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Verwaltungsrecht AT Sachsen Sachverhalte - Seite 2

Fall 2

S ist Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten der AfD und Inhaber eines Hausausweises der Ka-
tegorie „BLAU“ des Deutschen Bundestages (§ 2 III Nr. 3 BTHO). Dieser Hausausweis erlaubt den
Zutritt zu allen Liegenschaften des Deutschen Bundestages ohne vorherige Sicherheitskontrolle.

Am 14. März 2018 nahm der Kläger an der 19. Plenarsitzung des 19. Deutschen Bundestages auf
der Besuchertribüne teil. Während die Bundeskanzlerin in dieser Sitzung ihren Amtseid leistete,
hielt der Kläger auf der Besuchertribüne ein aus drei miteinander verbundenen ca. DIN A3 großen
Blättern gefertigtes Transparent mit der Aufschrift „Merkel muss weg“ hoch. Der Kläger wurde da-
raufhin von einem Polizeibeamten beim Deutschen Bundestag zur Identitätsfeststellung aus dem
Saal gebeten.

Dem leistete er widerstandslos Folge. Noch am selben Tag postete er bei „Facebook“ ein Foto von
sich mit dem Plakat vor dem Reichstagsgebäude. Dazu schrieb er folgenden Text: „Erfolgreicher
Protest gegen die erneute Wahl von Angela Merkel zur Kanzlerin! Heute habe ich im Plenum des
Deutschen Bundestages ein Transparent mit der Aufschrift ‚Merkel muss weg!‘ hochgehalten. Bun-
destagspräsident Schäuble reagierte auf meine Protestaktion und bat diese zu unterlassen. Ich stehe
zu meiner friedlichen und gewaltfreien Protestaktion.“ Diese Posts sind bis heute auf seiner Face-
book-Seite abrufbar.

Nach Anhörung des Klägers, ordnete der Präsident des Deutschen Bundestages gegen den Kläger
für die Dauer der Legislaturperiode ein Hausverbot für das Reichstagsgebäude an. Im Reichstags-
gebäude befinden sich auch die Räumlichkeiten der AfD-Fraktion. Der Bescheid enthielt eine ord-
nungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung. Der Vorschlag zu dieser Maßnahme seitens des Bundes-
tagspräsidenten war in den diesbezüglichen Sitzungen des Präsidiums und des Ältestenrates des
Deutschen Bundestages diskutiert worden.

Zur Begründung wurde im Bescheid ausgeführt: Die vom Kläger begangene Störung der Plenarsit-
zung bei der Eidesleistung der Bundeskanzlerin sei öffentlichkeitswirksam gewesen und habe er-
heblich die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages beeinträchtigt. Der Kläger sei planvoll
und vorbereitet vorgegangen und habe dabei die privilegierte Situation als Abgeordnetenmitarbeiter
und Hausausweisinhaber ausgenutzt. Dies lasse die Prognose zu, dass der Kläger die für den unein-
geschränkten Zutritt notwendige Zuverlässigkeit nicht besitze. Das gezeigte Verhalten lasse nicht
ausgeschlossen erscheinen, dass der Kläger seine Zutrittsberechtigungen erneut zu Störungen aus-
nutze. Ein solches respektloses Verhalten müsse zudem sanktioniert werden.

Kurz nach Bekanntgabe des Bescheides hat der Kläger gegen das Hausverbot Klage erhoben und
beantragt das Hausverbot aufzuheben. Zur Begründung trägt er vor, dass er weiterhin an der mit
seinem Handeln zum Ausdruck gebrachten Auffassung festhalte. Seine Handlung sei Teil der freien
Meinungsäußerung und nach der Hausordnung des Bundestages nicht generell verboten, sondern
könnten sogar zugelassen werden. Das Hausverbot sei unverhältnismäßig, weil es sein Dienstver-
hältnis erfasse; er sei dadurch an der Wahrnehmung wichtiger Arbeitsaufgaben gehindert. Zudem
sei das Hausverbot rechtswidrig, weil ein Hausverbot „ultima ratio“ sei und daher zunächst ein
Hausverweis zu erfolgen habe.

Die Kammervorsitzende am Verwaltungsgericht schließlich fragt sich, da doch das Hausverbot auf
privatrechtlicher Eigentumsbefugnis basiere, ob sich das Gericht mit der Klage überhaupt zu befas-
sen habe.

M.K. – 09/2022
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Verwaltungsrecht AT Sachsen Sachverhalte - Seite 3

Vermerk für die Bearbeitung:


Erstellen Sie ein Gutachten über die Erfolgsaussichten der Klage. Dabei ist davon auszugehen, dass
der Bundestagspräsident tatsächlich richtiger Beklagter ist und dass die im Anhang abgedruckte
Hausordnung des Deutschen Bundestages taugliche Rechtsgrundlage für das Hausverbot ist.

Anhang

Auszug aus der von dem Präsidenten des Deutschen Bundestages erlassenen
Hausordnung des Deutschen Bundestages (BTHO):

§ 1 Geltungsbereich
Die Gebäude des Deutschen Bundestages (...) dienen der parlamentarischen Arbeit. In ihnen übt der
Präsident des Deutschen Bundestages das Hausrecht und die Polizeigewalt aus. Es gilt diese Haus-
ordnung.

§ 2 Zutrittsberechtigung
(1) Zutritt zu den nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen Gebäuden des Deutschen Bundestages
haben
(...)
3. bei berechtigtem Anlass Inhaber eines nach den Absätzen 3 bis 6 vom Deutschen Bun-
destag ausgegebenen Bundestagsausweises.
(3) Einen Bundestagsausweis können erhalten (...)
3. auf Grund ihres Beschäftigungsverhältnisses
b) die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen,

§ 5 Besondere Verhaltensregeln für die Besucher von Sitzungen des Deutschen Bundestages und
seiner Gremien
(…)
(3) Während der Sitzungen sind Beifalls- und Missfallenskundgebungen, Zwischenrufe, Verletzun-
gen von Ordnung oder Anstand sowie Handlungen, die geeignet sind, den Ablauf der Sitzungen zu
stören, untersagt.

§ 4 Verhalten in Gebäuden
(1) In den Gebäuden des Deutschen Bundestages sind Ruhe und Ordnung zu wahren. Die Besucher
haben die Würde des Hauses zu achten und auf die Arbeit im Haus Rücksicht zu nehmen. Insbe-
sondere sind alle Handlungen zu unterlassen, die geeignet sind, die Tätigkeit des Deutschen Bun-
destages, seiner Gremien, Organe und Einrichtungen zu stören.
(2) Es ist nicht gestattet, Spruchbänder oder Transparente zu entfalten, Informationsmaterial zu zei-
gen oder zu verteilen, es sei denn, es ist zur Verteilung zugelassen. (…)

§ 7 Anordnungen des Ordnungspersonals, Anwendung unmittelbaren Zwangs, Hausverbot


(...)
(2) Wer den Bestimmungen dieser Hausordnung zuwiderhandelt, kann aus den Gebäuden des Deut-
schen Bundestages verwiesen werden.
(3) Der Präsident des Deutschen Bundestages kann bei einem Verstoß gegen diese Hausordnung ein
Hausverbot verhängen.

M.K. – 09/2022

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