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Prof. Dr.

Konrad Küster Mozart 1786–1791 Wintersemester 2020/21

Don Giovanni (KV 527), Nr. 7: Duettino Zerlina-Don Giovanni


Es handelt sich um den einzigen Fall des Werks, in dem man direkt zu sehen bekommt, wie der (adli-
ge) Titelheld Frauen „anbaggert“: Don Giovanni lädt Zerlina auf sein Schloss ein, weil er sie umge-
hend heiraten wolle. Zerlina (junge Bäuerin, Braut Masettos) kennt Don Giovanni vorher noch nicht.
Möglicherweise wäre es 1787 sozial noch verwerflicher gewesen, auf offener Bühne diese „Erobe-
rungen“ an einer standesmäßig Ebenbürtigen zu exemplifizieren – schwer zu sagen. Doch es geht
darum, kostbare Bühnenzeit so effektiv einzusetzen, dass alle im Publikum begreifen, „was Sache
ist“. Daher das unterprivilegierte Opfer: Zerlina fällt insofern nicht auf Don Giovanni herein, sondern
kann sich seiner Überredungskunst weniger leicht widersetzen. Wichtig also: Es ist keineswegs das
„einfache Liebesduett“, als das das Stück berühmt ist!
Frage: Wie lässt sich dies musikalisch darstellen?

a) Lorenzo Da Pontes Text:


Strophe 1: Solostrophe Don Giovanni. Reimstruktur a-b-a-b. Versfolge: Jeder „Vers a“ ist ein norma-
ler italienischer Siebensilbler (bezeichnet mit „7“: „Settenario piano“), der auf unbetonter Silbe aus-
läuft; „Vers b“ ist ein „verkürzter“ Siebensilbler (bezeichnet mit „7t“: „Settenario tronco“: „tronco“
heißt abgeschlagen, verkürzt; vgl. „trunkierte Suchwörter“ im Internet!).
1 DG Là ci darem la mano, 7 Dort werden wir uns die Hand geben,
là mi dirai di sì. 7t dort wirst du mir dein Jawort geben.
Vedi, non è lontano, 7 Du siehst, es ist nicht weit,
partiam, ben mio, da qui. 7t lass uns, meine Liebe, von hier weggehen.
Strophe 2: Solostrophe Zerlina. Reimstruktur a-b-a-b. Versfolge: wie 1. Strophe
2 Z Vorrei, e non vorrei, 7 Ich will und will nicht.
Mi trema un poco il cor; 7t Mir zittert ein bisschen das Herz.
felice, è ver, sarei, 7 Glücklich, das stimmt, wäre ich,
ma può burlarmi ancor. 7t aber vielleicht macht ihr euch nur lustig.
Strophe 3: Verdichtungsstrophe. Don Giovanni und Zerlina versweise abwechselnd. Reimstruktur nun
a-a-b-b; nur „settenari piani“
3 DG Vieni, mio bel diletto! 7 Komm, meine schöne Geliebte!
Z Mi fà pietà Masetto. 7 Masetto tut mir leid.
DG Io cangierò tua sorte! 7 Ich werde dein Schicksal ändern!
Z Presto, non son più forte. 7 Schnell, ich bin schon nicht mehr stark
Strophe 4: „Duett erreicht“. Nur dreizeilig: Reimfolge a-a-b, Versfolge aus zwei „settenari piani“ und
einem „settenario tronco“ (der Standard-Schlusskonstruktion, weil dann die betonte Versschluss-Silbe
auf die betonte „Eins“ eines Taktes fallen kann).
4 à2 Andiam, andiam mio bene 7 Komm, komm, mein*e Geliebte*r,
a ristorar le pene 7 zu lindern die Leiden
d’un innocente amor. 7t einer unschuldigen Liebe.
 Mozart und Da Ponte bildeten seit Figaro ein eingespieltes Team. Da Ponte wusste, dass der Text
eines Duetts von diesem „Prozesscharakter“ getragen ist; dafür brauchte er keine „Hilfe“ Mozarts.
Hat Mozart ihm aber Vorgaben im Detail gemacht? Das, was er komponierte, sieht anders aus…
Prof. Dr. Konrad Küster Mozart 1786–1791 Wintersemester 2020/21

b) Mozarts Aufbereitung des Textes:


Zunächst Strophe 1–3 wie Vorlage. Frage: Ist auch die Musik „strophisch“?
1 DG Là ci darem la mano, 7
là mi dirai di sì. 7t
Vieni, non è lontano, 7
partiam, ben mio, da qui. 7t
2 Z Vorrei, e non vorrei, 7 Frage: Woher kommt der Auftakt?
Mi trema un poco il cor; 7t
felice, è ver, sarei, 7
ma può burlarmi ancor. 7t Frage: Warum wird der Vers wiederholt?!
3 DG Vieni, mio bel diletto! 7
Z Mi fà pietà Masetto. 7
DG Io cangierò tua sorte! 7
Z Presto, non son più forte. 7
… schließend auf der V. Stufe! Frage: Wie wird sie eigentlich eingeführt – „woher kommt sie“?
Mozart überblendet nun die „lineare Eskalation“ des Textes mit einer Zweiteiligkeit – er schreibt
eine A-A’-Konstruktion. Dafür aber braucht er Text für A’ – den stellt er sich sinnreich zusammen…
Fragen:
– Ist der „freie“ Text „vieni, vieni“ (T. 28f.) wirklich nötig?
– Wie und warum entsteht anschließend ein Übergewicht aus Versen mit tronco-Schlüssen?
[?] DG Vieni, vieni…
1a DG Là ci darem la mano 7
2a Z Vorrei, e non vorrei 7
1b DG là mi dirai di sì 7t
2b Z mi trema un poco il cor 7t
1d DG partiam, ben mio, da qui 7t
2d Z ma può burlarmi ancor. 7t
Mozart greift dann die 3. Strophe („Verdichtung“) wieder auf: …
Frage aber: Wodurch unterscheidet sich dies vom ersten Durchgang (ab T. 19), und was bedeutet
dies in Relation zum Vorigen (ab T. 30) – beim Hören?
3 DG Vieni, mio bel diletto! 7
Z Mi fà pietà Masetto. 7
DG Io cangierò tua sorte! 7
Z Presto, non son più forte. 7
4 à2 Andiam, andiam mio bene 7
a ristorar le pene 7
d’un innocente amor. 7t
Die 4. Strophe wird zunächst zweimal vertont: T. 50–56 = T. 68–74. „Zweimal gleich“ bedeutet hör-
psychologisch: So kann man nicht schließen. Frage also: Wie generiert Mozart sich eine plastische
Schlusswirkung?

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