der Mehrheitsgesell- Ebenso darf der symbolische Charakter von Sprache
schaft ist für die Integration von Zugewanderten von nicht unterschätzt werden: Eine gemeinsame Sprache
besonderer Relevanz. Entsprechend der klassischen kann das verbindende Kriterium sein, um Identifikation
Integrations- und Assimilationstheorien kommt dem zu schaffen. Der Sprachgebrauch kann jedoch auch
Spracherwerb eine entscheidende Rolle zu, um den ausschließend und diskriminierend wirken: Das Nichtbe-
weiteren Integrationsprozess nachhaltig und förderlich herrschen der gängigen Sprache oder die Distinktion der
zu gestalten (Esser 2006; Berry 1997). Doch auch für ethnischen Gruppe stehen dann als Ausdruck dafür, sich
den Aufbau von sozialen Kontakten und für die Identi- von der Mehrheitsgesellschaft abzugrenzen.
fikation mit Deutschland ist die Kenntnis der Landes- Für Eltern mit Migrationshintergrund ist es daher re-
sprache unentbehrlich. Soziale Netzwerke und emotio- levant, keinen Dogmatismus zu propagieren, sondern
nale Verbundenheit mit der neuen Heimat verstärken darauf einzugehen, wie es für die Familie am sinnvolls-
wiederum den Spracherwerb (Lochner 2015). ten ist, und so viele Gelegenheiten wie möglich nutzen,
In Deutschland ist Einsprachigkeit dominierend und um mit der deutschen Sprache in Verbindung zu kom-
aus ökonomischer Sicht für den Bildungserfolg und die men. Für den Spracherwerb ist zudem die Fähigkeit zur
beruflichen Chancen ausschlaggebend (Esser 2006). Je- Sprachtrennung, aber auch zur Sprachmischung be-
doch wird kontrovers darüber diskutiert, welche Sprache deutsam (Gogolin/Neumann 1997).
zugewanderte Eltern mit ihren Kindern sprechen sollten.
Einerseits ist es in einem Land, dessen Bildungseinrich-
tungen monolingual auf die Landessprache ausgerichtet 2.3.1 Familiensprache
sind, notwendig, diese Sprache so früh wie möglich zu
erlernen (Esser 2006). Andererseits wird Zuwanderern, Der Diskurs zur Relevanz der Familiensprache lässt
die nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, sich nicht abschließend klären, jedoch steht fest, dass
abgeraten, mit ihren Kindern auf Deutsch zu kommuni- die Deutschkenntnisse zum Schuleintritt entscheidend
zieren, da dies lediglich zu einer Art „Halbsprachigkeit“ für den Bildungserfolg der Kinder sind.
führe. Das Beherrschen der Muttersprache habe positive Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfestatistik wird
Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung und das kor- bei allen Kindern, die eine Kindertageseinrichtung besu-
rekte Erlernen einer weiteren Sprache (Cummins 2000). chen, auch die zu Hause vorrangig gesprochene Sprache
Die „Critical Period“-Hypothese geht davon aus, dass erhoben. Es zeigt sich, dass zwei Drittel der 3- bis unter
bis zu einer gewissen Altersgrenze eine Zweitsprache 6-Jährigen mit Migrationshintergrund in Kindertagesein-
deutlich schneller und leichter zu erlernen ist (Bialystok/ richtungen zu Hause vorrangig nicht Deutsch sprechen.
Hakuta 1999; Johnson/Newport 1989). Da angenommen Eine detaillierte Darstellung nach Jugendamtsbezirken
wird, dass diese Altersgrenze bereits mit drei Jahren er- verdeutlicht, dass sich in den Ballungsräumen hohe
reicht ist, wird Familien mit nichtdeutscher Familienspra- Anteile an Kindern finden, die zu Hause nicht Deutsch
che oftmals empfohlen, ihre Kinder bereits unter drei Jah- sprechen (Abb. 2-21). Insbesondere in den verstädterten
ren in eine Kindertageseinrichtung zu geben. Regionen in Hessen sowie in Berlin und den Ballungs-
Aktuell gibt es Versuche, die Debatte zu entdramati- räumen Nordrhein-Westfalens sind infolgedessen die
sieren und für mehr Offenheit gegenüber nicht-monolin- Kindertageseinrichtungen der entscheidende Schlüssel
gualen Konzepten in Bildungseinrichtungen zu werben dazu, den Jüngsten Deutschkenntnisse zu vermitteln.
34
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Abb. 2-21: Anteil der 3- bis unter 6-Jährigen mit nichtdeutscher Familiensprache an allen Kindern in Kinder-
tageseinrichtungen nach Jugendamtsbezirken 2017 (in %)
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2017.
Basis: Alle 3- bis unter 6-Jährigen in Kindertageseinrichtungen.
35
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 2-22: Deutsche Sprachpraxis in Haushalten mit Kindern unter 25 Jahren nach Migrationsgenerationen
2017 (in %)
Alle Personen
14,0 80,5 5,5
1. Generation
Mind. eine Person
58,7 35,9 5,4
2./3. Generation
0 20 40 60 80 100
in %
deutsch nichtdeutsch keine Angabe
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; N1.Gen= 0,5 Mio., N2/3. Gen= 2,8 Mio., NMH= 3,4 Mio.,
NohneMH= 6,8 Mio.
Mit Erscheinen des Mikrozensus 2017 können auch Da- Deutschland zugewandert sind, nimmt der Zweit-
ten zur familiären Sprachpraxis berichtet werden.17 Die spracherwerb einen hohen Stellenwert ein. Auch Kinder
familiäre Sprachnutzung ist dabei auf Haushaltsebene mit Migrationshintergrund, die nicht selbst zugewan-
dargestellt und umfasst alle Haushalte in Deutschland dert sind, kommen häufig erst außerhalb der Familie
mit Kindern unter 25 Jahren (Abb. 2-22). In Haushalten mit Deutsch in Berührung. Die frühkindlichen Bildungs-
mit mindestens einer Person mit Migrationshintergrund einrichtungen stehen somit vor der Herausforderung,
wird zu Hause von etwas mehr als der Hälfte vorwie- die Sprachförderung des Deutschen für viele Kinder
gend Deutsch gesprochen. mit nichtdeutscher Familiensprache zu übernehmen.
Betrachtet man nur Haushalte, in denen alle Per- Kinder haben die große Chance, in jungen Jahren eine
sonen zugewandert sind, so zeigt sich deutlich, dass neue Sprache leichter zu erlernen („Critical Period“-Hy-
diese Personen zu 80,5% zu Hause vorrangig nicht pothese). Zudem bieten sich in der Kindertagesbetreu-
Deutsch sprechen. Somit steigt auch hier die Deutsch- ung und der Grundschule Gelegenheiten und institutio-
nutzung im Generationenverlauf deutlich an. nelle Fördermöglichkeiten für den Deutscherwerb. Ein
Analysen auf Basis der NEPS- und AID:A-Daten be- hemmender Faktor für den Deutscherwerb außerhalb
legen für unter 6-Jährige zudem, dass in der dritten Mi- der Familie bildet jedoch die einrichtungsbezogene Se-
grationsgeneration nur mehr 10% zu Hause kein oder gregation in Kindertageseinrichtungen (Kap. 4.1.2) oder
wenig Deutsch sprechen (Autorengruppe Bildungsbe- Schulen (Kap. 4.2.1).
richterstattung 2018). Die Migrationsgeneration hat so- Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen wiederum
mit einen deutlichen Einfluss auf den Sprachgebrauch. stellen fehlende Sprachkenntnisse das größte Hemmnis
für die Aufnahme einer Ausbildung dar. Für Neuzuwan-
Familiensprache nach Alter derer in dieser Altersgruppe sind spezielle Sprachkurse
Das Alter ist ein relevanter Faktor für das Erlernen sowie Sprachförderung an Schulen von Bedeutung für
einer neuen Sprache. Insbesondere bei Kindern, Ju- die weiterführende Integration (Kap. 4.2.7).
gendlichen und jungen Erwachsenen, die selbst nach Insbesondere bei Kindern aus Haushalten mit min-
destens einer Person der ersten Generation steigt die
17 S
eit dem Jahr 2017 wird die familiäre Sprachnutzung im Mikrozensus Deutschnutzung mit dem Alter deutlich an (Abb. 2-23).
jährlich erhoben. Während bei den unter 6-Jährigen nur 13,3% zu Hause
36
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
vorrangig Deutsch sprechen, steigt dieser Anteil bei 18- Da diese Einflussfaktoren je nach nationaler Herkunft
bis unter 25-Jährigen bereits auf ein knappes Drittel an. variieren, wird im Folgenden die familiäre Sprachnut-
Nur gut die Hälfte der unter 6-Jährigen aus Haushalten zung nach Herkunftskontext betrachtet (Abb. 2-24).
mit mindestens einer Person der zweiten oder dritten
Generation, d.h. mit in Deutschland geborenen Kin-
dern, spricht zu Hause vorrangig Deutsch. Der Anteil E4: Arten von Analphabetismus
steigt zwar bei älteren Kindern noch etwas an, stagniert Primärer Analphabetismus: Schriftsprachkennt-
jedoch bei knapp zwei Drittel der unter 25-Jährigen. nisse in keiner Sprache vorhanden.
Funktionaler Analphabetismus: Nur geringe
Familiensprache nach Herkunftsregion Schriftsprachkenntnis in lateinischer oder nicht-
Die familiäre Sprachnutzung unterscheidet sich je nach
lateinischer Schrift vorhanden.
Herkunftsregion. Insbesondere bei Personen der ersten
Migrationsgeneration machen sich diese Unterschie- Zweitschriftlernende: Vollständige Alphabetisie-
de deutlich bemerkbar: So kann ein nicht ausreichend rung in einer nichtlateinischen Schriftart, jedoch
ausgebautes Bildungssystem im Herkunftsland zu keine lateinischen Schriftsprachkenntnisse vor-
primärem Analphabetismus sowie die Sozialisation in handen.
einer nicht-lateinischen Schriftsprache zu funktionalem
Analphabetismus E4 führen. Auch der rechtliche Auf-
enthaltsstatus in Deutschland beeinflusst die Zugangs-
möglichkeiten zu staatlich geförderten Sprach- und In-
tegrationskursen (Kap. 6.1).
Abb. 2-23: Deutsche Sprachpraxis in Haushalten mit Kindern unter 25 Jahren nach Alter und Migrationsge-
neration 2017 (in %)
in %
80
63,1 64,0
60,6
53,9
60
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; N1.Gen= 1,0 Mio., N2/3. Gen= 3,2 Mio., NMH= 2,9 Mio.
Anmerkung: In Haushalten können auch Personen der ersten Generation und der zweiten bzw. dritten Generation leben, d.h. diese werden
doppelt erfasst. Somit übersteigt die Summe aus zweiter/dritter und erster Generation alle Haushalte mit Migrationshintergrund.
37
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 2-24: Deutsche Sprachpraxis in der Familie Frauen (Haug 2008). Die geringen Deutschkenntnis-
nach familialer nationaler Herkunft und Migrations- se bei Migranten aus der Türkei werden mit geringer
generation 2017 (in %) Schulbildung begründet (Uslucan 2017), die auch die
hohen Analphabetenquoten vor allem bei Frauen aus
der Türkei erklären (Haug 2008).
EU-15
55,8 Migranten des Nahen und Mittleren Ostens sind
85,1
74,2
meist in der ersten Generation als Asylsuchende nach
EU-Ost 49,7 Deutschland gekommen. Aufgrund von geringer Bil-
63,5
Polen¹ dung gibt es in dieser Gruppe einen hohen Anteil an
Türkei 40,0 primären Analphabeten. Zudem finden sich in dieser
72,3
Herkunftsgruppe auch viele funktionale Analphabeten
ehem. SU¹ 63,3
wieder, da sie in einer anderen Schriftsprache soziali-
30,5
Naher/Mittl. Osten¹ siert wurden (Scheible 2018; Schuller u.a. 2012a).
52,6
sonst. Länder 70,0
0 20 40 60 80 100
in % 2.3.2 Familiale soziale Herkunft
1. Generation 2./3. Generation
Die soziale Herkunft hat einen direkten Einfluss auf die
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus Biografien von Kindern und Jugendlichen – und dies
2017; N1.Gen= 3,3 Mio., N2/3. Gen= 0,5 Mio. unabhängig von einem potenziellen Migrationshinter-
Frage: „Welche Sprache wird in ihrem Haushalt vorwiegend ge-
sprochen?“ grund. Im internationalen Vergleich stellen die Familien
1
: Fallzahlen bei Familien mit Haushaltsmitgliedern der zweiten/drit- selbst immer noch das ausschlaggebende Element
ten Generation sehr gering, daher können bei manchen Ländern die für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen
Daten der zweiten/dritten Generation nicht ausgewiesen werden.
dar (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018;
Stanat u.a. 2003). Personen mit Migrationshintergrund
Für die Nutzung des Deutschen in der Familie ist die befinden sich häufiger in sozialstrukturell schwierigen
Migrationsgeneration ausschlaggebend. So sprechen Problemlagen als der Durchschnitt der Bevölkerung;
zwischen 70,0% und 85,1% der Familien mit mindes- demnach sind Kompetenznachteile von Kindern, Ju-
tens einer Person der zweiten bzw. dritten Generation gendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrations-
zu Hause vorwiegend Deutsch. Besonders bei Haus- hintergrund insbesondere auf die soziale Stellung der
halten aus EU-15-Ländern wird häufig Deutsch ge- Familien zurückzuführen (Butterwegge 2010).
sprochen. In Haushalten mit mindestens einer selbst Die soziale Herkunft lässt sich anhand von drei
zugewanderten Person wird deutlich seltener Deutsch Strukturmerkmalen bestimmen: dem Bildungsniveau
gesprochen. Zugewanderte aus der ehemaligen Sow- der Eltern, der finanziellen Situation der Familie sowie
jetunion und Polen sprechen deutlich häufiger zu Hau- der Erwerbsbeteiligung der Eltern. Diese Faktoren kön-
se Deutsch, was sich auch auf den Anteil an Spätaus- nen wiederum in Risikolagen eingeteilt werden. Beson-
siedlern in dieser Herkunftsgruppe zurückführen lässt ders stark sind Kinder von Alleinerziehenden sowie aus
(Worbs u.a. 2013). Da diese grundlegende Sprach- Familien mit Migrationshintergrund von allen Risikola-
kenntnisse des Deutschen bei der Einreise vorweisen gen betroffen (Autorengruppe Bildungsberichterstat-
müssen, schätzen (Spät-)Aussiedler ihre Deutsch- tung 2018). Bei Personen mit Migrationshintergrund
kenntnisse im Vergleich zu anderen Herkunftsgruppen zeigen sich jedoch deutliche Diskrepanzen je nach na-
am besten ein (Haug 2008). tionalem Herkunftskontext. Daher werden im Folgen-
In Familien mit mindestens einer Person der ersten den das Bildungsniveau der Eltern, die finanzielle Situ-
Generation nutzen türkeistämmige Familien mit nur ation in der Familie sowie die elterliche Erwerbstätigkeit
40,0% Deutsch selten als Familiensprache. Geringe bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Deutschkenntnisse bei Türkeistämmigen zeigten sich mit Migrationshintergrund nach Zugehörigkeit zu einer
bereits in groß angelegten repräsentativen Studien zu Migrationsgeneration und einem nationalen Herkunfts-
Personen mit Migrationshintergrund, besonders bei kontext dargestellt.
38
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Bildungsniveau der Eltern zweiten bzw. dritten Generation sind, desto niedriger ist
Das Bildungsniveau der Eltern ist insbesondere in auch der Anteil an Eltern mit einem geringen Bildungs-
Deutschland entscheidend für Schulleistungen und niveau. Im Generationenverlauf vollzieht sich somit ein
Werdegang ihrer Kinder (Müller/Ehmke 2016). Begrün- Angleichungsprozess an die Gesamtgesellschaft.
det wird dieser Zusammenhang damit, dass formal ge-
ring qualifizierte Eltern über niedriges kulturelles Kapital
verfügen, das sie über Wertorientierungen und Lebens- E5: International Standard Classification of
weisen an ihre Kinder weitergeben, und zudem weni- Education (ISCED)
ger Unterstützung in der schulischen Laufbahn geben Die Internationale Standardklassifikation des
können. Bildungswesens ermöglicht einen Vergleich des
Anhand der ISCED-Klassifikationen E5 kann der Anteil Bildungsstands über länderspezifische Bildungs-
an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit systeme hinweg. Es sind sieben Ausbildungsstu-
einem geringen elterlichen Bildungsstand veranschau- fen (ISCED 0 – ISCED 6) vorgesehen, anhand de-
licht werden (Abb. 2-25). Während nur 5,0% der Kinder, rer der Bildungsstand in drei Kategorien unterteilt
Jugendlichen und jungen Erwachsenen ohne Migra- wird: ein niedriger Bildungsstand wird für ISCED 0
tionshintergrund Eltern mit einem niedrigen Bildungsab- bis 2 angenommen, der bis zum Ende der Pflicht-
schluss haben, liegt dieser Anteil bei unter 25-Jährigen schulzeit reicht. ISCED 3 bis 4 stehen für Aus-
mit Migrationshintergrund bei 26,1% (Statistische Ämter bildung auf Oberstufen- bis zu postsekundärem
des Bundes und der Länder 2019). Insbesondere Eltern Niveau mit Abschluss der Hochschulreife. ISCED
von unter 25-Jährigen, die selbst nach Deutschland zu- 5 bis 6 beziehen sich auf Hochschulabsolventen
gewandert sind, weisen zu mehr als einem Drittel einen mit maximalem Abschluss einer Habilitation.
geringen Bildungsstand auf. Je jünger die Personen der
Abb. 2-25: Unter 25-Jährige mit geringem elterlichen Bildungsstand (ISCED<3) nach Migrationsgeneratio-
nen 2017 (in %)
in %
40 37,0
34,6 36,4 35,4
28,4 32,2
30
24,7 31,2
21,6 26,0
20
19,6 20,8
10
5,5 5,3 4,7 4,4
0
0 - u. 6 6 - u. 12 12 - u. 18 18 - u. 25 Jahre
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; NohneMH= 11,2 Mio., NMH= 6,0 Mio., N1.Gen= 1,3
Mio., N2/3. Gen= 4,8 Mio.
39
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Bei Betrachtung des Bildungsniveaus nach nationaler Abb. 2-26: Unter 25-Jährige mit geringem elter-
Herkunft wird deutlich, dass der elterliche Bildungs- lichen Bildungsstand (ISCED<3) nach familialer
stand bei unter 25-Jährigen aus Polen vergleichbar nationaler Herkunft 2017 (in %)
mit dem von Personen ohne Migrationshintergrund ist.
Eltern aus der Türkei oder dem Nahen und Mittleren
Deutschland 5,0
Osten weisen vergleichsweise die geringsten Bildungs-
werte auf (Abb. 2-26). EU-15 20,9
EU-Ost 18,6
Abb. 2-27: Unter 25-Jährige mit erwerbslosen Eltern nach Migrationsgenerationen 2017 (in %)
in %
50
42,3
37,8
40
32,5
30
24,2
18,9 16,9
20
15,6
15,3 14,9
10,2 10,5 12,1
10
7,0 6,2 4,9
5,0
0
0 - u. 6 6 - u. 12 12 - u. 18 18 - u. 25 Jahre
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; NohneMH= 11,2 Mio., NMH= 6,0 Mio., N1.Gen=1,3
Mio., N2/3. Gen= 4,8 Mio.
40
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
41
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 2-29: Armutsgefährdungsquote bei unter 25-Jährigen nach Migrationsgenerationen und Alter 2017
(in %)
in %
80
57,5 56,3
60
53,2
38,5
40 33,9 35,7
35,0
31,5 27,2
26,8 30,4 23,8
20
14,7 15,3 16,4
12,0
0
0 - u. 6 6 - u. 12 12 - u. 18 18 - u. 25 Jahre
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017; NohneMH= 11,2 Mio., NMH= 6,0 Mio., N1.Gen= 1,3 Mio., N2/3. Gen= 4,8 Mio.
42
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Abb. 2-31: Unter 25-Jährige in drei Risikolagen nach Migrationsgenerationen 2017 (in %)
in %
30
19,5 19,0
20
15,8
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; NohneMH= 11,2 Mio., NMH= 6,0 Mio., N1.Gen= 1,3
Mio., N2/3. Gen= 4,8 Mio.
Eine kombinierte Betrachtung aller drei Risikolagen Abb. 2-32: Unter 25-Jährige in Risikolagen nach
nach familialer nationaler Herkunft verdeutlicht, dass familialer nationaler Herkunft 2017 (in %)
unter 25-Jährige aus Ländern des Nahen und Mittleren
Ostens zu knapp 80,0% von mindestens einer Risikola-
18,4
ge betroffen sind und ein Viertel von allen dreien. Dabei Deutschland 1,5
handelt es sich zur Hälfte um Personen der ersten Ge- EU-15 34,1
2,5
neration; somit kann mit steigender Aufenthaltsdauer 36,9
EU-Ost 3,7
von einem Rückgang der Anteile in den drei Risikolagen
27,4
ausgegangen werden. Der Großteil der unter 25-Jähri- Polen 2,6
gen aus der Türkei der zweiten oder dritten Migrations- 57,7
Türkei 7,7
generation weist trotz langer Aufenthaltsdauer hohe 52,1
sonst. Europa 8,7
Werte auf: Mehr als die Hälfte der unter 25-jährigen
35,1
Türkeistämmigen befindet sich in mindestens einer Ri- ehem. SU 3,1
79,9
sikolage, statt; 7,7% in allen drei Risikolagen. Naher/Mittl. Osten 26,3
38,7
sonst. Länder 5,5
0 20 40 60 80 100
in %
Mind. eine Risikolage
Drei Risikolagen
43
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Fazit
Familiäre Faktoren wie die zu Hause gesprochene Spra- den Kindern weniger Gelegenheiten bietet, im Alltag
che oder die sozioökonomische Lage der Familie ha- Deutschkenntnisse anzuwenden. (Autorengruppe Bil-
ben einen entscheidenden Einfluss auf die institutionelle dungsberichterstattung 2018).
Einbettung und Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen Unabhängig von einem Migrationshintergrund ist
und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund. neben den Deutschkenntnissen insbesondere der fa-
Diese Faktoren sind bei der Betrachtung der Lebensum- miliale Hintergrund für den Schulerfolg in Deutschland
stände, in denen sich unter 25-Jährige mit Migrations- entscheidend. Da Personen mit Migrationshintergrund
hintergrund befinden, zu berücksichtigen. deutlich häufiger als der Durchschnitt von sozialstruk-
Da im deutschen Schulsystem Einsprachigkeit turellen Problemlagen betroffen sind, befinden sich
dominiert, ist das Beherrschen der deutschen Spra- Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Migra-
che ein entscheidendes Kriterium für den Bildungser- tionshintergrund meist in Situationen einer mehrfachen
folg von Kindern. Ein längerer Aufenthalt der Familien Benachteiligung. Insbesondere selbst zugewanderte
in Deutschland führt zu einem generationsbedingten Kinder sind relativ häufig von allen drei Risikolagen (so-
Anstieg der Deutschnutzung in der Familie. Jedoch zial, finanziell, kulturell) betroffen: Mehr als die Hälfte
stagniert der Anteil an Jugendlichen und jungen Er- der unter 5-Jährigen in dieser Gruppe ist somit von Ar-
wachsenen der zweiten bzw. dritten Generation, die zu mut gefährdet.
Hause vorwiegend Deutsch sprechen, bei etwa 60%. Da bei Neuzugewanderten mit einer längeren Auf-
Die Deutschnutzung als Familiensprache wird für den enthaltsdauer auch von einer Verbesserung der sozio-
alltäglichen Spracherwerb als eher hinderlich angese- ökonomischen Situation ausgegangen werden kann,
hen, insbesondere dann, wenn manche Familienmit- stellt sich die Situation von Kindern, Jugendlichen und
glieder diese nicht gut beherrschen. Die Sprachvermitt- jungen Erwachsenen der zweiten und dritten Migra-
lung sollte demnach bestenfalls über Muttersprachler tionsgeneration deutlich aussichtloser dar. Hier zeigen
erfolgen. Daher werden Institutionen, wie die Kinder- sich anhaltende prekäre Verhältnisse: So lebt mehr als
tagesbetreuung oder die Schule, immer stärker da- die Hälfte der unter 25-jährigen Türkeistämmigen in
mit konfrontiert, die Aufgabe der Sprachförderung zu mindestens einer Risikolage, obwohl der Großteil be-
übernehmen. Kritisch ist hierbei die Tendenz zu stär- reits in der zweiten oder dritten Zuwanderergeneration
kerer einrichtungsbezogener Segregation zu sehen, die in Deutschland lebt.
44
2 Zuwanderung nach Deutschland: Demografische Entwicklungen
Schlussfolgerungen Kapitel 2
Nicht erst mit der verstärkten Zuwanderung in den Migrationshintergrund in Deutschland beeinflussen. Der
Jahren 2015/16 ist Deutschland ein Einwanderungs- sozioökomische Status der unter 25-Jährigen mit Mi-
land. Historische Zuwanderungsprozesse wie die der grationshintergrund nähert sich im Generationenverlauf
sogenannten Gastarbeiter bis zu Beginn der 1970er- an den gesellschaftlichen Durchschnitt an. Die Kehrsei-
Jahre sowie der Zuzug von (Spät-)Aussiedlern prägen te der Medaille zeigt sich darin, dass vor allem selbst
die deutsche Gesellschaft bis heute nachhaltig. Im zugewanderte Minderjährige, die somit der ersten Mi-
Jahr 2017 verfügten 6,7 Millionen der unter 25-Jähri- grationsgeneration angehören, in äußerst prekären Le-
gen über einen Migrationshintergrund. Nur 9% dieser bensverhältnissen hier in Deutschland aufwachsen.
Altersgruppe ist selbst nach Deutschland zugewandert, Besonders betroffen sind dabei Personen aus Län-
während ein Viertel der unter 25-Jährigen der zweiten dern des Nahen und Mittleren Ostens, die zu einem
bzw. dritten Migrationsgeneration angehört. Personen großen Teil in den letzten Jahren als Asylsuchende nach
mit Migrationshintergrund stellen eine äußerst hetero- Deutschland gekommen sind. Da diese Kinder und Ju-
gene Gruppe dar, die je nach Migrationsgeneration, gendlichen der ersten Generation angehören, kann mit
Herkunftsregion und Aufenthaltsstatus unterschied- längerer Aufenthaltsdauer davon ausgegangen werden,
liche Voraussetzungen für ein Leben in Deutschland dass die Armutsgefährdungsquote in dieser Gruppe zu-
vorfinden. rückgeht. Bei den unter 25-jährigen Türkeistämmigen,
In diesem einführenden Kapitel wurden Personen die fast ausschließlich der zweiten bzw. dritten Migra-
mit Migrationshintergrund nach der jeweiligen Migra- tionsgeneration angehören, herrschen in Teilen beharr-
tionsgeneration sowie nach der familialen nationalen lich prekäre Lebensverhältnisse vor, die sich auch im
Herkunft analysiert. Die Unterscheidung nach Migra- Generationenverlauf nicht an die Gesamtgesellschaft
tionsgenerationen ermöglicht Aussagen zum Stand angleichen. Trotz langer familiärer Aufenthaltsdauer in
von intergenerationalen Integrationsprozessen in unter- Deutschland lebt mehr als die Hälfte der unter 25-jäh-
schiedlichen Lebensbereichen. Eine weiterführende rigen Türkeistämmigen in mindestens einer Risikolage.
Untergliederung nach nationaler Herkunft legt dar, ob Neben den Integrationsbemühungen für zugewanderte
neben dem Generationenstatus weitere Faktoren wie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ist somit
der aufenthaltsrechtliche Status, kulturelle Faktoren so- auch eine nachholende Integration der unter 25-Jäh-
wie diskriminierende Elemente die Lebenswelten von rigen mit Migrationshintergrund unerlässlich, die selbst
Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit in Deutschland geboren sind.
45
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Zentrale Ergebnisse
• 2017 hatten 34,1% der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland einen Migrations-
hintergrund, dies entspricht 6,7 Mio. Personen unter 25 Jahren.
• Je jünger, desto höher der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund: Von den unter 5-Jährigen hatten
im Jahr 2017 39,1% einen Migrationshintergrund.
• Der Großteil der unter 25-Jährigen mit Migrationshintergrund ist in Deutschland geboren: So gehören
24,8% aller Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in dieser Alterskategorie der zweiten oder drit-
ten Migrationsgeneration an, während 9,3% aller unter 25-Jährigen selbst nach Deutschland zugewandert
sind.
• Der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund liegt in den westdeutschen Bundesländern deutlich über
der Quote in Ostdeutschland: In Westdeutschland weisen 37% der unter 25-Jährigen einen Migrationshin-
tergrund auf, während dies in Ostdeutschland nur auf 13% in dieser Altersgruppe zutrifft. In Ostdeutsch-
land finden sich prozentual gesehen deutlich mehr Personen mit eigener Migrationserfahrung.
• Die erhöhte Zuwanderung insbesondere im Jahr 2015 ist primär durch EU-Binnenmigration und Asylzu-
wanderung zu erklären. Knapp die Hälfte der zwei Millionen Zugewanderten im Jahr 2015 war unter 25
Jahre alt.
• Ein knappes Drittel der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund stammt
selbst oder mindestens ein Elternteil aus einem Land der EU (2017: 29%), insbesondere aus Polen (2017:
8%).
• Im Zeitvergleich wird deutlich, dass zwischen 2009 und 2017 der Anteil an Kindern und Jugendlichen aus
Ländern der EU-Osterweiterung (insbesondere Rumänien) und des Nahen und Mittleren Ostens (insbe-
sondere Syrien) deutlich angestiegen ist, während ein Rückgang von Kindern und Jugendlichen aus der
Türkei sowie aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion zu verzeichnen ist.
• Die familiäre Sprachnutzung wird stark durch die Migrationsgeneration geprägt: Während in 14% der
Haushalte, in denen alle Personen selbst zugewandert sind, zu Hause Deutsch gesprochen wird, wird in
Haushalten mit mindestens einer Person der 2. oder 3. Generation zu 59% Deutsch als Kommunikations-
sprache genutzt.
• Auch der sozioökonomische Status unterscheidet sich deutlich nach der jeweiligen Migrationsgeneration:
Unter 5-jährige Kinder der ersten Generation sind mit 56% am häufigsten von Armut gefährdet. In der
zweiten Generation sind es noch 30%; unter 5-Jährige ohne Migrationshintergrund weisen die geringste
Armutsgefährdungsquote von 12% auf.
• Minderjährige aus Ländern des Nahen und Mittleren Ostens sind mit 26% am häufigsten von allen drei
Risikolagen (sozial, finanziell, kulturell) betroffen.
46
3
Lebenswelten von jungen
Menschen mit Migrations-
hintergrund: Familialer Alltag
und Freizeitgestaltung
47
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Die in Kapitel 2 dargestellten Kenngrößen zur sozio- und Erziehungsstile, die in den analysierten Familien
ökonomischen Situation von Kindern, Jugendlichen vorherrschen, können stark durch Werte und Normen
und jungen Erwachsenen haben einen starken Einfluss der Herkunftsgesellschaft geprägt sein.
auf die Lebenswelten, in denen sich junge Menschen
mit Migrationshintergrund in Deutschland befinden. Datengrundlage
Neben den dargestellten klassischen Determinanten Einige wenige Kennziffern zu den Lebenswelten von
(familialer Bildungshintergrund) beeinflussen weitere Kindern und Jugendlichen können auf Basis der amtli-
Strukturmerkmale der Familie (Familienform, Kinder- chen Statistik (Mikrozensus 2017) berichtet werden. Da
zahl, mütterliche Erwerbstätigkeit) die Entwicklung der über die amtliche Statistik kaum Variablen zu Lebens-
Kinder (Baumert u.a. 2003). Diese Faktoren wirken sich welten erhoben werden, wird in diesem Kapitel auf die
nicht nur auf die psychosoziale Entwicklung der Kinder, deutschlandweit repräsentativen Studien des Sozio-oe-
sondern auch auf deren späteren Bildungserfolg aus. konomischen Panels (SOEP; A-2.1), der DJI-Kinderbe-
Dass die familiale Umwelt den Bildungsverlauf ent- treuungsstudie (KiBS; A-2.3) sowie des Nationalen Bil-
scheidend prägt, ist unumstritten. Auch die wohnräum- dungspanels (NEPS; A-3.3) zurückgegriffen. Da sowohl
liche Umgebung nimmt eine prägende Stellung ein, da in im Mikrozensus als auch in den Surveys der eigene Ge-
der Nachbarschaft und Schule erste Freundschaften ge- burtsort sowie der von Eltern und meist auch Großeltern
knüpft werden. Zudem beeinflussen familiale Werte und erhoben wird, können Aussagen zu unterschiedlichen
Erziehungsstile das Aufwachsen und können je nach Migrationsgenerationen getroffen werden E2 .
familialer nationaler Herkunft unterschiedlich ausfallen.
In diesem Kapitel werden die verschiedenen Be- Aufbau des Kapitels 3
dingungen von Kindern in ihrer familialen Lebenswelt Das Kapitel 3.1 beschreibt als Basis die familiale Aus-
beschrieben und deren Auswirkungen auf die Entwick- gangssituation: In welchen Familienkonstellationen le-
lung der Kinder diskutiert. Dabei werden Unterschiede ben Kinder mit Migrationshintergrund? Wo leben sie?
zwischen Kindern aus Familien mit und ohne Migrati- Das Kapitel 3.2 beleuchtet Bildung und Betreuung in-
onshintergrund dargestellt. Ferner werden Differenzen nerhalb der Familie, unterteilt nach frühkindlicher und
zwischen Kindern aus verschiedenen Migrationsgene- außerschulischer Förderung. Von besonderer Relevanz
rationen und Herkunftsländern näher beleuchtet. Von sind hierbei gemeinsame familiäre Aktivitäten. Bildungs-
Interesse ist, ob und inwieweit sich die Lebenswelten aktivitäten innerhalb der Familie werden neben den
von Kindern mit Migrationshintergrund von denjenigen klassischen sozioökonomischen Faktoren auch von Er-
unterscheiden, die Mädchen und Jungen ohne Migra- ziehungsstilen und Werten geprägt. Diese haben wiede-
tionshintergrund vorfinden. rum Einfluss auf die innerfamiliären Beziehungen. Fami-
Durch die Analyse entlang einzelner Migrationsge- liale Werte und Einstellungen sowie Religiosität werden
nerationen können Aussagen zu intergenerationalen in Kapitel 3.3 analysiert. Das Kapitel 3.4 betrachtet das
Integrationsprozessen abgeleitet werden. Die weiter- Freizeitverhalten von Kindern und hinterfragt, ob sich
führende Untergliederung nach nationaler familialer die Gestaltung der freien Zeit bei Kindern mit und ohne
Herkunft liefert Aufschlüsse, ob der aufenthaltsrecht- Migrationshintergrund grundlegend unterscheidet sowie
liche Status oder kulturelle Faktoren Einfluss auf die welchen Einfluss das Geschlecht hat. Auch wird die Zu-
Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrations- sammensetzung des Freundeskreises von Jugendlichen
hintergrund haben. Insbesondere Wertvorstellungen mit und ohne Migrationshintergrund beleuchtet.
48
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Datengrundlage
Die Daten des Mikrozensus 2009, 201418 und 2017
sowie des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) sind
Ausgangspunkt für die Analysen der Lebensformen
und Wohnsituation der Kinder und Jugendlichen.
18 Die Daten aus dem Jahr 2014 sind die letzten veröffentlichten Daten,
die die Indikatoren zur Wohngebäudegröße, den Besitzverhältnissen
und der verfügbaren Wohnfläche im Mikrozensus hinsichtlich des Mi-
grationsstatus enthalten.
49
Kinder- und Jugendmigrationsreport
50
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Abb. 3-1: Familiale Lebensform nach Migrationshintergrund und Altersgruppen 2017 (in %)
in %
100
12,6 8,2
19,7 14,2 19,6 14,2 18,5 19,9
9,8 23,7 23,9
5,3 4,6
80 19,9 3,2 2,2
10,7 10,6 6,8 4,6
60
20
0
0 - u. 25 J. 0 - u. 5 J. 5 - u. 15 J. 15 - u. 20 J. 20 - u. 25 J.
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; N= 17,4 Mio.
Die Größe der Haushalte hat Kinder mit Migrationshintergrund wachsen seltener als
Bezug zur familialen nationalen Herkunft Einzelkind auf als Kinder ohne Migrationshintergrund
In Haushalten von Familien, bei denen mindestens ein (24,7 zu 34,6%). Sowohl Kinder mit als auch Kinder
Haushaltsmitglied einen Migrationshintergrund hat so- ohne Migrationshintergrund haben am häufigsten ein
wie mit Kindern im Alter von unter 25 Jahren, lebten Geschwister. Mit zwei oder mehr Geschwistern leben
2017 im Schnitt 3,8 Personen. Hat keine Person im öfter Kinder mit Migrationshintergrund zusammen als
Haushalt einen Migrationshintergrund, wohnten dort Kinder ohne Migrationshintergrund (Abb. 3-2).
durchschnittlich nur 3,5 Personen. Bei Familien mit Mi-
grationshintergrund unterscheidet sich die Größe der
Haushalte erheblich entsprechend der nationalen Her- Abb. 3-2: Anzahl an Geschwistern nach
kunft der Familie: Migrationsstatus 2017 (in %)
Türkeistämmige Familien und Familien aus dem
Nahen und Mittleren Osten bilden die größten Haus-
halte, in denen im Jahr 2017 im Schnitt 4 Personen zu- mit
24,7 21,6 10,9
Migrationshintergrund 42,8
sammenlebten. Mit durchschnittlich 2,2 (Türkei) und 2,0
Kindern (Naher und Mittlerer Osten) im Haushalt stellen
sie die kinderreichsten Familien dar. ohne
Migrationshintergrund 34,6 45,4 14,5 5,6
Polnische Haushalte mit durchschnittlich 3,5 Per-
sonen zeigen sich als die kleinsten Haushalte der Fa-
0 20 40 60 80 100
milien mit Migrationshintergrund. Gleiches gilt bei der in %
Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder. Polnische keine Geschwister 1 Geschwister
Familien zählen mit 1,6 Kindern zu den kinderärmsten
2 Geschwister 3 und mehr Geschwister
Familien und unterscheiden sich nicht von deutschen
Familien (Statistische Ämter des Bundes und der Län- Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus
der 2019). 2017; N= 11,6 Mio.
51
Kinder- und Jugendmigrationsreport
3.1.2 Wohnsituation
Die Wohnbedingungen von Familien müssen in einem Kinder mit Migrationshintergrund
wechselseitigen Zusammenhang von verfügbarer Flä- wachsen vor allem in Großstädten auf
che und Lage gesehen werden. Die verfügbare Wohnflä- Die regionale Verteilung von Familien mit und ohne Mi-
che ist meist durch die Wohnumgebung bedingt: Wohnt grationshintergrund20 in den Gemeinden zeigt deutlich,
eine Familie in einer ländlichen Region auf zu engem dass Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund zum
Raum, hat sie eher die Möglichkeit, durch das direkte größten Teil in Großstädten wohnen, die mehr als 100.000
Wohnumfeld mit weitläufigen Grünflächen und weniger Einwohner umfassen. In Kleinstädten und mittleren Städ-
befahrenen Straßen die negativen Auswirkungen zu ten sind sie wesentlich seltener angesiedelt. Familien mit
kompensieren. In Großstädten sind weniger Einfamilien- lediglich einem Elternteil mit Migrationshintergrund sind
häuser mit Garten zu finden und auf dem Land seltener von diesem Effekt weniger betroffen als Familien mit
Wohngebäude mit mehreren Wohneinheiten und kleine- beidseitigem Migrationshintergrund (Abb. 3-3).
ren Wohnflächen. Die Betrachtung dieser verschiedenen
Aspekte und deren mögliche Einflüsse, getrennt nach
20 Da viele Kinder im Alter zwischen 18 und 25 Jahren von zu Hause
dem Migrationshintergrund der Familien, weist auf deut- ausziehen und dann über mehr Quadratmeter pro Person verfügen,
liche Unterschiede zwischen diesen Gruppen hin. werden an dieser Stelle nur die minderjährigen Kinder betrachtet.
Abb. 3-3: Familien mit Kindern unter 25 Jahren nach Migrationsstatus und Gemeindegrößenklasse 2017
(in %)
48,6
unter 20.000 27,7
25,0
35,6
27,1
20.000 bis unter 100.000 30,1
30,7
28,4
24,3
42,2
100.000 und mehr
44,3
36,0
0 10 20 30 40 50
in %
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; N= 10,2 Mio.
52
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Die starke Präsenz von Familien mit Migrationshin- Kinder mit Migrationshintergrund
tergrund21 in Großstädten hat Auswirkungen auf das wohnen eher selten in Wohneigentum
Wohnen der Kinder und Jugendlichen; dabei spielen Auch die Eigentumsverhältnisse und Wohnfläche pro
das Wohnumfeld, die Verkehrssituation, die Größe des Haushaltsmitglied lassen die unterschiedlichen Wohn-
Wohngebäudes, die Beschaffenheit der Wohnung sowie bedingungen der Familien erkennen: Minderjährige
die damit verbundene Quadratmeterzahl pro Kopf eine Kinder mit Migrationshintergrund leben deutlich selte-
Rolle. Leben Kinder in beengten Wohnungen, sind sie auf ner mit ihrer Familie in einem eigenen Haus oder einer
das sichere Spielen in der Wohnumgebung angewiesen eigenen Wohnung (36,9%) als Kinder ohne Migrations-
(Häussermann u.a. 2010). Kinder und Jugendliche mit hintergrund (58,1%). Kinder mit eigener Migrationser-
Migrationshintergrund leben häufiger in Wohngebäuden fahrung wohnen mit lediglich 19,6% noch seltener in
mit mehreren Wohneinheiten als Kinder und Jugendliche Wohneigentum.
ohne Migrationshintergrund, und dies oftmals in Gebäu- Generell haben Kinder sowohl mit als auch ohne
den mit mindestens fünf Einheiten. In Einfamilienhäusern Migrationshintergrund, die in Wohneigentum aufwach-
wiederum wohnen überwiegend Kinder und Jugendliche sen, mehr Platz zur Verfügung als solche, die in einer
ohne Migrationshintergrund (Abb. 3-4). Mietwohnung leben. Es werden aber auch Differenzen
zwischen den Gruppen sichtbar: So steht Kindern mit
21 Mindestens ein Elternteil in der Familie hat Migrationshintergrund. Migrationshintergrund sowohl in einem Wohneigen-
Abb. 3-4: Minderjährige Kinder22 und Jugendliche nach Migrationsstatus und Anzahl der Wohneinheiten
im Wohngebäude 2014 (in %)
in %
50,0
50
42,1
40
28,8 28,7
30
24,5
19,8
20
10
2,0 2,6
0,8 0,7
0
1 Whg. 2 bis 4 Whg. 5 bis 12 Whg. 13 bis 21 Whg. 21 und mehr Whg.
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2014; N= 12,6 Mio.
22 Da viele Kinder im Alter zwischen 18 und 25 Jahren von zu Hause ausziehen und dann über mehr Quadratmeter pro Person verfügen, werden an
dieser Stelle nur die minderjährigen Kinder betrachtet.
53
Kinder- und Jugendmigrationsreport
tum als auch in einer Mietwohnung weniger Platz zur Kinder ohne Migrationshintergrund haben wesentlich
Verfügung als Kindern ohne Migrationshintergrund. öfter ein eigenes Zimmer als Kinder mit Migrationshin-
Diese Differenz wird noch deutlicher in Bezug auf die tergrund. Kinder, die selbst oder deren beide Elterntei-
Wohnfläche pro Person in den Haushalten. Durch die le zugewandert sind, verfügen am seltensten über ein
im Schnitt größere Anzahl an Haushaltsmitgliedern in eigenes Zimmer. Kindern der zweiten Generation mit
Familien mit Migrationshintergrund und den generell nur einem zugewanderten Elternteil und Kindern aus
kleineren Wohnflächen leben Kinder mit Migrations- der dritten Generation steht zwar häufiger ein eigenes
hintergrund oft in entsprechend beengten Wohnver- Zimmer zur Verfügung, aber immer noch seltener als
hältnissen. Kinder aus Familien mit Migrationshinter- Kindern ohne Migrationshintergrund (Abb. 3-5).
grund, die zur Miete wohnen, verfügen im Mittel über Kinder, die selbst oder deren beide Elternteile zu-
6 Quadratmeter weniger Wohnfläche. Wohnen diese in gewandert sind, weisen auch unter Kontrolle des sozio-
einem Wohneigentum, ist die Differenz geringer, liegt ökonomischen Status der Familie, der familialen natio-
aber durchschnittlich immer noch bei 5 Quadratmetern nalen Herkunft und der Haushaltgröße eine geringere
(Statistisches Bundesamt 2015). Wahrscheinlichkeit auf, ein eigenes Zimmer zu haben
Die Unterschiede in den Wohnverhältnissen zeigen als Kinder ohne Migrationshintergrund.
sich auch am Vorhandensein eines eigenen Zimmers,
das mit zunehmendem Alter für Kinder immer wichtiger Fazit
wird. Im Kleinkindalter finden zwar die Aktivitäten der Kinder mit Migrationshintergrund wachsen häufiger bei
Kinder hauptsächlich in gemeinsam genutzten Räu- verheirateten und seltener bei unverheirateten Eltern
men (Wohnzimmer oder Küche) statt, doch mit stei- oder nur einem Elternteil auf als Kinder ohne Migra-
gendem Alter nimmt dieser Zustand ab. Der Wunsch tionshintergrund. Das Leben der Kinder in ihrer Familie
nach einem eigenen Zimmer und der damit verbundene unterscheidet sich nicht nur aufgrund der Lebensform
Platz zur eigenen Entfaltung nehmen bis zur Einschu- ihrer Eltern, sondern auch hinsichtlich der Anzahl ihrer
lung stetig zu. Zunächst steht der Platz zum Spielen Geschwister. Die Familiengröße zeigt einen deutlichen
im Vordergrund, doch dann bedarf es eines Raumes Zusammenhang mit der nationalen Herkunft der Familie:
für ein störungsfreies Lernumfeld, für das Erledigen der Türkeistämmige Kinder und Kinder mit familialer na-
Schularbeiten sowie für das Spielen mit gleichaltrigen tionaler Herkunft aus dem Nahen und Mittleren Osten
Kindern. Im Jugendalter ist das eigene Zimmer ein not- wachsen in besonders großen Familien auf. Bedingt
wendiger Garant für die eigene Gestaltung und persön- durch das häufigere Wohnen von Familien mit Mig-
liche Entwicklung sowie für die Abgrenzung gegenüber rationshintergrund in Großstädten und der im Schnitt
den Eltern (Butterwegge 2010). größeren Haushaltsgröße verfügen Kinder mit Migra-
tionshintergrund durchschnittlich über weniger Raum
in ihrem Zuhause als deutsche Kinder.
Abb. 3-5: Vorhandensein eines eigenen Zimmers Die familiale Lebensform, Haushaltsgröße und
nach Migrationsgenerationen (in %) Wohnsituation wirken sich auf viele Bereiche wie Fa-
milienbeziehungen und Freizeitgestaltung aus (Kap.
3.3 und Kap. 3.4). Aber auch Bedingungen hinsichtlich
93 der sozialen Teilhabechancen der Kinder werden be-
60
87 einflusst. Kinder mit Migrationshintergrund leben zwar
89 öfter mit beiden Elternteilen zusammen, sind aber den-
0 20 40 60 80 100 noch häufig von einer Risikolage betroffen (Kap. 2.3.2).
in % Hinsichtlich einer möglichen Armutsgefährdung profi-
ohne Migrationshintergrund tieren sie somit nicht von der stabileren familialen Le-
1. Generation/2. Generation beidseitig bensform. Durch die engeren Wohnverhältnisse steht
2. Generation einseitig ihnen zusätzlich weniger Platz zur Verfügung, wodurch
3. Generation
das eigene Zuhause als Ort für soziale Kontakte häufig
ausfällt. Eine solche Wohnsituation kann zum sozialen
Quelle: SOEP 2013–2016, gewichtete Daten, eigene Berechnung; Ausschluss der Kinder führen (Butterwegge 2010).
n= 1.771.
54
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
55
Kinder- und Jugendmigrationsreport
23 Diese Verteilung zeigt sich auch, wenn nur Kinder mit Geschwistern
betrachtet werden. Allerdings wachsen Kinder der ersten und zweiten
Generation im Schnitt mit mehr Geschwistern auf, wodurch die Wahr-
scheinlichkeit einer Betreuung durch ein Geschwister erhöht ist.
56
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Abb. 3-6: Betreuung der unter 6-Jährigen nach Migrationsstatus 2017 (in%)
in %
100
80
60
40
20
0
<1 1 2 3 4 5
Alter des Kindes in Jahren
Die Erwerbstätigkeit der Eltern Kinder noch von ihrer Familie betreut. Bei Kindern mit
mindert die Zeit der Betreuung zu Hause Migrationshintergrund liegt der Anteil bei 10%. Von den
Mit der Erwerbstätigkeit der Eltern und dem Alter des Kindern, die zu Hause von ihrer Familie betreut wer-
Kindes sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder zu den, gehören 16% der ersten Generation und zweiten
Hause betreut werden. Da Eltern aus armutsgefährde- Generation beidseitig und 5% der zweiten Generation
ten Familien häufiger nicht erwerbstätig sind, werden einseitig an.
die Kinder mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu
Hause betreut als nicht armutsgefährdete Kinder. Mit Alter und familialer Hintergrund spielen
einer steigenden Anzahl an Geschwistern erhöht sich eine wichtige Rolle bei der Art der Betreuung
auch die Wahrscheinlichkeit der familiären Betreuung. Bei der Betreuung von Kindern im Alter bis zu 3 Jah-
Kinder, die in Ostdeutschland leben, weisen unabhän- ren werden deutliche Unterschiede je nach nationaler
gig vom Migrationshintergrund eine deutlich geringere Herkunft der Familie sichtbar. In diesem Alter wer-
Wahrscheinlichkeit auf, zu Hause betreut zu werden, den Kinder ohne Migrationshintergrund und Kinder
als Kinder in Westdeutschland. aus den EU-15-Ländern am wahrscheinlichsten nicht
Unter 3-jährige Kinder, die selbst oder deren bei- mehr ausschließlich von der Familie betreut. Die größ-
de Elternteile zugewandert sind, weisen die niedrigste ten Differenzen zeigen sich bei Kindern aus Familien,
Wahrscheinlichkeit auf, eine Kindertagesbetreuung zu die aus der Türkei, der ehemaligen Sowjetunion und
nutzen. Im Vergleich zu deutschen Kindern ist diese je- dem Nahen und Mittleren Osten stammen. Kinder aus
doch auch im Alter von drei Jahren noch deutlich ge- diesen Herkunftsländern werden mit höherer Wahr-
ringer (Abb. 3-7). scheinlichkeit länger innerhalb der Familie betreut
Von den 4- bis unter 6-jährigen Kindern der Kinder- (Abb. 3-8).
betreuungsstudie werden lediglich 3% der deutschen
57
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 3-7: Vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten der Nutzung einer Kindertagesbetreuung von unter 4-Jäh-
rigen nach Migrationsgenerationen (in %)
in %
100
80
60
40
20
0
<1 1 2 3
Alter des Kindes in Jahren
2. Generation einseitig
Die Gründe für die Betreuung zwischen den Generationen erklärt werden können.
der Kinder zu Hause sind vielfältig Auch können Hürden, wie geringe Sprachkenntnis-
Die Ursachen für eine Betreuung zu Hause können se, den Zugang erschweren. In der türkischen Kultur
zwischen den Familien variieren und zeigen sich als steht beispielsweise die mündliche Kommunikation
sehr vielfältig. Eltern, die selbst der ersten Generation (Oralität) im Vordergrund: Ein Großteil alltäglicher An-
angehören und erst im Schulalter oder später zuge- gelegenheiten wird mündlich erledigt und vereinbart.
wandert sind, wie es häufig bei den türkeistämmigen Das gilt auch für die Anmeldung der Kinder in einer
Eltern der Fall ist, kennen die (frühkindlichen) Ange- Kindertageseinrichtung, die in der Türkei oft informell
bote oft nicht und werden daher gemieden (Lokhande und ohne einen Vertrag erfolgt. Informationen in der
2013; Fuhrer/Uslucan 2005). Die Eltern unterscheiden Kindertageseinrichtung werden häufig nur mündlich
sich je nach Herkunftsland zudem in ihren normati- an die Eltern kommuniziert (Kuyumcu/Senyildiz 2011).
ven Erziehungsvorstellungen. Türkeistämmige Eltern Diese kulturellen Unterschiede können dazu führen,
legen viel Wert auf eine enge und emotionale Bezie- dass Eltern einen erschwerten Zugang zum Angebot
hung zu ihren Kindern (Durgel u.a. 2012). Das „rich- der Kindertagesbetreuung haben und es daher weni-
tige“ Alter der Kinder für eine Betreuung außer Haus ger nutzen.
variiert durch die unterschiedlichen gesellschaftlichen
Normen. Die Erziehungseinstellungen der Eltern ver-
ändern sich mit einer längeren Aufenthaltsdauer
(Feldman/Rosenthal 1990), wodurch Unterschiede
58
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Abb. 3-8: Vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten der Nutzung einer Kindertagesbetreuung von unter 4-Jäh-
rigen Kindern nach Alter und familialer nationaler Herkunft 2017 ( in%)
in %
100
80
60
40
20
0
<1 1 2 3
59
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Häusliche Aktivitäten wie Vorlesen sein. In einigen Kulturen wird dies als Aufgabe der Insti-
fördern die Bildung der Kinder tutionen und pädagogischen Fachkräfte gesehen (Ley-
83% der deutschen Eltern geben an, ihren Kindern endecker u.a. 2014). In diesen Kulturen wird die früh-
täglich vorzulesen, 67% der Familien mit Migrations- kindliche Bildung durch Vorlesen, Zählen, Singen oder
hintergrund lesen einmal am Tag ihren Kindern vor ähnliche Aktivitäten nicht als Aufgabe der Eltern ange-
(Abb. 3-9). Wie oft vorgelesen wird, unterscheidet sich sehen und wird daher weniger oder gar nicht praktiziert
nicht nur zwischen Eltern mit und ohne Migrations- (Kim 2009). Die Praxis der Eltern hängt gleichzeitig eng
hintergrund. Auch innerhalb der Gruppe der Familien mit ihrer Schulbildung und ihren eigenen Lesegewohn-
mit Migrationshintergrund zeigt sich, je nach nationaler heiten zusammen (Bus u.a. 2000).
Herkunft, ein heterogenes Bild. Gerade die Gruppe der Türkeistämmige Eltern lesen ihren Kindern selte-
türkeistämmigen Familien und Familien aus dem Nahen ner täglich vor, auch unter Kontrolle der elterlichen
und Mittleren Osten lesen ihren Kindern seltener täglich Bildung, zumal in der türkischen Kultur eine verstärkte
etwas vor im Vergleich zu Familien ohne Migrations- Tradition mündlicher Kommunikation vorherrscht, was
hintergrund. Auch innerhalb der Gruppe der Familien beim Vorlesen eine entscheidende Rolle spielt. So
mit Migrationshintergrund liegen sie unter dem Durch- bekommen türkeistämmige Kinder öfter Geschichten
schnitt; den Kindern in diesen Familien wird zudem am und Märchen frei erzählt und seltener aus Büchern
häufigsten selten bis gar nicht vorgelesen. vorgelesen (Kuyumcu 2008). In der russischen Kultur
Warum Eltern ihren Kindern nicht oder nur selten dagegen wird die Lese- und Schreibfähigkeit (Literali-
vorlesen, hat unterschiedliche Gründe: tät) hoch angesehen und mehr praktiziert (Kuyumcu/
Geringe Sprachkenntnisse oder Analphabetismus Senyildiz 2011). Das Vorlesen wird demnach je nach
(Kap. 2.2) aufseiten der Eltern erschweren das Vorlesen. Kultur unterschiedlich gehandhabt und angesehen
Ein weiterer Grund kann die unterschiedliche Ansicht und ist nicht alleine vom sozioökonomischen Status
bezüglich der Verantwortung für die Bildung der Kinder der Familie abhängig.
Deutschland 83 14
mit Migrationshintergrund 67 29
EU-15 80 20
EU-Ost 77 22
Polen 67 32
Türkei 48 35 17
Sonst. Europa 58 40
Ehem. SU 70 27
Naher/Mittl. Osten 48 46 6
Sonst. Länder 76 21
0 20 40 60 80 100
in %
Quelle: : LifBi, NEPS, SC 1, 2015, Welle 4, gewichtete Daten, eigene Berechnungen; n= 2.475.
60
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Das Lernen von Reimen und Liedern sowie das Ma- nen vier Wände stattfinden. Dazu zählt insbesondere
len und Basteln werden hingegen häufiger in Familien die Teilnahme am Kinderturnen, Kinderschwimmen, an
mit Migrationshintergrund praktiziert (NEPS: 35 zu 41% Kursen künstlerischer und musikalischer Gestaltung.
und 32 zu 45%). Insbesondere das gemeinsame Er- Kinder mit Migrationshintergrund werden aufgrund der
lernen von Reimen und Liedern findet in Familien mit unterschiedlichen Kulturen oft mit widersprüchlichen
Migrationshintergrund aus den Staaten der EU-Oster- Wert- und Verhaltensmaßstäben konfrontiert. Durch die
weiterung und der ehemaligen Sowjetunion deutlich Teilnahme an organisierten Kursen und Veranstaltun-
häufiger statt als in deutschen Familien, was auf eine gen bieten sich jedoch durch das Zusammentreffen der
unterschiedliche kulturelle Bedeutung der einzelnen Herkunftskultur und der Gesellschaftskultur Gelegen-
Bildungsaktivitäten hinweist. heiten, bikulturelle Kompetenzen zu erlernen (Fuhrer/
Uslucan 2005). Die Teilnahme an diesen Veranstaltun-
gen ist nur nach Anmeldung möglich und wird dement-
3.2.3 Außerhäusliche Bildungs- sprechend von Familien in unterschiedlicher Intensität
aktivitäten in der frühen Kindheit genutzt. 59% der Kinder ohne Migrationshintergrund,
die noch nicht zur Schule gehen, nehmen an mindes-
Das Vorlesen, das Lernen von Reimen und Liedern so- tens einem dieser Angebote teil (Abb. 3-10). Im Unter-
wie das Üben mit Zahlen werden vorwiegend zu Hause schied dazu besuchen nur 44% der gleichaltrigen Mäd-
in den Familien praktiziert; doch es gibt auch Angebo- chen und Jungen mit Migrationshintergrund eine dieser
te, die gemeinsam mit den Kindern außerhalb der eige- Veranstaltungen. Die Ergebnisse zeigen wesentliche
Unterschiede hinsichtlich der Migrationsgenerationen:
Abb. 3-10: Teilnahme an außerhäuslichen Angebo- Kinder, die selbst im Ausland geboren oder deren Eltern
ten von Kindern nach Migrationsgenerationen (in %) beide nicht in Deutschland geboren wurden, nehmen
am seltensten an einem dieser Angebote teil.
Neben dem Migrationsstatus wirken aber auch an-
Kinderturnen, -sport,- 37
29 dere Faktoren auf die Wahrscheinlichkeit, ob ein Kind an
schwimmen 25
33 einer außerhäuslichen Aktivität teilnimmt: Dabei spielen
das Einkommen, die Erwerbstätigkeit und die Bildung
16
Frühkindliche 7 der Mutter eine Rolle, ob und inwieweit frühkindliche
Musikerziehung 12
20 Angebote außer Haus genutzt werden (Schmiade/Spieß
4
2010). Die multivariaten Analysen der SOEP-Daten von
Künstlerische 4 2013, 2014 und 2016 bestätigen diese Befunde. So
Aktivitäten 4
4 wirkt sich die Erwerbstätigkeit der Eltern bei Kindern
24 negativ auf die Teilnahmewahrscheinlichkeit aus. Le-
sonst. 10
Eltern-Kind-Gruppe 15 ben die Kinder in armutsgefährdeten Familien, nimmt
16 die Wahrscheinlichkeit der Nutzung ebenfalls ab. Ältere
41 Kinder nehmen häufiger an einer außerhäuslichen Akti-
Nein, nichts davon 61
57 vität teil als jüngere Kinder.
47
Die geringste Wahrscheinlichkeit an einer außer-
0 20 40 60 80 häuslichen Aktivität teilzunehmen, weisen Mädchen
in %
und Jungen, die im Ausland geboren sind und Kinder
ohne Migrationshintergrund der zweiten Migrationsgeneration beidseitig, auch bei
1. Generation/2. Generation beidseitig zusätzlicher Berücksichtigung der genannten Einfluss-
2. Generation einseitig faktoren, auf (Abb. 3-11).24
3. Generation
24 Bei den unter 1-Jährigen und den 6- bis 7-Jährigen unterscheidet sich
Quelle: SOEP 2013,2014,2016, gewichtete Daten, eigene Berechnun-
die zweite Migrationsgeneration einseitig nicht signifikant von Kindern
gen; n= 3.577. Basis: Haushaltsfragebogen, Kinder, die noch nicht
ohne Migrationshintergrund.
zur Schule gehen (0- bis unter 8-Jährige).
61
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 3-11: Vorhergesagte Wahrscheinlichkeit des Besuchs einer außerhäuslichen Aktivität von Kindern nach
Migrationsstatus (in %)
in %
100
80
60
40
20
0
<1 1 2 3 4 5 6 7
62
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Abb. 3-12: Regelmäßige gemeinsame Aktivitäten Kinder. Die Nutzung eines Betreuungsangebotes hängt
mit Kindern nach Migrationsgenerationen (in %) dabei von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen ist
die Migrationsgeneration von Bedeutung, zum anderen
aber auch die familiale nationale Herkunft.
88
Spazieren gehen 91 Bei Kindern bis zu drei Jahren weisen türkeistämmige
91
90 Kinder sowie Kinder aus den ehemaligen Sowjetunion-
staaten und aus dem Nahen und Mittleren Osten die
46
Spielplatz 69 höchste Wahrscheinlichkeit auf, zu Hause betreut zu
69
51 werden. Diese Kinder haben daher weniger Möglichkei-
ten, die Kultur und Sprache der Mehrheitsgesellschaft
32
Besuch bei 35 zu erlernen. Das Gleiche gilt auch für die Eltern: Eltern,
anderen Familien 35
30 deren Kind eine Kindertageseinrichtung besucht, haben
46
mehr Kontaktmöglichkeiten mit anderen Eltern, lernen
Mit den Kindern 59 früh die Bildungsangebote in Deutschland kennen und
einkaufen gehen 55
49 haben selbst die Chance, (wieder) in den Arbeitsmarkt
0 20 40 60 80 100 einzusteigen (Stichs/Rotermund 2017). Der Besuch
in % einer Kindertageseinrichtung von Kindern mit Migrati-
ohne Migrationshintergrund onshintergrund kann somit den Integrationsprozess der
1. Generation/2. Generation beidseitig
ganzen Familie fördern.
Die Erwerbstätigkeit und Bildung der Eltern, die Ar-
2. Generation einseitig
mutsgefährdung der Familie und das Alter des Kindes
3. Generation
zeigen Wirkung auf die häusliche Lernumwelt der Kin-
Quelle: SOEP 2013,2014,2016, gewichtete Daten, der. Bei den außerhäuslichen (kulturellen) Aktivitäten
eigene Berechnungen; n= 3.208. sind Kinder mit Migrationshintergrund seltener zu finden,
Basis: Mutter-Kind-Fragebogen (2–3 Jahre) und Mutter-Kind-Frage-
bogen (5–6 Jahre).
vor allem dann, wenn es um kostenpflichtige Veranstal-
Fragetext: Wie oft haben Sie oder die Hauptbetreuungsperson in tungen und Kurse geht und zudem noch eine formale
den letzten 14 Tagen gemeinsam mit Ihrem Kind folgende Aktivitäten Anmeldung notwendig ist. Demgegenüber finden Aktivi-
ausgeführt? Antwortkategorien: „täglich“, „mehrmals die Woche“,
„mindestens einmal die Woche“, „gar nicht“.
täten, die in der nahen Umgebung der Familie stattfinden
Anmerkung: Dargestellt sind die Anteile der Eltern, die mit „täglich“ können (Spielplatz, Spaziergang) und kein zusätzliches
oder „mehrmals die Woche“ antworten. Geld kosten oder andere Zugangsbarrieren aufweisen,
in Familien mit Migrationshintergrund öfter statt als bei
deutschen Familien. Die seltenere Teilnahme an den
stimmt wird. Bei Kindern von hoch gebildeten Eltern Bildungsangeboten mit einer „Komm“-Struktur zeigt,
findet mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ein Besuch dass für Eltern mit Migrationshintergrund häufig Hemm-
von kulturellen Angeboten statt als in Familien mit nied- schwellen bestehen, die sie nicht ohne Weiteres über-
riger elterlicher Bildung. Auch eine Armutsgefährdung winden können. Diese können auf Sprachbarrieren, In-
der Familie wirkt sich auf das Durchführen von Fahrrad- formationsdefiziten und dem elterlichen Bildungsniveau
ausflügen sowie von Museums- oder Theaterbesuchen beruhen (Correll u.a. 2016).
negativ aus. Der Migrationshintergrund zeigt sich in den Eine Armutsgefährdung der Familie zeigt sich in
Analysen nicht als relevante Größe, wichtig ist aber zu den Analysen häufig als wichtige Einflussgröße. Dabei
beachten, dass Kinder mit Migrationshintergrund häufi- ist aber zu beachten, dass Kinder mit Migrationshinter-
ger in niedrig gebildeten Elternhäusern aufwachsen und grund auch deutlich häufiger von Armut betroffen sind
die Familien oft von Armut gefährdet sind (Kap. 2). als Kinder ohne Migrationshintergrund. Durch die sel-
tenere Teilnahme gerade an hochkulturellen Aktivitäten
Fazit – (Museums- oder Konzertbesuch) haben diese Kinder
Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung weniger Gelegenheiten zur kulturellen Bildung, wodurch
Im Krippenalter werden Kinder mit Migrationshinter- ihnen die gesellschaftliche Teilhabe und Identifikation
grund länger von ihrer Familie betreut als deutsche verwehrt wird.
63
Kinder- und Jugendmigrationsreport
14
50
11
10 - u. 14 Jahre 7 Gesamt 45
8 51
3 58
Geschwister
6 - u. 10 Jahre 8 49
5 6 - u. 10 Jahre
60
4
10 - u. 14 Jahre 7 41
3 10 - u. 14 Jahre 41
41
0 10 20 30
in % 0 20 40 60
in %
ohne Migrationshintergrund
ohne Migrationshintergrund
1. Generation/2. Generation beidseitig
1. Generation/2. Generation beidseitig
2. Generation einseitig
2. Generation einseitig
Quelle: DJI, KiBS 2017, gewichtete Daten, eigene Berechnungen; Quelle: DJI, KiBS 2017, gewichtete Daten, eigene Berechnungen;
nGroßeltern= 12.440, nGeschwister= 12.210. nGesamt= 14.032, n6-9= 7.216, n10-13= 6.816.
64
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Die Betreuung der Schulkinder außer Haus hängt nicht Warum wird außerfamiliäre Betreuung
signifikant vom Migrationsstatus ab. Es spielen andere bei Schulkindern nicht genutzt?
Determinanten eine wichtige Rolle, insbesondere das Eltern, deren Kinder keine institutionelle Betreuung
Alter des Kindes, das Vorhandensein von Geschwis- nach der Schule besuchen, gaben als häufigste Ant-
tern, die familiäre Erwerbssituation und der Wohnort wort an, dass die Auskunftsperson selbst sowieso zu
(Ost/West). Mit steigendem Alter der Kinder sinkt un- Hause sei, auch wenn sie selbst erwerbstätig ist. Am
abhängig vom Migrationshintergrund die Wahrschein- häufigsten werden persönliche Gründe genannt, die
lichkeit einer Betreuung. Leben Geschwister mit im nichts mit der Infrastruktur oder dem Angebot der Ein-
Haushalt, nimmt die Betreuungswahrscheinlichkeit ab. richtung zu tun haben. Am seltensten wurde die Ka-
Kinder, die in Westdeutschland aufwachsen, werden tegorie „keinen Platz bekommen“ angegeben. Ferner
seltener nach der Schule durch eine externe Einrich- ist bei Kindern mit Migrationshintergrund die Partnerin
tung oder Person betreut als Kinder, die in Ostdeutsch- oder der Partner der Auskunftsperson mehr als doppelt
land leben. Bei einer Nichterwerbstätigkeit der Mutter so oft zu Hause und kann daher die Betreuung über-
ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass das Kind insti- nehmen (Abb. 3-15).
tutionell betreut wird.
Abb. 3-15: Gründe für die Nichtnutzung von institutioneller Betreuung bei 6- bis unter 14-Jährigen nach
Migrationsstatus (in %)
65
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Ein eigener Schreibtisch und Bücher Abb. 3-16: Verfügbarkeit von bildungsunterstüt-
unterstützen die Bildung zenden Ressourcen bei 11- bis 12-Jährigen nach
Für den schulischen Erfolg ist das Lernumfeld ein Migrationsgenerationen (in %)
wichtiger Faktor. Dabei ist neben der Verfügbarkeit
von Lernmaterialien (Schreibtisch, Bücher, Lernsoft-
ware) auch die Unterstützung durch die Familie wich-
93
tig. Kinder im Alter von 11 bis 12 Jahren wurden im Schreibtisch 83
96
SOEP zunächst nach der Verfügbarkeit der genann- 94
97
ten Ausstattungselemente gefragt. Die differenzierte 85
Eigene Bücher 97
Betrachtung nach den Migrationsgenerationen zeigt, 98
dass Kinder, die selbst im Ausland geboren sind oder 75
Lern-Software 69
Kinder der zweiten Generation mit beidseitigem Mig- 72
73
rationshintergrund, am seltensten über einen eigenen 83
75
Schreibtisch, Bücher für die Hausaufgaben oder Ähn- Bücher für Hausaufgaben 80
79
liches verfügen (Abb. 3-16).
51
Dieser Effekt zeigt sich in den multivariaten Analy- Klassische Literatur 51
56
sen, bei denen die elterliche Bildung, der Erwerbssta- 46
Es sind vor allem Mütter, Quelle:: SOEP 2013-2016, gewichtete Daten, eigene Berechnung;
die beim Lernen helfen n= 1.726. Basis: Fragebogen: Schülerinnen und Schüler Fragebogen
(11–12 Jahre).
Mädchen und Jungen im Alter von 11 bis 12 Jahren
wurden im SOEP zudem gefragt, wie oft ihnen ande-
re Personen bei den Hausaufgaben oder beim Lernen
für die Schule helfen. Sowohl Kinder mit als auch ohne den Hausaufgaben helfen wie Kinder ohne Migrations-
Migrationshintergrund werden bei den Hausaufgaben hintergrund. So geben 24% der selbst zugewanderten
am häufigsten durch die Mutter unterstützt. Mütter von Kinder bzw. Kinder mit zwei zugewanderten Elternteilen
Kindern der ersten Migrationsgeneration und der zwei- an, dass ihre Geschwister ihnen oft oder immer beim
ten Generation beidseitig helfen bei den Hausaufgaben Lernen und den Hausaufgaben helfen, während ledig-
seltener (Abb. 3-17). lich 3% der Kinder ohne Migrationshintergrund dies
Väter wiederum sind generell seltener als Helfende angeben (Abb. 3-17). Die dritte Generation und zwei-
bei den Hausaufgaben bzw. beim Lernen eingebunden. te Generation mit einseitigem Migrationshintergrund
Die Bildung der Väter beeinflusst die Wahrscheinlich- unterscheiden sich nicht von Kindern ohne Migrations-
keit einer Hilfestellung: Hochgebildete Väter helfen mit hintergrund.
höherer Wahrscheinlichkeit bei den Hausaufgaben als Ferner erhalten Mädchen und Jungen mit Migra-
niedrig gebildete Väter. tionshintergrund öfter Hilfe von Personen außerhalb
Der größte Unterschied bei helfenden Personen in- der Familie: von Freunden, Nachhilfelehrern und der
nerhalb der Familie wird bei den Geschwistern sicht- Hausaufgabenbetreuung. Die Bildung ist somit auch
bar. Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund bei älteren Kindern häufig ein Thema außerhalb der
lassen sich achtmal so oft von ihren Geschwistern bei Familie.
66
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Abb. 3-17: Akteure, die „oft-immer“ bei den Hausaufgaben helfen, nach Migrationsgenerationen (in %)
52
Mutter 40
57
46
21
Vater 18
35
24
5
Großeltern 2
8
3
Geschwister 24
7
5
8
Freunde 18
10
4
6
Nachhilfelehrer 16
7
10
7
Hausaufgabenbetreuung 17
13
15
0 10 20 30 40 50 60
in %
Fazit: Familiale Bildung und Betreuung stützung bei den Hausaufgaben. Ob Kindern von ihren
bei schulpflichtigen Kindern Eltern geholfen wird, hängt hauptsächlich von der Bil-
Bei der Betreuung der Schulkinder werden keine Unter- dung und Erwerbsbeteiligung der Eltern ab.
schiede deutlich, die auf den Migrationshintergrund der Die Betreuungssituation und die familiäre Bildungs-
Kinder zurückzuführen sind. Wird das Kind nach der förderung von schulpflichtigen Kindern werden im Ver-
Schule nicht von der Familie betreut, sind die Gründe gleich zum Krippenalter weniger von einem möglichen
dafür in der familiären Erwerbssituation zu finden. Kin- Migrationshintergrund bzw. der familialen nationalen
der, deren Mütter erwerbstätig sind, werden seltener zu Herkunft beeinflusst. In diesem Alter erweisen sich die
Hause betreut. Mit steigendem Alter und Geschwister- familiale Erwerbs- und Bildungslage sowie das Alter
anzahl sinkt zudem die Wahrscheinlichkeit einer insti- des Kindes als bedeutender.
tutionellen Betreuung. Die Unterschiede in der Verfüg-
barkeit von bildungsfördernden Ressourcen sind auch
auf die Bildung der Eltern und die Anzahl an Personen
im Haushalt zurückzuführen. Gleiches gilt für die Unter-
67
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Werte
Bei Werten, Normen und Einstellungen spielt die Her-
kunft der Familie eine entscheidende Rolle. Jugend-
liche aus dem Nahen und Mittleren Osten, Nordafri-
ka und den muslimischen Ländern Südasiens stehen
Themen wie voreheliches Zusammenleben, Abtreibung
und Homosexualität am intolerantesten gegenüber.
Konservative und traditionelle Einstellungen ergänzen
sich mit religiöser Ausübung.
68
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Einleitung
Bildung, Religion, nationale Herkunft beeinflussen den Die gesamte Sozialisationssituation der Kinder in ihren
elterlichen Erziehungsstil und die angestrebten Erzie- Familien wirkt sich auf deren Beziehung zu den ein-
hungsziele sowie ihre Werte und Einstellungen. Religiöse zelnen Familienmitgliedern aus. Diese können je nach
Menschen vertreten dabei stärker konservative und tra- praktiziertem Erziehungsstil und vorherrschenden Wer-
ditionelle Einstellungen (van den Akker u.a. 2013). Aus- ten innerhalb der Familie unterschiedlich eng sein: Er-
gangspunkt ist die Frage, ob und inwieweit die Familie ziehungsstile, die auf einer positiven und warmherzigen
aus einer individualistisch oder kollektivistisch geprägten Interaktion zwischen den Eltern und dem Kind basie-
Gesellschaft ausgewandert ist. In der westlichen Kultur ren, unterstützen die Transmission der Werte im gene-
ist die Gesellschaft stärker individualistisch ausgerichtet. rationalen Verlauf. Andere Erziehungsstile können für
Die Familien verfolgen ein auf Unabhängigkeit gerichte- die Weitergabe eher hinderlich sein (Schönpflug 2001).
tes Modell, in dem die Autonomie der einzelnen Fami- Die dargestellten Themen können somit nicht getrennt
lienmitglieder von Bedeutung ist. In kollektivistisch aus- voneinander betrachtet werden, denn es findet viel-
gerichteten Gesellschaften zählt eher die Unterordnung mehr ein Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren
in die vorzufindenden Strukturen sowie die Anpassung statt. Neben der nationalen Herkunft beeinflusst auch
an die Gruppe und Gehorsam bzw. Pietät gegenüber der sozioökonomische Status die Erziehungsziele der
Älteren (Mayer u.a. 2012). Die Familie wird als eine Ein- Eltern. Dabei werden manche Erziehungsstile mehr
heit betrachtet und bei allen Entscheidungen steht das vom sozioökonomischen Status und andere wiederum
familiäre Interesse im Vordergrund (Boos-Nünning 2011). stärker von der nationalen Herkunft beeinflusst (Hoff
In Deutschland sind individualistisch ausgerichtete Er- u.a. 2002; Cashmore/Goodnow 1986).
ziehungsstile die Norm und gelten als modern. Andere
Erziehungsstile, die auf dem Prinzip des Familialismus25
basieren und oft mit Religiosität verbunden sind, werden 3.3.1 Erziehungsstile
hingegen als traditionell und hinderlich für die Integration und Erziehungsziele
betrachtet (Boos-Nünning 2011). Dies kennzeichnet sich
unter anderem durch eine enge Beziehung zwischen den Erziehungsstile und –ziele der Eltern unterscheiden sich
Familienmitgliedern und dem Berücksichtigen des fami- aufgrund zahlreicher Determinanten. In türkeistämmi-
liären Interesses bei Entscheidungen aus. Durch die Mi- gen Familien herrscht beispielsweise ein eher ängst-
gration finden die Familien je nach Herkunftsregion neue lich-behütender Erziehungsstil. Dieser ist bei migrierten
gesellschaftliche Werte und Einstellungen vor. Familien häufig noch ausgeprägter als bei Familien, die
Der Erziehungsstil, der im Herkunftsland noch nützlich in der Türkei leben. Zwischen den Generationen besteht
und angebracht war, kann im Aufnahmeland hinderlich eine enge Verbindung und die Eltern haben hohe Bil-
sein. Die Erziehungsaufgabe von migrierten Eltern ist da- dungsaspirationen. Bei griechischen und italienischen
her von zusätzlichen Schwierigkeiten geprägt. Zum einen Familien ist häufig ein autoritärer Stil im Gegensatz zum
müssen sie die Erziehung ihrer Kinder an die Gegebenhei- behütenden Erziehungsstil zu finden (Steinbach/Nauck
ten im Aufnahmeland anpassen, zum anderen möchten 2005). Eine klare Zuordnung der Erziehungsstile der
sie die in ihrem Herkunftsland gültigen Werte weiterver- Eltern nach den Definitionen autoritär, autoritativ oder
mitteln. Durch verstärkte Disziplin in ihrer Erziehung ver- permissiv26 gemäß (Baumrind 1971, 1967) ist in den
suchen sie dann unter Umständen, die eigenen kulturel- SOEP-Daten nicht zu erkennen.27 Die Eltern lassen sich
len Werte wie z.B. Gehorsam, Zusammengehörigkeit und
Leistungsstreben aufrechtzuerhalten, wodurch Konflikte
26 Ein autoritärer Erziehungsstil ist machtorientiert mit wenig Erklärungen
mit den Werten der Aufnahmegesellschaft verstärkt wer- und einer hohen Kontrolle. Der autoritative Erziehungsstil basiert auf
den (Uslucan 2010a; Thiessen 2007, 2007). Verständnis, Förderung der Selbstständigkeit und offener Kommuni-
kation. Ein permissiver Erziehungsstil definiert sich durch wenig Regeln
und einer hohen Toleranz.
25 Das Prinzip des Familialismus zeichnet sich unter anderem durch enge 27 Die Durchführung eines clusteranalytischen Verfahrens konnte keine
Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern und der Berücksichti- klare Zuweisung von Erziehungsstilen aufzeigen. Vielmehr zeigten sich
gung des familiären Interesses bei Entscheidungen aus. Unterschiede in den einzelnen Dimensionen.
69
Kinder- und Jugendmigrationsreport
nicht aufgrund ihres Migrationshintergrunds bzw. ihrer Abb. 3-18: Überwachender Erziehungsstil (Monito-
nationalen Herkunft einem spezifischen Erziehungsstil ring) nach familialer nationaler Herkunft (in %)
zuordnen. In einzelnen Dimensionen der Erziehungssti-
le werden aber Unterschiede nach Migrationsgenerati-
Deutschland 73
on, nationaler Herkunft und elterlicher Bildung sichtbar.
EU-15 73
EU-Ost 74
Überwachen, Kontrolle und Gehorsam –
Polen 79
oder Ermunterung zur Selbstständigkeit?
Türkei 84
Kontrollierende Komponenten, die beispielsweise auf
Sonst. Europa 83
einem intensiven Monitoring28 der Kinder basieren und
Ehem. SU 82
weniger die Autonomie der Kinder unterstützen, werden
Naher/Mittl. Osten 82
häufiger in Familien aus der Türkei und dem Nahen und
Sonst. Länder 69
Mittleren Osten als in deutschen Familien und Familien
0 20 40 60 80 100
aus den EU-Staaten genutzt (Abb. 3-18). in %
Für Familien aus der Türkei und dem Nahen und
Mittleren Osten gilt dies im Vergleich zu Familien ohne
Migrationshintergrund auch unter Kontrolle des sozio- Quelle: SOEP 2013-2016, gewichtete Daten, eigene Berechnungen;
ökonomischen Status. n= 3.173.
Fragebogen: Mutter-Kind-Fragebogen (7–8 Jahre) und
Mit ihrem Erziehungsstil versuchen Eltern bestimm- Mutter-Kind-Fragebogen (9–10 Jahre).
te Erziehungsziele zu realisieren. Die einen Eltern legen Anmerkung: Dargestellt sind die Anteile der Eltern,
mehr Wert auf Selbstständigkeit und Verantwortungs- die mit „sehr häufig“ oder „häufig“ antworten.
70
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Von Kindern der ersten und zweiten Genera- zur Verfügung, die sie in der Transmission der für sie
tion wird hohe Leistungsbereitschaft erwartet gültigen Werte unterstützen würden. Dies kann zu einer
Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund ist Bildung erschwerten Weitergabe der Werte im intergenerationa-
der Kinder häufig wichtiger als Eltern ohne Migrations- len Verlauf führen (Schönpflug 2001).
hintergrund. Die Leistungserwartungen und Bildungs- Demnach ist nicht nur nach einem möglichen Mig-
vorstellungen sind durch die Erwartungen an einen so- rationshintergrund zu unterscheiden, sondern es sind
zialen Aufstieg oft sehr hoch (Boos-Nünning 2011). auch die Migrationsgenerationen und das Herkunfts-
Eine hohe Anforderung an die Leistungsbereitschaft land zu berücksichtigen. Je länger eine Person selbst,
der Kinder lässt sich mithilfe der Angaben zu folgender bzw. ihre Eltern bereits in Deutschland leben, desto
Frage abbilden: „Für wie wichtig halten Sie persönlich mehr Kontakt besteht zu den in der Aufnahmegesell-
die folgenden Erziehungsziele? Dass das Kind sich be- schaft gültigen Werten und Normen und desto weniger
müht, seine Ziele zu erreichen“. Diese Frage beantwor- sind diese aus dem Herkunftsland präsent. Bei Kindern
teten 79% der türkeistämmigen Eltern mit „sehr wich- und Jugendlichen wird dies noch durch den Besuch
tig“. Deutsche Eltern wählten diese Antwort mit nur der Bildungsinstitutionen verstärkt. Sie werden mit den
53%. Dieser Effekt zeigte sich auch bereits hinsichtlich Werten und Normen der Mehrheitsbevölkerung früh
der elterlichen Bildungsaspiration. Türkeistämmige El- konfrontiert und müssen diese mit denen der Familie
tern wiesen die höchste elterliche Bildungsaspiration vereinbaren. Vertreten sie zu stark die Werte ihrer Her-
im Vergleich zu deutschen Eltern und Eltern aus ande- kunftskultur, kann es zu direkten Sanktionen vonseiten
ren Herkunftsländern auf (Becker 2010a). der Mitschüler- oder Lehrerschaft kommen. Häufig
Von Kindern aus der ersten und zweiten Generation können dadurch Konflikte im Prozess der kulturellen
beidseitig wird mit einer größeren Wahrscheinlichkeit Anpassung (Akkulturation) der Kinder und Jugendli-
eine hohe Leitungsbereitschaft erwartet als von Kin- chen entstehen, welche gleichzeitig die Beziehung zu
dern der dritten Generation und Kindern ohne Migra- ihren Eltern belasten (Trommsdorff 2005).
tionshintergrund. Ein Großteil der Zuwanderer in Deutschland stammt
aus muslimischen Ländern wie der Türkei (Kap.2.2.1).
Deutschland gehört zu den mit am stärksten säkula-
3.3.2 Werte, Einstellungen, risierten Gesellschaften (Wolf 2008), insofern kann es
Religion und Religiosität bei diesen Migrantengruppen schwierig werden, sich
in das in Deutschland vorherrschende säkularisierte
Prozesse der Sozialisation, das Vorbild der Eltern, die Christentum zu integrieren.
Bildungseinrichtungen sowie die Religion formen und Irena Kogan (2018) untersuchte anhand der CIL-
prägen bei Kindern und Jugendlichen die Werte, Ein- S4EU-Daten, wie liberal die Einstellungen von 14- bis
stellungen und Normen (van den Akker u.a. 2013). Sie 15-jährigen Jugendlichen mit Migrationshintergrund im
orientieren sich am vorgelebten Beispiel der Eltern, Vergleich zu Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund
wodurch eine Übertragung zwischen den Generatio- in Schweden, Deutschland, den Niederlanden und Eng-
nen stattfindet. Ob und inwieweit sie die Werte für sich land sind. Die Fragen bezogen sich auf voreheliches
übernehmen, hängt auch mit der Eltern-Kind-Bezie- Zusammenleben, Abtreibung und Homosexualität. In
hung und den Umständen, in denen sie aufwachsen, einem zweiten Schritt wurden unter anderem die Trans-
zusammen (Trommsdorff 2005). mission der Einstellungen im intergenerationalen Verlauf
Die unterschiedlichen Bedingungen des Aufwach- und die Veränderungen hinsichtlich der Migrationsge-
sens haben zur Folge, dass Personen, die in einem an- nerationen betrachtet: Die Jugendlichen, die den abge-
deren Land aufgewachsen und nach Deutschland mig- fragten Themen am intolerantesten gegenüberstanden,
riert sind, bis zu diesem Zeitpunkt mit anderen Werten stammen aus dem Nahen und Mittleren Osten, Nordafri-
und Normen konfrontiert waren; in der Aufnahmegesell- ka und den muslimischen Ländern Südasiens. Jugendli-
schaft finden sie nun andere Einstellungen und Verhal- che der zweiten Generation mit einseitigem Migrations-
tensweisen vor. Sind die Familien zugewandert, stehen hintergrund zeigten sich am tolerantesten.
den Eltern oftmals nicht alle unterstützenden Soziali- Auch die Religiosität ist ein klarer Indikator für die
sationsinstanzen (wie Schule oder soziale Netzwerke) Liberalisierung ihrer Einstellungen. Je religiöser die Ju-
71
Kinder- und Jugendmigrationsreport
gendlichen selbst sind, desto stärker nehmen sie die religiöse Veranstaltungen als christliche Jugendliche mit
genannten Werte ihrer Eltern an. Zudem konnten Un- Migrationshintergrund. In den multivariaten Analysen,
terschiede zwischen Mädchen und Jungen gefunden bei denen die Religionszugehörigkeit der Jugendlichen
werden: Mädchen stehen den untersuchten Themen mitberücksichtigt wurde, zeigte sich die erste und zweite
toleranter gegenüber als Jungen. Generation beidseitig weiterhin als religiöser. Bei zusätz-
Neben der Familie spielen auch die Institutionen licher Berücksichtigung der Religiosität der Eltern unter-
und sozialen Kontakte bei der Entwicklung von Werten schieden sich die Jugendlichen und jungen Erwachse-
und Einstellungen eine entscheidende Rolle. In einem nen nicht mehr nach ihrer Migrationsgeneration.
vorwiegend intraethnischen Freundeskreis29 werden die
Werte und Einstellungen der Jugendlichen verstärkt. Der Stellenwert der Religion verliert sich
Die anhand der CILS4EU durchgeführten Analysen von mit der Generation der Heranwachsenden
Irena Kogan zeigen aber für Deutschland keinen signi- Neben dem Migrationsgenerationenverlauf der Ju-
fikanten positiven Effekt von deutschen Freunden auf gendlichen ist auch die intergenerationale Transmission
die Einstellungen der Jugendlichen. Die Religiosität der von Interesse. Die subjektive Wichtigkeit der Religion
Jugendlichen beeinflusst zum einen die eigenen Ein- verändert sich zwischen der Generation der Eltern und
stellungen und Werte, zum anderen die Transmission ihrer Kinder, denn sie nimmt von der Elterngeneration
der Werte im generationalen Verlauf. zur Kindergeneration ab. Bei Jugendlichen ohne Mig-
rationshintergrund ist bei gut 40% eine Abnahme der
Religiosität bei Jugendlichen Wichtigkeit ihrer Religion im Vergleich zu ihren Eltern zu
Wie religiös sind Jugendliche in Europa? – Müge Sim- sehen. Junge Frauen und Männer mit Migrationshinter-
sek u.a. (2018) suchten nach Antworten mithilfe der grund unterscheiden sich stark nach ihrer Religionszu-
CILS4EU-Daten und verglichen Jugendliche nach ih- gehörigkeit. Etwas mehr als die Hälfte der Jugendlichen
rem Generationenstatus, ihrer Ethnizität und ihrem Ge- mit einem christlichen Glauben bewerten die Wichtig-
schlecht. Die Jugendlichen wurden gefragt, wie oft sie keit ihrer Religion geringer als ihre Eltern. Bei muslimi-
beten, religiöse Veranstaltungen besuchen, wie wichtig schen Jugendlichen liegt der Anteil bei 23%. Aber es
ihnen ihre Religion ist und welcher Glaubensrichtung gibt auch Jugendliche, denen ihre Religion wichtiger ist
sie angehören. Die Religiosität der Jugendlichen wurde als ihren Eltern. Der Anteil dieser Jugendlichen unter-
dann mit der ihrer Eltern verglichen, um eine mögliche scheidet sich nicht nach Migrationshintergrund (17 zu
Verstärkung oder Abschwächung zwischen den Gene- 16%) (Simsek u.a. 2018).
rationen feststellen zu können.
Die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen ohne Muslimische Frauen üben seltener religiöse
Migrationshintergrund in Deutschland gehört mit 80% Praktiken aus als Männer
einem christlichen Glauben an. Als nicht religiös be- Während bei der subjektiven Wichtigkeit ihres Glau-
zeichnen sich 19%. Jugendliche mit Migrationshinter- bens keine Unterschiede nach dem Geschlecht der
grund sind zu 54% christlich. Der muslimische Glauben Jugendlichen zu vermuten sind, zeigten sich in frühe-
ist bei ihnen mit 31% vertreten und keiner Religion ge- ren Studien bereits Differenzen bei der Häufigkeit der
hören 11% an. Kirchgänge und dem Besuch von religiösen Veranstal-
Die Studie zeigte folgende Ergebnisse (Simsek u.a. tungen. Diese differenten Ergebnisse sind zunächst
2018): Jugendliche mit Migrationshintergrund beten un- auf der Ebene der Religionszugehörigkeit zu sehen.
abhängig von ihrer Religionszugehörigkeit häufiger täg- Christliche Frauen zeigen die Tendenz, häufiger religiö-
lich als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Glei- sen Praktiken nachzugehen als Männer (Walter/Davie
ches zeigte sich auch für den wöchentlichen Besuch 1998). Bei muslimischen Frauen lässt sich das genaue
von religiösen Veranstaltungen und den bedeutsamen Gegenteil feststellen: Sie besuchen seltener religiöse
Stellenwert der Religion. Jugendliche, die einem musli- Veranstaltungen als Männer (Meuleman/Billiet 2011).
mischen Glauben angehören, besuchen zudem häufiger Diese Tendenz zeigt sich auch bei den Jugendlichen
der CILS4EU-Daten: Musliminnen geben seltener an,
29 Detaillierte Ausführungen zu intra- und interethnischen Freundschaften täglich zu beten als muslimische männliche Jugend-
folgen in Kapitel 3.4. liche. Auch besuchen Musliminnen seltener religiöse
72
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Veranstaltungen als Muslime (Simsek u.a. 2018). Abb. 3-20: Häufiger Kirchgang oder Besuch von
Die SOEP-Daten, die nach Herkunftsland und Ge- religiösen Veranstaltungen bei Jugendlichen nach
schlecht der Jugendlichen unterscheiden, zeigen auch, familialer nationaler Herkunft und Geschlecht (in %)
dass Jugendliche aus Ländern mit vorwiegend muslimi-
schem Glauben (z. B. der Türkei und dem Nahen bzw.
Deutschland 7
Mittleren Osten) sich je nach Geschlecht in der Häufig- 8
keit ihrer Besuche von religiösen Veranstaltungen stark EU-15 24
3
unterscheiden. Bei den türkeistämmigen Jugendlichen 10
EU-Ost 13
nehmen Männer an religiösen Veranstaltungen mit 26%
2
fast doppelt so oft teil wie Frauen. Bei Jugendlichen aus Polen 3
dem Nahen und Mittleren Osten ist der Anteil der Män- Türkei 15
26
ner sogar dreimal so groß wie bei Frauen (Abb. 3-20). 19
Sonst. Europa 4
Auch innerhalb der Glaubensrichtungen und den
5
Praktiken wurden Differenzen sichtbar. Muslimische Ehem. SU 15
Frauen gehen wesentlich seltener in eine Moschee. Als Naher/Mittl. Osten 12
36
Erklärung kann die freiwillige Teilnahme der Frauen am Sonst. Länder 12
9
gemeinsamen Freitagsgebet herangezogen werden,
0 10 20 30 40
während dieses für Männer verpflichtend ist (Haug u.a. in %
2009). Weiblich Männlich
73
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 3-21: Wichtigkeit der Familienmitglieder bei Jugendlichen nach Migrationsgenerationen (in %)
73
Vater 84
79
76
82
Mutter 90
89
81
58
Bruder/Schwester 76
67
59
24
andere verwandte Person 29
33
22
0 20 40 60 80 100
in %
ohne Migrationshintergrund 1. Generation/2. Generation beidseitig
Quelle: SOEP 2013–2016, gewichtete Daten, eigene Berechnungen; nV= 1.400, nM= 2.107, nB/S= 1.981, nVP= 2.138.
Basis: Jugendfragebogen (17 Jahre).
Fragetext: „Wie wichtig sind für Dein Leben derzeit folgende Menschen?“
Antwortkategorien: „Sehr wichtig“, „Wichtig“, „Weniger wichtig“, „Ganz unwichtig“ dargestellt sind die Anteile der Jugendlichen,
die mit „sehr wichtig“ antworten.
Anmerkung: Die Angaben über die Mutter und den Vater berücksichtigen nur Jugendliche, deren Eltern im selben Haushalt leben.
In türkeistämmigen Familien wird die Erziehung der Kin- Höherer Stellenwert von Eltern und
der nach Erreichen des dritten Lebensjahrs beispiels- Geschwister bei Jugendlichen mit
weise vorwiegend geschlechtsspezifisch aufgeteilt. Migrationshintergrund
Dabei sind die Mütter hauptsächlich für die Mädchen Jugendlichen sind ihre Eltern zu einem hohen Anteil sehr
und die Väter für die Jungen verantwortlich. Die Anwei- wichtig (Abb. 3-21). Mütter sind ihnen relativ gesehen
sungen der Mutter sind für die Jungen nicht zwingend, wichtiger als Väter. Die Unterscheidung nach Migrati-
ihre Kooperation beruht mehr auf freiwilliger Basis. Der onshintergrund und Migrationsgenerationen zeigt, dass
Vater hingegen ist häufig für die Einhaltung der Regeln, Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund die
Bestrafungen und Lob zuständig. Bei Töchtern halten Familienmitglieder öfter mit „sehr wichtig“ bewerten als
sich die Väter eher aus der Erziehung heraus, wodurch Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Jugendliche
die Vater-Tochter-Beziehung meist einen freundlichen mit eigener Migrationserfahrung und Jugendliche der
Charakter hat (el Mafaalani/Toprak 2011). Diese Zu- zweiten Generation beidseitig wählen bei den Familien-
ständigkeiten und Verhaltensweisen der Eltern können mitgliedern am häufigsten die Kategorie „sehr wichtig“.
zu einem unterschiedlichen Beziehungsklima zwischen Mit steigender Generationenfolge nähern sich die An-
Kind und Eltern führen. teile der Bewertungen denen der Mädchen und Jungen
Wie wichtig den Jugendlichen ihre Familienmitglie- ohne Migrationshintergrund an. Bei der Wichtigkeit der
der sind und wie oft es zu Streitigkeiten in der Familie Geschwister zeigt sich der größte Unterschied: Jugend-
kommt, wird im Folgenden anhand der SOEP-Daten liche, die selbst oder deren beide Elternteile zugewan-
dargestellt. dert sind, empfinden ihren Bruder oder ihre Schwester
zu 76% als „sehr wichtig“, wohingegen der Anteil der
Jugendlichen ohne Migrationshintergrund bei 58% liegt.
74
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Abb. 3-22: Wichtigkeit des Vaters bei Jugendlichen Abb. 3-23: Wichtigkeit der Mutter bei Jugendlichen
nach familialer nationaler Herkunft und Geschlecht nach familialer nationaler Herkunft und Geschlecht
(in %) (in %)
73 86
Deutschland 72 Deutschland 77
78 89
EU-15 93
EU-15 92
74 82
EU-Ost 79 EU-Ost 83
93 80
Polen 81 Polen 85
98 97
Türkei 90 Türkei 89
79 95
Sonst. Europa 68 Sonst. Europa 82
74 97
Ehem. SU 79 Ehem. SU 83
92 95
Naher/Mittl. Osten 90
Naher/Mittl. Osten 90
73 92
Sonst. Länder 61 Sonst. Länder 67
0 20 40 60 80 100 0 20 40 60 80 100
in % in %
Quelle: SOEP 2013–2016, gewichtete Daten, eigene Berechnungen; Quelle: : SOEP 2013–2016, gewichtete Daten, eigene Berechnung;
nW = 677, nM= 669. nW= 1.016, nM= 1.015.
Basis: Jugendfragebogen (17 Jahre). Basis: Jugendfragebogen (17 Jahre).
Fragetext: „Wie wichtig sind für Ihr Leben derzeit folgende Fragetext: „Wie wichtig sind für Ihr Leben derzeit folgende
Menschen?“ Menschen?“
Antwortkategorien: „Sehr wichtig“, „Wichtig“, „Weniger wichtig“, Antwortkategorien: „Sehr wichtig“, „Wichtig“, „Weniger wichtig“,
„Ganz unwichtig“, „Personen sind nicht vorhanden“. „Ganz unwichtig“, „Personen sind nicht vorhanden“.
Anmerkung: Dargestellt sind die Anteile der Jugendlichen, Anmerkung: Dargestellt sind die Anteile der Jugendlichen,
die mit „Sehr wichtig“ antworten und deren Vater im Haushalt lebt. die mit „Sehr wichtig“ antworten und deren Mutter im Haushalt lebt.
Bei männlichen Jugendlichen zeigt sich ein deutli- Bezüglich der familialen nationalen Herkunft und dem
cher Unterschied in der Beurteilung ihrer Brüder und Geschlecht der Jugendlichen zeigen sich ebenfalls
Schwestern: Während 55% der Jungen ohne Migra- Unterschiede: Besonders für Jugendliche, deren Fami-
tionshintergrund ihre Geschwister als „sehr wichtig“ lie aus der Türkei oder aus dem Nahen und Mittleren
einstufen, liegt der Anteil der Jungen mit Migrations- Osten stammt, sind die Eltern „sehr wichtig“ (Abb. 3-22
hintergrund bei 68%. Auch bei den Mädchen bildet und Abb. 3-23).
sich ein ähnliches Muster ab: Bei ihnen liegt der Anteil, Diese Tendenzen bestätigen sich auch in den mul-
der mit „sehr wichtig“ geantwortet hat, 10 Prozent- tivariaten Modellen. Unter Kontrolle des sozio-ökomi-
punkte höher als bei Mädchen ohne Migrationshin- schen Status der Familie und weiteren Einflussfaktoren
tergrund. Generell sind für Mädchen die Geschwister bewerten die Jugendlichen aus der Türkei und dem Na-
relativ betrachtet bedeutender. Die Wichtigkeit der El- hen und Mittleren Osten30 die Eltern mit höherer Wahr-
tern unterscheidet sich in den multivariaten Analysen, scheinlichkeit als „sehr wichtig“ im Vergleich zu den
bei denen unter anderem die Bildung der Eltern, der deutschen Jugendlichen.
sozioökonomische Status der Familie und das Ge- Ausschlaggebend für die Wichtigkeit der Eltern ist, ob
schlecht der Jugendlichen berücksichtigt wurden, je der Vater oder die Mutter im selben Haushalt leben
nach Migrationsgenerationen. Jugendliche, die selbst oder nicht. Lebt ein Elternteil nicht im Haushalt, sinkt
oder deren beide Elternteile zugewandert sind, emp- die Wahrscheinlichkeit, dass er von den Jugendlichen
finden ihre Eltern mit höherer Wahrscheinlichkeit, als
„sehr wichtig“ im Gegensatz zu Jugendlichen ohne 30 Der Effekt für den Nahen und Mittleren Osten zeigt sich nur für die
Migrationshintergrund. Mütter.
75
Kinder- und Jugendmigrationsreport
76
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
77
Kinder- und Jugendmigrationsreport
78
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
75
Fernsehen
72
60
Musik hören
56
sich um ein 58
Haustier kümmern 23
47
SMS austauschen
39
38
Sport treiben
37
0 20 40 60 80
in %
ohne Migrationshintergrund mit Migrationshintergrund
Migrationshintergrund öfter als Jungen ohne Migra- Abb. 3-25: Gemeinsame Unternehmungen mit der
tionshintergrund jede Woche eine Jugendgruppe be- Familie in der Freizeit nach Migrationshintergrund
suchen (15 zu 10%). Bei Kindern mit Migrationshin- und Geschlecht (11- bis 12-Jährige, in %)
tergrund besuchen hingegen nur 9% der Mädchen
wöchentlich eine Jugendgruppe. Hier sind die Jungen in %
mit 17% fast doppelt so oft vertreten (Abb. 3-26). Be- 15
sonders Mädchen, die selbst oder deren beide Eltern- 11
teile zugewandert sind, besuchen selten wöchentlich
10
eine Jugendgruppe (6%). 8 8
5
2
0
ohne mit
Migrationshintergrund Migrationshintergrund
Weiblich Männlich
79
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 3-26: Wöchentlicher Besuch einer Das „Nichtstun“ ist in der Freizeit wichtig –
Jugendgruppe nach Migrationshintergrund unabhängig von einem Migrationshintergrund
und Geschlecht (11- bis 12-Jährige, in %) Sowohl bei Kindern (11 bis 12 Jahre) mit als auch
ohne Migrationshintergrund geben die Jungen öfter
in % an, „nichts zu tun“. Für Kinder ohne Migrationshin-
20 tergrund gehört das Nichtstun mehr zu ihrem Alltag
17
15 als für Kinder mit Migrationshintergrund: 30% der
15
Jungen ohne Migrationshintergrund geben Nichtstun
10 9
10 als tägliche Freizeitbeschäftigung an. Der Anteil der
Jungen mit Migrationshintergrund liegt bei 25%. Bei
5
den Mädchen ist die Differenz zwischen den Gruppen
0 mit 3 Prozentpunkten etwas geringer. Innerhalb der
ohne mit
Migrationshintergrund Migrationshintergrund Gruppe der Kinder mit Migrationshintergrund gehört
das Nichtstun mit 18% am seltensten zum Alltag von
Weiblich Männlich Kindern, die selbst oder deren beide Elternteile zu-
gewandert sind. Sie unterscheiden sich zudem nicht
Quelle: SOEP 2014–2016, gewichtete Daten, eigene Berechnungen; nach ihrem Geschlecht (Abb. 3-27). Im Jugendalter
n= 1.762, nohneMH,M= 550, nohneMH,W= 553, nmitMH,M= 326, nmitMH,W= 333.
(16 bis 17 Jahre), nimmt das Nichtstun als Freizeitbe-
Basis: Schülerinnen und Schüler Fragebogen (11–12 Jahre).
Fragetext: „Wie oft machst Du die folgenden Dinge in Deiner Freizeit? schäftigung zu. Mädchen geben diese Beschäftigung
In eine Jugendgruppe gehen nun häufiger an als Jungen (39 zu 29%). Die Unter-
(z.B. Pfadfinder, kirchliche Gruppen, Umweltgruppen).“
schiede nach den Migrationsgenerationen existieren
Antwortkategorien: „Täglich“, „Jede Woche“, „Jeden Monat“,
„Seltener“, „Nie“. im Jugendalter nicht mehr.
Anmerkung: Dargestellt sind die Anteile der Kinder,
die mit „Jede Woche“ antworten.
Abb. 3-27: „Nichtstun“ als tägliche Freizeitbeschäftigung nach Migrationsgenerationen und Geschlecht
(11- bis 12-Jährige, in %)
25
22
Weiblich
17
27
30
Männlich 25
18
32
0 10 20 30 40
in %
Quelle: SOEP 2014–2016, gewichtete Daten, eigene Berechnungen; n= 1.767, nohneMH,M= 550, nohneMH,W= 553, nmitMH,M=329, nmitMH,W= 335.
Basis: Schülerinnen und Schüler Fragebogen (11–12 Jahre).
Fragetext: „Wie oft machst Du die folgenden Dinge in Deiner Freizeit? Einfach nichts tun/abhängen/träumen.“
Antwortkategorien: „Täglich“, „Jede Woche“, „Jeden Monat“, „Seltener“, „Nie“.
Anmerkung: Dargestellt sind die Anteile der Kinder, die mit „Täglich“ antworten.
80
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
31 Von 71 Kindern aus der ersten Generation hat kein Kind eine enge
Freundschaft im Kindergarten gebildet.
81
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 3-28: Größe des Freundeskreises nach Migrationsgenerationen und Geschlecht (in %)
ohne Migrationshintergrund 42 48 10
Gesamt
ohne Migrationshintergrund 38 51 10
Mädchen
ohne Migrationshintergrund 46 45 9
Jungen
2. Generation einseitig/3.Generation 54 37 10
0 20 40 60 80 100
in %
großer Freundeskreis
Quelle: SOEP 2014–2016, gewichtete Daten, eigene Berechnungen; n= 1.760, nM= 883, nJ= 877.
Basis: Schülerinnen und Schüler Fragebogen (11–12 Jahre).
Fragetext: „Wie viele enge Freunde hast du?“
Anmerkung: Angaben wurden zusammengefasst in drei Kategorien: kein bzw. kleiner Freundeskreis (0 bis 3 Freunde),
mittelgroßer Freundeskreis (4-9 Freunde), großer Freundeskreis (mehr als 10 Freunde).
Intra- oder interethnische Freundschaften: Vor- 2013). Durch den Kontakt auch außerhalb der Schule
lieben und Gelegenheiten des Kennenlernens sowie mit den Familien der einheimischen Freunde wird
Freundschaften zwischen Kindern und Jugendlichen der kulturelle Anpassungsprozess (Akkulturation) der
mit und ohne Migrationshintergrund können viele Vortei- Kinder mit Migrationshintergrund unterstützt (Winkler
le mit sich bringen. Interethnische Freundschaftsbezie- u.a. 2011). Aber auch Kinder ohne Migrationshinter-
hungen32 zu Jugendlichen aus der Mehrheitsgesellschaft grund können von interethnischen Freundschaften pro-
fördern beispielsweise die Autonomievorstellungen und fitieren. Sie fördern ihre kulturelle Offenheit und helfen
den Wunsch nach mehr Selbstbestimmung gegenüber Vorurteile abzubauen (Pettigrew/Tropp 2006). Dabei
den Eltern. Die Orientierung an den Werten und dem unterstützen insbesondere die engen Beziehungen wie
Verhalten der Jugendlichen aus der Mehrheitsgesell- Freundschaften zwischen den Kindern diesen Prozess
schaft zeigt sich stärker als bei Jugendlichen mit int- (Reinders 2010).
raethnischen Freundschaften (Reinders/Varadi 2009). Generell hängt die Bildung von Beziehungen von
Kontakte zu Personen der Mehrheitsgesellschaft in der Kontaktchance mit Personen ab. Je mehr Kon-
den Kindheitsjahren können das soziale Kapital, den taktmöglichkeiten bestehen, desto wahrscheinlicher
Spracherwerb und das Kennlernen der kulturellen Nor- ist es, dass Personen eine Beziehung zueinander
men der Aufnahmegesellschaft steigern (Windzio/Bicer aufbauen (Blau 1994; Blau u.a. 1982). Diese An-
nahme kann auf die Entstehung von interethnischen
32 Die Ergebnisse basieren auf einer Stichprobe von italienischen und tür- Freundschaften übertragen werden. Die Kontakt-
keistämmigen Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren. häufigkeit zu Kindern und Jugendlichen mit Migra-
82
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Abb. 3-29: Ort des Kennenlernens der Freunde nach Migrationsgenerationen (in %)
ohne
8 66 9 2 8 7
Migrationshintergrund
1. Generation/
2. Generation beidseitig 3 69 10 6 3 6 3
2. Generation einseitig/
8 61 9 4 6 11
3. Generation
0 20 40 60 80 100
in %
Sonstiges
tionshintergrund beeinflusst die Wahrscheinlichkeit Für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund
der Entstehung einer interethnischen Freundschaft ist zudem ihre familiale nationale Herkunft entscheidend
(Reinders u.a. 2006). dafür, ob sie Freundschaften zu deutschen Jugendli-
Freundschaften zwischen Kindern bzw. Jugendli- chen pflegen oder nicht. Gehören sie aufgrund ihrer fa-
chen werden häufig in Institutionen gebildet, beispiels- milialen nationalen Herkunft einer der großen Zuwande-
weise in der Schule (Abb. 3-29). Durch den Ort, an dem rergruppen an, suchen sie tendenziell weniger Kontakt
sich die Kinder und Jugendlichen kennengelernt ha- zu Gleichaltrigen aus der Aufnahmegesellschaft (Fried-
ben, entstehen Unterschiede in der Zusammensetzung richs/Triemer 2009). Ob interethnische Freundschaften
der Freundeskreise: entstehen, hängt jedoch nicht nur von der Möglichkeit
Je nach Schulform und Wohngegend unterscheidet und Verteilung, sondern auch von der Einstellung und
sich der Anteil an Kindern und Jugendlichen mit und Präferenz der Jugendlichen ab (Blau 1994).
ohne Migrationshintergrund. Insbesondere in den hö-
heren Schulformen sind mehr Kinder und Jugendliche Schwache und starke Verbindung
ohne Migrationshintergrund zu finden (Kap. 4.2). Diese in Freundschaftsbeziehungen
haben dadurch weniger Möglichkeiten, interethnische Bei starken Beziehungen liegen ein hoher Zeiteinsatz,
Freundschaften in der Klasse zu schließen als Kinder eine starke emotionale Nähe und Vertrautheit vor. Unter
und Jugendliche, die auf eine Schule gehen, deren An- schwachen Beziehungen zählen flüchtige Bekannt-
teil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshinter- schaften z.B. in der Nachbarschaft (Granovetter 1977).
grund hoch ist. Für den Prozess der kulturellen Anpassung aufseiten
83
Kinder- und Jugendmigrationsreport
der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund mindestens einmal im Monat Kontakt zu Deutschen
sind insbesondere die starken interethnischen Be- und nur 64% geben einen monatlichen Kontakt zu an-
ziehungen von Bedeutung. Durch diese werden ihnen deren Polnischstämmigen in ihrer Nachbarschaft an.
grundlegende Verhaltensstandards und die Sprache
der Mehrheitsgesellschaft näher gebracht (Winkler u.a. Enge freundschaftliche Kontakte
2011). sind stärker ethnisch segregiert
Bei der Bildung von starken interethnischen Jugendliche ohne Migrationshintergrund gaben kaum
Freundschaften zeigten sich verschiedene Faktoren als Freunde33 mit Migrationshintergrund an. Bei Jugendli-
relevant: So nannten türkeistämmige Kinder bei schwa- chen mit Migrationshintergrund haben die Freunde oft
chen Freundschaftsbeziehungen zwar häufig deutsche dieselbe nationale Herkunft, aber auch Jugendliche aus
Kinder, starke Freundschaften bestanden aber haupt- der Mehrheitsgesellschaft gehören ihrem Freundes-
sächlich zu Kindern derselben Ethnie. kreis an. Dabei unterscheiden sie sich nach ihrer fami-
Generell werden starke Freundschaften eher unter lialen nationalen Herkunft. 47% der Freunde von tür-
Kindern, die eine starke Ähnlichkeit aufweisen, ge- keistämmigen Jugendlichen sind auch türkeistämmig.
schlossen. So erhöhte sich die Chance einer starken Bei polnischen Jugendlichen, die in Deutschland leben,
freundschaftlichen Verbindung, wenn die Kinder bei- liegt der Anteil der intraethnischen Freunde bei lediglich
spielsweise beide über ein eigenes Zimmer und eine 13%. Bei ihnen haben die Freunde zu 68% keinen Mi-
ähnliche Ausstattung von kulturellem Kapital verfügen grationshintergrund, bei türkeistämmigen Jugendlichen
(Winkler u.a. 2011). Die Präferenz, Kontakte mit Per- nur 27%. Auch Freundschaften zu Jugendlichen aus
sonen zu knüpfen, die ähnliche Eigenschaften wie Ge- anderen Herkunftsländern kommen bei türkeistämmi-
schlecht, ethnische Herkunft oder sozioökonomischer gen Jugendlichen mit 26% eher selten vor. Besonders
Status aufweisen (Homophilie), ist in allen sozialen wenige Freundschaften geben sie zu italienischen, pol-
Beziehungen zu finden (McPherson u.a. 2001). Homo- nischen und russischen Gleichaltrigen an. Die Freund-
philie ist bei starken Bindungen generell stärker aus- schaften der türkeistämmigen Jugendlichen zeigen so-
geprägt als bei schwachen Beziehungen (Winkler u.a. mit einen hohen Grad an Segregation.
2011). Im Generationenverlauf bildet die zweite Generation
Frank van Tubergen und Sanne Smith (2018) un- häufiger Freundschaften mit Personen aus der Mehr-
tersuchten anhand der CILS4EU-Daten die Freund- heitsgesellschaft als die erste Generation. Doch auch
schaftsbeziehungen von Jugendlichen mit und ohne hier zeigen sich Unterschiede hinsichtlich der nationa-
Migrationshintergrund in Deutschland. Untersuchungs- len Herkunft: Türkeistämmige der zweiten Generation
schwerpunkte waren die Anzahl der interethnischen weisen seltener interethnische Kontakte auf als andere
Freundschaftskontakte innerhalb von schwachen Be- Gruppen der zweiten Generation (Haug 2003).
ziehungen (Nachbarschaft) und Netzwerken von star- Bei der Betrachtung der engsten Freunde innerhalb
ken Beziehungen (Schule) sowie der Einfluss der Eltern der Schulklasse konnten Frank van Tubergen und San-
und mögliche Erklärungsansätze. ne Smith (2018) zeigen, dass diese etwas weniger eth-
Ihre Ergebnisse zeigen, dass innerhalb der Nach- nisch segregiert sind als der generelle Freundeskreis.
barschaft deutsche Jugendliche hauptsächlich Kontakt Außerhalb der Schule können die Jugendlichen ihre
mit Personen ohne Migrationshintergrund pflegen. Mit Freunde selbst auswählen, in der Klasse ist die Aus-
Türkeistämmigen haben beispielsweise nur 20% der wahl durch die Klassenzusammensetzung beschränkt.
Jugendlichen ohne Migrationshintergrund mindestens Die ethnische Segregation findet aber auch hier nach
einmal im Monat Kontakt. Jugendliche mit Migrations- demselben Muster statt.
hintergrund haben zwar mehr Kontakt zu Personen un- Diese Ergebnisse stützen die Theorie der Oppor-
terschiedlicher Herkunftsländer in ihrer Nachbarschaft, tunitäten. Zum einen werden interethnische Freund-
ein großer Anteil ihrer Kontakte besteht aber auch bei schaften durch die ethnische Zusammensetzung der
ihnen zu Personen derselben nationalen Herkunft. Von Klassen und zum anderen durch die Gruppengröße
den Jugendlichen mit Migrationshintergrund weisen
polnische Jugendliche die am geringsten ethnisch se- 33 Grundlage sind die Informationen über die fünf besten Freunde der
gregierten Nachbarschaftskontakte auf: 91% haben Jugendlichen.
84
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
der Migranten aus demselben Herkunftsland beein- Freundeskreis ihrer Kinder einmischen und kontrollie-
flusst. Grundsätzlich zeigte sich, dass je größer die ren, unterscheidet sich jeweils nach der familialen na-
Zuwanderergruppe aus demselben Herkunftsland im tionalen Herkunft (Abb. 3-30):
Aufnahmeland ist, desto stärker ist die Segregation Eltern von Kindern ohne Migrationshintergrund,
ausgeprägt. Eltern aus Polen, den ehemaligen Sowjetunionstaa-
ten und den Ländern der EU-Osterweiterung mischen
Eltern haben Einfluss bei der Entstehung sich am seltensten in den Freundeskreis ihrer Kinder
von interethnischen Freundschaften ein. Eltern aus dem Nahen und Mittleren Osten, der
Die Einstellung der Eltern zu Traditionen aus ihrem Türkei und den EU-15-Ländern dagegen mischen sich
Herkunftsland und die Anzahl an eigenen intereth- am häufigsten in den Freundeskreis ihrer Kinder ein.
nischen Freundschaften beeinflussen das Freund- Durch die kollektivistische Ausrichtung der Gesell-
schaftsverhalten der Jugendlichen: Sind den Eltern schaft in der Türkei und dem Nahen und Mittleren Os-
die eigenen Traditionen und Werte wichtig, schließen ten steht die Familie, das Verhalten der einzelnen Fa-
ihre Kinder weniger interethnische Freundschaften. milienmitglieder und die Darstellung der Familie in der
Jugendliche, deren Eltern selbst interethnische Freun- Öffentlichkeit mehr im Mittelpunkt (Munniksma u.a.
de haben, schließen eher interethnische Freundschaf- 2012). Insofern tendieren die Eltern zu einer stärkeren
ten in ihrer Schulklasse. Die Ergebnisse zeigten sich Beeinflussung und Kontrolle der Freunde ihrer Kinder
auch unter Kontrolle der Größe der Migrantengruppe als Eltern, die in individualistischen Gesellschaften
in der Klasse (Smith u.a. 2015). Ob sich Eltern in den aufgewachsen sind.
Abb. 3-30: Seltenes Einmischen der Eltern in den Freundeskreis nach familialer nationaler Herkunft (in %)
Deutschland 69
EU-15 45
EU-Ost 68
Polen 70
Türkei 40
Sonst. Europa 66
Ehem. SU 69
Naher/Mittl. Osten 30
Sonst. Länder 62
0 20 40 60 80
in %
85
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Fazit
Prinzipiell beschäftigen sich alle Kinder und Jugendli-
chen mit den gleichen Aktivitäten in ihrer Freizeit. Bei
den Freizeitaktivitäten müssen jedoch die jeweiligen
Gruppen vielschichtig betrachtet werden: Die Vorlieben
der Kinder und Jugendlichen bezüglich ihrer Freizeitge-
staltung weisen Unterschiede nach ihrem Geschlecht,
Migrationsstatus und den Migrationsgenerationen auf.
Die Freizeitgestaltung der Kinder und Jugendlichen
beeinflusst die Möglichkeiten, mit anderen Gleichalt-
rigen Freundschaften zu schließen. Der Besuch einer
Jugendgruppe, das Treiben von Sport im Verein oder
die Teilnahme an einer Tanz- und Theatergruppe bieten
mehr Chancen, mit anderen Kindern und Jugendlichen
in Kontakt zu treten als beispielsweise das Nichtstun,
alleine Sport treiben oder Fernsehen zu Hause.
Bei den gemeinsamen Unternehmungen mit der Fa-
milie wird die enge Beziehung von Kindern mit Migra-
tionshintergrund zu ihren Familienmitgliedern nochmals
deutlich (Kap. 3.4). Während Jungen ohne Migrations-
hintergrund kaum ihre Freizeit innerhalb der Familie
verbringen, ist der Anteil der männlichen Jugendlichen
mit Migrationshintergrund bei gemeinsamen Unterneh-
mungen mit der Familie viermal so hoch.
Wie sich die Freundeskreise der Kinder und Ju-
gendlichen gestalten, wird von den Gelegenheiten des
Kennenlernens bestimmt. Aber auch die Vorlieben der
Kinder und Jugendlichen beeinflussen, ob eine Freund-
schaft entsteht. Enge Freundschaften zeigen sich als
stärker ethnisch segregiert als lose Bekanntschaften.
86
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Schlussfolgerungen Kapitel 3
Die Lebenswelten von jungen Menschen mit Migra- ge Menschen mit beidseitigem Migrationshintergrund
tionshintergrund sind vielfältig und nicht nur geprägt deutlich häufiger in Großstädten und großen Wohnge-
durch ihre eigene Zuwanderungsgeschichte, sondern bäuden, in denen sie viel seltener als deutsche Kinder
auch durch die ihrer Eltern oder Großeltern und durch ein eigenes Zimmer haben.
das Land, aus dem die Familie ursprünglich stammt. Neben Generationen zeigen sich auch Herkunftsef-
Bis heute zeigen sich die Auswirkungen historischer fekte, die jedoch auf die sozioökonomische Situation
Ereignisse, beispielsweise der sogenannten Gastarbei- der Familien zurückgeführt werden können. Dasselbe
teranwerbung, in der Struktur der Kinder, Jugendlichen Bild findet sich auch bei der Teilnahme an (frühkindli-
und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund. chen) Bildungsangeboten sowie schulischer Unterstüt-
Der familiale nationale Herkunftskontext sagt nicht nur zung durch die Eltern: Hier sind neben einer möglichen
etwas über aufenthaltsrechtliche Bestimmungen aus, Armutsgefährdung die Erwerbstätigkeit und Bildung der
sondern spiegelt sich häufig auch in dem Bildungshin- Eltern ausschlaggebend. Es zeigen sich Unterschiede
tergrund der Eltern wider. Der familiale Bildungskontext nach Generationen und Herkunftszugehörigkeit, jedoch
prägt die schulische und berufliche Laufbahn der Kin- können diese primär durch die sozioökonomische Situ-
der stark – wie es aus der Bildungsforschung bekannt ation der Familie sowie durch den Bildungsstand der
ist. Nicht nur auf formale Qualifikationen wirken sich die Eltern erklärt werden. Hier stellt sich jedoch die Frage,
familiale nationale Herkunft und die Aufenthaltsdauer warum insbesondere türkeistämmige Kinder und Ju-
in Deutschland – Migrationsgenerationen – der jungen gendliche häufig in prekären Verhältnissen aufwachsen,
Menschen aus, sondern auch auf die Wertvorstellun- die die gesamte Lebenslage beeinflussen. Was muss
gen und sozialen Integrationsprozesse. getan werden, dass gleichwertige Lebensbedingungen
Der Alltag von Kindern gestaltet sich abhängig von auch für diejenigen Kinder geschaffen werden, die zwar
diesen Einflussfaktoren sehr vielfältig. Neben der natio- in Deutschland geboren wurden, jedoch aus einer Zu-
nalen Herkunft und Aufenthaltsdauer beeinflussen auch wandererfamilie stammen?
die Familienstruktur und die Zugehörigkeit zu einer so- Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit
zialen Schicht die Lebenswelten der jungen Menschen. Migrationshintergrund ist die Familie besonders wich-
Die Familie ist gerade in den jungen Lebensjahren die tig, wobei hier bestimmte familiale Herkunftskontexte
Instanz, die den größten Einfluss auf die Entwicklung stärker zum Tragen kommen: So räumen Jugendliche
und Sozialisation von Kindern ausübt. Sie übernimmt aus muslimischen Ländern ihrer Familie einen sehr ho-
dabei eine bildende Rolle, wobei diese nicht nur auf hen Stellenwert ein. Konservative Eltern mischen sich
den schulischen Erfolg gerichtet ist. Nonformale Bil- auch häufiger in die Wahl der Freunde ihrer Kinder ein
dung übermittelt kulturelle, instrumentelle, soziale und und beschränken eher das Entstehen interethnischer
personale Kompetenzen (Bundesministerium für Fami- Freundschaften zu Kindern und Jugendlichen ohne Mi-
lie, Senioren, Frauen und Jugend 2005). Außerdem wird grationshintergrund. Jedoch wird auch ersichtlich, dass
der familiäre Alltag von Prozessen gestaltet, welche die Jugendliche ohne Migrationshintergrund selten Freun-
Lernumwelt der Kinder tangiert. Dazu gehören generel- de mit Migrationshintergrund haben.
le Bildungsprozesse in Form von gemeinsamen Unter- Zwei Faktoren begünstigen das Entstehen von inter-
nehmungen wie Einkaufen oder das Besuchen von ethnischen Freundschaften, die den besten Weg zur Ver-
Freunden, aber auch das Familienklima, Beziehungen ständigung und des Abbaus von Vorurteilen darstellen:
zu Familienmitgliedern und Konfliktlösungen innerhalb (1) Da Freundschaften vor allem in der näheren Um-
der Familie. gebung geknüpft werden, insbesondere in der Grund-
Da junge Menschen mit Migrationshintergrund schule, erhöhen sozial durchmischte Wohnquartiere die
meist eine schlechtere sozioökonomische familiäre Chance für interethnische Freundschaften.
Situation aufweisen und mehr Geschwister haben als (2) Wenn die Eltern mit gutem Beispiel vorangehen
Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund, steht diesen und selbst mit Personen anderer Herkunft befreundet
weit weniger Wohnraum zur Verfügung, was häufiger zu sind, erhöht dies auch die Wahrscheinlichkeit für inter-
Benachteiligungen führt. Zudem leben vor allem jun- ethnische Freundschaften.
87
Kinder- und Jugendmigrationsreport
88
3 Lebenswelten von jungen Menschen mit Migrationshintergrund: Familialer Alltag und Freizeitgestaltung
Zentrale Ergebnisse
• Kinder mit Migrationshintergrund wachsen häufiger bei verheirateten Eltern auf.
• Türkeistämmige und Kinder mit familialer nationaler Herkunft aus dem Nahen und Mittleren Osten leben
in den größten Haushalten.
• Mehr als 40% der Familien mit Migrationshintergrund leben in einer Großstadt mit mindestens
100.000 Einwohnern.
• Kinder mit Migrationshintergrund werden länger zu Hause von ihrer Familie betreut als
Kinder ohne Migrationshintergrund.
• Kinder von Familien aus der Türkei, den ehemaligen Sowjetunionstaaten und dem Nahen und
Mittleren Osten zeigen die niedrigste Wahrscheinlichkeit des Besuchs einer Kindertagesbetreuung auf.
• Bei der häuslichen Lernumwelt der Kinder spielt die soziale Lage und die familiale Bildungssituation
eine bedeutende Rolle.
• Die Betreuungs- und Bildungssituation in der Familie von schulpflichtigen Kindern wird nicht durch ihren
Migrationshintergrund beeinflusst. Hierbei zeigen sich die familiäre Erwerbssituation und das Alter des
Kindes als besonders relevant.
• Die Familie hat bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund einen großen Stellenwert,
sie ist ihnen besonders wichtig.
• Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund geben häufiger Freunde an, die aus ihrer
Verwandtschaft stammen; sie sind auch in ihrer Freizeitgestaltung familienorientierter als
Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund.
• Sport im Verein ist bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund weniger beliebt: 39% der
Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind in einem Verein sportlich aktiv, der Anteil an Jugendlichen
ohne Migrationshintergrund liegt bei 57% (SOEP).
89
4
Von der Kita bis zur Hochschule:
Junge Menschen mit
Migrationshintergrund im
deutschen Bildungssystem
91
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Das Kapitel 4 fokussiert die Kinder, Jugendlichen und se Unterschiede weiterhin bestehen, wenn auch die
jungen Erwachsenen im institutionellen Bildungssys- familiäre und soziale Herkunft berücksichtigt wird. Mit
tem, in dem sie Kenntnisse, Fertigkeiten und Abschlüs- diesem Vorgehen kann analysiert werden, welchen Ein-
se erwerben, die unter anderem auch für ihr späteres fluss der Migrationshintergrund an sich auf den Erfolg
Berufsleben zentral sind. Die Bedeutung des Bildungs- im deutschen Bildungssystem hat oder ob andere Fak-
systems ist aber nicht nur auf den Erwerb von schuli- toren für die Unterschiede zwischen Personen mit und
schen und beruflichen Qualifikationen beschränkt, dort ohne Migrationshintergrund ausschlaggebend sind.
sollen auch Schrift, Sprache und grundlegende Wert-
haltungen einer Gesellschaft vermittelt werden. Diese Datengrundlage
letztgenannten Ziele des Bildungssystems sind daher Datengrundlage des Kapitels über die frühe Bildung
besonders für die Integration junger Menschen bedeut- (Kap. 4.1) ist die amtliche Kinder- und Jugendhilfe-
sam, die ihre Wurzeln im Ausland haben. statistik, in der die ausländische Herkunft mindestens
Das Kapitel 4 erstreckt sich über eine weite Alters- eines Elternteils sowie die überwiegend in der Familie
spanne: Es beginnt bei Kindern in der Kindertagesbe- gesprochene Sprache (deutsch/nichtdeutsch) für je-
treuung und endet bei jungen Studienabsolventinnen des Kind in Kindertagesbetreuung erhoben werden.
und -absolventen am Übergang in die Erwerbstätigkeit. Differenzierte Analysen nach Herkunftsland oder Ge-
Für den Bereich der frühkindlichen Bildung wird neration sind mit diesen Daten nicht möglich. In den
insbesondere die Inanspruchnahme von Kindern mit Kapiteln über Allgemeinbildende Schulen (Kap. 4.2),
Migrationshintergrund betrachtet. Der Fokus auf die Berufsausbildung (Kap. 4.3) sowie Studium (Kap. 4.4)
Teilnahme an diesen Bildungsangeboten ist daher be- wird die amtliche Schul-, Berufsbildungs- und Hoch-
sonders bedeutsam, weil diese – im Unterschied zum schulstatistik sowie die Integrierte Ausbildungsbericht-
schulischen Bereich – freiwillig ist. Zudem werden erstattung verwendet. In diesen Statistiken werden nur
diesen Angeboten hohe Potenziale des Ausgleichs deutsche von nichtdeutschen Personen unterschieden.
von Bildungsungleichheiten zugesprochen. Außerdem Bei Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit wird
werden die Bedingungen, auf die Kinder mit Migrati- außerdem an einigen Stellen die ausländische Staats-
onshintergrund in den Tageseinrichtungen treffen, nä- angehörigkeit ausgewiesen. Der Migrationshintergrund
her beleuchtet. Die darauffolgenden Teilkapitel für die wird dagegen in diesen Statistiken bislang nicht be-
weiteren Bildungsetappen beschäftigen sich mit der rücksichtigt. Dies könnte sich in den nächsten Jahren
Bildungsbeteiligung von Kindern, Jugendlichen und allerdings ändern, da bereits begonnen wurde, auch
jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund auf drei den Migrationshintergrund in den Schulstatistiken der
Arten: Erstens wird dargestellt, wie viele Schülerinnen Bundesländer zu erfassen. Um auch Personen mit Mig-
und Schüler, Auszubildende sowie Studierende einen rationshintergrund (sowie weitere familiäre und soziale
Migrationshintergrund haben und wie sich diese An- Herkunftsmerkmale) im Bildungssystem identifizieren
teile in den letzten Jahren verändert haben. Zweitens zu können, wird im vorliegenden Kapitel auf den Mi-
werden die Leistungen bzw. Erfolge an verschiedenen krozensus sowie auf repräsentative Erhebungen im
Stellen in Schule, Berufsausbildung und Studium zwi- Bildungssystem (z.B. IQB-Bildungstrends, Sozialerhe-
schen Personen mit und ohne Migrationshintergrund bung des Deutschen Studentenwerks etc.) zurückge-
miteinander verglichen. Falls Unterschiede festgestellt griffen. Der Nachteil einiger Erhebungen ist, dass die
werden, wird drittens der Frage nachgegangen, ob die- entsprechenden Daten nicht jährlich, sondern nur re-
92
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
93
Kinder- und Jugendmigrationsreport
4.1 Kindertagesbetreuung
Ninja Olszenka und Christiane Meiner-Teubner
94
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
95
Kinder- und Jugendmigrationsreport
800.000
741.278
611.578
600.000 32,7%
39,7%
400.000
67,3%
164.976
200.000 60,3%
66.408 40,4%
49,5% 59,6%
0 50,5%
2009 2018 2009 2018
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Kinder und
tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege 2009 und 2018; Zusammenstellung und Berechnung
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
96
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
in %
40
30,5
30
26,8
20,9
20
16,1
10
0
0 - u. 3 Jahre 3 Jahre bis Schuleintritt
2009 2018
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Kinder und
tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege 2009 und 2018;
Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
97
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Kinder und
tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege 2018; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Anmerkung: N-Werte zu den Bundesländern nach Altersgruppen siehe Tab. A-12 im Anhang.
Deutlicher Anstieg der Inanspruchnahme von rung und dem damit einhergehenden starken Anstieg
unter 3-Jährigen innerhalb der letzten Jahre der Kinder mit Migrationshintergrund in der Bevölke-
Die Inanspruchnahmequote der unter 3-Jährigen mit rung in den Jahren 2015/16 zusammenhängen.
Migrationshintergrund hat sich in den letzten neun Jah- Hinsichtlich regionaler Differenzen wird ersichtlich,
ren von damals 11% auf zuletzt 20% fast verdoppelt. dass die Inanspruchnahmequote der unter 3-Jährigen
Dagegen stieg die Inanspruchnahmequote der Kinder in Ostdeutschland zwar höher ist als in Westdeutsch-
dieser Altersgruppe ohne Migrationshintergrund von 25 land, aber nicht in dem Maße, wie dieses Muster für
auf 41%, somit um 64% ihres damaligen Wertes. Dabei gewöhnlich bei Kindern ohne Migrationshintergrund zu
ist aber zu betonen, dass die Inanspruchnahmequote beobachten ist.
von unter 3-jährigen Kindern mit Migrationshintergrund
auch im Jahr 2018 deutlich geringer als diejenige von Die Wünsche der Familien
unter 3-Jährigen ohne Migrationshintergrund war. Wäh- übersteigen das Angebot deutlich
rend 20% der Kinder mit Migrationshintergrund eine Die Nutzung von Angeboten der Kindertagesbetreuung
Kindertagesbetreuung in Anspruch nahmen, besuchten ist jedoch nicht nur abhängig von der Verfügbarkeit.
in dieser Altersgruppe etwa 41% der Kinder ohne Mig- Vielmehr handelt es sich dabei um ein freiwilliges An-
rationshintergrund ein Angebot der Kindertagesbetreu- gebot; Familien können entscheiden, ob und ab wann
ung (Abb. 4-4). sie dieses für ihre Kinder in Anspruch nehmen wollen.
Dennoch ist auch zu beobachten, dass nach einer Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich
stetigen Steigerung der Inanspruchnahmequote auf die Eltern mit und ohne Migrationshintergrund in ihren
22% in 2015 es daraufhin zu einer Stagnation ge- Wünschen unterscheiden und inwieweit verschiedene
kommen ist (Autorengruppe Bildungsberichterstattung Inanspruchnahmeverhalten mit differenten Einstellun-
2016). Dies dürfte mit der unerwartet hohen Zuwande- gen und Wünschen zusammenhängen. Dazu liegen
98
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
Abb. 4-4: Inanspruchnahmequote (2009, 2018) von unter 3-Jährigen und Elternwünsche (2017) nach Mig-
rationshintergrund (in %)
in %
50
45 45
40
41
41
30
25
25
20
20
10
11
0
2009 2017/18
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2018), Statistisches Bundesamt (2019e) und KiBS 2017, gewichtete Daten, eigene Berech-
nungen; N= 12.035; Zusammenstellung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Anmerkung: Die KiBS-Daten gelten aufgrund von Stichprobenziehung und Hochrechnungsverfahren als deutschlandweit repräsentative Daten für die
Elternwünsche in den einzelnen Altersgruppen. Da die Anteile an Kindern mit Migrationshintergrund aufgrund von Erfassungsproblemen E7 nicht in die
Hochrechnung mit einfließen, handelt es sich bei den ausgewiesenen Elternwünschen bei Personen mit Migrationshintergrund um Annäherungswerte.
Ergebnisse der DJI-Elternbefragung (KiBS) von 2017 sich für ihr unter 3-jähriges Kind einen Platz wünschen,
vor: Die starken Differenzen in der Inanspruchnahme- nur zu 56% tatsächlich einen Platz bekommen haben.
quote zwischen unter 3-jährigen Kindern mit und ohne Weitere 22% gaben an, keinen Platz bekommen zu
Migrationshintergrund sind nicht in unterschiedlichen haben, obwohl sie diesen wünschten. Hier besteht ein
Elternwünschen begründet. 45% der Familien gaben deutlicher Unterschied zu Familien ohne Migrations-
– unabhängig vom Migrationshintergrund – an, dass hintergrund, bei denen 80% einen Platz haben und nur
sie sich einen Platz in der Kindertagesbetreuung für ihr 10% der Familien angaben, keinen Platz bekommen zu
unter 3-jähriges Kind wünschen. Die Bedarfe überstei- haben. Hier zeigt sich also, dass – obwohl die Eltern-
gen die tatsächliche Inanspruchnahme also deutlich, wünsche bei Familien mit und ohne Migrationshinter-
insbesondere bei Familien mit Migrationshintergrund. grund gleich sind – es scheinbar Familien ohne Migra-
So liegt der Unterschied zwischen der tatsächlichen tionshintergrund besser gelingt, tatsächlich einen Platz
Inanspruchnahmequote und den Elternwünschen bei zu bekommen.
Familien ohne Migrationshintergrund bei 4 Prozent-
punkten, bei Familien mit Migrationshintergrund sind Auch die Inanspruchnahme der 3- bis unter
es hingegen 25 Prozentpunkte (Abb. 4-4). 6-Jährigen mit Migrationshintergrund bleibt
hinter der von Kindern ohne Migrations-
Familien mit Migrationshintergrund bekom- hintergrund zurück
men häufig die gewünschten Plätze nicht Für Kinder zwischen 3 und unter 6 Jahren gab es seit
Die Ergebnisse der Kinderbetreuungsstudie zeigen au- 2009 nur geringfügige Veränderungen der Inanspruch-
ßerdem, dass Familien mit Migrationshintergrund, die nahme. Während aktuell nahezu alle Kinder dieser Al-
99
Kinder- und Jugendmigrationsreport
tersgruppe ohne Migrationshintergrund ein Angebot Etwa jedes zweite Kind mit Migrationshinter-
der Kindertagesbetreuung wahrnehmen (99%), waren grund nimmt einen Ganztagsplatz in Anspruch
es bei den Kindern mit Migrationshintergrund zuletzt Hinsichtlich der Betreuungsumfänge, also der täglichen
82% (Abb. 4-5). Auch hier stieg die Inanspruchnah- bzw. wöchentlichen Betreuungszeit, wird zwischen so-
mequote bis 2015 an und sinkt seitdem wieder etwas genannten Halbtagsplätzen (bis zu 25 Wochenstunden),
ab. Das bedeutet, dass die Bevölkerungszahlen durch erweiterten Halbtagsplätzen (26 bis 35 Wochenstun-
die hohe Zuwanderung und die hohen Geburtenzahlen den) und Ganztagsplätzen (mehr als 35 Wochenstun-
stärker anstiegen als die Anzahl der Kinder in Kinder- den) unterschieden.
tagesbetreuung. Daraus deutet sich wiederum an, dass Zunächst einmal wird ersichtlich, dass zumeist
Kinder aus asylsuchenden Familien möglicherweise Ganztagsplätze in Anspruch genommen werden – un-
noch seltener die Angebote der Kindertagesbetreuung abhängig vom Alter oder Migrationshintergrund der Kin-
in Anspruch nehmen als Kinder mit Migrationshinter- der – und Halbtagsplätze eher selten genutzt werden.
grund insgesamt. Und auch in dieser Altersgruppe Zugleich fällt der deutliche Unterschied zwischen Ost-
entspricht die Inanspruchnahmequote nicht den elter- und Westdeutschland ins Auge, wobei Halbtagsplätze
lichen Wünschen – insgesamt wünschten sich 2017 in Ostdeutschland kaum genutzt werden und Ganz-
94% der Familien mit Migrationshintergrund einen Platz tagsplätze deutlich dominieren. Der markante Unter-
für ihr Kind (Abb. 4-5). schied zwischen den Landesteilen fällt für Kinder mit
Abb. 4-5: Inanspruchnahmequote (2009, 2018) von 3- bis unter 6-Jährigen und Elternwünsche (2017) nach
Migrationshintergrund (in %)
in %
100
99
96 94
80
84
82
60
40
20
0
2009 2018
Elternwunsch Elternwunsch
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2018), Statistisches Bundesamt (2019e) und KiBS 2017, gewichtete Daten, eigene Berech-
nungen; N= 7.894; Zusammenstellung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Anmerkung: Die KiBS-Daten gelten aufgrund von Stichprobenziehung und Hochrechnungsverfahren als deutschlandweit repräsentative Daten
für die Elternwünsche in den einzelnen Altersgruppen. Da die Anteile an Kindern mit Migrationshintergrund aufgrund von Erfassungsproblemen
E7 nicht in die Hochrechnung mit einfließen, handelt es sich bei den ausgewiesenen Elternwünschen bei Personen mit Migrationshintergrund
um Annäherungswerte.
100
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
Migrationshintergrund allerdings wesentlich schwächer gibt es vor allem darin, dass Familien mit Migrations-
aus. Hier zeigen sich die Differenzen zwischen Ost- und hintergrund und Kindern unter 3 Jahren häufiger an-
Westdeutschland nur bei den Halbtagsplätzen und den geben, in erreichbarer Nähe kein Angebot vorzufinden
Ganztagsplätzen. Während beispielsweise in der Alters- und sie seltener auf die Unterstützung der Großeltern
gruppe der Kinder zwischen 3 Jahren und dem Schul- zurückgreifen können als Familien ohne Migrationshin-
eintritt in Westdeutschland 12,1% der Kinder mit Mi- tergrund (Kap. 3.2.1).
grationshintergrund einen Halbtagsplatz in Anspruch Zusammenfassend zeigt sich, dass Kinder mit Mi-
nehmen, sind es in Ostdeutschland nur 2,6% der Kinder. grationshintergrund – trotz steigender Zahlen – deut-
Dafür haben in Ostdeutschland knapp 54% der Kinder lich seltener ein Angebot der Kindertagesbetreuung in
mit Migrationshintergrund einen Ganztagsplatz, in West- Anspruch nehmen als Kinder ohne Migrationshinter-
deutschland sind es hingegen nur 45,0% (Abb. 4-6). grund. Besonders stark ist dieser Unterschied bei den
In Westdeutschland gibt es außerdem nur gerin- unter 3-Jährigen, obwohl sich die Elternwünsche von
ge Unterschiede zwischen den Betreuungsumfängen Familien mit und Familien ohne Migrationshintergrund
von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. In kaum unterscheiden. Die Ergebnisse zeigen demnach,
Ostdeutschland hingegen zeigen sich beträchtliche dass, auch wenn 82% der Kinder mit Migrationshin-
Differenzen. Mehr als 80% der Kinder ohne Migra- tergrund vor ihrer Einschulung eine Kindertagesein-
tionshintergrund nehmen in Ostdeutschland einen richtung oder eine Kindertagespflege nutzen, sie doch
Ganztagsplatz in Anspruch, weitere gut 14% einen er- mehrheitlich erst später damit beginnen als Kinder
weiterten Halbtagsplatz und nur ein kleiner Teil einen ohne Migrationshintergrund – was durch die beträcht-
Halbtagsplatz. Bei den Kindern mit Migrationshinter- lichen Unterschiede in der Inanspruchnahme der unter
grund haben jedoch nur etwas über 50% der Kinder 3-Jährigen deutlich wird. Die positive Wirkung des Be-
einen Ganztagsplatz und ein weiterer beträchtlicher An- suchs einer Kindertageseinrichtung – beispielsweise
teil nimmt einen erweiterten Halbtagsplatz in Anspruch in Bezug auf die sprachlichen, mathematischen oder
(35,8% der unter 3-Jährigen und 43,8% der 3-Jährigen auch sozial-emotionalen Kompetenzen – hängt jedoch
bis zum Schuleintritt; Abb. 4-6). auch mit der Dauer zusammen, die Kinder in diesen
Eine Ursache hierfür können die unterschiedlichen Einrichtungen verbringen (Autorengruppe Bildungs-
Elternwünsche hinsichtlich der Betreuungsumfänge berichterstattung 2018; Biedinger/Becker 2010; für
sein. Familien mit Migrationshintergrund in Ostdeutsch- Kinder mit türkischem Migrationshintergrund: Klein/
land wünschen sich zwar höhere Betreuungsumfänge als Sonntag 2017). Eine längere Besuchsdauer wirkt sich
Familien mit Migrationshintergrund in Westdeutschland; demnach positiv auf die Deutschkenntnisse von Kin-
Familien ohne Migrationshintergrund in Ostdeutschland dern mit Migrationshintergrund aus. Daher wäre es
wünschen sich dennoch deutlich häufiger einen Ganz- insbesondere für Kinder mit Migrationshintergrund
tagsplatz als Familien mit Migrationshintergrund. wichtig, schon früh die außerfamiliale Bildung und Be-
treuung zu nutzen.
Gründe für die Nichtnutzung
der Angebote
Die Gründe für eine Nichtnutzung von Angeboten der 4.1.2 Segregation in
Kindertagesbetreuung sind laut den Ergebnissen der Kindertageseinrichtungen
DJI-Elternbefragung bei den Familien mit und ohne Mi-
grationshintergrund meist ähnlich. Die am häufigsten Eine weitere Frage bezieht sich darauf, in welchen Ein-
genannten Gründe sind dabei, dass die Familien gute richtungen sich Kinder mit Migrationshintergrund befin-
Erfahrungen mit der Betreuung zu Hause gemacht ha- den. Sind sie vorwiegend in Einrichtungen, in denen die
ben, dass sie ihr Kind selbst erziehen möchten, dass meisten Kinder ebenfalls einen Migrationshintergrund
sie finden, dass ihr Kind noch zu jung für eine Kinder- haben oder werden sie mehrheitlich in Einrichtungen
tagesbetreuung sei, und dass ein Kindertagesbetreu- untergebracht, in denen nur wenige Kinder mit Migra-
ungsangebot einfach für sie nicht in Frage komme. tionshintergrund sind?
Unterschiede in den Gründen für die Nichtnutzung Die bisherige Forschung zeigt Folgendes: Die Wahl
zwischen Familien mit und ohne Migrationshintergrund der Kindertageseinrichtung selbst ist selektiv und nicht
101
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 4-6: Betreuungsumfänge von Kindern in Tagesbetreuung nach Altersgruppen und Migrationshinter-
grund im Ost-West-Vergleich 2018 (in %)
in % Westdeutschland Ostdeutschland
100
IN %
82,0 83,5
80
60 56,6
53,6
49,4
42,2 42,0 43,1 42,9 45,0 43,8
40 35,4 33,4 35,8
22,4
20 17,2
15,0 14,4 14,4
12,1
7,6
3,6 2,1 2,6
0
N=421.113 N=139.072 N=1.268.027 N=662.270 N=203.470 N=25.904 N=417.633 N=79.008
0 - u. 3 Jahre 3 Jahre bis Schuleintritt 0 - u. 3 Jahre 3 Jahre bis Schuleintritt
bis zu 25 Stunden pro Woche mehr als 25 bis zu 35 Stunden pro Woche mehr als 35 Stunden pro Woche
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Kinder und
tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege 2018; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
unabhängig von der sozialen Herkunft des Kindes. Dies Der Anteil an segregierten
kann insofern problematisch sein, als dass Kinderta- Einrichtungen unterscheidet sich regional
geseinrichtungen in ihrer Qualität variieren und somit In Deutschland sind 18,8% der Kindertageseinrichtun-
die Lerngelegenheiten der Kinder beeinflusst werden. gen segregiert E8 . Dabei haben in Westdeutschland
So zeigt sich beispielsweise, dass Angebote der direk- in 21,3% der Einrichtungen mindestens die Hälfte der
ten Wohnumgebung eher von Familien genutzt werden, Kinder mindestens einen im Ausland geborenen Eltern-
die einer niedrigen sozialen Schicht angehören oder teil – das entspricht einer Steigerung um 4,7 Prozent-
einen Migrationshintergrund aufweisen, während Eltern punkte seit 2007 –, in Ostdeutschland sind es aktuell
aus einer höheren sozialen Schicht eher auf die Qualität 8,4% der Einrichtungen.
einer Kindertageseinrichtung achten und weniger auf
die Gelegenheiten der direkten Wohnumgebung ange-
wiesen sind (Reid u.a. 2015, S. 8, Becker 2010; Rau- E8: Segregierte Einrichtungen
schenbach/Züchner 2008, S. 333; Peyton u.a. 2001). Segregierte Einrichtungen werden im Folgenden
Die soziale oder ethnische Segregation einer Nach- als Einrichtungen definiert, in denen mindestens
barschaft wird dementsprechend oft direkt auf eine die Hälfte der Kinder mindestens einen im Aus-
zugehörige Kindertageseinrichtung übertragen. Somit land geborenen Elternteil hat.
entstehen – auch bedingt durch die Wahl der Kinder-
tageseinrichtung durch die Eltern selbst – Einrichtun-
gen, die sich in der Zusammensetzung der Kinder stark Jedoch ist es hier bedeutend, sich die einzelnen Län-
unterscheiden. der genauer anzuschauen, denn in den ostdeutschen
Flächenländern beträgt in nur 0,6% der Einrichtungen
102
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund min- In welchen Einrichtungen befinden
destens 50%. In Berlin hingegen sind fast ein Drittel sich Kinder mit Migrationshintergrund?
der Einrichtungen segregiert (31,3%). Aber auch zwi- Die Zusammensetzung einer Kindertageseinrichtung
schen den westdeutschen Ländern gibt es erhebliche selbst stellt einen bedeutenden Faktor dar: Die sozia-
Differenzen. Während in Schleswig-Holstein (6,8%) le und ethnische Zusammensetzung der Einrichtung
und Niedersachen (10,8%) nur ein relativ geringer An- weist einen Einfluss auf die sprachlichen Kompetenzen
teil an Einrichtungen segregiert ist, sind es in Ham- oder auch die Schulfähigkeit der Kinder im Allgemei-
burg, Hessen und Bremen mehr als 30% (Abb. 4-7). nen auf (Biedinger/Becker 2010; Biedinger u.a. 2008).
Die Ergebnisse deuten also auch darauf hin, dass es So zeigt sich neben einem negativen Effekt eines stei-
vor allem die Stadtstaaten und damit große Städte genden Anteils an Kindern mit Migrationshintergrund in
sind, in denen sich dieses Phänomen zentriert. Hierbei der Gruppe auf die Sprachkenntnisse der Kinder (Nik-
ist zu betonen, dass die Interpretation des Ausmaßes las u.a. 2011) auch ein negativer Effekt einer (starken)
der Segregation vom Anteil der Kinder mit Migrations- Segregation auf die Prozessqualität einer Einrichtung
hintergrund in der Bevölkerung der jeweiligen Region (Kratzmann u.a. 2013; Tietze 2013; Kuger/Kluczniok
abhängt. Dennoch bestätigen die Ergebnisse eine 2008). Demnach ist zu fragen, wie viele Kinder mit Mi-
ungleiche Verteilung der Kinder mit Migrationshinter- grationshintergrund in einer solchen Einrichtung sind.
grund auf bestimmte Einrichtungen und verdeutlichen Dabei werden auch hier deutliche Unterschiede
Unterschiede in der Zusammensetzung der Einrich- zwischen Westdeutschland und den ostdeutschen Flä-
tungen zwischen den Ländern. chenländern sichtbar (Abb. 4-8): In den ostdeutschen
Flächenländern sind im Schnitt 3,5% der Kinder mit
Migrationshintergrund in einer Einrichtung, in der min-
destens 50% der Kinder ebenfalls einen Migrations-
hintergrund haben. In Berlin und in Westdeutschland
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Kinder und
tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege 2018; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
103
Kinder- und Jugendmigrationsreport
hingegen sind im Schnitt ungefähr die Hälfte (56,7 bzw. positive Effekt des Besuchs einer Kindertageseinrich-
47,8%) der Kinder mit Migrationshintergrund in solchen tung gemindert werden kann.
Einrichtungen. Doch auch hier gibt es erhebliche Dif-
ferenzen zwischen den Ländern: In Bremen, Hamburg,
Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg 4.1.3 Personelle Ausstattung
ist die Mehrheit der Kinder mit Migrationshintergrund
in Einrichtungen, in denen mindestens 50% der Kinder Die wachsende Anzahl an Kindern mit Migrationshinter-
ebenfalls einen Migrationshintergrund haben. Verhält- grund in Kindertagesbetreuung sowie die zunehmen-
nismäßig geringer fällt der Anteil in Schleswig-Holstein de Segregation in Einrichtungen gehen mit erhöhten
(21,7%) aus. Anforderungen an das Personal einher. Dies gilt umso
Die Ergebnisse zur ethnischen Segregation in Kin- mehr, da der Anteil der Kinder mit eigener Migrationser-
dertageseinrichtungen verdeutlichen, dass Kinder mit fahrung in der Bevölkerung gestiegen ist und diese Kin-
Migrationshintergrund häufig Einrichtungen besuchen, der vermehrt in der Kindertagesbetreuung ankommen
in denen mindestens die Hälfte der Kinder ebenfalls – was sich auch an dem Anstieg des Anteils der Kinder
einen Migrationshintergrund hat. Demnach können ver- mit Migrationshintergrund, die zu Hause vorrangig nicht
mutlich vor allem jene Kinder, deren Bildungschancen Deutsch sprechen, andeutet.
erhöht werden sollen, nicht in der erhofften Weise vom
Besuch einer Kindertageseinrichtung profitieren, weil Die Anforderungen an das Personal
diese häufig besonders segregiert ist (Abb. 4-8). Da- haben sich erhöht
durch gibt es unter anderem weniger Kontakt zu Kin- Je mehr Kinder in einer Gruppe sind, die zu Hause vor-
dern, die vorwiegend Deutsch sprechen, wodurch der rangig nicht Deutsch sprechen, umso höher können
Zugang zur deutschen Sprache erschwert wird und der die pädagogischen Herausforderungen für das Perso-
Abb. 4-8: Kinder mit Migrationshintergrund in segregierten Einrichtungen nach Bundesländern 2018 (in %)
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Kinder und
tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege 2018; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
104
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
nal sein, da ihnen beispielsweise in besonderer Weise ein umgekehrtes Muster (Niedersachsen, Hessen, Bay-
die Aufgabe zukommt, Gelegenheiten zu schaffen, in ern, Sachsen-Anhalt und Thüringen).
denen die Kinder Deutsch sprechen und deren Sprach- In klassischen Kindergartengruppen, also in Grup-
kompetenzen zu fördern (Autorengruppe Bildungsbe- pen für Kinder im Alter von 3 Jahren bis zum Schul-
richterstattung 2016). Um diese und weitere Heraus- eintritt, ist hingegen eine deutliche Tendenz zu erken-
forderungen zu bewältigen, reagieren einige Länder mit nen. Auch wenn die Personalschlüssel zwischen den
erhöhten finanziellen Mitteln für eine verbesserte Per- Ländern variieren, so zeigt sich dennoch in fast allen
sonalausstattung in Gruppen mit einem hohen Anteil an Ländern, dass dieser in Gruppen, in denen mindestens
Kindern mit Migrationshintergrund. 25% der Kinder zu Hause vorrangig nicht Deutsch spre-
Grundsätzlich wird zunächst deutlich, dass der Per- chen, günstiger ausfällt als in Gruppen, in denen min-
sonalschlüssel E9 in den ostdeutschen Ländern un- destens 75% der Kinder zu Hause vorrangig Deutsch
günstiger ausfällt als in Westdeutschland – dies zeigt sprechen (Tab. 4-1).
sich für beide betrachteten Gruppenformen und unab-
hängig vom Anteil der Kinder, die zu Hause vorrangig
nicht Deutsch sprechen. Außerdem wird in Gruppen für
Kinder unter 3-Jahren mehr Personal eingesetzt, um
den höheren Anforderungen dieser Altersgruppe ge-
recht zu werden.
E9: Personalschlüssel
Mit dem Personalschlüssel steht eine rechneri-
sche Größe zur Verfügung, die angibt, wie hoch
der zu Vollzeitäquivalenten aufaddierte Beschäf-
tigungsumfang des pädagogischen Personals in
einer Gruppe im Verhältnis zu den aufaddierten
vertraglich vereinbarten Betreuungszeiten aller
Kinder zu Ganztagsbetreuungsäquivalenten ist.
105
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Tab. 4-1: Personalschlüssel nach Ländern, Gruppenform und Anteil der Kinder in der Gruppe,
die zu Hause vorrangig nicht Deutsch sprechen 20181 (Anzahl Kinder pro Betreuer/-in, Median)
U3-Gruppen Kindergartengruppen
1 Aus Gründen des Datenschutzes kann die Anzahl der Gruppen für die einzelnen Länder nicht ausgewiesen werden.
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Statistiken der Kinder- und
Jugendhilfe – Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege 2018;
Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik; N=75.643.
Fazit
Auch wenn die Anzahl der Kinder mit Migrationshin- len, indem weitere Plätze geschaffen und gleichzeitig
tergrund in der Kindertagesbetreuung in den letzten Zugänge erleichtert werden.
Jahren stark angestiegen ist, nehmen sie weiterhin Darüber hinaus sind die Bedingungen, auf die Kin-
deutlich seltener Angebote der Kindertagesbetreu- der vor Ort treffen, unterschiedlich. In fast 19% der Ein-
ung in Anspruch als Kinder ohne Migrationshinter- richtungen in Deutschland hat mindestens die Hälfte
grund. Dies gilt insbesondere für die unter 3-Jähri- der Kinder einen Migrationshintergrund. Außerdem be-
gen, obwohl sich ihre Eltern in gleichem Maße wie findet sich fast jedes zweite Kind mit Migrationshinter-
Eltern ohne Migrationshintergrund einen Betreuungs- grund in einer solchen segregierten Einrichtung. Und
platz wünschen. Es deutet sich an, dass es Familien auch die personelle Ausstattung unterscheidet sich
mit Migrationshintergrund schwerer fällt, einen Platz regional. Es zeigt sich jedoch allgemein, dass teilweise
in einem Angebot der Kindertagesbetreuung zu fin- auf die zusätzlichen Herausforderungen, die in Grup-
den. Eine Herausforderung der kommenden Jahre pen mit einem höheren Anteil an Kindern, die zu Hause
wird es demnach sein, die Betreuungswünsche von nicht Deutsch sprechen, entstehen, reagiert wird, in-
Familien mit Migrationshintergrund besser zu erfül- dem dort mehr Personal eingesetzt wird.
106
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
107
Kinder- und Jugendmigrationsreport
hintergrund an Grundschulen
Im Schuljahr 2017/18 besuchten 2.899.336 Kinder
eine Schule im Grundschul- bzw. Primarbereich (Sta-
tistisches Bundesamt 2018d). Die große Mehrheit
waren dabei in Grundschulen zu finden, ein kleiner
Teil in anderen Schularten wie Gesamt-, Förder- oder
108
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
in %
100
7,5 8,4 11,6 13
17
92,5 91,6
80 88,4 10
13
75
60 66
40
20
0
2010/11 2015/16 2017/18 2010/11 2015/16
Staatsangehörigkeit Migrationshintergrund
(nach Schulstatistik) (nach IQB-Bildungstrends)
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Schulstatistik 2010/11, 2015/16 und 2017/18; Stanat u.a. (2012; 2017); Schulstatistik:
N2010/11= 2,9 Mio., N2015/16= 2,8 Mio., N2017/18= 2,9 Mio.; IQB-Bildungstrends: N2010/11= 27.081, N2015/16= 29.259.
Anmerkungen: Zur Definition des Migrationshintergrunds in den IQB-Bildungstrends siehe Fußnote 39; zur besseren Übersichtlichkeit werden in
den Abbildungen in diesem Kapitel Prozentangaben unter 5% nicht ausgeschrieben.
Wegen fehlender einheitlicher Erfassung des Migra- bei aber unklar bleibt, in welchem Land das Kind selbst
tionshintergrunds in der amtlichen Schulstatistik wird geboren ist.39
im Folgenden auf die Ergebnisse von regelmäßig statt- Ein Vergleich zwischen Staatsangehörigkeit und Mig-
findenden Schulleistungsstudien zurückgegriffen: Nach rationshintergrund zeigt, dass deren Anteile zwischen
den IQB-Bildungstrends hatte im Schuljahr 2015/1638 2010/11 und 2015/16 angestiegen sind: Während
rund ein Drittel der befragten Kinder der vierten Klas- der Anstieg der nichtdeutschen Staatsangehörigen
se einen Migrationshintergrund (Abb. 4-9). Von diesen mit knapp 1 Prozentpunkt eher gering ausfällt, stieg
sind 4% im Ausland geboren und nach Deutschland der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund um 9
eingewandert (erste Generation). Ein mit 17% deutlich
höheren Anteil nehmen Kinder der zweiten Generation 39
In den IQB-Bildungstrends werden Kinder der ersten Generation
ein, die in Deutschland geboren sind und von Beginn zugerechnet, wenn sie selbst und beide Eltern im Ausland geboren
wurden, und zur zweiten Generation, wenn sie selbst in Deutschland
an das deutsche Bildungssystem besuchen. Außerdem und beide Eltern im Ausland geboren wurden. Die Kategorie „ein El-
haben 13% einen im Ausland geborenen Elternteil, wo- ternteil im Ausland geboren“ umfasst Kinder, von denen ein Eltern-
teil in Deutschland und ein Elternteil im Ausland geboren wurde. Das
Geburtsland des Kindes wird dabei nicht berücksichtigt. Diese letzte
38 Die nächste Erhebung der IQB-Bildungstrends in der vierten Jahr- Kategorie existiert in der ansonsten in diesem Report gebräuchlichen
gangsstufe findet im Schuljahr 2019/20 statt. Klassifikation der Migrationsgenerationen (Kap. 2.1) nicht.
109
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Prozentpunkte auf 34%. Wegen der gestiegenen Zu- 4.2.2 Übergang aus dem
wandererzahlen seit 2015 ist zu erwarten, dass sich Grundschulbereich in die
dieser Anteil in den nächsten Jahren weiter erhöht
(Kap. 2.2). Sekundarstufe I
Der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund ist Nach Ende der meist vierjährigen Grundschulzeit er-
2015/16 dabei etwa viermal so hoch wie der an Kindern folgt der Übergang auf eine weiterführende Schule des
mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit. Ein Grund liegt Sekundarbereichs I. Allerdings unterscheiden sich die
darin, dass die meisten Kinder mit Migrationshinter- Kriterien für den Übergang erheblich zwischen den
grund einen in Deutschland geborenen Elternteil haben Ländern: Einerseits wird die Übergangsempfehlung der
oder selbst in Deutschland geboren sind und deshalb Schule für eine weiterführende Schulart aufgrund eines
oftmals auch deutsche Staatsangehörige sind. Die Er- bestimmten Notendurchschnitts getroffen, andererseits
fassung der Staatsangehörigkeit in der Schulstatis- aufgrund eines pädagogischen Gutachtens. In einigen
tik reicht demnach nicht mehr aus, um die ethnische Ländern ist diese Übergangsempfehlung als verbind-
Diversität im Schulbereich zu erfassen. Die meisten lich anzusehen, während in anderen Ländern alleine der
Grundschulkinder mit Migrationshintergrund stammten Elternwille für die Wahl der weiterführenden Schule ent-
2015/16 aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen So- scheidend ist (Füssel u.a. 2010).
wjetunion, aus der Türkei sowie aus Polen (Rjosk u.a. Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung
2017). (2018) berechnete, dass mit 43% die meisten Schü-
Allerdings verteilten sich im Schuljahr 2015/16 die lerinnen und Schüler am Ende des Primarbereichs auf
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ein Gymnasium übergingen. Da die Daten der Schul-
nicht gleichmäßig über das Bundesgebiet. Die höchs- statistik über diesen Übergang nicht nach Staatsange-
ten Anteile fanden sich in den Stadtstaaten Berlin hörigkeit oder Migrationshintergrund aufgeschlüsselt
(41%), Bremen (53%) sowie Hamburg (49%). Die ost- werden, müssen die Ergebnisse von Surveys herange-
deutschen Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sach- zogen werden. Eine Sonderauswertung des Mikrozen-
sen-Anhalt (jeweils 10%) und Thüringen (8%) wiesen sus 2017 zeigt, welche Schularten 11- und 12-jährige
dagegen die niedrigsten Anteile auf. Dies entspricht Kinder besuchen (Abb. 4-10). Die beiden Altersjahre
auch der bundesweiten Verteilung von Kindern, Ju- wurden gewählt, da in diesen Jahren in den Ländern
gendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrations- mit vierjähriger Grundschule der Übergang in den Se-
hintergrund (Kap. 2.1). Des Weiteren muss berücksich- kundarbereich I bereits vollzogen wurde (Statistisches
tigt werden, dass sich Kinder mit Migrationshintergrund Bundesamt 2018a).
auch nicht gleichmäßig über die Schulen innerhalb der Kinder ohne Migrationshintergrund haben die
Länder verteilen, sondern sich auf einzelne Grund- höchsten Anteile an Gymnasiastinnen und Gymnasias-
schulen konzentrieren. So hatten 2015/16 gut 7% der ten. Kinder der zweiten bzw. dritten Generation stellen
Schulen in Deutschland einen Anteil von über 60% an dagegen die höchsten Anteile an Realschülerinnen und
Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, Realschülern. Kinder der ersten Generation weisen die
während 13% der Schulen einen Anteil unter 5% auf- höchsten Anteile an Hauptschulen sowie Grundschu-
wiesen (Rjosk u.a. 2017). Viele ethnisch segregier- len auf. Ein Grund für den höheren Anteil an 11- und
te Schulen fanden sich insbesondere in Ländern mit 12-jährigen der ersten Generation an Grundschulen ist,
insgesamt einem hohen Anteil an Kindern der vierten dass diese häufiger verspätet eingeschult wurden: Wur-
Klasse mit Migrationshintergrund wie Bremen (23% de im Schuljahr 2017/18 bei nur 7,6% aller Kinder die
der Schulen), Baden-Württemberg (15%) und Hamburg Einschulung auf das folgende Schuljahr zurückgestellt,
(14%). Die wohnräumliche Segregation der Bevölke- traf dies auf 12,4% aller nichtdeutscher Kinder zu, was
rung mit Migrationshintergrund ist im besonderen Maße wahrscheinlich oftmals auf fehlende Sprachkenntnisse
entscheidend für die Segregation an Grundschulen – so zurückgeführt werden kann (Statistisches Bundesamt
der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Inte- 2018d). Mädchen aller Migrationsgenerationen haben
gration und Migration (2013). den Übergang in weiterführenden Schulen erfolgreicher
gemeistert als Jungen: Sie besuchen häufiger ein Gym-
nasium und seltener eine Hauptschule.
110
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
Abb. 4-10: Verteilung der 11- und 12-Jährigen auf Schularten nach Migrationshintergrund (2017) (in %)
in %
100
14,8 18,7 16,7
80 7,6 7,5
21,7
60 40,0 34,7
17,5
40
23,3 15,8
21,7
20
8,1
20,8
7,5 8,1
0
ohne 2./3. Generation 1. Generation
Migrationshintergrund
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; N=1,4 Mio.
Anmerkungen: In Berlin und Brandenburg besuchen 11- und 12-jährige meistens noch die Grundschule, weil dort die Grundschulzeit sechs
Jahre beträgt.
Viele Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit den un- Migrationshintergrund. Werden aber die schulischen
gleichen Übergängen aus dem Primarbereich in weiter- Leistungen in der Grundschule sowie soziale Her-
führende Schularten des Sekundarbereichs I zwischen kunftsmerkmale berücksichtigt, zeigen nahezu alle
Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. Dabei steht Untersuchungen Vorteile beim Übergang in das Gym-
meistens der Übergang aus dem Grundschulbereich in nasium für Migrantinnen und Migranten (z.B. Sach-
das Gymnasium im Zentrum des Interesses: Cornelia verständigenrat deutscher Stiftungen für Integration
Gresch und Michael Becker (2010) zeigen, dass türkei- und Migration 2016; Stubbe u.a. 2016). Das bessere
stämmige Kinder und Spätaussiedler aus der ehemaligen Abschneiden kann womöglich auf die hohe Bildungs-
Sowjetunion seltener eine Gymnasialempfehlung erhalten aspiration der Eltern von Kindern mit Migrationshinter-
und auch seltener tatsächlich auf ein Gymnasium über- grund zurückgeführt werden (Relikowski u.a. 2012).
treten als Schülerinnen und Schüler ohne Migrations- Diese hohen elterlichen Erwartungen lassen sich zum
hintergrund. Der seltenere Übergang in das Gymnasium einen durch Informationsdefizite über das deutsche
ist dabei auf die schlechteren schulischen Leistungen in Bildungssystem erklären, zum anderen durch eine gro-
der Grundschule sowie auf das geringere Bildungsniveau ße Motivation und den Wunsch zum sozialen Aufstieg
der Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund zurück- für ihre Kinder. Lehrkräfte sprechen unter Kontrolle der
zuführen. Bei Berücksichtigung dieser Merkmale treten schulischen Leistungen in der vierten Klasse häufiger
Türkeistämmige sogar häufiger in das Gymnasium über eine Gymnasialempfehlung für Kinder privilegierter so-
als Kinder ohne Migrationshintergrund. zialer Herkunft aus (Wendt u.a. 2016). Bezüglich des
In einem Forschungsüberblick bestätigte Jörg Doll- Migrationshintergrundes konnten hier aber unter Kon-
mann (2016) diese Befunde für alle Kinder mit Migra- trolle der schulischen Leistungen keine Unterschiede in
tionshintergrund: Kinder mit Migrationshintergrund der Empfehlung eines Gymnasiums durch die Lehrkräf-
treten seltener in ein Gymnasium über als Kinder ohne te gefunden werden (Stubbe u.a. 2016).
111
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Kinder tergrund bis zur zweiten Generation besaßen. Auch bei
mit Migrationshintergrund seltener nach der Grund- Betrachtung des Migrationshintergrundes lassen sich
schulzeit in ein Gymnasium übergehen. Dies trifft aller- geringere Anteile an Gymnasien finden als an anderen
dings in stärkerem Maß für Kinder der ersten Generati- Schularten. Insgesamt ist der Anteil an Jugendlichen
on zu im Vergleich zur zweiten bzw. dritten Generation, mit Migrationshintergrund seit der vorangegangenen
die das deutsche Schulsystem von Beginn an besu- Befragung 2011/12 um 3 Prozentpunkte angestiegen
chen. Werden jedoch die schulischen Leistungen und (Abb. 4-11).
die soziale Herkunft der Kinder berücksichtigt, lassen Ähnlich wie im Grundschulbereich sind nur wenige
sich diese ungleichen Übergänge nicht mehr finden. Jugendliche mit Migrationshintergrund selber mit ihren
Die ungleichen Übergänge sind demnach weniger auf Eltern nach Deutschland eingewandert (erste Genera-
den Migrationshintergrund, sondern auf die schlechte- tion), sondern bereits in Deutschland geboren (zweite
ren Schulleistungen und den geringeren sozialen Her- Generation) oder haben einen im Ausland geborenen
kunftskontext von Kindern mit Migrationshintergrund Elternteil.
zurückzuführen (Kap. 2.3). Eltern von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
stammten ebenfalls wie im Grundschulbereich am häu-
figsten aus der Türkei, Polen sowie einem Nachfolge-
4.2.3 Kinder und Jugendliche staat der Sowjetunion (Haag u.a. 2016). Die meisten
mit Migrationshintergrund in der Jugendlichen mit Migrationshintergrund lebten in den
Stadtstaaten, aber auch in Hessen und Nordrhein-
Sekundarstufe I Westfalen (Kap. 2.1).
Von den 4.137.835 Schülerinnen und Schüler des Wie im Grundschulbereich lassen sich auch an
Sekundarbereichs I besaßen im Schuljahr 2017/18 weiterführenden Schulen große Unterschiede in den
403.762 Jugendliche (9,8%) keine deutsche Staats- Anteilen an Jugendlichen mit Migrationshintergrund
angehörigkeit (Statistisches Bundesamt 2018d). Da- zwischen den Schulen feststellen (Sachverständigen-
bei besuchten nichtdeutsche Jugendliche seltener ein rat deutscher Stiftungen für Integration und Migration
Gymnasium (5,0%) als andere Schularten (12,2%). Un- 2013). Als zentraler Grund wird das unterschiedliche
ter den anderen Schularten wiesen Hauptschulen den Übergangsverhalten von Kindern mit und ohne Mig-
höchsten (24,1%) und Realschulen (8,3%) den gerings- rationshintergrund in weiterführende Schulen genannt
ten Anteil nichtdeutscher Schülerinnen und Schüler (Kap. 4.2.2). Das hat zur Folge, dass bereits im Jahr
auf. Wie im Primarbereich waren die häufigsten nicht- 2000 19% der Hauptschulen einen Migrantenanteil
deutschen Staatsangehörigkeiten die syrische (13,5%), von über 50% unter ihrer Schülerschaft hatten, wäh-
türkische (9,3%), polnische (6,3%) sowie rumänische rend dies nur auf 5% der Gymnasien zutraf. Ob sich
(5,3%). Im Schuljahr 2011/12 betrug der Anteil nicht- durch die gestiegenen Zuwanderungszahlen seit 2015
deutscher Schülerinnen und Schüler insgesamt noch die bereits lange bestehende Tendenz zur schulischen
8,5% und war auch an Gymnasien (4,1%) und Haupt- Segregation weiter verstärkt, wird in Teilkapitel 4.2.7
schulen (18,7%) niedriger (Statistisches Bundesamt behandelt.
2012a). Ein Grund für den Anstieg an Hauptschulen ist,
dass dort seit 2015 sehr viele Neuzugewanderte auf-
genommen wurden (Kap. 4.2.7). Das Schuljahr 2011/12 4.2.4 Sonderpädagogische
wird als Vergleichsjahr gewählt, da in diesem Jahr auch Förderung
eine Erhebung der IQB-Bildungstrends an weiterfüh-
renden Schulen (Pant u.a. 2013) stattfand. Im Schuljahr 2017/18 wurden 544.630 Schülerinnen und
In den IQB-Bildungstrends von 2015 wurde erfasst, Schüler des Primar- und Sekundarbereichs I sonderpä-
dass 29% der befragten Jugendlichen in der 9. Jahr- dagogisch gefördert (Kultusministerkonferenz 2019a).
gangsstufe im Schuljahr 2014/1540 einen Migrationshin- Ein solcher Förderbedarf kann geltend gemacht wer-
den, wenn die Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten
40 Die Ergebnisse der Bildungstrends 2018 werden voraussichtlich Ende eines Kindes oder eines Jugendlichen so beeinträchtigt
2019 veröffentlicht. sind, dass es dem Unterricht nur mit besonderer Unter-
112
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
Abb. 4-11: Nichtdeutsche Schüler/innen bzw. Schüler/innen mit Migrationshintergrund nach Schularten
im Sekundarbereich I 2011/12, 2014/15, 2017/18 (in %)
in %
100 5,0 5
11,0 9,7 12,2 5
96,4 8 11
95,9 95,0 14 17
89,0 90,3 87,8 10 10
80
11 11 80
77
60 70 67
40
20
0
2011/12 2014/15 2017/18 2011/12 2014/15 2017/18 2011/12 2014/15 2011/12 2014/15
Staatsangehörigkeit Migrationshintergrund
(nach Schulstatistik) (nach IQB-Bildungstrends)
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Schulstatistik 2011/12, 2014/15 und 2017/18; Pant u.a. (2013), Stanat u.a. (2016);
Schulstatistik: N2011/12= 4,2 Mio., N2014/15= 4,0 Mio., N2017/18= 4,0 Mio.; IQB-Bildungstrends: N2011/12= 44.584, N2014/15= 33.110.
Anmerkung: Zu anderen Schularten zählen Hauptschulen, Realschulen, Schulen mit mehreren Bildungsgängen sowie Gesamtschulen.
stützung folgen kann (Kultusministerkonferenz 2015). schüler keine deutschen Staatsangehörigen (Kultus-
Im Vergleich zum Schuljahr 2010/11 ist die Anzahl der ministerkonferenz 2019a). Damit ist dieser Anteil nur
Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischer geringfügig höher als der Anteil (10,5%) nichtdeutscher
Förderung gestiegen, obwohl die Schülerzahlen insge- Schülerinnen und Schüler im Primar- und Sekundarbe-
samt rückläufig waren (Kultusministerkonferenz 2019a, reich I insgesamt (Statistisches Bundesamt 2018d). Der
2018; Statistisches Bundesamt 2018d). Dadurch hat anteilsmäßig bedeutendste Förderschwerpunkt stellt
sich die Förderquote von 6,3 auf 7,2% erhöht. der Förderschwerpunkt Lernen dar, welchem 27,2% al-
Die Förderquoten unterschieden sich dabei zwi- ler und 31,0% der nichtdeutschen Förderschülerinnen
schen den Bundesländern und lagen 2016/17 zwischen und Förderschüler zugeordnet werden (Kultusminister-
4,2% im Saarland und 9,8% in Mecklenburg-Vorpom- konferenz 2019a). Der zweitwichtigste Förderschwer-
mern (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018). punkt ist geistige Entwicklung, welchem 25,0% aller
Ein Grund für die großen Unterschiede liegt in den ver- bzw. 28,0% der nichtdeutschen Förderschülerinnen
schiedenen Diagnosestandards der Länder, mit denen und Förderschüler zugeordnet wurden.
ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt Im Jahr 2009 trat Deutschland der UN-Behin-
wird (Klemm 2015). Die Förderquoten werden nicht dertenrechtskonvention bei. Ein Ziel dieser Konven-
getrennt nach Staatsangehörigkeit der Schülerinnen tion besteht darin, dass Schülerinnen und Schüler
und Schüler berechnet. Im Schuljahr 2017/18 waren mit sonderpädagogischem Förderbedarf verstärkt
allerdings 11,4% der Förderschülerinnen und Förder- an Regelschulen unterrichtet werden. Im Vergleich
113
Kinder- und Jugendmigrationsreport
zum Schuljahr 2010/11 besuchten aus diesem Grund Nichtdeutsche Kinder besuchten häufiger die Grund-
2017/18 mehr Schülerinnen und Schüler eine Regel- schule im Vergleich zur Gesamtheit aller Kinder, die
schule. Insgesamt wurden 42,5% aller Schülerinnen sonderpädagogisch gefördert werden. Ein Grund dafür
und Schüler mit sonderpädagogischer Förderung an könnte sein, dass Kinder ohne deutsche Staatsangehö-
Regelschulen unterrichtet (Kultusministerkonferenz rigkeit in den jungen Altersbereichen überrepräsentiert
2019a). Das bedeutet allerdings auch, dass mit 57,5% sind (Kap. 2.1). Im Sekundarbereich I besuchten nicht-
die Mehrheit weiterhin eine Förderschule besucht. Der deutsche Jugendliche dagegen zu einem geringeren An-
entsprechende Anteil nichtdeutscher Schülerinnen teil Hauptschulen und Schulen mit mehreren Bildungs-
und Schüler an Regelschulen kann nur eingeschränkt gängen, häufiger jedoch Gesamtschulen. Ein Grund
dargestellt werden, da in den Bundesländern Baden- für diese Unterschiede könnte in den verschiedenen
Württemberg, Niedersachsen, Saarland und Sach- Schulangeboten der Bundesländer liegen. So besuchen
sen-Anhalt die Staatsangehörigkeit von Schülerinnen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischer
und Schülern mit sonderpädagogischer Förderung an Förderung am häufigsten Gesamtschulen in Ländern,
Regelschulen nicht erhoben wird. In Bezug auf die in- wo neben der Gesamtschule nur noch das Gymnasium
klusive Beschulung von Jugendlichen mit sonderpä- als Schulart existiert (z.B. Hamburg, Bremen).
dagogischer Förderung kritisiert Klaus Klemm (2015), Ein weiterer Grund für die hohen Anteile an Gesamt-
dass im Schuljahr 2013/14 diese nur selten Realschu- schulen sowie die niedrigen Anteile an Hauptschulen
len oder Gymnasien besuchten, sondern größtenteils ist, dass in Ländern, in denen neben Haupt-, Realschu-
Haupt- oder Gesamtschulen. Die besuchten Regel- len und Gymnasium auch Gesamtschulen existieren
schulen im Schuljahr 2017/18 sind in der Abb. 4-12 (z.B. Hessen, Nordrhein-Westfalen), Schülerinnen und
dargestellt. Schüler mit sonderpädagogischer Förderung häufiger
eine Gesamt- als eine Hauptschule besuchen.
Bei Betrachtung der Förderschwerpunkte fällt auf,
Abb. 4-12: Besuchte Regelschule* von Schüler/innen dass mit 51,2% der nichtdeutschen Schülerinnen
mit sonderpädagogischer Förderung nach Staatsan- und Schüler ein höherer Anteil dem größtem Förder-
gehörigkeit 2017/18 (in %) schwerpunkt Lernen zugeordnet wird im Vergleich zu
den 43,8% unter allen Schülerinnen und Schülern mit
in % sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschu-
50
45,0
len. Der Anteil mit dem Förderschwerpunkt Lernen ist
42,0 dadurch an Regelschulen höher als an Förderschulen
40
31,7 mit 27,2%. Die größten Unterschiede bei den sonsti-
27,9
30 gen Förderschwerpunkten bestehen bei Sprache und
20 emotionaler und sozialer Entwicklung: Mit 16,1% wur-
11,4 de bei nichtdeutschen Kindern und Jugendlichen um
10,0
10
6,2 4,3 5,2
7,5
4,3 4,4 knapp drei Prozentpunkt häufiger der Förderschwer-
0 punkt Sprache, jedoch mit 12,9% um knapp 11 Pro-
Grund- Haupt- Real- Schule Gesamt- Gymnasium
schule schule schule mit schule zentpunkte seltener der Schwerpunkt emotionale und
mehreren soziale Entwicklung diagnostiziert im Vergleich zu allen
Bildungsgängen
Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem
insgesamt nichtdeutsch Förderbedarf an Regelschulen.
Insgesamt werden nichtdeutsche Schülerinnen und
Quelle: Kultusministerkonferenz, Sonderpädagogische Förderung in Schüler entsprechend ihres Anteils bezüglich aller Schü-
allgemeinen Schulen (ohne Förderschulen) 2017/18; N= 227.150. lerinnen und Schüler im Primar- und Sekundarbereich I
Anmerkungen: * ohne Vorschulbereich, Orientierungsbereich und
Waldorfschulen; ohne die Bundesländer Baden-Württemberg, sonderpädagogisch gefördert. Anhand der verfügbaren
Niedersachsen, Saarland und Sachsen-Anhalt, welche die Staatsan- Statistik der KMK können allerdings keine Schülerinnen
gehörigkeit der Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischer und Schüler mit Migrationshintergrund identifiziert wer-
Förderung, die an Regelschulen unterrichtet werden, nicht erheben.
den. Außerdem wird in vier Bundesländern die Staatsan-
gehörigkeit von Schülerinnen und Schüler mit sonderpä-
114
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
dagogischer Förderung, die an Regelschulen unterrichtet Neben den Unterschieden zwischen den Migrations-
werden, nicht erhoben. In den verbliebenen Ländern generationen wurden auch diejenigen zwischen ver-
weisen Inklusionsschülerinnen und Inklusionsschüler schiedenen Herkunftsländern betrachtet: Besonders
mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit einen überpro- große Nachteile in Deutsch und Englisch wiesen Ju-
portionalen Anteil an Grund- und Gesamtschulen auf. gendliche auf, deren Eltern aus der Türkei, dem ehe-
Der Anteil nichtdeutscher Schülerinnen und Schülern maligen Jugoslawien oder aus einem arabischen Land
an Gymnasien unterscheidet sich nicht vom Anteil al- stammen. Jugendliche, deren Eltern in Polen oder in
ler Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischer einem Nachfolgestaat der Sowjetunion geboren wur-
Förderung. Damit sind nichtdeutsche Schülerinnen und den, hatten geringere Nachteile in Deutsch und keine
Schüler an Schularten überrepräsentiert, an denen auch Nachteile in Englisch. Große Unterschiede zwischen
die Hochschulzugangsberechtigung erworben werden den untersuchten Gruppen fanden sich auch in Bezug
kann. Ein möglicher Grund für diese Unterschiede liegt auf Merkmale des familiären Hintergrundes: Eltern von
in den verschiedenen Schulangebotsstrukturen der Län- Jugendlichen ohne Migrationshintergrund übten Berufe
der. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Mehrheit der mit höherem sozioökonomischem Status aus und hat-
Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem ten höhere Bildungsabschlüsse erworben als Eltern von
Förderbedarf weiterhin eine Förderschule besuchen und Migrantinnen und Migranten.
nicht inklusiv an Regelschulen unterrichtet wird. Wenig überraschend gab die große Mehrheit der Be-
fragten ohne Migrationshintergrund an, zu Hause in der
Familie immer Deutsch zu sprechen, während dieser An-
4.2.5 Schulische Kompetenzen teil für Befragte mit Migrationshintergrund deutlich ge-
in der 9. Jahrgangsstufe ringer ausfällt (insbesondere, wenn beide Elternteile im
Ausland geboren wurden). Die verschiedenen Merkmale
In den IQB-Bildungstrends wurden im Jahr 2015 die der Herkunftsfamilien zeigen einen deutlichen Zusam-
sprachlichen Kompetenzen von Schülerinnen und menhang mit den gezeigten sprachlichen Leistungen:
Schülern der neunten Jahrgangsstufe in den Fächern je höher der Berufsstatus und das Bildungsniveau der
Deutsch und Englisch getestet (Stanat u.a. 2016). Diese Eltern, desto höher die Kompetenzen in Deutsch und
sprachlichen Kompetenzen am Ende der Pflichtschul- Englisch. Erwartungsgemäß war der Zusammenhang
zeit sind zentrale Voraussetzungen für erfolgreiche wei- zwischen nichtdeutscher Umgangssprache in der Fa-
tere Schul- oder Ausbildungswege. Dabei schnitten die milie und den englischen Sprachkompetenzen geringer
Jugendlichen mit Migrationshintergrund in allen Kom- ausgeprägt als für die Deutschkompetenzen. Allerdings
petenzbereichen schlechter ab als Jugendliche ohne konnten nicht alle Kompetenznachteile aufgrund des fa-
Migrationshintergrund (Haag u.a. 2016). Die Kompetenz- miliären Hintergrunds erklärt werden: Die Leistungen von
nachteile unterschieden sich allerdings sowohl nach Mi- Schülerinnen und Schülern, deren Eltern aus Polen oder
grationsgenerationen als auch nach Herkunftsländern: In Ländern der ehemaligen Sowjetunion stammten, unter-
den Kompetenzbereichen des Fachs Deutsch schnitten schieden sich zwar nicht mehr von den Leistungen von
Jugendliche mit zwei im Ausland geborenen Eltern41 Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Jugendliche,
schlechter ab als Befragte ohne Migrationshintergrund. deren beide Eltern in diesen osteuropäischen Ländern
Die Kompetenznachteile für Jugendliche mit nur einem geboren wurden, zeigten oftmals sogar bessere Leistun-
im Ausland geborenen Elternteil fielen dagegen deutlich gen in Englisch. Jugendliche mit Wurzeln in der Türkei,
geringer aus. Im Englischen konnten Kompetenznach- im ehemaligen Jugoslawien oder in einem arabischen
teile nur für Jugendliche mit zwei im Ausland geborenen Land zeigten jedoch auch unter Kontrolle des elterlichen
Eltern gefunden werden, nicht jedoch für die Gruppe mit Berufsstatus und deren Bildungsabschlüsse sowie des
nur einem ausländischen Elternteil. familialen Sprachgebrauchs schlechtere Leistungen
in Deutsch und Englisch. Dabei macht es auch keinen
41 Aufgrund der geringen Anzahl (unter 4%) an Jugendlichen der ersten Unterschied, ob nur ein Elternteil oder beide Eltern in
Generation werden diese nicht separat ausgewiesen, sondern zu den diesen Ländern geboren wurden. Jugendliche der ersten
Jugendlichen der zweiten Generation hinzugezählt und diese Gruppe
wird als „zwei im Ausland geborenen Elternteile“ bezeichnet (Haag u.a. und zweiten Generation konnten hier aufgrund zu gerin-
2016). ger Fallzahlen nicht unterschieden werden.
115
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Andere Forschungsarbeiten zeigten dagegen, dass die Herkunftsländer vollständig auf die soziale Herkunft der
Migrationsgenerationen einen Beitrag zur Erklärung die- Jugendlichen zurückführen. Für andere Herkunftslän-
ser Unterschiede zwischen verschiedenen Herkunfts- der (Türkei, ehemaliges Jugoslawien sowie arabische
ländern leisten: Andrea Müller und Petra Stanat (2006) Länder) bestehen allerdings auch unter Kontrolle der
weisen nach, dass die Kompetenznachteile im Lesen für sozialen Herkunft weiterhin Kompetenznachteile. Die
Heranwachsende aus Ländern der ehemaligen Sowjet- Gründe für die Unterschiede nach Herkunftsländern
union im Vergleich zu Heranwachsenden ohne Migrati- konnten in den IQB-Bildungstrends nicht ermittelt wer-
onshintergrund verschwanden, wenn Erstere der zweiten den. Andere Forschungsarbeiten sehen dagegen in der
Generation angehörten oder bereits vor der Einschulung Aufenthaltsdauer in Deutschland bzw. der Migrations-
nach Deutschland eingewandert waren. Ein entsprechen- generationenzugehörigkeit – und der damit verbunde-
der Effekt der Aufenthaltsdauer in Deutschland konnte für nen Umgangssprache in der Familie – einen Grund für
Türkeistämmige dagegen nicht gefunden werden. Einen diese Unterschiede nach Herkunftsländern.
Grund sehen die Autoren darin, dass unter Jugendlichen
der zweiten Generation Türkeistämmige zu Hause deut-
lich seltener Deutsch sprechen als Gleichaltrige mit Wur- 4.2.6 Erworbene Schulabschlüsse
zeln in Ländern der ehemaligen Sowjetunion.
Insgesamt fallen die Kompetenznachteile im Ver- Im Jahr 2017 haben 831.812 Schülerinnen und Schü-
gleich zu Personen ohne Migrationshintergrund für Ju- ler, darunter 8,9% mit nichtdeutscher Staatsangehörig-
gendliche mit nur einem im Ausland geborenen Elternteil keit, die Schule abgeschlossen (Statistisches Bundes-
geringer aus als für diejenigen mit zwei ausländischen amt 2018d). 2017 verließen weniger Schülerinnen und
Eltern (erste und zweite Generation). Des Weiteren las- Schüler die Schule mit einem Hauptschulabschluss im
sen sich die Kompetenznachteile für osteuropäische Vergleich zu 2011 (Abb. 4-13). Hingegen schlossen deut-
in %
100
38,8 36,3 16,7 17,4
80
35,9 36,1
60
38,7 43,6
40 35,6 28,4
20
17,4 15,0 18,1
11,8
0 5,0 5,2
2011 2017 2011 2017
deutsch nichtdeutsch
Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Schulstatistik 2011/12, 2017/18; N2011= 882 913, N2017= 831.812.
116
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
sche Absolventinnen und Absolventen die Schule nun im Alter von 18 bis unter 25 Jahren nach Migrations-
seltener mit dem (Fach-)Abitur ab, während dieser An- hintergrund (Abb. 4-14).
teil unter nichtdeutschen Jugendlichen angestiegen ist. Für die höchsten allgemeinbildenden Schulab-
Negativ ist die Entwicklung der Jugendlichen, die ohne schlüsse unter jungen Erwachsenen lassen sich für
Abschluss von der Schule abgegangen sind; deren An- die Jahre 2011 und 2017 unterschiedliche Entwicklun-
teil hat sich unter Deutschen nur minimal erhöht, unter gen feststellen: Eine durchweg positive Entwicklung
nichtdeutschen Jugendlichen ist dieser allerdings um weisen die Abschlüsse von jungen Erwachsenen ohne
mehr als 6 Prozentpunkte auf 18,1% angestiegen. Junge Migrationshintergrund auf. Der Anteil ohne Abschluss
Frauen sind bei den Schulabschlüssen erfolgreicher als sowie mit Hauptschulabschluss ist zurückgegangen,
junge Männer: Sie verließen 2017 seltener die Schule mit während der Anteil mit (Fach-)Abitur gestiegen ist.
keinem oder einem Hauptschulabschluss und häufiger Bei den jungen Erwachsenen der zweiten bzw. drit-
mit dem (Fach-)Abitur. Dies gilt für deutsche wie nicht- ten Generation ist eine vergleichbare positive Ent-
deutsche Frauen. wicklung festzustellen. Allerdings haben sie dennoch
Die erworbenen Schulabschlüsse eines Jahrgangs insgesamt schlechtere Schulabschlüsse erworben als
sind nicht gleichbedeutend mit den höchsten erreich- die Absolventinnen und Absolventen ohne Migrations-
ten Schulabschlüssen, weil Abschlüsse nachgeholt hintergrund. Die Schulabschlüsse von jungen Erwach-
werden können. Außerdem können die Absolventin- senen der ersten Generation haben sich dagegen in
nen und Absolventen in der Schulstatistik wieder nur zwei verschiedene Richtungen entwickelt: Zum einen
nach Staatsangehörigkeit unterschieden werden. Der ist der Anteil der jungen Erwachsenen mit (Fach-)
Mikrozensus ermöglicht Aussagen zu den höchsten er- Abitur um 9 Prozentpunkte auf 41,4% gestiegen. Im
reichten Schulabschlüssen von jungen Erwachsenen selben Zeitraum hat sich auch der Anteil der jungen
Abb. 4-14: Höchster allgemeiner Schulabschluss der 18- bis unter 25-Jährigen nach Migrationshintergrund
2011, 2017 (in %)
in %
100
60 26,2
28,4 27,2
18,3
33,0
40
29,5 24,2
16,6 25,8 18,7
20 16, 6 6,4
11,5 13,4
6,3
9,5 17,4 13,9 8,0 8,1
8,7
0
2011 2017 2011 2017 2011 2017
ohne Migrationshintergrund 2./3. Generation 1. Generation
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2011, 2017; N2011= 6,4 Mio., N2017= 6,1 Mio.
117
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 4-15: Höchster allgemeiner Schulabschluss der 18- bis unter 25-Jährigen der ersten Migrationsgenera-
tion nach Herkunftsländern 2017 (in %)
in %
100
36,8 42,2
33,8
80
57,7
60
21,9 16,4
26,6
40 19,1
17,9 25,8
18,8
20 16,4 18,8
12,8
12,6
6,4
11,4 8,4
5,1 6,0
0
EU-15 EU-Ost Naher/Mittl. Osten Ehem. SU
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; N= 6,1 Mio.
Anmerkungen: Aufgrund zu geringer Fallzahlen für einige Herkunftsländer (z.B. Polen, Türkei) kann in dieser Grafik die Herkunftsklassifikation
aus Kap. 2.2 nicht exakt wiedergegeben werden.
Erwachsenen mit maximal Hauptschulabschluss um gewandert sind, unterdurchschnittlich häufig das (Fach-)
7 Prozentpunkte verringert. Auf der anderen Seite Abitur erlangt und überdurchschnittlich oft die Schule
verdoppelte sich der Anteil der jungen Erwachsenen ohne einen Abschluss verlassen haben. Auffallend ist der
ohne Schulabschluss auf 13,4%. In allen drei Gruppen hohe Anteil an Zugewanderten mit (Fach-)Abitur aus den
haben Frauen 2017 häufiger als Männer das (Fach-) EU-15-Ländern. Zugewanderte aus den osteuropäischen
Abitur erworben und seltener die Schule ohne Ab- EU-Ländern sowie den EU-15-Ländern stellen dabei seit
schluss oder mit einem Hauptschulabschluss verlas- vielen Jahren die größten Herkunftsgruppen und sind
sen (Statistisches Bundesamt 2018a). eine Folge der europäischen Niederlassungsfreiheit (Kap.
Um eine Erklärung für diese gegensätzliche Entwick- 2.2). Junge Erwachsene aus den EU-15-Ländern haben
lung der jungen Erwachsenen der ersten Generation zu deutlich bessere Schulabschlüsse erworben als Zuge-
finden, werden im Folgenden die höchsten Schulab- wanderte aus den osteuropäischen Ländern. Anhand
schlüsse der Zugewanderten nach Herkunftsländern be- des Mikrozensus kann allerdings nicht beurteilt werden,
trachtet (Abb. 4-15). Es zeigt sich, dass junge Erwachsene ob die Zugewanderten ihre Schulabschlüsse in Deutsch-
der ersten Generation,42 die aus einem Land der EU-Ost- land oder bereits im Herkunftsland erworben haben. Die
erweiterung sowie des Nahen und Mittleren Ostens zu- Ergebnisse der Hochschulstatistik deuten allerdings dar-
auf hin, dass zumindest nichtdeutsche Studierende ihre
Hochschulzugangsberechtigung größtenteils im Her-
42 Personen der zweiten bzw. dritten Generation können außerdem we-
gen zu geringer Fallzahlen für einige Herkunftsländer nicht ausgewie- kunftsland erworben haben und dann zum Studieren
sen werden. nach Deutschland gekommen sind (Kap. 4.4.2).
118
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
Ein zentrales Ergebnis der Schulabschlüsse ist, dass 4.2.7 Neuzugewanderte Kinder
sowohl Absolventinnen und Absolventen mit nicht- und Jugendliche an Schulen
deutscher Staatsangehörigkeit des Schuljahrs 2017/18
als auch junge Erwachsene mit Migrationshintergrund In den Jahren von 2015 bis 2017 sind 470.304 Kinder
schlechtere Schulabschlüsse erlangt haben als deut- und Jugendliche im Alter von 5 bis 15 Jahren – alleine
sche bzw. junge Erwachsene ohne Migrationshinter- oder mit ihren Eltern – nach Deutschland eingewan-
grund. Wenige und auch schon ältere Forschungs- dert (Statistisches Bundesamt 2018b, 2017e, 2016).
ergebnisse weisen auch bei den Schulabschlüssen In diesen Jahren verstärkte sich ein Trend der steigen-
darauf hin, dass die Unterschiede nach Migrations- den Zuwanderung Minderjähriger, der bereits seit 2008
hintergrund sich verringern, wenn die soziale Herkunft beobachtet werden kann (Kap. 2.2.1.; Brüggemann/
der jungen Erwachsenen berücksichtigt wird (Sachver- Nikolai 2016). Ein knappes Drittel stammte dabei aus
ständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und einem EU-Land. Das ist ein vergleichsweise niedriger
Migration 2016). Anteil, weil in diesen Jahren sehr viele Asylsuchende
Die Entwicklung der letzten Jahre verdeutlicht, dass nach Deutschland eingewandert sind (Kap. 2.1). Be-
junge Erwachsene ohne deutsche Staatsangehörig- sonders hoch war dabei der Zuzug von jungen Asylsu-
keit sowie Personen mit Migrationshintergrund nun chenden in den Jahren 2015 und 2016: Alleine im Jahr
häufiger eine fachgebundene oder allgemeine Hoch- 2016 stellten 140.801 Kinder und Jugendliche im Alter
schulreife erreichen. Gleichzeitig können diese Be- zwischen 4 und 15 Jahren einen Asylantrag in Deutsch-
völkerungsgruppen allerdings auch häufiger keinerlei land (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2017).
Schulabschlüsse vorweisen. Diese Entwicklung ist vor- Vor der starken Zuwanderung an Asylsuchenden und
rangig auf diejenigen zurückzuführen, die im Ausland auch mit deren Rückgang dominiert die EU-Binnenmi-
geboren wurden und nach Deutschland zugewandert gration das Zuwanderungsgeschehen (Abb. 2-7).
sind. Unter den Zugewanderten bestehen außerdem Unter „neuzugewanderten Schülerinnen und Schü-
große Unterschiede in den erlangten Schulabschlüssen lern“ werden im Folgenden Kinder und Jugendliche im
nach Herkunftsländern. Mögliche Gründe dafür liegen schulpflichtigen Alter verstanden, die in den Jahren von
in den verschiedenen Motiven zur Zuwanderung nach 2014 bis 2016 nach Deutschland eingewandert sind
Deutschland: Während Zuwanderer aus EU-15-Län- und zu diesem Zeitpunkt über keine oder nur gerin-
dern häufig hochqualifiziert sind und zur Aufnahme ei- ge Deutschkenntnisse verfügten (Massumi/von Dewitz
nes Studiums oder wegen der beruflichen Perspektiven 2015). Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland –
migrieren, haben Zugewanderte aus dem Nahen und egal ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen
Mittleren Osten oftmals nur niedrige Schulabschlüs- oder nicht – sind ab Vollendung des sechsten Lebens-
se erlangt und wandern aus anderen Motiven zu (z.B. jahres schulpflichtig (Kultusministerkonferenz 2017). Die
aufgrund von Perspektivlosigkeit in der Heimat, Krieg Vollzeitschulpflicht beträgt in den meisten Bundeslän-
und Verfolgung). Der Mikrozensus weist allerdings dern 9 oder 10 Schuljahre. Der Zeitpunkt der Schulpflicht
nicht aus, in welchem Land Zugewanderte ihre Schul- für junge Asylsuchende unterscheidet sich allerdings zwi-
abschlüsse erworben haben. Die Hochschulstatistik schen den Bundesländern. In einigen Ländern beginnt
deutet allerdings zumindest für Studierende ohne deut- deren Schulpflicht dann, wenn sie in einer Erstaufnahme-
sche Staatsangehörigkeit darauf hin, dass diese ihre einrichtung untergebracht sind; in anderen Ländern erst
Hochschulzugangsberechtigung größtenteils bereits dann, nachdem sie die Erstaufnahmeeinrichtung verlas-
im Herkunftsland erworben haben (Kap. 4.4.2). Wegen sen haben und einer Kommune zugewiesen wurden. In
der großen Unterschiede in den erlangten Schulab- einigen Ländern beginnt die Schulpflicht drei oder sechs
schlüssen selbst Zugewanderter beschäftigt sich der Monate nach Einreise nach Deutschland – unabhängig
folgende Abschnitt mit der schulischen Situation von davon, wo die Asylsuchenden untergebracht sind (Auto-
Jugendlichen, die im Ausland geboren wurden und erst rengruppe Bildungsberichterstattung 2018).
vor wenigen Jahren nach Deutschland zugewandert Im Jahr 2018 befragte das Deutsche Jugendinstitut
sind und hier eine Schule besuchen. (DJI) Schulleitungen aus insgesamt 536 nicht-gymna-
sialen Schulen im Sekundarbereich I in den Bundeslän-
dern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Sach-
119
Kinder- und Jugendmigrationsreport
sen-Anhalt und Schleswig-Holstein, ob sie seit dem ren Gesamtanzahl an Schülerinnen und Schülern haben
Schuljahr 2015/16 neuzugewanderte Schülerinnen und auch mehr Neuzugewanderte aufgenommen. Um die
Schüler in ihren Schulen aufgenommen haben. Von ih- unterschiedlichen Schulgrößen zu berücksichtigen, wird
nen gaben 468 an, Neuzugewanderte aufgenommen zu im Folgenden der Anteil der Neuzugewanderten unter
haben, 51 verneinten dies und 17 gaben an, überhaupt allen Schülerinnen und Schülern einer Schule betrach-
keine Schülerinnen und Schüler mit Migrationshinter- tet. Der mittlere Anteil der Neuzugewanderten unter allen
grund (definiert über die nichtdeutsche Muttersprache) Jugendlichen einer Schule lag bei rund 15%.
zu haben. Die Teilnahme an der Befragung war freiwillig. Die Herkunftsländer der Jugendlichen stimmten
Die Ergebnisse können deswegen nicht auf alle Schu- weitgehend mit den amtlichen Daten des Ausländer-
len in diesen vier Bundesländern, geschweige denn auf zentralregisters oder des Bundesamtes für Migration
ganz Deutschland übertragen werden. und Flüchtlinge überein (Kap. 2.2): Die Neuzugewan-
In der Stichprobe hatten Schulen mit Neuzugewander- derten in den Schulen kommen überwiegend aus den
ten eine durchschnittliche Gesamtschülerzahl von 324 Asylherkunftsländern Syrien (94% der Schulen), Afgha-
und durchschnittlich 31 Neuzugewanderte in den letzten nistan (74%) und dem Irak (69%). Ähnlich häufig sind
Jahren aufgenommen. Die Anzahl variierte zwischen den auch Jugendliche aus den EU-Mitgliedsstaaten (74%)
Schulen sehr stark, und zwar zwischen 1 und 260 Neu- oder aus Staaten des sonstigen Europas wie Serbien
zugewanderten. Dabei hängt der Umfang stark von der oder der Ukraine (66%) aufgenommen worden. Die
Größe der jeweiligen Schule ab: Schulen mit einer höhe- meisten der seit dem Schuljahr 2015/16 Neuzugewan-
120
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
121
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 4-16: Schulorganisatorische Modelle der Be- Regelklassen besuchen und sie dort an den allgemeinen
schulung von neuzugewanderten Schüler/innen an Tests für alle Schülerinnen und Schüler teilnehmen. Au-
den befragten Schulen 2017 (in %) ßerdem gaben sie nur selten zusätzliche Personal- oder
Sachmittel an. Die Zusammenarbeit mit der Asylsozial-
arbeit und den kommunalen Koordinationszentren bzw.
11,6% Koordinationsstellen zur Integration der Neuzugewan-
21,8% derten bzw. Flüchtlingen findet in diesen Schulen selte-
ner statt als in Schulen der anderen Modelle. Die Neu-
15,7% zugewanderten erhalten aber in diesen Schulen häufiger
Unterstützung durch allgemeine Förderangebote, die
2,0%
allen Schülerinnen und Schülern offenstehen.
Gar keine bzw. nur sehr wenige Schulen wurden
48,9% dem parallelen Modell Schulabschluss bzw. dem teil-
integrativen Modell zugeordnet. Knapp die Hälfte der
Schulen wurde dem parallelen Modell zugeordnet, da-
bei werden Neuzugewanderte in speziell eingerichteten
Klassen unterrichtet. Diese gesonderten Klassen wer-
submersives Modell integratives Modell den eher eingerichtet, wenn eine hohe Anzahl an Neu-
teilintegratives Modell paralleles Modell zugewanderten in der Schule aufgenommen wurde.
mehrere Modellarten Schulen dieses Modells erfassen mehrheitlich regel-
mäßig die schulischen Leistungen und Kompetenzen
Quelle: DJI, Neuzuwandererbefragung – Schulleitungsbefragung der Schülerinnen und Schüler. Dadurch kann der rich-
2017; n= 468. tige Zeitpunkt ermittelt werden, wann die Schülerinnen
und Schüler in eine Regelklasse wechseln können. Sie
bekommen häufig zusätzliche personelle Mittel. Dabei
27% der Schulen der Neuzuwanderer-Studie unter- handelt es sich größtenteils um zusätzliche Lehrkräfte,
richten die Neuzugewanderten von Beginn an in Regel- aber auch um ehrenamtlich Tätige sowie um pädagogi-
klassen im Rahmen des submersiven und integrativen sche Fachkräfte. Den Neuzugewanderten stehen häu-
Modells (Abb. 4-16). Diese Modelle werden vor allem in figer spezifische Angebote offen, die sich speziell an
Schulen praktiziert, an denen diese Schülerinnen und sie richten, beispielsweise die individuelle Begleitung
Schüler nur einen geringen Anteil an der Schülerschaft durch Lehr- und Betreuungspersonen oder spezifische
ausmachen. So zeigt die Tab. 4-3, dass an 70 bzw. Kurse zur Abschlussförderung.
34% der Schulen mit dem submersiven bzw. integra- In einer Befragung von Schulleitungen aus 8 Ganz-
tiven Modell die Neuzugewanderten nur zwischen 0,1 tags-Gymnasien in NRW zeigten Johanna Otto u.a.
und 2,7%43 der Gesamtschülerzahl ausmachen. Einige (2016), dass alle Schulen, die Neuzugewanderte auf-
Bildungsbehörden der Bundesländer – beispielsweise genommen haben, auch zusätzliche Ressourcen er-
Berlin (Schreier u.a. 2017) und Nordrhein-Westfalen hielten. Dabei handelte es sich im Besonderen um
(Otto u.a. 2016) – gestatten die Einrichtung von sepa- zusätzliches Personal mit speziellen Qualifikationen
raten Klassen erst bei höheren Anteilen an Neuzuge- (z.B. Lehrkräfte mit der Zusatzqualifikation Deutsch als
wanderten. Fremdsprache), Fortbildungsmöglichkeiten (z.B. über
Schulen dieser Modelle verzichten mehrheitlich auf den Umgang mit traumatisierten Jugendlichen) oder
eigene Leistungs- bzw. Kompetenztests. Ein Grund finanzielle Unterstützung und Ehrenamtliches Engage-
könnte darin liegen, dass die Neuzugewanderten bereits ment durch außerschulische Partner. Auch die Schulen
des parallelen Modells der vorliegenden Stichprobe be-
43 Die Schulen wurden anhand der Anteile der Neuzugewanderten an der richten von zusätzlichen Ressourcen.
Gesamtschülerzahl in vier gleich große Gruppen eingeteilt (Quartile). In Bei den dargestellten Modellen handelt es sich um
der niedrigsten Gruppe machen Neuzugewanderte einen Anteil von
0,1 bis 2,7% der Gesamtschülerzahl aus, in der Gruppe mit den meis- Idealtypen und in der Praxis existieren zahlreiche Über-
ten Neuzugewanderten mehr als 12,6%. schneidungen und Mischmodelle (von Dewitz/Massumi
122
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
123
Kinder- und Jugendmigrationsreport
2017). 22% der Schulen konnten deswegen mehreren ten Generation ihre Schulabschlüsse erst in Deutsch-
Modellen gleichzeitig zugeordnet werden. Der Anteil land oder bereits im Herkunftsland erworben haben.
dieser Schulen steigt, je höher der Anteil der Neuzu- Die Neuzugewanderten-Studie untersucht die Situation
gewanderten in der Schülerschaft einer Schule ist. Au- neuzugewanderter Jugendlicher, welche in Deutsch-
ßerdem fällt auf, dass die Schulen dieses Typs häufig land eine Schule besuchen. Ein zentrales Ergebnis
eigene Leistungs- oder Kompetenztests durchführen. zeigt, dass Schulen durch verschiedene Beschulungs-
Ein Grund dafür könnte sein, dass diese Schulen die modelle auf diese unterschiedlichen Bildungsvoraus-
Neuzugewanderten jeweils nach ihren Sprachkenntnis- setzungen reagieren. Ein Teil der neuzugewanderten
sen bzw. Lernfortschritten unterschiedlich stark in den Jugendlichen wird von Beginn an in Regelklassen un-
Regelunterricht integrieren. terrichtet, ein anderer Teil jedoch zu Beginn in sepa-
rat eingerichteten Klassen, in denen das Erlernen der
Fazit deutschen Sprache im Zentrum steht. Dies ist vor allem
In den letzten Jahren hat sich der Anteil an Schülerin- der Fall, wenn in einer Schule viele Neuzugewanderte
nen und Schülern mit Migrationshintergrund an deut- aufgenommen wurden. In allen Schulen jedoch ist der
schen Schulen erhöht und ist etwa viermal so hoch wie Übergang in Regelklassen vorgesehen, wenn die Vor-
der Anteil an Schülerinnen und Schülern ohne deutsche aussetzungen dafür gegeben sind.
Staatsangehörigkeit. Die Staatsangehörigkeit alleine ist Eine offene Frage ist, ob sich die schulischen Leis-
demnach (schon lange) nicht mehr geeignet, die eth- tungen, Schulzufriedenheit und Bildungsziele der Neu-
nische Vielfalt in den Schulen zu erfassen und sollte zugewanderten unterschiedlich entwickeln, je nach-
sehr rasch in der Schulstatistik um den Migrationshin- dem, ob sie in ihren Schulen Regelklassen oder speziell
tergrund ergänzt werden. Entsprechende Bemühungen eingerichtete Klassen besuchen.
haben bereits in allen Bundesländern begonnen.
Der Mikrozensus und die Surveys konnten zeigen,
dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshinter-
grund an verschiedenen Stellen und Übergängen des
Schulsystems schlechtere Bildungsergebnisse auf-
weisen als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne
Zuwanderungshintergrund: z.B. seltenere Übergänge
in das Gymnasium nach der Grundschulzeit, Kom-
petenznachteile in der 9. Jahrgangsstufe sowie nied-
rigere Schulabschlüsse. Diese Nachteile sind aber zu
einem großen Teil auf deren nachteilige familiäre Her-
kunftsmerkmale zurückzuführen. Bei Berücksichtigung
dieser Merkmale (elterliche Bildungsabschlüsse oder
Familiensprache) ergeben sich für Migrantinnen und
Migranten nur noch geringere Nachteile oder sogar
Vorteile, was insbesondere von deren Herkunftsländern
abhängt.
Bei den erreichten Schulabschlüssen junger Er-
wachsener stechen die Personen der ersten Gene-
ration heraus: Diese haben im Vergleich zu Personen
der zweiten und dritten Generation sowohl häufiger die
Schule ohne Abschluss verlassen als auch häufiger mit
dem (Fach-)Abitur. Ein Grund für diese Heterogenität
ist, dass Zugewanderte aus verschiedenen Herkunfts-
ländern über ganz unterschiedliche Bildungsvorausset-
zungen verfügen. Anhand der Datenlage ist allerdings
nur schwer ersichtlich, ob die Zugewanderten der ers-
124
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
125
Kinder- und Jugendmigrationsreport
126
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
Abb. 4-17: Neuzugänge in die drei Sektoren des Ausbildungssystem nach Staatsangehörigkeit 2012, 2017
(in %)
in %
100
53,3 53,4 37,1 30,3
80
12,4
60
16,4
57,3
20 24,4 23,1
0
2012 2017 2012 2017
deutsch nichtdeutsch
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Integrierte Ausbildungsberichterstattung 2012, 2017; N2012= 977.330, N2017= 996.537.
deutschen Neuzugänge in den Übergangssektor einge- bevorzugen einen weiteren Schulbesuch, um höhere
stiegen, während es 2012 noch unter 50% waren. Der Schulabschlüsse nachzuholen (Bundesinstitut für Be-
Hauptgrund dafür liegt in der starken Zuwanderung von rufsbildung 2018; Hunkler/Tjaden 2018; Beicht 2015;
Asylsuchenden unmittelbar in den Jahren davor (Kap. Beicht/Eberhard 2013; Geier u.a. 2011). Erst ab der
2.2). Das Schulberufssystem verzeichnet die gerings- dritten Generation streben Jugendliche mit und ohne
ten Neuzugänge: Während der Anteil der deutschen Migrationshintergrund ähnlich häufig eine duale oder
Auszubildenden in den letzten Jahren leicht gestiegen schulische Berufsausbildung an (Beicht/Walden 2017).
ist, geht der Anteil derjenigen ohne deutsche Staats-
angehörigkeit dagegen zurück.
Ähnliche Unterschiede konnten anhand von NEPS- 4.3.2 Übergangssektor
Daten auch in Bezug auf den Migrationshintergrund
beobachtet werden: So haben Absolventinnen und Ab- Im Jahr 2017 gab es 291.924 Neuzugänge in den
solventen, welche die Schule mit höchstens mittlerem Übergangssektor, von denen 103.011 keine deutsche
Schulabschluss verlassen haben, ohne Migrations- Staatsangehörigkeit besaßen (35,3%). Die Anzahl der
hintergrund häufiger eine duale Ausbildung begonnen Neuzugänge hat sich seit 2012 um über 32.000 Per-
und seltener einen Bildungsgang im Übergangssektor sonen erhöht und der Anteil Nichtdeutscher hat sich
begonnen als Jugendliche mit Migrationshintergrund von 17,2% im Jahr 2012 auf 35,3% in 2017 mehr als
(Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018). Ein verdoppelt. Unter den Neuzugängen 2017 haben junge
Grund für diese Unterschiede liegt an den vielfältigen Männer insgesamt einen Anteil von 65,1%. Der Män-
Bildungszielen von Schulabsolventinnen und Schulab- neranteil liegt mit 73,9% unter nichtdeutschen Neuzu-
solventen. So streben Jugendliche mit Migrationshin- gängen dabei nochmal höher (Statistisches Bundesamt
tergrund seltener eine Berufsausbildung an, sondern 2018h).
127
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 4-18: Neuzugänge in Bildungsgänge des Übergangssektors nach Staatsangehörigkeit 2012, 2017 (in %)
in %
100 5,2
20,6 19,3 15,7 5,3
80 61,8
7,3
7,2 5,7
23,5
18,9
60 14,2
20 24,1
10,3 10,9
0
2012 2017 2012 2017
deutsch nichtdeutsch
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Integrierte Ausbildungsberichterstattung 2012, 2017; N2012= 259.727, N2017= 291.924.
Beim Übergangssektor handelt es sich um eine Vielzahl nen und Schüler auf eine berufliche Ausbildung vorbe-
von Bildungsgängen und Maßnahmen, welche durch reiten. Außerdem können dort auch (höhere) Schulab-
unterschiedliche institutionelle Strukturen, Ziele, Ver- schlüsse erworben werden (Statistisches Bundesamt
antwortungs- und Finanzierungsquellen geprägt sind. 2018e). Aktuell nimmt die Mehrheit nichtdeutscher
Grundsätzlich lässt sich die Vielzahl in zwei Gruppen Neuzugänge am Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) teil.
einteilen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung Dieses bereitet Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag
2018): auf eine berufliche Ausbildung vor. Der Unterricht er-
Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA) so- folgt in Vollzeit- oder Teilzeitform, begleitet durch Prak-
wie Berufsvorbereitungskurse an beruflichen Schulen tika in Unternehmen. Der starke Zuwachs im Berufsvor-
in Verantwortung der einzelnen Bundesländer. Diesen bereitungsjahr ist vor allem auf die gestiegenen Zahlen
Bildungsgängen ist gemein, dass sie zu keinem qua- der Asylsuchenden der letzten Jahre zurückzuführen:
lifizierenden Berufsabschluss führen, sondern nur die So stammten 60% der Neuzugänge ohne deutsche
Einstiegsvoraussetzungen in eine Berufsausbildung Staatsangehörigkeit in das BVJ im Jahr 201645 alleine
verbessern oder Schulabschlüsse nachgeholt werden aus Syrien, Afghanistan sowie dem Irak (Autorengruppe
können. Bildungsberichterstattung 2018).
Im Vergleich zum Jahr 2012 lassen sich 2017 zahl- Das schulische Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) hat
reiche Veränderungen feststellen (Abb. 4-18): Während an Bedeutung verloren und spielt heute nur noch eine
2012 für alle Neuzugänge Berufsfachschulen der be- marginale Rolle. Damit setzt sich ein Trend fort, der be-
deutendste Bildungsgang war, trifft dies 2017 nur noch
für deutsche Staatsangehörige zu. An Berufsfachschu- 45 Die Daten entstammen einer Sonderauswertung der Integrierten Aus-
bildungsberichterstattung für das Jahr 2016. Standardmäßig wird die
len werden meist in Vollzeitunterricht allgemeine oder ausländische Staatsangehörigkeit in der jährlichen Ausbildungsbe-
fachliche Lerninhalte vermittelt, welche die Schülerin- richterstattung nicht ausgewiesen.
128
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
reits seit 2007 beobachtet werden kann (Seeber u.a. oder die Art des besuchten Bildungsgangs keine Rolle
2018). Die Bedeutung der durch die Bundesagentur für beim Übergang in eine Ausbildung spielten. Die Chan-
Arbeit geförderten Maßnahmen (Berufsvorbereitende ce auf eine Ausbildung verbesserte sich lediglich mit
Maßnahmen der Bundesagentur oder die Einstiegs- einem höheren allgemeinbildenden Schulabschluss am
qualifizierung) hat sich in den letzten Jahren nur gering- Ende des Bildungsgangs.
fügig verändert. Allerdings fällt auf, dass Nichtdeut- Die integrierte Ausbildungsberichterstattung weist
sche seltener an Berufsvorbereitenden Maßnahmen aus, ob Absolventinnen und Absolventen im Rahmen
der Arbeitsagentur teilnehmen und dieser Anteil sich in eines Bildungsgangs einen (höheren) Schulabschluss
den letzten Jahren weiter verringert hat. Gründe dafür gemacht haben. 2017 haben 25,5% einen Schulab-
sind, dass zum einen nur ein Teil der Asylsuchenden schluss erworben. Dabei handelte es sich zu 55,3% um
mit bestimmtem Aufenthaltsstatus an diesen allgemei- einen Hauptschul- und zu 44,7% um einen mittleren
nen Fördermaßnahmen teilnehmen darf. Zum anderen Abschluss. Allerdings werden diese Ergebnisse nicht
wurden spezielle Berufsfördermaßnahmen für Asylsu- nach Staatsangehörigkeit getrennt ausgewiesen (Sta-
chende neu entwickelt, die aber in der Integrierten Aus- tistisches Bundesamt 2018h).
bildungsberichterstattung nicht erfasst werden (Kap. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der
4.3.6; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018). Anteil nichtdeutscher Neuzugänge in den Übergangs-
Deutsche Neuzugänge in den Übergangssektor sektor sich innerhalb von fünf Jahren verdoppelt hat.
konnten im Jahr 2016 deutlich bessere Schulabschlüs- Diese nehmen überwiegend am Berufsvorbereitungs-
se vorweisen: 46,5% haben einen Hauptschulabschluss jahr teil. Ein Grund könnte darin liegen, dass der Pra-
und 26,5% einen mittleren Schulabschluss erworben. xisanteil dort höher, der theoretische Anteil in der
Demgegenüber stehen nur 20,0% bzw. 7,8% unter den Berufsschule dagegen geringer ist als in anderen Bil-
Nichtdeutschen. Andererseits haben mit 41,2% dop- dungsgängen. Dadurch fallen eventuelle Sprachdefizite
pelt so viele nichtdeutsche Schulabgängerinnen und nicht so sehr ins Gewicht. Aufgrund der Datenlage kann
Schulabgänger die Schule ohne einen Abschluss ver- aber nicht abschließend beantwortet werden, ob deut-
lassen als deutsche (21,3%) (Autorengruppe Bildungs- sche und nichtdeutsche Teilnehmende sich im erfolg-
berichterstattung 2018). reichen Durchlaufen des Übergangssektors unterschei-
Die Ziele des Übergangssystems bestehen darin, den, weil entsprechende Daten nicht ausgewiesen
Jugendliche auf eine Berufsausbildung vorzubereiten werden. Einzelne Studien deuten aber darauf hin, dass
oder (höhere) Schulabschlüsse nachzuholen. Es exis- nur die erreichten Schulabschlüsse für den Übergang in
tieren allerdings nur wenige empirische Arbeiten, die eine Ausbildung bedeutsam sind; der Migrationshinter-
nachweisen, ob diese Ziele auch erreicht werden. An- grund oder die familiäre Bildungsherkunft spielen da-
hand der NEPS-Daten konnte gezeigt werden, dass gegen nur eine untergeordnete Rolle.
etwa die Hälfte der Teilnehmenden im Übergangssys-
tem nach einer (43%) oder zwei und mehr (8%) ab-
solvierten Bildungsgängen in eine duale Ausbildung 4.3.3 Duales System
übergeht. Weitere 11% nahmen eine Ausbildung im
Schulberufssystem auf. Damit schaffen gut 60% der Die Verbindung von Theorie und Praxis in der dualen
Jugendlichen des Übergangssektors nach einer oder Ausbildung gilt als ein Hauptgrund für die im euro-
mehreren Bildungsgängen den Einstieg in eine beruf- päischen Vergleich geringe Jugendarbeitslosigkeit in
liche Ausbildung. Das bedeutet aber auch, dass 40% Deutschland (Bundesinstitut für Berufsbildung 2018).
keine Ausbildung aufgenommen haben (Autorengruppe Da sie im Betrieb ausgebildet werden, können Absol-
Bildungsberichterstattung 2018). Eine Aufschlüsselung ventinnen und Absolventen einer Ausbildung im dualen
nach Migrationshintergrund oder Staatsangehörigkeit System nach einer kurzen Anpassungsphase als voll-
wird hier allerdings nicht vorgenommen. Allerdings wertige Fachkräfte eingesetzt werden (Brenke 2012).
konnten Ursula Beicht und Verena Eberhard (2013) mit Der Anteil von knapp 50% an Neuzugängen ins
Daten der Übergangsstudie des Bundesinstituts für Berufsbildungssystem im Jahr 2017 zeigt die Bedeu-
Berufsbildung (BIBB) zeigen, dass Merkmale wie der tung dieses Sektors (Abb. 4-17): 490.267 Personen
Migrationshintergrund, die Berufsabschlüsse der Eltern haben 2017 eine Berufsausbildung im dualen Sys-
129
Kinder- und Jugendmigrationsreport
in %
100
7,2 8,0 12,7 11,0
60
61,0 59,8
55,1
50,3
40
20
0
2012 2017 2012 2017
deutsch nichtdeutsch
Industrie und Handel Handwerk Land- und Hauswirtschaft Öffentlicher Dienst Freie Berufe
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Berufsbildungsstatistik 2012, 2017; N2012= 549.003, N2017= 515.679.
tem begonnen, unter denen 11,1% keine deutschen 2017 unterschiedlich entwickelt. Während unter deut-
Staatsangehörigen waren (Statistisches Bundesamt schen Jugendlichen das Verhältnis dieser Bereiche
2018c). Die häufigsten ausländischen Staatsangehö- konstant geblieben ist, hat sich der Anteil der nicht-
rigkeiten waren die der Türkei (17,5%), Afghanistans deutschen Anfängerinnen und Anfänger im Handwerk
(11,0%), Syriens (8,7%), Italiens (5,9%) sowie Polens seit 2012 um sechs Prozentpunkte auf über ein Drittel
(3,4%). Im Jahr 2012 betrug der Anteil ohne deut- erhöht (Abb. 4-19). Personen ohne deutsche Staatsan-
sche Staatsangehörigkeit noch 7,1% (Statistisches gehörigkeit beginnen häufiger eine Ausbildung in den
Bundesamt 2012b). 2017 waren 36,9% der Auszu- Freien Berufen46 und seltener in der Land- und Haus-
bildenden insgesamt Frauen und dieser Anteil unter- wirtschaft sowie im Öffentlichen Dienst. Dabei lassen
schied sich nur geringfügig zwischen deutschen und sich nur geringe Geschlechtsunterschiede in der Häu-
nichtdeutschen Auszubildenden. Das duale System figkeit einer Berufsausbildung in Industrie und Handel
umfasst die im Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. der finden. Männliche Anfänger beginnen allerdings häu-
Handwerksordnung (HwO) geregelte Ausbildung in figer eine Ausbildung im Handwerk, während junge
rund 350 anerkannten Ausbildungsberufen in Form
einer von Teilzeitschulunterricht an beruflichen Schu- 46 Zu den Freien Berufen zählen selbstständige Erwerbstätigkeiten, die
len begleiteten fachpraktischen Ausbildung in Unter- eine wissenschaftliche oder künstlerische Vorbildung voraussetzen,
nehmen. beispielsweise (Zahn-)Ärzte, Rechts- bzw. Patentanwälte, Notare. Zu
den Ausbildungen in diesen Berufen zählen insbesondere Medizini-
Die Anteile der Neuzugänge in den verschiedenen sche Fachangestellte und Rechtsanwaltsfachangestellte (Statistisches
Ausbildungsbereichen haben sich zwischen 2012 und Bundesamt 2018c).
130
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
Abb. 4-20: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in den fünf am stärksten besetzten Ausbildungsberu-
fen nach Staatsangehörigkeit und Geschlecht 2017 (in %)
in %
20
15,6
15
10,6 10,2
10
8,7
7,7 7,6 7,8 7,6
7,1
5,9 5,6 6,4
5,8
4,4 4,0 5,2 4,6 4,6
5 3,9 3,9
0
deutsch nichtdeutsch deutsch nichtdeutsch
weiblich männlich
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Berufsbildungsstatistik 2017; N= 54 792.
Frauen in den Freien Berufen überwiegen. Diese ge- Starke Unterschiede sowohl zwischen den Geschlech-
schlechtsspezifischen Unterschiede finden sich sowohl tern als auch nach Staatsangehörigkeit gibt es in der
für deutsche als auch nichtdeutsche Auszubildende, Konzentration auf bestimmte Ausbildungsberufe. Auf
sind aber unter Letzteren stärker ausgeprägt. die fünf am stärksten besetzten Ausbildungsberufe
Auch die häufigsten Ausbildungsberufe unterschei- 2017 konzentrieren sich 22,6% der deutschen männli-
den sich zwischen Jungen und Mädchen (Abb. 4-20). chen und 27,3% der männlichen Auszubildenden ohne
Dies trifft nicht nur auf die Auszubildenden mit deut- deutsche Staatsangehörigkeit. Für die weiblichen Aus-
scher, sondern auch gleichermaßen auf diejenigen mit zubildenden war die Konzentration auf eine kleine Zahl
ausländischer Staatsangehörigkeit zu. von Berufen noch höher: 37,4% der deutschen und
Unter den fünf von deutschen männlichen Auszubil- 49,9% der nichtdeutschen weiblichen Auszubilden-
denden am häufigsten besetzten Ausbildungsberufen den wurden in den fünf am stärksten besetzten Ausbil-
finden sich zwei Berufe, die auch bei den männlichen dungsberufen ausgebildet. Die hohe Konzentration der
nichtdeutschen Auszubildenden zu den Favoriten zäh- weiblichen Auszubildenden auf eine kleine Zahl von Be-
len: Elektroniker sowie Kraftfahrzeugmechatroniker. Bei rufen zeigt: Junge Frauen, insbesondere junge Frauen
den jungen Frauen finden sich unter den fünf der von ohne deutsche Staatsangehörigkeit, interessieren sich
deutschen Auszubildenden am stärksten besetzten Be- bzw. haben Zugang zu einem deutlich begrenzteren
rufe drei Berufe, die auch von den nichtdeutschen Aus- Spektrum an Ausbildungsberufen.
zubildenden gleichermaßen bevorzugt eingenommen Die häufigsten Ausbildungsberufe für Auszubilden-
werden: Kauffrau für Büromanagement, Medizinisch de ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss
Fachangestellte sowie Verkäuferin. sind: Verkäuferin bzw. Verkäufer, Kaufleute im Einzel-
131
Kinder- und Jugendmigrationsreport
handel oder Friseurin bzw. Friseur. Auszubildende mit von Ausbildungsaktivitäten durch die Auszubildenden,
mittlerem Schulabschluss beginnen meistens eine Aus- lässt sich nur auf der Basis von Längsschnittdaten be-
bildung als Kaufleute im Einzelhandel, Kaufleute für antworten: Die NEPS-Daten konnten zeigen, dass 39%
Büromanagement oder Kraftfahrzeugmechatronikerin der Befragten 15 Jahre nach der Vertragslösung keine
bzw. Kraftfahrzeugmechatroniker. Junge Erwachsene weitere schulische und berufliche Qualifizierung mehr
mit (Fach-)Abitur beginnen dagegen häufig eine Aus- aufgenommen haben und ohne Berufsabschluss blie-
bildung in kaufmännischen oder IT-Berufen (Industrie- ben (Lettau 2017). Personen mit Migrationshintergrund
kaufleute, Kaufleute für Büromanagement, Fachinforma- haben dabei signifikant häufiger ihre Ausbildungsaktivi-
tikerin bzw. Fachinformatiker). Die Ergebnisse können täten eingestellt im Vergleich zu Personen ohne Migrati-
allerdings nicht nach Staatsangehörigkeit differenziert onshintergrund. Allerdings fielen diese Unterschiede ge-
werden. ringer aus im Vergleich zur familiären Bildungsherkunft:
Trotz einer immer wieder engagiert geführten Dis- So haben insbesondere Personen ihre Ausbildungsak-
kussion insbesondere über das Thema „Ausbildungs- tivitäten eingestellt, deren Eltern maximal einen Haupt-
abbrüche“ fehlen differenzierte Informationen über schulabschluss erworben haben. Personen, deren Eltern
Zusammenhänge zwischen Ausbildungsqualität und höhere Schul- und Berufsabschlüsse erreicht haben,
Ausbildungsverläufen in der dualen Ausbildung. Man- stellten dagegen nur selten ihre Aktivitäten ein und be-
gels besserer Informationsgrundlagen werden in der gannen häufig eine neue Ausbildung oder ein Studium.
Bildungsberichterstattung zur Analyse von (diskontinu- Mit Daten der BIBB-Übergangsstudie zeigten Ursu-
ierlichen) Ausbildungsverläufen Daten über die Auflö- la Beicht und Günter Walden (2014), dass Personen
sung von Ausbildungsverträgen herangezogen. Dabei mit Migrationshintergrund seltener die Abschlussprü-
erlaubt die Tatsache, dass ein Vertrag aufgelöst wurde, fungen in der dualen Ausbildung bestanden haben.
noch keine Aussagen darüber, ob die Ausbildungsakti- Das schlechtere Abschneiden kann dabei auf die un-
vitäten eingestellt werden oder aber ob die Ausbildung günstigeren Ausgangsbedingungen zum Ausbildungs-
im selben Beruf (aber in einem anderen Betrieb) oder in beginn zurückgeführt werden. Berücksichtigt man die
einem anderen Ausbildungsberuf fortgeführt wird. Eine unterschiedlichen Ausgangsbedingungen (z.B. Schul-
zweite Informationsquelle zu Ausbildungsverläufen sind abschluss, Abschlussnote) in den statistischen Analy-
Daten zum Prüfungserfolg in den Abschlussprüfungen. sen, dann unterscheiden sich die Chancen auf einen
Eine Übersicht des Datenreports zum Berufsbil- erfolgreichen Ausbildungsabschluss nicht für die bei-
dungsbericht 2019 in Bezug zu den Vertragsauflö- den Gruppen. Jugendliche mit Migrationshintergrund
sungen in den Ausbildungsberufen mit den höchsten haben sogar bessere Aussichten auf eine Übernahme
bzw. niedrigsten Auflösungsquoten illustriert die große durch den Ausbildungsbetrieb (70%) als diejenigen
Varianz zwischen Berufen: Das Spektrum für das Jahr ohne Migrationshintergrund (61%). Dieses Phänomen
2017 reicht von einer Auflösungsquote von 4,1% für erklären die Autoren mit der möglicherweise generell
Verwaltungsfachangestellte bis zu 51,5% für Restau- höheren Übernahmequote von Betrieben, in denen jun-
rantfachkräfte (Bundesinstitut für Berufsbildung 2019). ge Migrantinnen und Migranten ausgebildet werden.
Die Vertragsauflösungsquoten (während und nach der Ein Fazit dieses Abschnitts ist, dass der Anteil
Probezeit) unterscheiden sich nicht zwischen Männern nichtdeutscher Auszubildender in der dualen Ausbil-
und Frauen (jeweils rund 26%), sind allerdings deut- dung sich in den letzten Jahren erhöht hat. In Bezug auf
lich höher für nichtdeutsche (34,0%) als für deutsche die begonnenen Ausbildungsberufe und Ausbildungs-
Auszubildende (24,9%). Ein Grund für die höheren Ver- bereiche lassen sich große Unterschiede zwischen den
tragsauflösungsquoten von nichtdeutschen Auszubil- Geschlechtern, weniger jedoch zwischen der Staats-
denden ist, dass diese häufig Ausbildungen in Berufen angehörigkeit finden. Die Berufsbildungsstatistik zeigt
(Abb. 4-20) mit hohen Lösungsquoten absolvieren wie höhere Vertragslösungsquoten unter nichtdeutschen
Friseurin bzw. Friseur oder Köchin bzw. Koch (je 48,2% Auszubildenden. Ein Grund könnte darin liegen, dass
Auflösungsquote). nichtdeutsche Auszubildende häufiger in den Ausbil-
Die Frage, ob Auflösungen von Ausbildungsverträ- dungsberufen zu finden sind, welche insgesamt eine
gen nur einen Wechsel des Ausbildungsbetriebes oder hohe Vertragslösungsquote aufweisen. Surveys zeigen,
Ausbildungsberufes darstellen oder aber die Einstellung dass Auszubildende mit Migrationshintergrund seltener
132
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
die Abschlussprüfungen bestehen und häufiger nach Insgesamt verlaufen die Verschiebungen in den Zu-
einem Ausbildungsabbruch ihre Ausbildungsaktivitäten gangszahlen zwischen den vier verschiedenen Aus-
vollständig einstellen. Diese Unterschiede verringern bildungsgängen für Personen mit bzw. ohne deutsche
sich allerdings, wenn die familiäre Bildungsherkunft Staatsangehörigkeit ähnlich (Abb. 4-21): Ausbildungs-
oder die schulische Vorbildung der Auszubildenden be- gänge im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen
rücksichtigt werden. nach Bundes- und Landesrecht gewinnen stark an Be-
deutung. Bei den doppelqualifizierenden Ausbildungs-
gängen gibt es einen leichten Rückgang. Die berufs-
4.3.4 Schulberufssystem schulische Berufsausbildung außerhalb BBiG/HwO
ist deutlich rückläufig. Und die schulische Berufsaus-
Das Schulberufssystem wird in Bildungsberichten nur bildung an Berufsfachschulen gemäß BBiG/HwO ver-
nachrangig behandelt. Der Datenreport zum Berufsbil- schwindet fast vollständig.
dungsbericht 2018 gibt über das duale System auf 162 Die gezeigten Verschiebungen werden einerseits
Seiten Auskunft, über die schulische Berufsausbildung der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften in Berufen
jedoch nur auf 14 Seiten (Bundesinstitut für Berufsbil- des Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesens ge-
dung 2018). Dabei stellt das Schulberufssystem einen recht. Gleichzeitig sind deutliche Rückgänge bei be-
quantitativ bedeutenden Sektor dar. 2017 standen den rufsschulischen Ausbildungsgängen zu sehen, die die
rund 490.000 Neueinmündungen ins duale System im- Funktion hatten, eingeschränkte Zugangschancen zur
merhin rund 214.000 Einmündungen ins Schulberufs- dualen Ausbildung durch vollqualifizierende berufs-
system gegenüber, unter denen 10,4% keine deutsche schulische Angebote zu kompensieren: Insbesonde-
Staatsangehörigkeit besaßen. 2012 lag dieser Anteil re die berufsschulische Berufsausbildung außerhalb
noch bei 7,4% (Statistisches Bundesamt 2018h, 2017c). BBiG/HwO nach Landesrecht und die schulische Be-
Abb. 4-21: Neuzugänge in das Schulberufssystem nach Bildungsgängen und Staatsangehörigkeit 2012,
2017 (in %)
in %
100
78,5 82,0 67,8 82,9
80
60
40
14,9
20 11,2 10,0 11,5 8,8
8,0 6,2 5,8 6,3
0
2012 2017 2012 2017
deutsch nichtdeutsch
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Integrierte Ausbildungsberichterstattung 2012, 2017; N2012= 212.079, N2017= 214.346.
133
Kinder- und Jugendmigrationsreport
rufsausbildung an Berufsfachschulen gemäß BBiG/ der Übernahme durch den Arbeitgeber, bei dem auch
HwO sind deutlich zurückgefahren worden. die Ausbildung absolviert wurde (Bundesinstitut für Be-
Das Schulberufssystem für Bewerberinnen und Be- rufsbildung 2018). Allerdings erhöht sich die Beschäf-
werber ohne Schulabschluss bzw. mit maximal einem tigungsquote in den nächsten Monaten nur geringfü-
Hauptschulabschluss erfüllt nur sehr eingeschränkt gig. So sind 12 Monate nach Abschluss 73,2% und 24
eine kompensatorische Funktion (in Klammern stehen Monate 75,0% der Absolventinnen und Absolventen
jeweils die entsprechenden Anteile für Neuzugänge ins erwerbstätig. Des Weiteren bestehen Unterschiede
duale System): Der Anteil von Personen mit maximal zwischen deutschen und nichtdeutschen Staatsange-
Hauptschulabschluss an den Neuzugängen zum Schul- hörigen bei der Integration in das Erwerbsleben. Wäh-
berufssystem lag bei 17,4% (23,6%), der Anteil von rend einen Monat nach Abschluss 70,1% der Deut-
Personen ohne Schulabschluss bei 0,3% (3,8%). Der schen bereits erwerbstätig sind, trifft dies nur auf 54,1%
Anteil von Neuzugängen mit maximal Hauptschulab- der Nichtdeutschen zu. 24 Monate nach Abschluss hat
schluss blieb damit deutlich unter dem entsprechenden sich die Erwerbsbeteiligung der beiden Gruppen aller-
Anteil im dualen System (Autorengruppe Bildungsbe- dings stark angenähert (75,3 bzw. 70,5%).
richterstattung 2018). Das ist möglicherweise einer der Im Folgenden werden die Übergänge in Erwerbs-
Gründe, warum nichtdeutsche Jugendliche seltener tätigkeit von Absolventinnen und Absolventen einer Be-
eine Ausbildung in diesem Sektor beginnen als deut- rufsausbildung anhand des Episoden-Datensatzes von
sche (Abb. 4-17). Der Frauenanteil unter allen Neuzu- AID:A 2015 analysiert. Mit diesem Datensatz können
gängen im Jahr 2017 betrug 72,2% und unterschied auch Personen mit Migrationshintergrund identifiziert
sich nur minimal unter nichtdeutschen Neuzugängen werden. Außerdem liegen monatsgenaue Informatio-
(Statistisches Bundesamt 2018h). nen über die Erwerbsbiografie vor und nicht nur zu den
Anders als für das duale System liegen für das Schul- oben genannten drei Zeitpunkten. Ein weiterer Vorteil
berufssystem keine differenzierten Informationen über besteht darin, dass anhand multivariater Analysen be-
Verläufe (z.B. Abbrüche und Prüfungsergebnisse) und rechnet werden kann, welche Merkmale der jungen Er-
Anschlüsse bzw. Arbeitsmarkterträge vor. Es kann nur wachsenen einen Einfluss auf einen raschen Einstieg in
berichtet werden, dass 69% der 2015 begonnenen schu- die Erwerbstätigkeit haben. Ein Nachteil besteht aller-
lischen Berufsausbildungen abgeschlossen wurden (See- dings darin, dass die Absolventinnen und Absolventen
ber u.a. 2018). Dabei haben Frauen häufiger als Männer nicht nach schulischer und dualer Berufsausbildung
eine Ausbildung erfolgreich abschließen können (71% unterschieden werden können und auch keine Informa-
vs. 63%). Allerdings können die Absolventenquoten nicht tionen über den erlernten Beruf vorliegen.
nach Migrationshintergrund bzw. Staatsangehörigkeit Die Abb. 4-22 stellt den Anteil der Absolventinnen
oder schulischer Vorbildung differenziert werden. und Absolventen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren
dar, die bis zu 24 Monate nach erfolgreichem Ausbil-
dungsabschluss bereits eine Erwerbstätigkeit aufge-
4.3.5 Übergänge in Erwerbs- nommen haben.
tätigkeit nach Ausbildungsab- Die Ergebnisse entsprechen weitgehend den oben
skizzierten Forschungsergebnissen aus dem Bildungs-
schluss bericht 2018: In den ersten Monaten nach Ausbildungs-
Insbesondere für Absolventinnen und Absolventen mit abschluss lassen sich noch Unterschiede zwischen den
einem erfolgreichen Abschluss im dualen System lie- Migrationsgenerationen feststellen. So haben einen
gen positive Befunde zum Übergang in das Erwerbs- Monat nach Abschluss nur 60% der jungen Erwach-
leben vor: So sind nach Sonderauswertungen der In- senen der dritten Generation eine Erwerbstätigkeit be-
tegrierten Erwerbsbiografien bereits einen Monat nach gonnen, während dies mit 79% am häufigsten auf die
Berufsabschluss im Jahr 2014 69,1% der Absolventin- zweite Generation einseitig zutrifft. Diese Unterschie-
nen und Absolventen in Voll- oder Teilzeit erwerbstätig de verringern sich in den folgenden Monaten, sodass
und nur 20,3% arbeitslos (Autorengruppe Bildungsbe- nach 24 Monaten Absolventinnen und Absolventen
richterstattung 2018). Ein Grund für die hohe Erwerbs- aller Generationen zu 86 bzw. 87% erwerbstätig sind.
beteiligung direkt nach Ausbildungsabschluss liegt in Diese Unterschiede nach Generationenzugehörigkeit
134
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
in %
50
Ohne begonnene Erwerbstätigkeit
40
30
20
10
0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Monate seit Ausbildungsabschluss
Quelle: DJI, AID:A 2015, gewichtete Daten, eigene Berechnungen; n= 2.460; in den Klammern stehen die Prozentanteile der jeweiligen Migra-
tionsgeneration in der Stichprobe.
lassen sich allerdings nicht mehr feststellen, wenn in Werte für „bis 1 Monat“ sowie die niedrigen Werte für
einem multivariaten Modell der Ereignisanalyse47 weite- die anderen Zeiträume die oft nahtlosen Übergänge
re Merkmale der Absolventinnen und Absolventen wie nach der Ausbildung in eine Erwerbstätigkeit. In den
die Herkunftsländer, der Schulabschluss oder die Bil- folgenden Monaten lassen sich dagegen nur noch we-
dungsherkunft berücksichtigt werden. Die Bildungsher- nige Übergänge beobachten.
kunft wird dabei anhand der berufsqualifizierenden Ab- Weder die Migrationsgenerationen noch die Her-
schlüsse der Eltern erfasst (Middendorff u.a. 2017b).48 kunftsländer sowie die familiäre Bildungsherkunft spiel-
Die Zeitabhängigkeit der Übergänge wird durch die ten für den Übergangsprozess eine Rolle. Einzig der frü-
Aufnahme von drei Zeiträumen nach Ausbildungsab- her erworbene Schulabschluss der jungen Erwachsenen
schluss in den statistischen Analysen berücksichtigt.49 wies einen Zusammenhang mit den Übergangsraten auf:
In den Ergebnissen (Tab. A-23) bestätigen die hohen Dabei zeigte sich, dass Absolventinnen und Absolventen
mit Haupt- oder mittlerem Schulabschluss häufiger er-
werbstätig werden als Personen ohne Schulabschluss.
47 „Piecewise-Constant-Regressionsmodell” (Blossfeld u.a. 2007).
Das (Fach-)Abitur erhöht dagegen die Chance, erwerbs-
48 Bei niedriger Bildungsherkunft hat maximal ein Elternteil einen beruf-
lichen, jedoch nichtakademischen Abschluss. Bei mittlerer Herkunft tätig zu sein, statistisch nicht signifikant. Eine nahelie-
haben beide Eltern einen solchen nichtakademischen Abschluss er- gende Erklärung ist, dass Absolventinnen und Absol-
worben. Bei gehobener bzw. hoher Bildungsherkunft hat ein bzw. ha- venten mit (Fach-)Abitur keine Berufstätigkeit anstreben,
ben beide Elternteile einen akademischen Abschluss erworben.
sondern nach Ausbildungsabschluss ein Studium auf-
49 Aufgrund der Berufseinstiegsverläufe in Abb. 4-22 werden die Zeit-
punkte von bis zu 1 Monat, 2 bis 12 Monate sowie 13 bis 24 Monate nehmen (möchten). Beispielsweise zeigte die Studie-
unterschieden. rendenerhebung des Deutschen Studentenwerks, dass
135
Kinder- und Jugendmigrationsreport
136
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
137
Kinder- und Jugendmigrationsreport
der 18- bis unter 25-jährigen Asylsuchenden in der Re- gen, dass der Übergang in eine betriebliche Ausbildung
gel nicht zugänglich (Braun/Lex 2016). gelang. Ferner profitierten die erfolgreich Vermittelten
von der individuellen Betreuung durch Mentorinnen und
Schulische Berufsausbildung im Mentoren bzw. Paten.
Schulberufssystem Mit Hilfe des Datensystems Auszubildende (DAZU-
Die Berufsausbildung im Schulberufssystem führt zu BI) des Bundesinstituts für Berufsbildung lassen sich
Ausbildungsabschlüssen nach Bundes- oder Landes- auch Aussagen über die schulische Vorbildung, Ausbil-
recht. Voraussetzung für die Teilnahme ist meist ein dungsberufe sowie Ausbildungsverläufe von Auszubil-
mittlerer Schulabschluss. Unklar ist, ob Geduldete in denden aus Asylherkunftsländern (Afghanistan, Eritrea,
einer schulischen Berufsausbildung für die Dauer der Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien) ma-
Ausbildung in vergleichbarer Weise vor einer Abschie- chen (Kroll/Uhly 2018). Im Jahr 2017 waren 90,0% der
bung geschützt sind bzw. geschützt werden sollen, wie Auszubildenden aus diesen Herkunftsländern männ-
Auszubildende in einer dualen Berufsausbildung. Die lich (unter Deutschen betrug dieser Anteil 61,7% und
entsprechende Bestimmung des Koalitionsvertrags bei Auszubildenden ohne deutsche Staatsangehörig-
spricht hier nur von Auszubildenden, womit unter Um- keit insgesamt 68,0%). 15,1% der Auszubildenden mit
ständen nur Auszubildende in Betrieben gemeint sein Staatsangehörigkeit eines Asylherkunftslandes hatten
könnten (Koalitionsvertrag 2018). zuvor berufsvorbereitende Maßnahmen der BA oder
Bildungsgänge an Berufsschulen absolviert, was nur
Duale Berufsausbildung auf 11,8% der Nichtdeutschen insgesamt und auf 8,6%
Die betriebliche duale Ausbildung für einen anerkann- der Deutschen zutraf.
ten Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz In Bezug auf die schulische Vorbildung haben Aus-
ist das quantitativ bedeutsamste Teilsystem der beruf- zubildende aus Asylherkunftsländern zu 17,0% keinen
lichen Bildung in Deutschland. Die BA dokumentiert Schulabschluss, zu 33,6% einen Hauptschulabschluss,
ab dem Berichtsjahr 2015/16 in ihrer Bewerberstatistik zu 13,6% einen mittleren Abschluss und 12,6% das
auch den Asylstatus: Von den 547.824 Bewerbenden (Fach-)Abitur erworben. Die schulische Vorbildung ist
des Jahres 2017 befanden sich 5% Asylsuchende (Dio- damit deutlich schlechter als unter deutschen Aus-
nisius u.a. 2018). 48% aller Bewerbenden konnten in zubildenden, aber auch im Vergleich zur Gesamtheit
eine Ausbildung vermittelt werden, unter den Asylsu- der nichtdeutschen Auszubildenden, die zu 9,2% kei-
chenden jedoch nur 36% (Bundesinstitut für Berufsbil- nen Abschluss, 33,1% einen Hauptschulabschluss,
dung 2018). Diese sind dagegen häufiger weiterhin als zu 27,7% einen mittleren Abschluss und 17,6% das
arbeitssuchend oder unbekannt verblieben vermerkt. (Fach-)Abitur erworben haben. Die Daten sind aller-
Unter den bekannt verbliebenen Asylsuchenden, wel- dings schwer zu vergleichen, weil bei fast jedem vier-
che keine Ausbildung begonnen hatten, besuchte je- ten Auszubildenden mit der Staatsangehörigkeit eines
weils circa ein Drittel eine Schule oder ging einer Arbeit Asylherkunftslandes keine Angaben zum Schulab-
nach, während 16% eine berufsvorbereitende Förder- schluss vorliegen; bei deutschen Auszubildenden ist
maßnahme wahrnahmen. Die von der BA als Bewerbe- dies nur bei unter einem Prozent der Fall.
rinnen und Bewerber erfassten Asylsuchenden lebten Die Hälfte aller Auszubildenden mit einer Staats-
vermutlich seit Längerem in Deutschland. Vorausset- angehörigkeit eines Asylherkunftslandes schloss einen
zung für die Anerkennung als Bewerbende für Ausbil- Ausbildungsvertrag im Handwerk ab, weitere 43,0%
dungsstellen ist nämlich die sogenannte Berufsreife. im Zuständigkeitsbereich Industrie und Handel. Auf die
Diese setzt ausreichende Kenntnisse der deutschen Freien Berufe entfielen nur 5,2% aller Neuabschlüsse
Sprache sowie die für eine Ausbildung notwendigen für diese Gruppe. Bei den nichtdeutschen Auszubil-
schulischen Grundlagen voraus. denden insgesamt entfielen nur 36,7% auf das Hand-
In der BA/BIBB-Migrationsstudie im Jahr 2016 ga- werk. Quantitativ wichtigster Zuständigkeitsbereich mit
ben erfolgreich vermittelte Asylsuchende an, dass ins- 50,3% der Neuabschlüsse waren Industrie und Handel,
besondere praktische Erfahrungen im Betrieb durch 11,0% der Neuabschlüsse entfielen auf die Freien Be-
Teilnahme an einer Einstiegsqualifizierung, andere rufe. Bei den Neuabschlüssen von Auszubildenden
Praktika oder Probearbeit entscheidend dazu beitru- mit deutscher Staatsangehörigkeit lagen knapp 60%
138
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
im Zuständigkeitsbereich Industrie und Handel, nur mangel. Allerdings haben die wenigen Asylsuchenden,
26,1% im Handwerk sowie 8,0% in den freien Beru- welche bereits an Abschlussprüfungen teilgenommen,
fen. Die große Bedeutung des Handwerks zeigt sich diese Prüfungen seltener bestanden als nichtdeutsche
auch in den häufigsten Ausbildungsberufen von Aus- Auszubildende insgesamt.
zubildenden aus den Asylherkunftsländern: Unter den
zehn häufigsten Ausbildungsberufen entstammen sie- Fazit
ben dem Handwerk (z.B. Kraftfahrzeugmechatronikerin Im vorangegangenen Kapitel wurden die drei Sektoren
bzw. Kraftfahrzeugmechatroniker, Friseurin bzw. Fri- des Ausbildungssystems dargestellt: Das duale Sys-
seur, Elektronikerin bzw. Elektroniker). Unter nichtdeut- tem, das Schulberufssystem und der Übergangssektor.
schen Auszubildenden insgesamt sind dagegen nur Im Jahr 2017 war für deutsche Jugendliche das duale
fünf Berufe, unter deutschen nur drei dem Handwerk System, für nichtdeutsche dagegen der Übergangssek-
zuzuordnen. tor der bedeutendste Sektor für Neuzugänge im Ausbil-
Auszubildende aus Asylherkunftsländern brechen dungsbereich. Im Vergleich zum Jahr 2012 zeigte sich
häufiger als deutsche ihre Ausbildung ab, allerdings dabei ein deutlicher Anstieg der Bedeutung des Über-
nur geringfügig öfter als nichtdeutsche Auszubildende gangssektors für nichtdeutsche Jugendliche. Die Daten
insgesamt: Während 33,3% der deutschen Auszubil- in der Ausbildungsberichterstattung werden nicht nach
denden eine Ausbildung im Handwerk abbrechen, trifft Staatsangehörigkeit getrennt ausgegeben. Es gibt aber
dies auf 39,3% aller nichtdeutschen und 41,4% der empirische Hinweise, dass im Berufsvorbereitungsjahr
Auszubildenden aus den Asylherkunftsländern zu. Aus- – einem zentralen Bereich des Übergangssektors – be-
bildungen in Industrie und Handel werden seltener ab- reits die Mehrheit der Neuzugänge aus Asylherkunfts-
gebrochen: Deutsche Auszubildende lösen zu 21,6%, ländern stammt, was eine Erklärung für den Anstieg
nichtdeutsche insgesamt zu 32,2% und Auszubildende der Bedeutung des Übergangssektors für Jugendliche
aus den Asylherkunftsländern zu 33,4% ihre Ausbil- ohne deutsche Staatsangehörigkeit sein könnte.
dungsverträge vorzeitig auf. Die neu begonnenen Ausbildungen im dualen Sys-
Die Aussagekraft von Daten über die erfolgreiche tem unterscheiden sich vor allem nach Geschlecht und
Teilnahme an Abschlussprüfungen wird dadurch einge- weniger nach Staatsangehörigkeit: Frauen beginnen
schränkt, dass die Zahl der Ausbildungsanfänger eines häufiger eine Ausbildung in den Freien Berufen, wäh-
Asylherkunftslandes erst in den letzten Jahren stark rend Männer im Handwerk überwiegen. Diese Ge-
angestiegen ist. Der größte Teil dieser Personengrup- schlechterunterschiede sind für nichtdeutsche Auszu-
pe kann also noch nicht die Abschlussprüfung erreicht bildende noch stärker ausgeprägt als für deutsche. Ein
haben. Im Jahr 2017 nahmen 1.542 Auszubildende die- Grund liegt darin, dass die überwiegend männlichen
ser Gruppe an Prüfungen der dualen Berufsausbildung Asylsuchenden besonders häufig eine Ausbildung im
teil. Davon haben 1.185 diese erfolgreich bestanden Handwerk begonnen haben.
und einen Berufsabschluss erreicht. Dies entspricht Die Ausbildungsberichterstattung weist nicht aus,
einer Erfolgsquote von knapp 76,8%. Diese Erfolgs- ob deutsche und nichtdeutsche Neuzugänge sich im er-
quote fällt um circa 8 Prozentpunkte niedriger aus als folgreichen Durchlaufen der Ausbildungsbereiche von-
für die nichtdeutschen Auszubildenden insgesamt. Bei einander unterscheiden. Lediglich die Berufsbildungs-
den deutschen Auszubildenden lag die Erfolgsquote statistik stellt dar, dass nichtdeutsche Auszubildende
bei 93,3%. eine Ausbildung im dualen System häufiger abbrechen.
Im Vergleich zu nichtdeutschen Auszubildenden Surveys konnten zeigen, dass Auszubildende mit Mi-
insgesamt, lässt sich ein vorsichtig positives Fazit für grationshintergrund häufiger die Abschlussprüfungen
Asylsuchende in der dualen Ausbildung ziehen: Ob- nicht bestanden. Dies konnte aber zu einem großen Teil
wohl sie mit deutlich schlechterer schulischer Vor- auf deren schlechtere schulische Vorbildung sowie ge-
bildung eine Ausbildung beginnen, brechen sie diese ringere familiäre Bildungsherkunft zurückgeführt wer-
nur geringfügig häufiger ab als die Gruppe der nicht- den. Auszubildende aus Asylherkunftsländern brechen
deutschen Auszubildenden insgesamt. Außerdem ab- zwar häufiger ab als deutsche Auszubildende, aber nur
solvieren Asylsuchende häufiger eine Ausbildung im geringfügig häufiger als nichtdeutsche Auszubildende
Handwerk – ein Berufsbereich mit großem Fachkräfte- insgesamt. Dies kann durchaus als Erfolg bewertet
139
Kinder- und Jugendmigrationsreport
140
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
141
Kinder- und Jugendmigrationsreport
142
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
dass sie sich in Bildungszielen häufiger am Elternwil- ler mit Migrationshintergrund bereits in Deutschland
len bzw. an den Familientraditionen orientieren und ihre geboren und besuchen von Anbeginn an das deutsche
Eltern oftmals sehr hohe Bildungswünsche für ihre Kin- Schulsystem (Kap. 4.2).
der haben (Schneider u.a. 2017; Relikowski u.a. 2012); Der Frauenanteil unterscheidet sich nur geringfü-
vielfach ist auch ein vergleichbares Berufsbildungssys- gig zwischen deutschen (48,6%), bildungsinländischen
tem wie in Deutschland in ihren Herkunftsländern un- (51,0%) und bildungsausländischen (46,7%) Studieren-
bekannt (Organisation for Economic Co-operation and den. Deutliche Unterschiede bestehen allerdings bei
Development 2015). den häufigsten ausländischen Staatsangehörigkeiten:
Die Studierneigung ein halbes Jahr vor dem Schul- Die fünf häufigsten der bildungsinländischen Studieren-
abschluss wird auch in die Tat umgesetzt: Ein halbes den waren die der Türkei (34,4%), Italiens (6,0%), Grie-
Jahr nach Schulabschluss haben 54% der Studienbe- chenlands (4,4%), Kroatiens (4,0%) sowie Russlands
rechtigten mit und 49% ohne Migrationshintergrund ein (3,8%). Bildungsinländische Studierende stammen also
Studium begonnen. Jeweils ein Viertel hat zwar noch überwiegend aus (süd-)osteuropäischen Ländern, wel-
kein Studium begonnen, plant dies aber zukünftig fest che auch häufig an Schulen zu finden sind (Kap. 4.2).
ein. Ein Grund für den selteneren unmittelbaren Studi- Die meisten Bildungsausländerinnen und Bildungsaus-
enbeginn nach Schulabschluss für junge Erwachsene länder hatten dagegen die chinesische Staatsangehö-
ohne Migrationshintergrund liegt darin, dass sie sich im rigkeit (13,4%), gefolgt von der indischen (6,1%), öster-
Vergleich zu jungen Migrantinnen und Migranten häu- reichischen (3,9%), russischen (3,7%) sowie syrischen
figer in Freiwilligendiensten (z.B. Freiwilliges Soziales (3,4%). Viele der bildungsausländischen Studierenden
bzw. Ökologisches Jahr, Bundesfreiwilligendienst) en- stammen also aus großen wirtschaftlichen Schwellen-
gagieren (Schneider u.a. 2017). ländern wie China, Indien und Russland.
143
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Mit Hilfe der 21. Sozialerhebung des Deutschen Stu- Studierenden mit Migrationshintergrund sein. Bildungs-
dentenwerks (DSW) (Middendorff u.a. 2017b) können ausländische Studierende werden ähnlich oft von ihren
im Gegensatz zur Hochschulstatistik auch Studierende Eltern unterstützt wie Studierende mit Migrationshin-
mit Migrationshintergrund identifiziert sowie Aussagen tergrund. Anstelle von BAföG finanzieren sich Erstere
über deren soziale Herkunft und Lebensbedingungen in ähnlichem Umfang durch Stipendien oder eigene
im Sommersemester 2016 gemacht werden. Die So- Ersparnisse. Studierende ohne Migrationshintergrund
zialerhebung wurde in zwei getrennten Befragungen finanzieren ihr Studium zu 25% durch eigene Nebener-
durchgeführt: eine von deutschen und bildungsinlän- werbstätigkeit und damit in etwas geringerem Umfang
dischen Studierenden (Middendorff u.a. 2017b) sowie als Studierende mit Migrationshintergrund (27%) bzw.
eine Befragung der Bildungsausländerinnen und Bil- Bildungsausländerinnen und Bildungsausländer (29%).
dungsausländer (Apolinarski/Brandt 2018).
Deutsche und bildungsinländische Studierende hat-
ten zu 20% einen Migrationshintergrund. Die größten 4.4.3 Art der Hochschule
Gruppen darunter waren die (Kinder von) Spätaussied- und Fächerwahl
lerinnen und Spätaussiedlern (5%) sowie Studierende
mit mindestens einem ausländischen Elternteil (4%). Studierende ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind
71% der Studierenden mit Migrationshintergrund sind zu 69,2% an Universitäten53 und zu 30,8% an Fach-
in Deutschland geboren (Middendorff u.a. 2017b). hochschulen immatrikuliert. Deutsche Studierende sind
In Bezug auf die Bildungsherkunft kommen Studie- dagegen mit 63,1% etwas seltener auf Universitäten,
rende mit und ohne Migrationshintergrund ähnlich häu- dafür mit 37,0% häufiger an Fachhochschulen54 einge-
fig aus einem akademischen Elternhaus (49 zu 53%). schrieben (Statistisches Bundesamt 2019c). Der höhere
Etwa die Hälfte der Studierenden kommt damit aus ei- Anteil von Ausländerinnen und Ausländern an Universi-
nem Elternhaus, in dem mindestens ein Elternteil einen täten ist dabei vor allem auf die Vielzahl an bildungs-
Hochschulabschluss erworben hat. Allerdings entstam- ausländischen Studierenden zurückzuführen. Während
men Studierende mit Migrationshintergrund dreimal so mit 61% der Bildungsinländerinnen und Bildungsin-
häufig einer Familie, in der maximal ein Elternteil einen länder ein geringerer Anteil im Vergleich zu deutschen
beruflichen, aber keinen akademischen Abschluss er- Studierenden eine Universität besucht (Middendorff
worben hat (27 zu 9%) (Middendorff u.a. 2017b). Unter u.a. 2017c), sind 75% der bildungsausländischen Stu-
den Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern dierenden an einer Universität oder Kunsthochschule
haben sogar zwei Drittel (65%) mindestens einen El- eingeschrieben (Apolinarski/Brandt 2018).
ternteil mit Hochschulabschluss (Apolinarski/Brandt Die häufigsten studierten Fächergruppen sind die
2018). Die Vergleichbarkeit dieses Ergebnisses wird Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie
aber dadurch eingeschränkt, dass in vielen Ländern ein die Ingenieurswissenschaften (Abb. 4-23). Während
Berufsbildungssystem wie in Deutschland unbekannt von deutschen Studierenden allerdings die Rechts-
ist (Organisation for Economic Co-operation and De- Wirtschafts- und Sozialwissenschaften am häufigs-
velopment 2015). ten studiert werden, überwiegen bei Studierenden
Das verfügbare monatliche Einkommen von ledi- ohne deutsche Staatsangehörigkeit die Ingenieurs-
gen, alleinlebenden Studierenden unterscheidet sich wissenschaften (Statistisches Bundesamt 2019c). Für
nicht nach Migrationshintergrund und beträgt durch- bildungsausländische Studierende der Ingenieurs-
schnittlich 918 Euro. Demgegenüber haben bildungs- wissenschaften waren dabei sowohl die Qualität der
ausländische Studierende nur ein monatliches Einkom- Hochschulausbildung als auch die guten Berufspers-
men von 776 Euro zur Verfügung (Apolinarski/Brandt pektiven zentrale Gründe für ein Studium in Deutsch-
2018; Middendorff u.a. 2017a). land (Apolinarski/Brandt 2018). Der Frauenanteil in den
Studierende ohne Migrationshintergrund werden Ingenieurswissenschaften ist unter nichtdeutschen Stu-
häufiger von ihren Eltern unterstützt, während Migran- dierenden dabei mit 28% höher als unter deutschen mit
tinnen und Migranten eher Leistungen nach dem Bun-
desausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhalten. Ein 53 Inklusive Kunsthochschulen.
Grund dafür könnte die geringere Bildungsherkunft von 54 Inklusive Verwaltungsfachhochschulen.
144
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
Abb. 4-23: Studierende nach Fächergruppen und Staatsangehörigkeit im Wintersemester 2011/12 und
2018/19 (in %)
in %
100
5,5
19,2 24,9 24,8 38,4
80
5,6
17,8 6,6
60 11,5 17,3
30,9 38,4 10,5
40 27,1
27,3
20
19,4 17,8
12,0 11,0
0
WS 2011/12 WS 2018/19 WS 2011/12 WS 2018/19
deutsch nichtdeutsch
Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Studierende an Hochschulen Wintersemester 2011/12 und 2018/19; N2011/12= 2,4 Mio.,
N2018/19= 2,9 Mio.
23%. Ebenfalls etwas höher ist der Frauenanteil unter ein Studium in Deutschland aufgenommen, jedoch das
nichtdeutschen Studierenden der Rechts-, Wirtschafts- deutsche Hochschulsystem ohne Abschluss wieder
und Sozialwissenschaften mit 60% im Vergleich zu verlassen haben.
deutschen mit 57%. Ab dem Wintersemester 2011/12 Nichtdeutsche Studierende brechen das Studium zu
haben für alle Studierenden die Ingenieurswissen- einem höheren Anteil ab. Nur 28% der deutschen Studie-
schaften an Bedeutung gewonnen, während Mathema- renden brachen im Jahr 2016 das Bachelorstudium ab,
tik sowie Natur- und Geisteswissenschaften dagegen während dies auf 46% der bildungsinländischen und 45%
zunehmend seltener belegt wurden. Unter deutschen der bildungsausländischen Studierenden zutraf (Heublein/
Studierenden fällt außerdem ein Anstieg der Rechts-, Schmelzer 2018). Allerdings könnten diese hohen Studi-
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften auf, der bei enabbruchquoten auch dadurch verzerrt sein, dass aus-
nichtdeutschen Studierenden nicht beobachtet werden ländische Studierende zwar ein Studium in Deutschland
kann. Studierende ohne deutschen Pass studieren wie- beginnen, aber dieses an einer Universität im Ausland
derum häufiger Kunst oder Kunstwissenschaften. abschließen. Dadurch würden sie aber zu den Studienab-
brecherinnen und Studienabbrechern gezählt werden, da
sie ihr Studium in Deutschland nicht abgeschlossen ha-
4.4.4 Studienabbruch ben. Unter den Bildungsinländerinnen und Bildungsinlän-
dern brechen osteuropäische Studierende (47%) häufiger
Die Häufigkeit des Studienabbruchs wird als Studien- das Studium ab als westeuropäische (38%).
abbruchquote in einer komplexen Berechnung durch Für das Masterstudium lassen sich insgesamt ge-
das DZHW anhand der Hochschulstatistik verschiede- ringere Abbruchquoten im Vergleich zu den Bachelor-
ner Jahre berechnet (Heublein/Schmelzer 2018). Die studiengängen feststellen: Im Jahr 2016 betrug dies
Quote gibt den Prozentsatz der Studierenden an, die für deutsche 19%, für bildungsinländische 33% sowie
145
Kinder- und Jugendmigrationsreport
für bildungsausländische Studierende 29%. Die hö- lich“ absolutes Wunschfach wäre beziehungsweise für
heren Abbruchquoten im Bachelor und Master unter welches sie ein großes intrinsisches Interesse hätten.
bildungsinländischen im Vergleich zu bildungsauslän- Stattdessen haben sie häufiger das gewählte Studien-
dischen Studierenden sind überraschend, weil Erstere fach abgebrochen, obgleich es ihnen gute Arbeitsmarkt-
zum einen bereits erfolgreich die Schule in Deutsch- perspektiven geboten hätte – doch es fehlte ihnen am
land abgeschlossen haben und deswegen mit dem entsprechenden Interesse. Sie gaben an, dass sie häu-
deutschen Bildungssystem insgesamt vertrauter sein figer Fächer belegten, zu denen andere Personen ihnen
sollten. Aus demselben Grund ist es zum anderen auch geraten hatten. Des Weiteren befanden sie sich in einer
unwahrscheinlich, dass bildungsinländische Studieren- schlechter eingeschätzten finanziellen Situation: Sie er-
de häufiger ein Studium im Ausland fortführen als bil- hielten häufiger BAföG und seltener finanzielle Unterstüt-
dungsausländische. zung durch ihre Eltern, schätzten aber auch ihr finanzielles
Das DZHW befragte Anfang 2015 mehr als 6.000 Auskommen als unsicherer ein. Allerdings war ein ähnli-
Studierende aus 60 Hochschulen, die im Sommerse- cher Anteil von Studierenden mit wie ohne Migrations-
mester 2014 ihr Studium abgebrochen hatten. Die Be- hintergrund während des Studiums erwerbstätig. Dabei
fragung umfasste unter anderem die Gründe für den übten Studierende mit Migrationshintergrund allerdings
Studienabbruch sowie die weiteren Ausbildungs- oder häufiger eine Nebentätigkeit aus, die keinen inhaltlichen
Berufswege (Ebert/Heublein 2017). Unter den ehema- Bezug zu ihrem Studium aufwies. Eine Erwerbstätigkeit
ligen Studierenden hatten 22% Migrationshintergrund, neben dem Studium verringerte allerdings die Abbruch-
da sie selbst oder mindestens ein Elternteil im Ausland häufigkeiten für alle Studierenden. Das trifft vor allem für
geboren wurden. Nebenjobs mit geringem wöchentlichen Zeitumfang so-
Die Anlässe für den Abbruch sind dabei sowohl vor wie inhaltlichem Bezug zum Studienfach zu.
der Aufnahme eines Studiums als auch in der Studien- Zusammenfassend lassen sich häufigere Studien-
situation selbst zu suchen. Studierende mit schlech- abbrüche für Studierende mit Migrationshintergrund
terer schulischer Vorbildung und geringerer familiärer aus bestimmten Herkunftsländern feststellen. Gründe
Bildungsherkunft brechen häufiger ab. Diese Faktoren für die häufigeren Abbrüche sind dabei schlechtere
treffen insbesondere auf Studierende mit Migrations- Schulabschlüsse, eine geringere familiäre Bildungsher-
hintergrund zu, da diese häufiger einen Abschluss an kunft und finanzielle Ressourcen sowie ein geringeres
einer beruflichen Schule oder einer Gesamtschule als Interesse an dem gewählten Studienfach.
an einem Gymnasium gemacht und die Schule mit Ein halbes Jahr nach Abbruch haben junge Er-
einem schlechteren Notenschnitt verlassen haben so- wachsene mit Migrationshintergrund seltener eine
wie aus geringer gebildeten Elternhäusern stammen als Berufsausbildung begonnen, aber dafür häufiger eine
Studierende ohne Migrationshintergrund. Es zeigte sich Erwerbstätigkeit aufgenommen. Allerdings planen sie,
insbesondere, dass Türkeistämmige – in geringerem häufiger eine Berufsausbildung zu beginnen oder er-
Umfang auch Russlandstämmige bzw. Studierende mit neut ein Studium aufzunehmen. Migrantinnen und Mi-
Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion – häufiger ab- granten sind häufiger arbeitslos und äußern eine ins-
brechen. Junge Erwachsene mit polnischen Wurzeln gesamt geringere Lebenszufriedenheit im Vergleich
unterscheiden sich dagegen nicht von Studierenden zu jungen Erwachsenen ohne Migrationshintergrund
ohne Migrationshintergrund in der Abbruchhäufigkeit. (Ebert/Heublein 2017).
Was die Studiensituation selbst betrifft, lassen sich
mehrere Gründe für die häufigeren Studienabbrüche
von Studierenden mit Migrationshintergrund anführen: 4.4.5 Bestandene Abschluss-
Zum einen können die subjektiv schlechter eingeschätz- prüfungen und Übergänge in die
ten Studienleistungen genannt werden. Studierende mit
Migrationshintergrund berichteten ein halbes Jahr nach Erwerbstätigkeit
der Exmatrikulation häufiger von einer Überforderung Im Jahr 2017 haben insgesamt 269.310 Studierende an
mit den Studienanforderungen sowie einer schlechteren Abschlussprüfungen im Bachelorstudium und 137.934
Selbsteinschätzung der eigenen Studienleistungen. Zum im Masterstudium teilgenommen (Statistisches Bun-
anderen studierten sie seltener ein Fach, das ihr „eigent- desamt 2018k). Entsprechend der quantitativen Be-
146
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
Abb. 4-24: Bestandene Abschlussprüfungen nach Staatsangehörigkeit und Fächergruppen im Bachelor und
Master 2017 (in %)
deutsch nichtdeutsch
Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Prüfungen an Hochschulen 2017; NBachelor= 269.310, NMaster= 137.934.
Anmerkung: sonstige Fächer umfassen Sport, Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften sowie Veterinärmedizin.
deutung der Fächergruppen (Kap. 4.4.3) wurden die Übergang nach dem Studienabschluss in die Erwerbs-
meisten Prüfungen in den Rechts-, Wirtschafts- und tätigkeit stellt dabei zentrale Weichen für die spätere
Sozialwissenschaften sowie in den Ingenieurswissen- Berufskarriere (Dietrich/Abraham 2005). Aus diesem
schaften abgelegt. Die Anteile der bestandenen Prü- Grund wird der Übergang nach dem letzten Studienab-
fungen unterschieden sich dabei zwischen den Fächer- schluss55 in die erste Erwerbstätigkeit für Absolventin-
gruppen und der Staatsangehörigkeit der Studierenden nen und Absolventen verschiedener Migrationsgenera-
(Abb. 4-24). tionen empirisch mittels ereignisanalytischer Verfahren
Mit Ausnahme der Kunstwissenschaften bestehen untersucht (Blossfeld u.a. 2007). Als Datengrundlage
nichtdeutsche Studierende seltener die Abschlussprü- dient der Episoden-Datensatz von AID:A 2015; in die-
fungen im Bachelor. Die Kunstwissenschaft ist auch sem liegen monatsgenaue Informationen über die Er-
die Fächergruppe, in der mit 99% fast alle Prüfungen werbsbiografie von Absolventinnen und Absolventen
erfolgreich abgelegt werden. Demgegenüber werden beruflicher Ausbildungsgänge sowie von Studiengän-
Prüfungen in den MINT-Fächern (Mathematik, Informa- gen vor.
tik, Naturwissenschaften und Technik) mit ca. 90% mit In den Übergangsquoten zwischen den Migrati-
den geringsten Erfolgsquoten abgelegt. Im Master be- onsgenerationen lassen sich Unterschiede feststellen
steht die große Mehrheit der Studierenden aller Fächer- (Abb. 4-25): Ein Monat nach Studienabschluss haben
gruppen die Abschlussprüfungen, und es lassen sich nur 43% der ersten Generation keine Erwerbstätigkeit
dabei auch nur geringe Nachteile für nichtdeutsche begonnen. Dieser Anteil ist sogar niedriger als bei den
Studierende feststellen. Absolventinnen und Absolventen ohne Migrations-
Wird ein Studium durch eine bestandene Ab-
schlussprüfung erfolgreich abgeschlossen, stellt sich
55 Haben z.B. Studierende nach dem Bachelor- auch einen Masterab-
die Frage, wie schnell der Übergang in Erwerbstätigkeit schluss erworben, so wird der Übergang in Erwerbstätigkeit nach dem
vollzogen werden kann. Insbesondere der erstmalige Masterabschluss betrachtet.
147
Kinder- und Jugendmigrationsreport
in %
100
ohne begonnene Erwerbstätigkeit
80
60
40
20
0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Monate seit letztem Studienabschluss
Quelle: DJI, AID:A 2015, gewichtete Daten, eigene Berechnungen; n=1.264; in den Klammern stehen die Prozentanteile der jeweiligen Migra-
tionsgeneration in der Stichprobe.
hintergrund (48%). Weniger nahtlos gestaltet sich der ration sowie Personen ohne Migrationshintergrund,
Übergang für junge Erwachsene der zweiten Genera- auf 26% der zweiten Generation beidseitig sowie auf
tion, die einen Monat nach Abschluss zu 87% (zweite 40% der zweiten Generation einseitig zu. Insbesondere
Generation beidseitig) bzw. 64% (zweite Generation junge Erwachsene der zweiten Generation beidseitig
einseitig) noch keine Erwerbstätigkeit begonnen ha- weisen zwar geringe direkte Übergänge in die Erwerbs-
ben. Ausgehend von diesen unterschiedlichen Niveaus tätigkeit auf; allerdings hat in diesen zwei Jahren nach
lassen sich in den folgenden zwei bis drei Monaten nur Studienabschluss ein ähnlicher hoher Anteil eine Arbeit
geringe Übergänge in die Erwerbstätigkeit für alle fünf begonnen wie bei Personen ohne Migrationshinter-
Gruppen feststellen. Mögliche Gründe dafür könnten in grund. Dementsprechend stark fallend ist die Kurve der
der Sucharbeitslosigkeit, in bereits gefundenen, aber zweiten Generation beidseitig im Zeitverlauf.
erst später beginnenden Arbeitsstellen oder im Wunsch Absolventinnen und Absolventen der ersten Ge-
nach einer Auszeit nach Studienende liegen. Zwischen neration beginnen demnach überraschenderweise am
drei und zwölf Monaten nach Studienabschluss sind al- schnellsten mit einer Erwerbstätigkeit und weisen zwei
lerdings für alle Gruppen wieder verstärkte Übergänge Jahre nach Abschluss auch die höchste Erwerbsbe-
in die Erwerbstätigkeit festzustellen. teiligung auf. Junge Erwachsene der zweiten Genera-
Im zweiten Jahr nach dem Abschluss verringern tion nehmen dagegen verzögert eine Erwerbstätigkeit
sich die Übergänge in die Erwerbstätigkeit, was an den auf und sind auch zwei Jahre nach Abschluss häufiger
flacher verlaufenden Kurven der fünf Gruppen erkenn- nicht erwerbstätig. Mit Hilfe multivariater statistischer
bar ist. Auch zwei Jahre nach Studienabschluss zeigen Analysen werden im Folgenden mögliche Erklärungen
sich deutliche Unterschiede zwischen den Migrations- für diese Ergebnisse gesucht, und dies mittels eines
generationen: Während Absolventinnen und Absolven- „Piecewise-Constant-Regressionsmodells“ (Blossfeld
ten der ersten Generation nur zu 14% noch keine Arbeit 2010). Diese Modelle ermöglichen es, die Übergangs-
begonnen haben, trifft dies auf 27% der dritten Gene- rate in Erwerbstätigkeit in den Monaten nach dem
148
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
149
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 4-26: Höchste berufliche Abschlüsse der 18- bis unter 25-Jährigen nach Migrationshintergrund 2017
(in %)
in %
100 6,4
18,1 15,8
80 29,8
16,8
60 11,1 35,8
40
62,8
54,5
20 42,1
0
ohne 2./3. Generation 1. Generation
Migrationshintergrund
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; N= 6,1 Mio.
nur geringe Unterschiede. Unter Migrantinnen und Mi- Schulabschlüssen auch bei den beruflich qualifizieren-
granten sind allerdings junge Frauen besser qualifiziert: den Abschlüssen, dass Zuwanderer aus EU-15-Län-
Sie haben häufiger einen akademischen Abschluss er- dern oftmals hochqualifiziert sind (Hamburgisches
worben und sind seltener ohne jeglichen beruflichen WeltWirtschaftsInstitut 2014).
Abschluss geblieben als junge Männer.
Ähnlich wie bei den höchsten Schulabschlüssen Fazit
(Kap. 4.2.6) lassen sich die gemischten Ergebnisse Studienberechtigte mit Migrationshintergrund planen
der selbst Zugewanderten der ersten Generation auf häufiger ein Studium aufzunehmen, obwohl sie negati-
Unterschiede nach Herkunftsländern zurückführen vere Erwartungen bezüglich eines erfolgreichen Studi-
(Abb. 4-27): Am häufigsten haben Personen mit Wur- enverlaufs und einer erfolgreichen Berufskarriere nach
zeln im Nahen und Mittleren Osten sowie aus Ländern, Abschluss aufweisen im Vergleich zu Studienberechtig-
welche seit 2004 der Europäischen Union beigetreten ten ohne Migrationshintergrund.
sind, keinen berufsqualifizierenden Abschluss erwor- In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der Studie-
ben. Obwohl Personen aus einem Land der ehemaligen renden insgesamt – und darunter der Anteil an Studie-
Sowjetunion die geringsten Anteile an Personen ohne renden ohne deutschen Pass – erhöht. Ausländische
Abschluss aufweisen, ist dieser Anteil dennoch deut- Studierende sind zum größten Teil erst für das Studium
lich höher als bei Personen ohne Migrationshintergrund nach Deutschland gekommen und stammen häufig aus
(Abb. 4-26). Zugewanderte aus dem Nahen und Mittle- großen wirtschaftlichen Schwellenländern wie China,
ren Osten haben am seltensten irgendeinen beruflichen Indien und Russland. Nichtdeutsche Studierende sind
Abschluss (sowohl nicht-akademisch als auch akade- im deutschen Hochschulsystem insgesamt erfolg-
misch) erworben. Nur ein geringer Anteil hat bereits in reich: Mit knapp der Hälfte studieren diese häufiger als
diesem jungen Alter einen Hochschulabschluss vorzu- Deutsche die sogenannten MINT-Fächer, welche auf
weisen. Unter Personen eines EU-15-Landes ist der dem Arbeitsmarkt besonders gefragt sind. Im Master-
Anteil allerdings mehr als doppelt so hoch wie für die studium bestehen sie annähernd genauso häufig wie
anderen Herkunftsländer. Damit zeigt sich neben den Deutsche die Abschlussprüfungen. Die Abbruchquoten
150
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
Abb. 4-27: Höchste berufliche Abschlüsse der 18- bis unter 25-Jährigen mit eigener Migrationserfahrung
nach Herkunftsländern 2017 (in %)
in %
100
5,9
12,8
12,7
24,5
80 26,1
19,2
60 45,5
23,1 19,6
43,0
40
44,9 48,4
20 38,6
28,5
0
EU-15 EU-Ost Naher/Mittl. Osten Ehem. SU
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus 2017, Sonderauswertung; N= 830.000.
Anmerkungen: Aufgrund zu geringer Fallzahlen für einige Herkunftsländer (z.B. Polen, Türkei) kann in dieser Grafik die Herkunftsklassifikation
aus Kap. 2.2. nicht exakt wiedergegeben werden.
unter nichtdeutschen Studierenden sind höher als unter Übergänge festgestellt werden können. Anhand der
deutschen. Allerdings kann aus diesen Quoten nicht AID:A-Daten kann allerdings nicht beurteilt werden,
geschlossen werden, ob das Studium tatsächlich ab- ob es sich bei Studierenden der ersten Generation um
gebrochen oder nur im Ausland abgeschlossen wurde. bildungsinländische oder bildungsausländische Stu-
Surveys können auch die Studienverläufe von Stu- dierende handelt, weil das Land, in welchem die Hoch-
dierenden mit Migrationshintergrund darstellen. Dabei schulzugangsberechtigung erworben wurde, nicht ab-
lässt sich feststellen, dass Studierende mit Migrations- gefragt wurde.
hintergrund häufiger ein Studium abbrechen. Gründe Die Gründe für die unterschiedlichen Übergänge
liegen in den schlechteren Schulabschlüssen, in der sind unbekannt und sollten Gegenstand zukünftiger
geringeren familiären Bildungsherkunft und in den fi- Forschung sein. Es konnte lediglich gezeigt werden,
nanziellen Ressourcen während des Studiums sowie dass die verschiedenen Übergangsverläufe nicht auf
im geringerem Interesse am gewählten Studienfach. Unterschiede in der familiären Bildungsherkunft oder
Differenzierter fallen die Ergebnisse für den Übergang den Studienabschlüssen zurückgeführt werden kön-
in die Erwerbstätigkeit nach letztem Studienabschluss nen. Eine ebenfalls offene Frage ist, ob die oftmals er-
aus: Absolventinnen und Absolventen der ersten Ge- folgreichen Studierenden aus dem Ausland nach ihrem
neration weisen die direktesten Übergänge in Erwerbs- Abschluss in Deutschland bleiben oder wieder in ihre
tätigkeit auf, während unter Migrantinnen und Migran- Herkunftsländer zurückkehren.
ten der zweiten Generation seltenere und langsamere
151
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Schlussfolgerungen Kapitel 4
Im Vergleich zu den Jahren 2009 bzw. 2011 und 2012 zurückgeführt werden. Berücksichtigt man die unter-
ist aktuell der Anteil an Kindern, Jugendlichen und jun- schiedlichen sozialen und familiären Bedingungen, las-
gen Erwachsenen mit nichtdeutscher Staatsangehörig- sen sich nur noch für bestimmte Herkunftsländer wie der
keit oder Migrationshintergrund in allen Bereichen des Türkei, dem ehemaligem Jugoslawien oder Länder des
institutionellen Bildungssystems – wie auch in der Be- Nahen und Mittleren Ostens Unterschiede feststellen. In
völkerung Deutschlands (Kap. 2.1) – angestiegen. Bezug auf die Lesekompetenz in der 9. Jahrgangsstufe
Die Kindertagesbetreuung gilt inzwischen als erster lag ein Grund für diese Unterschiede nach Herkunfts-
institutioneller Bildungsort eines Kindes. Bereits hier ländern in der Aufenthaltsdauer in Deutschland bzw. der
werden Entscheidungen der Eltern hinsichtlich der Bil- Migrationsgeneration sowie der Familiensprache. Wäh-
dung ihrer Kinder getroffen, nämlich bei der Frage, ab rend Migrantinnen und Migranten der zweiten Genera-
wann Kinder diese Angebote nutzen. Im Unterschied tion aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion – die zu
zum schulischen Bereich ist die Teilnahme an früher Bil- Teilen als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen
dung nicht verpflichtend, sondern freiwillig. Daher stellt sind und somit bereits bei der Einreise Deutschkenntnis-
sich für den Bereich der Kindertagesbetreuung zu- se aufweisen – zu Hause größtenteils Deutsch sprechen,
nächst die Frage nach der generellen Teilnahme sowie nutzen Türkeistämmige zu Hause immer noch überwie-
ab wann die Angebote genutzt werden. So besuchen gend eine andere Sprache.
zunehmend mehr Kinder mit Migrationshintergrund ein Unterschiede finden sich auch beim Vergleich der
Angebot der Kindertagesbetreuung – wenngleich die schulischen und berufsqualifizierenden Abschlüsse
Analysen auch zeigen, dass nicht alle Elternwünsche junger Erwachsener im Alter von 18 bis unter 25 Jahren:
erfüllt werden. Außerdem nehmen Kinder mit Migra- Migrantinnen und Migranten haben geringere schuli-
tionshintergrund weiterhin seltener Angebote der Kin- sche oder beruflich qualifizierende Abschlüsse erreicht
dertagesbetreuung in Anspruch als Kinder ohne Mig- als ihre Altersgenossen ohne Migrationshintergrund.
rationshintergrund. Besonders bei den unter 3-jährigen Außerdem fällt die extreme Verteilung in der ersten Ge-
Kindern sind die Unterschiede in der Inanspruchnahme neration auf: Junge Zugewanderte haben häufiger kei-
deutlich, obwohl sich ihre Eltern in gleichem Maße wie nen schulischen oder berufsqualifizierenden Abschluss
Eltern ohne Migrationshintergrund einen Betreuungs- im Vergleich zu Personen der zweiten oder dritten Ge-
platz wünschen. Dennoch ist die Mehrheit der Kinder neration erworben. Auf der anderen Seite haben sie
mit Migrationshintergrund bereits vor der Einschulung aber auch häufiger hohe Abschlüsse, d.h. die (fach-
durch den Besuch eines Angebots der Kindertages- gebundene) Hochschulreife oder einen akademischen
betreuung in institutionelle Bildungseinrichtungen ein- Abschluss erreicht. Diese Unterschiede ließen sich da-
gebunden. bei vor allem auf unterschiedliche Herkunftsländer der
Während an Schulen die meisten Kinder und Ju- Zugewanderten zurückführen. Hochqualifiziert waren
gendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland vor allem Personen aus einem EU-15-Land, während
geboren sind, kommen Studierende oftmals erst zum junge Erwachsene aus dem Nahen und Mittlerem Os-
Studium nach Deutschland. An verschiedenen Stellen in ten oftmals nur über geringe Qualifikationen verfügten.
Schule, Ausbildung oder Studium weisen Personen mit Studienabsolventinnen und –absolventen der ersten
Migrationshintergrund schlechtere Bildungsergebnis- Generation weisen außerdem oftmals unmittelbarere
se auf als ihre Altersgenossen ohne Zuwanderungsge- Übergänge in Erwerbstätigkeit auf. Der Berufseinstieg
schichte. Das gilt zum Beispiel für den Übergang von der vollzieht sich dabei nicht nur schneller im Vergleich zu
Grundschule auf das Gymnasium, für die schulischen Absolventinnen und Absolventen anderer Generatio-
Kompetenzen am Ende der Pflichtschulzeit im Schulbe- nen, sondern auch im Vergleich zu Personen ohne Mig-
reich sowie für die Häufigkeit des Abbruchs einer begon- rationshintergrund. Ein Grund könnte darin liegen, dass
nenen Berufsausbildung oder eines Studiums. Diese un- ausländische Studienabsolventinnen und –absolventen
günstigeren Bildungsverläufe können zu einem großen – die größtenteils erst zum Studium nach Deutschland
Teil auf die schlechtere soziale und familiäre Herkunfts- gekommen sind und deswegen der ersten Generation
situation oder den zuvor erworbenen Schulabschluss angehören – häufig einen Abschluss in den MINT-Fä-
152
4 Von der Kita bis zur Hochschule: Junge Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem
153
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Zentrale Ergebnisse
• Die Anzahl an Kindern mit Migrationshintergrund, die ein Angebot der Kindertagesbetreuung in Anspruch
nehmen, ist im letzten Jahrzehnt deutlich gestiegen; insbesondere bei den unter 3-Jährigen – ihre Zahl
stieg von 2009 bis 2018 um das 2,5-Fache. Außerdem hat sich der Anteil der Kinder mit Migrationshinter-
grund an allen Kindern in der Kindertagesbetreuung erhöht.
• Im Jahr 2018 nahmen 20% der unter 3-jährigen Kinder mit Migrationshintergrund und 82% der 3- bis
unter 6-Jährigen mit Migrationshintergrund ein Angebot der Kindertagesbetreuung in Anspruch. Die Inan-
spruchnahme von Kindern mit Migrationshintergrund liegt weiterhin deutlich unter der von Kindern ohne
Migrationshintergrund.
• Bisher können nicht alle Elternwünsche erfüllt werden, denn 45% der Eltern von Kindern mit Migrations-
hintergrund geben an, sich einen Platz in der Kindertagesbetreuung für ihr Kind im Alter von unter 3 Jahren
zu wünschen. Somit übersteigen die elterlichen Wünsche die Inanspruchnahme deutlich.
• Der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund ist im Grundschulbereich etwa vier-
mal und im Sekundarbereich I etwa dreimal so hoch wie der Anteil an Schülerinnen und Schülern ohne
deutsche Staatsangehörigkeit.
• Im Schuljahr 2015/16 hatten 34% der Kinder an Grundschulen Migrationshintergrund.
• Im Schuljahr 2014/15 hatten 23% der Jugendlichen an Gymnasien und 33% an anderen Schularten im
Sekundarbereich I einen Migrationshintergrund.
• Zwischen 2011 und 2017 haben sich die höchsten erworbenen allgemeinen Schulabschlüsse der 18- bis
unter 25-Jährigen für verschiedene Migrationsgenerationen unterschiedlich entwickelt: Junge Erwach-
sene ohne Migrationshintergrund sowie der zweiten oder dritten Generation verlassen nun seltener die
Schule ohne Schulabschluss und häufiger mit einer (fachgebundenen) Hochschulreife. Im Gegensatz dazu
hat sich unter Migrantinnen und Migranten der ersten Generation sowohl der Anteil ohne Schulabschluss
als auch der mit (fachgebundener) Hochschulreife erhöht.
• Zuwanderer der ersten Generation aus EU-15-Ländern sind am besten ausgebildet, haben zu 57% eine
(fachgebundene) Hochschulreife und nur zu 6% keinen Schulabschluss erworben.
• Zuwanderer der ersten Generation aus Ländern des Nahen und Mittleren Ostens sind am schlechtesten
ausgebildet und haben zu 36% eine (fachgebundene) Hochschulreife und zu 16% keinen Schulabschluss
erworben.
• Mit 53% beginnt die Mehrheit der deutschen Jugendlichen eine Berufsausbildung im dualen System, wäh-
rend mit 57% die meisten nichtdeutschen Jugendlichen in das Übergangssystem eintreten.
• In der dualen Berufsausbildung unterscheiden sich die Berufe stärker zwischen den Geschlechtern als
zwischen den Staatsangehörigkeiten; allerdings konzentrieren sich nichtdeutsche Jugendliche noch stär-
ker als deutsche auf eine kleine Anzahl an Berufen.
• Im Sommersemester 2018 hatten 14% der Studierenden keine deutsche Staatsangehörigkeit; unter die-
sen haben drei Viertel ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben.
• Im Wintersemester 2018/19 studierten 49% der nichtdeutschen Studierenden MINT-Fächer (Mathematik,
Informatik, Naturwissenschaften und Technik), was nur auf 36% der deutschen Studierenden zutraf.
• Analysen mit dem AID:A-Datensatz von 2015 zeigen, dass Absolventinnen und Absolventen der ersten
Migrationsgeneration unter allen Migrationsgenerationen die direktesten Übergänge in Erwerbstätigkeit
aufweisen und auch zwei Jahre nach dem Studienabschluss am häufigsten erwerbstätig sind.
154
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
5
Junge Menschen mit
Migrationshintergrund in
den Hilfen zur Erziehung
und Inobhutnahmen
155
Kinder- und Jugendmigrationsreport
156
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
tionshintergrund nicht gerecht wird (Schweitzer 2016). Hilfeverläufen in den Blick. Bei den Hilfeverläufen wer-
Andererseits sind über diese Merkmale zumindest In- den die Analysen um die Perspektive ergänzt, die auf
formationen zur Nutzung und Inanspruchnahme von das Ende von erzieherischen Hilfen blickt.
Familien mit und ohne Migrationshintergrund möglich, In beiden Teilkapiteln wird in den Analysen mitunter
die Unterschiede sichtbar machen können und damit auf die Gruppe der unbegleiteten ausländischen Min-
auf eventuell eingeschränkte Zugänge zu Leistungen derjährigen eingegangen, weil sie die Entwicklungen
der Kinder- und Jugendhilfe und Teilhabemöglichkei- zwischen 2014 und 2016 in beiden Handlungsfeldern
ten sowie damit einhergehenden Zuschreibungen und maßgeblich geprägt hat. Gleichwohl widmet sich das
strukturelle Benachteiligungen des Systems hinweisen. Kapitel 6 eigens dieser besonderen Situation der unbe-
gleiteten ausländischen Minderjährigen, die gerade die
Aufbau des Kapitels 5 Kinder- und Jugendhilfe in der genannten Zeit wesent-
Das vorliegende Kapitel geht davon aus, dass sich bei lich herausgefordert hat.
allen Begrenzungen der Statistik auf Basis der amtli-
chen Daten Unterschiede zwischen jungen Menschen
und ihren Familien mit und ohne Migrationshintergrund
als Adressaten der beiden Handlungsfelder der Kinder
und Jugendhilfe, den Inobhutnahmen und Hilfen zur Er-
ziehung, zumindest beschreiben lassen. Dabei wird die
Beantwortung von zwei Fragestellungen in den Mittel-
punkt gestellt: Wie gestaltet sich die Inanspruchnahme
und Notwendigkeit von Inobhutnahmen oder auch die
Gewährungspraxis in den Hilfen zur Erziehung? Wovon
hängt die Inanspruchnahme bestimmter Leistungen
von jungen Menschen mit Migrationshintergrund ab?
Das Kapitel 5.1 betrachtet die Inobhutnahmen bei
Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Dabei richtet sich der Blick zunächst auf regionale Un-
terschiede sowie auf die Anzahl und die Formen der
Inobhutnahmen. In einem weiteren Schritt werden die
Verteilung nach Altersgruppen sowie Geschlecht und
damit die Adressatengruppen aufgezeigt. Das Zustan-
dekommen, der Verlauf sowie das Ende von vorläufi-
gen Schutzmaßnahmen stehen im Fokus der Analysen
eines weiteren Teils dieses Kapitels.
Das Kapitel 5.2 beschreibt die Gewährung von Hil-
fen zur Erziehung für junge Menschen mit Migrations-
hintergrund und ihren Familien. In den Analysen wird
ein Fokus auf die Gewährungspraxis, das heißt auf
die neu begonnenen Hilfen gelegt, um einerseits den
Blick für die Problemlagen der Hilfeempfängerinnen
und -empfänger zu schärfen und andererseits für die
Zugänge sowie für mögliche Wahrnehmungs- und De-
finitionsprozesse von Fachkräften, die insbesondere
zu Beginn einer Hilfe entscheidend sind. Das Kapitel
nimmt dabei die Verteilung junger Menschen mit Mig-
rationshintergrund im Hilfespektrum insgesamt, in ein-
zelnen Hilfearten sowie anhand differenzierter Analysen
zu den Hilfeempfängerinnen und -empfängern und den
157
Kinder- und Jugendmigrationsreport
5.1 Inobhutnahmen
Elena Gnuschke
Regionale Unterschiede
Der Anteil an in Obhut genommenen Minderjährigen mit
Migrationshintergrund in den westdeutschen Bundes-
ländern liegt höher als in den ostdeutschen Ländern: In
158
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Abb. 5-1: Reguläre Inobhutnahmen sowie Anteil der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen nach
Staatsangehörigkeit (2009-2013) bzw. Migrationshintergrund E15 (2014–2017)1 (absolut, in %)
100.000
84.230
77.645
80.000
72,3%
60.000
48.059 50.282
38.481 40.227 42.123
33.710 36.343 53,1%
40.000
26,7% 31,4%
22,2% 23,9%
20,7%
20.000 77,8% 76,1% 73,3% 68,6%
79,3% 27,7% 46,9%
0
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2009–2017; Zusammenstellung und Berechnung
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Anmerkung: Die Erfassung des Merkmals Migrationshintergrund hat sich im Laufe der Jahre verändert. Bis 2013 wurde dieser über das Erhe-
bungsmerkmal „Staatsangehörigkeit“ und ab 2014 über das Merkmal „ausländische Herkunft mindestens eines Elternteils“ erfasst. Die Ergeb-
nisse wurden erstmalig für das Berichtsjahr 2016 veröffentlicht.
1 Für die Berichtsjahre 2014 und 2015 liegen aufgrund von Fehlern in Softwareprogrammen keine aussagekräftigen Daten vor.
159
Kinder- und Jugendmigrationsreport
die nach einer Änderung des Erhebungsinstrumentes liche mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit zeigt sich
für die KJH-Statistik 2017 erstmalig vonseiten der Ju- somit zum einen ein absoluter Anstieg der Inobhutnah-
gendämter gemeldet wurden, zusammen. mefälle zwischen 2009 und 2013, zum anderen jedoch
Auch die KJH-Statistik verdeutlicht anhand der nahezu ein relativer Bedeutungsverlust im Verhältnis zur Grup-
gleichen Fallzahlen von regulärer und vorläufiger Inobhut- pe der deutschen Kinder und Jugendlichen.
nahme deren Ineinandergreifen (Kiepe/Pothmann 2018).
Für die weiteren Berechnungen werden zur Ver- Rapider Anstieg der Inobhutnahmen mit
meidung von Doppelzählungen als Gesamtanzahl aller dem Jahr 2015 – rückläufige Zahlen ab 2017
Inobhutnahmen für das Jahr 2017 nur die regulären In- Zwischen 2014 und 2016 sind die Fallzahlen der regulä-
obhutnahmen (Gesamtanzahl ohne vorläufige Inobhut- ren Inobhutnahmen um 75,3% auf ein Hoch von 84.230
nahmen nach § 42a SGB VIII) verwendet. Abzüglich der Fällen gestiegen (Abb. 5-1). Dass dieser Anstieg auf die
vorläufigen Inobhutnahmen wurden im Jahr 2017 ins- Zunahme bei unbegleiteten ausländischen Minderjähri-
gesamt 50.282 reguläre Inobhutnahmen erfasst (Abb. gen zurückzuführen ist, zeigt zum einen der Anteil der
5-1). Bei Betrachtung des Zeitraums ab 2009 muss Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund an
die Entwicklung der Inobhutnahmen in zumindest drei allen Inobhutnahmen – 72,3% in 2016 (Abb. 5-1) –, aber
Etappen eingeteilt werden: auch der Anteil der Minderjährigen mit nichtdeutscher
In einer ersten Etappe stieg die Anzahl aller Inobhut- Staatsangehörigkeit an der Gesamtbevölkerung, der
nahmen zunächst bis 2014 kontinuierlich um 42,6% an auf 10,2% angestiegen ist (ohne Abb.).
mit einem maximalen Zuwachs von insgesamt 14,1% Im Jahr 2017 endete schließlich der Anstieg und es
(2013 zu 2014). Die Fallzahlen bei den Kindern und folgte eine dritte Etappe: die Abnahme der Inobhutnah-
Jugendlichen ohne Migrationshintergrund ist dabei in men insgesamt und somit auch ein geringerer Anteil der
diesem Zeitraum (bis 2013) um 8,0% gestiegen, die Inobhutnahmen von Minderjährigen mit Migrationshin-
derjenigen mit Migrationshintergrund haben sich nahe- tergrund an allen Inobhutnahmen (Abb. 5-2).
zu verdoppelt und weisen einen Zuwachs um 90,0%
auf. Die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit Migra- Der Anteil der Inobhutnahmen von Kindern
tionshintergrund ist allein zwischen 2012 und 2013 um und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
23,1% gestiegen E15 . unterscheidet sich zwischen den
Bundesländern – NRW hat den größten Anteil
E15: Migrationshintergrund in den Tabellen Insgesamt hatten im Jahr 2017 53,1% der in Obhut ge-
zu vorläufigen Schutzmaßnahmen in der nommenen Kinder und Jugendlichen einen Migrations-
KJH-Statistik hintergrund. Im Jahr 2016 machten sie noch einen An-
teil von 72,3% aus. Hinter dieser bundesweiten Quote
In den Jahren 1995 bis 2013 wurde die Staats-
stehen jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den
angehörigkeit erfasst. Verwendet wurde hierzu die
Bundesländern. So liegt der Anteil der Kinder und Ju-
Kategorie „deutsch“/„nichtdeutsch“.
gendlichen mit Migrationshintergrund im Jahr 2017 in
Seit 2014 wird zur Bestimmung des Migrations- den ostdeutschen Flächenländern zwischen 32,9% in
hintergrundes die Kategorie „mit ausländischer Brandenburg und 43,2% in Sachsen, und in den west-
Herkunft mindestens eines Elternteils“ mit den deutschen Flächenländern zwischen 39,7% im Saar-
Ausprägungen „Ja“/“Nein“ herangezogen. Aus- land und 65,1% in Hessen. Für die Stadtstaaten wur-
gewiesen wird der Migrationshintergrund in den den die höchsten Werte ausgewiesen, in Berlin sogar
Tabellenbänden aufgrund eines Fehlers im Soft- eine Quote von 74,5% (Abb. 5-3).
wareprogramm erst seit 2016. Für alle Bundesländer zeigt sich, dass die Quote
der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Diese Entwicklung korrespondiert nicht mit dem Trend, für die Inobhutnahmefälle (inklusive der unbegleiteten
der in der Bevölkerungsstatistik zu beobachten ist. Zwi- ausländischen Minderjährigen) höher liegt als in der Be-
schen 2009 und 2013 hat sich hier der Anteil an nicht- völkerung insgesamt. Es gilt in diesem Zusammenhang
deutschen Minderjährigen in der Gesamtbevölkerung in der Regel aber auch, dass ein hoher Anteil von Min-
von 7,5% auf 6,4% reduziert (Abb. 5-2). Für Jugend- derjährigen mit Migrationshintergrund in der Bevölke-
160
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Abb. 5-2: Gegenüberstellung des Anteils nichtdeutscher Minderjähriger in der Bevölkerung sowie der
Staatsangehörigkeit bzw. dem Migrationshintergrund bei den regulären Inobhutnahmen 2009–2013,
2016/20171 (in %)
in %
80
72,3
60
53,1
40
31,4 36,5
26,7 35,4
23,9
20,7 22,2
20
0
2009 2010 2011 2012 2013 2016 2017
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2009–2013, 2016/2017; Zusammenstellung und Be-
rechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik; Bevölkerungsfortschreibung 2009–2013; Autorengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik
(2019); Statistisches Bundesamt und Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (2018).
Anmerkung Die Erfassung der Herkunft der Kinder und Jugendlichen bzw. ihrer Eltern hat sich im Laufe der Jahre verändert. Bis 2013 wurde
dieser über das Erhebungsmerkmal „Staatsangehörigkeit“ und ab 2014 über das Merkmal „ausländische Herkunft mindestens eines Elternteils“
erfasst. Die Ergebnisse wurden erstmalig für das Berichtsjahr 2016 veröffentlicht.
Anmerkung: N-Werte zu den Bundesländern siehe Tab. A-13 und Tab. A-14 im Anhang.
1 Für die Berichtsjahre 2014 und 2015 liegen aufgrund von Fehlern in Softwareprogrammen keine aussagekräftigen Daten vor.
rung mit einer höheren Quote für die Fälle der Inobhut- Sieht man sich die Verteilung der Inobhutnahmen
nahmen einhergeht. Dies zeigt sich insbesondere am nach Migrationshintergrund mit Blick auf die anteilige
Beispiel der ostdeutschen Flächenländer sowie insbe- Verteilung in Deutschland an, so wird deutlich, dass
sondere auch am Stadtstaat Bremen. Etwas aus dem Nordrhein-Westfalen den größten Anteil an Kindern
Rahmen fällt in diesem Kontext Bayern, da hier zwar und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Obhut
eine hohe Quote an Inobhutnahmen von Minderjähri- genommen hat. Insgesamt haben im Jahr 2017 die
gen mit Migrationshintergrund zu verzeichnen ist, der ostdeutschen Flächenländer 14,8% aller Inobhutnah-
Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshin- men von Minderjährigen mit Migrationshintergrund
tergrund in der Bevölkerung jedoch im bundesweiten durchgeführt (Abb. 5-4).
Vergleich eher niedrig verbleibt (Abb. 5-3).
161
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 5-3: Minderjährige mit Migrationshintergrund an der minderjährigen Bevölkerung pro Bundesland
und an allen regulären Inobhutnahmen in den Bundesländern 2017 (in %)
Brandenburg 12,0
32,9
Thüringen 9,4
36,0
Sachsen-Anhalt 10,1
36,9
Mecklenburg-Vorpommern 10,6
38,5
Saarland 34,5
39,7
Schleswig-Holstein 25,6
41,8
Niedersachsen 33,4
42,9
Sachsen 13,2
43,2
Rheinland-Pfalz 37,7
51,8
Nordrhein-Westfalen 44,0
55,1
Bayern 34,8
60,1
Baden-Württemberg 44,2
64,9
Hessen 46,8
65,1
Bremen 53,3
67,1
Hamburg 46,1
69,1
Berlin 46,9
74,5
0 20 40 60 80
in %
Anteil an Minderjährigen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung
Anteil an Minderjährigen mit Migrationshintergrund an den Inobhutnahmen
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Mikrozensus 2017; Zusammenstellung und Be-
rechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Anmerkung: N-Werte zu den Bundesländern siehe Tab. A-15 im Anhang.
162
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Abb. 5-4: Reguläre Inobhutnahmen Minderjähriger nach Migrationshintergrund und Bundesländern 2017
(in %)
Schleswig-Holstein
Mecklenburg-
58,2
Vorpommern
41,8
61,5
30,9
69,1 38,5
32,9
Hamburg
67,1
25,5
57,1
Berlin
Bremen 74,5
42,9
Niedersachsen 67,1
63,1
32,9
Nordrhein-Westfalen 36,9 Brandenburg
44,9 Sachsen-Anhalt
55,1
Thüringen 56,8 Sachsen
Hessen 64,0 43,2
64,9
Bayern 20,0% - u. 27,8%
Baden-Württemberg
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung Arbeitsstelle Kinder- und
Jugendhilfestatistik.
Lesehinweis: Nordrhein-Westfalen nimmt gemessen an allen regulären Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
insgesamt, bundesweit gesehen, den größten Anteil in Obhut.
Anmerkung: N-Werte zu den Bundesländern siehe Tab. A-16 im Anhang.
163
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 5-5: Reguläre Inobhutnahmen nach Migrationshintergrund und Geschlecht 2017 (in %)
0 20 40 60 80 100
in %
Weiblich Männlich
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
allen von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen nen sonstige Personen als Anregende der Maßnahmen
gestellten Asylerstanträgen deutlich überwiegt (Deut- angegeben werden.
scher Bundestag 2018, S. 19) (hierzu auch Kap. 6.2.1). Bei den Inobhutnahmen nach Meldegruppen und
Auch die im Rahmen der Berichterstattung zum Herkunft wird deutlich, dass Kinder und Jugendliche
zweiten Bericht der Bundesregierung zur „Situation ohne Migrationshintergrund häufiger selbst die Maß-
der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen in nahme initiieren, während bei Kindern und Jugendli-
Deutschland“ durchgeführte Online-Erhebung bei Ju- chen mit Migrationshintergrund die Maßnahme häufiger
gendämtern bestätigt den geringen Anteil weiblicher durch andere Stellen und Personen initiiert wird. Dies
Jugendlicher innerhalb der Jugendamtsbezirke – laut ist wahrscheinlich ebenfalls auf die große Gruppe der
Angaben der Jugendämter ein Anteil von 7,9% (Deut- unbegleiteten ausländischen Minderjährigen im hier
scher Bundestag 2018, S. 19). betrachteten Berichtsjahr zurückzuführen, da diese aus
der vorläufigen Inobhutnahme direkt in die reguläre In-
obhutnahme übergehen und somit die Maßnahme bei
5.1.3 Beginn und Ende der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen grund-
Inobhutnahmen: Wer macht auf sätzlich durch soziale Dienste bzw. das Jugendamt an-
geregt wird.
die Situation aufmerksam? Sowohl bei Inobhutnahmen von Kindern und Ju-
Bei der Statistik zu den vorläufigen Schutzmaßnahmen gendlichen ohne Migrationshintergrund als auch bei
wird danach gefragt, wer die Maßnahme angeregt hat. jenen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshin-
Dabei sollte die Person oder auch Institution angege- tergrund regt der Allgemeine Soziale Dienst bzw. das
ben werden, die auf die Problemsituation im Einzelfall Jugendamt in mehr als der Hälfte der Fälle die Inobhut-
aufmerksam gemacht hat. Der Erhebungsbogen unter- nahme an. Vorläufige Inobhutnahmen bei unbegleiteten
scheidet hier zwischen den Eltern, den Minderjährigen ausländischen Minderjährigen leiten neben den sozia-
selbst, den Nachbarn und Verwandten sowie zwischen len Diensten und dem Jugendamt vor allem die Polizei
Lehrerinnen und Lehrern bzw. Erzieherinnen und Erzie- bzw. Ordnungsbehörde in die Wege. Selbstmeldungen
hern sowie Ärztinnen und Ärzten. Mit Blick auf Institu- bei unbegleiteten ausländischen Minderjährigen ma-
tionen können Soziale Dienste (einschließlich Jugend- chen insgesamt mit 23,3% einen größeren Anteil aus
amt) sowie Polizei und Ordnungsbehörden ebenfalls (Abb. 5-6).
genannt werden. Trifft keine dieser Kategorien zu, kön-
164
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
11,3 23,3
20,4 Kind/Jugendlicher selbst
73 73,0
51,1 Soziale Dienste/Jugendamt 36,8
80 60 40 20 in % 0 20 40 60 80
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Anmerkung: N-Werte siehe Tab. A-17 im Anhang.
Während die Inobhutnahmen von Kindern und Jugend- Die Maßnahmen führen meist zum
lichen ohne Migrationshintergrund nur bei 32,3% der Sorgeberechtigten zurück
Fälle länger als 30 Tage andauern, sind es bei den Inob- Auch das Ende der Maßnahme soll beleuchtet werden.
hutnahmen von jungen Menschen mit Migrationshinter- Insgesamt gesehen unterscheiden sich die Aufenthalte
grund fast die Hälfte aller Fälle (46,0%). Rund 25% der und Hilfen im Anschluss an eine reguläre Inobhutnahme
Inobhutnahmen von jungen Menschen mit Migrations- der jungen Menschen mit oder ohne Migrationshinter-
hintergrund dauern sogar 90 Tage und länger. Dies liegt grund nicht. Sowohl die Inobhutnahmen von jungen
vor allem auch an den Inobhutnahmen von unbeglei- Menschen mit Migrationshintergrund als auch die derje-
teten ausländischen Minderjährigen (Abb. 5-7), deren nigen ohne enden in den meisten Fällen mit einer Rück-
vorläufige Inobhutnahmen in 79,4% der Fälle zwischen kehr zu dem/der Personensorgeberechtigten (Abb. 5-8).
einem und 30 Tagen dauern. Somit wird die in § 42b Innerhalb der Kategorien sind lediglich einige kleine
Abs. 4 Nr. 4 SGB VIII gesetzte Frist von einem Monat Verschiebungen zu beobachten, so erhalten beispiels-
zum Großteil eingehalten (Abb. 5-7; hierzu: Deutscher weise anteilig mehr junge Menschen mit Migrations-
Bundestag 2018, S. 70). hintergrund eine sonstige stationäre Hilfe oder keine
anschließende Hilfe, während junge Menschen ohne
Migrationshintergrund anteilig gesehen häufiger in ihre
Pflegefamilien oder Heime zurückkehren oder eine er-
zieherische Hilfe außerhalb des Elternhauses erhalten
(Abb. 5-8).
165
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 5-7: Dauer von Inobhutnahmen nach Art der Inobhutnahme und Migrationshintergrund 2017 (in %)
in %
50
40
30
20
10
0
1 2 3 4 5 6 7 - u. 15 15 - u. 30 30 - u. 90 90 und mehr Tage
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Anmerkung: N-Werte siehe Tab. A-18 im Anhang.
166
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Abb. 5-8: Aufenthalt und Hilfe nach der regulären Inobhutnahme nach Migrationshintergrund 2017
(in %, Mehrfachnennungen)
13,6
19,8
mit Migrationshintergrund 27,2
7,2
(N=26.700)
7,0
2,4
28,8
10,5
14,4
ohne Migrationshintergund 29,3
7,5
(N=23.582)
5,7
4,4
35,9
0 5 10 15 20 25 30 35 40
in %
Keine anschließende Hilfe Sonstige stationäre Hilfe
Erzieherische Hilfe außerhalb d. Elternhauses Einleitung ambulante HzE
Übernahme durch anderes Jugendamt Rückkehr in Pflegefamilie oder Heim
Rückkehr zu Personensorgeberechtigten
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Anmerkung: N-Werte siehe Tab. A-19 im Anhang.
167
Kinder- und Jugendmigrationsreport
168
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
169
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Kindertageseinrichtungen und Schulen sind beispielsweise der Ausfall der Bezugspersonen wegen
wichtige Initiatoren von Erziehungsberatun- Krankheit, aber auch die unbegleitete Einreise von Min-
gen für Familien mit Migrationshintergrund derjährigen fallen, wird bei jungen Menschen mit Mig-
Kindertageseinrichtungen und Schulen spielen als In- rationshintergrund (Familiensprache) am häufigsten als
itiatoren von Erziehungsberatungen bei jungen Men- Hauptgrund für die Gewährung einer Hilfe genannt. Das
schen mit Migrationshintergrund und deren Familien gilt für Jungen und junge Männer noch stärker als bei
eine größere Rolle als bei denen ohne Migrationshinter- der weiblichen Klientel und ist auch ein Ergebnis, das
grund. Das gilt für die „ASD-Hilfen“ in der Form nicht. auf die Zunahme von Fällen für junge Menschen mit
Die Unversorgtheit des jungen Menschen, worunter Fluchterfahrungen zurückgeht.
Einleitung
Die Kinder- und Jugendhilfe bietet jungen Menschen nitives Hindernis bilden (Bundesjugendkuratorium 2013;
und deren Familien Unterstützung für ein breites Spek- Uslucan 2010b, S. 151f.) – vor allem dann, wenn Hilfen
trum an familiären Problemen und Schwierigkeiten im zur Erziehung als personenbezogene soziale Dienstleis-
Sozialisationsprozess. Dies gilt nicht zuletzt seit der tungen und damit als Ko-Produktionsprozess zwischen
Gültigkeit des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) Fachkräften und Familie verstanden werden.
sowie unabhängig von der Herkunft. Über den Rechts- Die Kinder- und Jugendhilfe im Allgemeinen und
anspruch von Eltern auf Hilfen zur Erziehung E16 ge- die Hilfen zur Erziehung im Besonderen haben für jun-
mäß § 27ff. SGB VIII steht ein differenziertes Instru- ge Menschen mit Migrationshintergrund in speziellem
mentarium sozialpädagogischer Handlungsformen zur Maße sensibilisiert zu sein. Migration ist zwar nicht per
Verfügung. Junge Volljährige haben ebenfalls einen se ein Indikator für (soziale) Benachteiligung, gleich-
Rechtsanspruch auf eine Hilfe, die in einem eigenen wohl stellt der Bildungsbericht 2018 erneut fest, dass
Paragrafen geregelt ist (§ 41 SGB VIII) E16 . Kinder mit Migrationshintergrund überproportional
Vor diesem Hintergrund stehen auch jungen Men- häufig in sozialen, finanziellen und bildungsbezogenen
schen E17 und deren Familien mit Migrationshintergrund Risikolagen aufwachsen und verweist in diesem Zu-
alle Angebote der erzieherischen Hilfen offen, sofern im sammenhang insbesondere auf die Gruppe der unbe-
Einzelfall ein entsprechender Bedarf festgestellt wird. gleiteten ausländischen Minderjährigen (Autorengruppe
Mit Blick auf die Unterstützung für die Gruppe der Bildungsberichterstattung 2018), die in jüngster Zeit die
jungen Menschen mit Migrationshintergrund wird in der Fachdiskussion bestimmt hat (Kap. 6; Wissenschaftli-
Fachliteratur deutliche Kritik geübt. Das Angebot an Hil- cher Beirat für Familienfragen 2016).
fen zur Erziehung entspreche nicht der Bedürfnisstruktur Die Begleitung und Unterstützung von jungen Men-
von Familien mit Migrationshintergrund (Uslucan 2010b): schen und deren Familien mit Migrationshintergrund stellt
Sprachbarrieren, unzureichende Informationen über die somit das Arbeitsfeld der Hilfen zur Erziehung vor beson-
Angebotsformen der Hilfen zur Erziehung sowie man- dere Herausforderungen. Damit ist die Frage verbunden,
gelnde vertrauensbildende Maßnahmen vonseiten der wie sich die Situation junger Menschen und deren Fami-
Institutionen, die Unterstützungsleistungen erbringen, lien aktuell in den Hilfen zur Erziehung darstellen.
würden den Zugang von Familien mit Migrationshinter-
grund zum Hilfesystem einschränken oder sogar blo-
ckieren. Die Angebote seien nicht niedrigschwellig. Es E16: Hilfen zur Erziehung (HzE)
sei nicht allein damit getan, über die Angebote in der Die Hilfen zur Erziehung zeichnen sich durch ein
Herkunftssprache zu informieren, denn diese würden differenziertes Unterstützungsangebot aus, worauf
noch keine ausreichende sprachliche Basis zur Verstän- Personensorgeberechtigte einen Rechtsanspruch
digung im Hilfeprozess herstellen. Insofern können be- gemäß §§ 27ff. SGB VIII haben, „wenn eine dem
stehende sprachliche Barrieren weiterhin ein hohes kog-
170
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entspre- nen Familie untergebracht werden. Andererseits
chende Erziehung nicht gewährleistet ist und die hält dieses Leistungssegment eine stationäre
Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig Unterbringung gemäß §§ 34 oder 27,2 vor. Im
ist“ (§ 27 Abs. 1 SGB VIII). Der Paragraf verweist Gegensatz zur Vollzeitpflege handelt es sich hier-
auf ein breites Leistungsangebot, insbesondere ge- bei um institutionelle Angebote in Heimen oder
mäß §§ 28-35 SGB VIII, das sich nach dem erzie- Wohngruppen (ausführliche Informationen zu den
herischen Bedarf richtet. Flexible Hilfen, die in ihrer einzelnen Hilfearten: Fendrich u.a. 2018).
Ausgestaltung nicht dem klassischen Leistungs-
katalog gem. §§ 28-35 SGB VIII folgen, können
59 Die ISE-Maßnahmen werden dem ambulanten Leistungsspek-
auch gemäß § 27 Abs. 2 SGB VIII gewährt werden, trum zugeordnet, weil der Großteil der Hilfen außerhalb einer
die hier in Kurzform als „27,2er-Hilfen“ bezeichnet Einrichtung durchgeführt wird. Darunter verbergen sich aber
werden (Abb. 5-9). Die einzelnen Hilfearten können auch viele Hilfen, die in der Wohnung des jungen Menschen
erfolgen. Im Sinne einer Hilfe im Anschluss an eine stationäre
grob in Leistungssegmente hinsichtlich ihres Inter-
Unterbringung gem. § 34 SGB VIII wäre eine Zuordnung der
ventionsgrades unterschieden werden (Ritzmann/ ISE-Maßnahmen zum stationären Bereich ebenfalls plausibel
Wachtler 2008). Das Leistungsspektrum reicht von gewesen (Fendrich/Tabel 2019; Fendrich u.a. 2018).
(kurzzeitigen) familienunterstützenden Hilfen bis
hin zu langfristigen Unterbringungen außerhalb der
eigenen Familie. Für Hilfen bezüglich junger Volljäh-
E17: Junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung
riger ist ein eigenständiger Paragraf vorgesehen (§
41 SGB VIII), der sich aber in der Ausgestaltung an Einen Rechtsanspruch auf Hilfen zur Erziehung ha-
den Bestimmungen des § 27 SGB VIII orientiert. ben laut des SGB VIII Eltern von Kindern und Ju-
Die Erziehungsberatung (EB) stellt hinsichtlich gendlichen. Ergänzend hält das Gesetz auch einen
des Interventionsgrads die niedrigschwelligste eigenen Paragrafen für Hilfen für junge Volljährige
Leistungsart dar. Sie wird im Gegensatz zu den vor. Dabei handelt es sich um junge Erwachsene
ambulanten Hilfen und der Fremdunterbringung im Alter von 18 bis unter 27 Jahren. Mit jungen
des Leistungskanons gemäß § 27 SGB VIII ohne Menschen in den Hilfen zur Erziehung ist demnach
Einbeziehung der Allgemeinen Sozialen Dienste die Altersgruppe der unter 27-Jährigen gemeint.
(ASD), insbesondere in Erziehungsberatungsstel-
len, in Anspruch genommen. Die Hilfearten des
ASD werden hier in Kurzform als „ASD-Hilfen“ E18: Migrationshintergrund in den Hilfen zur
bzw. „ASD-Leistungen“ bezeichnet. Erziehung
Als ambulante bzw. oft auch als familienunter- Der Migrationshintergrund wird in der Kinder- und
stützende oder -ergänzende Hilfen zählen zum Jugendhilfestatistik über die Merkmale „aus-
einen die Soziale Gruppenarbeit (§ 29), die Erzie- ländische Herkunft mindestens eines Elternteils“
hungsbeistandschaft und die Betreuungshilfen (§ und „vorrangig nicht deutsche Familiensprache“
30), die Tagesgruppe (§ 32) sowie die intensive abgebildet. Je nach Analyse kann jeweils das
sozialpädagogische Einzelbetreuung (ISE) (§ 35).59 eine oder andere Merkmal als Grundlage für den
Diese sind in ihrem Hilfesetting auf den jungen Men- Migrationshintergrund stehen.
schen ausgerichtet. Zum anderen hält das Angebot In der Gesamtbetrachtung der Hilfen und Hilfearten
die Sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31) vor, die werden beide Merkmale in den Blick genommen,
in ihrer Ausrichtung direkt familienunterstützend ist. in den regionalspezifischen Analysen – vor dem
Bei den ambulanten „27,2er-Hilfen“ kann auf der Hintergrund der Vergleichbarkeit mit dem Anteil in
Grundlage der amtlichen Statistik zwischen familien- der Bevölkerung – die ausländische Herkunft. In
orientierten Hilfen und solchen, die sich am jungen den differenzierten Analysen zu Alter und Ge-
Menschen orientieren, unterschieden werden. schlecht sowie den Hilfeverläufen wird vorwiegend
Zur Fremdunterbringung gehört einerseits die die nichtdeutsche Familiensprache als Kriterium für
Vollzeitpflege (§ 33), eine Hilfe, bei der Kinder einen Migrationshintergrund verwendet.
oder Jugendliche in einer anderen als ihrer eige-
171
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 5-9: Junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Leis-
tungsarten 2017 (begonnene Hilfen; in %)
„27,2er-Hilfen“
(ambulant)1 (5,6%)
Erziehungsbeistandschaft
Ambulante (4,7%)
Hilfen
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik; N=559.466.
1
Einschließlich der sonstigen Hilfen.
5.2.1 Anzahl und Art der kurz „ASD-Hilfen“ – gewährt werden.61 So sind junge
gewährten Hilfen Menschen mit Migrationshintergrund in der Erziehungs-
beratung in einem geringeren Maße vertreten als in den
Entsprechend der amtlichen KJH-Statistik erhielten im „ASD-Hilfen“ E16 . Dass die Differenz – und zwar um
Jahr 2017 circa 560.000 junge Menschen eine Hilfe beinahe das Dreifache – besonders bei dem Merkmal
zur Erziehung. Davon hatte jeder dritte junge Mensch „Sprache“ höher ausfällt, verwundert insofern nicht, da
mindestens einen Elternteil, der im Ausland gebo- Beratungsgespräche erst über das Medium Sprache er-
ren ist. Jeder Fünfte kam aus Familien, die zu Hause möglicht werden können. Die Sprachbarriere scheint an
hauptsächlich nicht Deutsch sprechen (Tab. 5-1).60 dieser Stelle nach wie vor eine große Hürde für das be-
sondere Setting einer Erziehungsberatung zu sein. Auch
Erziehungsberatung oder „ASD-Hilfen“? wenn aktuell 10.000 mehr junge Menschen mit Migra-
Mit Blick auf den Migrationshintergrund zeigen sich al- tionshintergrund eine Erziehungsberatung in Anspruch
lerdings große Unterschiede zwischen der Erziehungs- nehmen als noch 2009, so ist die Quote nicht wesent-
beratung (EB) und den Hilfen zur Erziehung, die über lich gestiegen – junge Menschen ohne Migrationshinter-
den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) organisiert – grund liegen auf dem gleichen Niveau wie vor acht Jah-
ren. Im Zeitraum zwischen 2009 und 2017 bewegt sie
59
Die ISE-Maßnahmen werden dem ambulanten Leistungsspektrum sich in einem Bereich von 8,2% bis 11,2%.
zugeordnet, weil der Großteil der Hilfen außerhalb einer Einrichtung
durchgeführt wird. Darunter verbergen sich aber auch viele Hilfen, die In den Hilfen, die über den ASD gewährt werden,
in der Wohnung des jungen Menschen erfolgen. Im Sinne einer Hilfe im zeigt sich im gleichen Zeitraum hingegen eine Verdop-
Anschluss an eine stationäre Unterbringung gem. § 34 SGB VIII wäre
eine Zuordnung der ISE-Maßnahmen zum stationären Bereich eben-
falls plausibel gewesen (vgl. dazu Fendrich u.a. 2018). 61 Für die Erziehungsberatung gilt bei der Erfassung von Daten die Be-
60 Entsprechend der Statistik kann – vor dem Hintergrund der Möglich- sonderheit, dass die Angaben weggelassen werden können, sofern
keit der Kombination beider Merkmale – darunter auch eine kleine nicht alle Informationen zur Lebenssituation der beratenden Familien
Gruppe an jungen Menschen identifiziert werden, deren Eltern keine (d.h. Familienstatus, Migrationshintergrund und wirtschaftliche Situa-
ausländische Herkunft haben und zu Hause nicht die deutsche Spra- tion) bekannt sind. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass die in
che sprechen. Gleichwohl fällt deren Anteil gering aus, sodass er die diesem Kapitel ausgewiesenen Daten zu den Lebenslagen der Fami-
Ergebnisse nicht verzerrt (Abb. 5-11). lien in der Erziehungsberatung nicht vollständig sind.
172
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Tab. 5-1: Junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach
Migrationshintergrund (Herkunft und Sprache) 2017 (begonnene Hilfen; absolut und in %)
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
pelung des Anteils junger Menschen aus Familien, die Junge Menschen mit Migrationshintergrund
zu Hause hauptsächlich nicht Deutsch sprechen (Abb. finden sich eher in individuellen bzw.
5-10). Auch mit Blick auf das Merkmal „Herkunft“ spie- gruppenbezogenen Hilfen wieder
gelt sich eine ähnliche Entwicklung wider. So hat sich Über die KJH-Statistik besteht ferner die Möglichkeit,
der Anteil junger Menschen mit mindestens einem die beiden Merkmale „Herkunft“ und „Sprache“ mitein-
Elternteil von 28,5% (2009) auf 40,6% erhöht (2017) ander zu kombinieren, um so zumindest differenziertere
(ohne Abb.). Diese Entwicklung muss allerdings rela- Aussagen über junge Menschen mit Migrationshinter-
tiviert werden, denn die Quote ist insbesondere seit grund in den erzieherischen Hilfen zu machen. Hilfe-
2014 angestiegen. Die erhöhte Gewährung von Hilfen artspezifisch betrachtet zeigen sich mit dieser Auswer-
zur Erziehung in den letzten drei Jahren durch junge tungsperspektive deutliche Unterschiede.
Menschen mit einem Migrationshintergrund steht vor Grundsätzlich fällt die Spannweite des Anteils von
allem im Zusammenhang mit einer verstärkten Wahr- jungen Menschen mit Migrationshintergrund, die zu
nehmung einer gesetzlichen Zuständigkeit und Ver- Hause nicht Deutsch sprechen, in den einzelnen Hilfen
antwortung für die Unterbringung, Versorgung und wesentlich höher aus als bei denen, die hauptsächlich
Betreuung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger. die deutsche Sprache in der Familie benutzen (Abb.
Diese Entwicklung geht einher mit erhöhten Fallzahlen 5-11). Bei der zweiten Gruppe (ausländische Herkunft/
bei den Inobhutnahmen für diese Gruppe insbesondere deutsche Familiensprache) bewegt sich der Anteil zwi-
zwischen 2014 und 2016 (Kap. 6.2.1) und damit auch schen 12,9% und 20,5%. Bei der ersten Gruppe (auslän-
in den Hilfen zur Erziehung als Anschlusshilfen (Kap. dische Herkunft/nichtdeutsche Familiensprache) ist der
6.2.2). Zwischen 2016 und 2017 deutet sich wieder- Unterschied gravierender: Auf der einen Seite liegt der
um ein leicht rückläufiger Trend an, der sich auch 2018 Anteil in der Tagesgruppe bei 13,8%, auf der anderen
fortsetzt, wie erste Analysen der kurz vor Fertigstellung Seite in intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreu-
des Manuskripts zu dem Kapitel veröffentlichten Daten ungen bei 48,4%. Auch in der Heimerziehung wird mit
2018 zeigen.62 Auch die rückläufigen Fallzahlen zu den 40,4% ein relativ hoher Anteil ausgewiesen. Allerdings
Inobhutnahmen aufgrund einer unbegleiteten Einreise ist dieser im Vergleich zum Vorjahr 2016 um 11 Prozent-
nach Deutschland signalisieren diesen Trend (Tab. 6-1). punkte deutlich gesunken.
Ähnliches zeigt sich bei der Vollzeitpflege mit einem
Rückgang um 9 Prozentpunkte. Hintergrund dieser
62 Die AKJStat hat eine Kurzanalyse mit ersten Ergebnissen der Daten Veränderungen sind wahrscheinlich – wie bereits in
2018 zu den Hilfen zur Erziehung im November 2019 veröffentlicht,
http://www.akjstat.tu-dortmund.de/fileadmin/user_upload/ der Gesamtentwicklung angedeutet – die rückläufigen
Kurzanalyse_HzE_2018_AKJStat.pdf (21.11.2019). Fallzahlen von unbegleiteten ausländischen Minderjäh-
173
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 5-10: Junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung (ohne Erziehungsberatung) einschl. der Hilfen für
junge Volljährige nach der vorrangig in der Familie gesprochenen Sprache 2009–2017 (begonnene Hilfen;
absolut, in %)
300.000
250.600 245.210
250.000
219.551 224.501
205.107 204.633 208.359 209.299 209.641
30,4% 28,1%
200.000 16,8% 23,1%
14,0% 13,8% 14,4% 14,9% 15,7%
150.000
100.000
86,0% 86,2% 85,6% 85,1% 84,3% 83,2% 76,9% 69,6% 71,9%
50.000
0
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2009–2017; Zusammenstellung und Berechnung
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
rigen bei neu beginnenden Fremdunterbringungen im gewonnen. Analysen der letzten drei Erhebungsjahre
Jahr 2017 (Kap. 6.2.2). Diese waren in den Jahren 2014 zeigen, dass sich junge Menschen mit Fluchterfah-
bis 2016 stark angestiegen, da sie im Anschluss an eine rung vor allem in der Heimerziehung, den Erziehungs-
Inobhutnahme eine Hilfe zur Erziehung erhielten (Fen- beistandschaften und den intensiven sozialpädagogi-
drich/Tabel 2018). schen Einzelbetreuungen wiederfinden. Der kurzzeitige
Vor dem Hintergrund der Ergebnisse kann festge- Anstieg in der Vollzeitpflege zwischen 2015 und 2016
halten werden, dass junge Menschen mit Migrations- bildet an dieser Stelle eine Ausnahme und ist genauso
hintergrund häufiger stationäre als ambulante Hilfen wie bei der Heimerziehung auf den kurzfristig gestiege-
erhalten. Auf den zweiten Blick zeigt sich über alle Hil- nen Bedarf der Unterbringung von unbegleiteten aus-
fearten hinweg, dass sie sich eher in individuellen bzw. ländischen Minderjährigen zurückzuführen (van Santen
gruppenbezogenen Hilfen wiederfinden als beispiels- u.a. 2019).
weise in ambulanten familienorientierten Hilfen oder in Im Jahr 2017 fällt der Anteil junger Menschen mit
Pflegefamilien. Eine Ausnahme bildet die Tagesgruppe. Migrationshintergrund (Herkunft und Sprache) in der
Dieses Ergebnis bestätigt ältere Analysen der KJH-Sta- Vollzeitpflege – insbesondere vor dem Hintergrund der
tistik (Bundesjugendkuratorium 2013) und hat vor dem rückläufigen Fallzahlen für die Gruppe der unbegleite-
Hintergrund der steigenden Fallzahlen für die Gruppe ten ausländischen Minderjährigen – erneut auf ein ge-
der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen in den ringes Niveau (30,9%) und bestätigt einmal mehr die
letzten drei Jahren sicherlich noch einmal an Dynamik seit Jahren vorhandene Unterrepräsentanz von Hilfe-
174
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Abb. 5-11: Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Herkunft der Eltern und der
vorrangig in der Familie gesprochenen Sprache sowie Leistungsarten 2017 (begonnene Hilfen; in %)1
Hilfen zur Erziehung (ohne § 28 SGB VIII) (N = 186.488) 58,1 15,6 26,3
Erziehungsberatung (N = 300.537) 74,2 16,1 9,7
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
1
In der Statistik wird auch die Gruppe der jungen Menschen ausgewiesen, die keine ausländische Herkunft haben und zu Hause vorrangig eine
nichtdeutsche Sprache sprechen. Diese Gruppe spielt im Vergleich zu den anderen Gruppen eine marginale Rolle in den Hilfen zur Erziehung,
sodass sie hier nicht mitberücksichtigt wird. Zudem ist hier die Perspektive der Familien, die eine Hilfe erhalten, berücksichtigt und nicht die
der erreichten jungen Menschen. Das gilt ausschließlich für die beiden familienorientierten Hilfen (SPFH und die ambulanten familienorientier-
ten „27-2er-Hilfen“), für die sowohl die Anzahl der Hilfen als auch die Anzahl der jungen Menschen erfasst
2
Einschließlich der sonstigen Hilfen.
empfängerinnen und -empfängern mit Migrationshin- 2017 ist der Anteil von 16,8% auf 22,9% gestiegen –
tergrund in dieser Hilfeform. Das hängt mitunter mit der und dies bei einer Zunahme von mehr als 12.000 jun-
großen Herausforderung der Akquise von Pflegeeltern gen Menschen in beiden Hilfen (Fendrich/Tabel 2018).
bezüglich eines passenden Migrationshintergrunds Angesichts dieser Zunahme bei den familienorientier-
zusammen, aber auch mit einer fehlenden systemati- ten Hilfen, die konträr zu den rückläufigen Fallzahlen
schen Auseinandersetzung der Pflegekinderdienste be- junger Menschen mit Migrationshintergrund in der
züglich des Themas Migrationshintergrund (van Santen Fremdunterbringung 2016/17 verläuft, scheint es sehr
u.a. 2019). wahrscheinlich, dass Familien mit Fluchterfahrung mitt-
Aktuelle Analysen der HzE-Statistik zeigen aber lerweile auch ins Blickfeld des Unterstützungssystems
auch, dass die Bedeutung junger Menschen und somit der Hilfen zur Erziehung sowie der Frühen Hilfen ge-
deren Familien mit Migrationshintergrund in ambulan- rückt sind (Kühner/Paulus 2018).
ten familienorientierten Hilfen – sprich der Sozialpäda-
gogischen Familienhilfe und den „27,2er-Hilfen“ – seit
2015 gewachsen ist. In einem Zeitraum von 2014 bis
175
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Die Gewährung von Hilfen ist regional grationshintergrund in der Bevölkerung fallen die Quoten
unterschiedlich junger Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen
Nicht nur bei den Hilfearten zeigen sich deutliche zur Erziehung tendenziell höher aus.63
Unterschiede, auch die Gewährungspraxis in den
Bundesländern gestaltet sich für junge Menschen mit
Migrationshintergrund jeweils nach Bundesland unter- 5.2.2 Wer empfängt eine
schiedlich. erzieherische Hilfe?
Der Anteil junger Menschen mit mindestens einem
Elternteil mit ausländischer Herkunft in den „ASD-Hil- Bei der Gewährung von Leistungen der Hilfen zur Er-
fen“ reicht von 18,4% in Mecklenburg-Vorpommern bis ziehung für Familien mit Migrationshintergrund spielt
zu 53,5% in Berlin (Abb. 5-12). Darüber hinaus ist eine das Merkmal „Sprache“ als differenzbildendes Krite-
Differenz zwischen dem Anteil der Familien mit Migra- rium eine bedeutendere Rolle als das Merkmal „auslän-
tionshintergrund in der Bevölkerung auf der Grundlage dische Herkunft eines Elternteils“. Vor diesem Hinter-
des Mikrozensus (Kap. 2) und in den erzieherischen grund wird im Folgenden mit Blick auf die Frage nach
Hilfen der jeweiligen Bundesländer auszumachen. der Gewährung und Beendigung von Hilfen zur Erzie-
Zwar sind in allen Bundesländern mittlerweile junge hung für junge Menschen mit und ohne Migrationshin-
Menschen mit Migrationshintergrund E18 in den Hilfen tergrund vorwiegend danach unterschieden, ob in der
zur Erziehung (ohne Erziehungsberatung) überreprä- Familie hauptsächlich Deutsch gesprochen wird.64
sentiert, was eindeutig mit dem jüngsten Anstieg der Vor dem Hintergrund der größeren Relevanz der
Fallzahlen von jungen Menschen mit Fluchterfahrung Hilfeempfängerinnen und -empfänger mit Migrations-
zusammenhängt. Gleichwohl spiegelt sich hier eine hintergrund sowie der stärkeren Wachstumsdynamik in
Spannweite von einem Prozentpunkt in Hamburg und den „ASD-Hilfen“ gegenüber der Erziehungsberatung
Nordrhein-Westfalen bis hin zu 14 Prozentpunkten in werden in den differenzierten Analysen zu den jungen
Thüringen wider. Menschen sowie zu den Hilfeverläufen – mit Ausnahme
Bei der Erziehungsberatung wird in den westdeut- von dem Transferleistungsbezug und den Initiatoren –
schen Ländern die niedrigste Quote für die jungen vorwiegend die „ASD-Hilfen“ in den Blick genommen.
Menschen mit Migrationshintergrund in Schleswig-Hol-
stein (14,5%) ausgewiesen. Die höchste ist im Stadt- Alter und Geschlecht
staat Hamburg (37,4%) zu verzeichnen. Für die ost- Betrachtet man die jungen Menschen mit und ohne
deutschen Länder liegt die Quote mit insgesamt 7,1% Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung mit
deutlich unter den Ergebnissen für die westdeutschen Blick auf das Alter, dann zeigen sich Unterschiede zwi-
Bundesländer. Im Vergleich zu den „ASD-Hilfen“ zeigt schen den Jüngeren und Älteren in der Gewährungspra-
sich mit Blick auf den Vergleich zu der Bevölkerung ein xis: Mit steigendem Alter erhöht sich der Anteil junger
anderes Bild: In allen Bundesländern sind junge Men- Menschen mit Migrationshintergrund (Abb. 5-13). Bei
schen und deren Familien gemessen an ihrem Anteil in den jungen Volljährigen kommen zu Beginn einer Hilfe
der Bevölkerung unterrepräsentiert. Die Quote in Sach- mittlerweile mehr als die Hälfte aus einer Herkunfts-
sen kommt der entsprechenden Bevölkerungsquote familie, die zu Hause vorrangig kein Deutsch spricht.
noch am nächsten.
Die länderspezifischen Unterschiede können an die- 63 Das Migrationskonzept der Kinder- und Jugendhilfestatistik ist nicht
identisch mit den veröffentlichten Daten des Mikrozensus, sodass der
ser Stelle erst einmal nur sichtbar gemacht werden. Es Vergleich vor dem Hintergrund der methodischen Unschärfe einzu-
bedarf hier weiterer differenzierter Analysen bezüglich ordnen ist. Eine ausführliche Beschreibung der beiden Konzepte und
der Ursachen für die unterschiedliche Gewährungspra- der Unschärfen mit Blick auf die Hilfen zur Erziehung ist zu finden in
Rauschenbach u.a. 2009.
xis. Unabhängig von den länderspezifischen Unterschie-
64 Zwar werden in der Bezeichnung „ohne Migrationshintergrund“ auch
den zeigt sich folgendes Muster: Der Anteil an Migran- diejenigen jungen Menschen berücksichtigt, die aus Familien kom-
tinnen und Migranten in der altersgleichen Bevölkerung men mit mindestens einem Elternteil mit ausländischer Herkunft und
korreliert mit dem Anteil der Familien mit Migrationshin- in denen hauptsächlich Deutsch gesprochen wird. Gleichwohl ist zu
vermuten, dass diese jungen Menschen womöglich eher in Deutsch-
tergrund in den Hilfen zur Erziehung. Das heißt, in den land geboren sind. Somit ist der Migrationshintergrund auf den jungen
Bundesländern mit höheren Anteilen an Familien mit Mi- Menschen selbst bezogen und somit enger gefasst.
176
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Abb. 5-12: Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Migrationshintergrund (Her-
kunft) verglichen mit dem Anteil an Familien mit Migrationshintergrund in den Bundesländern 2017 (be-
gonnene Hilfen; in %)
Schleswig-Holstein
33,2
Mecklenburg-
14,5 Vorpommern
18,4
47,0
51,5 37,4 6,7
31,3
Hamburg 53,5
Bremen 35,1
31,7
18,5
Niedersachsen Berlin
20,3
18,7 4,9
6,4
Nordrhein-Westfalen
42,6
Sachsen-Anhalt Brandenburg
30,4
25,4
Thüringen Sachsen
Hessen 23,2 9,5
51,6
5,2
33,8
27,5
51,5
33,7
Bayern
Anteil junger Menschen mit
Migrationshintergrund (Herkunft) (in %):
Baden-Württemberg
in Erziehungsberatung 2017
in Hilfen zur Erziehung (ohne Erziehungsberatung) 2017
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung der Arbeits-
stelle Kinder- und Jugendhilfestatistik; Mikrozensus 2017; Sonderauswertung, Zusammenstellung und Berechnung der Arbeitsstelle Kinder- und
Jugendhilfestatistik.
Anmerkung: N-Werte zu den Bundesländern siehe Tab. A-20 im Anhang.
177
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 5-13: Junge Menschen in Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Alter und
nach der vorrangig in der Familie gesprochenen Sprache 2017 (begonnene Hilfen; in %)1
in %
100
14,9 17,6
33,3
80
58,8
60
40 85,1 82,4
66,7
20 41,2
0
0 - u. 6 Jahre 6 - u. 12 Jahre 12 - u. 18 Jahre 18 Jahre und älter
(N = 14.274) (N = 29.033) (N = 60.916) (N = 25.500)
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
1
Ohne Erziehungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe und familienorientierte „27,2er-Hilfen“.
Im Jahr 2009 lagen die Werte bei allen Altersgruppen männlichen Hilfeempfänger mit Migrationshintergrund
noch unter der 14%-Marke. Die aktuelle Verteilung im im Jugendalter und bei den jungen Volljährigen stetig
Jahr 2017, gerade bei den älteren Hilfeempfängerinnen gestiegen ist, wenn auch nicht in der Größenordnung
und -empfängern, erstaunt allerdings nicht, da noch ein wie in den letzten drei Jahren. Damit zeigt sich aber zu-
Jahr zuvor mit einem deutlich höheren Fallzahlenvolu- mindest, dass unbegleitete ausländische Minderjährige
men (N = 77.816) die Quote bei der Altersgruppe der nicht erst im Jahr 2015 als Phänomen in den Hilfen zur
Jugendlichen mit 46,8% ähnlich hoch ausgefallen ist Erziehung zum ersten Mal auftauchen (Kap. 6.2.2).
wie die der jungen Volljährigen (49,6%). Diese Entwick-
lung verweist auf die vielen ehemaligen unbegleiteten
ausländischen Minderjährigen, die mit der Vollendung
der Volljährigkeit aufgrund eines weiteren Unterstüt-
zungsbedarfs im Hilfesystem verblieben sind (Kap.
6.2.2; Fendrich/Tabel 2018).
Die alters- und geschlechtsspezifische Perspektive
gibt einen weiteren Hinweis auf den Bedeutungszu-
wachs der nach Deutschland eingereisten unbegleite-
ten jungen Menschen insbesondere in den letzten drei
Jahren (Abb. 5-14). Dabei handelt es sich zu einem
großen Teil um männliche Jugendliche, meist im Alter
von 16 und 17 Jahren (Fendrich/Tabel 2018). Deutlich
wird aber auch, dass bereits seit 2011 der Anteil der
178
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Abb. 5-14: Junge Menschen mit Migrationshintergrund (nichtdeutsche Familiensprache) in den Hilfen zur
Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Altersgruppen und Geschlecht 2011–2017 (begonne-
ne Hilfen; in %)1
Weiblich Männlich
24,7 71,2
16,2 18 Jahre u. älter 29,4
10,9 17,2
20,6 53,8
15,0 15 - u. 18 Jahre 33,0
13,0 20,7
16,3 20,6
11,5 12 - u. 15 Jahre 14,8
11,8 13,6
16,5 18,2
13,1 6 - u. 12 Jahre 13,8
12,2 13,2
14,1 15,5
11,2 0 - u. 6 Jahre 10,2
9,3 9,5
80 60 40 20 0 0 20 40 60 80
in %
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2011, 2014, 2017; Zusammenstellung und Berechnung
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
1
Ohne Erziehungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe und familienorientierte „27,2er-Hilfen“.
Anmerkung: N-Werte zu den Altersgruppen der beiden Geschlechter siehe Tab. A-21 im Anhang.
Lesebeispiel: Im Jahr 2017 lag der Anteil der Jungen im Alter von 15 bis unter 18 Jahren, deren Familie vorrangig nicht Deutsch spricht, in den
Hilfen zur Erziehung bei 53,8%.
179
Kinder- und Jugendmigrationsreport
tergrund, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, fällt der schen aus Familien mit Migrationshintergrund, die zu
Anteil mit 42,9% niedriger aus. Hause vorrangig nicht Deutsch sprechen, sind zu ei-
Bei den ambulanten Hilfen sind junge Menschen mit nem wesentlich geringeren Anteil auf Transferleistun-
Migrationshintergrund, in deren Familie vorrangig nicht gen angewiesen. Das betrifft vor allem die Heimerzie-
Deutsch gesprochen wird, eher von staatlicher finanzi- hung; hier ist „lediglich“ jeder vierte junge Mensch aus
eller Unterstützung betroffen als junge Menschen ohne einer Familie, die von einem Transferleistungsbezug be-
Migrationshintergrund oder auch diejenigen, in deren troffen ist. Dieser Anteil hat sich zudem in den letzten
Familie hauptsächlich Deutsch gesprochen wird. Das Jahren erheblich reduziert: 2010 lag der Anteil der jun-
gilt insbesondere für die Soziale Gruppenarbeit, die So- gen Menschen mit Migrationshintergrund und Transfer-
zialpädagogische Familienhilfe sowie für die ambulan- leistungsbezug, die zu Hause kein Deutsch sprechen,
ten „27,2er-Hilfen“. in der Heimerziehung bei 47,9%. Nach einem deutli-
Bei der Heimerziehung und der Vollzeitpflege spie- chen Rückgang um 14 Prozentpunkte zwischen 2015
gelt sich ein umgekehrtes Bild wider: Die jungen Men- und 2016 auf 21,4%, ist der Anteil wieder etwas ange-
Abb. 5-15: Hilfen zur Erziehung (ohne Erziehungsberatung), Erziehungsberatung sowie ausgewählte „ASD-
Hilfen“ einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Migrationshintergrund (Herkunft und Sprache) und
Transferleistungsbezug 2017 (begonnene Hilfen; in %)
57,8
Hilfen zur Erziehung (ohne Erziehungsberatung) 57,4
42,9
14,5
Erziehungsberatung 21,3
41,0
38,5
Soziale Gruppenarbeit 39,5
54,6
45,6
Einzelbetreuungen 49,3
43,0
61,2
Sozialpädagogische Familienhilfe 61,5
71,6
50,8
-
„27,2er Hilfen“ (ambulant)¹ 54,8
60,3
74,8
Vollzeitpflege 72,4
48,4
62,6
Heimerziehung 58,1
25,8
0 20 40 60 80 100
in %
Keine ausländische Herkunft/deutsche Familiensprache
Ausländische Herkunft/deutsche Familiensprache
Ausländische Herkunft/nichtdeutsche Familiensprache
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2017; Zusammenstellung und Berechnung
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
1
Einschließlich der sonstigen Hilfen.
Anmerkung: N-Werte zu den drei Gruppen in den jeweiligen Hilfearten siehe Tab. A-22 im Anhang.
Lesebeispiel: In der Heimerziehung sind 62,6% der jungen Menschen ohne Migrationshintergrund in den stationären Settings bzw. deren Fa-
milien auf Transferleistungen angewiesen. Bei jungen Menschen aus Familien mit mindestens einem Elternteil mit einer ausländischen Herkunft
und in denen hauptsächlich die deutsche Sprache gesprochen wird, liegt der Anteil derjenigen, deren Familien zusätzlich Transferleistungen
beziehen, bei 58,1%. Bei den jungen Menschen aus Migrantenfamilien, die zu Hause hauptsächlich nicht Deutsch sprechen, liegt dieser Anteil
bei etwa 25,8%.
180
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
stiegen. Bei der Vollzeitpflege ist eine noch größere Dy- Insofern sind hierbei migrationsspezifische Analysen
namik mit einem Minus von knapp 20 Prozentpunkten umso wichtiger, um für Fragen zu sensibilisieren und
zwischen 2015 und 2016 festzustellen. Ein Jahr später zwar nach tatsächlichen (unterschiedlichen) Bedarfen
wächst der Anteil von 34,6% auf 48,4%. oder institutionellen (Sprach-)Barrieren, nach fachli-
Diese „sprunghaften“ Ergebnisse weisen grund- chen Wahrnehmungsfiltern und damit möglichen Zu-
sätzlich auf die zwischenzeitlich gestiegene Bedeutung schreibungen und Diskriminierungen, aber auch nach
von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen in den Potenzialen für niederschwellige Zugänge.
erzieherischen Hilfen hin, zu denen eine eindeutige
Auskunft zur sozioökonomischen Situation in der Her- Wer regt die Hilfen zur Erziehung an –
kunftsfamilie unter Umständen nicht möglich ist, weil Personen oder Institutionen?
es entweder grundsätzlich keine Informationen zu den Die Antwort zu dieser Frage erfordert einen differen-
Herkunftsfamilien vonseiten der jungen Menschen gibt zierten Blick auf die Erziehungsberatung und die „ASD-
oder in den Herkunftsländern äquivalente staatliche Leistungen“. Einerseits zeigen sich migrationsspezifi-
Unterstützungsformen nicht vorhanden sind. Der er- sche Unterschiede, die in beiden Leistungssegmenten
neute Anstieg der Anteile bei der Heimerziehung und deutlich werden (Abb. 5-16), andererseits werden auch
der Vollzeitpflege ist ein Indiz für den Fallzahlenrück- Unterschiede zwischen der Erziehungsberatung und
gang dieser Gruppe. den vom ASD organisierten Hilfen offenkundig. Dabei
Grundsätzlich weisen aber die Ergebnisse auf die können folgende Befunde festgehalten werden:
komplexen Problemlagen von Familien mit Migrations-
hintergrund hin, die eine erzieherische Hilfe erhalten. Erziehungsberatung
Dies gilt insbesondere für die Sozialpädagogische Sowohl bei jungen Menschen mit als auch ohne Migra-
Familienhilfe, aber auch für die Erziehungsberatung, tionshintergrund ist es hauptsächlich die Familie selbst,
zumal beide Hilfen über alle Leistungen gesehen die die eine Beratung anregt. Dieses Ergebnis verweist ein-
höchsten absoluten Werte hierzu ausweisen (im An- mal mehr auf die nach wie vor vorherrschende „Komm-
hang Tab. A-23). Dabei geht es nicht nur um den er- Struktur“ von Beratungsleistungen. Allerdings trifft das
zieherischen Bedarf, sondern auch um die sozioöko- auf junge Menschen ohne Migrationshintergrund stär-
nomischen prekären Lebenslagen, in denen Kinder mit ker zu. Bei jungen Menschen aus Familien, die zu Hau-
Migrationshintergrund aufwachsen. se nicht Deutsch sprechen, spielen Kindertagesein-
richtungen, Schulen und Soziale Dienste als Initiatoren
ebenfalls eine große Rolle bzw. fallen bedeutender aus
5.2.3 Hilfeverläufe als bei denen ohne Migrationshintergrund. Dass hier
grundsätzlich Kindertageseinrichtungen und Schulen
Wie der Weg eines einzelnen jungen Menschen inner- als „Seismografen“ einen höheren Anteil einnehmen als
halb des Hilfesystems verläuft, warum Hilfen gewährt bei den „ASD-Hilfen“, kann auf die mittlerweile stärkere
werden, auf welche Weise diese enden, und ob sich Einbindung von Erziehungsberatungen im Sozialraum
Hilfeverläufe für junge Menschen mit Migrationshinter- in Form von Familienzentren oder Angeboten an Ganz-
grund anders darstellen als ohne, sind wichtige Frage- tagsschulen hinweisen (Altermann u.a. 2018).
stellungen in Bezug auf die Hilfestellung. Analysen der KJH-Statistik zum Durchführungsort zei-
Diese Fragen sind mit der amtlichen Statistik nicht gen zudem, dass Beratungen, die in Kindertageseinrich-
direkt zu beantworten, zumal es sich um eine fallba- tungen oder Schulen durchgeführt werden – auch wenn
sierte Leistungsstatistik handelt (A-1.3). Doch die Sta- es verhältnismäßig wenige sind – häufiger junge Men-
tistik bietet immerhin einige Hinweise zu bestimmten schen mit Migrationshintergrund erreichen als solche, die
Ausschnitten des Hilfeprozesses, die dargestellt wer- außerhalb dieser stattfinden (Fendrich/Pothmann 2010).
den können. Darüber hinaus handelt es sich stets um
Angaben von Fachkräften der Sozialen Dienste bzw. „ASD-Hilfen“
der Erziehungsberatungsstellen, sodass Muster der Im Gegensatz zur Erziehungsberatung fungieren vor
Wahrnehmung, Definition und Handlung nicht außer allem die Sozialen Dienste als Initiatoren von erziehe-
Acht gelassen werden dürfen (Pothmann/Wilk 2009). rischen Hilfen des ASD. Hier zeigen sich keine großen
181
Kinder- und Jugendmigrationsreport
migrationsspezifischen Unterschiede. Unter die „TOP wie bei der Erziehungsberatung – noch eine größere
3“ der Initiatoren fallen zudem Eltern bzw. Personen- Rolle als Initiatoren von Hilfen für junge Menschen mit
sorgeberechtigte und der junge Mensch selbst, was ei- Migrationshintergrund (15,5%) als für junge Menschen
nen wesentlichen Unterschied zur Erziehungsberatung ohne Migrationshintergrund (7,5%). Im Jahr 2017 gibt
ausmacht. Bei den beiden Gruppen spiegeln sich auch es diese migrationsspezifischen Unterschiede nicht
deutliche migrationsspezifische Unterschiede wider. (Abb. 5-16).
Hilfen für junge Menschen ohne Migrationshinter-
grund werden eher von der Herkunftsfamilie ange- Warum wird eine Hilfe gewährt?
regt. Bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund Betrachtet man die Gründe für die Hilfen zur Erzie-
finden sich hingegen mehr „Selbstmeldende“. Auch hung bei Mädchen und Jungen bzw. jungen Frauen
dieses Ergebnis kann ein Indiz für unbegleitete aus- und Männern mit und ohne Migrationshintergrund, so
ländische Minderjährige sein. Im Jahr 2009 waren die zeigen sich bei diesem Auswertungsmerkmal migra-
Unterschiede bei den Selbstmeldungen noch nicht tionsspezifische Differenzen. Im Detail sind folgende
vorhanden. Darüber hinaus spielten vor acht Jahren geschlechtsspezifischen Ergebnisse festzuhalten:
Schulen sowie Kindertageseinrichtungen – ähnlich
Abb. 5-16: Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Migrationshintergrund (Spra-
che) und Initiatoren der Hilfe 2017 (begonnene Hilfen; in %)1
Hilfen zu Erziehung
Erziehungsberatung
(ohne Erziehungsberatung)
N= 278.985 (Deutsche Familiensprache) N= 137.745 (Deutsche Familiensprache)
N= 35.271 (Nichtdeutsche Familiensprache) N= 54.865 (Nichtdeutsche Familiensprache)
60 40 20 0 0 20 40 60
in %
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Lesebeispiel: 19,6% der Erziehungsberatungen für junge Menschen aus Familien, die zu Hause vorrangig nicht die deutsche Sprache sprechen,
wurden von der Schule bzw. der Kindertageseinrichtung initiiert. 10,9% der Erziehungsberatungen für junge Menschen, die zu Hause vorrangig
die deutsche Sprache sprechen, wurden von der Schule bzw. der Kindertageseinrichtung initiiert.
1
Berücksichtigt ist hier die Anzahl der Hilfen bzw. Familien und nicht die der jungen Menschen.
182
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Abb. 5-17: Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Migrationshintergrund (Spra-
che) und Geschlecht sowie Hauptgründe für die Hilfegewährung 2017 (begonnene Hilfen; in %)1
Weiblich Männlich
N= 36.437 (Deutsche Familiensprache) N= 46.910 (Deutsche Familiensprache)
N= 8.505 (Nichtdeutsche Familiensprache) N= 32.969 (Nichtdeutsche Familiensprache)
8,8 8,1
27,4
Unversorgtheit des jungen Menschen
54,0 54
12,4 Unzureichende Förderung/Betreuung/ 12,4
12,3 Versorgung des jungen Menschen 12,8
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
1
Ohne Erziehungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe und familienorientierte „27,2er-Hilfen“, ohne Zuständigkeitswechsel.
Lesebeispiel: Bei 54,0% der Jungen bzw. jungen Männer aus Familien, die vorrangig nicht Deutsch sprechen, wurde Unversorgtheit des jungen
Menschen als Hauptgrund für die Hilfegewährung genannt.
183
Kinder- und Jugendmigrationsreport
tet werden. Am häufigsten wird mit 16,6% zwar die ein- Menschen mit Migrationshintergrund. Das hängt vor
geschränkte Erziehungskompetenz als Hauptgrund für allem mit der Fremdunterbringung zusammen. Sowohl
die Gewährung einer Hilfe genannt. Die restlichen Kate- bei der Heimerziehung als auch bei der Vollzeitpflege
gorien als Hauptgründe – bis auf die schulischen bzw. zeichnen sich deutliche migrationsspezifische Unter-
beruflichen Probleme – liegen mit Werten zwischen schiede ab. Während bei der Heimerziehung das Er-
8,8% und 12,6% nicht weit davon entfernt (ohne Abb.). gebnis mit durchschnittlich 22 Monaten ähnlich ausfällt
Im Vergleich zu den männlichen Hilfeempfängern wie bei den „ASD-Hilfen“ insgesamt, liegt der Durch-
scheinen sich die Problemlagen von Mädchen und jun- schnittswert bei der Vollzeitpflege für junge Menschen
gen Frauen vielfältiger zu gestalten. Migrationsspezifi- ohne Migrationshintergrund bei 48 Monaten und damit
sche Differenzen zeichnen sich bei Mädchen und jun- mehr als doppelt so hoch wie bei jungen Menschen, die
gen Frauen – ähnlich wie bei der männlichen Klientel zu Hause kein Deutsch sprechen.
– bei der Unversorgtheit des jungen Menschen und der Einerseits überrascht das Ergebnis im Zuge des Be-
eingeschränkten Erziehungskompetenz ab. Gleichwohl deutungszuwachses von jungen Menschen mit Flucht-
fallen diese geringer aus. Darüber hinaus wird die Ge- erfahrung in der Fremdunterbringung nicht. Immerhin
fährdung des Kindeswohls bei Mädchen und jungen handelt es sich dabei meist um ältere Jugendliche, die
Frauen mit Migrationshintergrund dreimal so häufig als folgerichtig kürzer in den Hilfen zur Erziehung verblei-
Hauptgrund genannt – nach Unversorgtheit des jun- ben (Fendrich/Tabel 2018).
gen Menschen der zweithäufigste Grund – wie bei den Andererseits überraschen ältere Auswertungen
männlichen Migranten. zur Vollzeitpflege: Bereits im Jahr 2009 – wobei sich
Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass die Bedeu- die Altersstruktur zwischen Hilfeempfängerinnen und
tung junger Menschen mit Migrationshintergrund dif- -empfängern mit und ohne Migrationshintergrund nicht
ferenzierter zu betrachten ist, um auf unterschiedliche wesentlich voneinander unterschied – zeigte sich eine
Problemlagen und womöglich auch unterschiedliche Differenz von 12 Monaten. Die Frage, worauf dieses
Bewältigungsstrategien von jungen Migrantinnen und Ergebnis zurückzuführen ist, bleibt an dieser Stelle
Migranten aufmerksam zu machen. offen. Die etwas höhere Abbruchquote (Summe aus
„abweichend vom Hilfeplan beendete Hilfen“ und
Wie lange dauern Hilfen zur Erziehung, wann „sonstige Gründe“) bei jungen Menschen mit Migrati-
enden sie? onshintergrund könnte auf mögliche Diskrepanzen zwi-
Die Gewährungspraxis und Struktur von Hilfen zur schen Herkunftsfamilie und Pflegekinderdienste oder
Erziehung machen bereits deutliche migrationsspe- auf fehlende Passgenauigkeit hinweisen, die aktuell vor
zifische Unterschiede erkennbar. Was aber passiert dem Hintergrund der rückläufigen Fallzahlen von unbe-
eigentlich im Abschlussprozess und nach einer Hilfe gleiteten ausländischen Minderjährigen in der Analyse
zur Erziehung mit den jungen Menschen? Analysen zur nicht mehr sichtbar wird (Abb. 6-22).
Dauer der Hilfe, zum anschließenden Aufenthalt sowie
zur nachfolgenden Hilfe und zu Gründen der Beendi- Nachfolgende Hilfe und anschließender Aufenthalt
gung können hierauf Antwort geben. Bei 41,9% der jungen Menschen mit Migrationshinter-
Wirft man einen Blick auf die Praxis des Abschlus- grund schließt nach Ende einer erzieherischen Hilfe
ses von Hilfen zur Erziehung unter der Perspektive des eine weitere an. Bei jungen Menschen ohne Migrations-
Migrationshintergrundes (Sprache), so zeichnen sich hintergrund trifft das auf jeden dritten zu. Somit liegt
ebenfalls migrationsspezifische Differenzen ab, die mit- die Schlussfolgerung nahe, dass viele der ehemaligen
unter hauptsächlich mit der Gruppe der unbegleiteten unbegleiteten ausländischen Minderjährigen volljährig
ausländischen Minderjährigen zusammenhängen und geworden sind und weiterhin eine Hilfe zur Erziehung
hier kurz skizziert werden. erhalten. Die Analyse zum anschließenden Aufenthalt
zeigt ferner, dass diese Hilfen womöglich mitunter in
Dauer einer stationären Unterbringung oder in einer eigenen
Im Jahr 2017 dauerten „ASD-Hilfen“ für junge Men- Wohnung erfolgen. Dies trifft auf jeden zweiten jungen
schen ohne Migrationshintergrund im Durchschnitt 20 Menschen mit Migrationshintergrund zu. Bei jungen
Monate und damit 7 Monate länger als solche für junge Menschen ohne Migrationshintergrund erfolgt dies in
184
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
185
Kinder- und Jugendmigrationsreport
pädagogischen Familienhilfe (SPFH), gearbeitet wird. Sozialen Dienste können mitunter einen Einfluss auf
Dies gilt jedoch insbesondere für die Vollzeitpflege. die Gewährungspraxis erzieherischer Hilfen haben.
Fehlende kulturspezifische Konzepte, aber auch grund- Insofern dürfen sie nicht außer Acht gelassen werden
sätzliche sprachliche und kulturelle Differenzen können und bedürfen sicherlich einer regelmäßigen kritischen
Ursachen für die deutliche Unterrepräsentanz von Fa- (Selbst-)Reflexion, in deren Rahmen eine selektive oder
milien mit Migrationshintergrund in der Vollzeitpflege gar diskriminierende Wahrnehmung aufgedeckt werden
sein (Sievers/Trum 2011) oder auch die große Heraus- könnte (Fendrich u.a. 2018; Bundesjugendkuratorium
forderung sowie ein Mangel an Kampagnen von Ju- 2013; Pothmann/Wilk 2009).
gendämtern hinsichtlich der Akquise von Pflegeeltern Die Sozialen Dienste und Erziehungsberatungs-
mit Migrationshintergrund (van Santen u.a. 2019). stellen sind hier weiterhin mittel- und langfristig aufge-
Gleichzeitig deuten die Befunde zu den Initiato- fordert, ein migrationssensibles Angebot zu gestalten,
ren von Hilfen zur Erziehung auf die Potenziale von das Unterschiede weder manifestiert noch ausblendet.
Schnittstellen zwischen der Erziehungsberatung und Dazu gehören Strategien wie die Akquise von Fach-
Kindertageseinrichtungen sowie Schulen in Bezug auf kräften und Pflegefamilien mit Migrationshintergrund
niederschwellige Beratungsleistungen für junge Men- genauso wie die Stärkung der interkulturellen Kompe-
schen und deren Familien mit Migrationshintergrund tenzen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Wissen-
hin. Dies könnte auch Potenziale für Jugendämter bzw. schaftlicher Beirat für Familienfragen 2016; Gadow u.a.
die „ASD-Leistungen“ bergen, die allerdings durch den 2013).
jüngsten Fokus auf die Gruppe der unbegleiteten aus-
ländischen Minderjährigen eventuell in den Hintergrund
geraten sind.
Zudem sind Familien mit Migrationshintergrund,
die eine ambulante familienorientierte Hilfe zur Erzie-
hung in Anspruch nehmen, eher auf staatliche finan-
zielle Unterstützung angewiesen als Familien ohne
Migrationshintergrund. Hierbei sind eher Familien mit
Migrationshintergrund betroffen, die zu Hause vor-
rangig nicht Deutsch sprechen. Die in der Familie ge-
sprochene Sprache ist an dieser Stelle ein Indikator für
eine Risikolebenslage von Familien – möglicherweise
aufgrund einer damit einhergehenden eingeschränkten
sozialen Mobilität sowie der Gefahr einer gesellschaft-
lichen Abgrenzung gegenüber anderen Milieus, die sich
auch negativ auf die Bedingungen des Aufwachsens
von jungen Menschen sowie auf die familiäre Erziehung
auswirken können (Autorengruppe Bildungsberichter-
stattung 2018).
Folglich stehen Soziale Dienste insbesondere dann
vor einer großen Herausforderung, wenn junge Men-
schen in den Hilfen zur Erziehung nicht nur von kultu-
rellen und sprachlichen Barrieren betroffen sind, son-
dern sich zusätzlich noch in sozioökonomisch prekären
Lebensverhältnissen befinden.
Die Befunde weisen auch auf eine erhöhte Sensibili-
sierung vonseiten des Hilfesystems hin, die womöglich
zusätzlich durch sprachliche Verständigungsprobleme
verstärkt werden. Die Muster der Wahrnehmung, De-
finition und Handlung von Fachkräften und Teams der
186
5 Junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung und Inobhutnahmen
Schlussfolgerungen Kapitel 5
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Mig-
rationshintergrund haben als Adressaten der Inobhut-
nahmen und Hilfen zur Erziehung als Handlungsfelder
der Kinder- und Jugendhilfe in den letzten Jahren an
Bedeutung gewonnen – dies zeigen die Analysen der
KJH-Statistik. So sind es in der jüngsten Zeit vor allem
Menschen im Jugendalter gewesen, die den Praxisall-
tag der Jugendämter und freien Träger der Kinder- und
Jugendhilfe in Form der Inobhutnahmen sowie der an-
schließenden Hilfen zur Erziehung besonders prägten
und teilweise an dessen Kapazitätsgrenzen gebracht
haben. Gleichwohl deutet sich hier ein rückläufiger
Trend an (genauer hierzu in Kap. 6.2).
Jenseits der besonderen Entwicklung der letzten
drei Jahre zeigen sich über einen längeren Zeitraum
betrachtet – wohlwissend um die Einschränkung der
Erfassung des Migrationshintergrunds in der KJH-Sta-
tistik – nach wie vor grundsätzliche Unterschiede bei
der Inanspruchnahme in den Handlungsfeldern zwi-
schen Kindern und Jugendlichen mit und ohne Migra-
tionshintergrund. Diese Befunde deuten einmal mehr
auf unterschiedliche Integrationschancen und somit
auch auf Teilhabemöglichkeiten von jungen Menschen
mit und ohne Migrationshintergrund hin (Autorengrup-
pe Bildungsberichterstattung 2018), womit (selbst-)
kritische Fragen nach (sprachlichen) Zugangsbarrieren,
Wahrnehmungs-, Definitions- und Handlungsmustern
von Fachkräften im Umgang mit unterschiedlichen kul-
turellen Hintergründen verbunden sein müssen.
187
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Zentrale Ergebnisse
• Rund 37% der Inobhutnahmen im Jahr 2017 hatten eine unbegleitete Einreise aus dem Ausland zum Anlass.
• Der Anteil der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist bis 2016 kon-
tinuierlich gestiegen.
• In 2016 machten die Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund einen An-
teil von 72% an allen Inobhutnahmen aus.
• Auch der Anteil an minderjährigen ausländischen Kindern und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung
unter 18 ist zwischen 2009 und 2016 um 2,7 Prozentpunkte gestiegen.
• Der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund in den westdeutschen Bundesländern liegt höher als in
den ostdeutschen Ländern: In Westdeutschland variiert der Wert zwischen 68% und 85% während der
Anteil in den ostdeutschen Ländern zwischen 47% und 64% variiert.
• Der soziale Dienst bzw. das Jugendamt regt mehr als die Hälfte aller Inobhutnahmen an: §42 SGB VIII:
63%, § 42a SGB VIII: 65%.
• Fast die Hälfte (46%) aller Inobhutnahmen von jungen Menschen mit Migrationshintergrund dauern länger
als 30 Tage an.
• Sowohl die Inobhutnahmen von jungen Menschen mit Migrationshintergrund (33%) als auch die der-
jenigen ohne Migrationshintergrund (27%) enden in den meisten Fällen mit einer Rückkehr zu dem/der
Personensorgeberechtigten.
• Im Jahr 2017 hatten von den insgesamt 559.466 Hilfeempfängerinnen und -empfängern der neu begonne-
nen erzieherischen Hilfen 32% mindestens einen Elternteil, der im Ausland geboren ist.
• 19% der jungen Menschen in den Hilfen zur Erziehung kamen aus Herkunftsfamilien, die zu Hause vor-
rangig nicht Deutsch sprechen.
• Der Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund (Herkunft und Familiensprache) in den Hilfen zur
Erziehung ist zwischen 2009 und 2016 gestiegen. Überproportional stark erfolgte dies aufgrund des ge-
stiegenen Unterstützungsbedarfs für unbegleitete ausländische Minderjährige zwischen 2014 und 2016.
Zwischen 2016 und 2017 zeigt sich ein leichter Rückgang.
• In der Erziehungsberatung (EB) sind junge Menschen mit Migrationshintergrund unterrepräsentiert. In den Hil-
fen, die über den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) organisiert werden, sind sie hingegen überrepräsentiert.
• Der Anteil junger Menschen mit mindestens einem Elternteil mit ausländischer Herkunft in den „ASD-Hil-
fen“ reicht von 18% in Mecklenburg-Vorpommern bis zu 54% in Berlin. Bei der Erziehungsberatung wird
in den westdeutschen Ländern die niedrigste Quote für die jungen Menschen mit Migrationshintergrund
in Schleswig-Holstein (15%) ausgewiesen. Die höchste ist im Stadtstaat Hamburg (37%) zu verzeichnen.
• Der Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund ist in den letzten Jahren vor allem bei den männlichen
Hilfeempfängern gestiegen. Dies betrifft insbesondere die Altersgruppe der 15- bis unter 18-Jährigen und die
der jungen Volljährigen. Der Anteil bei den Jugendlichen liegt bei 54% und bei den jungen Volljährigen bei 71%.
• Mit 54% wird die „Unversorgtheit des jungen Menschen“ im Jahr 2017 am häufigsten als Hauptgrund für eine
„ASD-Hilfe“ bei den Jungen bzw. jungen Männern angegeben. Bei den Mädchen bzw. jungen Frauen ist das
auch der häufigste Hauptgrund. Der Anteil liegt mit 27% deutlich unter dem Wert der männlichen Hilfeempfänger.
• Im Jahr 2017 dauerten „ASD-Hilfen“ für junge Menschen ohne Migrationshintergrund im Durchschnitt 20
Monate und damit 7 Monate länger als solche für junge Menschen mit Migrationshintergrund.
• Bei 42% der jungen Menschen mit Migrationshintergrund schließt nach Ende einer erzieherischen Hilfe
eine weitere an. Bei jungen Menschen ohne Migrationshintergrund trifft das auf jeden dritten zu.
188
6
Asylsuchende junge
Menschen in Deutschland
189
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Im Zuge der deutlich angestiegenen Fluchtmigration in Deutschland aufwachsen und durch die Flucht aus
nach Deutschland zwischen Spätsommer 2015 und ihrer Heimat in jungen Jahren bereits viel Leid erfahren
Frühjahr 2016 sind insbesondere Jugendliche und jun- haben. Da Asylsuchende selten in den gängigen amt-
ge Erwachsene nach Deutschland gekommen: Fast lichen Statistiken oder Surveys ausgewiesen werden,
zwei Drittel aller Asylantragstellenden war jünger als 25 müssen für die Analyse der besonderen Lebenslagen
Jahre. Neben begleiteten kamen auch sehr viele unbe- von geflüchteten Kindern und Jugendlichen die ge-
gleitete Minderjährige nach Deutschland. Das Kapitel nannten Datensätze herangezogen werden.
6 gibt einen Überblick zu den Lebenslagen sowohl be- Das Kapitel 6.1 analysiert auf Basis der aufgeführ-
gleiteter als auch unbegleiteter minderjähriger Asylsu- ten Statistiken sowie Survey-Daten, in welchen Le-
chender in Deutschland. benslagen sich geflüchtete Kinder und Jugendliche in
Deutschland befinden und mit welchen Problemen sie
Datengrundlage zu kämpfen haben.
Grobe Eckpunkte zur Entwicklung von asylsuchenden Das Kapitel 6.2 stellt dar, wie unbegleitete minder-
Kindern und Jugendlichen in Deutschland können mit- jährige Asylsuchende in den Handlungsfeldern der Kin-
hilfe der amtlichen Daten der Asylgeschäftsstatistik der- und Jugendhilfe präsent sind.
sowie des Ausländerzentralregisters (AZR) dargestellt
werden (A-1.2). Einen tieferen Einblick in die Lebens-
lagen von geflüchteten Kindern und Jugendlichen wird
durch die ersten beiden Erhebungen der Zusatzstich-
proben der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüch-
teten (A-2.1) gewährt. Die Zuordnung zu Asylsuchen-
den erfolgt sowohl in den amtlichen Statistiken als auch
in den Surveys über den Aufenthaltstitel. Auch hier sind
Analysen nach der Herkunft möglich.
Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik kann
Asylsuchende nicht zweifelsfrei ausweisen. In der In-
obhutnahmestatistik werden unbegleitete ausländische
Minderjährige über eine „unbegleitete Einreise aus dem
Ausland“ klassifiziert. In der HzE-Statistik werden un-
begleitete ausländische Minderjährige in dem hier be-
trachteten Zeitraum bis 2017 nicht ausgewiesen. Durch
eine Kombination bestimmter Variablen können „mut-
maßliche“ Fälle von unbegleiteten ausländischen Min-
derjährigen dargestellt werden. Erst ab der Datenerhe-
bung 2018 werden valide Daten in der HzE-Statistik
ausgewiesen 76.
190
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
191
Kinder- und Jugendmigrationsreport
künften, in denen Asylsuchende sich zu Beginn aufhal- grenze. Besonders Kinder aus Afghanistan sind in Be-
ten mussten, herrschte vorwiegend Raumknappheit, zug auf das elterliche Kapital benachteiligt, da ihre El-
sodass es an Rückzugsmöglichkeiten mangelte. Feh- tern kaum über eine schulische Ausbildung verfügen,
lende Privatsphäre, die isolierte Lage der Notunterkünf- zumal in Afghanistan die Schulen immer wieder im
te sowie Gewalterfahrungen auch in den Einrichtungen Zentrum kriegerischer Zerstörung stehen. Afghanische
wurden von einigen Akteuren wie das Kinderhilfswerk Eltern sind meist auch nicht für die Teilnahme an einem
der Vereinten Nationen (UNICEF) als nicht kindgerecht Integrationskurs zugelassen.
angeprangert (Lewek/Naber 2017). Geregelte Tagesabläufe sowie ein kontinuierlicher
Spracherwerb können diese Benachteiligung eindäm-
Minderjährige Geflüchtete befinden sich men und eine institutionelle Einbettung von geflüch-
überwiegend in äußerst prekären Lebens- teten Kindern und Jugendlichen unterstützen. Jedoch
umständen reichen die Betreuungsquoten in Kindertageseinrich-
Da über 85% der Eltern asylsuchender Minderjähriger tungen noch nicht an die Werte von Kindern mit Migra-
nicht erwerbstätig sind, lebt der überwiegende Teil die- tionshintergrund heran. Mit zunehmender Aufenthalts-
ser Kinder und Jugendlichen zumindest in der ersten dauer zeigt sich bereits eine Steigerung der Beteiligung
Zeit in Deutschland unterhalb der Armutsgefährdungs- an frühkindlicher Bildung.
Einleitung
Insbesondere Kinder und Jugendliche, ob begleitet oder seit dem Jahr 2016 ein temporärer Ausweis (Ankunfts-
unbegleitet, sind in ihren Möglichkeiten der Partizipation nachweis) erstellt. Der Ankunftsnachweis ist für den Be-
innerhalb einer neuen Gesellschaft eingeschränkt. Sie zug von staatlichen Leistungen wie Unterbringung oder
spüren auch direkt die Auswirkungen, die der Aufent- medizinische Versorgung relevant. Asylsuchende werden
haltsstatus der Eltern auf alle Lebensbereiche hat. Der daraufhin in eine nahegelegene Aufnahmeeinrichtung ge-
erste Abschnitt dieses Kapitels gibt einen groben Abriss bracht. Hierbei spielt das Herkunftsland eine Rolle, denn
über die unterschiedlichen Phasen des Asylverfahrens in Personen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ E20 werden in
Deutschland. Darauf aufbauend stellt er den restriktiven besondere Ankunftszentren gebracht, in denen sie bis
Einfluss der rechtlichen Gegebenheiten auf einzelne Le- zur Prüfung des Verfahrens und gegebenenfalls bis zur
bensbereiche dar, die insbesondere für Kinder und Ju- Abschiebung bleiben sollen. Asylsuchende werden über
gendliche relevant sind. Die Daten der Asylgeschäftssta- das Quotensystem des Königsteiner Schlüssels auf die
tistik (A-1.2) sowie des Ausländerzentralregisters (AZR) Bundesländer verteilt.
geben einen Überblick zur Soziodemografie von asyl- Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) re-
suchenden Kindern und Jugendlichen in Deutschland. gelt, welche Sachleistungen und Geldbeträge Asylsu-
Während die Asylgeschäftsstatistik die Zahl der Asylan- chende als Existenzsicherung erhalten. Mit Hilfe einer
träge in einem bestimmten Zeitraum erfasst und somit Dolmetscherin oder eines Dolmetschers kann in den
eine Flussgröße darstellt, gibt das Ausländerzentralregis- Aufnahmeeinrichtungen oder einer Außenstelle des
ter Auskunft zu allen in Deutschland lebenden Personen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein
mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Über das AZR als Asylantrag gestellt werden. Hierbei wird auch geprüft,
Bestandsgröße können Aussagen zur Soziodemografie ob es sich um ein Dublin-Verfahren handelt, für das
aller Asylsuchenden in Deutschland getätigt werden. ein anderer EU-Mitgliedsstaat zuständig wäre, wenn
Ein Asylverfahren wird in Deutschland mit der Äußerung die antragstellende Person bereits in einem anderen
eines Asylbegehrens gegenüber den Grenzbehörden EU-Land registriert wurde. Vor den Entscheidungen
oder anderen staatlichen Institutionen eingeleitet. Da- des BAMF findet die persönlich Anhörung statt, in der
nach folgt die Erstregistrierung: Dabei werden Daten, Fin- Asylsuchende ihre Fluchtgründe und ihre Einschätzung
gerabdrücke und biometrische Fotos aufgenommen und darlegen können, was bei einer Rückkehr in ihr Hei-
192
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
193
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und werden, jedoch nicht zu allen in Deutschland lebenden
Flüchtlinge (BAMF) über den Asylantrag führt entwe- Asylsuchenden. Hierfür eignen sich Analysen des Aus-
der zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder – bei länderzentralregisters, das alle in Deutschland leben-
einem negativen Bescheid – zu einer Ausreise bzw. zu den Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit
einer Abschiebung. Darüber hinaus erhalten ausreise- und Aufenthaltstitel enthält (Kap. 6.1.2).
pflichtige Personen, die aus Gründen wie Krankheit In den Jahren 2015/16 kam es zu einem deutlichen
oder fehlende Reisedokumente das Land nicht verlas- Anstieg an Asylantragstellungen (Abb. 6-1). Insgesamt
sen können, eine Duldung. wurden im Jahr 2016 mehr als 722.000 Asylerstanträ-
ge gestellt – 430.000 von unter 25-Jährigen. Dies ent-
spricht einem Anteil von 60% an allen in diesem Jahr
6.1.1 Struktur der Asylantrags- gestellten Asylanträgen. Dieses Verhältnis ist auch in
stellenden auf Basis der Asyl- den Folgejahren konstant geblieben, das Gesamtauf-
kommen an erstmals gestellten Asylanträgen jedoch
geschäftsstatistik ist deutlich zurückgegangen. 2017 stellten nur noch
126.000 unter 25-Jährige einen Antrag, im Jahr 2018
Asylsuchende können auf Grundlage unterschiedlicher lediglich circa 160.000 Personen.
amtlicher Statistiken (A-1.2) beschrieben werden. Um Im Jahr 2018 stellten insbesondere zwei Alters-
die Entwicklung der Asylzuzugszahlen nachvollziehen gruppen Asylerstanträge (Abb. 6-2): Mehr als ein Viertel
zu können, eignet sich am besten die Asylgeschäfts- der im Jahr 2018 gestellten Asylerstanträge ist in der
statistik. Da es sich bei dieser um eine Flussgröße Gruppe der unter 4-Jährigen zu verorten; 15,2% in der
handelt, können auf Basis dieser Aussagen über neu Altersgruppe der 18- bis unter 25-Jährigen.
nach Deutschland zuziehende Asylsuchende getroffen
in Tausend
800
722
600
442
400
173 198
200 162
110
65
41 46
28
0
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
194
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
Jahre
0 - u. 4 26,9
4 - u. 6 3,2
6 - u. 11 7,6
11 - u. 16 6,4
16 - u. 18 4,2
18 - u. 25 15,2
25 - u. 30 10,5
30 - u. 35 8,7
35 - u. 40 6,3
40 - u. 45 4,1
45 - u. 50 2,8
50 - u. 55 1,8
55 - u. 60 1,0
60 - u. 65 0,6
65 und älter 0,6
0 10 20 30
in %
Abb. 6-3: Anteil an Asylerstanträgen von unter 25-Jährigen nach Alterskategorien an allen Asylerstanträ-
gen 2015–2018 (in %)
Jahre
9,3
10,8
0 - u. 4 23,2
26,9
3,4
3,8
4 - u. 6 3,2
3,2
7,4
8,4
6 - u. 11 7,0
7,6
6,3
7,3
11 - u. 16 6,0
6,4
4,6
5,9
16 - u. 18 5,6
4,2
24,8
23,5
18 - u. 25 18,9
15,2
0 10 20 30
in %
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asylgeschäftsstatistik 2015–2018; N2015= 441.899, N2016= 722.370, N2017= 198.317, N2018= 161.931.
195
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Die Entwicklung der Antragszahlen in den einzelnen für ihre in Deutschland Neugeborenen auch einen Asyl-
Altersgruppen verdeutlicht, dass es insbesondere in antrag stellen müssen.66
der jüngsten Altersgruppe zu einem deutlichen pro- (2) Im Rahmen des starken Zuzugs an Geflüchteten
zentualen Anstieg der Asylerstantragstellenden kam, in den Jahren 2015/16 sind viele junge Erwachse-
was im Gegensatz in der Gruppe der 18- bis unter ne nach Deutschland gekommen, während in den
25-Jährigen zu einer relativen Abnahme führte (Abb. Jahren 2017 und 2018 Geflüchtete vor allem im Fa-
6-3). Während im Jahr 2015 fast ein Viertel der An- milienverbund nach Deutschland kamen. Bestätigt
träge von 18- bis unter 25-Jährigen gestellt wurden, wird diese Annahme auch durch die Angleichung der
ging der Anteil in dieser Altersgruppe in den Folge- Geschlechterverhältnisse: Während im Jahr 2016
jahren zurück. Hingegen stieg der Anteil der unter der Anteil an männlichen Antragstellenden noch bei
4-Jährigen von 9,3% im Jahr 2015 auf 26,8% im Jahr 65,7% lag, ist er im ersten Halbjahr 2018 auf 57,5%
2018 an. zurückgegangen. Eine Zunahme von Kindern und
Für diese Entwicklung können zwei Gründe in Frage Müttern, die sich selbst auf den Fluchtweg nach
kommen: Deutschland begeben, kann ein Resultat des bis Juni
(1) Der hohe Anteil an unter 4-Jährigen in den Jahren 2018 ausgesetzten Familiennachzugs für subsidiär
2017 und 2018 ist auf die hohen Geburtenquoten bei Schutzbedürftige sein.
Asylsuchenden zurückzuführen. Hierbei handelt es sich
um Neugeborene von Asylsuchenden, die bereits in 66 Wenn Eltern das BAMF von der Geburt des Kindes informieren, wird
den Jahren 2015/16 nach Deutschland kamen und die automatisch ein Asylantrag für das Neugeborene gestellt.
Abb. 6-4: Asylerstanträge von unter 25-Jährigen nach Geschlecht in den Alterskategorien 2018 (absolut, in %)
in Tausend
50
43
40
48,5%
30
24
33,8%
20
12
11
51,5%
10 47,8%
45,7% 7 66,2%
6 30,1%
48,8%
52,2% 54,3% 69,9%
0 51,2%
0 - u. 4 4 - u. 6 6 - u. 11 11 - u. 16 16 - u. 17 18 - u. 24 Jahre
Männlich Weiblich
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asylgeschäftsstatistik 2018; NM= 58.256, NW= 44.693.
196
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
in Tausend
2.000
1.782
1.681
1.598
1.500
1.036
73,9%
74,3%
1.000 74,9%
746
78,8%
500
80,3%
16,4% 16,7%
16,6%
14,4%
13,8% 9,2% 9,5%
6,8% 8,5%
0
2014 2015 2016 2017 2018
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Ausländerzentralregister 2018
197
Kinder- und Jugendmigrationsreport
dern Jugoslawiens, von Bürgerkriegen und Konflikten Abb. 6-6: Schutzstatus von minderjährigen Asylsu-
der Vergangenheit. Während das Durchschnittsalter chenden 2018 (in %)
bei Asylsuchenden mit längerer Aufenthaltsdauer
meist deutlich höher ist, veranschaulicht das Durch-
schnittsalter bei der Einreise, dass im Besonderen
junge Erwachsene eine Flucht auf sich nehmen. 10,9% 17,7%
Grundsätzlich ist anzumerken, dass Personen dann
nicht mehr als Asylsuchende im AZR geführt werden,
wenn sie sich einbürgern lassen oder einen anderen
Aufenthaltstitel bekommen. Daher ist die Popula-
tion von Asylsuchenden vergangener (Bürger-)Kriege
nicht mehr vollständig in ihrer damaligen Größe im
AZR abbildbar.
198
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
Iran 84,9% 69
Türkei 85,6% 60
Eritrea 84,9% 60
Kosovo 83,4% 47
Serbien 72,9 39
Ukraine 91,4% 37
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Ausländerzentralregister 2018; N= 1,8 Mio.
Mongolei (40,3%), die jedoch einen geringen Anteil an auch die Anzahl an unbegleiteten Geflüchteten deutlich
allen Schutzsuchenden in Deutschland aufweisen, an an.
oberster Stelle. Die europäischen Länder Mazedonien Bei den unbegleiteten minderjährigen Asylsuchen-
(37,4%) und Albanien (37,2%) stellen größere Zuwan- den unterscheidet sich das Asylverfahren deutlich von
derergruppen in Deutschland dar und von diesen sind dem Verfahren für begleitete Kinder und Jugendliche,
mehr als ein Drittel minderjährig. Auch aus den Haupt- die die genannten Verfahrensschritte mit ihrer Familie
herkunftsländern Asylsuchender Afghanistan, Irak und durchlaufen. Im Aufenthaltsgesetz ist geregelt, dass
Syrien leben mit jeweils etwa einem Drittel Minderjäh- Unbegleitete bis zu ihrer Volljährigkeit eine Duldung
rige in Deutschland. Dabei sticht auch der hohe Anteil erhalten (§ 60a AufenthG). Mit Einführung des Geset-
an unter 6-Jährigen aus Nigeria (21,4%), der Mongolei zes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht im
(19,0%) und Tadschikistan (19,0%) hervor. Wie bereits Sommer 2017 sind Jugendämter dazu verpflichtet wor-
erwähnt, kann es sich hierbei auch um Kinder von Asyl- den, direkt einen Asylantrag zu stellen.
suchenden handeln, die erst in Deutschland geboren Während bei begleiteten Minderjährigen das Asyl-
wurden. Die absoluten Zahlen verdeutlichen, dass gesetz (AsylG) und Asylbewerberleistungsgesetz
2018 gut 110.000 schulpflichtige Kinder aus Syrien in (AsylbLG) die Versorgung und Unterbringung regeln,
Deutschland lebten. Zusätzlich kommen etwa 65.000 fallen Unbegleitete unter das Primat der Kinder- und
unter 6-jährige syrische Kinder hinzu (Abb. 6-8). Jugendhilfe. Zuerst werden Unbegleitete vorläufig
vom Jugendamt in Obhut genommen und es findet
Unbegleitete Minderjährige Asylsuchende be- ein Erstscreening für eine Prüfung des Gesundheits-
dürfen besonderer Unterstützung zustandes und des Alters statt. Innerhalb von 14 Ta-
Eine besonders vulnerable Gruppe an Geflüchteten gen wird dann ein bundesweites Verteilungsverfahren
stellen unbegleitete ausländische Minderjährige (UMA) durchgeführt unter Berücksichtigung der unterschied-
dar (zu Details Kap. 6.2). Mit der großen Zuwanderung lichen Einrichtungsformen: Sie können in Einrichtun-
an Geflüchteten in den Jahren 2015 und 2016 stieg gen der Heimerziehung, in Pflege- und Gastfamilien
199
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 6-8: Minderjährige Asylsuchende nach Altersgruppen und Herkunftsland 2018 (absolut)
Syrien 65
112
Afghanistan 21
45
Irak 19
42
Iran 3
7
Russische Föderation 5
12
Türkei 3
6
Eritrea 6
3
Kosovo 2
6
Serbien 2
8
Ukraine 1
2
0 20 40 60 80 100 120
In Tausend
0 - u. 6 Jahre 6 - u. 18 Jahre
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Ausländerzentralregister 2018; N= 465.880.
200
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
Abb. 6-9: Asylerstanträge von unbegleiteten Minder- Im Jahr 2018 stellten mit über 700 Erstanträgen Unbe-
jährigen nach Staatsangehörigkeit 2018 (absolut) gleitete aus Afghanistan die meisten Anträge auf Asyl.
Es folgen die afrikanischen Länder Somalia, Guinea
und Eritrea. Erst auf Platz 5 erscheinen Asylanträge von
Afghanistan 717 unbegleiteten Minderjährigen aus Syrien (Abb. 6-9). Die
Somalia 576 relativen Verhältnisse der Herkunftsländer haben sich
Guinea 524 seit dem Vorjahr nicht verändert, sodass es in allen
Eritrea 478 Ländern zu einem Rückgang der Antragszahlen kam.
Syrien 355 Die Geschlechtsstruktur der unbegleiteten min-
Irak 292 derjährigen Asylsuchenden war auch noch 2018 stark
Gambia 159
männlich geprägt: 80,1% der Asylerstantragstellenden
der unbegleiteten Minderjährigen waren männlich (Bun-
Sonst. Länder 986
desamt für Migration und Flüchtlinge 2018).
0 200 400 600 800 1.000
Bei Betrachtung der Entscheidungen zu Asylanträ-
gen von Unbegleiteten liegt Syrien jedoch auf Platz 2
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asylgeschäftssta- (Abb. 6-10). Dies kann auf die hohen Antragszahlen in
tistik 2018, Sonderauswertung; N= 4.087. den Vorjahren zurückgeführt werden.
Abb. 6-10: Entscheidungen zu Asylverfahren von unbegleiteten Minderjährigen der 10 häufigsten Her-
kunftsländer 2017 (absolut)
Afghanistan 10.453
Syrien 5.843
Irak 2.304
Eritrea 2.003
Somalia 1.251
Guinea 508
Ungeklärt 411
Äthiopien 327
Pakistan 237
Gambia 186
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asylgeschäftsstatistik Dezember 2017; eigene Darstellung nach Tangermann/Hoffmeyer-Zlot-
nik 2018, S. 20; N= 24.923.
201
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Die höchsten Schutzquoten wiesen Ende 2017 unbe- Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ausgewertet
gleitete Minderjährige aus Syrien (98%) auf, gefolgt von werden. Da unbegleitete geflüchtete Minderjährige nicht
Unbegleiteten aus Eritrea (95%). Demgegenüber be- in die Stichprobenziehung einbezogen wurden, kann zu
kamen lediglich 22% der pakistanischen Unbegleiteten dieser Gruppe auf Basis der IAB-BAMF-SOEP-Befragung
und 44% der unbegleiteten Minderjährigen aus Gam- keine Auskunft gegeben werden (Brücker u.a. 2017).
bia einen positiven Asylbescheid (Tangermann/Hoff-
meyer-Zlotnik 2018). Der Aufenthaltstitel beeinflusst Haushaltsstruktur von begleiteten minderjäh-
die Integrationsmöglichkeiten, die Asylsuchenden in rigen Asylsuchenden
Deutschland offenstehen. Da die Schutzquoten je Her- In der Stichprobe der IAB-BAMF-SOEP-Befragung fin-
kunftsland sehr unterschiedlich ausfallen, wirkt sich die den sich neben den seit Beginn des Jahres 2013 selbst
nationale Herkunft der Asylsuchenden deutlich auf ihre nach Deutschland zugereisten Kindern und Jugend-
Chancen aus, in Deutschland Fuß zu fassen. lichen auch in Deutschland geborene Kinder von Ge-
flüchteten. Entsprechend der hohen Zahl an Asylerst-
anträgen in den jungen Jahrgängen (Abb. 6-2) befinden
6.1.3 Einfluss rechtlicher Bestim- sich auch in der Stichprobe aus dem Jahr 2017 20%
mungen auf die Lebenssituation in Deutschland geborene Kinder (Abb. 6-11).69Etwa die
Hälfte lebt seit 2015 oder früher in Deutschland.
geflüchteter Minderjähriger68
Die gesetzlichen Regelungen und insbesondere die Abb. 6-11: Begleitete minderjährige Asylsuchende
Anpassungen des Asylgesetzes seit der gestiegenen nach Jahr der Einreise 2017 (in %)
Fluchtzuwanderung im Jahr 2015 haben deutlichen
Einfluss auf die unterschiedlichen Lebensbereiche von
in %
Asylsuchenden und ihren Kindern sowie unbegleiteten
50
minderjährigen Asylsuchenden. Eine groß angelegte 41
qualitative Studie des DJI untersuchte 2015 die Le- 40
benswelten von begleiteten und unbegleiteten geflüch- 30
teten Minderjährigen (Lechner/Huber 2017). 20 21
20
Eine quantitative Analyse der unterschiedlichen Le-
7 9
bensbereiche von minderjährigen Asylsuchenden ist auf 10
3
Basis der IAB-BAMF-SOEP-Befragung (Sample M3- 0
M5) möglich (A-2.1). Die Stichprobe umfasst Familien, in 2017 2016 2015 2014 2013
Deutschland
die zwischen Januar 2013 und Juni 2016 einen Asyl- geboren
antrag in Deutschland gestellt haben. Die Informatio-
nen der zweiten Befragungswelle wurden im Jahr 2017 Quelle: IAB-BAMF-SOEP 2017, gewichtete Daten; eigene Berech-
erhoben. Das heißt, es befinden sich auch Personen im nungen; n= 5.590.
202
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
Abb. 6-12: Herkunftsländer der begleiteten minder- probe knapp die Hälfte der Minderjährigen aus Syrien
jährigen Asylsuchenden 2017 (in %) (Abb. 6-12). Mit großem Abstand folgen dann Minder-
jährige aus Afghanistan und dem Irak.
Während die unterschiedlichen Altersgruppen je
Herkunftsland relativ homogen verteilt sind, mit jeweils
21% einem Drittel bei 6- bis unter 11-Jährigen sowie bei 11-
bis unter 18-Jährigen, fallen die afrikanischen Länder
mit 56% an unter 3-jährigen Kindern auf, die alle in
Deutschland geboren sind (Abb. 6-13).
7% 45% Die durchschnittliche Haushaltsgröße liegt bei 5,2 Per-
sonen je Haushalt und ist stark abhängig von der Kinder-
zahl, die durchschnittlich bei 3,1 Kindern pro Familie liegt.
12%
Je älter die Minderjährigen sind, mit desto mehr Haus-
haltsmitgliedern leben sie in Deutschland und desto mehr
15%
Geschwister haben sie. Personen aus afrikanischen Län-
dern leben in Haushalten mit niedriger Haushaltsgröße,
was mit der geringen durchschnittlichen Kinderzahl aus
Syrien Afghanistan Irak
dieser Herkunftsregion einhergeht (Abb. 6-14). Es kann
Afrik. Länder Sonst. Länder somit angenommen werden, dass Asylsuchende aus afri-
kanischen Ländern seltener mit ihrer bereits bestehenden
Quelle: IAB-BAMF-SOEP 2017, gewichtete Daten; eigene Berech- Familie nach Deutschland migriert sind, sondern erst in
nungen; n= 5.590. Deutschland mit der Familiengründung begonnen haben.
Abb. 6-13: Altersverteilung der begleiteten minderjährigen Asylsuchenden nach Herkunftsland 2017 (in %)
in %
in
100%
6
100 32 31 35 28
6
32 31 35 20 28
80 20
80
18
31
60 33 31
33 18
31
60 33 31
33
56
40 56
40 20
20
18 19 20
20 20
18 19
20 21
16 18
13 21
0 16 18
13
0 Syrien Afghanistan Irak Afrik. Länder Sonst. Länder
Syrien Afghanistan Irak Afrik. Länder Sonst. Länder
203
Kinder- und Jugendmigrationsreport
in %
100
13 15 18
24 21
80
22 19
15 14
15
60
29 24
29 24
40
65
20 37 41
36 37
0
Syrien Afghanistan Irak Afrik. Länder Sonst. Länder
204
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
Analysen auf Basis der IAB-BAMF-SOEP-Befragung Generell sind Asylsuchende je nach Herkunftsland zu-
zeigen auch, dass die Lebenszufriedenheit deutlich nächst rechtlich dazu verpflichtet, bis zur Zuerkennung
beeinträchtigt ist, wenn der Partner und vor allem die eines Schutzstatus oder längstens bis zu 24 Monate in
Kinder von Asylsuchenden nicht in Deutschland sind einer Aufnahmeeinrichtung in Form einer Gemeinschafts-
(Gambaro u.a. 2018a). Prognosen zu potenziellem Fa- unterkunft zu wohnen (§ 47 Abs. 1 und § 53 Abs. 2
miliennachzug ergeben, dass bei einem Viertel der Ver- AsylbLG).70 Jedoch können Asylbewerber auch frühzeitig
heirateten ein Partner im Ausland lebt (Brücker 2017). nach ihrer Zuweisung an eine Kommune in einer Einzel-
Insbesondere Väter sind von einer Familientrennung wohnung statt in einer Gemeinschaftsunterkunft unterge-
betroffen: Doppelt so viele geflüchtete Männer gaben bracht werden, auch wenn ihr Asylverfahren noch nicht
an, dass ihre Frauen und/oder Kinder sich im Ausland abgeschlossen ist. Da es hier keine einheitlichen Rege-
aufhalten (Gambaro u.a. 2018a). Dies ist darauf zurück- lungen und Praktiken zwischen den Bundesländern gibt,
zuführen, dass Frauen deutlich häufiger im Familienver- bestehen damit teilweise starke Unterschiede bei der Art
band nach Deutschland kommen und Männer eher als der Unterbringung.71 Zudem wurden eine sogenannte
Pioniere die gefährliche Flucht auf sich nehmen (Haug Aufnahme- und Rückführungseinrichtung in Bamberg
u.a. 2017). Da die IAB-BAMF-SOEP-Befragung kei- sowie Ankunftszentren eingerichtet, in denen verkürzte
ne unbegleiteten Minderjährigen beinhaltet, leben die Asylverfahren in einer „Registrierstraße“ durchgeführt
Minderjährigen der Stichprobe mit mindestens einem werden können. In den Ankunftszentren wird von der
Elternteil in Deutschland. Zwischen 2016 und 2017 ist erkennungsdienstlichen Behandlung über die Gesund-
der Anteil der Minderjährigen, die mit Vater und Mut- heitsuntersuchung bis hin zur Asylantragsstellung und
ter in Deutschland lebten um 3 Prozentpunkte auf 93% zum Asylbescheid das gesamte Verfahren durchlaufen.
angestiegen. 2017 lebten 3% der Kinder nur mit ihrem Bayern führte als erstes Bundesland im Sommer
Vater in Deutschland – überdurchschnittlich bei Minder- 2018 sogenannte AnkER-Zentren („Einrichtungen An-
jährigen aus afrikanischen Ländern sowie bei älteren kunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rück-
Kindern. 1% der Minderjährigen lebte 2017 nur mit der kehr“) ein. Mittlerweile gibt es diese auch in Sachsen
Mutter in Deutschland. Je älter die Kinder sind, des- und im Saarland. Problematisch wird dabei gesehen,
to seltener leben beide Elternteile in Deutschland. 4% dass Asylsuchende in AnkER-Zentren kaum in Kontakt
der Minderjährigen hatten 2017 noch Geschwister im zu Ehrenamtlichen und Unterstützenden treten können,
Ausland. Mehr als zwei Drittel der minderjährigen Asyl- die ihnen bei der Anhörung oder bei der Abschiebung
suchenden gab an, Menschen aus der Heimat oft oder Hilfestellung und Rechtsberatung geben könnten.
sehr oft zu vermissen (de Paiva Lareiro 2019b, S. 9).
Unterkunft und Wohnstandard
Erstunterbringung und Verteilung Im Rahmen der ersten Welle der IAB-BAMF-SOEP-Be-
Mit der starken Zunahme der Fluchtmigration seit Spät- fragung von Geflüchteten war jeweils etwa die Hälfte
sommer 2015 verschärfte sich die Unterbringungssitua-
tion in Deutschland, da die Kapazitäten der Erstaufnah- 70 Das Asylpaket I, das im Herbst 2015 verabschiedet wurde, sah eine
meeinrichtungen für die große Zahl Schutzsuchender Verlängerung der Wohnpflicht in Aufnahmeeinrichtungen auf sechs
Monate vor. Mit dem Gesetz zur verbesserten Durchsetzung der Aus-
nicht ausreichend waren. Turnhallen, ehemalige Kaser- reisepflicht wurde die Wohnpflicht in Aufnahmeeinrichtungen auf 24
nen, leerstehende Hotels und andere Gebäude dienten Monate auch für Minderjährige im Sommer 2017 noch einmal verlän-
– aus Mangel an kurzfristig zur Verfügung stehendem gert.
günstigen Wohnraum – der Erstunterbringung. Auch 71 Im Rahmen der Residenzpflicht können Asylsuchende mit einer Aufent-
haltsgestattung in den ersten drei Monaten je nach Bundesland zu einer
Zeltstädte oder Containerdörfer wurden als Notlösung räumlichen Aufenthaltsbeschränkung verpflichtet werden. Mit der Ein-
zur Unterbringung genutzt. Mit dem Rückgang der Zu- führung des Integrationsgesetzes 2016 ist zudem eine Wohnsitzauflage
zugszahlen und der Entscheidung von Asylanträgen, (§ 12a AufenthG) für anerkannte Geflüchtete verhängt worden. Diese
verpflichtet anerkannte Geflüchtete für drei Jahre in dem Bundesland zu
die normalerweise einen Auszug aus der Erstaufnah- leben, dem sie im Rahmen des Aufnahmeverfahrens auf Basis des Kö-
meeinrichtung nach sich zieht, entspannte sich zu- nigsteiner Schlüssels zugeteilt wurden. Darüber hinaus haben die einzel-
nehmend die Situation in den Unterkünften, der freie nen Bundesländer die Möglichkeit, im Rahmen behördlicher Wohnsitz-
zuweisungen weitere Maßnahmen für die Ansiedlung von anerkannten
Wohnungsmarkt stellte jedoch Geflüchtete teilweise Geflüchteten aufzustellen. Bisher haben sieben Bundesländer von ihrem
vor große Herausforderungen (Baier/Siegert 2018). Recht Gebrauch gemacht (Renner 2018).
205
Kinder- und Jugendmigrationsreport
der Asylsuchenden in einer Gemeinschaftsunterkunft häufiger ein eigenes Zimmer als Minderjährige in Ge-
oder einer Einzelunterkunft untergebracht. Der größte meinschaftsunterkünften (de Paiva Lareiro 2019b, S. 5).
Teil wohnte dabei in einem umgewidmeten Bürogebäu-
de oder in einer Schule. Waren im Jahr 2013 noch 38% Unterhalt und Haushaltseinkommen
der befragten Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünf- Der Aufenthaltstitel hat besondere Auswirkungen auf
ten untergebracht, stieg der Anteil im Jahr 2015 bereits die Rechte und Pflichten von Asylsuchenden und wirkt
auf 51% und 2016 sogar auf 60%. Auch wenn der An- sich auch auf die Lebenssituation der Kinder von Asyl-
teil der Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften mit suchenden aus. Neben der Wohnsituation wird der
dem Einreisejahr zunimmt, sinkt dieser doch mit der Bezug von Sozialleistungen sowie die Möglichkeit des
Aufenthaltsdauer ab. Arbeitsmarktzugangs durch den Aufenthaltstitel beein-
Haushalte mit minderjährigen Kindern lebten mit flusst. Im Asylbewerberleistungsgesetz ist seit 1993
größerer Wahrscheinlichkeit in einer Einzelunterkunft geregelt, welche Sozialleistungen Asylsuchende von
als kinderlose Geflüchtete (Baier/Siegert 2018). Im Jahr den Sozialämtern erhalten. In den ersten 15 Monaten
2017 lebte noch ein Viertel der minderjährigen Asylsu- des Aufenthalts in Deutschland werden „Grundleistun-
chenden in einer Gemeinschaftsunterkunft; nach Ge- gen“ (§ 3 AsylbLG) gewährt, die niedriger als die regu-
schlecht und Alter ergeben sich keine nennenswerten lären Sozialleistungen ausfallen und teilweise auch als
Differenzen. Seit der ersten Befragung 2016 ist der An- Sachleistungen erbracht werden können. Nach 15 Mo-
teil an Minderjährigen in Gemeinschaftsunterkünften naten werden „Analogleistungen“ gezahlt, die in etwa
um zwei Prozentpunkte zurückgegangen (2016: 27% den Sozialleistungen nach dem SGB XII entsprechen.
– 2017: 25%). Eine Analyse der 18- bis unter 25-Jäh- Zusätzlich werden Gesundheitsleistungen gewährt
rigen verdeutlicht, dass diese Altersgruppe noch deut- (§ 4,6 AsylbLG). Während des Aufenthalts in Erstauf-
lich häufiger in Gemeinschaftsunterkünften lebt und es nahmeeinrichtungen werden in vielen Bundesländern
sich hierbei insbesondere um männliche Asylsuchende anstelle von Geldbeträgen auch Sachleistungen be-
aus afrikanischen Ländern sowie Afghanistan handelt. reitgestellt. Sachleistungen werden seit Langem als
Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind nicht nur zu bürokratisch und menschenunwürdig kritisiert und
für die Art der Unterbringung ausschlaggebend, son- wurden im Jahr 2013 zuletzt von Bayern abgeschafft.
dern auch für die Wohnstandards. Während es in sechs Der Bayerische Asylplan sieht jedoch vor, wieder mehr
Bundesländern bereits verbindliche Vorgaben für einen Sachleistungen in Form von Bustickets und Ähnlichem
Mindeststandard gibt, erhalten Kommunen nur allge- auszugeben und stattdessen Kürzungen der Geldleis-
meine Bestimmungen durch das Landesaufnahme- tung umzusetzen. Besonders für Kinder von Geflüch-
gesetz (LAufnG). Damit kann die Mindestwohnfläche teten ist das zusätzlich zu beantragende Bildungs- und
in Gemeinschaftsunterkünften auch zwischen 4,5 und Teilhabepaket (§ 3 Abs. 4 AsylbLG) von Relevanz, das
6,0m² Wohn-/Schlaffläche pro Person variieren. Der Schulbedarf, Fahrtkosten, Aufwendungen für Klassen-
Großteil der Unterkünfte ist im städtischen Raum an- fahrten, außerschulische Lernförderung und Zuschüs-
gesiedelt. Einzelunterkünfte befinden sich größtenteils se zur Mittagsverpflegung sowie für außerschulische
in reinen Wohngebieten, Gemeinschaftsunterkünfte Bildungsaktivitäten umfasst.
dagegen sind öfter in Gebieten mit Wohn- sowie Ge-
werbenutzung zu finden. Der den Asylsuchenden zur Arbeitsmarktzugang und Erwerbstätigkeit
Verfügung stehende Wohnraum unterscheidet sich Neben Sozialleistungen eröffnet eine Erwerbstätigkeit
stark nach der Unterkunftsart: Personen in Gemein- Asylsuchenden die Möglichkeit, sich selbst und die
schaftsunterkünften hatten 11m² und in Einzelunter- eigene Familie zu ernähren. Der Arbeitsmarktzugang
künften 29m² zur Verfügung. Generell waren Personen wurde durch das Integrationsgesetz erleichtert, indem
in Einzelunterkünften mit ihrer Wohnsituation insgesamt in der überwiegenden Mehrheit der Arbeitsagenturen
auch zufriedener als die in Gemeinschaftsunterkünften die Vorrangprüfung für Asylbewerber und Geduldete
lebenden Geflüchteten (Baier/Siegert 2018). 2017 gab für drei Jahre ausgesetzt wurde. Somit haben Asylsu-
weniger als die Hälfte der selbst befragten Minderjäh- chende – mit Ausnahme von Personen, die in Aufnah-
rigen an, kein eigenes Zimmer zu haben. Jugendliche, meeinrichtungen wohnen – nun nach drei Monaten die
die in Privatunterkünften wohnten, hatten dabei deutlich Möglichkeit, einer Beschäftigung nachzugehen. Jedoch
206
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
sind Asylsuchende aus „sicheren Herkunftsländern“ E20 Die minderjährigen Asylsuchenden und ihre Familien
durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz gene- liegen somit unterhalb des Existenzminimums, das im
rell von einem Arbeitsmarktzugang ausgenommen. Jahr 2017 bei 785 Euro pro Monat lag.
Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung verdeutlicht, dass
bislang nur ein geringer Anteil der Eltern von asylsu- Elterlicher Spracherwerb
chenden Minderjährigen einer Erwerbstätigkeit nach- Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wird stark durch
geht: 87% der Eltern von Minderjährigen sind nicht die Teilnahme an Integrationsmaßnahmen wie einem
erwerbstätig. Jedoch zeigte sich unter allen Asylsu- Sprachkurs beeinflusst. Es zeigt sich, dass sich die
chenden ein deutlicher Anstieg der Erwerbstätigkeit selbsteingeschätzten Deutschkenntnisse der Asyl-
zwischen erster und zweiter Befragung: Im Jahr 2016 suchenden zwischen den beiden Erhebungen bereits
gingen erst 9% einer Arbeit nach; 2017 waren es schon deutlich gebessert haben und mit längerer Aufenthalts-
21%. Außerdem steigt die Erwerbstätigenquote mit der dauer weiter ansteigen. Bei Asylsuchenden mit Kindern
Aufenthaltsdauer an (Brücker u.a. 2019). – vor allem mit Kleinkindern – treten deutlich schlech-
Männer mit Kindern weisen eine deutlich geringe- tere Deutschkenntnisse zutage. Hiervon sind insbe-
re Erwerbsbeteiligung auf als kinderlose Männer: Lag sondere Frauen betroffen. Es wird angenommen, dass
die Erwerbstätigenquote bei kinderlosen Männern bei Mütter aus Mangel an Zeit wegen der Kinderbetreuung
30%, so halbiert sich diese, wenn nur die Väter be- seltener an Integrations- und Sprachkursen teilnehmen
rücksichtigt werden (Brücker u.a. 2019). Bei alleiniger und somit ihre Sprachkompetenzen nicht verbessern
Betrachtung der Kinder zeigt sich auch eine Erhöhung können (Brücker u.a. 2019). Zudem ist die Teilnahme
der Erwerbsbeteiligung: Im Jahr 2016 gingen 90% der an einem Integrationskurs vom Aufenthaltsstatus ab-
Väter keiner Tätigkeit72 nach, im Jahr 2017 waren es nur hängig: Während knapp zwei Drittel der Personen mit
noch 85%. Auch bei Asylsuchenden mit Kindern zeigt anerkanntem Schutzstatus bereits an einem Integra-
sich mit zunehmender Aufenthaltsdauer eine stärkere tionskurs teilgenommen haben, liegt dieser Anteil bei
Integration in den Arbeitsmarkt. Geduldeten und Asylsuchenden mit noch nicht abge-
Vollzeitangestellte Asylsuchende verdienen mit schlossenem Verfahren nur bei einem Drittel (Brücker
einem Bruttomonatsverdienst von etwa 1.600 Euro u.a. 2019).
gut die Hälfte des Durchschnittsgehalts aller Vollzeit- Da nur Personen mit einer „sicheren Bleibeperspek-
beschäftigten in Deutschland (Brücker u.a. 2019). Da tive“ bereits während ihres Verfahrens an einem Integ-
jedoch nur ein kleiner Teil der Asylsuchenden mit Kin- rationskurs teilnehmen können, sind diese Daten nicht
dern vollzeiterwerbstätig ist, liegt das durchschnittli- verwunderlich. Hier wirken sich die aufenthaltsrecht-
che Haushaltsmonatseinkommen, das alle Zusatzzah- lichen Bestimmungen deutlich auf die gesamtgesell-
lungen und Gehälter von allen Haushaltsmitgliedern schaftliche Integration von bestimmten Herkunftsland-
umfasst, bei begleiteten minderjährigen Asylsuchen- gruppen aus. Personen aus Afghanistan sind hiervon
den mit circa 1.570 Euro etwas niedriger. Im Vergleich als größte Gruppe betroffen. Kinder und Jugendliche
zum Jahr 2016 kam es zu einem Anstieg um durch- aus Afghanistan haben somit neben einer unsicheren
schnittlich 200 Euro. Betrachtet man jedoch das Net- Bleibeperspektive in Deutschland des Weiteren mit
toäquivalenzeinkommen, das die Anzahl und das Alter einer erschwerten Integration ihrer Eltern auf dem deut-
der Haushaltsmitglieder berücksichtigt, wird deutlich, schen Arbeitsmarkt zu kämpfen.
dass dieses bei durchschnittlich 605 Euro im Monat
liegt. Zwar ist dieses auch seit der ersten Erhebung Bildung und Ausbildung der Eltern
um gut 60 Euro angestiegen, jedoch sind weiterhin Das Erlernen einer neuen Sprache ist im Besonderen
99% der begleiteten minderjährigen Asylsuchenden abhängig von dem bisherigen Bildungsniveau. Perso-
von Armut bedroht. Die Grenze zur Armutsgefährdung nen, die in ihrem bisherigen Leben nicht einmal Bildung
lag 2017 mit 1.096 Euro pro Monat deutlich über dem auf Grundschulniveau erwarben und somit in einer
Einkommenswert der minderjährigen Asylsuchenden. Sprache alphabetisiert wurden (primäre Analphabe-
ten E4 ), stehen vor sehr hohen Hürden beim Erlernen
72 Hiermit sind neben Voll- und Teilzeitbeschäftigungen auch Ausbildun- der deutschen Sprache (Scheible 2018; Schuller u.a.
gen und unregelmäßige Tätigkeiten erfasst. 2012b). Der bisher erworbene Bildungsstand der Eltern
207
Kinder- und Jugendmigrationsreport
von minderjährigen Asylsuchenden ist somit sowohl für tan aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen
das Erlernen der deutschen Sprache als auch für die kaum funktionsfähig ist, kann eine flächendeckende
gesamtgesellschaftliche Integration von besonderer Schulbildung nicht gewährleistet werden. Jedoch liegt
Relevanz. Das elterliche Bildungskapital beeinflusst die der Anteil der afghanischen Eltern ohne jegliche for-
soziale und kulturelle Lage einer Familie (Kap. 2.3). In male Schulbildung (SoKo: 26,7%) höher als unter allen
Bezug auf die Schul- und Berufsbildung zeigt sich ein Asylsuchenden aus Afghanistan (Schmidt 2018).
deutliches Gefälle zum deutschen Bevölkerungsdurch- Diese Diskrepanz kann darauf zurückgeführt werden,
schnitt (Brücker u.a. 2019). Ein Vergleich der höchsten dass das Geschlechterverhältnis unter allen Asylsu-
erreichten Schulabschlüsse von asylsuchenden Eltern chenden aus Afghanistan bei lediglich 29% Frauen liegt
mit allen Asylsuchenden aus den unterschiedlichen (Schmidt 2018). In den vorliegenden berichteten Daten
Herkunftsländern ist mit den „Soziale Komponen- zu Eltern von minderjährigen Asylsuchenden ist das Ge-
te“(SoKo)-Daten des BAMF möglich (Schmidt 2018). schlechterverhältnis deutlich ausgeglichener, da Frauen
Die Eltern syrischer Minderjähriger sind vergleichswei- eher im Familienverband fliehen (Haug u.a. 2017). Dies
se hoch gebildet (Abb. 6-15): Ein Viertel der Eltern hat trifft auch auf die anderen Herkunftsländer zu. Da Mäd-
einen Universitätsabschluss erworben. Oft können sie chen und Frauen in einigen Herkunftsländern systema-
diesen bei der Bewerbung auf mögliche Arbeitsstellen tisch aus dem Bildungssystem ausgeschlossen werden,
in Deutschland aufgrund fehlender Anerkennung nicht verwundert kaum die niedrige Qualifikationsstruktur von
direkt einsetzen. Hingegen haben knapp zwei Drittel weiblichen Asylsuchenden (SoKo: keine formale Schul-
der Eltern von afghanischen Minderjährigen keinerlei bildung: 9% männlich/16% weiblich; Schmidt 2018) und
Abschluss erreicht. Da das Schulsystem in Afghanis- somit der Eltern minderjähriger Asylsuchender.
Abb. 6-15: Höchster erreichter Schulabschluss der Eltern nach Herkunftsland 2017 (in %)
in %
100
10 14
17
25 25
15 7
80
11 14 4
18 12
60 27
25 19
40 24
61 16
20 44
46
30 27
0
Syrien Afghanistan Irak Afrik. Länder Sonst. Länder
208
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
Das formale Bildungsniveau von Asylsuchenden beein- Zwischen den ersten beiden Erhebungsjahren ist für alle
flusst nicht in dem Maße die Arbeitsaufnahme wie in unter 7-Jährigen bereits ein kleiner Anstieg in der Be-
der Gesamtbevölkerung (Brücker u.a. 2019), jedoch ge- treuung von 47% (2016) auf 48% (2017) zu erkennen.
hen auch diejenigen Eltern, die bislang keinen formalen Insbesondere bei den unter 3-Jährigen gibt es deutlich
Schulabschluss erworben haben, deutlich seltener einer Abweichungen vom gesamtdeutschen Durchschnitt.
Erwerbstätigkeit nach. Von denjenigen, die nicht einmal Während 15% der asylsuchenden unter 3-Jährigen
die Grundschule abgeschlossen haben, ist niemand er- 2017 eine Kindertageseinrichtung besuchten, waren
werbstätig. Nur 9% derjenigen, die die Grundschule be- es im deutschen Durchschnitt 33% und 20% der unter
endet haben, gehen einer Erwerbstätigkeit nach. Dies 3-Jährigen mit Migrationshintergrund (Autorengruppe
wiederum ist auf den hohen Frauenanteil in der Stich- Kinder- und Jugendhilfestatistik 2019). In der Gruppe
probe der asylsuchenden Eltern zurückzuführen. der 3- bis unter 7-Jährigen stiegen die Betreuungswerte
auch bei asylsuchenden Kindern stark an und lagen mit
Minderjährige Asylsuchende im deutschen 78% nicht weit unter dem Niveau von allen Kindern mit
Bildungssystem Migrationshintergrund in Deutschland (2017: 84%74). Im
Durch Krieg und Flucht hat ein Teil der Minderjährigen Jahr 2017 wurden unter allen 3- bis unter 6-Jährigen
eine stark fragmentierte Schullaufbahn erfahren, wenn 94% in einer Kindertageseinrichtung betreut (Autoren-
diese überhaupt begonnen hat. Mit Blick auf die große gruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik 2019).
Zahl an geflüchteten Kindern und Jugendlichen, die in Eine genaue Analyse nach Altersjahren zeigt im Al-
den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind, tersverlauf eine deutliche Steigerung der institutionellen
stellt die Integration dieser Gruppen das Bildungssys- Betreuung vor allem zwischen dem zweiten und dritten
tem vor Herausforderungen. Lebensjahr auf (Abb. 6-16). Bei den unter 2-jährigen
Asylsuchenden kam es zwischen den beiden Erhe-
Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen bungsjahren zu einer kleinen Steigerung, ebenso bei
Die DJI-Kitabefragung aus dem Jahr 2016 verdeut- den 4- bis 5-Jährigen.
lichte, dass der Bedarf an Sprachvermittlung, recht- Neben dem Alter hat die bisherige Aufenthaltsdauer
lichen und pädagogischen Informationshilfen sowie einen deutlichen Einfluss auf den Besuch einer Kinder-
speziellen Fortbildungen in Bezug auf geflüchtete tageseinrichtung. Während Kinder, die erst 2017 nach
Familien nach dem starken Anstieg der Asylsuchen- Deutschland gezogen oder erst in Deutschland geboren
denzahlen seit Spätsommer 2015 stark angestiegen wurden zu 24% eine Kindertageseinrichtung besuchen,
ist. Gerade die Zusammenarbeit mit Eltern gestal- gehen die seit einem Jahr in Deutschland Lebenden zu
tete sich aufgrund von Sprachbarrieren und Verun- 56% in eine Kindertageseinrichtung, nach zwei Jahren
sicherungen der Eltern sowie der pädagogischen sind es bereits 84% und ab drei Jahren 92%. Hierbei
Fachkräfte oft problematisch. Der größte Unter- gilt es zu beachten, dass eine längere Aufenthaltsdauer
stützungsbedarf besteht neben Wissen über die in Deutschland auch mit einem höheren Alter und mit
Herkunftsländer, pädagogischen Leitfäden zur Be- einer grundsätzlich höheren Wahrscheinlichkeit des
treuung sowie Dolmetschern und Sprachmittlern in Besuchs einer Kindertageseinrichtung einhergeht.
zusätzlichem pädagogischem Personal insbesonde- Eine bivariate Analyse nach Herkunftsländern
re auch für die Sprachförderung und den Umgang mit (Abb. 6-17) zeigt, dass unter 7-jährige Kinder aus af-
Traumata (Baisch u.a. 2016). rikanischen Ländern am seltensten eine Kindertages-
Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung zeigt, dass Kinder einrichtung besuchen. Dies ist jedoch lediglich darauf
häufiger ein Betreuungsangebot wahrnehmen, wenn zurückzuführen, dass afrikanische Kinder eine deut-
die Familie schon über einen längeren Zeitraum im lich jüngere Altersstruktur aufweisen (Abb. 6-13). Wird
Land lebt und ihr eine private Wohnung zur Verfügung
steht, da hier der Rechtsanspruch der meisten Bundes- den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Der Großteil
länder greift (Gambaro u.a. 2018b).73 der Länder gewährt einen Rechtsanspruch auf einen Platz, wenn die
Erstaufnahmeeinrichtung von den Geflüchteten bereits verlassen und
diese einer Kommune zugeteilt wurden (Meysen u.a. 2016).
73 Ab wann Flüchtlingskinder Anspruch darauf haben, in einer Kinder- 74 Bei der Berechnung der Inanspruchnahmequote werden in der amt-
tageseinrichtung oder in Kindertagespflege betreut zu werden, ist in lichen Statistik nur 3- bis unter 6-Jährige berücksichtigt.
209
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 6-16: Besuch einer Kindertageseinrichtung nach Alter des Kindes in den Jahren 2016/17 (in %)
in %
97
100 95
89
85
82
80
71 81
77
62
60 62
37
40
32
28
20
16
2 13
0
0 1 2 3 4 5
Quelle: IAB-BAMF-SOEP 2016, 2017, gewichtete Daten; eigene Berechnungen; n2016= 1.907, n2017= 2.243.
somit nur die Altersgruppe der 3- bis unter 7-jährigen Schulbesuch und Bildungsvoraussetzungen
Kinder betrachtet, besuchen Kinder aus afrikanischen Ungeachtet des Aufenthaltstitels hat jedes Kind das
Ländern am häufigsten eine Kindertageseinrichtung. Recht auf Schulbildung (UN-Kinderrechtskonvention
Nicht nur die unterschiedliche Altersstruktur je nach Art. 28; Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 GG). Entspre-
Herkunftsland, sondern auch die Länge der bisherigen chend den EU-Aufnahmerichtlinien sollte es für ge-
Aufenthaltsdauer, die sich je nach Herkunft unterschei- flüchtete Kinder und Jugendliche möglich sein, spä-
det, beeinflussen den Besuch einer Kindertagesstätte testens drei Monate nach Asylantragsstellung eine
nach ihrer jeweiligen Herkunft. Daher dürfen die Unter- Schule zu besuchen. Schulpflicht und Zugangsmög-
schiede in der bivariaten Analyse nicht überinterpretiert lichkeiten zum Bildungssystem obliegen nach Art. 30
oder auf vermeintliche kulturelle Unterschiede zurück- GG dem jeweiligen Bundesland, wodurch Kinder in
geführt werden. Ausschlaggebend sind – über alle Her- Bayern und Thüringen beispielsweise nach drei Mo-
kunftsgruppen hinweg – das Alter des Kindes und die naten und in Baden-Württemberg erst nach sechs
bisherige Aufenthaltsdauer. Monaten schulpflichtig sind (de Paiva Lareiro 2019a).
Die kommunalen Schulämter sind verpflichtet, schul-
pflichtigen asylsuchenden Kindern einen Platz zur Ver-
fügung zu stellen.
210
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
Abb. 6-17: Besuch einer Kindertageseinrichtung nach Herkunft und Altersgruppe 2017 (in %)
in %
100
90
85
80 76 76
72
60 57
53
47 47
40 36
22
18
20
12 11 14
0
Syrien Afghanistan Irak Afrik. Länder Sonst. Länder
Asylsuchende Kinder erfahren häufig Bildungsbenach- gen. Trotz dieser Hindernisse besuchten im Jahr 2016
teiligungen, da diese aufgrund von den in ihrem Hei- von den zwischen 2013 und 2016 eingereisten 6- bis
matland herrschenden Krisensituationen und der dar- 12-jährigen Asylsuchenden 98% eine Schule (Gambaro
auffolgenden Flucht über einen längeren Zeitraum nicht u.a. 2018b).
die Möglichkeit hatten, eine Bildungsinstitution zu be- Im Vordergrund steht hier vor allem der Erwerb der deut-
suchen. Konnten sie jedoch in ihrem Heimatland eine schen Sprache, um dem Unterricht folgen zu können.
Schule besuchen, dann unterscheiden sich die dorti- Um den Spracherwerb zu fördern und den Bildungs-
gen Lehrpläne meist stark von den deutschen Gege- rückstand zu gleichaltrigen deutschen Kindern aus-
benheiten. Folglich entspricht der Lernstand nicht dem zugleichen, werden an den Schulen unterschiedliche
von Gleichaltrigen, weshalb häufig Lerninhalte aufge- Modelle verfolgt (Kap. 5.1). Im Jahr 2017 gab knapp
holt werden müssen. Je länger die Kinder keine Schu- ein Drittel der Schulkinder an, eine spezielle Klasse für
le besuchen können, desto größer wird die Lücke zu geflüchtete Kinder zu besuchen. Von diesen hat etwas
den Gleichaltrigen in Deutschland und umso schwerer mehr als die Hälfte nur Unterricht in einer Klasse für
lassen sich bestehende Bildungsnachteile ausgleichen. Neuzuwanderer bekommen, während die andere Hälfte
Insbesondere der Besuch einer Schule stellt für Kinder neben Unterricht in Neuzuwandererstunden zusätzlich
im Asylverfahren ein Stück Normalität dar, da der Alltag am regulären Unterricht teilnahm. Die schulische Situa-
oft von einer beengten Wohnsituation, Zukunftsängsten tion von asylsuchenden Kindern und Jugendlichen wird
und Traumatisierungen überschattet wird. im Kap. 4.2.7 anhand der Daten der DJI-Neuzuwande-
Ähnlich wie Kindertageseinrichtungen standen rerstudie aus dem Jahr 2018 genauer beleuchtet.
Schulen und Schulträger im Zuge der hohen Flücht-
lingszuwanderung 2015 durch ein zu geringes Platz-
angebot vor großen organisatorischen Herausforderun-
211
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Fazit
Asylsuchende Kinder und Jugendliche finden Lebens-
situationen vor, die weder mit Kindern und Jugendli-
chen sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund
vergleichbar sind. Ausschlaggebend für ihre Lebens-
umstände sind insbesondere aufenthaltsrechtliche Be-
stimmungen. Da der Großteil der Eltern aufgrund des
Aufenthaltstitels oder der noch sehr kurzen Aufent-
haltsdauer nicht erwerbstätig ist, befinden sich nahezu
alle minderjährigen Geflüchteten in prekären Lebens-
umständen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze.
Die familiale nationale Herkunft ist insbesondere für
Asylsuchende ausschlaggebend, da Eltern aus als „si-
chere Herkunftsstaaten“ E20 deklarierten Ländern nicht
die Möglichkeit haben, eine Erwerbstätigkeit aufzu-
nehmen oder an einem Integrationskurs teilzunehmen.
Insbesondere Kinder von afghanischen Asylsuchenden
leben in Deutschland unter der doppelten Belastung ei-
ner drohenden Abschiebung und der Verwehrung einer
Integration in Deutschland.
212
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
213
Kinder- und Jugendmigrationsreport
214
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
Tab. 6-1: Inobhutnahmen wegen einer unbegleiteten Einreise absolut sowie Anteil an allen Inobhutnahmen
(Deutschland; 2010–2018)
Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Inobhutnahmen versch. Jahrgänge; Zusammenstellung und Berech-
nung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
1 Für die Jahre 2017 und 2018 werden lediglich die regulären Inobhutnahmen gem. § 42 Abs. 1 Nr. 3 ausgewiesen.
215
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 6-18: Reguläre Inobhutnahmen nach Altersgruppen, Migrationshintergrund und Geschlecht (2017; in %)
in %
100
26,2 25,6
32,3
80
56,6
69,8 21,2
75,1
60 28,8
25,0
11,0
40 14,4
13,7 9,9
19,9
8,1 7,9
7,9
5,9 15,8 5,5
20 5,8 8,1
5,0 20,4 5,9
4,2 6,4 5,6
3,6 3,3 15,6 11,9
4,7 8,9 2,4 3,0
0
männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich
N= 17.474 N= 9.226 N= 9.999 N= 1.392 N= 11.408 N= 12.174
mit Migrationshintergrund davon unbegleitete ausländische ohne Migrationshintergrund
(inkl. UMA) Minderjährige (UMA)
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik, Autorengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik: Kinder- und Jugendhilfereport 2018, S.197.
Beginn und Ende der Inobhutnahmen von der Fragebogen abgeändert; so wurden die Ausprä-
unbegleiteten ausländischen Minderjährigen: gungen „unbekannt“ und „keine Angabe möglich“ zu-
Woher kommen die unbegleiteten ausländi- sammengefasst und zudem in den Erläuterungen zum
schen Minderjährigen, und wohin werden sie Fragebogen ab 2019 angemerkt, dass bei regulären
entlassen? Inobhutnahmen aufgrund einer unbegleiteten Einreise
Bei nahezu zwei Dritteln der vorläufig in Obhut genom- aus dem Ausland der ständige Aufenthalt während der
menen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen ist vorausgegangenen, vorläufigen Inobhutnahme gilt. So-
der vorherige Aufenthaltsort unbekannt. Doch auch bei mit sollten die Angaben eines unbekannten vorherigen
den regulären Inobhutnahmen ist der vorherige Aufent- Aufenthaltsortes genauer hinterfragt werden.
halt bei 44% unbekannt. Dies ist mit Blick auf das Ge- Gut ein Viertel der regulär in Obhut genommenen
setz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung unbegleiteten ausländischen Minderjährigen war zuvor
und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher in einem Heim oder in einer sonstigen betreuten Wohn-
und der damit einhergehenden Verbindung zwischen form untergebracht und bei rund 15% konnte keine
der vorläufigen und der regulären Inobhutnahme über- feste Unterkunft festgestellt werden (Abb. 6-19). Vor
raschend. Auch im Jahr 2018 wird in rund 40% der Fäl- dem Hintergrund der Tatsache, dass im Fragebogen
le angegeben, dass der Aufenthalt vor der Maßnahme der Erhebungsjahre 2017 und 2018 nicht explizit dar-
unbekannt ist (ohne Abb.). Ab dem Jahr 2019 wurde auf hingewiesen wurde, dass in Bezug auf die reguläre
216
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
Inobhutnahme der Aufenthalt während der vorläufigen nahme) nicht logisch ist, da es sich dann nicht um einen
Inobhutnahme gemeint ist, kann es sein, dass hier mit unbegleiteten Minderjährigen handeln würde.
der Angabe „keine feste Unterkunft“ die Aufenthaltsge- Wie der Aufenthalt vor Beginn der Maßnahme wird
gebenheiten der Flucht gemeint sind. auch der Verbleib nach Beendigung der Maßnahme im
Sieht man sich im Vergleich die in Obhut genomme- Rahmen der KJH-Statistik ausgewiesen.
nen Kinder und Jugendlichen ohne die UMA an, so fällt Das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung,
auf, dass die Verteilung sich hier anders darstellt. Un- Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und
abhängig davon, ob die Kinder und Jugendlichen einen Jugendlicher (November 2015) führte die vorläufige In-
Migrationshintergrund haben oder nicht, hielten sich obhutnahme ein und legte damit fest, dass diese der
über 70% im Vorfeld der Inobhutnahme bei ihren Eltern regulären Inobhutnahme vorangeschaltet wird. Die An-
oder einem Elternteil auf. Bei den unbegleiteten auslän- schlussmaßnahme nach der regulären Inobhutnahme
dischen Minderjährigen macht der vorherige Aufenthalt wird dagegen nicht vom Gesetzgeber vorbestimmt.
dieser Gruppen im Vorfeld der regulären Inobhutnahme Auch wenn dieser Übergang in Bezug auf unbeglei-
rund 8% und im Vorfeld der vorläufigen Inobhutnahme tete ausländische Minderjährige im Rahmen der KJH-
rund 11% aus (Abb. 6-19) – hierbei sollte aber auch der Statistik nicht direkt passgenau erfasst werden kann,
fehlende Hinweis in den Fragebögen mitbeachtet wer- sind hier doch einige Unterschiede im Vergleich zu jun-
den, da ein Aufenthalt bei den Eltern vor der regulären gen Menschen ohne Migrationshintergrund zu erken-
Inobhutnahme (also während der vorläufigen Inobhut- nen (Fendrich u.a. 2018).
in %
100
5,2 3,4
11,1 12,8
80 43,6
64,6
60 28,4 28,3
14,7
40 12,4
19,0
25,9 13,9
20
6,1 32,1
23,0
6,7 8,8
0
UMA § 42 UMA § 42a mit Migrationshintergrund ohne
ohne UMA Migrationshintergrund
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2017; Zusam-
menstellung und Berechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
217
Kinder- und Jugendmigrationsreport
In den meisten Fällen endet die reguläre Inobhutnahme Folge der Volljährigkeit eines unbegleiteten ausländi-
von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen mit schen Minderjährigen eine mögliche Anschlussunter-
der Einleitung einer erzieherischen Hilfe außerhalb des bringung darstellen können. Einen nicht unerheblichen
Elternhauses (34,5%). Gemeint sind hier anschließende Anteil machen diejenigen Fälle aus, innerhalb derer kei-
Hilfen im Rahmen von Heimerziehung oder Vollzeitpfle- ne anschließende Hilfe vermerkt wurde. Hierunter kann
ge inklusive der Unterbringung in Gastfamilien. Auch ebenfalls eine Unterbringung in einer Gemeinschafts-
die Fälle der regulären Inobhutnahmen, welche mit unterkunft für Asylsuchende fallen, da dort keine Hilfe
einer sogenannten sonstigen stationären Hilfe enden, im Rahmen der Jugendhilfe anschließt (Kiepe/Poth-
haben im Vergleich zu den anderen Anschlussmaßnah- mann 2018).
men einen relativ hohen Anteil (30,8%). Unter sonstigen Anschlussmaßnahmen in Form einer Rückkehr zu
stationären Hilfen sind zum einen Heimunterbringun- Personensorgeberechtigten (3,5%), einer Aufnahme in
gen, aber auch ISE und andere Formen des Einzelwoh- eine Pflegefamilie oder in ein Heim (1,6%), die Über-
nens, zusammengefasst, zum anderen Einrichtungen nahme durch ein anderes Jugendamt (9,0%) oder die
des Jugendwohnens oder Gemeinschaftsunterkünfte Einleitung einer ambulanten HzE-Maßnahme (5,7%)
für Flüchtlinge bzw. Asylbewerber/-innen, welche in fallen weitaus geringer aus (Abb. 5-8 sowie Kap. 5.2).
Abb. 6-20: Beendigung der Schutzmaßnahme nach Migrationshintergrund (2017; Mehrfachnennung mög-
lich in %)
35,7
20,3 Keine anschließende Hilfe
vorläufige ION 12,6
N= 11.101
29,7 Sons�ge sta�onäre Hilfe
0,8
3,0
HzE/Eingliederungshilfe (sta�onär)
17,8
30,8 HzE/Eingliederungshilfe (ambulant/teilsta�onär)
reguläre ION 34,5
N= 11.391 5,7
9,0 Übernahme durch ein anderes Jugendamt
1,6
3,5
Rückkehr in die Pflegefamilie oder das Heim
13,6
19,8 Rückkehr zu Personensorgeberech�gten
mit Migra�onshintergrund 27,2
7,2
N= 26.700
7,0
2,4
28,8
10,5
14,4
ohne Migra�onshintergund 29,3
7,5
N=23.582
5,7
4,4
35,9
0 10 20 30 40
in %
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2017; Zusam-
menstellung und Berechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
218
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
Ein Blick auf die 2018er-Daten der Kinder- und Jugend- und rund 6% (♂) in ambulanten bzw. teilstationären Hil-
hilfestatistik zeigt, dass noch immer viele Inobhutnah- fen (Abb. 6-21).
men in einer Einleitung von Hilfen zur Erziehung enden. Durch den Rückgang der Einreisen von unbegleiteten
So endeten rund 48% der regulären Inobhutnahmen ausländischen Minderjährigen hat jedoch die Anzahl
von männlichen, nahezu volljährigen, unbegleiteten derjenigen, deren Inobhutnahme in der Einleitung einer
ausländischen Minderjährigen und rund 51% der Inob- Maßnahme der Hilfen zur Erziehung endet, abgenom-
hutnahmen der weiblichen, nahezu volljährigen, unbe- men. Während 2017 noch 4.587 unbegleitete auslän-
gleiteten ausländischen Minderjährigen (im Alter von 16 dische Minderjährige in eine Maßnahme wechselten,
bis 18 Jahren) in der Einleitung einer stationären Hilfe waren es 2018 nur noch 3.138.
im Rahmen der Hilfen zur Erziehung sowie rund 5% (♀)
Abb. 6-21: Beendigung der Schutzmaßnahme von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen im Alter
von 16 bis unter 18 Jahren nach Geschlecht (2018; Mehrfachnennung möglich; Angaben in %)
18,8
13,2
weiblich 8,3
5,2
48,4 keiner der zuvor genannten
1,2
§ 42 SGB VIII
7,1 Antwortmöglichkeiten
Übernahme durch dasselbe Jugendamt
19,1
13,3
10,4 Übernahme durch ein anderes Jugendamt
männlich
5,9
50,6
1,4 sons�ger sta�onärer Hilfe
2,3
30,7
18,9 Rückkehr zu Personensorgeberech�gten
32,3
männlich 6,9
10,1
1,0
2,6
0 20 40 60
in %
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Kinder- und Jugendhilfestatistik 2018; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
219
Kinder- und Jugendmigrationsreport
6.2.2 Hilfen zur Erziehung tere Auswertungen für die letzten Berichtsjahre der
KJH-Statistik zumindest indirekt diese Gruppe bzw.
Hilfen zur Erziehung und Hilfen für junge Volljährige die „mutmaßlichen“ Fälle für unbegleitete ausländische
sind mit Blick auf die Ressourcenausstattung nach der Minderjährige in den Hilfen zur Erziehung E23 besser
Kindertagesbetreuung das zweitgrößte Arbeitsfeld der sichtbar gemacht – insbesondere über die Kombina-
Kinder- und Jugendhilfe. Die Leistungen bieten grund- tion von bestimmten Merkmalsausprägungen bei Alter,
sätzlich jungen Menschen sowie deren Familien Unter- Geschlecht, Migrationshintergrund sowie von Gründen
stützung und Hilfestellung bei erziehungsbedingten für eine Hilfegewährung („Unversorgtheit des jungen
Problemen, aber auch bei Schwierigkeiten in der Per- Menschen“).
sönlichkeitsentwicklung oder bei der Verselbstständi- Auf dieser Grundlage ist die Anzahl der „mutmaß-
gung junger Menschen (Kap. 5.2). Die Ansprüche auf lichen“ Fälle für unbegleitete ausländische Minderjäh-
Leistungen der Hilfen zur Erziehung oder auch der Hilfen rige, insbesondere die der männlichen, bis 2016 stark
für junge Volljährige gelten für Adressatengruppen mit angestiegen (Fendrich u.a. 2018). In diesem Zeitraum
und ohne Migrationshintergrund im Allgemeinen sowie haben sich die Fälle von geschätzt insgesamt 1.714 auf
für sich in Deutschland aufhaltende und lebende schutz- 25.710 um den Faktor 15 erhöht. Davon waren im Jahr
und asylsuchende junge Menschen im Besonderen. 2016 93,9% männlich. Wie schon die rückläufigen In-
Bereits die Analysen zu den Inobhutnahmen und obhutnahmezahlen es vermuten ließen, sind die Hilfen
den Anschlusshilfen in Kap. 6.2.1 bestätigen, dass zur Erziehung für diese Gruppe im Jahr 2017 rückläufig.
sich die jugendhilferechtliche Zuständigkeit für die un- Insgesamt sind sie um knapp 8.800 Fälle bzw. 34,2%
begleiteten ausländischen Minderjährigen nicht in den zurückgegangen. Allerdings verdeckt die Gesamtent-
(vorläufigen) Inobhutnahmen erschöpft, sondern dass wicklung altersspezifische Unterschiede:
diese oftmals in Form einer Hilfe zur Erziehung oder • So gehen die rückläufigen Zahlen für die „mutmaß-
auch einer Hilfe für junge Volljährige ihre Fortsetzung lichen“ Fälle für die unbegleiteten ausländischen
findet. So haben auch die Zahlen der Inobhutnahmen Minderjährigen vor allem auf die Altersgruppe der
für diese Gruppe einen maßgeblichen Einfluss auf die 15- bis unter 18-Jährigen zurück. Hier haben sich
Fallzahlenentwicklungen in den Hilfen zur Erziehung im die Fallzahlen von knapp 21.000 in 2016 auf etwa
Allgemeinen und der stationären Unterbringung gem. § 9.400 Fälle in 2017 halbiert (Abb. 6-22). Hier wird be-
34 SGB VIII im Besonderen. sonders die steigende Dynamik in den Jahren 2015
Bislang ist es über die HzE-Statistik nicht möglich, und 2016 deutlich – eine Zeit, in der bekannterma-
die Gruppe der unbegleiteten ausländischen Minder- ßen die Anzahl der Minderjährigen, die unbegleitet
jährigen zu identifizieren.76 Dennoch haben detaillier- nach Deutschland eingereist und in Obhut genom-
men worden sind, besonders hoch ausfiel (Kap. 6.1,
76 Mit der Erhebung des Jahres 2017 wurde die Statistik zwar um das 6.2.1). Diese Entwicklung macht sich vor allem in der
Merkmal „Einleitung der Hilfe im Anschluss an eine vorläufige Maßnahme Fremdunterbringung, aber hauptsächlich in Hilfen
zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Fall des § 42 Absatz 1
Satz 1 Nummer 3 SGB VIII“ ergänzt. In diesem Fall handelt es sich laut gem. § 34 SGB VIII, bemerkbar. Lag die Anzahl der
Gesetzgeber um ausländische Kinder bzw. Jugendliche, die unbegleitet neu begonnenen „mutmaßlichen“ Heimerziehungs-
nach Deutschland gekommen sind und deren Personensorge- bzw. Er- fälle (einschl. der stationären „27-2er-Hilfen“) für un-
ziehungsberechtigte sich nicht im Inland aufhalten. In der revidierten Ver-
öffentlichung der Tabellen zu den Hilfen zur Erziehung vom Februar 2019 begleitete ausländische Minderjährige im Alter von
heißt es vonseiten des Statistischen Bundesamtes: „Daten zur Einleitung 15 bis unter 18 Jahren im Jahr 2010 noch bei knapp
der Hilfe im Anschluss an eine vorläufige Maßnahme zum Schutz von Kin- 1.200, waren es im Jahr 2016 16.700. 2017 hat sich
dern und Jugendlichen im Fall des § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB
VIII konnten im Jahr 2017 aufgrund eines Messfehlers nicht veröffentlicht die Anzahl auf etwa 7.700 stationäre Unterbringun-
werden“ (Statistisches Bundesamt 2018h, S. 2). Für die Erhebung 2018 gen mehr als halbiert (ohne Abb.).
wurde dieser behoben, sodass die Daten 2018 zu dem Merkmal eher als • Die Anzahl der „mutmaßlichen“ Hilfen für junge Voll-
valide einzuschätzen sind. Erste Analysen der Daten 2018 deuten einen
weiteren Rückgang der Fallzahlen für die unbegleiteten ausländischen jährige, die ehemalige unbegleitete ausländische
Minderjährigen an. So ist allein für die Altersgruppe der 12- bis unter Minderjährige sind, ist hingegen von 4.856 (2016)
18-Jährigen – eine differenzierte Auswertung für die 15- bis unter 18-Jäh- auf 7.544 (2017) um 55,4% gestiegen. Das ist mit-
rigen, wie sie in Abb. 6-22 dargestellt sind, ist zum Zeitpunkt der Fertig-
stellung des Manuskripts zu dem Kapitel nicht möglich – eine Fallzahl von unter ein Hinweis darauf, dass ein Teil der ehema-
3.778 „ASD-Hilfen“ und für die Heimerziehung 3.163 auszumachen. ligen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen
220
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
221
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 6-22: „Mutmaßliche“ Hilfen zur Erziehung für unbegleitete ausländische Minderjährige im Vergleich
zu den Hilfen ohne die „mutmaßlichen“ Fälle für unbegleitete ausländische Minderjährige im Alter von 15
bis unter 18 Jahren 2010, 2014–2017 (absolut)1
60.000
50.000
20.854 19.618
40.000
11.665 10.972
1.236 9.383 8.447
1.243 3.551 3.143 693
30.000 936
1.534 291 408
20.000
33.488
29.164 30.876 29.426
28.413
10.000
0 //
2010 2014 2015 2016 2017
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2010,
2014–2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
1
Ohne Erziehungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe und familienorientierte „27,2er-Hilfen“.
222
6 Asylsuchende junge Menschen in Deutschland
Schlussfolgerungen Kapitel 6
Die Lebenslagen von geflüchteten Kindern und Ju- jungen Menschen Sorge zu leisten. Dazu gehört auch
gendlichen werden maßgeblich durch aufenthaltsrecht- deren Begleitung und Förderung sowie eine Unterstüt-
liche Bestimmungen geprägt. Aufgrund des starken zung bei der schulischen und beruflichen Integration.
Zuzugs von Asylsuchenden seit Spätsommer 2015 Die Daten 2017 und auch die aktuellen Daten 2018 deu-
mussten auch viele Familien in Notunterkünften unter- ten zwar einerseits auf einen rückläufigen Trend der Fäl-
gebracht werden, die für nicht kindgerechte Zustände le für die unbegleiteten ausländischen Minderjährigen
kritisiert wurden (Lewek/Naber 2017). Die Situation hat hin. Andererseits sind viele der in den Jahren 2015 und
sich etwas entspannt, da Familien zum großen Teil nun 2016 unbegleiteten eingereisten ausländischen Min-
in Privatunterkünften leben. Jedoch gaben 2017 noch derjährigen mittlerweile volljährig geworden, die aktuell
ein Viertel der begleiteten asylsuchenden Kinder an, in mit Blick auf die Bedarfe der gesellschaftlichen Integra-
Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen. tion, Verselbstständigung und Qualifizierung stärker in
Die finanzielle Situation von Asylsuchenden ist von den Fokus des Aufgabenspektrums der kommunalen
prekären Einkommensverhältnissen geprägt, die maß- Jugendämter gerückt sind (Gnuschke/Pothmann 2019;
geblich durch die Flucht und den gegenwärtigen Auf- Deutscher Bundestag 2018, S. 33).
enthaltstitel beeinflusst werden. Eine Differenzierung
nach Herkunftsland ergibt sich entlang der als „sichere
Herkunftsstaaten“ E20 definierten Länder. Insbesondere
Kinder aus Afghanistan werden hierdurch doppelt be-
nachteiligt: Einerseits haben diese eine deutlich unsi-
chere Bleibeperspektive mit einer dauerhaften Angst
vor Abschiebung, andererseits können sich Eltern auf-
grund des Aufenthaltstitels nicht wirklich integrieren.
Zudem weisen Asylsuchende aus Afghanistan ein sehr
niedriges Bildungsniveau auf: Meist handelt es sich bei
den Eltern um mindestens funktionale Analphabeten,
die in einer anderen Schriftsprache alphabetisiert wur-
den. Zudem können, auch bedingt durch die Flucht,
diskontinuierliche Schullaufbahnen und eine generelle
geringe Schulbildung durch kriegerische Handlungen
in den Herkunftsländern angenommen werden. Dieses
geringe elterliche Bildungsniveau wirkt sich auf den
eigenen Spracherwerb, aber auch auf die Bildung ihrer
Kinder aus. Ein Aspekt, der noch weiterer Aufarbeitung
bedarf, ist der Umgang von geflüchteten Kindern und
Jugendlichen mit traumatischen Erlebnissen in der Hei-
mat und auf der Flucht. Des Weiteren ist noch wenig
bekannt, wie Kinder mit einer Rückführung in die Hei-
mat umgehen, wenn sie abgeschoben wurden (Guil-
laume u.a. 2018).
Die Einreise von unbegleiteten ausländischen Min-
derjährigen hat die Kinder- und Jugendhilfe im Zeitraum
zwischen 2014 und 2016 maßgeblich herausgefordert.
Das zeigen die besonders starken Fallzahlenzunahmen
in den Inobhutnahmen und in den Hilfen zur Erziehung.
Damit einher ging nicht nur die Herausforderung, für
die Unterbringung, Versorgung und Betreuung dieser
223
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Zentrale Ergebnisse
• Die Fluchtzuwanderung zwischen Spätherbst 2015 und Frühjahr 2016 war besonders durch junge männliche
Asylsuchende geprägt – 60% der Antragstellenden im Jahr 2016 war jünger als 25 Jahre.
• Während die Asylantragszahlen seit 2017 stark rückläufig sind, erfährt die Altersgruppe der unter 4-Jährigen
seitdem einen deutlichen relativen Zuwachs: 27% der Asylantragstellenden im Jahr 2018 war jünger als 4
Jahre alt. Dies ist auf hohe Zahlen an in Deutschland geborenen Kindern von Asylsuchenden zurückzuführen.
• Von den 1,8 Millionen Asylsuchenden in Deutschland waren 2018 26% minderjährig und 17% befanden sich
im schulpflichtigen Alter.
• Der Aufenthaltstitel prägt die Lebenslagen von minderjährigen Asylsuchenden besonders: Familienzusam-
menführung, Unterbringung, Arbeitserlaubnis sowie Möglichkeit eines Integrationskursbesuchs der Eltern
sind maßgeblich von der Aufenthaltsgenehmigung beeinflusst. Besonders die hohe Unsicherheit einer Dul-
dung wirkt sich auch auf die Lebenssituation der Kinder aus.
• Noch im Jahr 2017 lebte ein Viertel der begleiteten asylsuchenden Minderjährigen in Gemeinschaftsunter-
künften, die häufig als nicht kindgerechte Umgebung eingestuft werden.
• Auch Asylsuchende mit einer guten Bleibeperspektive finden erst nach einiger Zeit eine Erwerbstätigkeit.
Daher ist ein Großteil der Eltern von asylsuchenden Minderjährigen bislang noch nicht erwerbstätig: Im Jahr
2017 gingen 21% der Eltern einer Erwerbstätigkeit nach.
• Ein Großteil der Kinder von Asylsuchenden ist von Armut bedroht, insbesondere Kinder von afghanischen
Asylsuchenden.
• 10% der Asylanträge von Minderjährigen wurden 2017 von unbegleitet eingereisten Minderjährigen gestellt.
• Im Jahr 2017 hatten rund 23% aller Inobhutnahmen eine unbegleitete Einreise aus dem Ausland zum Anlass
in 2018 waren es noch rund 11%.
• Die Mehrheit der in 2017 in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen war männlich und zwischen 14
und 17 Jahre alt.
• Der Aufenthaltsort der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen im Vorfeld der (vorläufigen) Inobhutnah-
me ist in den meisten Fällen unbekannt.
• Das Gros der Maßnahmen endete in der Einleitung einer stationären Hilfe im Rahmen der Hilfen zur Erzie-
hung bzw. in der Einleitung von ambulanten bzw. teilstationären Hilfen.
• Zwischen 2010 und 2016 ist die Fallzahl der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen in den Hilfen zur
Erziehung, vor allem in Heimen und sonstigen betreuten Wohnformen, deutlich gestiegen. Eine besonders
hohe Wachstumsdynamik ist für den Zeitraum zwischen 2014 und 2016 zu beobachten.
• Im Jahr 2016 wurden 20.854 Hilfen zur Erziehung für – vor allem männliche – unbegleitete ausländische
Minderjährige im Alter von 15 bis unter 18 Jahren gewährt. Im Jahr 2017 zeichnet sich ein rückläufiger Trend
für diese Gruppe an.
224
7 Kindheit und Jugend in Deutschland ist vielfältig – die soziale Herkunft ausschlaggebend: ein Resümee
Die Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und jun- die Lebenslagen stark durch die Zugehörigkeit zu einer
gen Erwachsenen in Deutschland sind seit Erscheinen nationalen Herkunftsgruppe geprägt. Insbesondere die
der ersten Kinder- und Jugendmigrationsreporte des vier in Deutschland stark vertretenen Zuwanderergrup-
Deutschen Jugendinstituts deutlich heterogener ge- pen der EU-Binnenmigranten, Asylsuchenden, Türkei-
worden: Hatten 2009 28% der unter 25-Jährigen einen stämmigen und Personen aus den Nachfolgestaaten
Migrationshintergrund, waren es 2017 über ein Drittel der Sowjetunion prägen die Bedingungen, in denen
dieser Altersgruppe. Besonders in den jüngeren Alters- Kinder aufwachsen. In den letzten Jahren ist die er-
kohorten stieg der Anteil an Kindern mit Migrations- höhte Zuwanderung primär durch EU-Binnenmigration
hintergrund überproportional an: Im Jahr 2017 hatten und Asylzuwanderung dominiert. Zudem migrieren im-
knapp 40% der unter 5-Jährigen einen Migrationshin- mer mehr jüngere Personen selbst nach Deutschland:
tergrund. Natürlich ist die Definition der Kategorie „Mi- Knapp die Hälfte der zwei Millionen Zugewanderten im
grationshintergrund“ entscheidend für das Ergebnis. Jahr 2015 war unter 25 Jahre alt. Sprachbarrieren und
Das Statistische Bundesamt klassifiziert alle Personen, kulturelle Anpassungsschwierigkeiten werden den in-
die selbst oder zumindest ein Elternteil nicht seit Ge- stitutionellen Alltag in Deutschland somit auch in den
burt die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, als nächsten Jahren deutlich prägen.
Personen mit Migrationshintergrund. Bei Kindern sind Neben diesen kulturellen Hintergrundfaktoren, die
hierbei auch die Großeltern eingeschlossen und somit junge Menschen mit Migrationshintergrund mitbringen,
kann über diese Klassifikation bei jungen Menschen ist die soziale Lage, in der sich die Familie befindet, am
ein Migrationshintergrund bis in die dritte Zuwanderer- prägendsten für die Lebenswelten, die sie vorfinden –
generation erfasst werden. Die Einteilung der Bevölke- unabhängig von einem potenziellen Migrationshinter-
rung in Personen mit und ohne Migrationshintergrund grund. Wenn Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
wird auch kritisch gesehen, da diese Kategorisierung mit Migrationshintergrund dieselben familiären Voraus-
eine Andersartigkeit unterstellt. Erst durch die Analyse setzungen vorfinden würden, wie unter 25-Jährige ohne
der Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen und jun- Migrationshintergrund, würden sie höchstwahrschein-
gen Erwachsenen mit und ohne Migrationshintergrund lich ähnliche Lebenswege aufweisen. Jedoch werden
können Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbar junge Menschen mit Migrationshintergrund überdurch-
gemacht und ungleiche Startbedingungen erkannt wer- schnittlich häufig in prekären Familienverhältnissen groß
den. Diesen gilt es politisch entgegenzuwirken, damit und daher bleiben ihnen sehr viele Chancen verwehrt.
alle jungen Menschen in Deutschland von Beginn an Gleichwertige Lebensverhältnisse und Chancen für jun-
dieselben Möglichkeiten vorfinden. ge Menschen mit Migrationshintergrund werden somit
Der vorliegende Report hat darstellen können, dass durch eine Politik der Angleichung der Lebensbedin-
es nicht die eine homogene Gruppe an jungen Men- gungen von sozial Benachteiligten erreicht.
schen mit Migrationshintergrund gibt. Je nach familiärer Bei der Analyse der Lebenslagen von Kindern, Ju-
sozialer Lage, Migrationsgeneration und familialer nati- gendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrations-
onaler Herkunft ergeben sich unterschiedliche Heraus- hintergrund muss immer beachtet werden, dass nur
forderungen und Lebenslagen. „Die“ jungen Menschen ein Bruchteil der unter 25-Jährigen selbst zugewandert
mit Migrationshintergrund gibt es nicht. Vielmehr sind ist. Somit lebt ein Großteil der jungen Menschen mit
225
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Migrationshintergrund bereits in der zweiten oder drit- der wohnräumlichen Agglomeration von Personen
ten Zuwanderergeneration in Deutschland. Herausfor- aus demselben Herkunftsland ergibt, führt zu seltenen
derungen wie das Erlernen einer neuen Sprache oder Gelegenheitsstrukturen für Kontakt zwischen jungen
das Zurechtfinden in einem neuen Bildungssystem, die Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. So-
Neuzugewanderte meistern müssen, treffen somit auf zialräumliche Segregation hat zudem nicht selten eine
die meisten unter 25-Jährigen mit Migrationshinter- einrichtungsbezogene Segregation in Kindertagesein-
grund nicht zu. Daher ist es noch verwunderlicher, dass richtungen oder Schulen zur Folge. Da residenzielle
viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund Segregation nicht ausschlaggebend entlang ethnischer
im deutschen Schulsystem nicht richtig Fuß gefasst ha- Grenzen verläuft, sondern durch die soziale Lage der
ben: So besuchen Kinder mit Migrationshintergrund im- Bevölkerung in bestimmten Stadtquartieren gekenn-
mer noch deutlich seltener ein Gymnasium als Gleich- zeichnet ist, kommen Kinder und Jugendliche mit
altrige ohne Migrationshintergrund. Auch zeigen sich Migrationshintergrund, die in segregierten Gebieten
relevante Unterschiede in den Kompetenzen am Ende leben, weder im Wohnumfeld noch in der besuchten
der Pflichtschulzeit sowie bei den Schulabschlüssen. Bildungseinrichtung mit Gleichaltrigen aus privilegier-
Der geringere schulische Erfolg setzt sich auch im wei- teren familialen Verhältnissen in Kontakt. Bei unbe-
teren Bildungs-und Berufsleben fort: Schülerinnen und gleiteten minderjährigen Asylsuchenden wird dieser
Schüler, welche die Schule mit einem niedrigen Schul- Kreislauf aufgrund der Unterbringung in Einrichtungen
abschluss verlassen, haben größere Schwierigkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe häufig unterbrochen. Es
der Berufsausbildung Fuß zu fassen und eine solche zeigte sich auch, dass unbegleitete Asylsuchende mit
erfolgreich abzuschließen. Der Weg an die Hochschule ihrer Unterbringung deutlich zufriedener waren als be-
bleibt diesen jungen Menschen somit meist verwehrt. gleitete Minderjährige, die mit ihren Familien zumindest
Auch hier können familiale sozioökonomische Hinter- zu Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland in Gemein-
grundfaktoren einen Großteil der Differenz erklären – schaftsunterkünften untergebracht waren. Dies zeigt,
nur für ein paar Zuwanderergruppen bleiben Nachteile dass neben dem Bildungssystem die Einrichtungen der
bestehen. Kinder- und Jugendhilfe ausgleichend auf die Lebens-
Um gleiche Teilnahmechancen für alle Kinder und bedingungen von Kindern, Jugendlichen und jungen
Jugendlichen im Bildungssystem unabhängig von Erwachsenen mit Migrationshintergrund einwirken kön-
einem möglichen Migrationshintergrund zu schaffen, nen.
müssen Maßnahmen zum Ausgleich sozialer Ungleich- Auch wenn die Zuwanderung von Asylsuchenden
heit deutlich stärker als in der Vergangenheit implemen- seit 2016 wieder deutlich abgenommen hat, werden
tiert werden. Damit allen Kindern von Anfang an die- auch in den kommenden Jahren immer mehr Kinder
selben Chancen offenstehen, ist ein möglichst früher von Asylsuchenden in das Bildungssystem eintreten,
Zugang zum Bildungssystem erforderlich, der soziale da viele Kinder erst in Deutschland geboren wurden.
Unterschiede durch die Bereitstellung gleichwertiger Zudem ist die Zuwanderung aus EU-Ländern weiter-
Möglichkeiten ausgleicht. Familien mit Migrations- hin steigend, sodass auch hier Neuzugewanderte unter
hintergrund wünschen sich deutlich häufiger für ihre 25 Jahren in das Bildungssystem eingebunden werden
Kinder einen Platz in Kindertageseinrichtungen. Damit müssen. Es gilt, Anpassungen im Bildungssystem wie
diejenigen Kinder, die manchmal erst mit dem Eintritt auch in der Kinder- und Jugendhilfe auf den Weg zu
in das Bildungssystem mit der deutschen Sprache in bringen, um auf die spezifischen Herausforderungen
Berührung kommen, so früh wie möglich gefördert wer- von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
den, müssen insbesondere Familien mit Migrationshin- mit Migrationshintergrund zu reagieren und nachteilige
tergrund bei der Platzvergabe unterstützt werden. Auch Startchancen auszugleichen.
der Ausbau des Ganztagsschulsystems in Kindertages- Zudem ist die Situation sowohl von neuzugewan-
einrichtungen bietet die Möglichkeit, ungleiche Aus- derten jungen Menschen als auch von in Deutschland
gangsbedingungen in den Familien auszugleichen. geborenen Kindern und Jugendlichen mit Migrations-
Ein prägender Faktor für die Lebenswelten von hintergrund weiterhin zu analysieren, um Fortschritte,
Kindern und Jugendlichen stellt die nähere Wohnum- aber auch Rückschritte in intergenerationalen Integrati-
gebung dar. Residenzielle Segregation, die sich aus onsprozessen sichtbar zu machen. Zwar stellen die neu
226
7 Kindheit und Jugend in Deutschland ist vielfältig – die soziale Herkunft ausschlaggebend: ein Resümee
227
Kinder- und Jugendmigrationsreport
8 Anhang
228
8 Anhang
Familienmitglied gefolgt (Familienzusammenführung)“. wurden viele der im Herbst 2015 zugezogenen Schutz-
Die letztgenannte Kategorie kann auch auf Asylsu- suchenden nachträglich erfasst (Statistisches Bundes-
chende zutreffen, die als solche somit nicht identifiziert amt 2017f). Zudem sind die Werte des Jahres 2016 auf-
werden können. Da seit der Einführung des Mikrozen- grund von methodischen und technischen Änderungen
susgesetzes ab 2017 lediglich Personen in Privathaus- der Erfassung nur bedingt mit den Vorjahreswerten ver-
halten befragt werden können, sind Asylsuchende, die gleichbar (Statistisches Bundesamt 2017f).
in Gemeinschaftsunterkünften leben, nicht in den Daten
erfasst (Statistisches Bundesamt 2018a). Somit kommt Ausländerstatistik/Ausländerzentralregister
es zu einer deutlichen Diskrepanz der Zahlen zu Aus- Die Ausländerstatistik basiert auf Auswertungen des
länderinnen und Ausländern auf Basis des Mikrozen- Ausländerzentralregisters (AZR) durch das Statistische
sus 2017 mit 9,4 Millionen Personen und den Daten des Bundesamt. Das Ausländerzentralregister wird vom
Ausländerzentralregisters mit 10,6 Millionen zum Ende Bundesverwaltungsamt (BVA) geführt, die Ausländerbe-
des Jahres 2017 (Statistisches Bundesamt 2018l). Aus hörden liefern die Daten zu allen Personen, die länger-
diesem Grund wird die Situation von geflüchteten Kin- fristig in Deutschland leben und keine deutsche Staats-
dern und Jugendlichen primär auf Basis spezifischer angehörigkeit haben, an das BVA. Das AZR hält somit
Datenquellen dargestellt (z.B. Ausländerzentralregister, Bestandsdaten vor, während die Asylgeschäftsstatistik
Asylgeschäftsstatistik). des BAMF die Zugänge in einem bestimmten Zeitraum
darstellt und somit eine Bewegungsgröße ist. Neben
A-1.2 Statistik zu Asylsuchenden Staatsangehörigkeit, Familienstand und Geschlecht
werden auch Aufenthaltsstatus, Aufenthaltstitel und
Asylgeschäftsstatistik Dauer des bisherigen Aufenthalts in Deutschland erfasst.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Auch im AZR wurden Nacherfassungen von Auslände-
führt eine Statistik zu allen Asylanträgen, Entschei- rinnen und Ausländern nach der starken Zuwanderung
dungen und Beständen. Nach Herkunftsland werden von Schutzsuchenden seit Herbst 2015 durchgeführt.
Zahlen zu gestellten Asylanträgen, der Art der Schutz- So ist zu beachten, dass die Ausländerzahlen korrekt
gewährung bei entschiedenen Verfahren und zu anhän- sind, jedoch die Veränderungen der Bestände zwischen
gigen Verfahren monatlich bereitgestellt. Da leidglich 2016 und 2017 bereits in den Jahren 2015/2016 ent-
die in einem bestimmten Zeitraum gestellten Asylanträ- halten sein müssten (Statistisches Bundesamt 2017b).
ge oder Entscheidungen dargestellt sind, kann nur aus- Wenn Ausländer ihren Schutzstatus verlieren, werden sie
gewiesen werden, wie viele Personen mit Schutzstatus in der Ausländerstatistik konsequenterweise nicht mehr
in diesem Zeitrahmen hinzugekommen sind und bietet als Schutzsuchende geführt. Der Schutzstatus besteht
nicht, im Gegensatz zum AZR, eine Datenbasis zu allen nicht mehr bei Ausreise (freiwillig/Abschiebung), bei Er-
in Deutschland aufhältigen Schutzsuchenden. werb eines anderen Aufenthaltstitels (z.B. zum Zweck
der Erwerbstätigkeit) oder durch Einbürgerung.
Wanderungsstatistik
Die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Wan- A-1.3 KJH-Statistik
derungsstatistik, basiert auf den Daten der Meldebe- Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik (KJH-Sta-
hörden und dokumentiert alle Zu- und Fortzüge über tistik) ist eine Bundesstatistik, die (zumeist) jährlich als
die Gemeinde- oder Bundesgrenzen mit Verlegung der Vollerhebung durchgeführt wird. Sie basiert auf den
Haupt- oder alleinigen Wohnung (Statistisches Bun- §§98-103 SGB VIII und erfasst wesentliche Leistun-
desamt 2017f). Der aufenthaltsrechtliche Status der gen und Aufgaben der Kinder-und Jugendhilfe. Dabei
Personen ist nicht vermerkt, sodass keine gesonder- hat sie den Auftrag „empirische Beiträge zu den Aus-
ten Analysen für Schutzsuchende durchgeführt werden wirkungen und zur Umsetzung des SGB VIII sowie zur
können. Die Staatsangehörigkeit, das Herkunftsland Fortentwicklung der kinder- und jugendhilferechtlichen
sowie Alter und Geschlecht werden erfasst. Für das Grundlagen zu leisten“ (Pothmann 2018, S. 1429). Ihre
Jahr 2015 müssen Ungenauigkeiten aufgrund des star- Ergebnisse dienen außerdem als Grundlage der Sozial-
ken Zuzugs von Geflüchteten durch Unter- bzw. Dop- berichterstattung sowie der Kinder- und Jugendhilfe-
pelerfassungen angenommen werden; im Januar 2016 forschung (Pothmann 2018).
229
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Die amtliche KJH-Statistik untergliedert sich in vier Be- Umgang mit der deutschen Sprache liefern – un-
reiche: bestritten eine notwendige Voraussetzung für gelin-
• Teil I: Erzieherische Hilfen und sonstige Hilfen gende Integrationsprozesse.
• Teil II: Maßnahmen der Jugendarbeit Die „Vorläufigen Schutzmaßnahmen“ – die in Kap. 5.1 des
• Teil III: Betreuung, Förderung und Einrichtungen Reports in den Blick genommen werden – werden seit
• Teil IV: Ausgaben und Einnahmen. 1995 jährlich im Erhebungsteil I bei öffentlichen und freien
Die Analysen zur Frühen Bildung in Kap. 4.1 des Kin- Trägern der Kinder- und Jugendhilfe erfasst. Die genaue
der- und Jugendmigrationsreports erfolgen auf der Basis Quellenangabe zu der Teilstatistik zu den Inobhutnahmen
des Erhebungsteils III.1 „Kinder und tätige Personen in lautet: „Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder-
Tageseinrichtungen“ sowie Teil III.3 „Kinder und tätige und Jugendhilfe – Statistik der vorläufigen Schutzmaß-
Personen in öffentlich geförderter Kindertagespflege“. nahmen - Teil I.“ Die Erfassung der Inobhutnahmen gem.
Diese Statistiken werden seit 2006 jährlich zum 1.3. des § 42 SGB VIII berücksichtigt Fragen zur Art und Form der
jeweiligen Jahres (bis 2008 zum 15.3.) erhoben. Aktuells- Maßnahme sowie zu persönlichen Merkmalen der betrof-
te Daten liegen aus dem Jahr 2018 vor. Erfasst werden fenen Kinder und Jugendlichen. Hierzu gehört eben auch
alle Kindertageseinrichtungen und Tagespflegepersonen der Migrationshintergrund, welcher durch die ausländi-
in Deutschland. In der Regel erfolgt die Beantwortung sche Herkunft mindestens eines Elternteils bedingt wird
des Fragebogens für die Kindertageseinrichtungen von sowie Alter, Geschlecht oder auch der Aufenthaltsort vor
der Einrichtungsleitung sowie für die Tagespflege von der Maßnahme. Darüber hinaus werden Angaben zu den
den zuständigen Jugendämtern. Erhoben werden unter Rahmenbedingungen der jeweiligen Schutzmaßnahme
anderem Angaben zu den Einrichtungen (Träger, ge- (Unterbringung während der Maßnahme, Initiierung und
nehmigte Plätze, Anzahl der Gruppen, Öffnungszeiten), Umstände der Maßnahme oder auch deren Beendigung)
zu dem Personal (Geschlecht, Alter, Stellung im Beruf, bei den Auskunftgebenden erhoben. Auskunftspflichtig
Arbeitsbereich, Beschäftigungsumfang, Qualifizierung) für die Erhebung sind aktuell die Jugendämter.
und zu den Kindern (Geschlecht, Alter, Art der Gruppe, Seit dem Erhebungsjahr 2017 werden neben den
Schulbesuch, Betreuungsumfang, Eingliederungshilfe, sogenannten regulären Inobhutnahmen nach § 42 SGB
ausländische Herkunft und Familiensprache). VIII ebenfalls die vorläufigen Inobhutnahmen nach §
Für die Auswertungen des Kap. 4 und Kap. 5 sind die 42a SGB VIII gesondert ausgewiesen.
Merkmale ausländische Herkunft und Familiensprache Bei der Erhebung handelt es sich nicht um eine
relevant. Sie werden folgendermaßen für jedes Kind er- „Personenstatistik“, sondern um eine „Maßnahmensta-
hoben: tistik“ oder auch „Fallzahlenstatistik“. Das hat zur Kon-
• Die ausländische Herkunft eines Elternteils: Anzu- sequenz, dass Kinder und Jugendliche innerhalb eines
geben ist hier im Rahmen einer „Ja-Nein-Abfrage“, Erhebungsjahres mehrmals über die Statistik erfasst
inwiefern ein Elternteil des jungen Menschen eine werden, wenn sie wiederholt im Erhebungsjahr in Ob-
ausländische Herkunft hat, also auf Migrations- hut genommen werden. Dies geschieht u.a. auch, wenn
erfahrung zurückblicken kann. Das Merkmal „aus- unbegleitete ausländische Minderjährige innerhalb
ländische Herkunft der Eltern“ hat nicht nur in der eines Jahres sowohl vorläufig als auch regulär in Ob-
amtlichen Statistik, sondern auch darüber hinaus in hut genommen werden. Somit ist die Zahl der in Obhut
der Bildungs- und Sozialberichterstattung (vgl. Au- genommenen Minderjährigen jeweils niedriger als das
torengruppe Bildungsberichterstattung 2018) eine über die Statistik ausgewiesene Fallzahlenvolumen.
zentrale Bedeutung als Indikator für das Merkmal Zu beachten ist bei der Betrachtung der Inobhut-
„Migrationshintergrund“ erlangt. nahmen laut KJH-Statistik im Zeitreihenverlauf, dass
• Die vorrangig in der Familie gesprochene Sprache: der Migrationshintergrund unterschiedlich erfasst wur-
Hierüber wird zwar nicht erhoben, welche Sprache de. In den Jahren 1995 bis 2013 wurde die Staats-
in der Familie überwiegend gesprochen wird, doch angehörigkeit erhoben. Verwendet wurde hierzu die
immerhin wird ebenfalls über eine „Ja-Nein-Abfra- Kategorie „deutsch/nichtdeutsch“. Seit 2014 wird zur
ge“ erfasst, inwiefern in der Familie überwiegend Bestimmung des Migrationshintergrundes die Kate-
deutsch oder nichtdeutsch gesprochen wird. Dieses gorie „mit ausländischer Herkunft mindestens eines
Merkmal kann Informationen über einen routinierten Elternteils“ mit den Ausprägungen „Ja“/“Nein“ heran-
230
8 Anhang
gezogen. Ausgewiesen wird der durch die Herkunft der A-1.4 Schulstatistik
Eltern bedingte Migrationshintergrund in den Tabellen- In der Statistik über allgemeinbildende Schulen (Fach-
bänden aufgrund eines Fehlers im Softwareprogramm serie 11 Reihe 1) (Statistisches Bundesamt 2018d) fasst
erst seit 2016. das Statistische Bundesamt die Ergebnisse der Schul-
Empirische Grundlage der Ausführungen zur Darstel- statistiken der einzelnen Bundesländer auf Grundlage
lung der Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfen zur des Schulartenkatalogs der Kultusministerkonferenz
Erziehung in Familien mit Migrationshintergrund in Kap. zusammen. Die Statistik enthält Informationen über
5.2 des Reports ist der Erhebungsteil I. In einem jährlichen Schulen, Klassen, Schülerinnen und Schüler, Absol-
Rhythmus werden in diesem Teilbereich die Hilfen zur Er- ventinnen und Absolventen bzw. Abgängerinnen und
ziehung (§§ 27ff. SGB VIII), die Hilfen für junge Volljährige Abgänger sowie Lehrkräfte. In einer Totalerhebung mel-
(§ 41 SGB VIII) und die Eingliederungshilfen bei einer (dro- den jährlich zu Beginn des Schuljahres öffentliche so-
henden) seelischen Behinderung (§ 35a SGB VIII) erhoben. wie private Ersatzschulen ihre Daten an die jeweiligen
Gezählt werden die zum Ende eines Jahres andauernden Bundesländer. In den Daten wird nach deutschen und
Hilfen (Stichtag 31.12.) sowie die im Laufe eines Jahres be- nichtdeutschen Schülerinnen und Schülern unterschie-
endeten Maßnahmen und die innerhalb eines Jahres be- den. Bei nichtdeutschen Schülerinnen und Schülern
gonnenen Hilfen. Auskunftgebende sind die Erziehungs- wird auch deren Staatsangehörigkeit erhoben.
beratungsstellen und Jugendämter. Es handelt sich dabei
um eine Fallzahlenstatistik, bei der in der i.d.R. pro Familie A-1.5 Sonderpädagogische Förderung in
als Hilfeempfangendem ein Fall gezählt wird. Das gilt i.d.R. Schulen
für alle Hilfearten. Ausnahme bilden die familienorientierten In der Statistik über Sonderpädagogische Förderung an
Hilfen; hierzu zählen die Sozialpädagogische Familienhilfe Schulen (Kultusministerkonferenz 2018) fasst die KMK
und die ambulanten sowie ergänzenden „27,2er-Hilfen“. im zweijährigem Turnus die Daten der Kultusministerien
Bei diesen beiden Hilfearten wird zusätzlich die Anzahl der einzelnen Bundesländer zusammen. Die Statistik
der von den Hilfen erreichten jungen Menschen erfasst. enthält die Anzahl an sonderpädagogisch geförderten
Erhoben werden in diesem Kontext jährlich Angaben zur Schülerinnen und Schüler in Förder- und Regelschulen
Lebenssituation der Hilfeempfangenden. Hierzu gehören nach Förderschwerpunkten, die Anzahl der Klassen
auch Merkmale, die auf einen Migrationshintergrund der und Lehrkräfte nach Förderschwerpunkten sowie die
Familien hinweisen, die genau wie in der Statistik zu der Absolventinnen und Absolventen bzw. Abgängerinnen
Kindertagesbetreuung erfasst werden. Darüber hinaus be- und Abgänger an Förder- und Regelschulen. Unter
inhaltet die Statistik zu den Hilfen zur Erziehung weitere den sonderpädagogisch geförderten Schülerinnen und
Erfassungsmerkmale, die nicht nur Informationen zu den Schülern werden deutsche und nichtdeutsche Schüle-
Hilfeempfangenden selbst, sondern auch zu der Ausge- rinnen und Schüler unterschieden. Allerdings wird für
staltung der Hilfen liefern. Die genaue Quellenangabe zu die Bundesländer Baden-Württemberg, Niedersach-
der Teilstatistik zu den Hilfen zur Erziehung lautet: „Statis- sen, Saarland und Sachsen-Anhalt nicht die Anzahl der
tisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhil- sonderpädagogisch geförderten nichtdeutschen Schü-
fe – Erzieherische Hilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe für junge lerinnen und Schülern an Regelschulen ausgewiesen.
Volljährige.“ In Kap. 5.2 werden die Hilfeempfangenden
unter der Perspektive des Migrationshintergrundes nach A-1.6 Berufsbildungsstatistik
Alter und Geschlecht sowie ihre wirtschaftliche Situation In der Berufsbildungsstatistik (Fachserie 11 Reihe 3)
abgebildet in Form des Transferleistungsbezugs der Fami- (Statistisches Bundesamt 2018c) fasst das Statistische
lien, die erzieherische Hilfen erhalten, betrachtet. Mit Blick Bundesamt die Ergebnisse aus den Bundesländern zu-
auf Informationen zu den Hilfen selbst werden die anre- sammen. Die Statistik umfasst eine jährliche Vollerhe-
genden Personen bzw. Institutionen, die Hauptgründe für bung zum 31. Dezember an den für Berufsausbildung im
die Hilfegewährung sowie die Dauer, die nachfolgende Hil- dualen System zuständigen Stellen (Kammern). Erfasst
fe, der anschließende Aufenthalt sowie die Beendigungs- werden Jugendliche mit Ausbildungsvertrag, die zum
gründe in die Betrachtung einbezogen (ausführlich zu den Stichtag eine Ausbildung im dualen System absolvieren,
Hilfen zur Erziehung im Rahmen amtliche KJH-Statistik die im Berichtszeitraum (Kalenderjahr) ein Ausbildungs-
vgl. Fendrich u.a. 2018, S. 82ff.). verhältnis angetreten bzw. vorzeitig gelöst haben oder
231
Kinder- und Jugendmigrationsreport
232
8 Anhang
lich Migranten aus der EU. Die Ankerpersonen aus M1 befragung erhoben. Als Befragungsperson werden nur
sind zwischen 1995 und 2010 nach Deutschland mig- erziehungsberechtigte biologische oder soziale Eltern-
riert und aus M2 zwischen 2009 und 2013. Der Haus- teile des Zielkindes ausgewählt. Kinder und Jugendli-
halts- und Personenfragebogen wurde übersetzt in che ab der 3. Klasse werden zusätzlich selbst befragt.
Englisch, Russisch, Türkisch, Rumänisch und Polnisch. Für Befragungspersonen die nicht über ausreichende
Die Übersetzungen wurden bei Sprachproblemen wäh- Deutschkenntnisse für die Beantwortung der Fragen
rend den persönlichen Interviews als Hilfe eingesetzt verfügen, gibt es eine Übersetzung in türkischer und
(Glemser/TNS Infratest Sozialforschung 2018). russischer Sprache. Neben der Befragung der Ziel-
bzw. Auskunftsperson finden zusätzliche Befragungen
SOEP M3-M5 (IAB-BAMF-SOEP) der Erzieherinnen und Erzieher bzw. Lehrerinnen und
Die Ziehung der Teilstichproben M3-M5 erfolgte über Lehrer sowie der Einrichtungsleitung statt. Des Weite-
das Ausländerzentralregister (AZR). Die Ankerpersonen ren werden bei den Zielpersonen Tests zur Kompetenz-
wurden zufällig ausgewählt und anschließend der ge- messung durchgeführt.
samte Haushalt erhoben. Die Stichproben beinhalten Zuwanderungsstatus und Herkunftsgruppe:
Asylbewerberinnen und –bewerber, die noch im Ver- Die zentralen Variablen zur Bestimmung des Migrations-
fahren befindlich sind, Personen mit Schutzstatus und status der Kinder und Jugendlichen im Nationalen Bil-
abgelehnte Asylbewerber, die sich in Duldung befinden. dungspanel (NEPS) sind das Geburtsland der Kinder
Aufgrund der Anlage als Panelstudie wurden Personen bzw. Jugendlichen, das Geburtsland ihrer Eltern und das
mit einer „günstigen Bleibeperspektive“ überpropor- Geburtsland ihrer Großeltern. Anhand dieser Angaben
tional gezogen. Die erste Befragungswelle für M3 und liegen differenzierte Informationen zum Generationen-
M4 fand 2016 statt, M5 wurde im Jahr 2017 erstmalig status der Kinder und Jugendlichen vor. Im NEPS wird
erhoben. Bei der Teilstichprobe M3 lag der Fokus auf dabei unterschieden, ob die Kinder und Jugendlichen
Asylsuchenden, die zwischen Januar 2013 und Januar selbst in Deutschland geboren sind, mit welchem Al-
2016 nach Deutschland gekommen sind und bei M4 ter sie eingereist sind und wie viele der Elternteile bzw.
auf Familien mit minderjährigen Kindern. M5 umfasst Großelternteile in Deutschland bzw. im Ausland geboren
Asylsuchende, die im Jahr 2016 nach Deutschland ein- wurden. Aufgrund dieser vielschichtigen Informationen
gereist sind (Brücker u.a. 2017; Kroh 2017). können die Kinder und Jugendlichen bis in die 3. Zu-
wanderungsgeneration betrachtet werden.
A-2.2 Nationales Bildungspanel (NEPS) Neben dem Zuwanderungsstatus liegen in den
Diese Arbeit nutzt Daten des Nationalen Bildungspa- NEPS Daten zusätzlich Informationen zum Herkunfts-
nels (NEPS): Startkohorte Neugeborene, doi:10.5157/ land der Zielpersonen vor. Die Angaben zur Generie-
NEPS:SC1:6.0.0. Die Daten des NEPS wurden von 2008 rung der Variablen für den Generationenstatus und der
bis 2013 als Teil des Rahmenprogramms zur Förderung Herkunftslandgruppen basieren bei den Kindern vor
der empirischen Bildungsforschung erhoben, welches der dritten Klasse auf den Aussagen der Elternbefra-
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gung und danach auf denen der Schülerbefragung (zur
(BMBF) finanziert wurde. Seit 2014 wird NEPS vom Leib- Kontrolle die der Elternbefragung).81
niz-Institut für Bildungsverläufe e.V. (LIfBi) an der Otto-
Friedrich-Universität Bamberg in Kooperation mit einem SC1 (Neugeborene) Welle 1-5 (2012–2016)
deutschlandweiten Netzwerk weitergeführt. Die Startkohorte 1 der Neugeborenen umfasst fünf Wel-
Das Nationale Bildungspanel (National Educatio- len in den Jahren 2012 bis 2016. Die Längsschnitterhe-
nal Panel Study, NEPS)(Blossfeld u.a. 2011) basiert bung hat mit Neugeborenen im Alter von sieben Monaten
auf einem Multikohorten-Sequenz-Design. Die für den begonnen. Es wurde jeweils eine Erhebung von Kompe-
Migrationsreport verwendeten Daten stammen aus der tenz- und Beobachtungsmaßen sowie eine Elternbefra-
Startkohorte 1 (Neugeborene). Die Erhebung der Daten gung durchgeführt. Die in den Analysen berücksichtigten
wird mit Hilfe von schriftlichen Befragungen (PAPI) und
computergestützten Telefoninterviews (CATI) durchge- 81 Für eine genauere Beschreibung der Generierung des Generationen-
status im NEPS kann „Personen mit Zuwanderungshintergrund im
führt. Bei Zielpersonen, welche noch nicht in die Schule NEPS: Zur Bestimmung von Generationenstatus und Herkunftsgrup-
gehen, werden die Informationen anhand einer Eltern- pe“ von Olczyk u.a. 2014 herangezogen werden.
233
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Daten aus Welle 4 und Welle 5 beruhen ausschließlich Ausland geborenen Elternteil“ ausgewiesen, die sowohl
auf den Informationen der Elternbefragung. in Deutschland als auch im Ausland geborene Kinder um-
fasst. Die Kategorie „zweite Generation“ beinhaltet somit
A-2.3 KiBS, Welle 6 (2017) nur Kinder der zweiten Generation mit beidseitigem Mig-
Die Kinderbetreuungsstudie (KiBS) ist eine jährliche, bun- rationshintergrund. Kinder mit einseitigem Migrationshin-
deslandrepräsentative Elternbefragung zu den Themen tergrund der zweiten Generation finden sich in der Kate-
Inanspruchnahme von Kindertageseinrichtungen oder gorie „mit einem im Ausland geborenen Elternteil“ wider,
Kindertagespflege sowie Betreuungssituation und Betreu- die auch Kinder der ersten Generation umfassen kann.
ungsbedarfe. Die Studie wird vom Deutschen Jugendins-
titut (DJI) im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, A-2.5 Neuzuwandererstudie
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) durchgeführt. Das Projekt „Neu zugewanderte Jugendliche an allge-
Im Jahr 2017 wurden in allen Bundesländern circa meinbildenden Schulen“ wird von Ende 2016 bis Ende
37.000 Eltern von Kindern unter 15 Jahren zu den ge- 2019 durch das Deutsche Jugendinstitut durchgeführt.
nannten Themen befragt. Die Erhebung der Daten findet Gegenstand ist die Situation neuzugewanderter Ju-
mit Hilfe von CATI, PAPI und CAWI Interviews statt. Die gendlicher an Schulen in Deutschland. Unter Neuzuge-
Anzahl der befragten Eltern ist in jedem Bundesland, un- wanderten werden dabei Jugendliche verstanden, die
abhängig von der Größe des Bundeslands, gleich. Die innerhalb der letzten drei Jahre nach Deutschland einge-
jüngste Altersgruppe, die die Kinder im Alter von unter wandert sind und zu diesem Zeitpunkt über keine oder
einem Jahr umfasst, wird jährlich neu gezogen. Die äl- nur geringe Deutschkenntnisse verfügten. Dazu wurden
teren Kinder werden als Panelbefragung weitergeführt. Schulleitungen aus 571 weiterführenden Schulen aus vier
Neben den Angaben zur Betreuung des Zielkindes wer- Bundesländern befragt, unter anderem über die Anzahl,
den auch Informationen zur Erwerbstätigkeit der Eltern das Alter und die Herkunft der in den Schulen aufgenom-
und der Haushaltszusammensetzung erhoben. Zur Be- menen Neuzugewanderten, deren Unterrichts- und Un-
stimmung des Migrationshintergrundes liegen Informa- terstützungsformen sowie bestehende Unterstützungs-
tionen über das Geburtsland des Kindes und der Eltern bedarfe der Schulen. Außerdem wurden aus 67 dieser
sowie die gesprochene Sprache im Haushalt vor. An- Schulen insgesamt 694 Neuzugewanderte befragt: The-
hand dieser Daten kann der Migrationshintergrund bis men waren unter anderem ihre Unterrichts- und Unter-
zur zweiten Generation abgebildet werden. stützungsformen, Schulmotivation, Wohlbefinden in der
Schule sowie ihre zukünftigen Bildungspläne. Unter den
A-2.4 IQB-Bildungstrends Neuzugewanderten wurde dabei auch das jeweilige Ge-
Ziel der Bildungstrendstudien ist es, festzustellen, inwie- burtsland sowie die Geburtsländer ihrer Eltern erhoben.
weit Schülerinnen und Schüler in Deutschland die für alle
Länder verbindlichen Bildungsstandards erreichen und A-2.6 AID:A 2015
in welchen Bereichen Steuerungsbedarf besteht. Die AID:A 2015 ist die zweite Welle einer repräsentativen
entsprechenden Erhebungen finden im Bereich der Pri- Panel-Befragung von Kindern, Jugendlichen und jungen
marstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik alle Erwachsen im Alter von 0 bis 32 Jahren in Deutschland
fünf Jahre, im Bereich der Sekundarstufe I alternierend in und wurde in den Jahren 2013–2015 durchgeführt (Wal-
den Fächergruppen Deutsch, Englisch und Französisch per u.a. 2015). Unter Erwachsenen wurden monatsge-
einerseits sowie Mathematik, Biologie, Chemie und Phy- naue Informationen (sogenannte „Episodenabfragen“)
sik andererseits alle drei Jahre statt. In den letzten Er- über deren weitere (Aus-)Bildungs- sowie Berufswege
hebungen der 4. sowie 9. Jahrgangsstufe in den Jahren nach erstmaligem Verlassen des Schulsystems bis zum
2015 und 2016 haben jeweils circa 33.000 Schülerinnen Zeitpunkt der Befragung erfasst. Der Migrationshinter-
und Schüler aus circa 1.500 Schulen teilgenommen. Der grund wurde auf vielfältige Weise erfasst: zentral für den
Migrationshintergrund wird bis zur zweiten Generation Report waren die Geburtsländer der Befragten, deren
abgebildet. Im Gegensatz zu der Kategorisierung der Eltern und Großeltern. Dadurch kann der Migrations-
Migrationsgenerationen des NEPS wird in den IQB-Bil- hintergrund bis in die 3. Generation festgestellt werden.
dungstrends neben der ersten und zweiten Generation die Befragte mit Migrationshintergrund können auch einem
Zusatzgruppe „Schülerinnen und Schüler mit einem im oder mehreren Herkunftsländern zugeordnet werden.
234
8 Anhang
A-3 Sample-Deskription
A-3.1 SOEP
- : Keine Angabe, da Zahlenwert zu klein
/ : kein Wert vorhanden
Haushaltsfragebogen (0 - u. 9 -Jährige)
2. Generation 2. Generation
1. Generation 3. Generation
beidseitig einseitig
n in % n in % n in % n in %
EU-15 - 22,5 34 4,5 58 11,6 129 33,0
EU-Ost - 24,5 97 12,7 264 52,8 70 17,9
Polen - 18,4 64 8,4 30 6,0 27 6,9
Türkei - - 63 8,3 18 3,6 43 11,0
sonst. Europa / / 98 12,8 15 3,0 26 6,6
ehem. SU - - 267 35,0 61 12,2 - -
Naher/Mittl. Osten - - 68 9,0 / / - -
sonst. Länder - - 73 9,6 54 10,8 28 7,1
kein Land - - 50 12,8
zuweisbar
235
Kinder- und Jugendmigrationsreport
236
8 Anhang
Tab. A-5: SOEP-Sample Schülerinnen und Schüler Fragebogen (11 bis 12 Jahre)
237
Kinder- und Jugendmigrationsreport
A-3.2 KiBS
238
8 Anhang
unter 6 J.
2. Generation
1. Generation 2. Generation einseitig
beidseitig
n in % n in % n in %
EU-15 52 21,1 115 8,0 438 19,4
EU-Ost 16 - 136 9,4 199 8,8
Polen - - 114 7,9 261 11,5
Türkei - - 85 5,9 124 5,5
sonst. Europa 30 12,2 41 2,9 123 5,5
ehem. SU - - 401 27,8 310 13,7
Naher/Mittl. Osten 56 22,7 205 14,2 108 4,8
sonst. Länder 64 25,9 344 23,9 677 30,0
kein Land zuweisbar - - 16 0,7
6 bis unter 14 J.
2. Generation
1. Generation 2. Generation einseitig
beidseitig
n in % n in % n in %
EU-15 85 21,5 55 7,1 295 20,8
EU-Ost 38 9,6 37 4,8 141 9,9
Polen 18 4,6 79 10,3 159 11,2
Türkei - - 105 13,6 96 6,8
sonst. Europa 34 8,6 21 2,7 98 6,9
ehem. SU 26 6,6 264 34,3 150 10,6
Naher/Mittl. Osten 73 18,5 64 8,3 55 3,9
sonst. Länder 112 28,4 145 18,8 413 29,1
kein Land zuweisbar - - - -
239
Kinder- und Jugendmigrationsreport
A-3.3 NEPS
240
8 Anhang
SC1 Welle 4
2.Generation 2. Generation
1. Generation 3. Generation
beidseitig einseitig
n in % n in % n in % n in %
EU-15 - - 18 6,5 52 13,9 34 28,8
EU-Ost / / 24 8,6 29 7,8 - -
Polen - - 33 11,9 69 18,5 - -
Türkei / / 26 9,4 35 9,4 36 30,5
sonst. Europa - - 33 11,9 38 10,2 15 12,7
ehem. SU / / 87 31,3 60 16,0 - -
Naher/Mittl. Osten / / 23 8,3 16 4,3 - -
sonst. Länder / / 34 12,2 75 20,1 - -
SC1 Welle 5
2.Generation 2. Generation
1. Generation 3. Generation
beidseitig einseitig
n in % n in % n in % n in %
241
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Tab. A-12: Kinder in Kindertagesbetreuung nach Altersgruppen und Bundesländern 2018 (absolut)
242
8 Anhang
Tab. A-15: Minderjährige in allen regulären Inobhutnahmen und in der Bevölkerung in den Bundesländern
2017 (absolut)
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Mikrozensus 2017, Zusammenstellung und Be-
rechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
243
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Tab. A-16: Reguläre Inobhutnahmen Minderjähriger nach Migrationshintergrund und Bundesländern 2017
(absolut)
reguläre ION
reguläre ION insg. Migrationshintergrund Reguläre ION ohne Migrationshintergund vorläufige ION UMA
Maßnahme wurde angeregt durch Insgesamt
Kind/Jugendlichen selbst 7.822 3.010 4.812 2.582
Eltern/Elternteil 3.720 995 2.725 37
soziale Dienste/Jugendamt 31.542 19.503 12.039 4.081
Polizei/Ordnungsbehörde 4.915 2.247 2.668 3.857
Lehrer/-in, Erzieher/-in 338 161 177 7
Arzt/Ärztin 498 162 336 10
Nachbarn/Verwandte 311 102 209 158
sonstige 1.136 520 616 369
Gesamt 50.282 26.700 23.582 11.101
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017, Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
244
8 Anhang
Tab. A-18: Dauer von Inobhutnahmen (ION) nach Art der Inobhutnahme und Migrationshintergrund 2017
(absolut)
Insgesamt 1 Tag 2 Tage 3 Tage 4 Tage 5 Tage 6 Tage 7–15 Tage 15–30 Tage 30–90 Tage 90 und mehr Tage
Insgesamt 50.282 4.835 4.804 2.700 2.060 1.661 1.365 6.688 6.278 10.446 9.445
Migrationshintergrund insg. 26.700 2.174 2.310 1.286 1.043 799 648 3.102 3.062 5.575 6.701
reguläre ION Migrationshintergrund 15.309 1.791 1.967 1.097 903 675 519 2.297 1.861 2.693 1.506
UMA 11.391 383 343 189 140 124 129 805 1.201 2.882 5.195
ohne Migrationshintergrund 23.582 2.661 2.494 1.414 1.017 862 717 3.586 3.216 4.871 2.744
vorläufige ION 11.101 770 1.361 837 638 484 369 1.688 2.667 1.461 826
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017, Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Tab. A-19: Aufenthalt und Hilfe nach der regulären Inobhutnahme (ION) nach Migrationshintergrund 2017
(absolut, Mehrfachnennungen)
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
245
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Tab. A-20: Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige in den Bundesländern 2017
(begonnene Hilfen; absolut)
HzE (ohne
Erziehungsberatung Erziehungsberatung)
Baden-Württemberg 39.564 21.200
Bayern 41.198 19.795
Berlin 14.692 9.093
Brandenburg 9.158 7.149
Bremen 1.552 3.275
Hamburg 4.536 9.044
Hessen 21.216 10.521
Mecklenburg-Vorpommern 3.023 4.994
Niedersachsen 31.558 19.407
Nordrhein-Westfalen 80.488 49.495
Rheinland-Pfalz 14.864 10.546
Saarland 1.947 2.758
Sachsen 17.205 8.219
Sachsen-Anhalt 7.751 5.428
Schleswig-Holstein 16.597 7.186
Thüringen 8.907 4.212
Deutschland 314.256 192.322
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017, Zusammenstellung und Berechnung der Arbeits-
stelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
246
8 Anhang
Tab. A-21: Junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach
Altersgruppen und Geschlecht 2011–2017 (begonnene Hilfen; absolut)
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kinder- und Jugendhilfestatistik 2011, 2014, 2017, Zusammenstellung und Berechnung
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Tab. A-22: Hilfen zur Erziehung (ohne Erziehungsberatung), Erziehungsberatung sowie ausgewählte
„ASD-Hilfen“ einschl. der Hilfen für junge Volljährige“ nach Migrationshintergrund (Herkunft und Sprache)
insgesamt und mit Transferleistungsbezug in Deutschland 2017 (begonnene Hilfen; absolut)
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017, Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle
Kinder- und Jugendhilfestatistik.
247
Kinder- und Jugendmigrationsreport
A-4 Regressionstabellen
Tab. A-23: Regressionsmodelle über die Dauer bis zum Beginn einer Erwerbstätigkeit nach
Ausbildungsabschluss
Unabhängige Variablen OR SE
Monate seit Abschluss
Bis 1 Monat 3.60 *** (1.12)
2-12 Monate 0.03 *** (0.01)
13-24 Monate 0.01 *** (0.00)
Weibliches Geschlecht 0.98 (0.04)
Migrationshintergrund
Ohne Migrationshintergrund
(Referenzkategorie)
1. Generation 0.84 (0.20)
2. Generation beidseitig 0.87 (0.16)
2. Generation einseitig 0.82 (0.19)
3. Generation 0.74 (0.17)
Herkunftsländer
Deutschland
(Referenzkategorie)
EU-15 1.37 (0.31)
EU-Osterweiterung sowie 1.41 (0.32)
sonstiges Europa
Polen 1.27 (0.29)
Länder der ehemaligen Sowjetunion 1.30 (0.30)
Sonstige Länder 1.12 (0.28)
Mehrere Länder 1.19 (0.36)
Schulabschluss
Kein oder sonstiger Schulabschluss
(Referenzkategorie)
Hauptschulabschluss 1.96 * (0.60)
mittlerer Abschluss 1.90 * (0.59)
(Fach-)Abitur 1.56 (0.49)
Bildungsherkunft
Niedrig
(Referenzkategorie)
Mittel 1.03 (0.06)
Gehoben 0.98 (0.07)
Hoch 0.88 (0.09)
Anzahl Fälle 3529
248
8 Anhang
Tab. A-24: Regressionsmodelle über die Dauer bis zum Beginn einer Erwerbstätigkeit nach letztem
Studienabschluss
Unabhängige Variablen OR SE
Monate seit Studienabschluss
bis 1 Monat 4.09 *** (0.64)
2-3 Monate 0.03 *** (0.01)
4-12 Monate 0.04 *** (0.01)
13-24 Monate 0.01 *** (0.00)
Weibliches Geschlecht 1.01 (0.07)
Migrationshintergrund
Ohne Migrationshintergrund
(Referenzkategorie)
1. Generation 0.68 (0.26)
2. Generation beidseitig 0.40 * (0.15)
2. Generation einseitig 0.39 * (0.14)
3. Generation 0.67 (0.25)
Herkunftsländer
Deutschland
(Referenzkategorie)
EU-15 1.63 (0.62)
EU-Osterweiterung sowie 1.62 (0.62)
sonstiges Europa
Polen 1.29 (0.51)
Länder der ehemaligen Sowjetunion 1.88 (0.72)
Sonstige Länder 2.84 ** (1.07)
Mehrere Länder 1.44 (0.71)
Bildungsherkunft
Niedrig
(Referenzkategorie)
Mittel 1.04 (0.15)
Gehoben 0.82 (0.13)
Hoch 0.76 (0.12)
Art des Hochschulabschlusses
Bachelor
(Referenzkategorie)
Master 1.58 *** (0.13)
Sonstiger Studienabschluss 1.68 *** (0.13)
Anzahl Fälle 2623
249
Kinder- und Jugendmigrationsreport
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Ergebnisse des Mikrozensus 2014. In: Fachserie 1 Reihe 2.2. Wiesbaden
Statistisches Bundesamt (2016): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Vorläufige Wanderungsergebnisse 2015.
Wiesbaden
Statistisches Bundesamt (2017a): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund –
Ergebnisse des Mikrozensus 2016. In: Fachserie 1 Reihe 2.2. Wiesbaden
Statistisches Bundesamt (2017b): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Ausländische Bevölkerung – Ergebnisse
des Ausländerzentralregisters 2016. In: Fachserie 1 Reihe 2. Wiesbaden
Statistisches Bundesamt (2017c): Bildung und Kultur. Integrierte Ausbildungsberichterstattung 2016. Wiesbaden
Statistisches Bundesamt (2017d): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund -
Ergebnisse des Mikrozensus 2009. In: Fachserie 1 Reihe 2.2. Wiesbaden
262
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Statistisches Bundesamt (2018c): Bildung und Kultur. Berufliche Bildung 2017. In: Fachserie 11 Reihe 3.
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Statistisches Bundesamt (2018e): Bildung und Kultur. Berufliche Schulen Schuljahr 2017/2018. In:
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Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-1: Unter 25-Jährige mit Migrationshintergrund nach Alterskohorten 2009, 2017 (in %)................................................ 11
Abb. 2-2: Entwicklung der Generationenzugehörigkeit von unter 25-Jährigen 2009, 2017 (in %)............................................. 11
Abb. 2-3: Generationszugehörigkeit bei unter 25-Jährigen nach Alter 2017 (in %)................................................................... 12
Abb. 2-4: Unter 25-Jährige mit Migrationshintergrund in den Bundesländern 2017 (in %)........................................................ 13
Abb. 2-5: Zu- und Fortzüge von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit 1956–2017 (Anzahl)................................... 17
Abb. 2-6: Wanderungssaldo von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit nach Alter 2000–2017 (absolut, in %)...... 20
Abb. 2-7: Zuwanderung nach Herkunftslandgruppen auf Basis der Wanderungsstatistik und Anteil der
EU-Binnenmigration 2010–2017 (Anzahl)................................................................................................................... 22
Abb. 2-8: Familiale nationale Herkunft von unter 25-Jährigen mit Migrationshintergrund 2017 (absolut, in %)........................ 23
Abb. 2-9: Unter 25-Jährige mit Migrationshintergrund nach familialer nationaler Herkunft 2009, 2017 (in %) ......................... 23
Abb. 2-10: Familiale nationale Herkunft von unter 25-Jährigen mit Migrationshintergrund in West- und
Ostdeutschland 2017 (in %)........................................................................................................................................ 24
Abb. 2-11: Wanderungssaldo nach EU-Ländern und Alter 2017 (absolut)................................................................................... 24
Abb. 2-12: Unter 25-Jährige mit Migrationshintergrund aus EU-Ländern 2009, 2017 (in %)....................................................... 25
Abb. 2-13: Unter 25-Jährige aus EU-Ländern nach Alter 2017 (absolut)..................................................................................... 25
Abb. 2-14: Unter 25-Jährige aus EU-Ländern nach Migrationsgenerationen und familialer nationaler Herkunft 2017
(absolut, in %)............................................................................................................................................................. 26
Abb. 2-15: Unter 25-Jährige aus Hauptasylherkunftsländern 2009, 2017 (in %)......................................................................... 26
Abb. 2-16: Unter 25-Jährige aus Hauptasylherkunftsländern nach Migrationsgenerationen 2017 (absolut, in %)...................... 27
Abb. 2-17: Unter 25-jährige Türkeistämmige nach Migrationsgenerationen und Alter 2017 (absolut)......................................... 28
Abb. 2-18: Unter 25-jährige Türkeistämmige nach Alter 2009, 2017 (absolut)............................................................................. 29
Abb. 2-19: Unter 25-Jährige aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Migrationsgenerationen 2017 (absolut, in%)...... 30
Abb. 2-20: Unter 25-Jährige aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Herkunftsländern 2009, 2017 (in %)................... 31
Abb. 2-21: Anteil der 3- bis unter 6-Jährigen mit nichtdeutscher Familiensprache an allen Kindern in
Kindertageseinrichtungen nach Jugendamtsbezirken 2017 (in %)............................................................................. 35
Abb. 2-22: Deutsche Sprachpraxis in Haushalten mit Kindern unter 25 Jahren nach Migrationsgenerationen 2017 (in %)....... 36
Abb. 2-23: Deutsche Sprachpraxis in Haushalten mit Kindern unter 25 Jahren nach Alter und Migrationsgeneration 2017
(in %)........................................................................................................................................................................... 37
Abb. 2-24: Deutsche Sprachpraxis in der Familie nach familialer nationaler Herkunft und Migrationsgeneration 2017 (in %)... 38
Abb. 2-25: Unter 25-Jährige mit geringem elterlichen Bildungsstand (ISCED<3) nach Migrationsgenerationen 2017 (in %)..... 39
Abb. 2-27: Unter 25-Jährige mit erwerbslosen Eltern nach Migrationsgenerationen 2017 (in %)............................................... 40
Abb. 2-26: Unter 25-Jährige mit geringem elterlichen Bildungsstand (ISCED<3) nach familialer nationaler Herkunft 2017
(in %).......................................................................................................................................................40
Abb. 2-28: Unter 25-Jährige mit erwerbslosen Eltern nach familialer nationaler Herkunft 2017 (in %)....................................... 41
Abb. 2-29: Armutsgefährdungsquote bei unter 25-Jährigen nach Migrationsgenerationen und Alter 2017 (in %)...................... 42
Abb. 2-30: Armutsgefährdungsquote bei unter 25-Jährigen nach familialer nationaler Herkunft 2017 (in %) ............................ 42
Abb. 2-31: Unter 25-Jährige in drei Risikolagen nach Migrationsgenerationen 2017 (in %)........................................................ 43
266
8 Anhang
Abb. 2-32: Unter 25-Jährige in Risikolagen nach familialer nationaler Herkunft 2017 (in %)....................................................... 43
Abb. 3-1: Familiale Lebensform nach Migrationshintergrund und Altersgruppen 2017 (in %)................................................... 51
Abb. 3-2: Anzahl an Geschwistern nach Migrationsstatus 2017 (in %)...................................................................................... 51
Abb. 3-3: Familien mit Kindern unter 25 Jahren nach Migrationsstatus und Gemeindegrößenklasse 2017 (in %)................... 52
Abb. 3-4: Minderjährige Kinder und Jugendliche nach Migrationsstatus und Anzahl der Wohneinheiten im
Wohngebäude 2014 (in %).......................................................................................................................................... 53
Abb. 3-5: Vorhandensein eines eigenen Zimmers nach Migrationsgenerationen (in %)............................................................ 54
Abb. 3-6: Betreuung der unter 6-Jährigen nach Migrationsstatus 2017 (in%)........................................................................... 57
Abb. 3-7: Vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten der Nutzung einer Kindertagesbetreuung von unter 4-Jährigen nach
Migrationsgenerationen (in %).................................................................................................................................... 58
Abb. 3-8: Vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten der Nutzung einer Kindertagesbetreuung von unter 4-Jährigen Kindern
nach Alter und familialer nationaler Herkunft 2017 ( in%)........................................................................................... 59
Abb. 3-9: Vorlesehäufigkeit nach familialer nationaler Herkunft 2015 (in %).............................................................................. 60
Abb. 3-10: Teilnahme an außerhäuslichen Angeboten von Kindern nach Migrationsgenerationen (in %)................................... 61
Abb. 3-11: Vorhergesagte Wahrscheinlichkeit des Besuchs einer außerhäuslichen Aktivität von Kindern nach
Migrationsstatus (in %)............................................................................................................................................... 62
Abb. 3-12: Regelmäßige gemeinsame Aktivitäten mit Kindern nach Migrationsgenerationen (in %).......................................... 63
Abb. 3-13: Regelmäßige Betreuung durch die Großeltern oder Geschwister von Schulkindern nach Alter und
Migrationsgenerationen (in %).................................................................................................................................... 64
Abb. 3-14: Institutionelle Betreuung von 6- bis unter 14-jährigen Kindern nach Alter und Migrationsgenerationen (in %)......... 64
Abb. 3-15: Gründe für die Nichtnutzung von institutioneller Betreuung bei 6- bis unter 14-Jährigen nach Migrationsstatus (in %)..... 65
Abb. 3-16: Verfügbarkeit von bildungsunterstützenden Ressourcen bei 11- bis 12-Jährigen nach Migrationsgenerationen (in %)..... 66
Abb. 3-17: Akteure, die „oft-immer“ bei den Hausaufgaben helfen, nach Migrationsgenerationen (in %).................................. 67
Abb. 3-18: Überwachender Erziehungsstil (Monitoring) nach familialer nationaler Herkunft (in %)............................................. 70
Abb. 3-19: Erziehungsziel Gehorsam nach Migrationsgenerationen (in %).................................................................................. 70
Abb. 3-20: Häufiger Kirchgang oder Besuch von religiösen Veranstaltungen bei Jugendlichen nach familialer nationaler
Herkunft und Geschlecht (in %).................................................................................................................................. 73
Abb. 3-21: Wichtigkeit der Familienmitglieder bei Jugendlichen nach Migrationsgenerationen (in %)........................................ 74
Abb. 3-22: Wichtigkeit des Vaters bei Jugendlichen nach familialer nationaler Herkunft und Geschlecht (in %)........................ 75
Abb. 3-23: Wichtigkeit der Mutter bei Jugendlichen nach familialer nationaler Herkunft und Geschlecht (in %)........................ 75
Abb. 3-24: Die fünf beliebtesten täglichen Freizeitaktivitäten nach Migrationshintergrund (11- bis 12-Jährige, in %)................ 79
Abb. 3-25: Gemeinsame Unternehmungen mit der Familie in der Freizeit nach Migrationshintergrund und Geschlecht
(11- bis 12-Jährige, in %)............................................................................................................................................ 79
Abb. 3-26: Wöchentlicher Besuch einer Jugendgruppe nach Migrationshintergrund und Geschlecht
(11- bis 12-Jährige, in %)............................................................................................................................................ 80
Abb. 3-27: „Nichtstun“ als tägliche Freizeitbeschäftigung nach Migrationsgenerationen und Geschlecht
(11- bis 12-Jährige, in %)............................................................................................................................................ 80
Abb. 3-28: Größe des Freundeskreises nach Migrationsgenerationen und Geschlecht (in %).................................................... 82
Abb. 3-29: Ort des Kennenlernens der Freunde nach Migrationsgenerationen (in %)................................................................. 83
Abb. 3-30: Seltenes Einmischen der Eltern in den Freundeskreis nach familialer nationaler Herkunft (in %).............................. 85
267
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 4-1: Kinder mit Migrationshintergrund und nichtdeutscher Familiensprache in Kindertagesbetreuung nach
Altersgruppen 2009, 2018 (absolut, in %)................................................................................................................... 96
Abb. 4-2: Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertagesbetreuung an allen Kindern in Kindertagesbetreuung nach
Altersgruppen 2009, 2018 (in %)................................................................................................................................ 97
Abb. 4-3: Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertagesbetreuung an allen Kindern in Kindertagesbetreuung nach Alters-
gruppen und Bundesländern 2018 (in %)................................................................................................................... 98
Abb. 4-4: Inanspruchnahmequote (2009, 2018) von unter 3-Jährigen und Elternwünsche (2017) nach
Migrationshintergrund (in %)....................................................................................................................................... 99
Abb. 4-5: Inanspruchnahmequote (2009, 2018) von 3- bis unter 6-Jährigen und Elternwünsche (2017) nach
Migrationshintergrund (in %)..................................................................................................................................... 100
Abb. 4-6: Betreuungsumfänge von Kindern in Tagesbetreuung nach Altersgruppen und Migrationshintergrund im
Ost-West-Vergleich 2018 (in %)................................................................................................................................ 102
Abb. 4-7: Segregierte Einrichtungen nach Bundesländern 2018 (in %)................................................................................... 103
Abb. 4-8: Kinder mit Migrationshintergrund in segregierten Einrichtungen nach Bundesländern 2018 (in %)........................ 104
Abb. 4-9: Grundschulkinder mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit bzw. Migrationshintergrund 2010/11,
2015/16, 2017/18 (in %)............................................................................................................................................ 109
Abb. 4-10: Verteilung der 11- und 12-Jährigen auf Schularten nach Migrationshintergrund (2017) (in %)................................ 111
Abb. 4-11: Nichtdeutsche Schüler/innen bzw. Schüler/innen mit Migrationshintergrund nach Schularten im
Sekundarbereich I 2011/12, 2014/15, 2017/18 (in %).............................................................................................. 113
Abb. 4-12: Besuchte Regelschule* von Schüler/innen mit sonderpädagogischer Förderung nach Staatsangehörigkeit
2017/18 (in %)........................................................................................................................................................... 114
Abb. 4-13: Erworbene Schulabschlüsse nach Staatsangehörigkeit 2011, 2017 (in %).............................................................. 116
Abb. 4-14: Höchster allgemeiner Schulabschluss der 18- bis unter 25-Jährigen nach Migrationshintergrund 2011,
2017 (in %)................................................................................................................................................................ 117
Abb. 4-15: Höchster allgemeiner Schulabschluss der 18- bis unter 25-Jährigen der ersten Migrationsgeneration nach
Herkunftsländern 2017 (in %)................................................................................................................................... 118
Abb. 4-16: Schulorganisatorische Modelle der Beschulung von neuzugewanderten Schüler/innen an den befragten
Schulen 2017 (in %).................................................................................................................................................. 122
Abb. 4-17: Neuzugänge in die drei Sektoren des Ausbildungssystem nach Staatsangehörigkeit 2012, 2017 (in %)................ 127
Abb. 4-18: Neuzugänge in Bildungsgänge des Übergangssektors nach Staatsangehörigkeit 2012, 2017 (in %)..................... 128
Abb. 4-19: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge nach Ausbildungsbereichen und Staatsangehörigkeit 2012,
2017 (in %)................................................................................................................................................................ 130
Abb. 4-20: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in den fünf am stärksten besetzten Ausbildungsberufen nach
Staatsangehörigkeit und Geschlecht 2017 (in %)..................................................................................................... 131
Abb. 4-21: Neuzugänge in das Schulberufssystem nach Bildungsgängen und Staatsangehörigkeit 2012, 2017 (in %).......... 133
Abb. 4-22: Übergangsquoten nach Ausbildungsabschluss in Erwerbstätigkeit nach Migrationsgenerationen (in %)............... 135
Abb. 4-23: Studierende nach Fächergruppen und Staatsangehörigkeit im Wintersemester 2011/12 und 2018/19 (in %)........ 145
Abb. 4-24: Bestandene Abschlussprüfungen nach Staatsangehörigkeit und Fächergruppen im Bachelor und Master
2017 (in %)................................................................................................................................................................ 147
Abb. 4-25: Übergangsquoten nach Studienabschluss in Erwerbstätigkeit nach Migrationsgenerationen................................. 148
Abb. 4-26: Höchste berufliche Abschlüsse der 18- bis unter 25-Jährigen nach Migrationshintergrund 2017 (in %)................ 150
Abb. 4-27: Höchste berufliche Abschlüsse der 18- bis unter 25-Jährigen mit eigener Migrationserfahrung nach
Herkunftsländern 2017 (in %)................................................................................................................................... 151
268
8 Anhang
Abb. 5-1: Reguläre Inobhutnahmen sowie Anteil der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen nach
Staatsangehörigkeit (2009-2013) bzw. Migrationshintergrund (2014–2017) (absolut, in %)..................................... 159
Abb. 5-2: Gegenüberstellung des Anteils nichtdeutscher Minderjähriger in der Bevölkerung sowie der Staatsangehörigkeit
bzw. dem Migrationshintergrund bei den regulären Inobhutnahmen 2009–2013, 2016/2017 (in %)........................... 161
Abb. 5-3: Minderjährige mit Migrationshintergrund an der minderjährigen Bevölkerung pro Bundesland und an
allen regulären Inobhutnahmen in den Bundesländern 2017 (in %)......................................................................... 162
Abb. 5-4: Reguläre Inobhutnahmen Minderjähriger nach Migrationshintergrund und Bundesländern 2017 (in %)................. 163
Abb. 5-5: Reguläre Inobhutnahmen nach Migrationshintergrund und Geschlecht 2017 (in %)............................................... 164
Abb. 5-6: Initiatoren von regulären Inobhutnahmen 2017 (in %).............................................................................................. 165
Abb. 5-7: Dauer von Inobhutnahmen nach Art der Inobhutnahme und Migrationshintergrund 2017 (in %)............................ 166
Abb. 5-8: Aufenthalt und Hilfe nach der regulären Inobhutnahme nach Migrationshintergrund 2017 .................................... 167
Abb. 5-9: Junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Leistungsarten
2017 (begonnene Hilfen; in %).................................................................................................................................. 172
Abb. 5-10: Junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung (ohne Erziehungsberatung) einschl. der Hilfen für junge Volljährige
nach der vorrangig in der Familie gesprochenen Sprache 2009–2017 (begonnene Hilfen; absolut, in %).................. 174
Abb. 5-11: Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Herkunft der Eltern und der vorrangig in
der Familie gesprochenen Sprache sowie Leistungsarten 2017 (begonnene Hilfen; in %)...................................... 175
Abb. 5-12: Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Migrationshintergrund (Herkunft) verglichen
mit dem Anteil an Familien mit Migrationshintergrund in den Bundesländern 2017 (begonnene Hilfen; in %)........ 177
Abb. 5-13: Junge Menschen in Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Alter und nach der
vorrangig in der Familie gesprochenen Sprache 2017 (begonnene Hilfen; in %)..................................................... 178
Abb. 5-14: Junge Menschen mit Migrationshintergrund (nichtdeutsche Familiensprache) in den Hilfen zur Erziehung einschl.
der Hilfen für junge Volljährige nach Altersgruppen und Geschlecht 2011–2017 (begonnene Hilfen; in %)............ 179
Abb. 5-15: Hilfen zur Erziehung (ohne Erziehungsberatung), Erziehungsberatung sowie ausgewählte „ASD-Hilfen“
einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Migrationshintergrund (Herkunft und Sprache) und
Transferleistungsbezug 2017 (begonnene Hilfen; in %)............................................................................................ 180
Abb. 5-16: Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Migrationshintergrund (Sprache) und
Initiatoren der Hilfe 2017 (begonnene Hilfen; in %)................................................................................................... 182
Abb. 5-17: Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach Migrationshintergrund (Sprache) und
Geschlecht sowie Hauptgründe für die Hilfegewährung 2017 (begonnene Hilfen; in %)......................................... 183
Abb. 6-1: Entwicklung der Asylerstanträge in Deutschland 2009–2018 (absolut).................................................................... 194
Abb. 6-2: Asylerstanträge nach Alterskategorien 2018 (in %).................................................................................................. 195
Abb. 6-3: Anteil an Asylerstanträgen von unter 25-Jährigen nach Alterskategorien an allen Asylerstanträgen
2015–2018 (in %)...................................................................................................................................................... 195
Abb. 6-4: Asylerstanträge von unter 25-Jährigen nach Geschlecht in den Alterskategorien 2018 (absolut, in %).................. 196
Abb. 6-5: Entwicklung der Asylsuchenden nach Alter 2014–2018 (absolut, in %)................................................................... 197
Abb. 6-6: Schutzstatus von minderjährigen Asylsuchenden 2018 (in %)................................................................................. 198
Abb. 6-7: Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden nach Alter 2018 (absolut, in %)............................................................. 199
Abb. 6-8: Minderjährige Asylsuchende nach Altersgruppen und Herkunftsland 2018 (absolut).............................................. 200
Abb. 6-9: Asylerstanträge von unbegleiteten Minderjährigen nach Staatsangehörigkeit 2018 (absolut)................................. 201
Abb. 6-10: Entscheidungen zu Asylverfahren von unbegleiteten Minderjährigen der 10 häufigsten Herkunftsländer
2017 (absolut)............................................................................................................................................................ 201
269
Kinder- und Jugendmigrationsreport
Abb. 6-11: Begleitete minderjährige Asylsuchende nach Jahr der Einreise 2017 (in %)............................................................ 202
Abb. 6-12: Herkunftsländer der begleiteten minderjährigen Asylsuchenden 2017 (in %).......................................................... 203
Abb. 6-13: Altersverteilung der begleiteten minderjährigen Asylsuchenden nach Herkunftsland 2017 (in %)........................... 203
Abb. 6-14: Anzahl an Kindern nach Herkunftsland 2017 (in %).................................................................................................. 204
Abb. 6-15: Höchster erreichter Schulabschluss der Eltern nach Herkunftsland 2017 (in %)..................................................... 208
Abb. 6-16: Besuch einer Kindertageseinrichtung nach Alter des Kindes in den Jahren 2016/17 (in %).................................... 210
Abb. 6-17: Besuch einer Kindertageseinrichtung nach Herkunft und Altersgruppe 2017 (in %)................................................ 211
Abb. 6-18: Reguläre Inobhutnahmen nach Altersgruppen, Migrationshintergrund und Geschlecht (2017; in %)...................... 216
Abb. 6-19: Aufenthalt vor der Schutzmaßnahme nach Migrationshintergrund (2017; in %)...................................................... 217
Abb. 6-20: Beendigung der Schutzmaßnahme nach Migrationshintergrund (2017; Mehrfachnennung möglich in %)............. 218
Abb. 6-21: Beendigung der Schutzmaßnahme von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen im Alter von 16 bis
unter 18 Jahren nach Geschlecht (2018; Mehrfachnennung möglich; Angaben in %)............................................. 219
Abb. 6-22: „Mutmaßliche“ Hilfen zur Erziehung für unbegleitete ausländische Minderjährige im Vergleich zu den Hilfen
ohne die „mutmaßlichen“ Fälle für unbegleitete ausländische Minderjährige im Alter von 15 bis unter
18 Jahren 2010, 2014–2017 (absolut)....................................................................................................................... 222
270
8 Anhang
Tabellenverzeichnis
Tab. 2-1: Migrationsgenerationen in West-/Ostdeutschland nach Alter 2017 (in %)................................................................. 14
Tab. 2-2: Klassifikation nach familialen nationalen Herkunftslandgruppen................................................................................ 21
Tab. 4-1: Personalschlüssel nach Ländern, Gruppenform und Anteil der Kinder in der Gruppe,
die zu Hause vorrangig nicht Deutsch sprechen 20181 (Anzahl Kinder pro Betreuer/-in, Median).......................... 106
Tab. 4-2: Neuzugewanderte Schüler/innen an nicht-gymnasialen Schulen des Sekundarbereichs I nach
verschiedenen Schulmerkmalen............................................................................................................................... 120
Tab. 4-3: Leistungs- und Kompetenztests, Ressourcen, Kooperationspartner und Förderangebote
der Schulen nach schulorganisatorischen Modellen (in %)...................................................................................... 123
Tab. 5-1: Junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung einschl. der Hilfen für junge Volljährige nach
Migrationshintergrund (Herkunft und Sprache) 2017 (begonnene Hilfen; absolut und in %)................................... 173
Tab. 6-1: Inobhutnahmen wegen einer unbegleiteten Einreise absolut sowie Anteil an allen Inobhutnahmen
(Deutschland; 2010–2018) ........................................................................................................................................ 215
271
Kinder- und Jugendmigrationsreport
E-Kastenverzeichnis
E1: Staatsangehörigkeits- und Migrationskonzept.................................................................................................................... 8
E2: Migrationsgenerationen....................................................................................................................................................... 9
E3: Migrationsstatus der zweiten Generation............................................................................................................................ 9
E4: Arten von Analphabetismus............................................................................................................................................... 37
E5: International Standard Classification of Education (ISCED).............................................................................................. 39
E6: Migrationshintergrund in der KJH-Statistik....................................................................................................................... 94
E7: Inanspruchnahmequote..................................................................................................................................................... 97
E8: Segregierte Einrichtungen............................................................................................................................................... 102
E9: Personalschlüssel............................................................................................................................................................ 105
E10: Migrationshintergrund in der Schulstatistik..................................................................................................................... 108
E11: Schulorganisatorische Modelle der Beschulung von neuzugewanderten Schülerinnen und Schülern ......................... 121
E12: Sektoren des Ausbildungssystems................................................................................................................................. 126
E13: Rechtliche Zugangsbedingungen zu beruflicher Qualifizierung für Asylsuchende......................................................... 136
E14: Migrationshintergrund in der Hochschulstatistik............................................................................................................. 143
E15: Migrationshintergrund in den Tabellen zu vorläufigen Schutzmaßnahmen in der KJH-Statistik..................................... 160
E16: Hilfen zur Erziehung (HzE)............................................................................................................................................... 170
E17: Junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung................................................................................................................. 171
E18: Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung.......................................................................................................... 171
E19: Transferleistungsbezug.................................................................................................................................................... 179
E20: Sichere Herkunftsstaaten................................................................................................................................................ 193
E21: Vier Arten der Schutzgewährung..................................................................................................................................... 193
E22: Inobhutnahmen (von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen) .............................................................................. 214
E23: „Mutmaßliche“ Fälle für unbegleitete ausländische Minderjährige in den Hilfen zur Erziehung ..................................... 221
272
Nicht erst durch die starke Zuwanderung von Asylsuchenden im Jahr 2015 wird Kindheit und Jugend in Deutschland immer vielfältiger.
Seit Erfassung des Migrationshintergrunds in der amtlichen Statistik des Mikrozensus im Jahr 2005 können die Lebenswelten von
jungen selbstzugewanderten Menschen sowie von Kindern, deren Eltern oder Großeltern nach Deutschland gezogen sind, analysiert
werden. Das Deutsche Jugendinstitut hat mit dem ersten Kindermigrationsreport aus dem Jahr 2012 und dem Jugendmigrationsreport
aus dem Jahr 2013 erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme der Lebenslagen von jungen Menschen mit Migrationshintergrund
vorgelegt. Die veränderten Rahmenbedingungen seit deren Erscheinen machen eine Neuauflage erforderlich. So ist diesmal mit dem
Kinder- und Jugendmigrationsreport eine kombinierte Bestandsaufnahme entstanden, die die Lebenswelten und das Aufwachsen
von jungen Menschen bis unter 25 Jahre in den Blick nimmt. Basierend auf der Analyse repräsentativer Datensätze wie dem Sozio-
oekonomischen Panel (SOEP) und dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) sowie amtlicher Daten des Mikrozensus, der Schulstatistik und
der Kinder- und Jugendhilfestatistik wird ein tiefgreifender Einblick in die Lebenssituationen sowohl von selbst Zugewanderten als auch
von jungen Menschen, die bereits in der zweiten oder dritten Migrationsgeneration in Deutschland leben, gegeben.
Der Kinder- und Jugendmigrationsreport richtet sich an Interessierte in Politik, Verwaltung, Praxis und der Wissenschaft, die sich mit den
vielfältigen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland befassen.
ISBN: 978-3-7639-6093-4
wbv.de