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Fischäder 2017 Maschinenbelegungsplanung
Fischäder 2017 Maschinenbelegungsplanung
Maschinenbelegungsplanung in
entkoppelten Produktionssystemen
Holm Fischäder, Richard Göhler und Herfried M. Schneider
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d. h. die zeitliche Aufeinanderfolge mehrerer digkeit lassen sich des Weiteren identische
Aufträge auf einer Maschine unter Einhaltung parallele, uniforme parallele und heterogene
der Maschinenfolgen. Die Lösung eines Pla- parallele Maschinen unterscheiden. Bei iden-
nungsproblems liegt vor, sobald die Maschi- tischen parallelen Maschinen gilt . Die
nen- und Auftragsfolgen für alle Aufträge und Fertigungszeit für den Auftrag ist somit auf
Maschinen bekannt sind [5]. Das Ergebnis lässt allen Maschinen gleich. Bei uniformen paral-
sich als maschinen- oder auftragsorientiertes lelen Maschinen unterscheiden sich die Ferti-
Gantt-Diagramm visualisieren und wird auch gungsgeschwindigkeiten um einen konstan-
als Belegungsplan bezeichnet. ten Faktor , sodass für die Bearbeitung des
Auftrags auf der Maschine gilt: .
Klassifikation von Maschinen- Bei heterogenen parallelen Maschinen ist die
belegungsproblemen Fertigungsgeschwindigkeit maschinen- und
auftragsabhängig. Da in der Praxis oft Maschi-
In der Literatur existiert eine Vielzahl von Mo- nen unterschiedlichen Typs zur Bearbeitung
dellen zur Maschinenbelegungsplanung [2]. des gleichen Arbeitsganges eingesetzt werden
Zur Charakterisierung deterministischer Pro- oder sich Maschinen gleichen Typs bspw. auf-
blemstellungen hat sich ein weitgehend ein- grund von Abnutzung hinsichtlich ihrer Bear-
heitliches Klassifikationsschema durchgesetzt. beitungsgeschwindigkeit unterscheiden, ist
Dabei werden Modelle hinsichtlich ihrer Ma- dies der praxisrelevante Fall.
schinen- und Auftragscharakteristik sowie ih-
rer Zielsetzung klassifiziert. In diesem Beitrag Mehrstufige Fertigung
ist primär das der Belegungsplanung zugrun-
deliegende Produktionssystem interessant, Eine mehrstufige Fertigung liegt dann vor,
weshalb im Folgenden eine Klassifizierung wenn Aufträge aus mehreren Arbeitsgängen
nach der Maschinenumgebung vorgenommen bestehen . Diese Problemklasse weist
wird. Dabei erfolgt zunächst eine Differenzie- folglich eine deutlich höhere Komplexität auf
rung anhand der Anzahl an Arbeitsgängen der [6]. Sie wird nach dem eingesetzten Organisa-
Aufträge in einstufige und mehrstufige Pro- tionstyp des zugrundeliegenden Produktions-
blemstellungen (siehe Bild 1). systems differenziert.
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male Lösung aus einer endlichen Menge zu- tiken dienen z. B. als Eröffnungsverfahren zum
lässiger Lösungen gesucht wird [1]. Eine sehr Finden einer zulässigen Ausgangslösung, z. B.
aufwändige Lösungsmethode ist die vollstän- für das Branch-and-Bound-Verfahren, um die
dige Enumeration, bei der jeder mögliche Be- Ermittlung einer Optimallösung zu beschleu-
legungsplan ermittelt und hinsichtlich eines nigen [6]. Zum anderen können sie als Verbes-
Zielfunktionswertes verglichen wird. Die Opti- serungsverfahren bzw. lokale Suchverfahren,
mallösung ist dementsprechend das Element ausgehend von einer zulässigen Lösung, zur
der Lösungsmenge mit dem höchsten Ziel- iterativen Verbesserung des Zielfunktionswer-
funktionswert [6]. tes angewendet werden [9].
Demgegenüber wird bei der begrenzten Enu- Unter der Vielzahl an heuristischen Lösungsan-
meration zur Reduzierung der Rechenzeit der sätzen sind Prioritätsregelverfahren und Meta-
Lösungsraum in Teilmengen gegliedert und heuristiken hervorzuheben, die aufgrund ihrer
schrittweise verkleinert. Ausgehend von einer Relevanz bei der Lösung mehrstufiger Bele-
zulässigen Basislösung werden nur Belegungs- gungsprobleme anschließend näher erläutert
pläne vollständig aufgebaut und als neuer Ver- werden.
gleichswert benutzt, deren Zielfunktionswert
nicht schlechter als der bisher beste Vergleichs- Prioritätsregelverfahren werden in der Litera-
wert ist. Hierzu zählt das Branch-and-Bound- tur und Praxis am häufigsten zur Lösung von
Verfahren, was Untersuchungsgegenstand für Maschinenbelegungsproblemen eingesetzt.
eine Vielzahl an Veröffentlichungen zu Flow Aufgrund ihrer Einfachheit liefern prioritätsre-
Shop- oder Job Shop-Problemen ist, aber sel- gelbasierte Heuristiken auch bei komplexen
ten Anwendung auf praktische Problemstel- Problemen als Eröffnungsverfahren in kurzer
lungen findet [8]. Zeit zulässige, aber meist suboptimale Lösun-
gen [8]. Ihr Einsatz erfolgt in zwei Schritten:
Heuristische Lösungsverfahren Zunächst werden die Aufträge, die um die Ka-
pazitäten einer Maschine konkurrieren, mit ei-
Heuristische Lösungsverfahren verzichten nem Prioritätswert nach ihrer Dringlichkeit ge-
auf eine Garantie der Optimalität der gefun- ordnet. Die Rangfolge ergibt sich aus dem zur
denen Lösung, sondern versuchen möglichst Ordnung herangezogenen Kriterium. Die ein-
gute zulässige Lösungen zu finden. Dies führt gesetzten Prioritätsregeln lassen sich in bear-
gegenüber optimierenden Verfahren zu einer beitungszeitbezogene, fertigstellungstermin-
höheren zeitlichen Effizienz. Problematisch ist bezogene und sonstige Regeln unterteilen [1].
dabei allerdings, dass die Güte der gefundenen Zudem können mehrere Regeln miteinander
Lösung nicht von einem Optimum abgeleitet kombiniert werden. Bild 3 zeigt beispielhaft
werden kann, da dieses nicht bestimmt wird. eine Auswahl häufig eingesetzter Prioritätsre-
Als Maßstab der Lösungsgüte müssen daher geln nach der oben beschriebenen Klassifikati-
Abschätzungen in Form von oberen bzw. unte- on. Ist die Sortierreihenfolge bekannt, werden
ren Schranken herangezogen werden [9]. die Aufträge entsprechend eingeplant und so-
mit die Auftragsfolge der relevanten Maschine
Bild 3: Auswahl an Priori- Heuristische Lösungsverfahren können in ver- bestimmt. Die Wahl einer geeigneten Priori-
tätsregeln. schiedene Gruppen eingeteilt werden: Heuris- tätsregel ist von den verfolgten Zielen der Pro-
duktionsplanung abhängig [2].
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Akzeptanz. Die Gründe dafür liegen vor allem Kriterien Zeit- und Kostengrößen herangezo-
in der besseren Anschaulichkeit der Ergebnis- gen. Auf die Kosten zur Erstellung des Produk-
se und dem breiteren Anwendungsspektrum. tionsprogramms kann durch die Festlegung
Darüber hinaus lassen sich beim Einsatz von von Auftragsfolgen nur bedingt Einfluss ge-
Simulationen Produktionssysteme hoher Kom- nommen werden. Fixe Kostenbestandteile, wie
plexität meist ohne fundierte mathematische bspw. Maschinenkosten, sind durch die Bele-
Kenntnisse abbilden. gungsplanung nicht veränderlich [14]. Mit der
Wahl optimaler Belegungsreihenfolgen wird
Demgegenüber werden optimierende Lö- demnach eine Produktion zu minimalen ab-
sungsverfahren nur zu wissenschaftlichen laufbedingten Kosten angestrebt. Die für die
Betrachtungen von Spezialfällen der mehrstu- Belegungsplanung entscheidungsrelevanten
figen Belegungsplanung mit geringer Komple- Kostenarten werden im Folgenden kurz be-
xität eingesetzt und sind somit für die betrieb- nannt:
liche Praxis kaum geeignet [12]. • Terminüberschreitungskosten bei Nicht-
einhaltung gewünschter bzw. vorgegebe-
Für die Anwendung in der praktischen Bele- ner Fertigungstermine;
gungsplanung interessanter ist die Ermittlung • Fehlmengenkosten in Form von Konventi-
von (suboptimalen) Lösungen mittels Heuris- onalstrafen (Pönale), bspw. bei verspäteter
tiken. Durch den Verzicht auf optimale Lösun- oder unvollständiger Lieferung;
gen lassen sich mit heuristischen Verfahren • Opportunitätskosten durch Wegfall von Fol-
auch für Problemstellungen in praxisrelevanter geaufträgen durch verspätete oder unvoll-
Größenordnung zufriedenstellende zulässige ständige Lieferung (Goodwill-Verluste);
Lösungen mit vertretbarem Rechenaufwand • Anpassungs- und Beschleunigungskosten
erzeugen. Besonders beim Einsatz von Priori- zur Vermeidung von Terminüberschreitun-
tätsregeln werden die Aufträge in sehr kurzer gen sowie Anpassungsmaßnahmen, wie
Rechenzeit mit einem Prioritätswert bewertet Überstunden oder Fremdvergabe von Auf-
und geordnet. Häufig werden prioritätsregel- trägen.
basierte Verfahren in Leitstände zur Produkti-
onsplanung und -steuerung integriert [13]. Das Primärziel der Belegungsplanung ist folg-
lich eine mengen- und termingerechte Erfül-
Methodik zur Bewertung von alter- lung von Kundenaufträgen und somit die Mi-
nativen Maschinenbelegungsplänen nimierung von Terminüberschreitungskosten
[2, 6]. Weitere, für die Belegungsplanung ent-
Im Folgenden wird eine allgemeine Methodik scheidungsrelevante, Kostenarten sind:
zur Bewertung von alternativen Maschinenbe-
legungsplänen auf Basis eines multikriteriellen • Kapitalbindungskosten durch Lagerung von
Zielsystems beschrieben, die auch in der betrieb- Rohmaterial oder Zukaufteilen, Zwischener-
lichen Praxis anwendbar ist. Dazu werden zu- zeugnissen und Fertigteilen. Sie sind vom
nächst Zielkriterien der Belegungsplanung ana- Wert der gelagerten Güter, dem Zinssatz
lysiert und anschließend Besonderheiten bei der und dem Zeitraum der Lagerung abhängig,
multikriteriellen Zielsetzung herausgearbeitet. wovon letzterer durch die Belegungspla-
nung beeinflusst werden kann [6]. Da viele
Zielsetzungen der Maschinenbelegungspla- produzierende Unternehmen nach dem
nung Just-in-time-Prinzip fertigen, ist für eine
Minimierung der Lagerhaltungskosten wei-
Ziele beschreiben allgemein einen anzustreben- terhin anzustreben, dass fremdbezogene
den bzw. zu erreichenden Zustand und liefern Materialien erst kurz vor ihrem Verbrauchs-
Informationen, welche Handlungsalternative termin zugehen und die Fertigstellung von
aus einem Entscheidungsfeld für den Planer vor- Endprodukten nahe ihrem Auslieferungster-
teilhaft ist [2]. Die Zielsetzung wird in der Litera- min liegt.
tur zur Maschinenbelegungsplanung durch den • Rüstkosten zur Vorbereitung einer Maschi-
Eintrag im Klassifikationstripel gekennzeich- ne für die Produktion eines nachfolgenden
net. Die in der Belegungsplanung verwendeten Auftrags. Darunter werden einerseits not-
Zielkriterien lassen sich nach verschiedenen Ge- wendige Reinigungs-, Einstell- und Umrüst-
sichtspunkten unterteilen. Eine mögliche Unter- vorgänge zusammengefasst. Der dabei ent-
gliederung erfolgt nach der Quantifizierbarkeit stehende Ressourcenverzehr führt zu di-
in quantitative und qualitative Kriterien. rekten Rüstkosten. Andererseits werden als
indirekte Rüstkosten Opportunitätskosten
Als Zielsetzungen der Maschinenbelegungs- subsumiert, die entstehen, wenn die vor-
planung werden in der Regel als quantitative zubereitende Ressource zeitweilig nicht zur
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Multikriterielle Zielsetzungen
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stab notwendig. Dazu werden zunächst die Abbildung und Lösung von realen
ermittelten Werte der Zielerreichung mit den Maschinenbelegungsproblemen
Gewichtungsfaktoren des jeweiligen Zielkrite-
riums multipliziert. Reale Maschinenbelegungsprobleme mit
mehrstufigen Produktionssystemen und he-
terogenem Maschinenpark, auf dem ein gro-
ßer Auftragsbestand einzuplanen ist, lassen
sich mit den in der Literatur betrachteten for-
Der erreichte gewichtete Zielfunktionswert malen Modellen meist nicht lösen [7]. Zudem
ist ein Maß, wie gut ein Belegungsplan werden in der Praxis i.d.R. keine optimalen son-
die quantitativen Zielkriterien erfüllt. Jedoch dern gute zulässige Lösungen gefordert, die
ist damit die Zulässigkeit bzw. die Erfüllung sich schnell ermitteln lassen und somit flexibel
von Mindestanforderungen nicht garantiert. an kurzfristige Ereignisse anpassbar sind [13].
Um auch die qualitativen Größen des Zielsys- Daher ist es sinnvoll, eine Belegungsplanung
tems zu berücksichtigen, müssen vom gewich- an einem Modell durchzuführen und so ge-
teten Zielfunktionswert ggf. noch Strafpunkte wonnene Erkenntnisse auf das Ausgangspro-
abgezogen werden. blem zurückzuführen.
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nungsmodells zur Lösung realer Maschinenbe- regulären Flow Shop-Problemen sind hier
legungsprobleme komplettiert. zusätzliche Zuordnungsentscheidungen da-
rüber zu treffen, auf welcher der parallelen
Modellannahmen Maschinen ein Arbeitsgang ausgeführt wird.
Unter FFS-Problemen werden in der Literatur
In einem mehrstufigen Produktionssystem unterschiedliche Varianten von Maschinen-
sollen die zu fertigenden Artikel eine vorgege- belegungsproblemen zusammengefasst, die
bene Operationenfolge (Maschinenfolge) und die vier folgenden gemeinsamen Merkmale
einen schleifenfreien, kontinuierlichen Materi- besitzen [8, 16]:
alfluss haben. Die einzelnen Fertigungsstufen 1. Das betrachtete Produktionssystem besteht
sollen untereinander keine zeitliche Bindung aus mehreren Fertigungsstufen ( ).
besitzen. Das Produktionssystem wird durch 2. Jede Fertigungsstufe hat Maschi-
Kundenbedarfe in Form von terminierten Fer- nen, wobei auf mindestens einer Stufe
tigungsaufträgen belastet. Darüber hinaus gilt.
sollen bei der Abbildung der charakterisierten 3. Die zu bearbeitenden Aufträge sind in
Produktionssysteme folgende praxistypische der vorgeschriebenen Maschinenfolge auf
Rahmenbedingungen berücksichtigt werden: den unterschiedlichen Fertigungsstufen zu
• Zwischen den Fertigungsstufen werden bearbeiten (identischer Materialfluss). Ein
Zwischenerzeugnisse in Entkopplungspuf- Auftrag kann dabei eine oder mehrere Stu-
fern gelagert. Die Kapazitäten dieser Puffer fen überspringen, muss aber zumindest auf
sind beschränkt. einer bearbeitet werden.
• Auf mindestens einer Fertigungsstufe kann 4. Jeder Auftrag benötigt eine Bearbeitungs-
ein Arbeitsgang von mehreren parallelen zeit auf der Fertigungsstufe . Die Bear-
Maschinen durchgeführt werden. Die Fer- beitung von Auftrag auf der Stufe wird
tigungsgeschwindigkeiten der parallelen als Vorgang bezeichnet.
Maschinen auf den Fertigungsstufen sind
heterogen. Bild 11 zeigt beispielhaft ein Produktionssys-
• Zur Vorbereitung der Produktion eines Arti- tem, das nach den Merkmalen des FFS be-
kels sind Rüstvorgänge notwendig. Die Dau- schrieben werden kann. FFS-Probleme bilden
er dieser Rüstvorgänge kann von der Wahl die Struktur vieler industrieller Produktions-
der Maschine und der Auftragsfolge abhän- systeme ab, worin ein Auftrag bestehend aus
gig sein. mehreren Vorgängen nacheinander auf meh-
• Die Auswahl von Maschinenalternativen auf reren Fertigungsstufen mit parallelen Maschi-
den Fertigungsstufen kann durch zusätzli- nen gefertigt wird und jede Maschine nur ei-
che Restriktionen beschränkt sein. nen Vorgang zur gleichen Zeit ausführen kann.
In theoretischen Veröffentlichungen zur Ma-
Neben den genannten Rahmenbedingungen schinenbelegungsplanung werden zudem fol-
wird außerdem von statischen und determi- gende, für eine praktische Anwendung partiell
nistischen Maschinenbelegungsproblemen ungeeignete, Annahmen getroffen [16]:
ausgegangen. Alle Aufträge und Maschinen • Alle Aufträge und Maschinen sind zu Beginn
sind von Anfang an und über die gesamte Pla- der Planungsperiode verfügbar.
nungsperiode verfügbar. In der Realität liegen • Bei den Maschinen auf jeder Stufe handelt
durchaus dynamische und stochastische Prob- es sich um identische parallele Maschinen.
lemstellungen vor, die bspw. durch ein laufen- • Jeder Auftrag kann zur gleichen Zeit nur von
des Eintreffen neuer Aufträge oder durch das einer Maschine bearbeitet werden.
stochastische Auftreten von Maschinenausfäl- • Rüstzeiten sind vernachlässigbar.
len gekennzeichnet sind [7]. Allerdings würde • Die Unterbrechung von Aufträgen ist nicht
eine Reaktion auf jede Änderung zu einer zu erlaubt.
hohen Planungsfrequenz führen. • Die Zwischenlagerkapazitäten sind unbe- Bild 11: Struktur eines Fle-
grenzt. xible Flow Shop-Problems.
Flexible Flow Shop-Probleme
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• Aufträge verlassen nach ihrer Fertigstellung Durch Bestandskurven lassen sich die zeit-
das System bzw. werden direkt ausgeliefert. lichen Verläufe der Entkopplungsbestände
Fertigteillager werden damit nicht berück- visualisieren. Typisch sind sägezahnartige Be-
sichtigt. standsverläufe. Die Steigung der Zu- und Ab-
gänge ist von den Fertigungsgeschwindigkei-
Da sich praktische Belegungsprobleme nur ten auf den jeweiligen Stufen abhängig.
selten mit der dargestellten Standardform be-
schreiben lassen, soll im Folgenden das forma- Losteilung, Lossplittung und Losüberlap-
le Modell des FFS sukzessive durch die Abbil- pung
dung praxistypischer Rahmenbedingungen
erweitert werden, um auch reale Produktions- In Standardmodellen zur Maschinenbelegungs-
systeme beschreiben zu können. planung wird angenommen, dass ein Auftrag
komplett und ohne Unterbrechung auf einer
Berücksichtigung von begrenzten Entkopp- Stufe gefertigt werden muss, bevor die Bear-
lungspuffern beitung dieses Auftrags auf der nächsten Stufe
beginnen kann (geschlossener Lostransport)
Anders als in der Standardform des FFS an- [17]. Dies führt dazu, dass sich die Zwischenla-
genommen, existieren in realen Produk- gerbestände auf ein Maximum aufbauen, das
tionssystemen meist keine unbegrenzten dem vollständigen Auftragsbestand entspricht,
Kapazitäten der Puffer zwischen den jewei- bevor diese abgebaut werden können.
ligen Fertigungsstufen. Begrenzt wird die
Zwischenlagerkapazität besonders bei der Zur Senkung der maximalen Entkopplungs-
Produktion von voluminösen Gütern dadurch, pufferbestände und zur Verkürzung der Durch-
dass nur beschränkte Flächen oder eine end- laufzeit ist eine stufenüberlappende Fertigung
liche Anzahl an Stellplätzen zur Lagerung der vorzuziehen. Dazu müssen drei Begriffe unter-
Zwischenerzeugnisse verfügbar sind [7]. Aus schieden und definiert werden [17].
dieser Flächenrestriktion ergibt sich eine ma- • Unter Losteilung wird die Aufteilung eines
ximale Menge der Artikel, die in dem Puffer Auftrags in kleinere Quantitäten (Teillose,
zwischen zwei Fertigungsstufen gelagert wer- Transportlose) verstanden, die voneinander
den können ( ). zeitlich getrennt bearbeitet werden können.
Die Bearbeitung eines Auftrags auf einer
Die effektive Höhe des Pufferbestandes ist ei- Maschine kann dazu unterbrochen werden.
ne dynamische Größe. Die Artikelmenge eines • Lossplittung (lot splitting) bezeichnet die
Auftrags im Puffer zwischen der -ten und simultane Bearbeitung von Teillosen des
-ten Stufe zum Zeitpunkt wird mit gleichen Auftrags auf parallelen Maschinen.
bezeichnet. Die Berechnung des Entkopp- Einer Verringerung der Durchlaufzeit steht
lungspufferbestandes erfolgt rekursiv aus der hierbei jedoch ein höherer Rüstaufwand ge-
vorhergehenden Teilperiode . Die jewei- genüber [12].
lige Bestandsänderung ergibt sich aus den Zu- • Durch Losüberlappung (lot streaming) kön-
gängen der vorgelagerten und den Abgängen nen Lose stufenüberlappend gefertigt wer-
der nachgelagerten Fertigungsstufe: den. Das heißt, dass mit der Bearbeitung
eines Teils des Loses bereits begonnen wird,
ohne dass die Fertigung der Gesamtmenge
dieses Loses auf der vorgelagerten Stufe be-
Der Pufferzugang beträgt 1, wenn ein Ar- endet ist (partieller Lostransport) [12].
tikel von der Stufe in den Puffer transportiert
wird. nimmt dagegen größere Werte an, Die Bestimmung der Anzahl an Teillosen und
wenn Artikelbündel (z. B. volle Ladungsträger) deren Dimensionierung stellt eine zusätzliche
betrachtet werden oder Artikel von mehreren Planungsaufgabe dar und hat einen entschei-
parallelen Maschinen auf Stufe stammen. Ab- denden Einfluss auf die Höhe der Entkopp-
gänge entstehen dementsprechend, lungsbestände sowie auf die Durchlaufzeit ei-
wenn auf der Stufe Artikel oder Artikel- nes Auftrags [17].
bündel zur Bearbeitung von Auftrag bzw. des
Vorgangs benötigt werden. Vorausset- Heterogene parallele Maschinen
zung dafür ist ein hinreichend großer Bestand
im Entkopplungspuffer . Mit In der Standardform des FFS werden identische
lassen sich zudem Anfangsbestände parallele Maschinen betrachtet, wobei ein Vor-
berücksichtigen. In diesem Beitrag wird von gang auf jeder Maschine die gleiche Bearbei-
einem wahlfreien Zugriff auf die Artikel im Ent- tungszeit hat. In realen Produktionssystemen
kopplungspuffer ausgegangen. kommen jedoch für den gleichen Vorgang un-
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terschiedlich effiziente Maschinen zum Einsatz. Für den Fall, dass Rüstzeiten nicht nur von der
Ältere, weniger effiziente Maschinen benöti- Auftragsfolge, sondern auch von der betrach-
gen für die Bearbeitung des gleichen Vorgangs teten parallelen Maschine abhängig sind, wird
mehr Zeit als eine moderne Maschine, werden die Notation der Rüstzeiten um den Index der
aber aufgrund hoher Wiederbeschaffungskos- parallelen Maschine erweitert. In diesem
ten weiter betrieben. Fall muss für jede Maschine eine Rüstmatrix
aufgestellt werden.
Zur Abbildung unterschiedlich schnell arbei-
tender Maschinen werden im Folgenden he- Beschränkung von Maschinenalternativen
terogene parallele Maschinen betrachtet. Die
Fertigungsgeschwindigkeit, mit der ein Vor- Das Modell des FFS umfasst Produktionssys-
gang ausgeführt wird, ist dabei nicht nur von teme, bei denen zur Bearbeitung eines Vor-
dem zu fertigenden Auftrag, sondern auch von gangs mehrere parallele Maschinen auf einer
der Maschine, auf der der Vorgang bearbeitet Fertigungsstufe zur Verfügung stehen. Jeder
wird, abhängig. Im Standard-FFS beschreibt Artikel kann dabei auf alternativen Maschinen
die Bearbeitungszeit des Auftrags auf der produziert werden. Die Anzahl von Maschinen-
Stufe . Bei heterogenen parallelen Maschinen alternativen kann in realen Problemstellungen
wird die Bearbeitungszeit um den Index der pa- jedoch beschränkt sein [1]. Zur Abbildung von
rallelen Maschine erweitert. Zur Erfassung Produktionssystemen mit einer beschränkten
der unterschiedlichen Bearbeitungszeiten aller Anzahl von alternativen Maschinen pro Ar-
Aufträge wird eine zusammenfassende Dar- tikel wird die Einführung der Binärvariablen
stellung in Form einer Bearbeitungszeitmatrix vorgeschlagen. Ist die Bearbeitung des
pro Fertigungsstufe vorgeschlagen. Auftrags auf der Maschine auf der Stufe
Reihenfolgeabhängige Rüstzeiten
Wird eine Maschine zur Bearbeitung mehrerer Die Ursachen für eine Beschränkung der Ma-
Aufträge unterschiedlicher Artikel verwendet, schinenalternativen können vielfältig sein. Ei-
müssen oft Rüstvorgänge in Form von Werk- nerseits ist denkbar, dass die Bearbeitung eines
zeugwechseln oder Reinigungsprozessen Vorgangs auf einer Teilmenge der parallelen
vollzogen werden. Da das Rüsten mit einem Maschinen aufgrund von technischen Gege-
erhöhten Ressourcen- bzw. Personaleinsatz benheiten, z. B. durch den Einsatz von verschie-
und einem temporären Stillstand der Maschine denen Maschinentypen oder Werkzeugträ-
verbunden ist, verursacht jeder Rüstvorgang gern, nicht möglich ist. Andererseits können
Kosten. Diese Rüstkosten gilt es im Zuge einer einzelne Maschinen durch den Planer ausge-
optimierenden Maschinenbelegungsplanung schlossen werden, wenn die Produktion eines
zu minimieren. Artikels auf diesen Alternativen zwar möglich,
jedoch wegen eines hohen Ressourceneinsat-
Rüstzeiten werden als eine Erweiterung der zes oder einer langen Bearbeitungszeit unwirt-
Bearbeitungszeiten modelliert und können für schaftlich ist. Auch eine Mehrmaschinenbe-
jede Fertigungsstufe in einer Rüstmatrix dienung kann in Form einer Fertigungsmatrix
abgebildet werden, wobei für den Auftrag abgebildet werden.
steht, der vor der Bearbeitung von Auftrag
auf der Maschine gerüstet war. Der Rüstvor- Entwurf eines heuristischen Planungs-
gang zwischen zwei Aufträgen für identische modells zur Lösung realer Maschinen-
Artikel ist in der Regel nicht zu berücksichtigen belegungsprobleme
( ).
Zur Ermittlung von zulässigen Belegungsplä-
nen unter Beachtung der o. g. praxistypischer
Restriktionen soll nun ein heuristisches Ver-
fahren entwickelt werden. Dazu sind zunächst
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Mehrstufige Maschinenbelegungs-
planung an einem realen Anwen-
dungsbeispiel
Im Folgenden soll das oben aufgestellte Mo-
dell zur Abbildung von Maschinenbelegungs-
problemen mithilfe einer Simulationsunter-
suchung an einem realen Planungsproblem
verifiziert werden. Die Simulation wurde mit
dem APS-System Asprova® [18] ausgeführt.
Problembeschreibung
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Bild 16: Standardeinstel- Eine Variation der Parameter C und D liefer- Darüber hinaus wurde der Einfluss der ver-
lung der Stellgrößen des te kein neues Maximum. Die Untersuchung änderlichen Gewichtungen auf das Bewer-
Simulationswerkzeugs. des Parameters B liefert mit der Kombination tungsergebnis analysiert. Die am besten be-
wertete Parametereinstellung (0,1|2|1|1) hat
gegenüber der Standardeinstellung einen um
24 % höheren Zielfunktionswert (siehe Bild 18).
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Belegungsplan und damit eine optimierte Para- der einzelnen Kriterien auf. Für einen praktischen
metereinstellung ermittelt. Einsatz, bspw. in einem Produktionsleitstand, ist
eine Automatisierung des Bewertungsprozesses
Die Anwendung auf das reale Belegungsproblem notwendig. Gezeigt wurden ebenfalls die Inter-
zeigt die Stärken und Schwächen des Verfahrens. dependenzen der Belegungsplanung auf andere
Zum einen bietet der vorgestellte Ansatz zur Ab- Teilbereiche der Produktionsplanung, wie Los-
bildung des Produktionssystems mit praktischen größenplanung (Bildung von Teillosen) und La-
Restriktionen die Möglichkeit einer einfachen gerbetrachtungen (Entkopplungspuffer), was die
und standardisierten Vorgehensweise zur Auf- Notwendigkeit einer simultanen Planung dieser
nahme der Daten und somit zur Erstellung eines Bereiche unterstreicht.
detaillierten und konsistenten Simulationsmo-
dells. Zum anderen ist mit der Anwendung der Weiterhin bleibt festzuhalten, dass für eine ver-
Bewertungsmethodik die Auswahl eines opti- besserte Abbildung der Realität das vorgestellte
mierten Belegungsplans möglich. Allerdings tre- Vorgehen bspw. durch die Einbeziehung stochas-
ten durch die Verwendung eines Scoring-Modells tischer und dynamischer Problemstellungen er-
die verfahrensspezifischen Probleme einer sub- weiterbar ist, um Unsicherheiten wie Ausschuss-
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