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Jçrgen Zeiske

KYPHO¾-Training ± Das ganzheitliche Haltungsprogramm


Jçrgen Zeiske

KYPHO¾-Training
Das ganzheitliche Haltungsprogramm

Mit 66 Abbildungen in 106 Einzeldarstellungen


Dr. med. Jçrgen Zeiske
Facharzt fçr Orthopådie
Naturheilverfahren, Sportmedizin, Manuelle Medizin,
Ernåhrungsmedizin, Core-Energetik-Therapeut
NLP-Lehrtrainer (DVNLP)
Lehrtherapeut der Deutschen Gesellschaft
fçr Neurolinguistische Psychotherapie
Pråsident der Internationalen KYPHO¾-Gesellschaft
Steinstr. 1
67547 Worms

ISBN-10 3-7985-1669-3 Steinkopff Verlag Darmstadt


ISBN-13 978-3-7985-1669-4 Steinkopff Verlag Darmstadt

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° Steinkopff Verlag Darmstadt 2007
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SPIN 11844624 105/7231 ± 5 4 3 2 1 0 ± Gedruckt auf såurefreiem Papier
Vorwort

Viele Menschen leiden an Rçcken- und Nackenmuskelverspan-


nungen und an Schmerzen, die auf eine Fehlhaltung zurçck-
zufçhren sind. Diese immer wiederkehrenden Schmerzen und
die damit verbundene Einschrånkung der Beweglichkeit stel-
len fçr die betroffenen Menschen ein groûes Problem dar, das
sie oft ihr ganzes Leben lang begleitet. Fçr alle Physiothera-
peuten, Fitnesstrainer, Rçckenschullehrer und all die anderen
Helfer und Begleiter, die diese Schmerzen lindern wollen und
die den betroffenen Menschen dabei helfen wollen, sich dauer-
haft wieder schmerzfrei und wohl zu fçhlen, stellt dies eine
groûe Herausforderung dar. An diese Menschen richtet sich
dieses Buch.
Eine genaue Analyse zeigt nun, dass der Angelpunkt der
Fehlhaltung sehr oft eine verstårkte Vorbeugung nach vorn im
Bereich der Brustwirbelsåule ist, die selbst oft erstaunlich we-
nig Beschwerden macht, weil sie weitgehend fixiert ist. Die
beweglicheren Anteile der Wirbelsåule darçber im Nacken
und darunter im Bereich der Lendenwirbelsåule werden dann
oft zum Ausgleich der verhårteten vermehrten Vorbeugestel-
lung der Brustwirbelsåule benutzt und werden dann auf
Grund dieser Fehlbelastung und Ûberlastung schmerzhaft
gespçrt. Hinzu kommt, dass sich die vermehrte Vorbeugung
der Brustwirbelsåule sehr nachteilig auf die Atmung und da-
mit ± durch die geringere Sauerstoffversorgung ± auch direkt
auf den Energiezustand und die Vitalitåt des Menschen aus-
wirkt.
Herkæmmliche Gymnastikprogramme haben leider selten
zu einer nachhaltigen Haltungsverbesserung gefçhrt, da die
komplexen Zusammenhånge von Muskelverkçrzungen, Mus-
kelschwåchen, Atmung, Darmbewegungen und unseren Hal-
tungsgewohnheiten in ihren Zusammenhången nicht systema-
tisch erfasst und koordiniert mit veråndert wurden. Vor allem
die Wechselwirkungen zwischen der Kærperhaltung und der
psychischen Erlebensweise wird sehr håufig vernachlåssigt, so
VI z Vorwort

dass die Behandlungsansåtze dann nur teilweise und vorçber-


gehende Besserung bringen. Die beobachtete Zunahme dieser
Fehlhaltung und ihrer nachteiligen Folgen fçr den betroffenen
Menschen schaffen die Notwendigkeit fçr einen systemati-
schen Verånderungsansatz unter Berçcksichtigung aller we-
sentlichen Einflussfaktoren.
In diesem Buch werden deshalb die verschiedenen Kom-
ponenten, die ineinander greifen und dadurch die Fehlhaltung
bedingen und verstårken, beschrieben, und es werden jeweils
Verånderungsmæglichkeiten dargestellt. Aus dem Verståndnis
der komplexen Zusammenhånge heraus wird ein Ûbungspro-
gramm entwickelt, das es ermæglicht, schrittweise und unter
Berçcksichtigung des individuellen Ausprågungsgrads, der
Verhårtung des Gewebes und der vorliegenden Kompensati-
onsmechanismen eine individuelle Ûbungssequenz auszuwåh-
len.
Hierzu werden neben einer Erklårung der theoretischen
Zusammenhånge insbesondere Ûbungen zur Muskel- und Seh-
nendehnung, Ûbungen zur Muskelkråftigung, Atemçbungen
und eine verbesserte Ernåhrungsweise empfohlen. Aus den
beschriebenen Ûbungen ist jeweils eine individuell passende
Vorgehensweise abzuleiten, die dem ganz persænlichen Zu-
stand entspricht, denn keine Haltung ist wie die andere. So-
bald eine gesunde Haltung nach ausreichenden Dehn- und
Kråftigungsçbungen mæglich geworden ist, sind in einem
zweiten Schritt Strategien erforderlich, die die Prågung der
bisherigen schlechten Gewohnheitshaltung transformieren und
Kærperbild und Kærperempfinden veråndern, so dass die neue
gesunde Haltung als Normalhaltung empfunden und gewohn-
heitsmåûig eingenommen wird. Nur wenn auch die innere
Haltung und die Einstellung zum Leben zur neuen aufrechten
Kærperhaltung passen, wird sich die Verånderung als dauer-
haft und stabil erweisen. Auch hierfçr gibt dieses Buch mit
seinem ganzheitlichen Ansatz eine Anleitung.
Wenn die gesunde, der physiologischen Schwingung der
Wirbelsåule entsprechende Haltung mæglich und zur neuen
Gewohnheit geworden ist, haben sich auch die Atmung und
damit der Grad der Sauerstoffversorgung und der Energie-
und Vitalitåtszustand des Organismus verbessert. Damit diese
verbesserte Vitalitåt erhalten bleibt, sollte sie durch eine ge-
sunde Ernåhrung mit einer ausreichenden Zufuhr der notwen-
digen Vitamine und Mineralstoffe unterstçtzt werden.
Die neue Haltung ermæglicht eine volle Belastbarkeit des
Rçckens ohne haltungsbedingte Verspannungen und ohne
Vorwort z VII

Rçckenschmerzen. Der aufrechte Oberkærper und die offene


Brust erleichtern ein selbstbewusstes Auftreten und ± bildlich
gesprochen ± ein offenes Herz im Austausch mit anderen
Menschen. Dies fçhrt zwangslåufig auch zu anderen Reaktio-
nen der Mitmenschen und ermæglicht so als Folge des KY-
PHO¾-Programms eine neue Lebensweise und eine neue bes-
sere Lebensqualitåt.
Immer mehr ¹KYPHOsª werden als solche erkannt, und
das schafft die Motivation, etwas fçr die Haltung zu tun. Nach
der Stretching-Welle, nach der Body-Shaping-Welle und nach
der Ausdauertrainings-Welle kommt die ¹Haltungs-Welleª.
Immer mehr Menschen trainieren nicht, um dem Herz-
infarkt davonzulaufen oder um ihre Muskeln zeigen zu kæn-
nen, sondern immer mehr Menschen wçnschen sich eine auf-
rechte Haltung, die sie im Alltag selbstverståndlich und locker
beibehalten kænnen. So steigt die Nachfrage nach haltungs-
orientierten Konzepten und Trainingsangeboten. Dabei sind
die Mæglichkeiten von ¹Rçckenschuleª und ¹Wirbelsåulen-
gymnastikª weitgehend ausgenutzt, und es hat sich gezeigt,
dass diese Kurse die Haltungsproblematik nicht vollståndig
læsen konnten. Erst die Integration auch des Atemmusters und
der unbewussten Mechanismen der Bildung von Haltungs-
gewohnheiten im vorliegenden KYPHO¾-Programm schafft
die Læsung fçr dieses Bedçrfnis. Mehr und mehr wird dies er-
kannt, und damit steigt auch mehr und mehr die Nachfrage
nach der Begleitung durch erfahrene KYPHO¾-Trainer. Mehr
und mehr werden in den nåchsten Jahren in deutschen Kran-
kengymnastik-Praxen und Fitness-Studios haltungsorientierte
Kurse auf ganzheitlicher Basis gefordert werden, und dies ist
die Chance fçr den KYPHO¾-Trainer. Der Trend zum Hal-
tungstraining ist der Trend zum KYPHO¾-Programm. Hier
liegt die Zukunft.

Worms, im September 2006 Dr. med. Jçrgen Zeiske


Dank

Mein besonderer Dank gilt meiner Frau Martina fçr ihre Ge-
duld und ihre liebevolle Unterstçtzung, meinem Praxispartner
Dr. Andreas Rittchen fçr seine konstruktiven Vorschlåge beim
Entwickeln dieses Programms und den Physiotherapeuten und
Trainingsleitern Jærg Stimmel, Sabine Braun, Susan Schmieder
und Esther Lust fçr ihre engagierten und kompetenten Beitrå-
ge zu den praktischen Teilen dieses Programms.

Mein Dank gilt auch den Menschen, die sich bereit erklårt ha-
ben, als Fotomodelle mitzuwirken, den Freunden, die durch
kritische und konstruktive Beitråge wåhrend der Entstehungs-
zeit dieses Programms fruchtbare Auseinandersetzungen ange-
stoûen haben, und dem Verlag fçr seine kompetente und
groûzçgige Hilfe beim Umsetzen dieses Buchprojekts.
Inhalt

1 Einfçhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen . . . . . 9

3 Was ist das Entwicklungsziel? ±


Das gesunde Gegenstçck zum KYPHO . . . . . . . . . . . . . 21

4 Der Mensch ist, was er isst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl . . . . . . . . . . . . . . . . 35

6 Dehnungsçbungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte . . . . . . . . . . . . . . . . 71

8 Kråftigungsçbungen mit Geråten . . . . . . . . . . . . . . . . 85

9 Die Atmung des KYPHO und ihre Verånderung . . . . . . . 103

10 Stimme und Resonanz des KYPHO . . . . . . . . . . . . . . . . 109

11 Gewohnheiten durchbrechen
und neue Gewohnheiten stabilisieren . . . . . . . . . . . . . 111

12 Kursstunden-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

13 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer . . . . . . . . . . . . 133


XII z Inhalt

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Informationen zum KYPHO¾-Ausbildungsprogramm . . . 157

Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
1 Einfçhrung
¹Was ist das Schwerste von allem? Was dir das Leichteste dçnkt?:
Mit den Augen zu schauen, was vor den Augen dir liegt.ª
J.W. Goethe

Wenn wir uns in den Straûen umschauen, in den Schwimmbådern, auf


Veranstaltungen, im Alltag, dann sehen wir jetzt ± am Beginn des 21.
Jahrhunderts ± immer mehr Menschen, die in einer typischen Haltung
leben. Der Oberkærper ist nach vorne gebeugt, der Nacken ist verspannt.
Diese Haltung ist håufiger geworden. Wie es dazu kommt ± und welche
Gegenstrategien erfolgreich sind ±, davon handelt dieses Buch.
Der Angelpunkt ist hier die verstårkte Ausprågung oder Vorbeugung
der Brustwirbelsåule, die von den Orthopåden ¹Kyphoseª (nach dem
griechischen Wort ¹vtèudBª ± gebçckt, gekrçmmt) genannt wird. Und
wenn diese gebeugte Haltung mit eingefallener Brust, verminderter At-
mung und der dazu passenden inneren Haltung zur Gewohnheit gewor-
den ist, sprechen wir vom Typ des ¹KYPHOª. Von drei Menschen ist ei-
ner ein KYPHO, zeigt also diesen Impuls zur verstårkten Krçmmung des
Wirbelsåulenbereichs zwischen den Schulterblåttern und zum Verengen
und Verhårten des Brustbereichs. Einer von zehn Menschen ist ein aus-
geprågter KYPHO, so dass die Lebensqualitåt betråchtlich leidet.
Natçrlich ist der Ausprågungsgrad dieser Fehlhaltung bei verschiede-
nen Menschen sehr unterschiedlich. Und genauso unterschiedlich sind
auch die Wege, die die Menschen gefunden haben, um trotz dieser
Krçmmung und mit dieser Beugung ihren Mitmenschen ins Gesicht se-
hen zu kænnen. Der eine krçmmt den unteren Rçcken dagegen ± und
spçrt die ganze Zeit Kreuzschmerzen in seinem Hohlkreuz, der andere
krçmmt die Halswirbelsåule dagegen ± und klagt ståndig çber Nacken-
verspannungen (siehe auch Abb. 3), manche Menschen leiden unter bei-
dem.
Was wir als Verspannung und Schmerz spçren, ist die Gegenbewegung,
denn die kyphotische Krçmmung selbst tut zunåchst gar nicht weh. Aber
sie prågt unser gesamtes Da-Sein, wie jeder selbst einmal çberprçfen
kann, wenn er bewusst und aktiv diese Fehlhaltung einnimmt. Wenn wir
den Rçcken im Bereich zwischen den Schulterblåttern nach vorne
krçmmen und beide Schultern nach vorne ziehen, bekommen wir einen
Eindruck davon, wie der KYPHO sein ganzes Leben zubringt. Der Brust-
korb ist eingefallen, die Atmung wird flacher. Es kommt eine eigenartige
Verspannung in den Bereich des Brustbeins, die sich zunåchst in einem
2 z 1 Einfçhrung

a b

Abb. 1. a Die aufrechte Haltung;


b die leicht kyphotische Haltung;
c c die stark kyphotische Haltung
1 Einfçhrung z 3

a
b

c
Abb. 2 a±c. Die Aufrichtung der Wirbelsåule im Laufe der normalen Entwicklung (nach Debrun-
ner, ¹Orthopådieª). a Bei der Geburt ist die ganze Wirbelsåule noch weitgehend kyphosiert.
b Mit einem Jahr ist die Wirbelsåule bereits etwas aufgerichtet. c Die Wirbelsåule des Erwachse-
nen ist doppelt-S-færmig gekrçmmt.

unbestimmten Druckgefçhl åuûert, und unser Blick geht nicht mehr ge-
radeaus in die Augen unserer Mitmenschen, sondern zunåchst einmal
nach unten auf den Boden. Und erst, wenn wir an einer anderen Stelle
des Kærpers ± beispielsweise im Nacken ± die Muskulatur anspannen und
so in einem anderen Teil der Wirbelsåule eine ausgleichende Gegenbewe-
gung ausfçhren, geht unsere Blickachse wieder waagerecht nach vorne.
Aber was fçr ein Blick ist das? Die Augen haben durch die Anspannung
die Tendenz, etwas aufgerissen zu sein. Und doch sind sie seltsam leer,
nicht verbunden mit dem inneren Wesen. Auch der Mund hat durch die
Fehlhaltung von Nacken- und Kiefermuskeln die Tendenz zur leichten
Úffnung ± wie wenn er etwas erwartet. Und dies låsst auch ahnen, aus
welcher Zeit der Entwicklung dieses Haltungsmuster stammt. Es ist die
Såuglingsphase, in der diese Wirbelsåulenkrçmmung vorherrscht und in
der das Kind Nahrung und Zuwendung von seinen Eltern erwartet.
Und wenn ein Mensch einen groûen Teil dieser Erwartungshaltung in
seiner kærperlichen Struktur bis ins Erwachsenenalter bewahrt hat, dann
wird er dazu neigen, weiter zu erwarten: von seinem Partner, seiner Part-
nerin, von seinen Kollegen, von seinem Chef, von der Krankenversiche-
rung, vom Staat.
4 z 1 Einfçhrung

Vielleicht liegt hierin eine der Wurzeln fçr die verfahrene Situation un-
seres Sozialstaats. So entwickelt sich eine KYPHO-Kultur, eine Gesell-
schaft von ¹Erwartendenª.
Das eigene Empfinden von ¹Schlaffheitª çbertrågt sich auf das all-
gemeine Lebensgefçhl, es entwickelt sich eine Gesellschaft von ¹Schlaffisª.
Sprechen wir von der Haltung eines Menschen, so ist aus der Formu-
lierung allein nicht ersichtlich, ob wir seine Kærperhaltung oder seine in-
nere Haltung meinen. Im Auûen spiegelt sich das Innen. Wir sprechen
von einem aufrichtigen Menschen und beschreiben mit dem Wort Auf-
richtigkeit ursprçnglich einen kærperlichen Akt. Ein Tier kann nicht in
diesem Sinne aufrichtig sein, denn es hat sich noch nicht aufgerichtet.
Nun kennt der Mensch ¹von innenª nur seinen eigenen Kærper, eine
andere Kærperlichkeit hat er ¹von innenª nie kennengelernt. Und solange
diese seine Kærperstruktur von einer Erwartungshaltung geprågt ist und
sie seine einzige empfundene Realitåt ist, solange hat er seinem tief und
meist unbewusst empfundenen inneren Mangelgefçhl nicht wirklich et-
was entgegenzusetzen. Schuld sind dann oft die anderen. Der Partner
funktioniert nicht, der Chef ist ungerecht, die Krankenkasse bezahlt nicht
genug, der Staat nimmt mehr als er gibt.
Und wenn der Kærper seit 20, 30 oder 40 Jahren diesen Impuls zum
Erwarten in der Tiefe der Brust bewahrt hat, ist die KYPHO-Haltung ver-
festigt. Jahrzehntelang hat sich der KYPHO nur um dieses ¹Herzstçckª
herum bewegt, es ist ihm zur Natur geworden. Unbewusst und selbstver-
ståndlich. ¹So bin ich eben!ª Und geklagt hat er immer nur çber die
Schmerzen und Verspannungen oberhalb und unterhalb seines KYPHO-
Stçcks und çber die anderen, die seine ± oft unbewussten, zumindest un-
ausgesprochenen ± Erwartungen nicht erfçllen.
Nun ist es an der Zeit zur Neuorientierung. Die Kassen des Sozialstaats
sind leer, der Ruf nach mehr Eigenverantwortlichkeit der Menschen wird
laut. Wer im KYPHO-Impuls festhålt, kann dies nicht wirklich verstehen
± und wird sich nur weiter çber das Versiegen der åuûeren Quellen be-
klagen. Natçrlich ist auch hier nicht alles schwarz-weiû. Wer maximal in
der Fehlhaltung hångt, wird's çberhaupt nicht verstehen. Wer sich teilwei-
se aufgerichtet hat, wird ± mehr oder weniger stark ± noch den Impuls
zur Frustration und zum Beklagen in sich finden ± und doch schon ¹vom
Kopf herª ein Verståndnis fçr die Notwendigkeit der Selbståndigkeit zu-
lassen kænnen. Nur wer richtig tief durchatmen kann, findet in sich
gençgend Stårke, um sich dieser Situation wirklich gelassen zu stellen.
Nur wer sich locker aufrichten kann, kann dieses Mehr an Verantwortung
schultern.
Die Zunahme der Single-Haushalte zeigt, dass heute an immer mehr
Menschen die Anforderung gestellt wird, fçr sich allein im Leben zu ste-
hen. Auch im Bereich der Partnerschaft wird der Erwartungsimpuls, dass
ein Traumpartner die Wçnsche und Sehnsçchte erfçllt, in der Realitåt
1 Einfçhrung z 5

massiv frustriert. Und wer diese Erwartung in seiner Brust verspçrt,


muss sich ± wohl oder çbel ± neu orientieren.
Hierfçr ist dieses Buch geschrieben worden. Wer nach Jahrzehnten der
KYPHO-Haltung und des damit verbundenen inneren Gefçhls diese Ten-
denz zum verstårkten Krçmmen der Brustwirbelsåule bei sich entdeckt,
kann gar nicht ¹von alleinª eine andere Haltung einnehmen, sondern
wird allenfalls seine Ausgleichsmechanismen çberfordern. Alle dazu
gehærenden Gewebsstrukturen haben sich auf den seit der Kindheit und
Jugendzeit verhårteten Zustand eingestellt.
Und wenn ein guter Physiotherapeut einem betroffenen Menschen pas-
sende Dehnungsçbungen zeigt, wird der KYPHO diese Dehnung gar nicht
aufrechterhalten kænnen, weil seine Rçckenmuskulatur dazu zu schwach
ist.
Selbst wenn er sich dazu aufrafft, ein Muskelaufbauprogramm fçr den
Rçcken zu machen ± sei es ¹Wirbelsåulengymnastikª oder ¹Bodybuil-
dingª ±, wird er die Fehlhaltung noch zementieren. Er wird die verstårkte
Kyphose eher verfestigen und seine Muskeln drumherum aufbauen, wenn
nicht viele andere Aspekte mit berçcksichtigt werden, wie sie in diesem
Buch dargestellt sind. Gelingt es ihm nun, die gewohnte KYPHO-Haltung
ein wenig zu mindern, wird sich seine Atmung in ungewohnter Weise ver-
åndern ± und ihn recht schnell wieder in die gewohnte Haltung zurçck-
finden lassen, wenn das Atemmuster nicht gleichzeitig veråndert wird.
Richtet sich schrittweise die Haltung auf, dann wird die gesamte
Kærperspannung des betroffenen Menschen von seiner verånderten Hal-
tung und seiner tieferen Atmung beeinflusst. Er fçhlt sich viel vitaler und
kraftvoller. Sein Energieniveau veråndert sich hin zu mehr Wachheit,
mehr Energie, mehr Vitalitåt. Er kænnte ¹Båume ausreiûenª. Wer mit die-
sem Mehr an Energie nicht umzugehen gelernt hat, kann sein Energie-
niveau schnell wieder auf das gewohnte Maû herunterregeln und sich im
Alltagstrott verschleiûen. Oder er kann sein Leben mit Freude und Spaû
gestalten.
Letztendlich bleibt ein Faktor der Haltung einfach auch die ¹Gewohn-
heitª. Selbst wenn die Brust gedehnt und mit Energie gefçllt ist, wenn die
Rçcken- und die Schultermuskulatur gekråftigt sind, das Becken frei
schwingt, die Atmung voll und frei ist und die Ernåhrung und die Ver-
sorgung des Kærpers mit Vitalstoffen optimal sind, bleibt eine Neigung
zum Verharren in alten Gewohnheiten. Unser Haltungsmuster ist unserem
Kærperbild und Kærperempfinden unbewusst tief eingegraben, und es be-
darf auch einer gezielten Verånderung dieser unbewussten Haltungs-
gewohnheiten, um aus einem KYPHO einen ORTHO zu machen, einen
aufrechten Menschen, dessen Becken, Brust und Kopf locker und dyna-
misch ums Lot schwingen.
Gelingt es nicht, die unbewussten Haltungsgewohnheiten zu veråndern,
ist alles andere verlorene Liebesmçh, zumindest Stçckwerk. Gewohnhei-
6 z 1 Einfçhrung

ten zu veråndern ist mit das Schwierigste im Leben. Und doch liegt hier
der Schlçssel fçr den Erfolg des gesamten Programms fçr den KYPHO.
Mit gezielten Strategien muss individuell ein neuer Haltungsimpuls ver-
ankert werden, und so wird eine aufrechte menschengemåûe Haltung zur
neuen Gewohnheit.
KYPHOs unterscheiden sich zum einen im Ausprågungsgrad dieser
Fehlhaltung, ob die KYPHO-Haltung nur angedeutet ist, ob sie deutlich
erkennbar oder sogar massiv ausgeprågt ist.
KYPHOs unterscheiden sich auch darin, wie verhårtet die Fehlhaltung
und die Enge des Brustbeinbereichs sind. Beim einen ist das Gewebe
weich und auf sanften Druck vollståndig ausgleichbar, beim anderen ist
das Gewebe gånzlich verhårtet und starr, und es ist kaum mehr ein Auf-
dehnen mæglich. Der obere Brustkorb låsst dann auch kaum noch Atem-
bewegungen zu, der Mensch kann gar nicht mehr richtig tief durchatmen
und lebt immer auf einem niedrigen Sauerstoff- und Energieniveau. Die
Folge ist: Er fçhlt sich mçde und abgeschlagen ± und kennt es nicht an-
ders. ¹So ist das Leben.ª
Darçber hinaus unterscheiden sich KYPHOs auch in der Art, wie sie
ihre Fehlhaltung der Brustwirbelsåule kompensieren, um geradeaus
schauen zu kænnen. Viele KYPHOs gehen den einfachsten Weg, indem sie

a b

Abb. 3. a Die verstårkte Brustwirbelsåulenkrçmmung wird vor allem im Bereich der Halswirbel-
såule kompensiert. b Die verstårkte Brustwirbelsåulenkrçmmung wird vor allem im Bereich der
Lendenwirbelsåule kompensiert.
1 Einfçhrung z 7

die Nackenmuskulatur anspannen und den Kopf quasi zum Ausgleich


permanent in den Nacken legen. Oft fållt dann die KYPHO-Haltung auf
den ersten Blick gar nicht mehr auf, und alles scheint in Ordnung. Nur
macht die Nackenmuskulatur das nicht auf Dauer mit. Vor allem wenn
zusåtzliche Verspannungsimpulse dazu kommen, treten Nackenschmerzen
auf ± sehr oft beim Arbeiten am PC, manchmal auch einfach durch das
Bedçrfnis, sich in einer schwierigen Situation zu ¹behauptenª und ¹den
Kopf oben zu behaltenª. Dies fçhrt dann oft zu Schmerzen des gesamten
Rçckens oder auch zu starken Kopfschmerzen, zu Schwindel und Konzen-
trations- und Aufmerksamkeitsstærungen. Und das fçhrt dann zum Arzt
oder zum Physiotherapeuten.
Ein anderer KYPHO braucht den Kopf gar nicht in den Nacken zu le-
gen, weil er im Bereich des unteren Rçckens ¹ins Hohlkreuzª geht. Auch
so kann ein Gegengewicht zur KYPHO-Krçmmung geschaffen werden ±
und dann entstehen bald Schmerzen in dem Bereich, wo die Lendenwir-
belsåule an das Kreuzbein stæût. Und Verschleiûerkrankungen in diesem
Bereich sind in Deutschland die håufigste Einzelursache dafçr, dass Men-
schen vorzeitig erwerbsunfåhig werden! Der volkswirtschaftliche Schaden
liegt jedes Jahr bei weit çber 10 Milliarden Euro!
Und noch eine Konsequenz kann die KYPHO-Haltung haben: Manche
KYPHOs haben so wenig stabiles Kærperempfinden im Rumpfbereich,
dass sie dazu neigen, die Knie durchzudrçcken und die Beine anzuspan-
nen, um sich zu stabilisieren. Selbstredend kann das natçrlich mit der
Zeit zu Knieschmerzen und einem unangenehmen Spannungsgefçhl in
den Beinen fçhren. Oft neigen die Beinmuskeln und -sehnen dann auch
zu Verkçrzung und Verhårtung. Ein im KYPHO-Programm erfahrener
Physiotherapeut wird dies erkennen und individuell gezielte Lockerungs-
und Dehnungsçbungen vorschlagen. Erfolg werden diese Ûbungen jedoch
nur haben, wenn es gelingt, den Angelpunkt der Fehlhaltung des KYPHO
dauerhaft zu veråndern und damit die innere Ursache des Bedçrfnisses
nach dem Durchdrçcken der Beine zu beseitigen.
Selbstverståndlich unterscheiden sich KYPHOs auch in ihrem Bauch-
umfang. Und der Bauch ist fçr viele Menschen ein wunder Punkt, wenn
sie sich im Spiegel betrachten. Die åuûere Bauchform veråndert sich mit
der Aufrichtung des KYPHO. Mehr noch und nachhaltiger veråndert sich
der Bauch mit einer Verånderung des Darminhalts ± und damit mit der Er-
nåhrung und der Darmperistaltik. Unsere Haltung wird stark davon beein-
flusst, wenn wir beispielsweise bei schlechter Ernåhrung und Verdauung ei-
nen Bauch voller Darmgase vor uns her tragen. Das Zwerchfell wird durch
die Gase nach oben gedrçckt und in seiner Beweglichkeit eingeschrånkt. Da
ein KYPHO in dieser Situation dann weder gut mit dem Zwerchfell noch
mit der Rippenmuskulatur atmen kann, wird er bei Belastungen ganz
schnell Atemnot verspçren und ins Keuchen kommen. Und er wird sich ge-
blåht fçhlen und ein bisschen tråge, mçde und lustlos.
8 z 1 Einfçhrung

Bei KYPHOs mit schlaffer Haltung und schlaffen trågen Dårmen bleibt
der Darminhalt besonders lange im Darm, der Darm ist voll und schwer.
Auch dieser çbervolle Bauchraum prågt die Haltung und muss bei einer
nachhaltigen Haltungsverånderung individuell erkannt und berçcksichtigt
werden. Dies zeigt die groûe Bedeutung der Ernåhrung und Verdauung
im KYPHO-Verånderungsprogramm. Die gewohnte Ernåhrung in
Deutschland ist oft so unzureichend und belastend, dass es zwar zum
Ûberleben reicht, aber fçr eine dauerhaft andere Kærperspannung und
eine aufgerichtete Haltung, ein veråndertes Atemmuster und die damit
einhergehenden mentalen und psychischen Verbesserungen vielfach die
nætige Vitalitåt und die essentiellen Bausteine fehlen.
Ein aufgerichteter, aufrechter ehemaliger KYPHO hat nun nåmlich eine
gesunde Spannung im Rçcken, denn die Muskulatur des unteren und des
oberen Rçckens ist kråftig und gut durchblutet. Seine Brust ist weit und
bewegt sich locker mit seinem vollen Atem. Seine offene Brust låsst ein
herzliches Empfinden fçr Geben und Nehmen zu, der Volksmund spricht
von einem ¹offenen Herzenª, was ein warmes lebendiges Gefçhl im Brust-
raum voraussetzt.
Er ruht gelassen und im Lot der Schwerkraft in seinem Kærper und
kann seinen Mitmenschen ohne kompensatorische Anspannung offen in
die Augen schauen. Dies låsst einen ganz anderen Kontakt zu den Mit-
menschen zu ± und læst andere Reaktionen aus. Und in der Dynamik
zwischen dem Gefçhl der eigenen Weite, Stabilitåt, Offenheit und Herz-
lichkeit einerseits und den verånderten Reaktionen der Umwelt anderer-
seits entsteht fçr den aufgerichteten ehemaligen KYPHO ein viel reicheres
Leben und Erleben. Letztlich sind die vielfåltigen bereichernden Mæglich-
keiten, die sich hieraus in allen Lebensbereichen ergeben, die eigentliche
Frucht des KYPHO-Verånderungsprogramms.
Und eine Gesellschaft aufrechter selbstbewusster Menschen mit einem
offenen Herzen wird eine andere Gesellschaft sein, die ¹Gesellschaft von
Morgenª.
2 Was ist ein KYPHO? ±
Orthopådische Grundlagen
¹Es gibt keine unheilbaren Krankheiten,
nur unheilbare Menschenª.
Bernie Siegel, M.D.

In der Entwicklung vom Vierfçûler zum teilweise aufgerichteten Uraffen-


menschen und weiter zum aufrechten Menschen der Neuzeit hat die Evo-
lution eine Wirbelsåule mit einer ganz charakteristischen Krçmmungs-
folge entstehen lassen, was fçr die Funktion der Wirbelsåule hinsichtlich
Belastbarkeit und Beweglichkeit mechanisch gesehen ein optimaler Kom-
promiss ist.
Die gesunde Schwingung der Wirbelsåule zeigt eine zum Bauch hin ge-
wælbte Krçmmung im Bereich der Lendenwirbelsåule, eine zum Rçcken
hin gebogene Krçmmung der Brustwirbelsåule und eine zum Kehlkopf
hin schwingende Krçmmung der Halswirbelsåule (siehe Abb. 2 c). Die
nach vorn gebogene Krçmmung der Lendenwirbelsåule und der Halswir-
belsåule wird als Lordose bezeichnet, eine nach hinten gewælbte Krçm-
mung der Wirbelsåule, wie sie fçr die Brustwirbelsåule normal ist, wird
als Kyphose bezeichnet.
Die Krçmmungen sind vor allem stabilisiert durch bindegewebige
Bandstrukturen und durch Muskeln.
Ein Zuwenig an Krçmmung in jedem Abschnitt wie beim ¹Flach-
rçckenª verschlechtert die Stoûdåmpfungsfunktion der Wirbelsåule und
beeintråchtig die Belastbarkeit, was mit den Jahren und Jahrzehnten zu
vorzeitigen Ûberlastungserscheinungen und frçhen Verschleiûverånde-
rungen fçhrt. Frçher oder spåter fçhrt dies zu Schmerzen und schlieûlich
zum Arzt.
Aber auch ein Zuviel an Krçmmung wie beim Rundrçcken und beim
hohlrunden Rçcken verschlechtert die Funktion und Belastbarkeit, da so
die Haltestrukturen verstårkt belastet werden. Bånder und manche Mus-
keln sind çberdehnt und schlaff, ± und andere Bånder und Muskeln sind
verkçrzt und geschrumpft.
Dies gilt fçr alle drei Abschnitte der Wirbelsåule: Lendenwirbelsåule,
Brustwirbelsåule und Halswirbelsåule. Das Ausmaû der Krçmmung der
Lendenwirbelsåule wird nun stark mitbestimmt von der Haltung des Be-
ckens, das gewohnheitsmåûig verstårkt nach vorne oder vermehrt nach
hinten gekippt sein kann oder locker um eine Mittelstellung schwingen
kann. Und die Beckenhaltung ist nun wiederum bestimmt durch Band-
und Muskelstrukturen in den Beinen und um das Hçftgelenk.
10 z 2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen

Abb. 4. Muskulåre Zuggurtungen


beim aufrecht stehenden Menschen

Abb. 5. Haltungsformen:
a Normalhaltung,
b Rundrçcken,
c hohlrunder Rçcken,
a b c d d Flachrçcken
2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen z 11

Die Halswirbelsåule ist der beweglichste Abschnitt der Wirbelsåule. Im


Alltag stellt sich die Kopfstellung, die das Ausmaû der Krçmmung wåh-
rend der meisten Zeit des Tages bestimmt, çberwiegend dadurch ein,
dass wir zur Orientierung geradeaus schauen, die Blickachse mithin an-
nåhernd waagerecht verlåuft. Beeinflusst werden die ¹Nackenstellreflexeª
auch durch unsere Augen. Am deutlichsten zeigt sich dies bei Menschen,
die schielen! Auûerdem wird die Spannung unserer Nackenmuskulatur
durch unser Gleichgewichtsorgan beeinflusst, das im Bereich des Innen-
ohrs liegt und uns bei Funktionsstærungen schnell das Gefçhl des
Schwindels oder Schwankens empfinden låsst. Und so wie Funktions-
stærungen der Augenmuskeln und des Gleichgewichtsorgans sich auf die
Nackenmuskulatur und deren Spannungszustand auswirken kænnen, so
kænnen auch ein verånderter Spannungszustand der Nackenmuskulatur
und damit eine verånderte Halswirbelsåulenhaltung sich auf unsere Ori-
entierung im Raum auswirken und zu Schwindelempfindungen beitragen.
Und da eine chronisch verspannte Nackenmuskulatur auch zu schmerz-
haften Verhårtungen neigt, werden bei Fehlhaltungen und Fehlspannun-
gen der Muskulatur frçher oder spåter auch Muskelschmerzen spçrbar.
Dies wirkt sich dann auch auf die umgebenden Muskelstrukturen wie die
Schultermuskulatur, die Schulterblattmuskulatur, die vordere Halsmusku-
latur und die Schluck- und Kaumuskulatur aus und læst hier Verspannun-
gen, Schmerzen und Funktionsstærungen aus, beispielsweise Bewegungs-
einschrånkungen und Schluckstærungen. Typischerweise fçhren Verspan-
nungen der oberen Hals- und Nackenmuskulatur auch zu Kopfschmerzen,
zunåchst im Hinterkopfbereich, håufig jedoch sich ausbreitend çber den
gesamten Kopf bis in den Bereich von Stirn und Schlåfen (siehe auch
Abb. 3 a). Oft sind diese Kopfschmerzen dann der Grund dafçr, dass der
betroffene Mensch einen Arzt aufsucht, der dann diesen Kopfschmerz
hoffentlich nicht nur mit Tabletten und Massagen lindert, sondern das
Ûbel an der Wurzel anzupacken gelernt hat, am Angelpunkt der Fehlhal-
tung im KYPHO-Bereich.
Liegt zum Beispiel im Stehen das Kærpergewicht fast nur auf den Fer-
sen, sind die Knie gezwungen, sich fest durchzudrçcken. Das Becken be-
kommt dann eine Tendenz zum Kippen nach vorne, es sinkt in seinem
vorderen Bereich nach unten ± zum Bild des ¹Hohlkreuzesª. Und dann
muss die untere Rçckenmuskulatur vermehrt arbeiten, und die Bauch-
muskulatur wird gedehnt.
Das ¹normaleª Ausmaû der kyphotischen Brustwirbelsåulenkrçmmung
wird in verschiedenen orthopådischen Lehrbçchern unterschiedlich be-
schrieben. Jåger/Wirth geben eine Schwankungsbreite der ¹normalen Ky-
phoseª von 25 bis 458 nach Cobb an (Jåger/Wirth, ¹Praxis der Ortho-
pådieª, Seite 700). Nach der Literaturrecherche von Oliver Schmitt (¹Die
nicht traumatische Kyphose der Wirbelsåuleª) wird das normale Ausmaû
der Kyphose bei Jugendlichen zwischen 208 und 408 und bei Erwachse-
12 z 2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen

Lockere Knie Durchgedrçckte Knie


Abb. 6. Durchgedrçckte Knie færdern eine Kippung des Beckens nach vorne und damit ein
Hohlkreuz.

nen zwischen 26 und 468, bei anderen Autoren von 30 bis 508 angegeben.
Was im individuellen Fall eine ¹normaleª kyphotische Krçmmung dar-
stellt, ist immer auch von der individuellen Form der Brustwirbelkærper
und von strukturellen und funktionellen Aspekten von Lenden- und Hals-
wirbelsåule abhångig, so dass eine Kyphose von beispielsweise 408 bei ei-
nem Menschen auf Grund seiner groûen Beweglichkeit von Lenden- und
Halswirbelsåule problemlos und beschwerdefrei ausgeglichen werden
kann und somit noch als normal gelten darf, wohingegen dasselbe Ky-
phoseausmaû bei einem anderen Menschen die Kompensationsfåhigkeit
von Lenden- und Halswirbelsåule bereits çberbeanspruchen kann, so dass
es hier zu Beschwerden kommt und die Wirbelsåulenkrçmmung somit
nicht mehr als ¹normalª angesehen werden kann. Immer aber ist zu be-
achten, ob die Krçmmung sich gleichmåûig und quasi harmonisch auf
die gesamte Wirbelsåule verteilt oder ob bestimmte Segmente die Harmo-
nie stæren, indem sie abgeflacht und unbeweglich oder aber ± wie beim
typischen KYPHO ± verstårkt gekrçmmt und in ihrem Bewegungsausmaû
stark eingeschrånkt sind.
Und ebenso ist das Augenmerk darauf zu richten, ob der KYPHO
schlaff ¹in seinen Båndern hångtª oder ob bereits eine chronische Mus-
kelverspannung als Kompensationsversuch eingesetzt hat. Zu unterschei-
den ist auch, ob der kyphotische Rçckenbogen sich in das Becken fort-
setzt, so dass quasi das Schambein und die unteren Beckenanteile nach
vorne geschoben werden, was håufig ist, ± oder ob das Becken mit seinen
2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen z 13

1 2 3 4 5

Abb. 7. Ûbersicht der Haltungsschwåchen. 1 Rundrçcken mit normaler Beckenhaltung, 2 Total-


rundrçcken mit Beckenkippung nach hinten, 3 Rundrçcken mit Beckenkippung nach vorne,
4 kurzbogiger Hohlrundrçcken mit Beckenkippung nach vorne, 5 Flachrçcken mit leichter Be-
ckenkippung nach hinten

oberen Anteilen, den Beckenkåmmen, nach vorne gekippt wird und die Ge-
samtstatik der Wirbelsåule dann zusåtzlich durch ein Hohlkreuz geprågt
wird. Auch hier sind verschiedene Ausprågungsgrade und verschiedene
Kombinationen der Fehlhaltung der Kærperabschnitte mæglich, so dass
die Analyse stets individuell und differenziert sein muss, was sich dann
in einer individuellen Abwandlung der Empfehlungen und in besonderen
Schwerpunkten des Ûbungsprogramms niederschlågt.
Eine leichte Kyphose ist normal und gesund fçr die Brustwirbelsåule.
Eine zu stark ausgeprågte Kyphose wird nun als ¹vermehrte Kyphoseª
oder als ¹Rundrçckenª bezeichnet ± und ist charakteristisch fçr den Ty-
pus, den wir als KYPHO bezeichnen.
Die doppelte S-Form der Wirbelsåule hat sich in der Evolution nicht
zufållig durchgesetzt. Auf Grund dieser doppelten S-Form kænnen gefahr-
los 10 ´ græûere senkrecht von oben einwirkende Kråfte aufgefangen wer-
den, ohne dass die Bandscheiben zerplatzen. Die Krçmmungen sind so
genial konstruiert, dass eine Wirbelsåule ohne Muskeln und Bånder
drumherum bei wissenschaftlichen Experimenten auch ohne Unter-
stçtzung frei stehen kann und etwa 2 Kilo zusåtzliches Gewicht am obe-
ren Ende aushålt, ohne umzukippen.
Unsere Haltung ist nun nichts Fixes und Konstantes, sondern bewegt
sich in einem durch den Zustand der Muskulatur und der Bandstruktu-
ren vorgegebenen Ausmaû. Man kann eine ¹passiveª und eine ¹aktiveª
Haltung unterscheiden. Bei der passiven Haltung låsst sich der Kærper
14 z 2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen

¹in die Bånder fallenª, das Becken schiebt sich dann oft nach vorne, der
Rumpf sinkt etwas in sich zusammen. Bei dieser Haltung werden die ver-
schiedenen Abschnitte in eine solche Lage zum Schwerpunktslot ge-
bracht, dass die Stabilisierung çberwiegend durch die Bånder erfolgt und
die Rumpfhaltemuskulatur so wenig wie mæglich beansprucht wird. Zu
einer solchen Haltung neigt ein Mensch, dessen Muskelspannung all-
gemein schwach ist, dessen Energieniveau niedrig ist und der tendenziell
eher geschehen låsst. Dies fçhrt dann typischerweise zum Totalrund-
rçcken. Falls das Becken ± z. B. auf Grund durchgedrçckter Knie ± nach
vorne gekippt wird, fçhrt dies hingegen zum Hohlrundrçcken.
Die ¹aktive Haltungª ist gekennzeichnet durch eine Muskelanspannung
mit Aufrichtung des Beckens, durch erhæhte Spannung sowohl der Gesåû-
als auch der Bauchmuskulatur, durch eine teilweise Aufrichtung der
Brustkyphose durch die Muskulatur des Rçckens und des Schultergçrtels,
im Extremfall bis zur militårischen Hab-Acht-Stellung: ¹Bauch rein ±
Brust rausª. Die Haltung nåhert sich damit dem Bild eines Flachrçckens,
und auch dies kann sich mit der Zeit verhårten und fixieren.
¹Haltungª ist die Momentaufnahme einer beweglichen Wirbelsåule ±
im Gegensatz zu fixierten ¹strukturellenª Formabweichungen bei einer
abschnittweise versteiften Wirbelsåule. Dabei prågt ± vereinfacht gesagt ±
die Summe der Haltungen, die die Wirbelsåule wåhrend des Wachstums
und spåter bei håufigen Alltagståtigkeiten wie zum Beispiel PC-Arbeit
einnimmt, schlieûlich die Form der Wirbelsåule. Von besonderer Bedeu-
tung ist somit zum einen die Wachstumsperiode, in der die Wirbelkærper,
die Bandscheiben und die Bandstrukturen ihre Erwachsenenform gewin-
nen. Zum anderen sind von besonderer Bedeutung die Haltungen, die wir
wåhrend långerer Phasen des Tages gewohnheitsmåûig einnehmen, unse-
re Gewohnheitshaltungen, und das Bewegungsausmaû der Wirbelsåule,
das wir bei alltåglichen Bewegungen wirklich ausnutzen. Und das ist bei
vielen Menschen nur ein Teil dessen, was mæglich wåre. Immerhin stellen
sich unsere bindegewebigen Strukturen mit den Jahren und Jahrzehnten
auf das ausgenutzte Bewegungsmaû ein, und so verhårtet und fixiert sich
die Wirbelsåule, so dass irgendwann die nicht ausgenutzten Bewegungs-
spielråume vom verhårteten Kærper gar nicht mehr eingenommen werden
kænnen. Und hier beginnt der Ûbergangsbereich vom Gesunden zum
Krankhaften, von der gewohnheitsmåûig eingeschrånkten Funktion zur
strukturellen Verånderung mit blockierten Bewegungsanteilen und all
den schmerzhaften Folgen, die die betroffenen Menschen dann in die
Praxen der Ørzte und Physiotherapeuten fçhren.
Wenn aus einer sogenannten ¹schlechten Haltungª ein ¹Schadenª ent-
steht, der frçher oder spåter zu Beschwerden fçhrt, so spricht man von
¹Haltungsschadenª. Hieraus ergibt sich die Bedeutung von Prophylaxe,
solange das volle Bewegungsausmaû mæglich ist, jedoch nur nicht voll-
ståndig ausgeschæpft wird, ± und von Behandlung, wenn die strukturellen
2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen z 15

Verånderungen eingetreten sind und sich die schmerzhaften Folgeschåden


mit der Zeit entwickeln. Und diese Entwicklung wird selbstverståndlich
durch eine ungçnstige Lebensweise, verbunden mit langem Sitzen in ge-
beugter Stellung, wenig Gehen, ungçnstigen Matratzen, langem Sitzen im
Auto und einseitigen Tåtigkeiten z. B. beim Maschineschreiben, bei Arbei-
ten am PC oder auch bei Arbeiten in Rumpfzwangshaltungen und beim
Heben schwerer Lasten ± verschlimmert und beschleunigt.
Fçr die Prognose eines Haltungsschadens wichtige Kriterien sind
z der genaue Wirbelsåulenabschnitt der hauptsåchlichen Formabwei-
chung,
z der Ort der kompensatorischen ausgleichenden Gegenschwingung,
z die Ursache der Formabweichung,
z die Beweglichkeit der Wirbelsåule,
z Muskulatur, Konstitution und Trainingszustand des Menschen,
z das biologische Alter des Menschen und damit der Grad von Stoff-
wechselablagerungen, der Grad der ¹Verschlackungª und die Regenera-
tionspotenz des Gewebes, stark beeinflusst durch die Ernåhrung und
die Schadstoffbelastung,
z die Vitalitåt des gesamten Organismus und damit sein Spannungs-
zustand und sein Energieniveau, beeinflusst durch die Sauerstoffversor-
gung und die Ernåhrung,
z der Grad der inneren Wachheit, die innere Dynamik, sich aktiv mit
den Lebensanforderungen auseinanderzusetzen, und die Motivation,
aktiv, dynamisch, selbstbewusst und aufrecht durchs Leben zu gehen
und sein Leben in jedem Augenblick selbst zu gestalten.

Haltungsschwåchen stellen funktionelle Beeintråchtigungen dar, die durch


gezielte kærperliche Ûbungen ausgeglichen werden kænnen. Haltungs-
schwåche ist keine Krankheit, sondern als Variante der Durchschnittsleis-
tungsfåhigkeit zu sehen, oft geprågt und verschlimmert durch die in die-
sem Buch dargestellten Einflussfaktoren Atmung, Ernåhrung, Vitalitåt
und geistig-seelische Grundeinstellung.
Haltungsschåden stellen strukturelle Verånderungen dar, die durch ak-
tive kærperliche Ûbungen durch den betroffenen Menschen allein nicht
mehr ausgeglichen werden kænnen und gezielt aufgedehnt und behandelt
werden mçssen. Auch hier kann die in diesem Buch dargestellte Vor-
gehensweise oft eindrucksvoll helfen.
In der Betrachtung des Rundrçckens unterscheidet man nun zunåchst,
welcher Abschnitt der Brustwirbelsåule eine verstårkte Krçmmung auf-
weist. Die gesamte Brustwirbelsåule kann gleichmåûig betroffen sein, in
jedem Bewegungssegment ist die Krçmmung dann leicht verstårkt. Oder
es sind nur einzelne Bewegungsabschnitte verstårkt gekrçmmt, und die
anderen sind normal oder gar zum teilweisen Ausgleich kompensatorisch
geringer gekrçmmt.
16 z 2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen

Nach der Ursache der Fehlkrçmmung unterscheidet man nun zum ei-
nen Krçmmungen, die auf eine krankhafte Form von einem oder mehre-
ren benachbarten Wirbelkærpern zurçckzufçhren sind. Dies liegt dann
vor, wenn beispielsweise ein Wirbelbruch in einer Art verheilt ist, dass
die vorderen Wirbelkærperanteile niedriger geblieben sind als die hin-
teren. Die Wirbelsåule hat somit in diesem Bereich einen Knick. Zu
einem åhnlichen Zustand kænnen eine Entzçndung eines Wirbelkærpers
fçhren, ein Tumor, eine sich lokalisiert verstårkt auswirkende Stoffwech-
selstærung oder auch eine anlagebedingte angeborene Fehlform eines
Wirbelkærpers. Zum anderen verstårken bestimmte Erkrankungen typi-
scherweise die Brustkyphose.
In den orthopådischen Lehrbçchern werden nach den Ursachen der
verstårkten Kyphose zahlreiche Formen unterschieden (nach Jåger/Wirth,
Seite 702):
z Posturale Kyphose ( Haltungsschaden)
z Scheuermann-Kyphose
z Angeborene Erkrankungen
± Segmentationsstærungen
± Wirbelbildungsstærungen
z Låhmungen
z Myelomeningozele
z Unfålle mit Wirbelbrçchen
z Entzçndliche Erkrankungen
± mit Abszessbildung
± mit abschnittweisen chronisch-entzçndlichen Verånderungen
wie z. B. beim Morbus Bechterew
z Operationsfolgen z. B. nach der Entfernung von Wirbeltumoren
z Nach Bestrahlung
z Metabolisch
± bei Osteoporose
± bei Osteogenesis imperfekta
z Entwicklungsstærungen
(wie z. B. bei Chondrodysplasie und Mukopolysaccharidose)
z Kollagenkrankheiten
z Tumoren
z Neurofibromatose

Der Morbus Scheuermann ist eine Stærung des Wirbelsåulenwachstums


mit Unregelmåûigkeiten in den knorpeligen Wachstumszonen zwischen
Bandscheiben und Deckplatten der Wirbel, die im Verlauf des Wachstums
zunehmen und insbesondere unter den Bedingungen hoher mechanischer
Beanspruchungen zu Schåden fçhren. Diese Schådigungen kænnen in ver-
schiedenen Ausprågungsgraden von nur diskreten Verånderungen bis hin
zur Maximalform mit mehreren Keilwirbeln auftreten. Diese Keilwirbel,
2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen z 17

deren Hæhe im vorderen Bereich deutlich niedriger als im hinteren Be-


reich ist, fçhren dann zu einer abschnittweisen stark vermehrten
Krçmmung mit ihren Folgen fçr die gesamte Statik. Diese Verånderungen
entstehen insbesondere vor und wåhrend des Wachstumsschubes vor der
Pubertåt, zu einer Zeit, da die mechanische Festigkeit des Wachstums-
knorpels infolge der hormonellen Umstellung herabgesetzt ist.
Die beim Morbus Scheuermann im Ræntgenbild sichtbaren Verånde-
rungen sind Folge von Einbrçchen der Wirbeldeckplatten, durch die
Bandscheibenmaterial in den Wirbelkærper hineingepresst wird, und von
Wachstumsstærungen; die typischsten Formen werden als Schmorl'sche
Knætchen bezeichnet. Mit der anschlieûenden Verknæcherung der Wachs-
tumsfugen verfestigt sich die Fehlform, und die bis dahin entstandenen
Deformitåten bleiben erhalten. Verånderbar sind dann lediglich die be-
nachbarten Strukturen, insbesondere das noch lockere Bindegewebe der
benachbarten Bewegungssegmente der Wirbelsåule.
Beim Morbus Scheuermann ist die Rçckenmuskulatur håufig schwach,
atrophisch und schlaff, manchmal auch schmerzhaft kontrakt. Je weiter
unten in der Wirbelsåule die Verånderungen lokalisiert sind, desto frçher
fçhren sie meist zu Beschwerden. Die mehr oder weniger ausgeprågte
Steifigkeit der krankhaft kyphotischen Abschnitte des Rçckens ist fçr den
Morbus Scheuermann charakteristisch und unterscheidet ihn deutlich
von reinen Haltungsvarianten mit freier Beweglichkeit der Wirbelsåule. Je
steifer der Rçcken ist, desto eher entstehen Beschwerden und desto
schwieriger ist die Behandlung.
Wåhrend des Wachstums gilt es, die geschwåchten Deckplatten vor zu
groûer mechanischer Belastung zu bewahren, bis sie nach Wachstums-
abschluss ihre normale Festigkeit erlangt haben. Alle græûeren Ûber-
beanspruchungen der Wirbelsåule wie das regelmåûige Tragen schwerer
Schulranzen, langes gebçcktes Sitzen und alle Formen schwerer Kinder-
arbeit sollten mæglichst vermieden werden. Regelmåûiges und abwechs-
lungsreiches Turnen ist gesund. Frçher wurden mehr als heute ± mit un-
befriedigendem Erfolg ± ¹Mahnbandagenª und ¹Geradehalterª verordnet,
die mit Båndern mehr die Schultern nach hinten ziehen als der Wirbel-
såulenkyphose entgegenzuwirken. Nur schwerste Formen mit schweren
strukturellen Wirbelsåulenverånderungen rechtfertigen das langjåhrige
Tragen eines Metall- oder Hartplastikkorsetts mit all seinen Auswirkun-
gen auf die kærperliche Entfaltung und seinen psychischen Belastungen
fçr den heranwachsenden Teenager. Die Ursache der Wirbelsåulenfehl-
form beeinflusst die Behandlung und begrenzt oft das bei der Korrektur
der verstårkten Kyphose erreichbare Ergebnis. Nur selten ± beispielsweise
bei einer knickfærmigen Kyphose durch einen Wirbelbruch oder einen
Wirbeltumor ± kann eine Operation dieses Wirbelsåulensegment befriedi-
gend aufrichten und wieder in die groûbogige gesunde Kyphose integrie-
ren. Auch manche angeborenen Knickbildungen durch eine Fehlform der
18 z 2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen

Wirbel kænnen operativ zumindest verbessert werden. Bei Stoffwechsel-


erkrankungen wie z. B. der Osteoporose kann der Knochenstoffwechsel
medikamentæs beeinflusst werden. Låhmungen bestimmter Muskel-
abschnitte bedçrfen einer differenzierten neurologischen Untersuchung
und eines individuellen Behandlungsplans zum Aufbau derjenigen Mus-
kelstrukturen, die trotz der vorliegenden Låhmungen auf Trainingsreize
ansprechen kænnen.
Auf jeden Fall ist bei einer Fehlform der Wirbelsåule und bei einer ein-
geschrånkten Beweglichkeit der Wirbelsåule eine orthopådische Unter-
suchung erforderlich. Hier ist insbesondere auf die Lokalisation und das
Ausmaû der Wirbelsåulenkrçmmungen, auf den Zustand der Schulter-
muskulatur und die Schulterhaltung, die kompensatorischen Gegen-
schwingungen, das Bewegungsausmaû der verschiedenen Wirbelsåulen-
abschnitte und die begrenzenden Faktoren bei eingeschrånkter Beweg-
lichkeit, auf strukturelle Verånderungen von Wirbelkærpern, Bandschei-
ben, Wirbelbægen, Bandapparat und Muskulatur und auf mægliche
Grunderkrankungen wie einen Morbus Bechterew, Osteoporose und ggf.
Operationsfolgen zu achten. Der Orthopåde braucht zu einer Beurteilung
neben der differenzierten Untersuchung der Wirbelsåule ein Ræntgenbild
zum Ausschluss struktureller Wirbelkærperverånderungen und ± je nach
Einzelfall ± ggf. das Ergebnis von Blutuntersuchungen, Informationen
zum Kalksalzgehalt der Knochen bei Verdacht auf Osteoporose und ggf.
Informationen zu Grunderkrankungen wie beispielsweise Kollagenosen
und Stoffwechselerkrankungen wie Gicht und Diabetes. Der Orthopåde
wird nicht nur eine Aussage zu kompensatorischen Fehlkrçmmungen
und zu umschriebenen Muskelatrophien und Muskelverspannungen tref-
fen kænnen, sondern wird in seiner Diagnostik auch den Beckenstand,
den Zustand der Bauchmuskulatur, Aspekte des Ernåhrungszustandes wie
z. B. Ûbergewicht und ggf. auch eine Einschrånkung der Atembewegun-
gen berçcksichtigen.
Ein Orthopåde kann sein Wissen um die berufliche Belastung des Pa-
tienten und ggf. einseitige Ûberbeanspruchungen und Hinweise auf eine
auffallend depressive oder zum Durchhalten neigende Grundhaltung des
Patienten in sein Gesamtbild einflieûen lassen und hieraus Schlussfolge-
rungen ziehen, mit denen er seinem Patienten beratend zur Seite stehen
kann. Er kann zunåchst keine individuellen Hinweise zur Auflæsung von
Gewohnheitshaltungen geben. Und auch fçr ein individuelles Behand-
lungsprogramm mit differenzierten Dehnungsçbungen und Muskelkråfti-
gungsçbungen unter Berçcksichtigung von Atemmuster und Ernåhrungs-
situation ist das typische Setting der orthopådischen Sprechstunde, das
durch eine Vielzahl von Patienten bei im Verhåltnis hierzu wenigen Or-
thopåden und dem daraus resultierenden Zeitdruck geprågt ist, çberfor-
dert. Hierzu bedarf es einer individuellen Begleitung, wie sie das vorlie-
gende ¹KYPHO¾-Programmª anbietet.
2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen z 19

In den Fållen, in denen die Untersuchung des Orthopåden eine spezi-


fische Ursache der verstårkten Krçmmung und Bewegungseinschrånkung
gezeigt hat, kann dieser nun die Grunderkrankung mit seinen Mæglich-
keiten von Schulmedizin und Naturheilkunde behandeln. So wird bei-
spielsweise ein Patient mit einem Morbus Bechterew im Rahmen seines
¹KYPHO¾-Programmsª neben einem Schwerpunkt auf Dehnçbungen und
Atemçbungen oft auch einer medikamentæsen Begleitbehandlung gegen
seine Schmerzen und zur Verringerung der entzçndlichen Aktivitåt des
Gewebes sowie auch einer passenden Ernåhrung unter ausreichender
Berçcksichtigung von Omega-3-Fettsåuren bedçrfen. In diesen Fållen
werden die begleitend durchzufçhrenden Elemente des ¹KYPHO¾-Pro-
grammsª individuell abgewandelt und unter orthopådischer Betreuung
durchgefçhrt.
Wenn die wesentliche Ursache der verstårkten Kyphose der Brustwir-
belsåule eine frische Keilwirbelfraktur eines oder mehrerer Wirbelkærper
ist, wie sie z. B. bei Tumoren, Entzçndungen und Osteoporose auftreten
kann, kænnen die betroffenen Wirbelkærper mit der Methode der Kypho-
plastie aufgerichtet werden. Im Anschluss an eine solche operative Be-
handlung ist ein sinnvolles und systematisches physiotherapeutisches
Nachbehandlungskonzept fçr den Gesamterfolg der Behandlung notwen-
dig, auch in diesen Fållen wird das KYPHO¾-Programm individuell ange-
passt.
Auch Seitverbiegungen der Wirbelsåule mçssen oft berçcksichtigt wer-
den. Eine vællig gerade Wirbelsåule in der Frontalebene ohne eine Verbie-
gung zur rechten oder zur linken Seite haben nur etwa 10% der Bevælke-
rung. Bei den anderen 90% sind ± zumeist abschnittweise ± Seitverbie-
gungen der Wirbelsåule zur Optimierung des individuellen Programms
von Dehn- und Kråftigungsçbungen zu beachten.
Es ist oft hilfreich, den Rçcken vor Beginn des Ûbungsprogramms mit
der Methode der dreidimensionalen Rçckenformanalyse zu vermessen
und ihn sodann mit einer computergestçtzten dreidimensionalen bildhaf-
ten Wirbelsåulenrekonstruktion in verschiedenen Ansichten zu analy-
sieren. Eine zweite Vermessung nach Abschluss des KYPHO¾-Programms
kann dann die individuellen Verånderungen anschaulich dokumentieren.
Neben der Wirbelsåulenhaltung und der Beckenhaltung ist insbesonde-
re auch die Haltung der Schultern von Bedeutung.
Die Schultern sollten frei beweglich sein, ohne von den Muskeln fixiert
zu werden, die sie mit dem Brustkorb verbinden. Die Schultern verbindet
man herkæmmlicherweise mit der Vorstellung von Arbeit und Verantwor-
tung: ¹Er trågt die Last der Welt auf seinen Schultern.ª Die Stårke eines
Mannes sieht man in breiten, muskulæsen Schultern. Die Schultern
kænnen nach hinten gezogen oder nach vorn fallen gelassen werden, sie
kænnen hochgezogen werden, zu schmal oder zu breit sein, sie kænnen
hången, rund sein oder mit zuviel Muskeln bepackt.
20 z 2 Was ist ein KYPHO? ± Orthopådische Grundlagen

Manche Menschen ziehen die Schultern hoch und zugleich nach vorn.
Man kann darin einen Rçckzug ins eigene Innere sehen, gleichsam ein
¹Einziehen des Kopfesª wie bei der Schildkræte. Sie ziehen buchståblich
den Kopf zwischen die Schultern.
Sind die Schultern nach vorn gezogen, so geht diese Haltung dann mit
einem eingefallenen Zustand des vorderen oberen Brustkorbs einher. Bei
vielen Mådchen werden, wenn die Brçste in der Pubertåt rasch wachsen,
die vielen Tabus der Gesellschaft hinsichtlich der Brçste als Sexualorgane
zu starken Einflussfaktoren auf die emotionale Entwicklung. Das kann da-
zu fçhren, dass die Brçste, der Brustkorb und die Schultern in einer Hal-
tung der Scham, der Verlegenheit und des Selbstschutzes eingezogen wer-
den.
Das heranwachsende Mådchen muss lernen, wie es mit seinen sich ent-
wickelnden Brçsten umgeht. Soll es sie stolz nach vorn strecken, indem
es die Schultern zurçcknimmt? Oder soll es die Schultern ganz nach vorn
beugen, damit die Brçste flach erscheinen und dadurch versteckt werden?
Was soll das Mådchen mit seinen Armen und Schultern tun, und wie soll
es sich gegençber seiner Mutter verhalten, die ihr die halbe Zeit predigt,
es mæge aufrecht stehen und gehen und stolz auf seinen Kærper sein, den
Rest der Zeit aber schimpft: ¹Spaziere nicht so herausfordernd in der Ge-
gend herum! Du darfst nicht so enge Pullover tragen!ª ?
3 Was ist das Entwicklungsziel? ±
Das gesunde Gegenstçck zum KYPHO
¹Ein gekrçmmter Rçcken ist aber nicht nur eine
verstårkte Kyphose der Brustwirbelsåule, sondern
auch Ausdruck eines gebeugten Menschen.ª
Peter Schwind

Bei der Mehrzahl der Menschen mit einer KYPHO-Haltung mit nach vorn
gezogenen Schultern und eingefallener Brust hat sich vor der KYPHO-
Fehlhaltung nie eine gesund aufgerichtete Haltung entwickelt. Es handelt
sich ± wie wir noch sehen werden ± um eine Entwicklungsstærung, so
dass es letztendlich die Aufgabe ist, eine fehlende Reifung zu unterstçtzen
und ihr Nachholen zu ermæglichen. Es handelt sich also meist nicht um
die Behandlung einer einmal aufgetretenen Erkrankung, sondern um das
Entwickeln eines Haltungsgleichgewichts in der Schwerkraftlinie, das sich
beim typischen ¹KYPHOª in der Kindheit und Jugend nie richtig ent-
wickeln konnte.
Im Gegensatz hierzu stehen die selteneren Fålle von Wirbelverletzun-
gen, Wirbeltumoren und umschriebenen Entzçndungen. In diesen Fållen
hat sich die kyphotische Fehlform ± zumeist dann abschnittweise ± mit
dem Auftreten der Erkrankung entwickelt und danach fixiert. Sie bedarf
somit eines auf den betroffenen Abschnitt der Wirbelsåule und die indivi-
duellen Auswirkungen fokussierten Behandlungsplans. Dies unterstreicht
die Bedeutung der orthopådischen Untersuchung und Beurteilung vor der
Durchfçhrung des komplexen ¹KYPHO¾-Programmsª.
Was ist nun das gesunde Entwicklungsziel der Aufrichtung? ¹Eine Hal-
tung ist gut oder schæn, wenn sie auf den Beschauer einen guten oder
schænen Eindruck macht.ª Dieser Hinweis, den Pitzen in seinem ¹Lehr-
buch der Orthopådieª (10. Auflage, 1968) gibt, hat sicher einen wahren
Kern. Der ¹KYPHOª, der mit eingefallener Brust und nach vorn gezoge-
nen Schultern den Hals nach vorne reckt, wird sicher nicht als schæn
empfunden. Unser Schænheitsideal ist immer noch geprågt von den Plas-
tiken der alten Griechen, die die Kærperproportionen studiert haben und
Ebenmaû mit einer kraftvollen und entspannten Aufrichtung ums Lot der
Schwerkraft verbinden.
Die Wirbelsåule des ¹ORTHOª (nach dem griechischen Wort ¹oèqWoBª
fçr aufrecht, gerade, richtig, aber auch fçr aufrichtig, wahr, angemessen
und glçcklich), wie wir das gesunde Gegenstçck zum ¹KYPHOª nennen
kænnen, zeigt keine Seitverbiegung der Wirbelsåule und ist ± von hinten
betrachtet ± gerade. Von der Seite betrachtet findet sich çber einem
locker in der Mittellage schwingenden Becken eine Doppel-S-Form der
22 z 3 Was ist das Entwicklungsziel? ± Das gesunde Gegenstçck zum KYPHO

Wirbelsåule, so dass das Lot durch den Kærper von der Seite gesehen
durch das Ohr, das Schultergelenk, das Hçftgelenk, das Kniegelenk und
das Sprunggelenk fållt, ohne dass ein Kærpersegment gegen die Schwer-
kraft nach vorne geschoben oder nach hinten gezogen wird (siehe
Abb. 4). Diese gesunde Balance aller Kærperabschnitte um das von der
Schwerkraft vorgegebene innere Lot des Kærpers wurde bereits in den
70er Jahren des letzten Jahrhunderts von Ida P. Rolf in Boulder, Colorado,
formuliert (siehe Ida P. Rolf: ¹Integration of human structuresª, Harper &
Row Publishers, 1978). Bewegt sich der Rumpf dynamisch um das innere
Lot, wird ein Minimum an Muskelkraft zum Aufrechterhalten der auf-
rechten Haltung gebraucht. Hingegen bedarf jede Abweichung vom Lot
einer ausgleichenden Mehranspannung der zurçckholenden Muskulatur
und legt damit den Keim fçr Verspannungen und Schmerzen.
Der solchermaûen aufgerichtete Rumpf ruht auf Beinen und Fçûen, bei
denen die vorderen und hinteren Muskeln im Gleichgewicht stehen. Die
Kniegelenke sind weder durchgedrçckt und somit nach hinten verriegelt
noch zu sehr gebeugt und damit nach vorn aus dem Lot gerutscht. Es
handelt sich um eine dynamische Haltung, bei der die gesamte Vitalkraft
fçr die Funktionen des Lebens, die Auseinandersetzung mit der Umwelt,
eingesetzt werden kann ± und nur ein Minimum an Kraft fçr das Auf-
rechterhalten der aufrechten Haltung gebraucht wird.
Mit dieser gesunden Haltung einher geht eine freie Atembewegung,
und zwar sowohl im Bereich des Zwerchfells als auch im Bereich der Rip-
pen, der Zwischenrippenmuskeln und der Atemhilfsmuskeln im Bereich
des Ûbergangs vom Brustkorb zum Hals. Dieser freie Atem versorgt den
Kærper bestmæglich mit Sauerstoff und schafft somit ein gleichmåûig ho-
hes Energieniveau. Die Zellen vegetieren nicht mit einem Minimum an
Sauerstoff, um ihre Grundfunktionen gerade mal so eben erfçllen zu
kænnen, sondern ein Optimum an Sauerstoffversorgung ermæglicht auch
ein Optimum an Zellfunktion. Dies heiût beispielsweise, dass die Leber-
zellen ihre Aufgabe der Entgiftung des Kærpers bestmæglich verrichten
kænnen. Die Muskelzellen kænnen ihre Halte- und Bewegungsarbeit
bestmæglich verrichten, die Hautzellen zeigen ein strafferes und gesçnde-
res Bild. Mit dem erhæhten Energieniveau, der verbesserten Atmung und
der damit verbesserten Herzleistung hat das Kreislaufsystem bessere Vo-
raussetzungen, den gesamten Kærper mit Sauerstoff und Vitalstoffen zu
versorgen. Dies geht damit einher, dass auch das Lymphsystem den
Kærper effektiver von Ablagerungen im Gewebe, von sogenannten Ge-
websschlacken, reinigen kann. Die verbesserte Sauerstoffversorgung ver-
bessert die Darmbewegungen und damit die Verdauung. Eine gesunde
ballaststoffreiche und vitalstoffreiche Ernåhrung tut ein çbriges dazu,
dass der Darm weder durch Blåhungen Atmung und Haltung beeintråch-
tigt, noch durch einige çberflçssige Kilo Darminhalt im Falle eines trågen
Darms den Bauchraum ausfçllt, den Organismus nach vorn aus dem Lot
3 Was ist das Entwicklungsziel? ± Das gesunde Gegenstçck zum KYPHO z 23

zieht und seinerseits Ursache einer vermehrten Spannung der Rçcken-


muskulatur zum Ausgleich des Zugs nach vorne ist.
Bei der Ernåhrung ist somit nicht nur auf eine angemessene Menge,
Frische und Vitalstoffversorgung, sondern auch auf ausreichend Ballast-
stoffe, Vitamine und Spurenelemente zu achten. Und natçrlich ist eine
çppige Mahlzeit am Abend, in einer Phase, wo der Tonus des gesamten
Kærpers zur Nacht abnimmt, alles andere als hilfreich fçr unser inneres
dynamisches Gleichgewicht. Berçcksichtigt man nun auch die Forderung
nach mehreren kleinen Mahlzeiten, so kommt man angesichts der heuti-
gen durchorganisierten Lebensweise der meisten Menschen schnell zum
Schluss, dass fçr viele Menschen eine wirklich ausgewogene und vitamin-
reiche Ernåhrung, die hohe Standards erfçllt, nur mit der Unterstçtzung
von hochwertigen Nahrungsergånzungsmitteln darstellbar ist, zumindest
an den Tagen, an denen wir nicht die Zeit finden, frisches Obst und
Gemçse frisch einzukaufen und unter Erhalt der Vitalstoffe schonend zu-
zubereiten.
Die beschriebene aufrechte Haltung ist dem ¹ORTHOª zur lockeren
und selbstverståndlichen Gewohnheitshaltung geworden. Und da sich die
åuûere Kærperhaltung, das Kærperempfinden und die innere Haltung, die
Einstellung zum Leben, gegenseitig beeinflussen, hat diese lockere auf-
rechte Gewohnheitshaltung sein Selbstgefçhl, sein Selbstbewusstsein, sein
¹Bewusstsein von sich selbstª als einer in sich ruhenden, lockeren, gelas-
senen Persænlichkeit geprågt. Hand in Hand mit einem Gefçhl der inne-
ren Weite und der Vitalitåt ist ihm ein aktives und dynamisches Leben
und Erleben zur Natur geworden. Mit diesem Lebensgefçhl tritt er seinen
Mitmenschen offen gegençber. Im lebendigen Gefçhl der inneren Weite,
Stårke und Vitalitåt erwartet er nicht primår vom anderen etwas, sondern
fçhlt sich in sich bereits reich. Dies spçren die Mitmenschen und sind
gern mit ihm zusammen. Im offenen Austausch ¹mit offenem Herzenª
entwickelt sich ein herzliches Miteinander.
Der derart in sich ruhende ¹ORTHOª findet leicht ein gesundes und
angemessenes Verhåltnis zum Geben und Nehmen, sowohl im Bereich
der persænlichen Partnerschaften wie auch in seinen anderen sozialen Be-
ziehungen.
Da er seine Kraft nicht zum Ausgleich von Dysbalancen einsetzen
muss, bleibt ihm mehr Kraft fçr die Gestaltung seines Lebens. Da er we-
der von einem vollen trågen Darm nach unten gezogen wird noch mit
blockierter Atmung nach dem reinen Ûberleben auf niedrigem Energie-
niveau trachtet, hat er ein freies inneres Potenzial zum Ausdruck seiner
Fåhigkeiten. Bei optimaler Sauerstoff-, Vitalstoff- und Energieversorgung
kann er seine lebendige innere Dynamik und Vitalitåt voll in seine Selbst-
entfaltung und den kreativen und dynamischen Ausdruck seiner Persæn-
lichkeit lenken. Dies und das innere Gefçhl des ¹offenen Herzensª erzeu-
gen ein spontanes Gefçhl der inneren Freude und Gewissheit.
4 Der Mensch ist, was er isst
¹Wenn man seine Gesundheit verliert, zåhlt Berçhmtheit nichts,
wird Kunst schmåhlich, Stårke unnçtz, Reichtum nutzlos
und Beredsamkeit machtlos.ª
Hirophilus, ca. 300 v. Chr.

Wir werden çberreichlich satt, hungern jedoch håufig nach lebenswichti-


gen Nåhrstoffen.
Ernåhrung ist heute einfacher als frçher. Die Supermårkte quellen
çber, wir kænnen in den reichen Industrienationen aus einer Fçlle aus-
wåhlen, was das Herz begehrt und auf was der Gaumen Lust hat. Wie viel
schwieriger hatten es da unsere Vorfahren, die sich einst als Jåger und
Sammler quasi den ganzen Tag um die nåchsten Mahlzeiten kçmmerten.
Die damalige Lebensweise brachte einen enorm hohen Energiebedarf mit
sich, und unsere Vorfahren deckten diesen mit dem, was sie fanden und
erlegten. Ihre Lebensmittel waren weder kunstgedçngt noch mit Pflanzen-
schutzmitteln gespritzt. Sie wurden nicht lange gelagert, konserviert, pas-
teurisiert, gepækelt oder bestrahlt.
Und wåhrend sich unser Organismus und unser Darm seither gar nicht
so drastisch geåndert haben, sind wir heute auch auf deutschen Mårkten
mit ganz anderen ¹Lebensmittelnª konfrontiert als anno dazumal.
Die Tendenz zur Verånderung unserer Nahrungsmittel geht rasend
schnell weiter. Immer mehr genverånderte Produkte landen auf unserem
Tisch, und gleichzeitig nimmt der Gehalt an Vitaminen und lebensnot-
wendigen Spurenelementen rapide ab. Eine Untersuchung hat gezeigt,
dass in im Jahre 2002 angebotenen Frçchten und Gemçsen im Vergleich
zu den Jahren 1985 und 1996 nur noch ein Teil der damals durchschnitt-
lich in Lebensmitteln gefundenen Nåhrstoffe und Vitamine enthalten wa-
ren.
26 z 4 Der Mensch ist, was er isst

Ernåhrungssituation
Vergleich zwischen einer 1985 erstellten Studie und den 1996 und 2002 in
einem Lebensmittellabor ermittelten Werten in Obst und Gemçse:
Mineralien Untersuchte Ergebnis Ergebnis Ergebnis Differenz
u. Vitamine Inhaltsstoffe 1985 1996 2002
je 100 g 1985±1996 und 1985±2002
Lebensmittel
z Brokkoli Calcium 103 33 28 Minus 68% Minus 73%
Folsåure 47 23 18 Minus 52% Minus 62%
Magnesium 24 18 11 Minus 25% Minus 55%
z Bohnen Calcium 56 34 22 Minus 38% Minus 51%
Folsåure 39 34 30 Minus 12% Minus 23%
Magnesium 26 22 18 Minus 15% Minus 31%
Vitamin B 6 140 55 32 Minus 61% Minus 77%
z Kartoffeln Calcium 14 4 3 Minus 70% Minus 78%
Magnesium 27 18 14 Minus 33% Minus 48%
z Mæhren Calcium 37 31 28 Minus 17% Minus 24%
Magnesium 21 9 6 Minus 57% Minus 75%
z Spinat Magnesium 62 19 15 Minus 68% Minus 76%
Vitamin C 51 21 18 Minus 58% Minus 65%
z Apfel Vitamin C 5 1 2 Minus 80% Minus 60%
z Banane Calcium 8 7 7 Minus 12% Minus 12%
Folsåure 23 3 5 Minus 84% Minus 79%
Magnesium 31 27 24 Minus 13% Minus 23%
Vitamin B 6 330 22 18 Minus 92% Minus 95%
z Erdbeeren Calcium 21 18 12 Minus 14% Minus 43%
Vitamin C 60 13 8 Minus 67% Minus 87%

Ursache: Ausgelaugte Bæden, Luftverschmutzung, zu schnelles Wachstum, lange Lagerung

Der Gehalt an ausgewåhlten Vitaminen und Mineralien in unseren Le-


bensmitteln (Quelle: 1985 Pharmakonzern Geigy [Schweiz], 1996 und
2002 Lebensmittellabor Karlsruhe/Sanatorium Oberthal)

Und diese Tendenz zur Verminderung der Vitamine und Spurenele-


mente hålt weiter an.
Eine moderne Erdbeere enthålt nach Angaben des Ernåhrungsfor-
schers Bodo Koklinski (Rostock) um 67% weniger Vitamine als ihre Vor-
gångerin vor 15 Jahren (Dahlke, Seite 225).
4 Der Mensch ist, was er isst z 27

(1) (2) (3) (4) (5) (6)


Abb. 8. Typische Fehlhaltungen nach F. X. Mayr: 1 Groûtrommeltrågerhaltung bei kot- und gas-
gefçlltem Bauch; 2 Såmannhaltung bei sackfærmigem Kotbauch; 3 Låssige Haltung bei Schlaff-
heit und Kotbauch; 4 Entenhaltung bei gereiztem Gas-Kotbauch; 5 Anlaufhaltung bei gereiztem
Kotbauch; 6 Habachthaltung bei stark gasgefçlltem Bauch

Der heutige Mensch hat es nun sicher viel viel leichter, satt zu werden.
Aber was ist das fçr eine Såttigung?! Der Magen wird voll, der Darm ist
çbervoll und wird schwer und tråge. So manch einer trågt viele Kilo
unnçtzen Darminhalts mit sich herum, weil sein tråger Darm zur Ver-
stopfung neigt. Ein anderer neigt dazu, mit entsprechendem Essen hohe
Volumina von Darmgasen zu bilden und diesen Gasbauch vor sich her zu
tragen. Und dies hat natçrlich enorme Auswirkungen auf die Haltung,
die Atmung, die Vitalitåt und das Lebensgefçhl.
Schon Anfang des 20. Jahrhunderts hat der æsterreichische Arzt Dr.
Franz Xaver Mayr (1875±1965) seine grundlegenden Untersuchungen zu
den Auswirkungen des Darminhalts auf die Kærperhaltung gemacht. Mit
einer Vielzahl von Fotografien hat er verschiedene Zustånde erfasst und
nach Kotvolumen im Darm, Luft- und Gasvolumen im Darm und Reiz-
zustand von Darm und Bauchwand verschiedene Typen beschrieben.
F. X. Mayr unterscheidet hierbei sechs typische Fehlhaltungen, die sich
aus dem Darmzustand ergeben:
Vier dieser Fehlhaltungen, nåmlich die Groûtrommeltrågerhaltung, die
Såmannhaltung, die låssige Haltung und die Anlaufhaltung, gehen mit
einer verstårkten Kyphose der Brustwirbelsåule einher. Hier wird die
KYPHO-Haltung entscheidend durch den Zustand des Darms und damit
durch die Ernåhrungsweise geprågt.
1. Gas- und Gaskotbauch als Groûtrommeltrågerhaltung: ¹Stolz erhobenen
Hauptes tragen solche Månner ihre schæn gewælbte Heldenbrust und
Frauen ihre Voll- und Hochbusigkeit zu Schau und werden nicht selten
von ihren Mitmenschen dafçr bewundert und darum beneidet, nicht
ahnend natçrlich, dass nicht Mut, Entschlossenheit und Kraft die Hel-
28 z 4 Der Mensch ist, was er isst

denbrust hier schwellend macht, sondern eine Ûberfçlle stinkiger Gase


oder entzçndlicher Verånderungen im Abdomen.ª (Dr. Mayr) Erst
wenn die Weiter- und Hæherstellung des Thorax nicht mehr ausreicht,
um den geschådigten Bauchorganen mehr Raum zu verschaffen, wælbt
sich auch die vordere Bauchwand nach vorn.
2. Såmannhaltung: Es liegt hier eine låssige Haltung vor, bei der der gan-
ze Oberkærper stark nach rçckwårts geneigt ist, um die græûere Aus-
buchtung des Unterbauchs in Form eines schlaffen Kotbauchs statisch
auszugleichen. Die Rundrçckigkeit bei dieser Haltung ist eine statische
Kotbauch-Kompensationsmaûnahme.
3. Låssige Haltung: Muskelschwache und çbermçdete Darmkranke
kænnen ihren Bauchraum vergræûern, indem sie ihre untere und ihre
obere Bauchraumbegrenzung extrem ¹aufklappenª. Man sieht eine star-
ke Rçckneigung der unteren Lendenwirbelsåule mit Rundrçckenbil-
dung im Bereich der Brustwirbelsåule. Dadurch wird der Bauch he-
rausgestreckt, der Hals durchgestreckt und verlångert, die Schulterblåt-
ter stehen weit voneinander ab und die Brustkorbwælbung ist auf der
Vorderseite abgeflacht. Die låssige Haltung ist bei Kindern umso aus-
geprågter, je schwåcher, mçder und çberforderter sie sind. Ermahnun-
gen und Haltungsdressuren sind zwecklos, da die statische Verån-
derung durch den Inhalt des Bauchraums bedingt ist und nur durch
Darmsanierung und strukturelle Arbeit an der Kyphose verbessert
werden kann.
4. Anlaufhaltung: Muskelschwache Darmkranke kænnen auch einen
Raumgewinn der Bauchhæhle durch das Durchstrecken der physiologi-
schen Lendenlordose erzielen. So gewinnen sie Platz nach hinten, aber
auch nach oben zu, da durch die Streckung die obere Bauchhæhlen-
begrenzung, die Zwerchfellkuppe, nach oben verlagert wird. Als stati-
sche Folge werden der Oberkærper und der Kopf mehr vor und der
Unterkærper mit dem Gesåû mehr hinter die Linie der Schwerkraft ver-
lagert. Dabei wird der Hals durchgestreckt und somit ¹verlångertª. Die
Schulterblåtter fallen vor, und die Arme liegen vor der ¹Hosennahtª.

Bei all diesen kotbauchbedingten Fehlhaltungen bleibt die verdaute Nah-


rung zu lange im Darm. Und ein verlångertes Verbleiben der Abfallpro-
dukte im Darm bei Darmtrågheit kann zur vermehrten Aufnahme von
Schlacken und Giftstoffen fçhren.
Nach dem Mayr-Arzt Dr. Erich Rauch kænnen als Fernsymptome der
Schadstoffeinwirkung im Darm folgende Symptome auftreten:
z Beeintråchtigung des Allgemeinbefindens
z Arbeitsunlust
z Missmut, Gereiztheit, Depressionen
z Erregbarkeit, Nervositåt
z Ûbler Kærper- und Mundgeruch
4 Der Mensch ist, was er isst z 29

z Zungenbelag
z Rçcken- und Kreuzschmerzen
z Schlafstærungen
z Sehstærungen
z Kopfschmerzen, Kopfdruck, Migråne
z Herzbeschwerden
z Atemnot
z Gefåûkråmpfe (mit ståndig kalten Hånden und Fçûen)
z Schwindelgefçhl, die vegetative Dystonie
z Morgens Schwindel, Erschæpfungszustånde
z Starkes Schwitzen
z Hochdruckkrankheiten
z Gelenkleiden.
F. X. Mayr hat seinen Patienten in der ersten Hålfte des 20. Jahrhunderts
zunåchst mehrere Wochen lang seine berçhmte Milch-Semmel-Diåt gege-
ben, woran sich ein schrittweiser Aufbau der Ernåhrung mit ausgewåhl-
ten Nahrungsmitteln anschloss. In der heutigen Zeit findet kaum jemand
mehr die Muûe, çber mehrere Wochen lang eine Darmreinigungsdiåt ein-
zuhalten. Glçcklicherweise kænnen wir auf hochwertige Nahrungsergån-
zungsprodukte zurçckgreifen, die fçr einen çbervollen Gas- oder Kot-
bauch in der Umstellungsphase erforderlich sind.
Der Autor des vorliegenden Buches hat sich als Arzt fçr Naturheilver-
fahren seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts mit verschiedenen
Ernåhrungsformen, Diåten und Nahrungsergånzungen beschåftigt. Es
gibt eine ganze Reihe sinnvoller Ernåhrungssysteme, die ± individuell
und konstitutionsgerecht eingesetzt ± hilfreich sind, den Organismus im
Gleichgewicht zu halten.
Der moderne Mensch braucht einige Grundregeln, die çberschaubar
sind und an die er sich bei der Auswahl und Zusammenstellung seiner
Nahrungsmittel halten kann.
Sinnvoll und çberprçft sind hier die ¹10 Regeln der Deutschen Gesell-
schaft fçr Ernåhrung e.V. (DGE)ª, herausgegeben vom Auswertungs- und
Informationsdienst fçr Ernåhrung, Landwirtschaft und Forsten e.V. mit
Færderung durch das Bundesministerium fçr Verbraucherschutz, Ernåh-
rung und Landwirtschaft. Diese 10 Regeln, die in ihrer ausfçhrlichen
Form und mit Erklårungen und Rezepten beim AID-Infodienst, Fried-
rich-Ebert-Str. 3, 53177 Bonn angefordert werden kænnen, lauten in ihrer
prågnanten Kurzform:
1. Vielseitig, aber nicht zu viel
Je vielfåltiger man seine Speisen zusammenstellt, desto mehr lebensnot-
wendige Nåhrstoffe kænnen enthalten sein. Und die Menge soll dem ent-
sprechen, womit man sein Normalgewicht halten kann, so weit man nicht
vorher Ûbergewicht reduzieren oder Untergewicht auffçllen will.
30 z 4 Der Mensch ist, was er isst

Abb. 9. Der Ernåhrungskreis. Vielseitig und ausgewogen essen und trinken

2. Fette in Maûen und mit Verstand


Fette sind zum einen als Energiespender und Bausubstanz des Kærpers le-
bensnotwendig, zum anderen tragen einige çberwiegend tierische Fette
auch zu Ablagerungen in den Gefåûwånden und damit zur Entstehung
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei. Zu bevorzugen sind vor allem Úle
mit hoch ungesåttigten Fettsåuren und vielen fettlæslichen Vitaminen.

3. Wçrzig, aber nicht salzig


Kråuter und Gewçrze unterstreichen den Eigengeschmack der Speisen,
verbessern die Verdaulichkeit und erhæhen den Genuss. Zu viel Salz hin-
gegen çbertænt viele Geschmackseindrçcke und kann zur Entstehung von
Bluthochdruck beitragen.

4. Wenig Sçûes
Zucker und Sçûigkeiten kænnen nicht nur Karies verursachen, sondern
tragen oft zur Entstehung von Ûbergewicht bei. Auûerdem verdrångt ho-
her Zuckerkonsum oft die notwendigen nåhrstoff- und ballaststoffreichen
Lebensmittel vom Speiseplan. Zucker ist reich an Kalorien, aber sehr arm
an Nåhrstoffen.

5. Mehr geschrotete oder gemahlene Vollkornprodukte


Vollkornprodukte wie z. B. Vollkornbrot, Naturreis, Getreidegerichte, Ha-
ferflocken und industriezuckerfreies Mçsli enthalten gut vertrågliche
Kohlenhydrate und liefern neben den fçr die Verdauung wichtigen Bal-
laststoffen zusåtzlich Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. (Siehe
hierzu auch Kapitel 14, Seite 142.)
4 Der Mensch ist, was er isst z 31

6. Reichlich Gemçse, Kartoffeln und Obst


Frisches Obst, Rohkost und Salate sollten im Mittelpunkt der Ernåhrung
stehen, ebenso Gemçse und Kartoffeln. Je frischer sie auf den Tisch kom-
men, desto geringer ist die Belastung des Organismus mit Konservie-
rungsmitteln und desto besser ist die Chance, dass die enthaltenen Vita-
mine, Mineralstoffe und Spurenelemente in biologisch aktiver Form in
den Organismus gelangen.
7. Weniger tierisches Eiweiû
Pflanzliches Eiweiû in Kartoffeln, Hçlsenfrçchten und Getreide ist gçnstig
fçr eine vollwertige Ernåhrung. Auch Fische sind wertvolle Eiweiûliefe-
ranten. Tierische Eiweiûlieferanten wie Fleisch, Wurst und Eier enthalten
relativ viel Fett, Cholesterin und die eine Gichterkrankung begçnstigen-
den Purine, weshalb sie weitgehend reduziert werden sollten.
8. Trinken mit Verstand: Wasser und ungesçûte Såfte und Tees
Der Kærper braucht je nach Konstitution, Alter, Tåtigkeit und Witterung
1,5 bis 3 Liter Wasser pro Tag. Etwa 70% unseres Kærpers bestehen aus
Wasser. Wasser ist aktiv an nahezu allen Kærperreaktionen beteiligt und
hålt die Zellen in Form. Fçr ein kontinuierliches ¹Spçlenª und Entschla-
cken des Kærpers ist eine regelmåûige ausreichende Wasserzufuhr uner-
låsslich. So wie ein verbesserter Sauerstoffaustausch beim Atmen die Vita-
litåt verbessert, so verbessert auch ein kontinuierlicher Wasseraustausch
den Zustand und die Funktion der Zellen, der Bausteine unseres Kærpers.
Reines Mineralwasser und gutes Leitungswasser sind erste Wahl. Ein Teil
des Wassers kann durch ungesçûte Obst- und Gemçsesåfte und Frçchte-
und Kråutertees ersetzt werden, um den Geschmack zu variieren, die
Vielfalt zu vergræûern und den Kærper auch mit Vitaminen und Spuren-
elementen zu versorgen. Kaffee und schwarzer Tee sind Genussmittel und
sollten reduziert und in Maûen genossen werden.
Eine Tasse Kaffee kann nicht auf die notwendige Menge von 1,5±3 Li-
tern Wasser angerechnet werden. Im Gegenteil muss der Mensch bei
reichlichem Kaffeegenuss mehrere Glåser Wasser zusåtzlich trinken, um
den konzentrierten Kaffee çberhaupt neutralisieren zu kænnen.
Ablagerungen in den Geweben des Kærpers werden çberwiegend von
der Lymphe abtransportiert. Im Kærper befindet sich viermal soviel
Lymphflçssigkeit wie Blut. Nur wenn wir viel trinken, haben wir einen
ausreichenden ¹Spçleffektª.
9. Úfters kleinere Mahlzeiten
Groûe Mahlzeiten belasten die Verdauungsorgane und machen mçde.
Mehrere kleine Mahlzeiten sind gçnstiger als wenige groûe. Gçnstig ist,
bereits dann einen kleinen Imbiss zu essen, wenn der Leistungsgipfel er-
reicht ist; dann sackt die Leistung deutlich weniger ab. Wer ein zweites
Frçhstçck und nachmittags einen kleinen Imbiss einplant, braucht bei
32 z 4 Der Mensch ist, was er isst

den Hauptmahlzeiten weniger zu essen. Dies ist einfach, wenn man etwas
zu sich nimmt, was ein Såttigungsgefçhl gibt.

10. Schmackhaft und nåhrstoffschonend zubereiten


Durch zu lange Lagerung, falsche Vorbereitung, zu langes Kochen, Wie-
deraufwårmen und durch die Verwendung von zu viel Wasser beim Garen
werden viele lebensnotwendige Nåhrstoffe zerstært, und das Lebensmittel
wird ausgelaugt. Am besten ist es, kurz und mit wenig Wasser oder Fett
zu garen, ± und dabei selbstverståndlich mæglichst frisches Gemçse zu
verwenden!

Es macht Sinn, diese Grundregeln der Ernåhrung zu kennen und bei un-
seren tåglichen Entscheidungen und unserer Alltagsorganisation zu be-
achten. Leider erfordert das Befolgen der Regeln eine vielen Menschen
ungewohnte Disziplin bei der Auswahl der Speisen und oft auch einen
hohen Zeitaufwand beim Einkaufen und beim Zubereiten der Speisen.
Wer sich nicht tåglich seine fçnf nåhrstoff- und vitalstoffreichen Mahlzei-
ten mit frischem Obst, Gemçse, Vollkornprodukten und reichlich Flçssig-
keit gænnen kann ± und Grçnde dafçr gibt es in unserer modernen Welt
mit ihren Arbeits- und Leistungsanforderungen viele! ±, der kann seine
als Kompromiss gewåhlte Ernåhrung mit Nahrungsergånzungsstoffen, Vi-
taminen und Vitalstoffpråparaten verbessern und optimieren. Es gibt nun
groûe Unterschiede bei den Nahrungsergånzungsprodukten, und eine ge-
zielte und der individuellen Situation und Konstitution angemessene Aus-
wahl ist nætig. So braucht selbstverståndlich ein kærperlich arbeitender
junger Sportler nicht nur andere Kalorienmengen, sondern auch andere
Mengen der verschiedenen Vitamine und Spurenelemente als ein gleich-
altriger unsportlicher Bçroarbeiter. Kinder im Wachstumsalter haben ei-
nen anderen Nåhrstoff- und Vitalstoffbedarf als Erwachsene, Senioren ei-
nen anderen Bedarf als 30-Jåhrige. Die ausgewåhlten Nahrungsergån-
zungsmittel, Ballaststoffe, Multivitamin- und Spurenelementprodukte, Ra-
dikalfånger und was ansonsten im individuellen Fall geeignet und erfor-
derlich ist, mçssen ausreichend dosiert, mæglichst frei von Konservie-
rungsstoffen und qualitativ hochwertig sein. Ståndig werden neue Pro-
dukte auf dem Markt angeboten. Wer sich diesbezçglich aktuell informie-
ren mæchte, kann sich unter der auf Seite 155 angegebenen Adresse an
den Autor wenden.
Amerikanische Gesundheitsbehærden werben mit ihrer Kampagne
¹Five a day for a better healthª fçr mindestens fçnf Portionen Obst und
Gemçse pro Tag. Eine Portion entspricht hier der jeweils verzehrsçbli-
chen Menge. Im Durchschnitt sollten dieser Empfehlung zufolge tåglich
insgesamt ca. 600 g Gemçse und Obst verzehrt werden.
Auch die DGE (Deutsche Gesellschaft fçr Ernåhrung) empfiehlt, tåglich
mindestens 2 Portionen Gemçse (ca. 200 g) und eine Portion Salat (ca.
4 Der Mensch ist, was er isst z 33

75 g) sowie 2 Portionen Obst (ca. 200±250 g) zu essen. Die durchschnitt-


lichen Verzehrsmengen in der Bundesrepublik liegen bei 150 g Gemçse
und etwa 100 g Obst pro Tag und damit weit unter den empfohlenen
Mengen (AIP-spezial- Gemçse und Obst fçr eine gesunde Ernåhrung
1998).
Eine Korrektur der Ernåhrungsgewohnheiten ist dringend zu empfeh-
len, gegebenenfalls unterstçtzt durch eine professionelle Ernåhrungsbera-
tung mit hochwertigen Nahrungsergånzungsmitteln.
Lediglich 25% der 25- bis 50-jåhrigen Månner gaben an, tåglich Ge-
mçse zu essen (nach Heseker, 1992, AID-spezial), bei den Frauen dieser
Altersgruppe sind es 37%. Etwa 10% der Månner essen tåglich Salat, etwa
14% der Frauen. Etwa 30% der Månner und Frauen essen nie oder zu-
mindest sehr selten Salat. Die Hålfte der Frauen und zwei Drittel der
Månner kommen nicht zu ihrem tåglichen frischen Obst.
Mehr als 80% der Bevælkerung nehmen noch nicht einmal das Min-
destmaû der tåglich empfohlenen Menge an lebensnotwendigen Nåhrstof-
fen auf (Patrick Holforth, Inst. for Optimum Nutrition, Orthomolekulare
Therapie, Heft 5).
Unsere Ernåhrungsgewohnheiten haben ganz generell in den letzten Jahr-
zehnten dramatische Verånderungen durchgemacht, aber nirgends so
deutlich wie beim Anstieg des Fleischkonsums, der vom Ende der 50er
bis zum Ende der 80er Jahre um 90% gesteigert wurde. Bereits in den Jahr-
hunderten zuvor gab es beim Fleischkonsum einen drastischen Anstieg. In
den letzten drei Jahrzehnten ist gleichzeitig auch der Anteil an ballaststoff-
reicher Kost um 30% zurçckgegangen ± und der von Fett ist um 10%, der
von Sçûigkeiten um 30% und der von Zitrusfrçchten um fast 80% gestiegen.
Wenn man Hunde mit der Nahrung eines durchschnittlichen Amerika-
ners oder Mitteleuropåers fçttert, reduziert man damit ihre Lebenserwar-
tung um 30% und mindert auch erheblich die Qualitåt ihres Lebens. Die
Tiere verenden weit vor ihrer Zeit, åhnlich elend wie die meisten Men-
schen, an ganz vergleichbaren Zivilisationssymptomen. Fçttert man die
Tiere dagegen mit einer kargen vollwertigen artgerechten Kost, erhæht
sich ihre Lebenserwartung um 25%. Noch weiter erhæhen låsst sich das
Lebensalter durch freiwillige Phasen vælliger Nahrungsenthaltung.
Es gibt ungefåhr 16 Spurenelemente. Giftige Schwermetalle kænnen
Spurenelemente verdrången! Es konnte bewiesen werden, dass giftige
Schwermetalle wie Blei, Kadmium und Quecksilber sich langsam im
Kærper ansammeln und im zunehmenden Alter kumulieren. Sie kænnen
Zink, Mangan und Kupfer aus den Enzymen verdrången, was zu Mangel-
situationen und Funktionsstærungen trotz einer eigentlich ¹ausreichen-
denª Aufnahme der betroffenen Spurenelemente fçhren kann. Wir wissen
aber, dass unsere heutige Nahrung, selbst Gemçse, das in unseren Breiten
wåchst, mit Schwermetallen stark belastet ist. Und diese Schadstoffbelas-
tung nimmt stetig zu. In einem einzigen ungeschålten Apfel sind heute
34 z 4 Der Mensch ist, was er isst

Abb. 10. Obst- und Gemçse-


verzehr. Soll- und Ist-Verzehr
von Obst und Gemçse in
Deutschland nach Geschlecht

bis zu 100 chemische Substanzen quantitativ nachweisbar, die es vor 100


Jahren auf diesem Globus noch nicht gegeben hat (Brand, 2005).
Wer also behauptet, er kænne allein mit ausgewogener Ernåhrung, d. h.
unter anderem viel Obst und Gemçse, seinen Nåhrstoffbedarf decken, irrt
wahrscheinlich. Er sollte sich vielmehr fragen, ob er durch das Essen be-
lasteter und industriell hergestellter Nahrung nicht vielleicht einen Nåhr-
stoffmangel verursachen kann. Das Ausscheiden vieler Schadstoffe und
Lebensmittelzusatzstoffe entzieht dem Kærper Nåhrstoffe, die als Enzyme
oder Coenzyme bei vielen Kærperprozessen wesentlich beteiligt sind. Ein
Mangel an bestimmten Nåhrstoffen fçhrt nachweislich zu einem labilen
Immunsystem, zu vorzeitigen Altersverånderungen und ± neben Abge-
schlagenheit, Gereiztheit und erhæhter Stressanfålligkeit ± zu verschiede-
nen Krankheiten bis hin zu Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs.
Ohne Nåhrstoff- und Vitalstoffergånzungen kann man sich heutzutage
nicht ausreichend mit allem Notwendigen versorgen, auch wenn dies im-
mer noch behauptet wird. Der Trend zu und die Notwendigkeit von Nah-
rungsergånzungen werden immer deutlicher, aber auch die Sicherheit
und die Effizienz der verfçgbaren Mittel nehmen zu.
5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl
¹Der menschliche Kærper ist das getreueste Abbild
der menschlichen Seele.ª
Ludwig Wittgenstein

Die umfangreichen psychologischen und kærperpsychotherapeutischen


Studien der zweiten Hålfte des 20. Jahrhunderts haben uns deutlich vor
Augen gefçhrt, wie eng kærperliche Vorgånge und seelisch-geistige Vor-
gånge miteinander verbunden sind. So hat auch die psychosomatische
Medizin von dieser Entwicklung profitiert. Es gibt keine psychische
Stærung, die nicht auch auf den Kærper einwirkt. Es gibt andererseits
auch keine chronische kærperliche Fehlhaltung, die sich nicht auch auf
das Lebensgefçhl und die psychische Seinsweise auswirkt.
Wer immer mit der Haltung eines Mçllers, der einen schweren Mehl-
sack auf den Schultern trågt, durchs Leben geht, wird sich çber kurz oder
lang chronisch belastet fçhlen. Wer mit niedriger Muskelspannung des
gesamten Kærpers ståndig irgendwo ¹herumhångtª, wird sich mit der Zeit
auch schwach und instabil fçhlen. Wer sich andererseits mit einer erhæh-
ten Spannung in Rçcken und Nacken chronisch zwanghaft aufrecht hålt,
um ja nicht auch mal ¹die Seele baumeln zu lassenª, wird çber kurz oder
lang auch psychisch dazu neigen, sich selbst und andere ståndig zu kon-
trollieren. Und das Kontrollbedçrfnis verstårkt wiederum die Muskelspan-
nung. Und die verstårkte Muskelspannung låsst nur noch das Kontrollie-
ren zu. Und so schaukeln sich die Fehlfunktionen psychisch und kærper-
lich gegenseitig hoch und verfestigen sich. Nach Jahren dieser Haltungs-,
Erlebens- und Verhaltenstendenz hat der Mensch vergessen, dass das Le-
ben auch anders sein kann, wenn er es je anders kennengelernt hat. Denn
viele dieser Haltungs- und Verhaltenstendenzen entwickeln sich in der
frçhen Kindheit und bleiben als Tendenzen und Fixierungen bis ins Er-
wachsenenalter bestehen, werden allenfalls mit zunehmender Reife und
nach vielen Enttåuschungen gelockert.

Was sagt uns nun die Forschung çber den Zusammenhang von Haltung
und Lebensweise beim KYPHO mit seiner typischen Haltung?
Die Kærperpsychotherapie geht davon aus, dass eine gesunde Entwicklung
unter gçnstigen åuûeren Umstånden im Rahmen des vom Erbgut des Men-
schen vorgegebenen Spielraums einen harmonischen Kærper hervorbringt.
Ungçnstige Bedingungen zu verschiedenen Entwicklungszeiten kænnen
nun zu Dysbalancen und Asymmetrien beitragen, sei es, dass die obere
36 z 5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl

Kærperhålfte wesentlich stårker ausgeprågt ist als die Beine, sei es, dass
der Rçcken verhåltnismåûig kråftiger entwickelt ist als eine eingefallene
Brust, sei es, dass sich ausgeprågte Asymmetrien zwischen rechts und
links zeigen. Diese Dysbalancen und Asymmetrien kænnen bei einem
Menschen nur diskret angedeutet und kaum wahrnehmbar sein ± und
trotzdem sein ¹Seinª in der Welt prågen, unbewusst und fçr ihn ganz
selbstverståndlich. Denn wir haben alle nur einen Kærper, und die durch
ihn geprågte Lebensweise und Erlebensweise ist unsere einzige, die wir
kennen. Und so meinen wir oft unreflektiert, dass alle Menschen die Welt
in dieser unserer Weise erleben. Manchmal sind die Dysbalancen und
Asymmetrien aber auch sehr stark ausgeprågt, so dass sie auf den ersten
Blick nachvollziehbar werden. Und auch hier kennt der Mensch nichts
anderes, verharrt kærperlich in seiner Fehlhaltung und Dysbalance und
seelisch-geistig in der hierdurch geprågten Erlebensweise. Und er hat
eben auch keinen Zugang dazu, dass es anders sein kænnte. Erst wenn er
die Nachteile einer kærperlichen und psychischen Fehlhaltung lange erlit-
ten hat, dåmmert ihm oft unbewusst und intuitiv, es mçsste doch auch
etwas anderes geben, selbst wenn er es noch nicht kennt. Und unter
gçnstigen Umstånden fçhrt dieses Gefçhl diesen Menschen zu einem få-
higen Kærperpsychotherapeuten ± bzw. im Falle des KYPHO in ein struk-
turiertes ¹KYPHO¾-Programmª.

Welche Erlebens- und Seinsweise wird nun durch die KYPHO-Haltung


ausgelæst und verstårkt?
Am einfachsten kænnen wir uns in das Grundempfinden des KYPHO ein-
finden, wenn wir uns in die Situation eines Såuglings versetzen, der an
der nahrungs- und lebensspendenden Mutterbrust saugt. Es besteht ein
essentielles Bedçrfnis nach liebevoller nåhrender Zuwendung der Mutter.
Das Kind verschmilzt in seinem Erleben symbiotisch mit der nåhrenden
Mutter ± und fçhlt sich irgendwann satt und erfçllt. Wird diese Erfah-
rung des Satt- und Erfçlltseins immer wieder gemacht, dann kann das
Kind zunehmend das Selbstbewusstsein eines erfçllten und innerlich rei-
chen Lebens entwickeln.
Nun sind Umstånde denkbar, die es dem Såugling nicht ermæglichen,
dieses Gefçhl des Satt- und Erfçlltseins zu erfahren. Was auch immer die
objektiven Umstånde sind, ist letztlich unerheblich, wenn das subjektive
Gefçhl des Kindes çberwiegend ein Gefçhl des ¹Weiter-aufnehmen±wol-
lensª bleibt, ein Gefçhl der Unterversorgung und der inneren Leere. Es
kann durchaus so aussehen, als habe das Kind alles, was es will, ± und
trotzdem kann beim Kind subjektiv das Gefçhl bleiben, dass seine wirk-
lichen Bedçrfnisse nicht angemessen erfçllt werden. Das Kind fçhlt sich
um sein Recht auf kærperliche und emotionale Stårkung betrogen. Es
fçhlt sich einsam und unerfçllt, ebenso auch hilflos und uneffektiv in sei-
nen Bemçhungen, Befriedigung zu erlangen.
5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl z 37

Wiederholt sich das Erleben, dass Nahrungsspende und Zuwendung


nicht zur Erfçllung gefçhrt haben, so bleibt ein Impuls der Gier, des ¹Sau-
gen-wollensª, des ¹Aufnehmen-wollensª und Erwartens als Impuls im Orga-
nismus ± und kann sich kærperlich und psychisch verhårten und çber die
Zeit hinweg fixieren. In der Psychotherapie wird dann oft von einer Fixie-
rung in der ¹oralen Phaseª oder kurz vom ¹oral fixiertenª oder ¹oralen
Menschenª gesprochen (nach dem lateinischen Wort ¹osª fçr Mund).
Es kann sich dann eine Frustration beim Såugling einstellen, die zu
viel Weinen und dann zu einer Resignation mit Abschlaffen fçhren kann.
Manch ein Såugling wendet sich dann auch vorzeitig von der stillenden
Mutter ab, bevor diese das Stillen beendet und bevor sie ihm damit das
Erlebnis einer von auûen verursachten Frustration verschafft. So oder so,
das Kind wåchst ohne klare, volle Erfahrung einer inneren Sattheit und
Erfçlltheit auf und trågt in seinem Herzen den Impuls zur gierigen Auf-
nahme und zur Erwartung einer Erfçllung von auûen durch sein weiteres
Leben. Dieser Impuls fçhrt direkt zu einer Haltung, die von Alexander
Lowen, John Pierrakos und anderen Kærperpsychotherapeuten als ¹orale
Strukturª beschrieben wurde und die wir ± manchmal nur angedeutet,
manchmal sehr deutlich ausgeprågt ± im typischen KYPHO håufig wie-
derfinden.
Mit den Jahren und Jahrzehnten ist diese Erwartungshaltung gånzlich
unbewusst geworden, und der ¹KYPHOª hat ± der eine mehr schlecht,
der andere mehr recht ± gelernt, dass die Welt so ist, wie er sie erlebt,
und hat sich darauf eingerichtet. Typisch fçr diese Grundempfindung ist
eine leichte Traurigkeit, die eben das Erlebnis des Nichterfçlltseins mit
sich bringt. Und da der Impuls besteht, von auûen aufnehmen zu wollen
± und von auûen niemand die Erfçllung einflæûen kann, nicht der Part-
ner, nicht der Chef, nicht der Staat ±, bleibt die Unerfçlltheit, das latente
Gefçhl der inneren Leere, manchmal verstårkt bis hin zur Depression.
Wenn die Umgebung liebevoll und gebend auf ihn zugeht, so bleibt er in
einer kontrollierenden Grundspannung und inneren Distanz, um zu be-
obachten, wie viel und was ihm gegeben wird und wann das Geben zu
Ende ist. Dies verhindert wirkliches Aufnehmen und Annehmen und ver-
hindert so die nachholende Erfahrung des Entspannens und Loslassens
in dem Gefçhl innerer Erfçllung und Såttigung.
Der Wunsch nach Zuwendung, Aufmerksamkeit und emotionaler, ma-
terieller und energetischer ¹Fçtterungª ist typischerweise verbunden mit
der inneren Ûberzeugung: ¹Die Welt schuldet es mir.ª Und dies fçhrt zu
einer Anspruchshaltung und ist durchaus geeignet, offene und empfind-
same Menschen abzustoûen und ¹auf Distanz zu bringenª, was wiederum
die Grundçberzeugung beståtigt, dass die Welt ja doch nicht genug Zu-
wendung und Zufuhr schenkt. In dieser Situation erwartet der orale
Mensch zum einen Verståndnis, Mitgefçhl und Liebe von seinen Mitmen-
schen, andererseits ist er sehr empfindlich gegen jede Andeutung von
38 z 5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl

Kçhle und Distanzierung seitens seines Partners und seiner anderen Mit-
menschen.
Solange der ¹orale KYPHOª an dieser Grundhaltung festhålt und sei-
nem Kærper keine Chance zu einem anderen Erleben gibt, wird er die Er-
fahrung machen, dass das, was er als Liebe gibt, von anderen Menschen
oft als Forderung nach Liebe und Zuwendung erlebt wird. Die Aussage
¹Ich liebe dichª wird bei der nonverbal kommunizierten Grundhaltung
des oralen KYPHO oft verstanden als: ¹Ich mæchte, dass du mich liebst.ª
Die Grundhaltung beruht nicht auf dem Erwachsenenverhaltensmuster
des Gebens und Nehmens, sie åhnelt viel mehr dem infantilen Muster
von Bedçrfnis und Forderung, bei dem der andere als Lieferant von Zu-
wendung in verschiedener Form betrachtet wird. Und da erwachsene,
reife Beziehungen auf dieser Basis nicht gedeihen kænnen, erlebt der orale
KYPHO immer wieder Frustrationen und wird immer bitterer. So kommt
oft auch das Empfinden von Einsamkeit trotz einer bestehenden Liebes-
beziehung vor.
Um die Entstehung der Kernfixierung des KYPHO zu verstehen, ist es
interessant, sich die Entwicklungsdynamik des Kindes in der wichtigen
Phase zwischen dem 3. und dem 18. Lebensmonat vor Augen zu fçhren.
In den ersten 3 Lebensmonaten hat sich beim Såugling schrittweise ei-
ne Fåhigkeit zur Koordination der Sinneseindrçcke der verschiedenen
Sinnessysteme entwickelt. Die Stimme der Mutter wird dem Bild der Mut-
ter zugeordnet. Das Bild eines Balls wird mit dem Tastempfinden eines
runden Gegenstandes verbunden. Das Gehirn hat entsprechende Ver-
knçpfungen gebildet. Das Kind ist fåhig zur Koordination und Integra-
tion von Sinneseindrçcken çber verschiedene Sinneskanåle: das Sehen,
das Hæren, das Ertasten und Befçhlen, das Riechen und das Schmecken.
Mit dieser Ausstattung und Fåhigkeit kann sich das Kind nun zuneh-
mend der Auûenwelt zuwenden. Es folgt in der Entwicklung eine Phase,
die durchschnittlich vom Ende des 3. bis zum 18. Lebensmonat reicht.
Diese Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass das Kind ganz auf die Auf-
nahme von Lebensimpulsen und -inhalten eingestellt ist. Es herrscht eine
Aufnahmespannung vor, eine Suchspannung, fast eine Art Gier auf Neues.
Das Kind ist neugierig im besten und stårksten Sinne des Wortes. Mit
diesem Zustand einher geht fast eine innere Unzufriedenheit, ein Bedçrf-
nis nach dieser Stimulation von auûen. Und diese hohe Aufnahmebereit-
schaft zielt natçrlich zum einen auf die Nahrungsaufnahme ab, zum an-
deren aber auch auf die Aufnahme von Luft, Sauerstoff und Lebensener-
gie. In dieser Phase stabilisiert sich das Atemmuster, das Zwerchfell wird
gestårkt und damit die Fåhigkeit zum vollen, tiefen Atmen, was den
Kærper gut und çppig mit Sauerstoff und Lebensenergie versorgt.
Die Gier auf Neues richtet sich aber auch auf die Aufnahme von Le-
bensimpulsen, Stimulationen und Ansprache. Ganz wichtig in dieser Pha-
se sind die Ansprache der Eltern und der anderen Bezugspersonen, eine
5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl z 39

hohe Intensitåt der Zuwendung und die Stimulation in verschiedenen


Sinneskanålen wie Berçhrungen, Geråusche und bunte Formen und Ge-
genstånde. Ganz zentral und entscheidend ist immer wieder die direkte
Zuwendung zum Kind, gezielte Aufmerksamkeit und damit das ¹Spenden
von Lebensenergieª, wonach das Kind giert, wonach es in einer per-
manenten und gehaltenen Gierspannung steht.
Ist diese Gierspannung stark ausgeprågt, geht sie mit einer ausgepråg-
ten Tendenz zu einer typischen kærperlichen Haltung einher: Der Kopf
wird leicht nach vorne gehalten. Die obere Halswirbelsåule wird leicht
nach hinten gekippt, so dass das Gesicht etwas hæher kommt. Der Mund
hat eine leichte Tendenz zum Úffnen, die Lippen werden etwas voller, die
Mundmuskulatur wird etwas erschlaffter in der Erwartung des ¹Von-au-
ûen-gefçllt-werdensª, die Augen werden tendenziell etwas aufgerissen, um
mehr sehen zu kænnen. Und vor allem bleibt das Zwerchfell in einer Er-
wartungsspannung. Es bleibt in einer leichten Einatmungsgrundspan-
nung, die direkt dieser Erwartungsspannung, dieser Gier nach Aufnahme
von neuen Impulsen von auûen entspricht.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass zu Beginn dieser Phase
der Kopf etwa 1/3 der gesamten Kærpergræûe ausmacht. In der Entwick-
lung des Kindes, in der zu Anfang die Koordination der Sinneskanåle von
çberragender Bedeutung ist, spielt sich in der Entwicklung sehr viel im
Kopf ab, denn die Sinnesorgane sind ± bis auf den kinåsthetischen Sinn,
der den ganzen Kærper umfasst ± im Kopf angesiedelt. Im Laufe dieser
Phase nun erstreckt sich die groûe Entwicklungsdynamik vom Kopf zu-
nåchst auch auf den Brustraum und damit auf die Aufnahmekapazitåt fçr
den Atem und das Fçllen dieses Raums mit Energie, mit Pråsenz, das
Miteinbeziehen dieses Raums in das Gesamterleben. Spåter werden dann
Schritt fçr Schritt auch die anderen Kærperteile entwickelt, ausdifferen-
ziert und integriert. Und die Entwicklungsrichtung bleibt die Richtung
vom Kopf hin zur Peripherie.
So etwa mit dem 3. Lebensmonat kann das Kind den Kopf selbståndig
heben und kann damit die Kopfhaltung und die Haltung von Brust- und
Halswirbelsåule in die Gesamttendenz des neugierigen Suchens nach der
Welt integrieren.
Kinder strampeln mit den Beinen bis zum 6. bis 9. Monat noch recht
unkoordiniert im Vergleich zu ihren Bewegungen mit den Hånden und
Armen, deren Einsatz zum Begreifen und Greifen sie bereits in dieser
Phase lernen.
In dieser Phase bis zum 9. Lebensmonat sind die Leber, die Nieren,
der Darm und das Herz schon weitgehend ausgebildet und funktionieren
in ihrer typischen Weise. Nur die Lunge ist in ihrer Entwicklung noch
nicht vergleichbar ausdifferenziert. Die Lunge ist bei der Geburt passend
zum Kærpergewicht recht klein. Der Sauerstoffbedarf ist am Anfang, wo
noch wenig Muskulatur da ist, geringer als spåter. Mit wachsender Mus-
40 z 5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl

kulatur und mit wachsender Hirntåtigkeit brauchen wir mehr Sauerstoff.


Mit zunehmender Wachheit und zunehmender Aktivitåt des Gehirns wird
mehr Sauerstoff benætigt, den die Lungen dann aufnehmen mçssen. Die
Lungen wachsen um etwa 60% in den ersten Lebensmonaten. Wenn also
in dieser Phase Stærungen in der Entwicklung auftreten, so gehen diese
Stærungen typischerweise auch mit einer Stærung der Atemtåtigkeit und
damit der Sauerstoff- und Energieaufnahme einher. Dies ist dann spåter
mit dem Gefçhl eines Energiemangels verbunden, mit dem subjektiven
Empfinden, nicht gençgend Kraft zu haben, dem ± meist unbewussten ±
Gefçhl, innerlich irgendwie verarmt und leer zu sein ± ein typisches
Merkmal des KYPHO, dessen Atemvolumen gering ist und dessen Ener-
gieniveau niedrig ist. Und da das Energieniveau als niedrig empfunden
wird, beginnt der Mensch mit seiner niedrig empfundenen Energie haus-
zuhalten ± und entspannt sich oft noch mehr in seine Schlaffheit hinein.
Bei all dem bleibt zu bedenken, dass der betroffene Mensch nichts ande-
res kennt. Ihm wird dies nicht bewusst als Besonderheit auffallen, allenfalls
im Vergleich mit anderen Menschen, die eben ¹fitterª sind und ¹mehr
Energie habenª. Fçr seine Wahrnehmung gilt: ¹Die Welt ist eben so.ª
In dieser Situation ist die Aktivierung der Atmung von entscheidender
Bedeutung. Bei Depressionen beispielsweise ist der Effekt der Aktivierung
durch tågliches Joggen oft græûer als der Effekt eines antidepressiven Me-
dikaments. Je mehr es gelingt, einen Menschen, der zu Depressionen
neigt, kærperlich zu aktivieren und seine Brust mit Luft und Energie zu
fçllen, desto mehr werden depressive Empfindungs- und Verhaltenswei-
sen verblassen und in den Hintergrund treten. Dies gilt in gleicher Weise
fçr die beschriebene Gierspannung beim ¹oral fixiertenª Menschen.

Warum ist die Einschrånkung der Lungenfunktion so stark ausgeprågt,


wenn in dieser Phase Stærungen auftreten?
Stærungen treten insbesondere dadurch auf, dass die Bezugspersonen des
Kindes sich nicht gençgend um es kçmmern, es nicht gençgend stimulie-
ren und es nicht mit ausreichend Nahrung, Sinneseindrçcken und Le-
bensimpulsen fçttern. Wenn die Neugier und der Lebenshunger des Kin-
des ausreichend gestillt werden und das Kind stimuliert wird, dann wird
es in diesem Moment innerlich aktiviert, erregt. Das Muster dieser Akti-
vierung und Erregung ist eine Intensivierung der Atemfunktion. Fçr den
hæheren Aktivierungs- und Erregungszustand braucht es mehr Sauerstoff.
Die Vertiefung der Atmung ist der Mechanismus zur Verbesserung der
Sauerstoffversorgung, und wenn Sauerstoff benætigt wird, entwickelt sich
die Atmung vollståndig ± sozusagen Bodybuilding im frçhen Alter. In
dem Moment, in dem weniger Reize geboten werden, ist die Atemfunk-
tion entsprechend niedriger; das Aktivierungsniveau ist niedriger, der
Sauerstoffbedarf ist geringer. Wir kennen das auch vom Erwachsenen.
Wenn wir niedergeschlagen, schwermçtig, etwas depressiv sind, atmen
5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl z 41

wir weniger. Wenn wir hingegen aktiviert, fræhlich, erregt sind, vertieft sich
unser Atem, und wir haben mehr Sauerstoff und Energie zur Verfçgung.
So kann auch das Kind durch åuûere Reize aktiviert werden. Und Rei-
ze sind natçrlich auch die Geschwister, die es årgern, das sind andere
Menschen, das sind vielfåltige Spielsachen, mit denen sich das Kind be-
schåftigt und durch die es stimuliert wird. Und es mçssen natçrlich nicht
nur angenehme und schæne Reize sein! Auch wenn die Geschwister das
Kind årgern und ihm auf die Nase drçcken, erhæht dies das Aktivie-
rungsniveau und damit die Sauerstoffaufnahme, und auch damit werden
die Zwerchfelltåtigkeit und die Atemfunktion trainiert. Und deswegen ist
es auch nicht sinnvoll, ein Kind von allen stærenden oder irritierenden
Reizen zu isolieren, im falschen Glauben, es beschçtzen zu wollen.
Bei einer Stærung in dieser Phase ist die Lunge zunåchst nun also recht
wenig entwickelt. Damit kann der Kærper auf zweierlei Weise umgehen.
Entweder er baut eine Spannung auf und geht im Rahmen seines nied-
rigen Atem- und Energieniveaus quasi an seine Grenzen, kåmpft gleich-
sam und sagt innerlich ¹trotzdemª, ± oder er erschlafft, er kollabiert.
Beim Anspannen entstehen eine Hårte und eine Bewegungslosigkeit im
Bereich des Brustbeins und der oberen Brust. Der Kollaps, das Erschlaf-
fen, fçhrt dazu, dass das Becken in eine Haltung kippt, die F. X. Mayr mit
Blick auf den ebenfalls erschlafften Darm als ¹låssige Haltungª bezeichnet
hat (siehe Abb. 8). Diese Haltung und die sich bei dieser Grundhaltung
entwickelnde Kærperform sind dann oft lebenslang zu sehen, solange
man nichts dagegen unternimmt. Aber man kann etwas dagegen tun.
Bei dieser Haltung ist nun also die Atemfunktion eingeschrånkt, und
das Zwerchfell ist nach innen oben zusammengezogen. Das kann in die-
ser Situation nicht anders sein, denn sobald die Lunge sich ausdehnt, wå-
re das Zwerchfell das erste, was sich bewegt. Diese Situation der inneren
Spannung und des damit verbundenen geringen Atem- und Energievolu-
mens bleibt zunåchst erhalten und geht damit einher, dass auch die jetzt
aufkommenden Emotionen in einem gedåmpften und beschrånkten Aus-
maû gelebt und erlebt werden. Und die Welt des Kindes wird fçr das
Kind immer komplexer und immer bunter.
Das Farbsehen ist mit etwa 6 Monaten komplett. Das Bild der Mutter
ist zu diesem Zeitpunkt unaustauschbar. Das Kind erkennt die Mutter be-
reits an einzelnen Teilen. Zeigt man dem Kind eine Gesichtshålfte der
Mutter, so erkennt es sie. Zeigt man ihm den Haarschopf der Mutter, so
erkennt es die Mutter. Wenn man dem Kind den Mund der Mutter zeigt
und an die Stelle der Augen setzt und die Augen an Stelle des Mundes,
dann erkennt es die Mutter. Das Detail steht fçr das Ganze, und dies ist
ein Zeichen fçr Unreife, denn das Kind hat noch nicht gelernt, das kom-
plexe Ganze als Gesamtheit zu erfassen. Nach dem 6. Monat kann das
Kind mit zunehmender Reife Gesamtheiten besser erfassen. Dann wird es
plætzlich das Gesicht nicht mehr erkennen, wenn Mund und Augen ver-
42 z 5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl

tauscht sind, sondern als fremd erleben, weil die komplexe Gesamtheit
entscheidend gestært ist. Dann wird es aber die Mutter beispielsweise von
hinten erkennen kænnen und wissen, wie sie von vorne ausschaut, denn
das komplexe Ganze ist als solches erfassbar geworden. Durch diesen Rei-
feschritt und das Erfassen der Komplexitåten entwickelt sich sodann auch
die 6- oder 8- oder 9-Monatsangst, das Fremdeln des Kindes. Hier hat
sich die Unterscheidungsfåhigkeit zwischen einer Innenbeziehung mit der
Mutter und einer Auûenbeziehung zu anderen Menschen entwickelt, und
das Kind reagiert mit Abwehr auf die dritte Person. Dies ist ein weiterer
Hæhepunkt der Symbiose mit der Mutter und der ¹Beginn des subjek-
tiven Selbstª. Das Kind macht in seiner Eigenwahrnehmung aus sich ein
beseeltes Wesen.
Zu diesem Zeitpunkt ist auch das Hærvermægen vollståndig entwickelt.
Und dann beginnt eine ganz neue Welt. Diese neue Erlebniswelt entsteht,
wenn das Kind beginnt, sich hochzuziehen, stehen zu çben und die Welt
im ¹Umhertapsenª zu erkunden.
Und mit dem ersten selbståndigen Umhergehen geht auch ein wichti-
ges Erlebnis einher. Alle staunen und sagen: ¹ Oh, guck mal, du kannst ja
gehen!ª Und das Kind ist stolz auf sich und sein Kænnen. Dies ist der
Kern fçr spåtere exhibitionistische Tendenzen: Sich zeigen mit seinem
Kænnen und dafçr Anerkennung bekommen. Auf alle mæglichen reiferen
Ebenen wird dieses Prinzip çbertragen: Wir zeigen uns mit unserem Po-
tenzial und finden dafçr Beachtung und Anerkennung, was dann zu einer
begeisterten Beziehungsaufnahme fçhrt. Das ist etwas, was wir uns alle
wçnschen bis hinein in die Sexualitåt.
Dies ist die Zeit des experimentellen Spielens, das Kind probiert aus.
Und es ist auch die Zeit, wo das Kind seinen Willen erfçllt haben
mæchte. Wenn das Kind einen Bauklotz haben will, dann will es den eben
fçr sich haben ± ohne Relativierung. Und wenn ein anderes Kind den
auch haben will, dann bekommt es eben ¹eins drçberª, nicht weil das
Kind gegen das andere ist, sondern weil es fçr sich ist. Es ist die Zeit des
primåren Narzissmus. Dieser Zustand bleibt bei Einzelkindern leichter
und långer erhalten; wenn Geschwister da sind, wird die Befriedigung
håufiger nur teilweise sein.
Es ist die Aufgabe der Eltern, dem Kind die Grenzen zu zeigen: ¹Es ist
in Ordnung, dass du das mæchtest, aber verletz' mich nicht!ª In dieser
Phase bis zum 18. Monat setzt sich diese Dynamik des ¹Bestimmen-wol-
lensª fort, beispielsweise auch in der Ambivalenz, mal selbst laufen zu
wollen und mal wieder getragen werden zu wollen. Das Kind will mal das
eine, mal das andere, aber es will es immer genau so, wie es gerade den
Impuls hat, und will das dann voll und ganz durchsetzen. Das Regulativ
kommt in dieser Situation nur von auûen, durch die Situationen und die
Bezugspersonen. Es liegt auf der Hand, dass ein Kind, das die Erfahrung
gemacht hat, sowieso nicht das zu bekommen, was es mæchte, und das
5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl z 43

gelernt hat, mit wenig Atem und mit wenig Energie auszukommen, in
dieser Phase andere Erfahrungen machen wird als ein vor Energie nur so
strotzendes Kind. Das Kind lernt, mit seinem Grundgefçhl zu leben, und
stellt sich darauf ein. Damit wird dieses Grundgefçhl stabilisiert, und der
Kærper entwickelt sich weiter hin zu den Merkmalen, die wir beim aus-
geprågten KYPHO finden.
Jetzt ein kleines Experiment: Lassen Sie doch einmal ganz tief den
Kopf hången. Und dann atmen Sie ganz aus . . . Dann lassen Sie die Schul-
tern ganz leicht nach vorne fallen, so Richtung Droschkenkutscherhal-
tung . . . Spçren Sie jetzt, dass in Ihrem Brustkorb ein gewisser Druck da
ist? ± So sitzt ein depressiver Mensch. Spçren Sie, dass Ihr Schulter-
bereich kollabiert ist? Die Brustatmung oben ist ganz flach, gepresst . . .
Und die Bauchatmung ist wie weg.
Das ist der Zustand, in dem auch ein Kind ist, dem kein Reiz geboten
wird. In diesen Zustand gehen wir alle so tendenziell, wenn uns etwas
Wichtiges weggenommen wird, wenn wir uns schwach und krank fçhlen,
wenn wir einen Verlust erleiden . . . Wir sacken so in uns zusammen.
Dies ist auch eine Haltung, bei der wir Energie sparen, mit Energie
sehr sparsam umgehen. Auch die Trauerreaktion birgt dies in sich, denn
wir mçssen mit weniger auskommen, wenn wir einen Verlust erlitten ha-
ben. Manche KYPHOs spçren diese innere Reaktion auf einen Verlust
auch ohne erkennbare åuûere Anlåsse çber Jahre und Jahrzehnte. Und

a b
Abb. 11 a, b. Zusammengesackte Haltung mit hångendem Kopf
44 z 5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl

viele haben sich daran gewæhnt, dass ihnen ihr Erleben gar nicht als Be-
sonderheit auffållt. Sie kennen kein anderes Grundempfinden.
Die geringe Ladung und der Mangel an Empfindung in Brust und
Bauch erstrecken sich oft auch bis hinein in das Becken. Hier ist zwi-
schen sexuellen und genitalen Empfindungen zu unterscheiden. Genitale
Empfindungen sind Teil der sexuellen, aber nicht umgekehrt. Die Sexuali-
tåt ist eine Funktion des ganzen Kærpers einschlieûlich des Genitalappa-
rates. Genitalitåt andererseits ist ein begrenzter Aspekt der gesamten se-
xuellen Reaktion. Bei starken Verspannungen ist die genitale Funktion
von Kærpergefçhlen abgespalten und abgetrennt und oft nicht verbunden
mit den sexuellen Empfindungen des ganzen Kærpers. Diese Empfindun-
gen sind Empfindungen des Schmelzens und Stræmens, tief im Kærper,
die der Beginn einer Ekstase, eines vollen Orgasmus sein kænnen.
Innere Leere ist nicht eigentlich ein Gefçhl, sondern stellt mehr ein
Fehlen von Gefçhlen dar. Gefçhle und Gemçtsbewegungen sind Reaktio-
nen des Organismus auf Ereignisse in der Umwelt; der depressive Zu-
stand und der Zustand der inneren Leere sind Zustånde des Fehlens der
Reaktionsbereitschaft. Gefçhle veråndern sich mit der Zeit und mit den
Umstånden, das Fehlen von Gefçhlen, ihre Schwåchung, Verwåsserung
und eingeschrånkte Schwingungsfåhigkeit kænnen hingegen çber Jahre
und Jahrzehnte Bestand haben.
Probieren Sie einmal, welche Auswirkung diese schlaffe, zusammenge-
sackte Haltung im Stehen auf Ihre Kniespannung hat! ± Wenn Schlaffheit
in Rumpf und Becken vorherrscht, dann reicht die Schlaffheit entweder
bis hinunter in die Kniegelenke ± oder es besteht die Neigung, die Knie
zu verriegeln, sie durchzudrçcken. Nur wenn der Rumpf aufgerichtet und
in einer gewissen Spannung ist, kænnen die Knie locker sein. Und wofçr
sind lockere Knie wichtig? Worauf wirkt es sich aus, wenn die Knie per-
manent unter Spannung stehen und durchgedrçckt sind? ± Die Muskulatur
steht in einem Dauertonus und kommt in einen Zustand relativen Sauer-
stoffmangels. Es entsteht ein Steifheitsgefçhl in den Beinen, der Knorpel
der Kniegelenke geråt unter permanenten verstårkten Druck, das Gangbild
wird staksig und verliert an Geschmeidigkeit. Dies wirkt sich auf die
Sprunggelenke und die Hçftgelenke aus . . . Und es entsteht das Lebens-
gefçhl: ¹Ich muss durchhalten. Ich muss mich ganz arg anstrengen, um
aufrecht zu bleiben und all meine Aufgaben zu erfçllen. Und eigentlich
empfinde ich dieses ¹Durchhalten-mçssenª als Ûberlastung.ª ± Und es
kann eine Sehnsucht nach Loslassen im Beinbereich entstehen, eine Sehn-
sucht nach Ausruhen, und dies kann dann die Schlaffheit im gesamten
Kærper verstårken. Ein Paradox: Der an sich schon auf niedrigem Sauer-
stoff- und Energieniveau lebende schlaffe Organismus empfindet eine
Sehnsucht nach noch mehr Loslassen, noch mehr Schlaffheit und Ent-
spannung ± aus diesem umschriebenen ¹Durchhalten-mçssen-Empfin-
denª der Beine heraus . . .
5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl z 45

Wir finden immer wieder, dass bei ein und derselben Erfahrung und
Fixierung verschiedene Kinder unterschiedlich reagieren, und zwar zum
einen mit der Tendenz zu Resignation und Schlaffheit, zum anderen mit
einer Neigung zum kåmpferischen ¹Trotzdemª, zur kompensatorischen
Anspannung und Verhårtung. So empfindet der Resignierte angesichts
seines Gefçhls, nicht erfçllt und satt zu sein, mehr unbewusst und intui-
tiv als mit bewusstem Verstand: ¹Ich bekomme ja sowieso nicht genug.
Also lebe ich eben mit dem wenigen, was da ist.ª ± Beim anderen bildet
sich der direkte Gegenimpuls gegen die Frustration des ¹Doch-nicht-
erfçllt-werdensª, eine innere Hårte aus, die mit dem unbewusst-intuitiven
Erleben verknçpft ist: ¹Ich brauche euch, die ihr mir sowieso nicht genug
gebt, gar nicht mehr. Ich mach's allein. Ich kann's allein. Ich werde auf
keinen Fall darum bitten.ª Mit dieser Grundhaltung des einsamen
Cowboys oder einsamen Wolfs kann der Betroffene ¹kompensiert-oraleª
Mensch viel leisten und viel erreichen. Immer wieder wird er jedoch an
engen Beziehungen scheitern und sich frçher oder spåter zurçckziehen.
Immer mehr wird er auf Grund des Gefçhls der letztendlichen inneren
Unerfçlltheit und mit dem Gefçhl, auf einer eher niedrigen Energieebene
zu leben, das Gefçhl haben, sich besonders anstrengen zu mçssen, um
gerade mal so çber die Runden zu kommen. Aber das Gefçhl: ¹Ich mach's
allein, ich muss es alleine machen, weil mir ja sowieso niemand hilftª,
verleitet auch dazu, sich immer wieder auf die Probe zu stellen und sich
zu beweisen, dass man durchhålt, dass man es alleine schafft.
Dieser Impuls fçhrt håufig in Ausdauersportarten, wo Menschen mit
dieser Grundçberzeugung sich immer wieder beweisen kænnen, dass sie
es allein schaffen, dass sie durchhalten und dass sie die anderen Menschen
nicht wirklich brauchen. Es ist sicher auch eine gçnstige Entwicklung fçr
Menschen mit dieser Erlebensweise, dass sie durch diese sportliche Belas-
tung und die damit zwangslåufig verbundene Mehratmung ihren Kærper
auch vermehrt mit Sauerstoff und Energie versorgen ± und dieses erhæhte
Energieniveau als angenehm und lustvoll erleben. Und trotzdem laufen z. B.
Langstreckenlåufer ihre langen Strecken durchs Leben oft in der KYPHO-
Fehlhaltung, die je nach individueller Entwicklung mehr oder weniger stark
ausgeprågt ist. Dies ist ein Beispiel dafçr, dass der Grundimpuls und die
Grundhaltung erhalten bleiben, auch wenn Kompensationen in anderen
Kærperabschnitten ¹drumherumª oft erstaunliche Leistungen erreichen las-
sen. Die Atmung bleibt beim KYPHO im Brustbeinbereich stark vermindert
und blockiert. Er lernt eben, die fçr seine Langstrecken erforderlichen Sau-
erstoffmengen çber die Zwerchfellatmung aufzunehmen und nimmt dafçr ±
selbstverståndlich ganz unbewusst und im Ausmaû von der Darmfçllung
und Darmfunktion abhångig ± eine Ausgleichshaltung im Bereich von
Bauchraum und Lendenwirbelsåule ein. Viele Låufer wundern sich dann
çber die Verhårtungen und manchmal auch çber Schmerzen im Bereich
der unteren Lendenwirbelsåule und auf Grund der engen funktionellen Zu-
46 z 5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl

sammenhånge zwischen Lendenwirbelsåule, Becken und Oberschenkelmus-


kulatur oft auch çber Verspannungen der Oberschenkelmuskulatur, verbun-
den mit einer unphysiologischen Variation der Beckenschwingung beim
Laufen. Diese unphysiologische Schwingung wird bei Laufbandanalysen al-
lerdings erst erkannt, wenn dabei nicht nur auf den Abrollvorgang der Fçûe
und die Bewegungen der Knie geachtet wird, sondern auch die Hçftbewe-
gungen und die Beckenschwingung mit analysiert werden, was bei vielen
oberflåchlichen Laufbandanalysen gar nicht der Fall ist.
Die Arbeit in unseren KYPHO-Kursen zeigt, dass die Kursteilnehmer
çberwiegend mit beiden Beinen im Leben stehen, sich beruflich und pri-
vat durchaus durchsetzen kænnen und ¹viel auf die Reihe kriegenª. Hier
herrschen nicht Resignation und Schlaffheit vor, sondern ein aktives er-
folgreiches Leben ist trotz und mit der KYPHO-Haltung gelungen, wenn
auch meist um den Preis chronischer Verspannungen im Nacken, Kopf-
schmerzen, immer wiederkehrender Hexenschçsse und anderer Folgen
der kompensierten Fehlhaltungen.
Man findet hier oft die typischen zwei Seelen in einer Brust. Einerseits
ist bei jedem KYPHO augenfållig die Verhårtung und Schrumpfung im
Brustbeinbereich, die neben der verstårkten kyphotischen Krçmmung
der Brustwirbelsåule das charakteristische Merkmal des KYPHO ist, an-
dererseits zeigt sich çberwiegend ¹drumherumª eine Kompensation die-
ser Schwachstelle durch einen verstårkten Tonus des Rçckens und der
Beine und ± damit verbunden ± die Tendenz, das Leben aktiv zu gestal-
ten, auf eigenen Beinen zu stehen und sich durchzusetzen. Der Verhal-
tensstil ist dann oft energisch, aktiv und beschåftigt. Und es fållt diesen
Menschen schwer, sich nach der Erledigung einer Aufgabe erfçllt und ab-
geschlossen zu fçhlen. Oft besteht ein Drang, sofort das nåchste anzupa-
cken, der Betreffende kann sich nur schwer entspannen.
Und gerade weil eine Schwåche im Bereich der oberen Brust und der
Atmung und damit ein inneres Gefçhl der Unerfçlltheit mitschwingen,
besteht ein umso græûeres Bedçrfnis nach einem Ausgleich. Das Auffçllen
der Brust und damit eine neue Qualitåt des Empfindens einer inneren
Erfçlltheit nehmen der kompensatorischen Ûberspannung ¹drumherumª
die Dringlichkeit und læsen sie so schrittweise.
In der Praxis im KYPHO¾-Programm fçhrt dies sehr schnell zu einer
Verminderung der Nackenmuskelverspannung und der damit håufig ver-
bundenen Kopfschmerzen und meistens zu einer græûeren Lockerheit im
ganzen Kærper, was als angenehm empfunden wird.
Waren anfangs oft das unbewusste Sehnen nach Erfçlltwerden von au-
ûen und die aus der Frustration geborene Ûberspannung des ¹Ich schaff 's
alleinª als zwei Seelen in derselben Brust aktiv, so erlæst das zunehmende
Erleben der inneren Erfçlltheit in der Brust schrittweise auch das gestei-
gerte Bedçrfnis nach angespanntem aktivem Tun und nach Durchhalten
im çbrigen Kærper.
5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl z 47

Auch das zunehmende Empfinden weicher und zarter Gefçhle des sich
æffnenden Herzens erlaubt es dem Menschen schrittweise, seine kompensa-
torische Ûberspannung zu lockern, zunehmend den Energiefluss im ganzen
Kærper wahrzunehmen und im voller werdenden Atem frei zu schwingen.
Mit zunehmender Auflæsung der Muskelblockaden und des Muskelpanzers
wird mehr und mehr ein lockeres Schwingen im Atemrhythmus mæglich.
Hilfreich im KYPHO¾-Kurs ist die Metapher von jungen, noch nicht
flçggen Vægeln im Nest, wenn die Mutter mit Nahrung erscheint. Der
Schnabel des Vogeljungen æffnet sich weit, es sieht sogar so aus, als æffne
es ihn weiter, als der Kærper es erlaubt. Es ist eindrucksvoll, wie weit der
Jungvogel Schnabel und Kærper aufmacht, um das von der Mutter Ange-
botene zu empfangen.
Ein gesunder Såugling æffnet sich und sucht in der gleichen Weise
nach der Brust, um sie zu empfangen. Es ist nicht nur der Mund, der sich
æffnet, sondern die Kehle und der Kærper, nicht nur die Lippen und die
Arme greifen aus, sondern das ganze Sein des Kindes. Das ¹Sich-æffnenª
und das Ausgreifen beginnt als eine Welle der Erregung im Mittelpunkt
des Wesens, die aufwårts durch die Brust und hinaus durch die Arme,
die Kehle, den Mund und die Augen stræmt. Das begleitende Gefçhl kann
man beschreiben als ein Ausgreifen vom Herzen aus oder ein ¹Sich-
æffnenª, das bis ins Herz hineinreicht und das Herz einbezieht. Der Såug-
ling æffnet sich und greift mit ungeteiltem Lebensimpuls aus und kann
die Liebe in sich hineinnehmen, die ihm angeboten wird.
Das Úffnen der Persænlichkeit bedeutet ein Úffnen des Herzens eines
Menschen, so dass er fåhig ist, Liebe auszudrçcken und zu empfangen.
Dies ist keine Metapher, sondern eine physische Reaktion. Ein Herz ist
offen, wenn das Gefçhl und die Erregung des Herzens frei in die Arme
und durch die Kehle und in den Mund und in die Lippen und aufwårts
in die Augen stræmen kænnen. Genau wie Impulse auf diesem Wege nach
auûen stræmen, so stræmen Eindrçcke auf ihm nach innen. Ein offener
Mensch spçrt die Zuneigung, die andere fçr ihn empfinden, in seinem
Herzen. Das Gefçhl stræmt vom Herzen aufwårts und abwårts im Kærper,
hin zum Kopf und zu den Genitalien und zu den Beinen. Die Sexualitåt
eines offenen Menschen ist durchtrånkt von der Liebe seines Herzens,
und jeder Schritt, den er tut, ist Ausdruck der Energie seines Kærper-
kerns, seines Herzens.
Wenn wir von jemandem sagen, er habe ein verschlossenes Herz, mei-
nen wir, man kænne an sein Herz nicht herankommen. Sollte das Herz
sich jemals verschlieûen, wçrde der Mensch sterben. Man kann jedoch
die Wege zum Herzen von oben wie von unten her verengen und be-
schrånken. Und man kann durch Muskelverspannungen, die die Brust
starr und unbeweglich machen, wie wir dies beim KYPHO finden, den
Brustkorb in ein Gefångnis verwandeln. So drçckt die starr verhårtete
Brust des KYPHO auch die Botschaft aus: ¹Ich will dich nicht nah an
48 z 5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl

mich heranlassen.ª Wilhelm Reich hat solche Verspannungen als einen


Vorgang der ¹Panzerungª bezeichnet, die den Menschen davor schçtzen
soll, aufs Neue frustriert und verletzt zu werden. Sie dient auch dazu,
den Schmerz der ursprçnglichen Frustration und Verletzung zu dåmpfen
und ist daher eine Abwehr gegen Gefçhle. In jeder kærperlichen Anspan-
nung ist etwas von Bedeutung eingebettet. Das Nervensystem spannt kei-
nen Muskel ohne eine ± unbewusst empfundene ± ¹Ûberzeugungª darç-
ber an, warum dieser Muskel angespannt sein muss im Rahmen seines
Gesamterlebens von sich und der Welt und der Art und Weise seines
Seins in dieser Welt.
Menschen mit einer starken Verspannung und Enge in der Brust sind
blockiert in ihrer Fåhigkeit, sich zu æffnen und voll und frei auszugreifen.
Ist der Brustkorb starr und eng, liegt oft auch ein Ring verspannter Mus-
keln um den Halsansatz und beengt den Ûbergang des Halses in die
Brusthæhle. Starke Muskeln am Hals ersticken oft wirksam jeden Impuls,
der hinaus mæchte. Muskelverkrampfungen im Schultergçrtel und an den
Schulterblåttern beschrånken effektiv die Reichweite des Betreffenden.
Chronische Verspannungen der Kiefermuskulatur fehlen nie, und bei
manchen Menschen ist die Mæglichkeit, den Mund zu æffnen, vermindert.
Die Lippen sind oft in ihrer Fåhigkeit, sich frei und ungehindert nach
vorn zu bewegen, eingeschrånkt.
Auch Kopfschmerzen sind eine håufige Beschwerde der Menschen mit
oralem Charakter. Man kann ihr håufiges Auftreten durch die Verspan-
nungen von Hals und Kopfansatz erklåren. Jede Anstrengung, die einen
starken Zustrom von Energie zum Kopf erzeugt, kann zu Druckgefçhl,
Kopfschmerzen oder zu Schwindelgefçhlen fçhren, zu denen diese Men-
schen sehr stark neigen. Gleichermaûen finden sich dabei meist auch
starke Verspannungen im Bereich der Lendenwirbelsåule und des Be-
ckens.
Wenn sich die Spannungen im Becken im Verlauf eines ¹KYPHO¾-Pro-
grammsª oder einer anderen Therapie vermindern, geht das Becken in
eine schwingende Bewegung çber, die mit der Atmung çbereinstimmt. Es
bewegt sich bei der Einatmung nach hinten und bei der Ausatmung nach
vorne. Wilhelm Reich hat diese Bewegung als ¹Orgasmusreflexª bezeich-
net, weil sie auf dem Hæhepunkt des Sexualakts auch unwillkçrlich er-
folgt. Wenn diese Bewegung frei mæglich ist, geht die Atmungswelle
durch das Becken in die Beine. Die Erdung ist vollståndig. Um den Bauch
zu æffnen und das Becken zu befreien, muss man auch die Muskelver-
spannungen im Kreuz und in den Hçften lockern, die das Stræmen der
Empfindungen in und durch dieses Gebiet blockieren.
Jeder chronisch verspannte Muskel hemmt eine Bewegung. Solange die
Verspannung unbewusst bleibt, erlebt der Mensch sie als ¹Ich kann
nichtª. Er fçhlt sich in seinem Klagen gerechtfertigt. Je mehr der Mensch
Kontrolle çber seine angespannten Muskeln gewinnt, desto mehr verwan-
5 KYPHO-Haltung und Lebensgefçhl z 49

delt sich das ¹Ich kann nichtª bei zunåchst bleibender Anspannung in
ein ¹Eigentlich will ich auch gar nicht.ª Dies ist ein wichtiger Schritt.
Und entscheidend ist dann der nåchste Schritt: In Selbstverantwortung
den entstehenden neuen Bewegungsspielraum zu nutzen fçr den Aus-
druck derjenigen Lebensimpulse, die gewollt sind und vorher nicht mæg-
lich waren.
Erst wenn der verspannte Mensch ein gewisses Maû an Offenheit er-
reicht und schrittweise ein stårkeres Empfinden fçr seine innere Energie
und sein Herz empfindet, spçrt er die Impulse, die von seinen Verhårtun-
gen blockiert werden. Schritt fçr Schritt gewinnt er die Fåhigkeit, sich zu
æffnen, sich frei auszudrçcken und in Austausch zu treten. Diese Fåhig-
keit macht aus dem frustrierten Menschen einen Menschen, der emotio-
nal am Geben und Nehmen des Lebens teilnehmen kann. Dies wird die
Grundlage eines neuen Vertrauens zu sich selbst und zu seinen Gefçhlen.
Jeder Mensch hat das Bedçrfnis zu lieben, und er braucht das Gefçhl,
dass seine Liebe angenommen und in gewissem Maûe erwidert wird. Ge-
liebt zu werden ist nur insofern wichtig, als es den aktiven Ausdruck un-
serer eigenen Liebe erleichtert. Man wird nicht depressiv, wenn man der-
jenige ist, der liebt.
Was auch immer die Erfahrungen der Kindheit und die frçhen Reak-
tionen des Menschen darauf waren, der erwachsene Mensch muss das
Gefçhl der Erfçllung und die innere Gewissheit der Geborgenheit und
der Fçlle in sich selbst finden. Gleichgçltig, wie viel Aufmerksamkeit, Be-
wunderung, Anerkennung oder Liebe der Mensch von auûen bekommt,
eine innere Leere wird hierdurch niemals ausgefçllt sein. Diese Erfçllung
kann ein Erwachsener nur auf der Erwachsenenebene erreichen, d. h.
durch sein Lieben, durch sein Arbeiten, durch seine Sexualitåt. Dies ist
schrittweise erreichbar und wird erleichtert, wenn der Mensch aufrecht
im Leben steht, wenn chronische Verspannungsmuster gelockert sind,
wenn eine volle Atemfunktion einen hohen Grad an Vitalitåt garantiert,
wenn ein inneres Gefçhl von Kraft, Fçlle und Lebendigkeit eine reale Er-
fahrung ist und sich auf dieser Grundlage ein freier Austausch des Ge-
bens und Nehmens mit der Umwelt entwickelt.
6 Dehnungsçbungen

Wir haben gesehen, dass bei Fehlhaltungen und Dysbalancen Kærper-


strukturen verkçrzt und geschrumpft sind, weil sie çber Jahre und Jahr-
zehnte nicht in ihrem normalen Bewegungsausmaû gefordert wurden und
das Bindegewebe sich auf den beanspruchten Bereich verkçrzt hat. Fçr
die weiteren Fortschritte im KYPHO¾-Programm ist es deshalb eine
grundlegende Voraussetzung, diese verkçrzten Strukturen, die durch ihre
Schrumpfung lediglich ein eingeschrånktes Bewegungsausmaû zulassen,
auf eine ¹normaleª Långe zu dehnen. Nur wenn dies gelingt, kann in wei-
teren Schritten des Programms dieser neue Bewegungsspielraum stabili-
siert, in den Zusammenhang der anderen Lebensfunktionen integriert
und zur neuen Gewohnheit werden.
Zu Beginn des Dehnungsprogramms wird ein Orthopåde ± oder der
KYPHO¾-Kursleiter ± eine Untersuchung der wesentlichen beteiligten
Strukturen durchfçhren.
Hierbei wird sich in nahezu allen Fållen auf beiden Seiten eine Ver-
kçrzung des Musculus pectoralis major und der zugehærigen Sehne fin-
den, ebenso eine Verkçrzung des Musculus pectoralis minor und der vor-
deren Strukturen der mittleren und oberen Brustwirbelsåule. In einigen
Fållen mag sich zusåtzlich eine ausgeprågte Verkçrzung des Musculus
subscapularis oder des Musculus serratus anterior zeigen, manchmal
auch des Musculus coracobrachialis, der vorderen Anteile des Musculus
deltoideus und der Zwischenrippenmuskeln. Komplizierend kann sich
auch ± insbesondere nach långerer Kompensation durch eine Hyperlordo-
se der Halswirbelsåule ± eine Verkçrzung des Musculus levator scapulae
und der oberen Anteile des Musculus trapezius finden.
Die folgenden Empfehlungen zu Dehnungsçbungen sind fçr die håu-
figsten und typischsten Fålle geeignet. Im individuellen Fall kann bei Be-
sonderheiten eine Modifikation des nachfolgend dargestellten Programms
sinnvoll sein. Der behandelnde Orthopåde oder Physiotherapeut bzw. der
KYPHO¾-Kursleiter wird darauf hinweisen.
Bei der gezielten Untersuchung wird der Untersucher auch darauf hin-
weisen, welche Muskelstrukturen eventuell nicht in Eigençbungen vom
Patienten selbst gedehnt werden kænnen, sondern einer Dehnung durch
bestimmte Grifftechniken durch einen erfahrenen Behandler bedçrfen.
52 z 6 Dehnungsçbungen

Abb. 12. Oberflåchliche und tiefe Schicht der Brustmuskulatur

Dies kænnen insbesondere Verkçrzungen im Bereich der Halswirbelsåule


sein, die sich im Rahmen der Kompensation der verstårkten Brustkypho-
se durch eine vermehrte Lordose der Halswirbelsåule mit den Jahren
entwickelt haben kænnen und håufig den Bereich der oberen Halswirbel-
såule und des Ûbergangsbereichs von der Halswirbelsåule zum Kopf be-
treffen.
Daneben kænnen insbesondere auch die vorderseitigen Strukturen des
Halses wie insbesondere das Platysma in seinem unteren Anteil, die Mus-
culi scaleni und der Musculus sternocleidomastoideus einer gezielten the-
rapeutischen Dehnung durch einen erfahrenen Behandler bedçrfen. In
seltenen Fållen kann auch eine Lockerung und Dehnung der Kaumuskula-
tur notwendig sein. Einige wichtige Aspekte zu dieser therapeutischen
Arbeit sind in Kapitel 14 dargestellt.
Es ist jedem Menschen zu empfehlen, alle seine Gelenke immer wieder
auch endgradig zu bewegen, um damit das Bewegungsspiel zu erhalten;
dies ist im Alltag nicht immer gewåhrleistet. Bei chronischen Fehlhaltun-
gen wie bei der KYPHO-Haltung kommen wir nun an strukturelle Gren-
zen. Wie wir gesehen haben, kann der KYPHO seine Haltung zwar auf-
richten, jedoch im Bereich der Brustwirbelsåule nur sehr unvollståndig
und nur durch eine Ûberlastung anderer Wirbelsåulenabschnitte. Ziel
muss es also sein, bei Dehnungsçbungen an die ¹Wurzel des Ûbelsª zu
gehen. Es bedarf im Bereich der genannten Muskeln und ihrer Sehnen
und im Bereich der verstårkt gekrçmmten und in ihrer Beweglichkeit
eingeschrånkten kyphotischen Brustwirbelsåule eines Dehnprogramms,
6 Dehnungsçbungen z 53

das so gestaltet ist, dass der fçr den betroffenen Menschen aktiv erreich-
bare Bewegungsspielraum vergræûert wird. Dies geschieht, indem binde-
gewebige Strukturen derart gedehnt werden, dass sie quasi ¹çberdehntª
werden und im Rahmen ihres feingeweblichen Flieûgleichgewichts in ei-
ner verlångerten Position bleiben. Eine regelmåûige Wiederholung dieser
¹Ûberdehnungenª auf mikroskopischer Ebene ± am besten mehrmals tåg-
lich ± fçhrt letztendlich dazu, dass die Strukturen auch sichtbar und in
einem funktionell relevanten Ausmaû verlångert werden.
Zu unterscheiden sind hier die Dehnungen von elastischen Elementen
wie Sehnen, Faszien und rein bindegewebigen Anteilen der Muskulatur
einerseits und andererseits kontraktilen Elementen der Muskulatur, also
den Teilen der Muskelfasern, die sich zusammenziehen kænnen und so zu
einer Verkçrzung und Anspannung des Muskels beitragen. Kontraktile
Elemente der Muskulatur vergræûern sich bei Belastung insbesondere in
Dehnstellungen auch durch einen molekularen Umbau mit der Entste-
hung zusåtzlicher Molekçle, die ± in Serie geschaltet ± zu einer Verlånge-
rung dieser Muskelanteile beitragen. Eine Verlångerung der bindegewebi-
gen Sehnenabschnitte entsteht groûenteils durch das Aufbrechen von
¹Cross-Linksª. Dabei handelt es sich um Verklebungen zwischen Faserele-
menten, die teilweise durch Wasserstoffbrçcken und teilweise durch fes-
tere Verbindungen gebildet werden. In verkçrztem Gewebe kommt es mit
der Zeit zunehmend zu solchen Cross-Links, die dann die natçrliche
Elastizitåt einschrånken und die Dehnbarkeit mindern (siehe hierzu auch
Kapitel 14 und Abb. 65).
Dem mçssen wir bei den verkçrzten Strukturen im Rahmen unseres
KYPHO¾-Programms entgegenwirken.
Wir unterscheiden also im Rahmen des KYPHO¾-Programms dem
Prinzip nach zwei verschiedene Dehnungsziele:
1. Das dynamische vollståndige Ausnutzen des aktuell gegebenen Bewe-
gungsspielraums.
2. Das Verlångern verkçrzter, geschrumpfter Strukturen zur Vergræûerung
des aktuell gegebenen Bewegungsspielraums.

Vor und nach allen Kråftigungsçbungen sind elastische Dehnungen im


Rahmen des aktuell vorliegenden Bewegungsausmaûes sinnvoll, um die
angeregte Muskulatur wieder in ihre Normallånge zu fçhren und der Ten-
denz zu Verkçrzungen entgegen zu wirken.
Zusåtzlich sind bei den chronisch verkçrzten Strukturen ¹Verlånge-
rungsdehnungenª, sogenannte ¹therapeutische Dehnungenª, erforderlich.
Dies betrifft beim KYPHO immer den Bereich der vorderen oberen Brust,
die vorderen Anteile der mittleren und oberen Brustwirbelsåule und die
vorderen Schulteranteile, manchmal aber auch andere Kærperteile wie
beispielsweise bei einer çber Jahrzehnte bestehenden verstårkten Gegen-
krçmmung im Bereich der Halswirbelsåule die Nackenmuskulatur. Im
54 z 6 Dehnungsçbungen

Rahmen eines individuellen KYPHO¾-Programms kann der Trainer einen


individuellen Dehnungsplan zusammenstellen, der alle relevanten Kærper-
abschnitte umfasst.
Das therapeutische Dehnen unterscheidet sich vom dynamischen Aus-
nutzen des Bewegungsspielraums vor allem dadurch, dass ein åuûerer Fix-
punkt ausgenutzt wird, gegen den sich der Organismus mit Kærpergewicht
und Kraft bewegt oder durch åuûere Krafteinwirkung bewegt wird, so dass
die dazwischen liegenden Strukturen einem Verlångerungsreiz ausgesetzt
werden. In besonders hartnåckigen Fållen kann die Hilfe eines Physiothera-
peuten erforderlich werden, der besonders stark verklebte Strukturen mit
seinen Hånden bearbeiten und gezielt und umschrieben aufdehnen kann.
Fçr alle im Folgenden beschriebenen Verlångerungsdehnungen gelten
die Schritte:
z Einnehmen der Dehnposition, so dass eine deutliche Dehnspannung
spçrbar wird. (Kein Schmerz, der zu einer schutzreflektorischen Mus-
kelanspannung fçhren wçrde!)
z Bei der Dehnung von Muskeln diese anspannen, die Anspannung 10
Sekunden lang halten, locker lassen und danach wieder so weit deh-
nen, dass die Dehnung deutlich spçrbar wird.
z Halten dieser Dehnposition (ca. 30±40 Sekunden lang, falls nicht bei
der jeweiligen Ûbung etwas anderes angegeben ist).
z Dabei die Ausatmung betonen und etwas verlångern.
z Verstårken der Dehnung, wenn das Spannungsgefçhl nachlåsst. Die
neue Dehnposition wird erneut 30±40 Sekunden lang gehalten.

Die Aufmerksamkeit ruht auf dem zu dehnenden Muskel, wobei versucht


wird, den Muskel wåhrend der Dehnung bewusst zu entspannen, bewusst
locker zu lassen.
Die Dehnung kann entsprechend dem Ausmaû der Verkçrzung und der
Bedeutung der jeweiligen Dehnung im Gesamttrainingsplan 1- bis 3-mal
wiederholt werden. Da selbstverståndlich immer beide Seiten gedehnt wer-
den, werden alle beschriebenen Ûbungen (auûer den Rumpfçbungen) mit
Dehnung des rechten sowie mit Dehnung des linken Muskels ausgefçhrt.
Wichtig fçr ein wirkungsvolles Dehnen ist, dass langsam und kontrolliert
gedehnt und nicht gezerrt wird, da sich der Muskel sonst reflektorisch an-
spannt und der Dehnungsreiz nicht an den zu dehnenden Strukturen an-
kommt. Verletzte Muskeln sollten nicht gedehnt werden. Es ist wichtig, re-
gelmåûig zu dehnen und beide Kærperseiten symmetrisch zu dehnen, falls
nicht vorbestehende Asymmetrien ausgeglichen werden sollen.
Allein das Dehnen von Strukturen, die seit Jahren oder Jahrzehnten
verkçrzt waren, schafft schon ein neues Gefçhl der Weite und inneren
Freiheit. Dies wird als sehr angenehm empfunden und motiviert fçr die
weiteren Schritte des KYPHO¾-Programms, die diese Erfahrung stabilisie-
ren und in die gesamte Haltung integrieren.
6 Dehnungsçbungen z 55

Spezifische Muskeldehnungen
z Dehnung des M. pectoralis

1.
z Oberarm vom Kærper abspreizen, auûenrotieren (Hand nach oben)
und hinter den Kærper ziehen.
z Den Unterarm mit der Kleinfingerkante an einen Tçrrahmen, eine
Wand oder einen anderen Widerstand legen.
z Den Oberkærper vom Arm weg nach vorn drehen. (Wird der Oberarm
in der Horizontalen gehalten, wird der Pars sternocostalis des Muskels
verstårkt gedehnt. Wird er çber der Horizontalen gehalten, wird der
Pars abdominalis, wird er unter der Horizontalen gehalten, der Pars
clavicularis stårker gedehnt. Die Dehnung 20 Sekunden halten, den
Muskel anspannen und wieder locker lassen, dann weitere 20±30 Se-
kunden lang nachdehnen.)

a b
Ausgangstellung Dehnung
Abb. 13 a, b. Dehnung des rechten Brustmuskels an einer Wand (auch an einem Schrank oder
åhnlichem mæglich)
56 z 6 Dehnungsçbungen

2.
z Die beiden groûen Brustmuskeln kann man gleichzeitig dehnen, wenn
man eine Stange, ein Handtuch, ein Seil oder ein Band çber den Kopf
nach hinten fçhrt und hier im Bereich der maximalen Dehnung ver-
harrt. Hierbei handelt es sich um endgradiges Dehnen im Rahmen des
derzeit mæglichen Bewegungsausmaûes, wohingegen das erstbeschrie-
bene Dehnen als therapeutisches Dehnen eine gezieltere und effektivere
Unterbrechung von Cross-Links ermæglicht.
Bei einer starken Verkçrzung der oberen Anteile des groûen Brust-
muskels kann eine ergånzende Dehnungsçbung auch hinter der Len-
denwirbelsåule nach oben durchgefçhrt werden.

a b
Ausgangsstellung Dehnung

c Abb. 14 a±c. Dehnung beider Brustmuskeln


mit einem Handtuch oder einem Band
Ergånzende Dehnung
6 Dehnungsçbungen z 57

z Dehnung des M. trapezius

z Senken der rechten Schulter. (Bei der Durchfçhrung der Dehnung auf
einem Stuhl kann die rechte Hand die Sitzflåche festhalten.)
z Neigen des Kopfes zur Gegenseite.
z Wåhrend die linke Hand leicht auf die rechte Schlåfe drçckt, wird die
rechte Schulter 10 Sekunden lang hochgezogen.
z Danach wird der rechte Arm so weit wie mæglich nach unten gezogen
und der Kopf wird nach links geneigt, bis die Dehnspannung des Tra-
peziusmuskels deutlich spçrbar wird.
Anschlieûend Seitenwechsel.

a b

Ausgangsstellung Dehnung
Abb. 15 a, b. Dehnung des Trapeziusmuskels
58 z 6 Dehnungsçbungen

z Dehnung des M. latissimus dorsi

z Der Kærper steht mit der linken Seite zu einer Wand, an der er sich
oberhalb des Kopfes an einem Gegenstand festhalten kann, z. B. an
einer Kletterwand, an einer Stange oder an einem Griff.
z Der rechte Arm wird nach oben gehoben und greift çber den Kopf an
den Gegenstand an der Wand.
z Der Kærper wird seitlich weggedrçckt, was einen Zug auslæst (Flanken-
dehnung).
Anschlieûend Seitenwechsel.

a b

Ausgangsstellung Dehnung
Abb. 16 a, b. Dehnung des M. latissimus dorsi
6 Dehnungsçbungen z 59

z Dehnung der Innenrotatoren des Schultergelenks


(M. subscapularis)

z Im Stehen vor einer Wand oder einem Tçrrahmen liegt der rechte
Oberarm am Kærper an, der Ellenbogen ist gebeugt und die Beugeseite
des rechten Unterarms liegt an der Wand bzw. am Tçrrahmen an.
z Den Oberkærper bei fixiertem Unterarm nach links drehen, was die
Dehnspannung erzeugt. Sodann den M. subscapularis anspannen, in-
dem der Oberarm gegen den Widerstand des Tçrrahmens Richtung
der Innenrotation gedrçckt wird, ± und anschlieûend den Oberkærper
weiter in die maximale Linksdrehstellung drehen.
Anschlieûend Seitenwechsel.

a b

Ausgangsstellung Dehnung
Abb. 17 a, b. Dehnung der Innenrotatoren des Schultergelenks
60 z 6 Dehnungsçbungen

z Dehnung der Brustkyphose (im mittleren und oberen Abschnitt)

Fçr das ¹therapeutische Dehnenª ist ein ¹Hypomochlionª erforderlich,


çber das die Wirbelsåule aufgedehnt wird. Hierzu eignet sich beispiels-
weise eine dicke Handtuchrolle, deren Dicke individuell nach dem Aus-
maû der Kyphose variiert werden kann. Noch besser eignet sich hierfçr
ein hierzu eigens entwickelter Kyphose-Keil.

Therapeutisches Dehnen der Brustkyphose


1. In Rçckenlage:
z Der Ûbende liegt auf dem Rçcken auf dem Kyphose-Keil oder der
Handtuchrolle, die knapp unterhalb desjenigen Wirbelsåulenabschnit-
tes platziert ist, der aufgedehnt werden soll.
z Die Beine sind angezogen, zum Ausgleich der Lendenlordose wird das
linke Bein mit dem Unterschenkel auf den rechten Oberschenkel gelegt.
z Jetzt wird mit einem Druck, der die direkt oberhalb des Hypomochli-
ons liegenden Strukturen zum Boden drçckt, ein Dehnungsreiz auf die
vorderen Brustwirbelsåulenanteile ausgeçbt. Zu beachten ist hierbei,
dass die Bewegung nach hinten nicht in der Halswirbelsåule erfolgt,
sondern unmittelbar oberhalb der Strukturen des Hypomochlions.
Eventuell ist hier die Hilfe eines erfahrenen KYPHO¾-Trainers erfor-
derlich, damit der Dehnungsreiz auch an der Stelle ankommt, an der
er individuell gebraucht wird.
z Sollen mehrere Segmente aufgedehnt werden, so werden diese durch ver-
schiedene Positionen der Handtuchrolle bzw. des Kyphose-Keils aus-
gewåhlt. Meist gençgen drei Positionen, die jeweils auf Grund der Stårke
der vorderen Wirbelsåulenstrukturen 2 Minuten lang gedehnt werden.

Abb. 18 a±d.
a
Aufdehnen der verstårkten
Brustkyphose im Liegen
Ausgangsstellung
6 Dehnungsçbungen z 61

Abb. 18 b±d

b
Dehnung

Dehnung eines hæheren


c
Segments

Kyphose-Keil
d
und Handtuchrolle
62 z 6 Dehnungsçbungen

2. Im Sitzen:
Der Ûbende sitzt auf einem Stuhl, schiebt das Gesåû auf dem Stuhl
zurçck, stellt einen Fuû auf den vorderen Teil des Stuhls und trågt so
Sorge dafçr, dass die Lendenwirbelsåule fixiert ist. Die Stuhllehne ist
entscheidend und sollte sich in Hæhe der mittleren bis oberen Brust-
wirbelsåule befinden, ansonsten kænnen Kissen çber der Lehne die
Lehnenhæhe anpassen. Jetzt werden die Hånde hinter dem Kopf ver-
schrånkt, und langsam wird der Oberkærper çber die Stuhllehne nach
hinten gedehnt, ohne ins Hohlkreuz auszuweichen. Das Eigengewicht
des Kopfes, evtl. erhæht durch ein zusåtzliches Gewicht, das auf der
Stirn gehalten wird, bilden den Dehnungsreiz. Wichtig ist dabei, dass
die Halswirbelsåule in einer mittleren Stellung bleibt.

Abb. 19. Aufdehnen der verstårkten Brust-


kyphose im Sitzen
6 Dehnungsçbungen z 63

¹Dynamische Dehnungenª der oberen Brustwirbelsåule kænnen auf ver-


schiedene Weise ausgeçbt werden:
1. Die Dehnung mit einem Handtuch:
Nimmt man ein Handtuch an den entferntesten Zipfeln in beide Hånde
und fçhrt es çber den Kopf nach hinten unten, so kommt es hierbei ne-
ben der Dehnung der Brustmuskeln auch zu einem dynamischen Dehnen
der Strukturen des vorderen oberen Brustkorbs und der vorderen Brust-
wirbelsåulenanteile (siehe Abb. 14).

2. Die Kobra-Stellung aus dem Hatha-Yoga:


z Legen Sie sich auf den Bauch. Die Beine sind geschlossen. Die Stirn
berçhrt den Boden.
z Legen Sie die Hånde etwa in Schulterhæhe auf dem Boden ab, wobei
die Fingerspitzen nach vorne zeigen, die Arme und Hånde parallel
zum Oberkærper liegen und die Ellenbogen nicht belastet werden.
z Heben Sie den Oberkærper langsam vom Boden und legen Sie den
Kopf in den Nacken.
(Mit der vollen Kraft der Rçckenmuskulatur erreicht man ein endgra-
diges Dehnen der Brustwirbelsåulenstrukturen, jedoch ± ohne Hypo-
mochlion ± kein ¹therapeutisches Verlångerungsdehnenª.)

Abb. 20. Die Kobra-Stel-


lung aus dem Hatha-Yoga
64 z 6 Dehnungsçbungen

3. Die Bogenstellung aus dem Hatha-Yoga:


z Legen Sie sich auf den Bauch, schlieûen Sie die Beine und berçhren
Sie mit der Stirn den Boden.
z Winkeln Sie die Knie an und ergreifen Sie die Fuûknæchel mit den
Hånden.
z Beugen Sie nun den Kopf so weit wie mæglich zurçck und heben Sie
Brust und Knie mit dem Einatmen so hoch wie mæglich, so dass die
Wirbelsåule wie ein Bogen gespannt ist; die Arme bleiben gerade.
(Falls hierbei Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsåule entstehen,
lockern Sie den Zug an den Fuûknæcheln und heben die Brust stårker
an.)
z Bleiben Sie 20 bis 30 Sekunden lang in dieser Stellung, ± und wieder-
holen Sie dies 3- bis 4-mal.

Abb. 21. Die Bogenstellung


aus dem Hatha-Yoga
6 Dehnungsçbungen z 65

z Dehnung der langen Rçckenstrecker

z Mit gespreizten Oberschenkeln auf einem Stuhl sitzen.


z Kopf und Schulter nach vorn nehmen, Rumpf einrollen und ausatmen.
z Mit den Armen unter den Knien hinter die Beine und mit den Hånden
auf den Fuûrçcken greifen.
z Rçckenmuskulatur entspannen und mit dem Gewicht von Kopf und
Schultergçrtel nach vorne unten ziehen.

Abb. 22. Dehnung der


langen Rçckenstrecker
66 z 6 Dehnungsçbungen

z Dehnung des M. iliopsoas

1.
z Im Hocksitz wird das rechte Bein nach hinten gefçhrt, so dass der
rechte Unterschenkel mit seiner Vorderseite auf dem Boden liegt und
das rechte Hçftgelenk gestreckt wird; das linke Bein steht mit gebeug-
ter Hçfte und gebeugtem Knie.
z Die rechte Hçfte drçckt nach vorne abwårts; eine Drehung der Hçfte
ist zu vermeiden.
Anschlieûend Seitenwechsel.

Abb. 23. Dehnung des M.


iliopsoas (auf dem Boden)

2.
z Ein Bein kann alternativ auch
auf einen Stuhl aufgestçtzt wer-
den, das andere Bein bleibt
dann auf dem Boden stehen.
Beide Fçûe zeigen parallel nach
vorn.
z Die Hçfte wird ebenfalls nach
vorn unten geschoben.
Anschlieûend Seitenwechsel.

Abb. 24. Dehnung des M. iliopsoas (mit einem


Stuhl)
6 Dehnungsçbungen z 67

z Dehnung des M. quadriceps femoris

1.
z In Seitenlage auf dem Boden wird der zum Boden liegende Oberschen-
kel maximal zur Brust hochgezogen.
z Mit dem oben liegenden Arm wird der oben liegende Fuû mit der Fer-
se zum Gesåû gezogen und dabei das Hçftgelenk gestreckt und das
Kniegelenk maximal gebeugt.
Anschlieûend Seitenwechsel.

Abb. 25. Dehnung des


M. quadriceps femoris
(in Seitenlage)

2.
z Im Einbeinstand mit (zur
Entlordosierung) leicht ge-
beugtem linkem Knie wird
das rechte Bein im Knie ma-
ximal gebeugt.
z Mit der rechten Hand wird
die rechte Ferse bei gleich-
zeitiger Ûberstreckung des
rechten Hçftgelenks gegen
das Gesåû gepresst.
Anschlieûend Seitenwechsel.

Abb. 26. Dehnung des M. quadriceps femoris


(im Einbeinstand)
68 z 6 Dehnungsçbungen

z Dehnung der Ischiocruralmuskulatur

1.
z In Rçckenlage bleiben Rumpf, Kopf und linkes Bein flach auf der Un-
terlage liegen.
z Das rechte Bein wird bei gebeugter Hçfte und mæglichst gestrecktem
Knie mit beiden Hånden Richtung Brust gezogen.
Anschlieûend Seitenwechsel.

Abb. 27. Dehnung


der Ischiocruralmuskulatur
(in Rçckenlage)

2.
z In Rçckenlage wird das linke Bein bei rechtwinklig gebeugter Hçfte
çber das rechte Bein geschlagen, so dass sich das mæglichst weit ge-
streckte linke Knie rechts vom Becken der Unterlage annåhert.
z Beide Schultern bleiben auf dem Boden. Dann drçckt die rechte Hand
das linke Knie zur Unterlage.
Anschlieûend Seitenwechsel.

Abb. 28. Dehnung


der Ischiocruralmuskulatur
(in Schråglage)
6 Dehnungsçbungen z 69

3.
z Die Ferse des rechten Beins wird mit gestrecktem Knie auf einen Stuhl
aufgesetzt, wåhrend das linke Bein mit leicht gebeugtem Knie locker
auf dem Boden steht.
z Das Hçftgelenk des rechten Beins wird maximal gebeugt, dabei nåhern
sich Oberkærper und Kopf so weit wie mæglich dem rechten Bein an.
Anschlieûend Seitenwechsel.

Abb. 29. Dehnung der Ischiocrural-


muskulatur (im Stehen)
70 z 6 Dehnungsçbungen

z Dehnung der Wadenmuskulatur

1.
z Mit beiden Hånden nach vorn an einem Hocker oder einem Stuhl ab-
stçtzen, das linke Bein steht mit gebeugtem Knie fest auf dem Boden,
das rechte Bein ist bei parallelen Fçûen weit nach hinten gestellt und
bleibt mit der Ferse so weit wie mæglich am Boden.
z Das Kniegelenk des rechten Beins strecken und die rechte Hçfte nach
vorn drçcken.
Anschlieûend Seitenwechsel.

Abb. 30. Dehnung


der Wadenmuskulatur
7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte

Zur Stabilisierung einer neuen Haltung mçssen schwache Muskeln gekråf-


tigt werden. Diese Kråftigungsçbungen kænnen mit hinreichendem Effekt
zu Hause auf dem Teppich oder einem Hocker ausgefçhrt werden. Moder-
ne Trainingsgeråte helfen bei einem guten Trainingsplan mit einer exak-
ten Einstellung der Geråte und individuell angepassten Gewichten, das
Trainingsziel schneller und kontrollierter zu erreichen.
Bei isometrischen Ûbungen (wie beispielsweise bei den isometrischen
Kråftigungsçbungen fçr die Musculi rhomboidei ohne Geråt) ist es sinn-
voll, 6±8 Sekunden in der Anspannungshaltung zu verharren; wir fçhren
bei rein isometrischen Ûbungen 3 Serien zu je 8 Wiederholungen durch.
Ansonsten trainieren wir çberwiegend mit der Methode mittlerer
Krafteinsåtze mit hohen Wiederholungszahlen: Intensitåt 30±65% der
Maximalkraft, Durchfçhrung langsam bis zçgig, 20±50 Wiederholungen,
1 Serie 2 ´ pro Woche. Nach mehrwæchigem Training dieser Variante ist
es mæglich, zu einer muskelaufbauorientierten Variante çberzugehen und
dann die Intensitåt der Ûbungen mit Geråt durch Gewichte auf 65±85%
der Maximalkraft zu steigern und mit 6±12 Wiederholungen pro Serie bei
2±3 Serien zu arbeiten. Um einen guten Kraftzuwachs zu erreichen, ist es
jeweils nicht notwendig, unbedingt unter Einsatz der Maximalkraft zu
trainieren. Fçr die wesentlichen Effekte im KYPHO¾-Programm reicht ein
Ein-Satz-Training aus. Stets ist auch auf eine technisch korrekte Durch-
fçhrung der Ûbungen und auf eine regelmåûige Atmung zu achten.
Ein 10-minçtiges Aufwårmen vor den Kråftigungsçbungen verbessert
die Durchblutung und die Sauerstoffversorgung der Muskulatur und er-
hæht auch die Flçssigkeitsaufnahme des Knorpels; so kommt es auch zu
einer verbesserten Pufferfunktion beispielsweise in den Kniegelenken.
Ein zusåtzliches Ausdauertraining im aeroben Bereich der Muskulatur
wåhrend der Muskelaufbauphase schadet nicht, sondern færdert die Trai-
ningsintensitåt und sorgt fçr eine schnellere Erholung.
72 z 7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte

z Kråftigungsçbungen fçr die Mm. rhomboidei

1.
z In Bauchlage auf einer Liege oder einem Hocker werden Gewichte (z. B.
volle Wasserflaschen oder ± falls verfçgbar ± Hanteln) mit beiden Hån-
den seitlich von der Liege gehalten.
z Die Oberarme werden sodann gegen die Schwerkraft seitensym-
metrisch abgespreizt, damit wird das Gewicht zur Seite gehoben und
gehalten.

Abb. 31 a , b. Kråftigungsçbung fçr die Musculi rhomboidei (in Bauchlage)


7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte z 73

2.
z Statt in Bauchlage auf einer Liege kann diese Ûbung (mit Hanteln oder
anderen Gewichten) auch im Stehen mit nach vorn gebeugtem Ober-
kærper und geradem Rçcken durchgefçhrt werden.

a b

Abb. 32 a, b. Kråftigungsçbung fçr die Mm. rhomboidei (im Stehen)


3.
z In aufrechter Sitzhaltung mit leicht in der Hçfte abgespreizten Beinen
und mit leicht nach auûen gedrehten Fçûen werden die Finger vor der
Brust ineinander gehakt und auseinander gezogen. Dabei werden die
Fçûe auf den Boden gedrçckt. Nicht die Schultern dabei heben!

Abb. 33. Kråftigungsçbungen


fçr die Musculi rhomboidei (im Sitzen)
74 z 7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte

z Kråftigungsçbungen fçr die Schulterauûenrotatoren

Im Sitzen wird der Oberkærper leicht nach vorne gebeugt. Beide Ober-
arme werden sodann waagerecht zur Seite angehoben, die Unterarme
sind ebenfalls waagerecht. Der Winkel im Ellenbogengelenk betrågt 908.
Sodann werden die Hånde im Halbkreis vor- und hochgehoben, die Ober-
arme werden dabei auûenrotiert.
(Wenn keine Hanteln und keine anderen Gewichte verfçgbar sind,
gençgt auch die Vorstellung, man bewege mit den Armen eine schwere
Last.)

a b

Abb. 34 a, b. Kråftigungsçbung fçr die Schulteraussenrotatoren


7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte z 75

z Kråftigungsçbung fçr den unteren Rçcken

In Bauchlage werden beide Beine angehoben und gehalten. Intensiviert


werden kann die Ûbung durch das gleichzeitige Anheben des Brustbeins,
wodurch zusåtzlich die Rçckenstreckmuskulatur des mittleren Rçckens
beansprucht wird. Wichtig ist hierbei, die Beine und den Oberkærper nur
wenige Zentimeter von der Unterlage abzuheben, so dass die Lendenwir-
belsåule nur ein wenig durchgebogen wird.

Abb. 35. Kråftigungsçbung fçr den unteren Rçcken


76 z 7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte

z Kråftigungsçbung fçr den M. pectoralis

Liegestçtzen mit gerader schulterbreiter Handstellung. Die Finger zeigen


nach vorn.

Abb. 36 a, b. Kråftigungsçbung fçr den M. pectoralis


7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte z 77

z Kråftigungsçbungen fçr die gerade Bauchmuskulatur

Abb. 37. Die tiefe Bauchmuskulatur

1.
z In Rçckenlage wird der Oberkærper leicht angehoben, das Brustbein
wird in Richtung Zimmerdecke gedrçckt, und der Blick bleibt zur De-
cke gerichtet. Dabei ausatmen und die Arme locker strecken.

Abb. 38. Kråftigungsçbung


fçr die gerade Bauchmus-
kulatur (mit locker ge-
streckten Armen)
78 z 7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte

2.
z Die gleiche Ûbung wird durchgefçhrt, wåhrend die Fingerspitzen die
Ohren berçhren.

Abb. 39. Kråftigungsçbung


fçr die gerade Bauchmus-
kulatur (mit den Fingerspit-
zen an den Ohren)

Das Ausmaû des Anhebens des oberen Rçckens und Kopfes bestimmt,
welcher Anteil des geraden Bauchmuskels (M. rectus abdominis) schwer-
punktmåûig trainiert wird. Beim Heben des Beckens bei um 908 in der
Hçfte gebeugten Beinen wird der unterste Muskelanteil am stårksten
gefærdert.

Abb. 40. Das Ausmaû des Anhebens


von oberem Rçcken und Kopf be-
stimmt, welcher Anteil des geraden
Bauchmuskels schwerpunktmåûig trai-
niert wird
7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte z 79

z Kråftigungsçbungen fçr die untere Bauchmuskulatur

1.
z In Rçckenlage werden die Beine hçftbreit aufgestellt. Die Fersen und
der Lendenbereich werden fest in die Unterlage gedrçckt. Langsam
wieder læsen, mehrfach hintereinander.

Abb. 41. Kråftigungsçbung


fçr die untere Bauchmusku-
latur (mit aufgestellten Bei-
nen)

2.
z In Rçckenlage werden die Beine angehoben. Hçften und Knie befinden
sich jeweils in einem Winkel von 908, die Hånde werden an den Hin-
terkopf gelegt, und wieder wird der Lendenbereich in die Unterlage
gedrçckt, wåhrend die Knie bei senkrechten Oberschenkeln in Rich-
tung Decke gedrçckt werden.

Abb. 42. Kråftigungsçbung


fçr die untere Bauchmus-
kulatur (mit angehobenen
Beinen)
80 z 7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte

z Kråftigungsçbung fçr die schråge Bauchmuskulatur

In Rçckenlage wird das in Hçfte und Knie gebeugte rechte Bein çber das
gebeugte linke Bein geschlagen, so dass die Lendenwirbelsåule festen
Kontakt zum Boden findet. Den linken Arm seitlich ausstrecken, die rech-
te Hand an den Hinterkopf legen, das Kinn in Richtung Kehlkopf ziehen
und das linke Schultergelenk (nicht das Ellenbogengelenk) in Richtung
des rechten Kniegelenks bewegen ± und wieder zurçck! Seitenverkehrt
wiederholen. (Nicht am Kopf ziehen, keinen Rundrçcken machen, ruhig
ein- und ausatmen, zwischendurch entspannen!)

Abb. 43 a, b. Kråftigungs-
çbung fçr die schråge
Bauchmuskulatur
7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte z 81

z Kråftigungsçbung fçr den M. latissimus dorsi

Im Sitzen auf einem breiten Stuhl oder einem Tisch stçtzt man sich mit
beiden Hånden neben dem Kærper auf der Unterlage ab und drçckt das
Rumpfgewicht hoch.

Abb. 44. Kråftigungsçbung


fçr den M. latissimus dorsi
82 z 7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte

z Kråftigungsçbung fçr den M. quadriceps femoris

Kniebeugen bis zu einem Kniewinkel von 908 (eventuell mit Gewichten).


(Diese Ûbung kråftigt auch die Gesåû- und Wadenmuskulatur.)

Abb. 45. Kråftigungsçbung


fçr den M. quadriceps femoris

z Kråftigungs- und Sensibilisierungsçbungen fçr die kleinen Muskeln


der oberen Brustwirbelsåule und der Halswirbelsåule:

Der Kopf wird


z gegen den Druck beider Hånde nach hinten gedrçckt,
z gegen den Druck beider Hånde nach vorne gedrçckt,
z gegen den Druck der rechten Hand nach rechts gedrçckt,
z gegen den Druck der linken Hand nach links gedrçckt.
Zu achten ist hierbei darauf, dass der Druck in der Transversalebene er-
folgt und nicht mit Beuge-, Ûberstreck- oder Drehbewegungen verbunden
ist.
7 Kråftigungsçbungen ohne Geråte z 83

Abb. 46 a±d. Kråftigungs- und Sen-


sibilisierungsçbung fçr die kleinen
Muskeln der Brustwirbelsåule und der d
Halswirbelsåule
8 Kråftigungsçbungen mit Geråten

z Kråftigungsçbungen fçr die Mm. rhomboidei

1. Reverse flys
Oberarme horizontal, Druck gegen die Maschine mit den Oberarmen
(bzw. Zug an der Maschine mit beiden Hånden) nach hinten. Brustbein
nach oben aufrichten. Schulterblåtter zur Wirbelsåule ziehen, Schultern
nach auûen drehen.

a b

Abb. 47 a, b. Kråftigungsçbung fçr die Mm. rhomboidei (als Reverse flys)


86 z 8 Kråftigungsçbungen mit Geråten

2. Zugmaschine im Sitzen
Ein Gewicht nach hinten ziehen und dabei die Schulterblåtter einander
nåhern.

a b

Abb. 48 a, b. Kråftigungsçbung fçr die Mm. rhomboidei (an der Zugmaschine)


8 Kråftigungsçbungen mit Geråten z 87

z Kråftigungsçbung fçr die Schulterauûenrotatoren

Beim Seilzug im Sitz oder lockeren Stand die Oberarme an den Kærper
anlegen und bei einem Winkel von 908 im Ellenbogengelenk die Hand-
griffe seiten-symmetrisch mit Auûenrotation der Schultern zu den Seiten
ziehen.

Abb. 49 a, b. Kråftigungs-
çbung fçr die Schulter-
b
auûenrotatoren
88 z 8 Kråftigungsçbungen mit Geråten

z Kråftigungsçbung fçr den unteren Rçcken

1.
Im Sitzen wird die Rçckenlehne gegen das gewåhlte Gewicht nach hinten
gedrçckt; dabei ist wichtig, dass die Bauchmuskulatur angespannt wird,
um nicht in die Lordose zu trainieren.

a b

Abb. 50 a, b. Kråftigungsçbung fçr den unteren Rçcken (im Sitzen)


8 Kråftigungsçbungen mit Geråten z 89

2.
In Bauchlage auf einer Bank hångt der Oberkærper locker çber die Bank.
Die Knæchel sind fixiert. Der nach unten hångende Oberkærper wird so-
dann gegen die Schwerkraft bis zur Hçftstreckung gehoben, die Bewe-
gungsachse låuft hierbei durch das Hçftgelenk.
(Zu Vermeiden ist das Anheben des Rumpfs çber die gerade Ausrichtung
hinaus, da sonst bei einem Training in die Hyperlordose die kleinen Wir-
belgelenke der Lendenwirbelsåule fehlbelastet werden kænnen.)

Abb. 51 a, b. Kråftigungs-
çbung fçr den unteren
b
Rçcken (in Bauchlage)
90 z 8 Kråftigungsçbungen mit Geråten

z Kråftigungsçbungen fçr den Musculus pectoralis

1. Bankdrçcken
In Rçckenlage wird eine Langhantel mit Gewichten senkrecht nach oben
gestemmt.
(Am gçnstigsten ist die Negativ-Bank bei ±158, bei der der Kopf niedriger
liegt als das Becken, dicht gefolgt von der Flach-Bank; weniger effektiv ist
die Positiv-Bank, bei der der Kopf hæher liegt als das Becken. Der obere
Anteil des M. pectoralis wird bei weitem Greifen an der Langhantel ver-
stårkt belastet.)

Abb. 52 a, b. Kråftigungs-
çbung fçr den M. pectoralis
b
(mit der Langhantel)
8 Kråftigungsçbungen mit Geråten z 91

2. Kabelziehen çber Kreuz


2 Seilzçge werden seitensymmetrisch von hinten oben auûen nach vorn
unten zur Mittellinie hin gezogen.
(Die verschiedenen Anteile des M. pectoralis werden durch eine Verån-
derung der Armfçhrung ± ob tiefer oder hæher ± unterschiedlich akti-
viert.)

a b

Abb. 53 a, b. Kråftigungsçbung fçr den M. pectoralis (mit dem Seilzug)


92 z 8 Kråftigungsçbungen mit Geråten

3. Butterflys
Die Arme werden gegen Gewicht nach vorn zusammengefçhrt.

a b

Abb. 54 a, b. Kråftigungsçbung fçr den M. pectoralis (als Butterflys)


8 Kråftigungsçbungen mit Geråten z 93

z Kråftigungsçbungen fçr die gerade Bauchmuskulatur

Rumpfbeugen gegen Gewicht nach vorn.

a b

Abb. 55 a, b. Kråftigungsçbung fçr die gerade Bauchmuskulatur


94 z 8 Kråftigungsçbungen mit Geråten

z Kråftigungsçbungen fçr die seitliche Rumpfmuskulatur

In Seitenlage auf einer Schrågbank hångt der Oberkærper locker nach un-
ten und wird sodann gegen die Schwerkraft angehoben und zur nach
oben liegenden Seite gebeugt. Die Hånde liegen dabei locker am Kopf an.
Anschlieûend Seitenwechsel.

a b

Abb. 56 a, b. Kråftigungsçbung fçr die seitliche Rumpfmuskulatur


8 Kråftigungsçbungen mit Geråten z 95

z Kråftigungsçbung fçr den M. latissimus dorsi

Am Zugtrainer das Gewicht von oben herab hinter den Hinterkopf Rich-
tung Nacken ziehen. Dabei das Brustbein nach vorne schieben, das Kinn
leicht zum Kehlkopf ziehen und den Blick nach vorne richten.

a b

Abb. 57 a, b. Kråftigungsçbung fçr den M. latissimus dorsi


96 z 8 Kråftigungsçbungen mit Geråten

z Kråftigungsçbungen fçr den M. quadriceps femoris

1.
Horizontale Beinpressen (Kniegelenkswinkel 90±508, Hçftgelenkswinkel
90±508).

Abb. 58 a, b. Kråftigungsçbung fçr den M. quadriceps femoris (als Beinpressen)


8 Kråftigungsçbungen mit Geråten z 97

2.
Kniebeuge mit Langhantel (Kniegelenkswinkel bis 708).

a b

Abb. 59 a, b. Kråftigungsçbung fçr den M. quadriceps femoris (als Kniebeuge mit der Lang-
hantel)
98 z 8 Kråftigungsçbungen mit Geråten

z Kråftigungs- und Sensibilisierungsçbung fçr die kleinen Muskeln


der oberen Brustwirbelsåule und der Halswirbelsåule

Gegen einen geringen Widerstand Verschiebungen der oberen Brustwir-


belsåule und damit des Kopfes in der Sagittalebene durchfçhren (in einer
Sitzhæheneinstellung, die die Bewegung primår in den Bereich der oberen
Brustwirbelsåule verlagert).

Abb. 60 a, b. Kråftigungs-
und Sensibilisierungsçbung
fçr die kleinen Muskeln der
oberen Brustwirbelsåule
b und der Halswirbelsåule
8 Kråftigungsçbungen mit Geråten z 99

z Kråftigungsçbungen fçr den M. deltoideus

1.
Kurzhanteln werden im Stehen oder Sitzen mit gestreckten Armen und
innenrotierten Oberarmen seitlich bis leicht çber die Waagerechte ange-
hoben.

a b

Abb. 61 a, b. Kråftigungsçbung fçr den M. deltoideus (mit Kurzhanteln)


100 z 8 Kråftigungsçbungen mit Geråten

2.
Im Stehen mit nach vorn gebeugtem Oberkærper und geradem Rçcken
werden Seilzçge mit gestreckten Armen seitensymmetrisch nach oben
auûen gezogen.

a b

Abb. 62 a, b. Kråftigungsçbung fçr den M. deltoideus (mit Seilzçgen)


8 Kråftigungsçbungen mit Geråten z 101

3.
Die hinteren Anteile des M. deltoideus werden auch durch die fçr die
Mm. rhomboidei im Kapitel ¹Kråftigungsçbungen ohne Geråteª beschrie-
bene Ûbung (siehe Abb. 31) gut trainiert. Diese Ûbung kann mit gutem
Effekt auch mit Kurzhanteln in Bauchlage auf einer Flachbank durch-
gefçhrt werden.

Abb. 63 a, b, c. Kråftigungs-
çbung fçr die hinteren An-
teile des M. deltoideus (in
Bauchlage auf einer Flach- c
bank)
9 Die Atmung des KYPHO
und ihre Verånderung

Je nach dem Ausprågungsgrad der KYPHO-Fehlhaltung ist auch die At-


mung mehr oder weniger stark blockiert. Wie wir gesehen haben, ist die
obere Brustregion verhårtet und wenig beweglich. Das Zwerchfell hat die
Tendenz zum Halten eines erhæhten Grundtonus, von Alexander Lowen,
John Pierrakos und anderen Kærperpsychotherapeuten interpretiert als
unbewusste latente Erwartungsspannung. Und auch dies ist bei verschie-
denen Menschen mit dem KYPHO-Grundmuster verschieden stark aus-
geprågt und bedarf somit beim einen mehr, beim anderen weniger Zeit,
um gelæst zu werden. Wenn es in diesem Abschnitt des KYPHO¾-Pro-
gramms gelingt, das Atemmuster zu veråndern, wird ein Rçckfall in die
alte Fehlhaltung nachhaltig vermieden, und die Frçchte der bisherigen
Ûbungen kænnen dauerhaft genossen werden.
Weitet sich im Laufe des KYPHO¾-Programms die obere Brust und
wird sie beweglicher, dann wird das zuvor çber Jahre und Jahrzehnte fi-
xierte gewohnte Atemmuster instabil. Aber noch hat sich kein neues Mus-
ter, das die neue Beweglichkeit der zuvor verhårteten Kærperbereiche in-
tegriert, ausgebildet. Und ¹von alleinª wird der Organismus çberwiegend
das Naheliegendste tun, was er tun kann, nåmlich wieder in das alte ge-
wohnte Atemmuster verfallen.
Genauso wie die bindegewebigen Strukturen beispielsweise der oberen
Brust durch Dehnungsçbungen systematisch veråndert werden, genauso
wie die bislang unterforderten Muskeln zwischen den Schulterblåttern
systematisch gekråftigt werden, genauso bedarf es einer systematischen
Bahnung einer volleren und vollståndigeren Atembewegung. John Pierra-
kos, ein Schçler von Wilhelm Reich, hat als Kærperpsychotherapeut mit
der Entwicklung der Core-Energetik ¹Bahnbrechendesª zum Verståndnis
der integrierten Entwicklung von Kærperlichkeit und Erleben geleistet. Er
sieht die Notwendigkeit, an dieser Stelle der kærperlichen Entwicklung
und ¹Nachreifungª den Bereich des oberen Brustbeins zunåchst bewusst
zu erleben und somit in das unbewusste Kærperbild, in dem dieser Be-
reich bisher stark unterrepråsentiert war, angemessen zu integrieren.
John Pierrakos schlågt hierzu eine ¹Staccato-Atmungª vor. Diese wird
besonders effektiv so ausgefçhrt, dass der Mensch, der dies çbt, zunåchst
ein wenig Luft in die vordere Brust einatmet, in einem zweiten Schritt
104 z 9 Die Atmung des KYPHO und ihre Verånderung

ein wenig mehr ± und so in sieben Schritten, die bewusst voneinander


abgesetzt sind, immer mehr von unten nach oben in den Bereich des
Brustbeins einatmet. Mit dem siebten Atemzugsanteil werden die oberen
Lungenanteile im Bereich der Schlçsselbeine maximal gefçllt, und dann
wird die Spannung in diesem Bereich einige Sekunden bewusst erlebt.
Tåglich morgens und abends jeweils 10-mal geçbt, wird diese Atemçbung
ausreichen, um die bewusste Empfindungsfåhigkeit des Brustbeinbereichs
nachhaltig zu verbessern. Diese Ûbung wird im Rahmen des KYPHO¾-
Programms in einer Phase sinnvoll und notwendig, wenn die Strukturen
der oberen Brust schon weitgehend gedehnt sind und sich im Bereich der
gedehnten Brustmuskeln und ihrer Sehnen ein Bewusstsein fçr die åuûere
Weite der Brust eingestellt hat. Schrittweise entsteht dann auch ein neues
Gefçhl fçr ¹die innere Weiteª des Brustraums, das untrennbar mit der
Atembewegung verbunden ist. Schon wenige Wochen regelmåûiger Ûbung
dieser ¹Staccato-Atmungª verschmelzen das Gefçhl der ¹åuûeren Weiteª
und das Gefçhl der ¹inneren Weiteª zu einem neuen Kærperbewusstsein
in der oberen Brust, und das ist der ¹Knackpunktª des ganzen KYPHO¾-
Programms.
Eine andere hilfreiche Mæglichkeit, diesen Raum mit Bewusstsein und
Energie zu fçllen, berichtet Ilse Middendorf in ihrem lesenswerten Buch
¹Der erfahrbare Atemª (Seite 65 und 66, Abb. 19).
Wenn wir den Vokal ¹Úª mittellaut intonieren, versetzen wir typischer-
weise einen Raum in Schwingung, der nach Ilse Middendorf den oberen
Rçcken mit den Schulterblåttern, die Achselhæhlen und die Gegend um
das Brustbein vollståndig umfasst.
Das Ansprechen des ¹Ú-Raumsª macht ± nach Ilse Middendorf ±
fræhlich, heiter, gehoben ± und låsst bei zu langer Ûbung eine Tendenz
zur Euphorie erfahren.
Es ist in den fortgeschrittenen Phasen des KYPHO¾-Programms hilf-
reich, immer wieder zwischendurch im Alltag mit einem leisen bis mittel-
lauten ¹Úª diesen Raum zu aktivieren und seine Schwingungen bewusst
wahrzunehmen. Insbesondere auch bei långeren Dehnçbungen von Mus-
keln in diesem Bereich, die mehrere Ein- und Ausatemphasen umfassen,
ist es sinnvoll und hilfreich, in den Ausatemphasen unseren ¹Úª-Raum
durch das leise Tænen eines ¹Úª in Resonanz zu versetzen. Um so leich-
ter, schneller und sicherer kænnen wir die Frçchte des KYPHO¾-Pro-
gramms ernten, um so stabiler und selbstverståndlicher wird die neue
Haltung werden.
Viele differenzierte Mæglichkeiten, unsere Atmung zu vertiefen und mit
dem Atmen unseren Kærperenergiezustand zu verbessern, bietet uns das
in Indien entstandene System des Yoga-Pranayama. Durch Pranayama-
Ûbungen vergræûert sich die Vitalkapazitåt, das beim Atmen bewegbare
Luftvolumen, und das Zwerchfell und die Atemhilfsmuskulatur werden
geçbt. Pranayama-Ûbungen ermæglichen es, bei jedem Atemzug mehr
9 Die Atmung des KYPHO und ihre Verånderung z 105

Sauerstoff aufzunehmen und mehr Kohlendioxid abzugeben. Dies schenkt


dem Kærper mehr Sauerstoff, mehr Energie und mehr Vitalitåt. Die Yogis
haben erkannt, dass gezielte Atemçbungen die Geisteskraft stårken und
Mut, Geduld, Entscheidungskraft, Konzentration, Willenskraft und Zufrie-
denheit entwickeln.
Es gibt im Yoga eine Vielzahl von Atemçbungen, die oft erstaunliche
Effekte auf Kærper und Geist haben kænnen. Wer hier Meisterschaft errei-
chen will, kann sich einem guten Yoga-Lehrer anvertrauen und hier einige
Jahre lang tåglich einige Zeit der Ûbung widmen.
Im Rahmen unseres KYPHO¾-Programms, in dem es neben der Akti-
vierung der oberen Brustatmung insbesondere auf eine volle Atmung im
gesamten Atemraum und auf das Entwickeln eines gesunden Atemmusters
ankommt, empfiehlt sich das regelmåûige Durchfçhren der ¹Atmung der
Energiebålleª (siehe auch Abb. 64):
z Man sitzt in entspannter Haltung mæglichst aufrecht, soweit es die
schon erfolgte Dehnung des oberen Brustraums und der Kyphose zu-
låsst. Es ist der Konzentration færderlich, zu Anfang des Ûbens die Au-
gen zu schlieûen und die Aufmerksamkeit auf den Kærper zu richten.
Die Ûbung besteht aus sechs Phasen der Einatmung, die langsam auf-
einander folgen. Dann wird der Atem 3 bis 4 Sekunden lang ange-
halten. Und dann wird in ebenfalls sechs Abschnitten langsam und
schrittweise ausgeatmet.
z Bei der ersten Phase des Einatmens liegt die Aufmerksamkeit auf der
Spitze des Steiûbeins, und man widmet sich der Vorstellung, dass mit
diesem Einatmen sich von hier aus Luft und Energie verbreiten und
den Raum um die Kreuzbeinspitze fçllen.
z In der zweiten Phase des Einatmens wird die Energie vom Bereich der
Kreuzbeinspitze in den Ûbergangsbereich vom Kreuzbein zur Lenden-
wirbelsåule hochgezogen, und dieser Bereich wird in der Vorstellung
mit der eingeatmeten Luft gefçllt und vergræûert.
z Im dritten Schritt des Einatmens wird die Energie von hier aus nach
oben in den Bereich des Solarplexus, des oberen Bauchraums gezogen,
und dieser Raum wird in der Vorstellung mit dem eingeatmeten Volu-
men gefçllt und vergræûert.
z Im vierten Abschnitt des Einatmens werden Luft und Energie von hier
aus zum Herzbereich in der Mitte des Brustkorbs hochgezogen, und
dieser wird mit dem eingeatmeten Volumen gefçllt und vergræûert.
z Im fçnften Abschnitt des Einatmens wird die Energie von hier aus in
den Raum des Halses hochgezogen, und dieser Bereich wird mit dem
eingeatmeten Volumen gefçllt und vergræûert.
z Und im sechsten und letzten Abschnitt des Einatmens wird diese Ener-
gie in unserer Vorstellung in die Mitte unseres Kopfraums in den Be-
reich hinter den Augen hochgezogen, und dieser Bereich wird mit der
aufgenommenen Energie gefçllt und vergræûert.
106 z 9 Die Atmung des KYPHO und ihre Verånderung

z Sodann wird der Atem drei bis vier Sekunden angehalten. Anschlie-
ûend atmen wir langsam in sechs Schritten aus und konzentrieren uns
dabei von oben nach unten zuerst auf die Mitte des Kopfes, dann auf
die Kehle, mit dem dritten Ausatemabschnitt auf den Bereich des Her-
zens, dann auf den Bereich des Solarplexus im oberen Bauchraum,
dann auf den Bereich am Ûbergang von der Lendenwirbelsåule zum
Kreuzbein und dann mit dem letzten Ausflieûen des Atemrests auf den
Bereich der Steiûbeinspitze.

Was am Anfang recht komplex und aufwåndig wirkt, erscheint mit zu-
nehmender Ûbung immer einfacher und selbstverståndlicher. Letztendlich
leitet uns dieses Muster zu einem vollståndigen Atem an, der den gesam-
ten Kærper mit Energie versorgt. Und das bewusste schrittweise Konzen-
trieren auf die einzelnen Einatemschritte ermæglicht es dem Organismus,
ein neues Atemmuster unter voller Ausschæpfung der gesamten Mæglich-
keiten zu etablieren. Hierfçr ist eine Wiederholung sinnvoll und notwen-
dig. Mit zunehmender Ûbung wird dieses Atemzugsmuster immer selbst-
verståndlicher und låsst sich dann auch bequem mit offenen Augen bei
Routinetåtigkeiten des Alltags wie z. B. beim Autofahren nebenbei çben.
Der Kærper wird hierdurch vermehrt mit Energie aufgeladen und gewinnt
hæhere Spannkraft und Vitalitåt. Die Yogis haben die Vorstellung, dass es
im Kærper Energiezentren gibt, die sie Chakren nennen. Mit dieser
Atemçbung werden die Chakren der genannten Kærperbereiche mit Ener-
gie aufgeladen und aktiviert, was uns gesçnder und vitaler macht.
Es ist zu empfehlen, diese Atemçbung anfangs in einer ruhigen Umge-
bung mit voller Konzentration morgens und abends sieben Mal durchzu-
fçhren, was nur wenig Zeit in Anspruch nimmt und uns reichlich be-
lohnt.
Es mag fçr den Anfang hilfreich sein, die Atemabschnitte mitzuzåhlen
± also beim Ausfçllen des Steiûbeinspitzenbereichs innerlich ¹Einsª zu
sagen, beim Ausfçllen des Wirbelsåulen-Kreuzbein-Ûbergangsbereichs
¹Zweiª, des Bereichs des oberen Bauchraums ¹Dreiª, des Bereichs des
Herzens ¹Vierª, der Kehle ¹Fçnfª und der Kopfmitte hinter den Augen
¹Sechsª. Spåter wird das Kærpergefçhl mit zunehmender Weite im jeweili-
gen Kærperbereich vollkommen ausreichen. Hilfreich ist auch das innere
Bild einer sich vergræûernden Kugel im jeweiligen Kærperbereich, das
sich sodann zum Bild einer aus sechs Kugeln bestehenden Energiesåule
entwickelt, um im Unbewussten die Repråsentation einer dynamischen
und vitalen Energiefçlle entstehen zu lassen (siehe auch Abb. 64).
Nach der Yoga-Lehre sind Zeichen des Erfolges des Pranayama, dass
der Ûbende weniger Schlaf braucht und frei von kærperlichen und geisti-
gen Krankheiten sowie frei von Unglçcklichsein, Depressionen und Sor-
gen wird. Der Lehre zufolge ist der Pranayama-Ûbende immer heiter und
zufrieden. Durch die Atemçbungen wird der Geist frei fçr wache Auf-
9 Die Atmung des KYPHO und ihre Verånderung z 107

Abb. 64. Bereiche der Konzentration


bei der ¹Atmung der Energiebålleª

merksamkeit und Konzentration und damit fçr meditative Klarheit ±


auch inmitten des tåglichen geschåftigen Alltagslebens.
Die entscheidende Kraft zum Aufladen des Kærpers mit Energie und
Vitalitåt ist und bleibt ± neben einer vitalstoffreichen und bekæmmlichen
Ernåhrung ± das Atmen. Nun gibt es gleichsam flankierende Maûnah-
men, die ergånzend dazu beitragen kænnen, dass die Kærperenergie ange-
regt wird. Es gibt eine Fçlle von Mæglichkeiten, beispielsweise Fuû-
reflexzonenmassage, bioenergetische Erdungsçbungen, core-energetische
Ûbungen und dynamische Sportarten. Da wir im KYPHO¾-Programm
insbesondere an einer Energiestårkung im Bereich des Brustbeins interes-
siert sind, benutzen wir das ¹Klopfen der Thymusdrçseª. Wir klopfen mit
der rechten lockeren Faust ± Linkshånder mit der linken ± sieben Mal in
langsamer Folge locker und so, dass es angenehm ist, auf das mittlere
Drittel unseres Brustbeins ± und wiederholen das siebenmalige Klopfen
nach einer kurzen Pause noch einmal. Diese Ûbung kænnen wir zwi-
schendurch im Alltag ohne groûen Aufwand immer wieder machen, sie
sollte fester Bestandteil unseres morgendlichen Dehn- und Aktivierungs-
programms sein.
Eine andere Mæglichkeit, die Durchblutung und das Kærperempfinden
im oberen Brustbereich zu verbessern, bietet uns die moderne Kosmetik-
industrie. Es gibt hier eine Reihe von die Durchblutung færdernden
¹energetisierendenª Body-Lotions, die uns mit die Haut leicht reizenden,
kçhlenden oder wårmenden Inhaltsstoffen helfen, unser Bewusstsein fçr
eine weite offene Brust zu entwickeln, was der KYPHO ja zunåchst nicht
kennt. Da solche Lotions mit den verschiedensten Duftnoten gewisserma-
ûen fçr jeden Geschmack angeboten werden, kann uns ein fçr uns ange-
108 z 9 Die Atmung des KYPHO und ihre Verånderung

nehmer Duft zu einer fçr uns angenehmeren Selbstwahrnehmung verhel-


fen und damit unser Selbstbewusstsein verbessern und unsere Erschei-
nung akzentuieren.
Eine bessere Durchblutung von Rumpf, Becken und Beinen und ein
Aufladen des ganzen Kærpers mit Energie sind auch durch regelmåûiges
Stehen auf vibrierenden Platten erreichbar, die vom Handel mit verschie-
denen Vibrationsamplituden und -frequenzen angeboten werden. Vor al-
lem mit dem Ziel der Verbesserung der sensomotorischen Koordination
und der allgemeinen Fitness kænnen Trainingseinheiten auf Vibrations-
platten mit Gewinn individuell in das KYPHO¾-Programm integriert wer-
den.
10 Stimme und Resonanz des KYPHO

Die Stimme des Menschen ist zum einen geprågt von seiner Atemsåule,
der Kraft und Fçlle seiner Atmung, zum anderen von seinen Resonanz-
råumen, insbesondere Mund- und Nasenraum, Kehlkopfbereich und
Brustraum. Verspannungen der Muskulatur dieser Bereiche blockieren die
Resonanz und fårben und schwåchen die Stimme. Ein erfahrener Stimm-
trainer hært aus der Kombination von Klangmustern heraus, wo der
Atemstrom blockiert ist und wo die Resonanz frei schwingt.
Mit der Verbesserung der Atmung und der Zunahme des Resonanz-
raums im Bereich der oberen Brust wird sich auch die Stimme des KY-
PHO veråndern. In fortgeschrittenen Phasen, in denen bereits eine deutli-
che Zunahme von Atemvolumen und Brustraumvolumen erreicht ist,
kann man die Resonanz und das Bewusstsein fçr diese neuen Klangfar-
ben verbessern, indem man beim Ausatmen bewusst den betroffenen Be-
reich in Schwingung versetzt.
Wir haben dies schon mit dem langen Tænen eines ¹Úª beim Aus-
atmen kennengelernt. Es ist eine einfache Ûbung, beim Ausatmen halb-
laut ein ¹Úª erklingen zu lassen und dabei die Resonanz der mitschwin-
genden Kærperbereiche zu spçren. Wir kænnen ein wenig damit experi-
mentieren, das ¹Úª in Tonhæhe, Lautstårke und Klangfarbe modifizieren
und damit ¹spielenª. Dies ist vor allem fçr diejenigen sinnvoll, die in fort-
geschrittenen Phasen des KYPHO¾-Programms eine neue Qualitåt des
Bewusstseins fçr sich selbst, ein neues Selbst-Bewusstsein entwickeln. Vor
allem die Ûbenden, die von ihrer mit der Zeit mæglich gewordenen Reso-
nanz und ihrer ¹neuen Stimmeª çberrascht sind, kænnen diese Ûbung er-
weitern mit dem Tænen beispielsweise eines ¹Eª, das einen weiteren Be-
reich der Brust umfasst, ± und mit dem Tænen eines ¹Aª, das eine verbes-
serte Schwingung im Kehlkopfbereich mit sich bringt. So kann man im-
mer wieder ¹spielenª und experimentieren.
In fortgeschrittenen Phasen kann es auch sinnvoll sein, den eigenen mitt-
leren Ton zu finden und zu çben. Wenn wir ¹mhmª sagen und den zweiten
Teil davon verlångern ± ¹mhmmmª-, dann entdecken wir einen Ton, der ei-
ner Schwingung in unserem individuellen Hauptresonanzbereich entspricht.
Wenn wir in dieser Tonlage sprechen, verbrauchen wir am wenigsten Ener-
gie, und unsere Stimme klingt am vollsten und am çberzeugendsten.
110 z 10 Stimme und Resonanz des KYPHO

Der Ûbende im KYPHO¾-Programm hat Verånderungen zunåchst


çberwiegend gespçrt und vielleicht auch im Spiegel ± und bei anderen
Ûbenden ± gesehen. Jetzt bringt das Hæren der eigenen Stimme mit einer
Resonanz, die vorher nicht mæglich war, eine neue Qualitåt des Bewusst-
seins fçr die Fortschritte und die neuen Mæglichkeiten, die damit verbun-
den sind, mit sich. Dies motiviert ungemein und stabilisiert gleichzeitig
die bisher erreichten Verånderungen.
Viele Teilnehmer des KYPHO¾-Programms freuen sich mit sich ver-
græûerndem Resonanzraum immer mehr an diesem Tænen und ¹spielenª
im Laufe des Tages immer wieder damit. Manch ein ehemaliger KYPHO
entdeckt dabei mit der neu gewonnenen Stimme auch seine Lust am Sin-
gen.
11 Gewohnheiten durchbrechen
und neue Gewohnheiten stabilisieren
¹Bewusstsein erschafft die Realitåt und die Art und Weise,
wie es die Realitåt erfåhrt.ª
Barbara Brennan

Was ist entscheidend dafçr, dass die ¹neue Haltungª dauerhaft erhalten
bleibt und mit Leben erfçllt wird? Wenn eine Verånderung nachhaltig
und bleibend sein soll, dann ist es sehr wichtig, dass man nicht nur den
Kærper mit einem Symptom, einer Fehlhaltung, sieht und diese mecha-
nisch zu korrigieren versucht, sondern dass man Wechselwirkungen von
Kærper und Bewusstsein des Menschen erfasst. Viel entscheidender je-
doch ist es, auch die unbewussten haltungskontrollierenden Mechanismen
zu erfassen, in das Transformationskonzept einzubeziehen und effektiv zu
veråndern.
Hierzu ist es sinnvoll zu berçcksichtigen, dass moderne Hirnforscher
herausgefunden haben, dass jeder Gedanke neue Verbindungen zwischen
den Hirnzellen schafft. Sie stellten fest, dass die neuronalen Verbindungen
im Gehirn von unseren Ûberzeugungen bestimmt werden. Jeder Glaube,
jede echte tiefe Ûberzeugung, mobilisiert eine kærperliche Entsprechung
und Emotionen, die im Gehirn wiederum eine chemische Aktivitåt ent-
wickeln und zahllose neue Verbindungen zwischen den Gehirnzellen er-
zeugen kænnen.
Hilfreich dabei ist, den Menschen nicht nur als eine Ansammlung von
Muskeln, Knochen, Zellen und Wasser zu verstehen, sondern als eine
Form von Energie mit bewussten und unbewussten Impulsen. Kærper
und Geist des Menschen sind Ausdrucksweisen derselben Energie. Der
Kærper kann als ¹Fortsetzungª des Geistes in die physische Welt betrach-
tet werden.
Unser physischer Kærper ist in der Weise organisiert, dass er das
ausdrçckt, was in unseren bewussten und in unseren unbewussten Ûber-
zeugungen vorgegeben ist. Um eine Stærung oder ein Leiden, das eine
Fehlfunktion oder eine Fehlhaltung mit sich bringt, nachhaltig und auf
Dauer zu veråndern, ist es wichtig, auch zum Ursprung zu gehen und die
damit verbundenen Ûberzeugungen çber sich und die Welt zu transfor-
mieren.
Notwendig ist es, eine Fehlhaltung ¹kærpermechanischª durch Muskel-
dehnungen und Muskelkråftigungen zu beeinflussen. Darçberhinaus ist
fçr eine nachhaltige Verånderung jedoch entscheidend, dass auch die da-
mit verbundenen Ûberzeugungen beeinflusst werden, sonst wird die alte
112 z 11 Gewohnheiten durchbrechen und neue Gewohnheiten stabilisieren

¹Gewohnheitª immer wieder durchkommen ± und was so sinnvoll und


systematisch auf kærperlicher Ebene ermæglicht und aufgebaut wurde,
wird nicht auf Dauer ¹gelebtª werden.
Die fçr den KYPHO notwendigen nachhaltigen Transformationen wer-
den leichter verstehbar, wenn wir uns ihnen auf der Basis der Quanten-
physik nåhern.
Der indische Arzt Dr. Deepak Chopra beschreibt in seinem Buch ¹Die
Kærperseeleª, dass die Grundstruktur der Natur auf der Ebene der Quan-
ten, die sehr viel kleiner als Molekçle und selbst Atome sind, beschrieben
werden kann. Auf dieser Ebene sind Materie und Energie austauschbar.
Alle Quanten bestehen aus unsichtbaren Schwingungen. Sie haben das
Potenzial, eine physische Form anzunehmen, d. h. sich in Formen anzu-
ordnen und zu verdichten, die fçr unsere Sinnesorgane Auge, Ohr, Tast-
sinn, Geruch und Geschmack wahrnehmbar werden, d. h. genau solche
Konfigurationen einzunehmen, dass Sie diese Sinneszellen reizen kænnen.
Nach dem Ayurveda, der traditionellen indischen Gesundheitslehre, trifft
dies auch auf den menschlichen Kærper zu. Dieser besteht zunåchst in
Gestalt intensiver, aber noch unsichtbarer Schwingungen, Quantenfluktua-
tionen genannt, bevor er sich zu ¹Materieteilchenª konfiguriert und ¹ver-
dichtetª und somit fçr unsere 5 Sinne wahrnehmbar wird.
Dieser ¹quantenmechanische Kærperª bildet die eigentliche Grundlage
fçr alles, was wir sind: Gedanken, Gefçhle, Eiweiûbausteine, Zellen, Orga-
ne ± fçr jeden sichtbaren und jeden unsichtbaren Teil unseres Selbst. Es
zeigt sich, dass die feinsten Ebenen der Natur das græûte Energiepotenzial
enthalten. Die schwarze Leere des Weltraums zwischen den Galaxien ist
zwar frei von Materie, aber selbst dort befindet sich eine unvorstellbare
Menge verborgener Energie, genug in jedem Kubikzentimeter, um einen
Stern hervorzubringen. Nur durch einen Quantensprung wird diese soge-
nannte ¹virtuelle Energieª explosionsartig in Form von Hitze, Licht und
anderen Strahlungsformen freigesetzt. So liegen auch in unserem Kærper
das græûte Energiepotenzial und das græûte Potenzial zu Transformatio-
nen auf dieser Quantenebene der subtilen Kærperenergie.
Auf der Quantenebene ist kein Teil des Kærpers von den çbrigen ge-
trennt. Alle Teile bestehen innerhalb eines nahtlosen Gesamtmusters. Oh-
ne dieses verborgene Muster håtte unser sichtbarer Organismus keinen
Bestand; er kåme nie çber den Zustand einer zufålligen Teilchenansamm-
lung hinaus.
Wir bauen alle ståndig unseren Kærper um und neu auf. Stellen wir
uns einmal vor, dass ein Arzt Ræntgenaufnahmen von einem Patienten
macht und einen bæsartigen Tumor entdeckt. Ein Jahr spåter wird eine
weitere Aufnahme gemacht, und der gleiche Tumor ist zu sehen. Es ist
im Prinzip nicht korrekt, wenn der Arzt hier vom selben Krebsgeschwçr
spricht, da die Zellen, die sich vor einem Jahr gezeigt haben, mittlerweile
vollståndig durch andere ersetzt worden sind. Was er vielmehr sieht, ist
11 Gewohnheiten durchbrechen und neue Gewohnheiten stabilisieren z 113

das Ergebnis einer Erinnerung, die çberlebt hat, die sich immer und im-
mer wieder in Gestalt neuer Zellen in vergleichbarer Anordnung zeigt.
Im Laufe dieses Jahres sind alle Zellen, alle Molekçle, alle Bestandteile
dieses Tumors erneuert worden, und es haben sich nach einem unbe-
wussten Bauplan, einem Imprint unseres Kærperenergiemusters, beim
Umbau der Strukturen immer wieder Molekçle und Zellen in die gleiche
Formation eingefunden.
Wir alle neigen dazu, unseren Kærper als eine Statue zu begreifen, ein
festes gleichbleibendes stoffliches Objekt, wåhrend er in Wirklichkeit eher
wie ein Fluss ist, ein unablåssig sich verånderndes, flieûendes, von unbe-
wussten und bewussten Impulsen durchzogenes Energiemuster. Von dem
griechischen Philosophen Heraklit stammt der Ausspruch: ¹Du steigst
nicht zweimal in denselben Fluss, denn ståndig flieûet neues Wasser
nach.ª Das trifft auch auf den Kærper zu. Wenn Sie sich jetzt çber ihren
Bauch streichen, so ist das Fettgewebe, das Sie zwischen ihren Fingern
spçren, nicht dasselbe wie vor einem Monat. Die Zellen des Fettgewebes
nehmen ståndig Fett auf, geben ståndig welches ab; alle drei Wochen fin-
det ein kompletter Austausch statt. Wir bilden alle fçnf Tage eine neue
Magenschleimhaut, die innerste Schicht der Magenauskleidung wird sogar
wåhrend des Verdauungsvorgangs innerhalb weniger Minuten ausgewech-
selt. Unsere Haut erneuert sich alle fçnf Wochen, unser Skelett, das doch
so fest und beståndig erscheint, wird in groûen Anteilen jeden Monat
ausgetauscht, einige Bestandteile werden auch nur alle 1 bis 2 Jahre aus-
getauscht. Ein Mensch, der mit 30 Jahren eine Fehlform der Wirbelsåule
zeigt, hat ungezåhlte Chancen gehabt, eine gesunde Wirbelsåule aufzu-
bauen. Und in der Zeit des KYPHO¾-Programms nutzt er seine Chance.
Insgesamt flieût der Strom von Sauerstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff und
Stickstoff so rasch, dass wir in wenigen Wochen ein vællig ¹neuer
Menschª sein kænnen. Lediglich die schwereren Atome wie Eisen, Mag-
nesium, Kupfer und åhnliche verlangsamen den Prozess. Von auûen her
scheinen wir dieselben zu bleiben, doch tatsåchlich sind wir eher mit ei-
nem Gebåude vergleichbar, dessen einzelne Steine fortwåhrend erneuert
werden. Jedes Jahr ± dies brachten Radio-Isotop-Versuche an den Oak-
Ridge-Laboratorien in Kalifornien zu Tage ± werden 98% der Atome un-
seres Kærpers durch neue ersetzt. Der ståndige Strom des Wandels wird
von der Quantenebene des Geist-Kærper-Systems gesteuert.
Und wie ein Computerausdruck am effektivsten çber eine Verånderung
der Software gesteuert werden kann, so entdecken wir zur Gesundung un-
seres Kærpers immer mehr das riesige Potenzial von Bewusstsein und
Energieimpulsen. Traditionelle Heilungssysteme wie der indische Ayurve-
da und manche schamanischen Heiltraditionen haben dies gewusst und
nutzbar gemacht und kænnen in der heutigen Zeit durch die Erkenntnisse
und Fortschritte der Naturwissenschaften bereichert werden. Andererseits
kænnen sie auch zu wesentlichen Fortschritten unserer modernen Medizin
114 z 11 Gewohnheiten durchbrechen und neue Gewohnheiten stabilisieren

beitragen und insbesondere die Heilungsergebnisse von chronischen Er-


krankungen und Fehlhaltungen verbessern helfen.
Die Mechanismen, die unsere teils bewussten, zumeist jedoch unbe-
wussten Impulse fçr unsere Entwicklung und unser Verhalten gestalten,
werden oft als Prågung bezeichnet. Prågungen kænnen bestimmt werden
durch einmalige traumatische Ereignisse wie z. B. Schrecksituationen,
durch wiederholte Erfahrungen, die subjektiv in einer bestimmten Weise
erlebt werden, oder auch durch bedeutsame innere Bilder, die zur subjek-
tiven inneren Realitåt werden und eine Ûberzeugung oder ein ganzes Sys-
tem von Ûberzeugungen beeinflussen.
So kann ein Kind, das von einem Hund gebissen wird, durch dieses
einmalige Trauma eine lebenslange Angst vor Hunden entwickeln. Bei ei-
nem anderen Kind kann die wiederholte Erfahrung, nicht beachtet und
çbergangen zu werden, den Glauben entstehen lassen, es nicht wert zu
sein, beachtet und geliebt zu werden. Und ebenso kænnen die innere Vor-
stellung von einem Riesenberg von Arbeit, die noch getan werden muss,
und das Gefçhl, dass die Zeit rasend schnell låuft, ein Gefçhl von Rastlo-
sigkeit erzeugen, verbunden mit einer Ûberzeugung wie: ¹Die Zeit reicht
ja eh nicht. Ich muss mich sehr beeilen, aber ich kann sowieso nicht alles
schaffen.ª Dies kann dann zu dazu passenden weiteren Ûberzeugungen
fçhren, die diese Einschåtzung vom Leben auf die verschiedensten Le-
bensbereiche ± wie berufliche Arbeit, Haushalt, selbst Freizeitaktivitåten
und Urlaub ± çbertragen und diese Lebensbereiche prågen. Solche Ûber-
zeugungen werden dann oft generalisiert und auf andere Aspekte der
Erfahrungswelt çbertragen. Sie fçhren letztendlich zu Verhaltensweisen,
die dann nicht mehr der aktuellen Kontrolle des Menschen unterliegen,
sondern quasi unbewusst und gewohnheitsmåûig ablaufen. So wird ein
Mensch mit dem Gefçhl, dass die Zeit verfliegt, beispielsweise oft auch
im Urlaub sehr schnell essen, was nicht nur seiner Verdauung abtråglich
ist, sondern ihn auch unnætig um den Genuss eines leckeren Essens brin-
gen kann.
Prågungen kænnen signifikante positive Erfahrungen sein, die zu nçtz-
lichen Ûberzeugungen çber sich und die Welt, zu Wissen und Fåhigkeiten
fçhren kænnen. Zu Prågungen kænnen jedoch auch traumatische und pro-
blematische Erfahrungen werden, die zu Einschrånkungen der Lebenswei-
se, der Erlebensweise und des Verhaltens fçhren kænnen.
Ûberzeugungen verbinden das intensive Gefçhl von Bestimmtheit, dass
die Welt den Ûberzeugungen entsprechend ist, mit unserem Erleben von
Dingen, Geschehnissen, Zusammenhången und Ideen. Sie bestimmen die
Regeln, wie wir unsere Lebenssituationen erleben und interpretieren und
wie wir unser Leben leben. Im Allgemeinen werden diese Ûberzeugungen
durch Erfahrungen in der Vergangenheit ± bzw. durch unsere Erinnerung
an diese Erfahrungen, die geprågt ist von unserer damaligen subjektiven
Beurteilung ± beståtigt. Ûberzeugungen geben direkte Befehle an unser
11 Gewohnheiten durchbrechen und neue Gewohnheiten stabilisieren z 115

Nervensystem und unsere Kærperenergie und bestimmen so unsere ¹Ge-


wohnheitenª. Sie kænnen ¹neu geprågtª werden, wenn Sie uns einengen,
und das ist das, was im KYPHO¾-Programm fçr uns relevant ist.
Wenn wir ganz fest an etwas glauben, ist dies ein direkter Befehl an
das Gehirn, genau in diese Richtung zu denken und dem, was rundherum
geschieht, eine damit in Einklang stehende Bedeutung zu geben. Nicht
die Wirklichkeit beeinflusst uns, sondern unsere Ûberzeugungen çber die
Wirklichkeit, die uns die Wirklichkeit in einer bestimmten Weise erleben
lassen. In unserer Kærperhaltung und unserem Gesicht sind unsere Ûber-
zeugungen håufig erkennbar, auch wenn wir glauben, wir kænnten sie gut
verstecken ± und oft sogar auch dann, wenn sie uns selbst gar nicht so
recht bewusst sind.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass unser Kærper
nicht weiû, ob wir etwas tatsåchlich tun oder ob wir es uns nur vorstel-
len. Zum besseren Verståndnis kænnen Sie Folgendes versuchen: Stellen
Sie sich hin, halten Sie Ihren rechten Arm zunåchst ausgestreckt nach
vorne und bringen Sie ihn dann durch die Drehung des Rumpfes so weit
wie mæglich nach hinten, wobei Ihre Fçûe ganz auf dem Boden bleiben.
Merken Sie sich einen Punkt in Ihrem Umfeld, bis zu dem Sie Ihren Arm
bewegt haben. Nun bringen Sie den Arm wieder nach vorne, halten ihn
ausgestreckt und bringen den Arm in Ihrer Vorstellung ¹ein unglaublich
groûes Stçckª weiter nach hinten, als Sie vorher konnten. Nach dieser
mentalen Ûbung bringen Sie den Arm noch einmal real so weit, wie Sie
kænnen, nach hinten. Wie weit kommen Sie jetzt? Vermutlich ein wesent-
liches Stçck weiter! ± Was bedeutet dies fçr unser Vorgehen im Rahmen
des KYPHO¾-Programms?
Es gibt ein amerikanisches Sprichwort, das heiût: ¹Ob du nun glaubst,
dass du etwas tun kannst, oder ob du glaubst, dass du es nicht kannst,
du wirst immer Recht behalten.ª Denn wenn man glaubt, dass man etwas
nicht tun kann, sendet man ståndig Botschaften an sein Nervensystem,
die die Fåhigkeit, es zu tun, einschrånken oder sogar ganz blockieren.
Wenn man andererseits ståndig Botschaften an sein Nervensystem sendet,
die besagen, dass man etwas sicher tun kann, dann signalisieren diese
Botschaften dem Gehirn, es mæge die gewçnschten Ergebnisse produzie-
ren, wodurch sich die Chancen fçr deren Verwirklichung tatsåchlich dras-
tisch verbessern.
Verånderungen auf der Ebene unseres Gehirns passieren schnell. Es ist
oft viel leichter, etwas schnell zu erledigen als çber eine lange Zeitspanne
hinweg. Das Gehirn arbeitet so. Ûberlegen Sie einmal, wie Sie sich einen
Film ansehen. Sie sehen Tausende von Bildern und fçgen sie zu einem
Ganzen zusammen. Was passiert aber, wenn Sie ein Bild betrachten, dann
eine Stunde spåter das nåchste ansehen und dann wieder einen oder so-
gar zwei Tage danach ein drittes? Sie håtten vermutlich nichts davon. Bei
persænlichen Verånderungen ist das genauso. Wenn Sie in Gedanken eine
116 z 11 Gewohnheiten durchbrechen und neue Gewohnheiten stabilisieren

Verånderung schnell vollziehen, ist das ¹gehirngerechtª. Es ist wirksamer


als eine monatelange anstrengende und schmerzhafte Prozedur des Nach-
denkens und Grçbelns. Und selbstverståndlich brauchen die verhårteten
Strukturen des Kærpers sodann ihre Zeit, um den neuen strukturbilden-
den Mustern nachzukommen. Diese Zeit wird bestimmt von ihrem Stoff-
wechsel und der Umsatz- und Austauschdynamik ihrer Molekçle und Zel-
len, auch im KYPHO¾-Programm.
Ein Glaube ist ein starker emotionaler Zustand der Gewissheit in bezug
auf bestimmte Menschen, Dinge, Ideen, Zusammenhånge oder Lebens-
erfahrungen. Wie aber entsteht diese Sicherheit? ± Glauben Sie, dass Sie
sich einer Sache sicher sein kænnen, die in Ihrer Vorstellung oder in Ihrem
Erleben dunkel, unscharf, klein und weit entfernt ist? Und wie sicher
kænnen Sie sich bei etwas sein, das in Ihrer Vorstellung oder in Ihrem Er-
leben hell, scharf zu sehen, groû und in Ihrer unmittelbaren Nåhe ist? Wir
alle haben Dinge, an die wir fest glauben, und andere Dinge, bei denen wir
zweifeln oder die wir fçr unwahrscheinlich halten. Und in der Art und Wei-
se, wie wir an diese Dinge denken, uns eine Vorstellung davon machen, co-
dieren wir diesen Grad der Sicherheit, so dass sich unser Gehirn, wenn es
wieder an den betreffenden Sachverhalt denkt, auch den dazugehærigen
Grad der Gewissheit oder Unsicherheit mit vergegenwårtigen kann.
Unter der Anleitung eines geschulten KYPHO¾-Kursleiters kænnen wir
individuell herausfinden, welche Einzelheiten eines Erinnerungsbildes im
Einzelfall diesen Grad der Sicherheit codieren, und es ist manchmal sehr
çberraschend, wie Verånderungen auf dieser Ebene des Denkens und Er-
innerns unsere Einstellung zu den betreffenden Inhalten schlagartig ver-
åndern kænnen.
Wie kænnen wir diese Erkenntnisse und Zusammenhånge nun fçr eine
nachhaltige Verånderung der KYPHO-Fehlhaltung nutzbar machen?
Der erste Schritt ist, dass wir uns mit unserem derzeitigen Ist-Zustand
vertraut machen. Am besten ist es, wenn wir uns vor einen groûen Spie-
gel stellen und zunåchst einmal das, was wir sehen, mit unserem Kærper-
empfinden abgleichen. Wenn wir direkt vor dem Spiegel stehen, fållt uns
vielleicht auf, dass eine Schulter etwas hæher gehalten wird als die andere.
Spçren wir hier auch einen Unterschied in der Spannung? Zeigt sich eine
Ungleichheit zwischen rechts und links? Wie muskulæs ist unser Kærper?
Wie spçren wir unsere Muskeln? Neigen wir zu X-Beinen oder zu O-Bei-
nen? Und was fçr ein Gefçhl haben wir dabei? Was fållt uns sonst noch
auf? Im KYPHO¾-Kurs kann der Trainer immer wieder gezielt nachfragen
und dabei helfen, die Aufmerksamkeit auf die eine oder andere Auffållig-
keit zu richten.
Als nåchstes stellen wir uns seitlich vor den Spiegel und schauen locker
zum Spiegel hin. Jetzt kænnen wir am deutlichsten das Ausmaû der
KYPHO-Krçmmung im Bereich der mittleren und oberen Brustwirbel-
såule sehen. Wie stark ausgeprågt ist die Krçmmung im Augenblick,
11 Gewohnheiten durchbrechen und neue Gewohnheiten stabilisieren z 117

wenn wir locker und entspannt stehen? Ist die Krçmmung groûbogig
oder in einem umschriebenen Abschnitt der Wirbelsåule von vielleicht
nur 10 cm stark ausgeprågt? ± Und welches Empfinden haben wir in
diesem Abschnitt der Wirbelsåule? Und wie ist das Kærperempfinden in
gleicher Hæhe an der Kærpervorderseite im Bereich von Brustbein und
vorderem unterem Halsanteil?
Und wie halten wir die Schultern? Weit nach vorne, in Mittellage oder
nach hinten gezogen? Und was fçr ein Gefçhl haben wir fçr diese Schul-
terhaltung? Ist es uns mehr oder weniger bewusst, dass wir unsere Schul-
tern nach vorne halten oder nach hinten zurçckziehen?
Sehen wir Ausgleichsmechanismen, die dabei helfen, dass unser Ober-
kærper und unser Kopf bei einer verstårkten Wirbelsåulenkrçmmung
nicht nach vorne fallen? Ist unsere Halswirbelsåule zum Ausgleich ver-
stårkt nach hinten gekrçmmt? Empfinden wir Verspannungen im Nacken
als Ausdruck dieser verstårkten Rçckneigung, damit wir geradeaus schau-
en kænnen, obwohl unsere Brustwirbelsåule nach vorne gekrçmmt ist?
Und wie halten wir unser Becken? Hångt es schlaff, so dass quasi der
Unterbauch nach vorne gestreckt wird? Oder kippen wir das Becken nach
vorn, so dass unser Po nach hinten gestreckt wird? Vielleicht schwingt es
ja auch in einer Mittellage. Und wo fçhlen wir Verspannungen?
Wo fçhlen wir unseren Kærper gut und lebendig? Und wo haben wir
gar kein Gefçhl fçr einen Teil unseres Kærpers?
Sind die Knie durchgestreckt oder locker? Ruht unser Gewicht mehr
auf den Fersen oder mehr auf den Vorfçûen oder mehr auf dem Bereich
dazwischen?
Findet sich unser Kærper in der Lotrechten, so dass ein Lot vom Ohr
durch die Schulter durch die Mitte des Beckens und die Knie auf das
Sprunggelenk fållt? Oder sind Kærperteile ¹aus dem Lotª, nach vorne oder
nach hinten verschoben? Und spçren wir das? Haben wir ein Kærper-
gefçhl fçr diese Verschiebung? Immer wieder kann der KYPHO¾-Trainer
im Kurs auf die Auffålligkeiten hinweisen, und der Ûbende kann spçren,
wie sich sein Kærper im auffålligen Bereich anfçhlt.
Es ist hilfreich, sich zunåchst einmal des gegenwårtigen Zustands be-
wusst zu werden und die Verschiebungen und Asymmetrien mit Kærper-
gefçhl und Kærperwahrnehmung zu erleben, noch ohne sie zu bewerten
und ohne sie direkt veråndern zu wollen. Je lebendiger unser visueller
und kinåsthetischer Eindruck unseres Kærpers ist, desto leichter wird uns
dann bei den weiteren Schritten die Verånderung fallen.
Erkennen Sie auch Ihre Atembewegungen im Spiegel? Was bewegt sich,
wenn Sie einatmen? Sehen Sie Verånderungen im Bereich des Bauchs, der
Flanken, des Brustkorbs? Es ist nicht leicht, den Atem zu beobachten, oh-
ne ihn zu veråndern. Aber seien Sie sich gewahr, wo Sie im Kærper Bewe-
gungen wahrnehmen, die mit dem Rhythmus des Ein- und Ausatmens in
Einklang stehen.
118 z 11 Gewohnheiten durchbrechen und neue Gewohnheiten stabilisieren

An dieser Stelle ist es vielleicht hilfreich, wenn Sie einmal die Augen
schlieûen und den Punkt im Atemrhythmus wahrnehmen, der am Ende
des Ausatmens liegt. Wenn Sie ganz ausgeatmet haben, findet sich ein
Moment der Ruhe und Entspannung. Und dann kommt der neue Impuls
zum Einatmen. Schenken Sie diesem ersten Atemimpuls ihre volle Auf-
merksamkeit! An welcher Stelle des Kærpers nehmen Sie als erstes den
Impuls zum neuen Einatmen wahr? Beim einen kann dies im Bauchraum
sein, beim anderen im Bereich des Nabels, beim Dritten vielleicht tief im
Bereich des Beckens . . . Dieser Ort des ersten bewussten Kontakts mit
dem frischen Einatemimpuls ist von groûer Bedeutung fçr die Transfor-
mation unseres Atemmusters.
Sodann beobachten Sie den Atemfluss ± und was ihnen davon bewusst
ist! Finden Sie eine Bewegung im Kærper bis zum Ende des Einatmens?
Und eine andere Bewegung sodann im Fluss des Ausatmens? Es ist sinn-
voll, hier locker und entspannt zu sein und einfach nur wahrzunehmen,
was sich im Kærper entwickelt und was davon unserer inneren Kærper-
wahrnehmung zugånglich ist. Auch hier kann der KYPHO¾-Trainer im
Kurs hilfreich zur Seite stehen und die gezielte Kærperwahrnehmung mit
Anregungen und Hinweisen begleiten.
Beim einen Menschen wird die gefundene Bewegung ein Auf und Ab
sein, beim anderen vielleicht eine Ellipse, wenn der Ausatemstrom nicht
den gleichen Weg nimmt wie der Einatemstrom. Der eine wird finden,
dass der Ausatemimpuls sich wieder in etwa den Bereich senkt, von wo
aus der Einatemimpuls begonnen hat. Ein anderer wird vielleicht bemer-
ken, dass er beim Ausatmen die Empfindung hat, dass ihn der Atemstrom
verlåsst, sei es mit dem realen Strom der Ausatemluft durch die Nase, sei
es im çbertragenen Sinn auf die Kærperenergie in eine andere Richtung,
beispielsweise zu den Seiten weg oder durch die Fçûe in die Erde. Es
handelt sich dabei dann selbstverståndlich nicht um einen realen Luft-
strom, sondern um eine innere Repråsentation der Kærperenergieimpulse,
auf deren Ebene wir unsere unbewussten Gewohnheiten repråsentieren
und transformieren kænnen. Ilse Middendorf hat in ihrem empfehlens-
werten Buch ¹Der erfahrbare Atemª fçr diejenigen, die sich mehr mit
dieser Repråsentation des Atems beschåftigen mæchten, viel Wissens- und
Nachdenkenswertes çber den Atemstrom beschrieben.
Das Wahrnehmen des eigenen Kærpers und der eigenen Kærpervorgån-
ge und -impulse ist der entscheidende erste Schritt. Je genauer und inten-
siver wir unsere Kærpervorgånge wahrnehmen kænnen, desto leichter fållt
es uns, sie zu veråndern. Bei jeder Verånderung mçssen wir anknçpfen
an das, was ist, um ein neues Muster in unsere alten Muster zu integrie-
ren.
Was ist fçr den Atemimpuls der optimalste Impulsverlauf ± vor allem
unter Berçcksichtigung der gewçnschten Aufrichtung der verstårkten Ky-
phosehaltung?
11 Gewohnheiten durchbrechen und neue Gewohnheiten stabilisieren z 119

Stellen Sie sich direkt vor sich im Raum einen Kærper vor, vielleicht
auch nur schemenhaft, der Ihr Kærper sein kænnte! Lassen Sie in diesem
Kærper in Ihrer Vorstellung einen Atemimpuls in dem Bereich beginnen,
wo Sie gefunden haben, dass Ihr Atemimpuls fçr Sie in Ihrem Kærper
wahrnehmbar wird! Lassen Sie den Einatemimpuls sodann wie auf einer
Linie an der Vorderseite des vorgestellten Kærpers nach oben in den Be-
reich des Brustbeins und dann ± gleichsam zum Ausgleich der Kyphose ±
in den Bereich des Halses nach hinten wandern! Und nach einer kurzen
Pause lassen Sie den Ausatemimpuls wieder zurçck zu dem Bereich
stræmen, in dem der Einatemimpuls begonnen hat.
Sie visualisieren jetzt also in diesem vor Ihnen im Raum vorgestellten
Kærper eine Ovalbewegung des Atemimpulses ± an der Vorderseite des
Kærpers nach oben bis in den Bereich des hinteren Halses und sodann
im hinteren Bereich des Kærpers nach unten wieder zum Bereich des Be-
ginns des Einatmens.
Verstårken Sie jetzt diese Ovalbewegung in Ihrer visuellen Vorstellung:
Lassen Sie sie græûer werden, und lassen Sie sie ruhig auch die Kærperkon-
turen çberschreiten! Und lassen Sie den Energiestrom intensiver werden!
Und noch græûer! Und noch intensiver! Spielen Sie ein biûchen damit in
Ihrer Vorstellung und scheuen Sie sich nicht, massive Energiebewegungen
in diesem vor Ihnen im Raum vorgestellten Kærper zu visualisieren. Expe-
rimentieren Sie damit, was Ihnen voll und kråftig und gesund vorkommt,
was fçr Sie Fçlle, Stårke, Intensitåt und Vitalitåt bedeuten.
Dann machen Sie einen entscheidenden Schritt ± und machen Sie die-
sen Schritt schnell! Nehmen Sie einfach das, was Sie jetzt vor sich in die-
sem vorgestellten Kærper visualisiert haben, schnell in Ihren eigenen
Kærper, und visualisieren Sie dasselbe innerhalb Ihres Kærpers ± mit dem
Beginn des Atemimpulses an der Stelle, wo Sie zu Anfang Ihren eigenen
Atemimpuls zuerst wahrgenommen haben! Dann die Bewegung nach vor-
ne oben bis in den hinteren Bereich Ihres Halses und Ihre Ausatembewe-
gung an der Hinterseite Ihres Kærpers zurçck!
Und lassen Sie diesen ¹groûenª intensiven Atemstrom jetzt einige Male
in ihrem Kærper wirken, verbinden Sie ihn mit Ihrem Atemfluss! Der Be-
ginn ist an derselben Stelle, die Richtung ist nun nach vorne oben und in
den hinteren Hals, so dass sich hieraus ein Aufrichtimpuls fçr die Kypho-
se ergibt. Und im hinteren Bereich des Kærpers senkt sich der Impuls
wieder nach unten zu dem Bereich, wo der Atemimpuls begonnen hat.
Spçren Sie, wie sich dabei insbesondere auch die obere Brust und der
Bereich der Schlçsselbeine mit Luft und Energie fçllen und intensiver
wahrnehmbar werden! Und spçren Sie auch, wie sich die kyphotisch
gekrçmmte Wirbelsåule dabei aufrichtet! Achten Sie dabei darauf, dass
das Becken locker bleibt und Sie nicht Ihre Rçcken- oder Nackenmusku-
latur verspannen! Und çberlassen Sie sich diesem ¹groûen Atemª! Fçnf
Mal, sechs Mal, sieben Mal entspannt und locker! Nehmen Sie genau und
120 z 11 Gewohnheiten durchbrechen und neue Gewohnheiten stabilisieren

bewusst dieses neue Atemmuster wahr, bis Sie es ganz genau kennen!
Und wenn es fçr Sie passt und Ihnen angenehm vorkommt, dann kænnen
Sie die Bewegungen weiter verstårken, vergræûern und stabilisieren, bis
es fçr Sie stimmt und sich gut anfçhlt. Und erneut bleiben Sie bei diesem
neuen ¹groûen Atemª und wiederholen diesen Atemfluss weitere sieben
Mal.
Und dieses Muster mit dem neuen Atemimpulsverlauf in Ihrem Kærper
wiederholen Sie nun im Alltag immer wieder, mehrfach zwischendurch,
auch begleitend zu anderen Alltagståtigkeiten, vielleicht wenn Sie an ei-
ner Kasse warten, wenn Sie sich als Mann rasieren oder als Frau schmin-
ken ± oder wann auch immer Sie zwischendurch daran denken. Wieder-
holen Sie es immer wieder, bis Ihnen das neue Muster nach einigen Ta-
gen oder Wochen ¹in Fleisch und Blut çbergegangenª ist!
Nach einigen Wochen der Vertrautheit mit dieser neuen Empfindung
des Atemflusses nehmen Sie sich in einer ruhigen halben Stunde Zeit fçr
die folgende Phantasie der inneren Fçlle:
z Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie ein Gefçhl der Fçlle hat-
ten, das Gefçhl, genug zu haben von allem, innerlich und åuûerlich
reich zu sein, durch und durch satt, erfçllt und zufrieden! Und wenn
Sie sich an eine Situation erinnern, in der dieses Gefçhl nur annå-
hernd spçrbar war, so machen Sie jetzt die Empfindung noch eindeuti-
ger und noch stårker, als Sie damals war: ganz satt, ganz erfçllt, genug
in jeder Hinsicht, reich und erfçllt!
z Achten Sie jetzt darauf, in welchem Zustand Ihr Kærper ist, wo im
Kærper Sie dieses Gefçhl der inneren Fçlle wahrnehmen! ± Und da
Gefçhle und Kærperzustånde nie statisch und verharrend sind, werden
Sie sich gewahr, welche Bewegung, welche Richtung diese Emotion in
Ihrem Kærper spontan findet! (In einem KYPHO¾-Trainingskurs wird
Ihnen Ihr Trainer bei der Identifikation von Ort und Richtung dieser
inneren Bewegung, dieser Emotion, helfen.)
z Sobald Sie den Ort des Beginns und die Richtung identifiziert haben,
vervollståndigen Sie die Bewegung zu einer Schleife zum Ort des Be-
ginns zurçck. So wie das Einatmen und das Ausatmen eine Schleife ge-
bildet haben, so bilden Sie zu der primåren spontanen Bewegung Ihres
Fçllegefçhls die ergånzende Bewegung zurçck zum Ort des Beginns.
Visualisieren und empfinden Sie diese neu geschaffene Schleife, deren
emotionaler Kern Ihr individuelles Gefçhl von Fçlle, innerem Reich-
tum, Sattheit und Erfçlltheit ist, immer deutlicher!
z Und nun verstårken Sie diese Bewegung und die Schleife, lassen Sie sie
etwas græûer werden, etwas intensiver, mit mehr Energie! Und lassen
Sie sich çberraschen, wie dadurch auch Ihr Gefçhl von Fçlle, innerem
Reichtum und innerer Erfçllung voller und intensiver wird!
z Und nun lassen Sie diese Bewegung mit Ihrem Atemrhythmus zusam-
menfallen! Das Einatmen entspricht Ihrem spontanen Bewegungs-
11 Gewohnheiten durchbrechen und neue Gewohnheiten stabilisieren z 121

impuls, das Ausatmen låsst den Impuls wieder zum Beginn zurçckfin-
den. Und atmen Sie sieben Mal mit einer Wiederholung der Schleife
dieses Gefçhls, so dass sich hier eine Kongruenz, ein zeitlicher Gleich-
klang einstellen kann! Und nun verstårken Sie diese Bewegung, diese
Emotion, und das Gefçhl weiter und belassen Sie es im Atemrhythmus!
Und nun wiederholen Sie die Schleife mit dieser Empfindung weitere
sieben Mal!

Und wenn Sie in den nåchsten Tagen und Wochen zwischendurch im All-
tag Ihr neues ¹groûes Atemmusterª wiederholen, dann erinnern Sie sich
bewusst auch an dieses Gefçhl der Fçlle und lassen die innere Wahrneh-
mung dieses Gefçhls der Fçlle, des inneren Reichtums und des Satt- und
Erfçlltseins mit dem Atemstrom des ¹groûen Atemsª zusammen durch
Ihren Kærper und Ihr Wesen stræmen.
12 Kursstunden-Plan

Das KYPHO¾-Programm kann einzeln mit individuellen Schwerpunkten


durchgefçhrt werden. Es ist sogar mæglich, dass ein betroffener Mensch
nach der Anleitung dieses Buches ohne die Begleitung eines KYPHO¾-Trai-
ners zum Ziel kommt; sinnvoll ist es jedoch auf alle Fålle, wenn Ursache,
Ausmaû und Festigkeit der Beugung vorher mit einem Orthopåden bespro-
chen werden. Hilfreich im Laufe des Programms ist es dann, wenn ein ge-
schulter Begleiter Hinweise und Tipps gibt und die Schritte des Programms
individuell anpasst. Beim einen muss mehr Zeit auf die anfånglichen Deh-
nungen verwandt werden, beim anderen ist es vielleicht hilfreich, schon
frçh im Programm die Atemçbungen zu integrieren ± immer mit dem Ziel,
mæglichst rasch und ohne unnætigen Zeitaufwand freie Beweglichkeit, eine
aufrechte Haltung und das Gefçhl innerer Fçlle zu stabilisieren.
Auf diesem Weg kann es eine enorme Unterstçtzung sein zu sehen,
wie auch andere Menschen erkennbare Fortschritte machen und durch
ihre Fortschritte zum Weitermachen angespornt werden. Dies motiviert
ungemein und ist der Vorteil davon, das KYPHO¾-Programm als ¹Kursª
mit mehreren Teilnehmern durchzufçhren. Letztendlich kænnen alle Men-
schen, auch diejenigen, deren Haltung und Beweglichkeit im ¹Normal-
bereichª liegen, mit Gewinn ihre Brust weiten, ihre Muskulatur kråftigen,
ihr Atemmuster verbessern und ihr Gefçhl der ¹inneren Fçlleª lebendiger
werden lassen. Ihre Haltung wird dann selbstverståndlicher, konstanter
und stabiler aufrecht sein, weil sie mit græûerer Vitalitåt und dem Gefçhl
inneren Reichtums gelebt wird.
Ein groûer Vorteil der Durchfçhrung mit einem Begleiter ist auch, dass
dann viel leichter und mit groûem Gewinn ¹gefçhrte Phantasienª ergånzt
werden kænnen, die die neue Haltung stabilisieren und das Leben in die-
ser Haltung selbstverståndlicher und reicher machen kænnen (siehe die
Kursstunden 9 und 10).
Eine bewåhrte und systematische Vorgehensweise in einem KYPHO¾-
Kurs ist die Folgende, wobei die Kursstunden meist im Abstand von
2 Wochen geplant werden und jeweils etwa 90 Minuten dauern. Je nach
Gruppengræûe und Gruppendynamik kann es auch sinnvoll sein, das Pro-
gramm einer Kursstunde auf 2 ´ 60 Minuten zu verteilen und die Zeit-
abstånde zwischen den Stunden anzupassen.
124 z 12 Kursstunden-Plan

Wer die Verånderung seiner Kærperhaltung im KYPHO¾-Kurs gern in


bunten Bildern dokumentiert sehen mæchte, dessen Rçcken kann vor den
Ûbungen und sodann ein zweites Mal nach Abschluss des KYPHO¾-Pro-
gramms nach der Methode der dreidimensionalen Rçckenformanalyse
vermessen und bildhaft rekonstruiert werden. Dies schafft einen ein-
drucksvollen, anschaulichen und vorzeigbaren Nachweis der individuellen
Verånderungen.

1. Kursstunde: Einfçhrung, Ist- und Ziel-Zustand


z Vorstellung der Systematik des gesamten Kurses.
z Was ist ein KYPHO?
Ist-Zustand erkennen. ± Ziel erkennen.
Beginn mit Dehnungsçbungen.
Fçr zuhause: Vor dem Spiegel mit ¹Istª und ¹Zielª experimentieren,
dabei auf die Begrenzungen achten, einspçren.

2. Kursstunde: Dehnungsçbungen
Dehnungsprogramm wiederholen und vervollståndigen.
Ein tågliches Dehnungsprogramm fçr zuhause besprechen (evtl. unter-
schiedliche Schwerpunkte fçr verschiedene Teilnehmer).
Fçr zuhause: Tåglich 2 ´ das besprochene Dehnungsprogramm durch-
fçhren.

3. Kursstunde: Kråftigungsçbungen ohne Geråt


Dehnungsçbungen wiederholen.
Kråftigungsçbungen besprechen und durchfçhren.
Einen Trainingsplan mit Dehnungs- und Kråftigungsçbungen fçr zuhause
erstellen.
Fçr zuhause: 2 ´ pro Woche das Trainingsprogramm der Kråftigungs-
çbungen ohne Geråt durchfçhren.
2 ´ tåglich dehnen.
12 Kursstunden-Plan z 125

4. Kursstunde: Kråftigungsçbungen mit Geråt


Kråftigungsçbungen ohne Geråt wiederholen.
Kråftigungsçbungen mit Geråt darstellen und besprechen.
Den individuellen Trainingsplan besprechen. (Je nach Wçnschen und
Voraussetzungen kann hierbei der Schwerpunkt auf Ûbungen mit Geråt
oder auf Ûbungen ohne Geråt liegen.)
Fçr zuhause: 2 ´ pro Woche die Kråftigungsçbungen durchfçhren.
2 ´ tåglich dehnen.

5. Kursstunde: Individueller Trainingsplan mit Atemçbungen


Kråftigungsçbungen mit und ohne Geråt wiederholen.
Den individuellen Trainingsplan besprechen und entsprechend den be-
reits gemachten Fortschritten im Bereich der Dehnungsçbungen modifi-
zieren.
Einfçhrung in Atemçbungen (¹Staccato-Atmungª und ¹Atmung der Ener-
giebålleª).
Fçr zuhause: 2 ´ pro Woche nach dem neuen Trainingsplan trainieren.
1 ´ tåglich dehnen.
2 ´ tåglich Atemçbungen durchfçhren.

6. Kursstunde: Haltung und Ernåhrung


Haltungstypen nach F. X. Mayr darstellen.
Ernåhrung besprechen.
Dehnungen und Atemçbungen wiederholen. (Evtl. das Dehnungspro-
gramm reduzieren und fokussieren.)
Fçr zuhause: 2 ´ pro Woche nach dem Trainingsplan trainieren.
1 ´ tåglich Dehnçbungen.
2 ´ tåglich Atemçbungen.
126 z 12 Kursstunden-Plan

7. Kursstunde: Stimme und Resonanz


Ernåhrung wiederholen.
Atemçbungen wiederholen.
Stimme und Resonanz besprechen.
Die Ûbungsplåne der Kråftigungsçbungen besprechen.
Fçr zuhause: 2 ´ pro Woche nach dem Trainingsplan trainieren.
1 ´ tåglich Dehnçbungen.
2 ´ tåglich Atemçbungen.
Zusåtzlich ¹mit Resonanz spielenª.

8. Kursstunde: Gewohnheiten åndern


Besprechen der Haltung als unbewusstes Engramm (¹subkortikaler
Printª).
Einfçhrung in die Betrachtungsweise des Kærpers auf der Quantenebene.
Gewohnheiten und ihre Verånderung.
z Gefçhrte Phantasie: ¹Neuer ¹Atem-Wegª (siehe Kapitel 11, S. 118 ff.).
z Gefçhrte Phantasie: ¹Mit Fçlle verbindenª (siehe Kapitel 11, S. 120 f.).
(Eventuell Dehnungen wiederholen und das Programm reduzieren und
fokussieren.)
Fçr zuhause: 2 ´ pro Woche nach dem Trainingsplan fçr Kråftigungs-
çbungen trainieren.
1 ´ tåglich dehnen.
¹Ståndigª mit ¹neuer Atmungª spielen (evtl. kombiniert
mit den Atemçbungen aus der 5. Kursstunde).

9. Kursstunde: Innere Fçlle koordinieren


Die Ûbung ¹Neuer Atem-Wegª wiederholen.
z Gefçhrte Phantasie mit ¹Armutª, ¹Fçlleª und ¹Ûberflussª (siehe Kapitel
14, S. 144 ff.).
z ¹Top-Zustandª einfçhren (siehe Kapitel 14, S. 147 ff.).
Dehnungs- und Atemçbungen und die individuellen Trainingsplåne be-
sprechen und den Kursfortschritten anpassen.
Fçr zuhause: 2 ´ pro Woche nach dem Trainingsplan fçr Kråftigungs-
çbungen trainieren.
1 ´ tåglich dehnen.
¹Top-Zustandª tåglich 5 ´ wiederholen.
12 Kursstunden-Plan z 127

10. Kursstunde: Integration


z Gefçhrte Phantasien mit ¹Ûberzeugungª und ¹Groûzçgigkeitª (siehe
Kapitel 14, S. 146 f.).
z ¹Top-Zustandª wiederholen und dabei ein Symbol finden (siehe Kapitel
14, S. 147 ff.).
Eine Vision finden (siehe Kapitel 14, S. 149 f.).
Integration und Blick auf die Zukunft (siehe Kapitel 13, S. 129 ff.).
Ein individuelles Programm fçr die Zukunft besprechen.
Einen Abschlusskontakt vereinbaren (fçr den Zeitpunkt am Ende der in-
dividuell festgelegten Ûbungszeit).
Fçr zuhause: Das individuelle Programm weiterfçhren. (Die Dauer wird
individuell festgelegt, z. B. noch 3 Monate.)
Das im ¹Top-Zustandª gefundene Symbol malen.
Der individuelle Trainingsplan umfasst jetzt oft:
2 ´ pro Woche Kråftigungsçbungen.
1 ´ tåglich Dehnçbungen.
1 ´ tåglich Atemçbungen.
2 ´ tåglich ¹Top-Zustandª, oft im Anschluss an die
Dehn- oder Atemçbungen durchgefçhrt.

Beim ¹Abschlusskontaktª nach Durchfçhrung der noch vereinbarten in-


dividuellen Trainingszeit werden besprochen:
z Die bisherigen Erfahrungen und Verånderungen (gegebenenfalls unter
Berçcksichtigung der dreidimensionalen Rekonstruktion und Analyse
des Rçckens vor und nach der Durchfçhrung des Programms).
z Das Zielbild (siehe Kapitel 14, S. 149 f.) und die subjektive Zufrieden-
heit mit dem Grad des Erreichten.
z Ein individuelles Dauerprogramm, soweit gewçnscht (siehe auch Kapi-
tel 13).
z Die langfristige Ernåhrungsumstellung, ggf. mit Nahrungsergånzungs-
mitteln.
z Weitere Wçnsche nach Verånderungen, z. B. Verånderungen auf der
Ebene der Ausdauerbelastbarkeit, auf der Ebene einschrånkender Ge-
wohnheiten und Ûberzeugungen oder auf der Ebene des Selbstbilds ±
mit Vorschlågen zur Umsetzung.
13 Ausblick

Am Ende der Schritte des KYPHO¾-Programms ist es hilfreich, die er-


reichten Verånderungen zu benennen und sich çber den zurçckgelegten
Weg und ein eventuell noch zu gehendes Wegstçck bewusst zu werden.
Im Rahmen eines KYPHO¾-Kurses kann der KYPHO¾-Trainer diesen
Prozess beispielsweise mit folgenden Worten anregen:
¹Sie haben jetzt die wesentlichen Elemente des KYPHO¾-Programms
kennengelernt und geçbt. Sicher haben Sie auch schon die ersten Verån-
derungen bei sich bemerkt, sei es, dass vorm Spiegel die Weitung Ihres
oberen Brustbereichs deutlich geworden ist, sei es, dass Sie ein neues
Muskeltonusgefçhl im oberen Rçcken und ein neues Gefçhl fçr die Be-
weglichkeit des Wirbelsåulenabschnitts zwischen den Schulterblåttern
entwickelt haben. Sicher sind Sie sich immer wieder gewahr, dass Ihr
Atem voller geworden ist, dass Ihr Atem Sie jetzt viel mehr mit Sauerstoff
und Energie versorgt und Ihre neue Haltung unterstçtzt.
Nach einer Ûberprçfung und ggf. Korrektur Ihrer Ernåhrung kænnen
Sie jetzt sicher sein, dass Ihr Kærper alle notwendigen Vitamine, Spuren-
elemente und Vitalstoffe in ausreichendem Maûe zugefçhrt bekommt, um
alle Zellen ¹in Fçlleª gesund und vital zu erhalten, ggf. unterstçtzt durch
ein gutes Nahrungsergånzungsprogramm.
Manche von Ihnen haben sicher Ihr Zielbild vom Kursanfang vollstån-
dig realisiert. Fçr diejenigen, die noch auf dem Weg sind, ist es jetzt
wichtig, aus der gesamten Vielzahl von Dehnungs-, Kråftigungs- und
Atemçbungen diejenigen auszuwåhlen, die im individuellen Fall in den
nåchsten Wochen noch notwendig sind. Ihre Erfahrungen mit den Ûbun-
gen werden Ihnen gezeigt haben, was Ihnen leicht fållt, wo Sie bereits
freie Dehnbarkeit erreicht haben und wo die Muskulatur gut durchblutet
und kråftig ist ± und andererseits, wo noch etwas weiter gedehnt werden
muss und wo eine weitere Muskelkråftigung sinnvoll und notwendig ist.
Im Rahmen unseres KYPHO¾-Programms kænnen wir Ihr individuelles
Programm fçr die nåchsten Wochen bis zum vollståndigen Erreichen Ih-
res Haltungsziels besprechen. Lassen Sie sich dabei ruhig davon leiten,
was Ihnen gut tut und welche Ûbungen Sie gern machen ± und welche
Ûbungen Sie selbst als fçr sich noch notwendig erachten!
130 z 13 Ausblick

Muskelkråftigung braucht Zeit und ein regelmåûiges Training. Auch


Dehnungsçbungen brauchen neben der korrekten Durchfçhrung eine
Zahl der Wiederholungen. Manchmal ± z. B. bei angeborenen Kyphosen,
beim M. Bechterew und bei Deformierungen einzelner Wirbel ± wird
man ein im Vergleich zur gesunden Schwingung der Wirbelsåule verblei-
bendes Maû an verstårkter Kyphosierung akzeptieren mçssen, wenn auch
auch hier erhebliche Verbesserungen mæglich und sinnvoll sind. Zu Ihren
persænlichen Mæglichkeiten bei einer bestehenden Grunderkrankung
kann Sie Ihr Orthopåde individuell beraten.
Denjenigen, die ihr Ziel schon vollståndig realisiert haben, mæchte ich
gratulieren! Sie haben durch Systematik und Disziplin etwas veråndert,
was vorher in jahre- und jahrzehntelanger Fehlhaltung nicht verånderbar
schien. Und Sie lernen immer mehr die positiven Auswirkungen Ihrer
neuen Haltung auf Ihr Leben, Ihr Selbsterleben und Ihre Beziehungen zu
anderen Menschen kennen ± und kænnen das Abenteuer zwischen-
menschlicher Beziehungen auf einer ganz neuen Basis genieûen.
Fçr alle gilt: Zur Stabilisierung Ihrer jetzt erreichten Haltung sollten
Sie als Erhaltungsprogramm zumindest einige Dehnungs- und Kråfti-
gungsçbungen aus dem KYPHO¾-Programm regelmåûig weiter durchfçh-
ren. Dies sind vor allem die Dehnungsçbungen des Brustmuskels und der
oberen Brustwirbelsåule, die Sie im Laufe des Tages ein- oder zweimal
kurz zwischendurch durchfçhren kænnen. Fçr die Erhaltung der Dehnung
im Bereich der oberen Brustwirbelsåule brauchen Sie nun nicht mehr
den Kyphose-Keil oder die Handtuchrolle zu benutzen. Es gençgt, wenn
Sie sich ein- oder zweimal im Laufe des Tages auf einem Stuhl mit dem
Gesåû fest gegen die etwas hæhere Lehne setzen, die Lendenwirbelsåule
gegen die Lehne pressen und dann ± ohne ins Hohlkreuz zu gehen ± die
mittlere und obere Brustwirbelsåule nach hinten çber die Lehne aufdeh-
nen, dabei die gestreckten Arme so weit wie mæglich nach oben hinten
strecken, bis Sie den Zug im Bereich des Brustbeins und des unteren Hal-
ses spçren. Oder Sie stellen sich mit lockeren Beinen und locker in Mit-
tellage schwingendem Becken aufrecht und mit nach oben gestreckten
Armen hin und beugen den Oberkærper im Bereich der Brustwirbelsåule
so weit wie mæglich nach hinten, bis Sie die Spannung im Bereich des
Brustbeins und des unteren Halses spçren. Es gençgt nun, diese Span-
nung etwa 20 Sekunden lang zu halten, wenn Sie das ein- oder zweimal
am Tag tun und dabei tief und voll atmen.
Gçnstig ist es, wenn Sie Ihre Dehnungsçbungen morgens vor dem An-
ziehen durchfçhren, manches kænnen Sie etwa beim Zåhneputzen oder ±
als Mann ± beim Rasieren nebenbei machen.
Immer wieder zwischendurch sollten Sie bewusst Ihren Atem intensi-
vieren und mit 5 bis 7 vollen Atemzçgen im Bewusstsein Ihres ¹neuen
Atemmustersª dieses neue Atemmuster stabilisieren. Es ist hilfreich, dies
einige Monate lang mindestens zweimal im Laufe des Tages zu machen.
13 Ausblick z 131

Auch hier erleichtert es die Regelmåûigkeit, wenn Sie die Atemzçge im-
mer mit Tåtigkeiten kombinieren, die Sie sowieso tåglich machen, sei es
bei der Morgentoilette, sei es abends beim Duschen, sei es beispielsweise
nach dem Einsteigen ins Auto und beim Losfahren. Solche åuûeren ¹Takt-
geberª kænnen uns ± wenn sich die Verknçpfung einmal eingeschliffen
hat ± sehr bei der regelmåûigen Durchfçhrung helfen und damit dazu
beitragen, dass wir die Frçchte der Verånderung auf Dauer stabil genie-
ûen kænnen.
Es ist das Zusammenspiel von Dehnungsçbungen, Kråftigungsçbungen,
neuen Ernåhrungsgewohnheiten, einem neuen Atemmuster und einer
neuen psychischen Haltung mit dem kærperlich begrçndeten Erleben in-
nerer Fçlle, das zum Garanten der dauerhaften Transformation wird. Je-
der kann selbst erkennen, wo seine Schwachstellen liegen ± und wo die
Såulen der Transformation liegen, auf die er sich verlassen kann ± und
die es ihm immer wieder erlauben, sein Zielbild vollståndig zu realisie-
ren. Insbesondere ein im Alltag immer wieder gleichsam ¹nebenbeiª wie-
derholter ¹Top-Zustandª kann eine dieser Såulen sein, die helfen, in je-
dem Augenblick in der neuen Haltung, mit dem neuen Atemmuster und
mit der neuen Vitalitåt zu leben.
Legen Sie einen Zeitpunkt fest, zu dem Sie Ihr Trainingsprogramm
çberprçfen und eventuell anpassen mæchten. Ihr neues Atemmuster und
Ihre neue Haltung wird Sie den Rest Ihres Lebens begleiten, aber viel-
leicht mæchten Sie Ihr Dehn- und Kråftigungsprogramm anpassen und
mit der Zeit neu ausrichten, z. B. etwas mehr fçr die Ausdauer trainieren,
um Ihr Herz-Kreislauf-System zu kråftigen und damit Ihr Herzinfarktrisi-
ko zu senken und Ihre Vitalitåt und Ihre Ausdauerbelastbarkeit weiter zu
steigern. Oder vielleicht mæchten Sie auch Ihre Muskulatur weiter auf-
bauen, um damit Ihre åuûere Kærperform weiter dem griechischen
Schænheitsideal zu nåhern und sich noch wohler in Ihrem Kærper zu
fçhlen.
Vergessen Sie auch Ihre Ernåhrung als Basis der Vitalstoffversorgung
Ihres Organismus nicht! Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Er-
nåhrung mit vielen Vollkornprodukten und viel Obst und Gemçse wird
dazu beitragen, dass Sie nicht wieder in die Fehlhaltung des Kotbauchs
oder des Gasbauchs kommen. Ein reiches Angebot an Vitaminen, Spuren-
elementen und anderen Vitalstoffen garantiert, dass Ihre Zellen bei Ihrer
Erneuerung aus einer Fçlle schæpfen kænnen und Ihnen dadurch das
Gefçhl innerer Fçlle und einer grenzenlosen Vitalitåt schenken kænnen.
Stellen Sie sich einmal eine fçr Sie bedeutungsvolle Situation in der
Zukunft vor, vielleicht in einer wichtigen beruflichen Besprechung, bei ei-
nem Vorstellungsgespråch oder auch in einer fçr Sie wichtigen privaten
Situation mit anderen Menschen! Und stellen Sie sich vor, wie Sie in die-
ser Situation in Ihrer neuen Haltung mit dem Vollbild Ihrer Zielhaltung
in sich ruhen! Stellen Sie sich vor, wie Sie aufrecht und locker mit vollem
132 z 13 Ausblick

Atem und voll innerer Energie und innerer Fçlle låcheln und man Ihnen
Vitalitåt, Gelassenheit und inneren Reichtum ansieht. Nehmen Sie sich et-
was Zeit fçr diese Vision ± und genieûen Sie sie! Wenn Ihnen etwas noch
nicht voll, sicher und schæn erscheint, dann veråndern Sie es jetzt! Denn
Sie haben noch viel Zeit, um noch das zu veråndern, was Sie bis zu die-
ser Situation in der Zukunft veråndern und optimieren mæchten, auf wel-
cher Ebene es auch sein mag.
Jetzt suchen Sie sich noch eine andere Situation in einem anderen
Kontext aus! Und stellen Sie sich erneut mit Ihrer vollen Vitalitåt, innerer
Fçlle, mit Gelassenheit und einem Låcheln in Ihrer neuen Haltung in die-
ser Situation vor! Und verbessern Sie auch diese Vorstellung so lange, bis
sie Ihnen rundum gut gefållt ± und genieûen Sie sie!
Und wiederholen Sie diese Vorstellungsçbung noch mit einer dritten
und letzten Situation, vielleicht in einem ganz anderen Kontext als die
ersten beiden! So lange, bis Ihnen auch diese Situation voll und ganz ge-
fållt und Sie dann mit sich rundum zufrieden sind!
Sie kænnen in Ihr Programm fçr die nåchsten Wochen das mit aufneh-
men, was Ihnen eventuell noch verbesserungsbedçrftig erscheint, und
sich innerlich darauf vorbereiten, dass Sie Ihr Zielbild voll und ganz rea-
lisieren und dieses neue Leben und Erleben genieûen kænnen.
Ihre neue Haltung und Ihr neuer Atem fçhren zu der inneren Fçlle,
die Ihr neues Leben garantiert. Jeder volle Atemzug schafft Ihnen die in-
nere Gewissheit, dass Ihre neue Haltung und Ihre innere Fçlle und Vitali-
tåt lebendig sind. Mit jedem neuen Atemzug schaffen Sie aufs Neue die-
ses innere Erleben der Fçlle und der Erfçlltheit, die zu Gelassenheit und
Vitalitåt in Ihrer neuen Haltung beitragen. Genieûen Sie jeden vollen
Atemzug; er ist Ihnen Garant fçr Ihre innere Fçlle und Ihre neue Haltung
und Ihr neues Leben!ª
14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer

Der KYPHO¾-Trainer begleitet den Ûbenden auf seinem Weg. Er kennt


die Hindernisse und Fallstricke des Weges ebenso wie seine Chancen und
Mæglichkeiten. Genaue Kenntnisse feingeweblicher Strukturen und ihrer
Verånderbarkeit kombiniert er mit Erfahrungen in der Technik der Bin-
degewebs- und Muskelbehandlung und der Trainingslehre. Er besitzt ein-
gehende Kenntnisse des psychologischen Hintergrunds und kennt Vor-
gehensweisen zur Stabilisierung neuer Gewohnheiten und neuer innerer
Repråsentationen. In diesem Kapitel werden hierzu noch einige Hinter-
grundinformationen und Hinweise zum Vorgehen dargestellt.

Muskelverkçrzung und Muskeldehnung


Der KYPHO¾-Trainer erkennt strukturelle Verånderungen, die aufgrund
ihres Ausprågungsgrads durch Eigençbungen nicht ausreichend veråndert
werden kænnen. In diesen Fållen bietet er dem KYPHO seine therapeuti-
sche Hilfe an. Hierzu ist die eingehende Kenntnis der anatomischen Ge-
gebenheiten ebenso erforderlich wie ein Verståndnis der histopathologi-
schen Zusammenhånge, der Behandlungsmæglichkeiten, der Grundlagen
der Trainingslehre und praktische Erfahrungen im differenzierten Um-
gang mit den feingeweblichen Strukturen.
Bindegewebe besteht aus Zellen, Fasern (insbesondere Kollagen) und
Matrix. Der Turn-Over des Kollagens betrågt 300±500 Tage, der Matrix-
umbau 2±9 Tage. Die Turn-Over-Zeit der Matrix ist abhångig von der
Blutzirkulation und der damit verbundenen Sauerstoffzufuhr. Auch der
Kollagen-Turn-Over ist durch Bewegung verkçrzbar.
Wird Gewebe gedehnt, wird immer zuerst die weichere Struktur nach-
geben, und zwar so lange, bis ihr Spannungszustand dem des festeren
Gewebes entspricht.
Das Muskelgewebe ist nach Angabe von Videk (1980), Krahl (1982)
und Staziorski (1984) um bis zu 50% der Ausgangslånge dehnbar, hin-
gegen die Sehnen um 2±5%, die Bånder um 25±30%.
134 z 14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer

Die kollagenen Anteile des Muskels sind relativ unelastisch und zerrei-
ûen bereits, wenn sie um ein Drittel ihrer Gesamtlånge gedehnt werden.
Die Bremsfunktion beim Erreichen des maximalen Bewegungsausmaûes
resultiert aus einem Abflachen der Wellenform, in welcher die positiv ge-
ladenen Fibrillen von den negativ geladenen Molekçlen der Matrix (Pro-
teoglykane) gehalten werden. Die Wellenform ist bereits aufgehoben,
wenn die Fibrille um ein Sechstel ihrer Långe gestreckt wird (Brokmeier,
2001). Nach einer Phase der Immobilisation in Annåherung von Ur-
sprung und Ansatz des Muskels haben sich zusåtzliche Wasserstoff-
brçcken (Cross-Links) gebildet, die ein Abflachen der Wellenform des Ge-
webes beim Dehnen verhindern und damit die Dehnfåhigkeit des Muskels
einschrånken. Diese zusåtzlichen Wasserstoffbrçcken sind wasserlæslich
und kænnen bereits durch wiederholte Bewegungen im Matrixbelastungs-
bereich gelæst werden (Van den Berg, 2001). Nach einer mehrere Monate
andauernden Immobilisation eines verkçrzten Muskels haben sich festere
Brçcken (pathologische Cross-Links) gebildet. Diese kænnen nur durch
lange gehaltene und håufig wiederholte Dehnungen behandelt werden
(Van den Berg, 2001). Eine mehrmonatige Behandlungszeit ist einzukal-
kulieren.
Die Bildung von Cross-Links im Bindegewebe ist auch abhångig vom
ph-Wert des Gewebes. Ein Såureçberschuss bei einem niedrigen ph-Wert
begçnstigt die Ausbildung von Cross-Links, wohingegen ein Basençber-
schuss bei einem relativ hohen ph-Wert die Auflæsung von Cross-Links
begçnstigt. Durch unsere Ernåhrung kænnen wir zu einem Basençber-
schuss beitragen.
Wird ein Muskel in Annåherung von Ursprung und Ansatz ruhig ge-
stellt, erfolgt auch eine zahlenmåûige Abnahme der in Serie geschalteten
Sarkomere. Die Abnahme betrågt nach 5 Tagen bereits 40%. Wurde der
Muskel hingegen in Verlångerung ruhig gestellt, beginnt nach 24 Stunden
eine Zunahme der Sarkomere (Van Wingerden, 1998). Der Kærper ist also
in der Lage, in relativ kurzer Zeit Sarkomere an- oder abzubauen, so dass
diese Auswirkungen der Immobilisation durch Dehnçbungen leichter
rçckgångig gemacht werden kænnen.
Die Anzahl der Sarkomere ist nicht nur fçr die Gesamtlånge des
Muskels entscheidend, sondern insbesondere wichtig fçr den optimalen
Ûberlappungsgrad der Aktin- und Myosinfilamente, die nur in einem
bestimmten Bereich ein Maximum an Kraft produzieren kænnen (Brok-
meier, 2001). Prophylaktisch durchgefçhrte aktive oder passive Dehnun-
gen eines Muskels bewirken eine Steigerung der Eiweiûsynthese mit Zu-
nahme der in Serie geschalteten Sarkomere, woraus eine Verlångerung re-
sultiert.
14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer z 135

Kollagenfasern in Ruhestellung Kollagenfasern in Dehnstellung


(unter normalen Bedingungen)

Kollagenfasern in Ruhestellung Kollagenfasern in Dehnstellung


(mit Cross-Links nach Immobilisation)
Abb. 65. Kollagenfasern in Ruhestellung und in Dehnstellung (Nach: Van Wingerden, ¹Kapsulåre
Organisation in der Rehabilitationª)

Lange und ruhig gehaltene Dehnung stimuliert die Freisetzung von


Kollagenase aus Fibroblasten. Kollagenase ist in der Lage, Kollagenstruk-
tur aufzulæsen und dadurch pathologische Cross-Links abzubauen. Zu-
såtzlich kænnen in die bereits vorhandene Kollagenstruktur mehr Kolla-
genmolekçle eingebaut werden. Durch beide Prozesse kænnen strukturell
verkçrzte Muskeln verlångert werden (Van den Berg, 2001). Um diesen
Effekt zu erzielen, sind långere Dehnungsreize nætig. Zusåtzlich kommt
es durch diese Technik auch zu einer Zunahme der in Serie geschalteten
Sarkomere.
Ein ståndiges unnætiges Verlångern des Muskels zur Verletzungspro-
phylaxe oder Leistungssteigerung ist nicht sinnvoll. Ebenfalls ist es nicht
sinnvoll, den Muskel durch Dehnungsçbungen aufwårmen zu wollen.
Leichte federnde Dehnungen kænnen das Aufwårmprogramm unter-
stçtzen, indem sie den Muskel vorsichtig im endgradigen Bereich belas-
ten. Nach der Belastung kænnen ruhige Dehnungen dazu beitragen, von
der Aktivitåt auf die Regeneration umzuschalten. Durch das bewusste
Wahrnehmen der Muskelspannung kann die Willkçrmotorik in die Regu-
lierung des Muskeltonus eingreifen und ihn senken (Brokmeier, 2001).
136 z 14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer

Ergånzend sei noch erwåhnt, dass es, um einen erhæhten Milchsåurespie-


gel abzubauen, nætig ist, den Muskel ± åhnlich wie in der Aufwårmphase
± noch einige Zeit mit geringer Intensitåt weiter arbeiten zu lassen.

Arbeit an den Faszien


Ein gekrçmmter Rçcken ist nicht nur eine verstårkte Kyphose der Brust-
wirbelsåule, sondern auch Ausdruck eines gebeugten Menschen.
Die råumliche Gestalt des Faszien- und Membrannetzes låsst sich wie
die zur Form gewordene Geschichte eines Menschen lesen. Die immer
wiederkehrenden Bewegungsablåufe, die bevorzugte Orientierung und
Wahrnehmung sowie das vorherrschende emotionale Grundmuster prå-
gen das Gewebe und spiegeln sich darin. Damit entwickelt sich eine Ge-
stalt, die mehr ist als ein Puzzle anatomischer Einheiten. Bei der Behand-
lung kommuniziert der Therapeut mit dieser Gestalt. Die Behandlung
setzt so an der physischen Struktur an und erreicht die psychophysische
Einheit der Person.
Unmittelbar nach der Geburt kommt es im Rahmen der ersten Atem-
zçge des Kindes zu einem groûflåchigen Dehnungsimpuls auf die inneren
Schichten der Thoraxwand. Ûber flåchig ansetzende Druckkråfte beim
Atmen entwickelt sich die endothorakale Faszie als relativ dçnne, elasti-
sche Gewebsschicht. Eine andere Materialkonsistenz hat sie lediglich im
oberen Bereich der Pleurakuppe, wo die endothorakale Faszie die Kup-
pelwælbungen çberdacht. In diesem Bereich hat die endothorakale Faszie
einen hæheren Anteil an faserigen Schichten und damit Eigenschaften, die
an eine Muskelfaszie erinnern. Dies hångt damit zusammen, dass im
obersten Abschnitt der endothorakalen Faszie ståndig starke Zugkråfte
wirken, hier spricht man von der Gibsons-Faszie. Es besteht eine direkte
Verbindung zwischen der Gibsons-Faszie und der Halswirbelsåule, und
zwar çber eine bandartige Gewebeabzweigung der Scalenusfaszie. Bei der
fçr den Atmungsvorgang essentiellen Kontraktion der Musculi scaleni,
die fçr die Anhebung der oberen Rippen verantwortlich sind, wirken
rhythmisch Zugkråfte am oberen Teil der Faszia endothoracica. Auf diese
einheitlich richtungsgebundene Zugwirkung reagiert die Faszie mit einer
Ausrichtung der Fasern und verdrångt teilweise die elastischen Faser-
anteile durch unelastische Kollagenfasern.
Ein flåchiger Einsatz beider Handflåchen eignet sich vor allem zur Be-
handlung oberflåchlicher Schichten ± z. B. des Nackens und der Ûber-
gangsschichten zwischen oberem Brustraum und unterem Halsbereich.
Beim Kontakt ist darauf zu achten, dass die långs verlaufenden Gefåûe
nicht komprimiert werden. Der Kontakt sollte flåchig gehalten werden
und nicht in åuûeres Gleiten an der Hautoberflåche çbergehen.
14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer z 137

Faszien und Membranen reagieren auf gleichmåûige oder wiederholte


Belastungen mit Verånderungen im Sinne der Faserausrichtung, der Fa-
serbçndelung und der Verschiebung des Gleichgewichts zwischen mehr
oder weniger flçssigkeitshaltigen Elementen. Die Atmungsbewegung bei-
spielsweise låuft am Tag çber 20 000-mal ab. Sie ist das Bewegungsmuster,
das bei allen wiederkehrenden Bewegungsformen dominiert. Die Bewe-
gungen des Zwerchfells fçhren direkt zu einer Lageverånderung des Her-
zens, der Leber, des Magens, der Milz und der Nieren. Im Bauchraum
herrscht intraperitoneal gegençber dem Brustraum ein Ûberdruck, so
dass der ganze Brustkorb auf dem Zwerchfell quasi wie auf einem nach
cranial gewælbten Trampolin ruht. Die Art und Weise, wie Bauchraum
und Brustraum miteinander in Verbindung treten, spielt eine wichtige
Rolle bei der Aufrichtung des gesamten Rumpfes. Kommt es bei den Or-
ganen einer Seite zu Bewegungseinschrånkungen, wird der natçrliche
Ûberdruck im Bauchraum ungleich an den Brustraum weitergegeben,
und es kommt zwangslåufig zu Ausgleichsbewegungen im Bereich des
Thorax und des Schultergçrtels.
Die Atembewegung erfordert einen stabilen Bewegungsrahmen des
Brustkorbs, um die Volumenerweiterung der Lungen zu gewåhrleisten.
Dieser Rahmen besteht aus Bauteilen unterschiedlicher Dichte und Elasti-
zitåt. Rippen und Wirbelkærper bilden ein relativ stabiles Element in die-
sem Rahmen. Sehr wichtig sind aber auch die Faszien der Zwischenrip-
penmuskulatur und die Zwischenrippenmembranen, auch die Zwischen-
rippenmuskeln selbst sind von Bedeutung.
Da es eine direkte Verbindung zwischen dem obersten Abschnitt der
endothorakalen Faszie und den Querfortsåtzen der unteren Halswirbel
gibt, kænnen verstårkte Zugkråfte, die vom oberen Brustraum auf die
Halswirbelsåule wirken, Blockierungen der betreffenden Gelenke verursa-
chen.
Der normotone Magen-Darmtrakt wirkt der inspiratorischen Zwerch-
fellverschiebung entgegen und unterstçtzt die Ausatmung ± als Synergist
des elastischen Lungenzuges. Hypertone und entzçndliche Verdauungs-
abschnitte, die oft spastisch zusammengezogen sind und die håufig bei
çbervollen Kotbåuchen auftreten, leisten jeder Lageverånderung Wider-
stand. Sie wirken als Antagonisten der Zwerchfellkontraktion und des
elastischen Lungenzuges.
Hypo- bis atonische Verdauungsabschnitte erschweren die Ausatmung
als Antagonist des elastischen Lungenzuges, da die erschlafften vollen
Darmpartien einen Zug nach abwårts ausçben. Da das Abdomen luftleer
ist, mçssen bei der Ausatmung sowohl das Zwerchfell als auch das daran
haftende Eingeweidepaket mit nach oben verschoben werden. Kompensa-
torisch kann der Organismus den Brustkorb weiter und hæher stellen und
damit die Zwerchfellmittelage erhæhen, was die Erschwerung der Aus-
atmung vermindert.
138 z 14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer

Kippt das Becken nach hinten, flacht die Lendenlordose ab. Die Nieren
kænnen sich dabei in eine Ptose senken. Diese Senkbewegung kann auf
alle retro- und subperitoneal gelegenen Strukturen çbergreifen. Dies
wirkt sich dann auch an der Vorderseite der Wirbelsåule aus. Da es ober-
halb des Psoasursprungs keine pråvertebrale Muskulatur gibt, die dem
Abwårtssog entgegenwirken kænnte, reagiert schlieûlich auch die tiefste
pråvertebrale Schicht des Brustraums, das groûe vordere Långsband, mit
einer Verkçrzung ± und es kommt zu einem allgemeinen Spannungs-
ungleichgewicht zwischen prå- und postvertebralen Schichten des Orga-
nismus. Die tiefliegenden Erektoren des Rçckens erscheinen bei ober-
flåchlicher Betrachtung als Ursache der Verspannungen, doch in Wirk-
lichkeit handelt es sich bei der Tonuserhæhung der Erektorengruppe le-
diglich um eine kompensatorische Reaktion auf die mangelnde Aufrich-
tung der Eingeweidesåule im inneren Bereich des Rumpfes.
Zur Beurteilung der oberen Atmung ist es sinnvoll, die Hånde wie folgt
aufzulegen: Daumen und Zeigefinger einer Hand liegen am Rçcken unter
den zweiten Rippen parallel zum Verlauf der Rippen, auseinander-
gespreizt. Die andere Hand liegt mit Daumen und Zeigefinger an der Vor-
derseite des Rumpfes unter den beiden Schlçsselbeinen parallel zum Ver-
lauf der Schlçsselbeine. Die Hand hinten hat Kontakt mit den Schichten
zwischen der 2. und der 3. Rippe, die Hand vorn mit den Schichten zwi-
schen Schlçsselbein, 1. Rippe und Musculus subclavius. Wåhrend der Pa-
tient wie gewohnt atmet, kænnen Unterschiede zwischen hinten und vorn
erkennbar werden. Im Normalfall entsteht hinten der Eindruck, als wçrde
sich das 2. Rippenpaar geringfçgig senken. Die Normalbewegung im Be-
reich der oberen Rippen erfordert gleichzeitig eine physiologische Bewe-
gung der Schultern. An der Vorderseite werden wir im Normalfall spçren,
dass die 1. Rippe unsere Untersuchungshand gegen die Schlçsselbeine
leicht nach oben schiebt. Zu beurteilen sind eventuelle Seitenverschieden-
heiten sowie das Verhåltnis der tastbaren Bewegungen der Vorderseite
und der Hinterseite des Rumpfes zueinander.
Oft gençgen im Rahmen des KYPHO¾-Programms die vorn beschrie-
benen und vom Ûbenden allein durchfçhrbaren Dehn- und Kråftigungs-
çbungen. In hartnåckigen Fållen ist eine therapeutische Unterstçtzung
durch einen Physiotherapeuten hilfreich.
Zur Behandlung von Adhåsionen der Pleura im oberen Brustraum, wie
sie bei starken Hyperkyphosen oft zu finden sind, unterstçtzt der Be-
handler von hinten mit einer Hand den Rçcken des auf dem Rçcken lie-
genden Patienten und nimmt mit der Handflåche der anderen Hand sub-
tilen Kontakt von vorn-seitlich mit dem oberen Brustkorbdrittel auf. Die
Hand hinten komprimiert die gesamte Rippenkonstruktion am lateral-
posterioren Ûbergang etwas, und zwar genau auf der Hæhe, auf der sich
von anterior die Adhåsion der Pleura finden låsst. Wir folgen damit der
Wirkung des Lungensogs nach innen und veråndern so etwas das Gleit-
14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer z 139

verhalten der Innenschicht des Brustraums. Gleichzeitig folgen wir mit


unserer vorn ansetzenden Hand der Richtung der Sogwirkung nach in-
nen, bis diese zum Stillstand kommt ± und brechen in diesem Augenblick
den Kontakt ab.
Zur Behandlung der Vorderseite des thoraco-cervikalen Ûbergangs sitzt
der Patient auf einem Hocker senkrecht und der Therapeut vor ihm auf
einem Schemel. Mit den Daumen nimmt der Therapeut beidseits Kontakt
unterhalb der beiden Schlçsselbeine auf. Bei gutem Bodenkontakt und
entspannter Bauchwand soll sich der Patient vorstellen, dass die Scham-
beinfuge ganz leicht sinkt und sich die Sitzknochen weiten, so dass das
Becken um die Hçftachse leicht nach vorn kippt. Der Patient lehnt sich
gegen die beiden Hånde des Therapeuten. Der Therapeut gestaltet den
Kontakt derart, dass die Wirkung seiner Berçhrung in den Bereich des
oberen Brustraums vordringt. Die endothorakale Faszie ist im Groûen
und Ganzen nur sehr dçnn ausgeprågt, aber in diesem oberen Bereich
verdichtet sie sich und fungiert in Verbindung mit Abzweigungen der
Scalenusfaszie als Aufhångevorrichtung der oberen Pleurakuppel. Das Ziel
der Technik ist, diese Aufhångevorrichtung nach cranial ± auf ihren Ur-
sprung zu ± zu bewegen, wåhrend das Brustbein buchståblich vertikal
zwischen unseren Kontaktstellen unterhalb des Schlçsselbeins hångt. Va-
riationen ergeben sich dadurch, dass der Patient den Nacken unterschied-
lich weit aufrichten kann. Auf Seitendifferenzen ist zu achten.
Zur Behandlung der dorsalen Strukturen des Ûbergangs zwischen der
Brustwirbelsåule und der Halswirbelsåule liegt der Patient in Rçckenlage,
und der Therapeut hålt den Kontakt am Rçcken des Patienten mit den Fin-
gerspitzen einer Hand beidseits an der Wirbelsåule zwischen der 1. und der
2. Rippe, wåhrend die Handflåche der anderen Hand das Hinterhaupt sanft
unterstçtzt und die Finger im Bereich der Atlantooccipitalverbindung lie-
gen. Der Therapeut hebt das Hinterhaupt leicht an und stellt dann mit
den Fingerspitzen seiner anderen Hand intensiven Kontakt genau im Zwi-
schenrippenraum zwischen der 1. und der 2. Rippe her. Der Kontakt erfolgt
beidseits an den Costovertebralverbindungen. Der Therapeut hålt diesen
Kontakt sehr nachhaltig und vermeidet jedes Gleiten in cranialer Richtung.
Der Patient ruht auf den Fingerspitzen des Therapeuten, als wçrde er sich
çber die Spitzen eines Gartenzaunes nach hinten beugen. Auf faszialer Ebe-
ne wird dadurch eine Dehnung der tiefen Halsfaszie induziert, auf musku-
lårer Ebene kommt es zu einer Aktivierung des Musculus longus colli. Fçr
den Patienten entsteht der Eindruck, dass der Nacken von innen aus dem
Brustkorb wåchst. Diese Technik setzt am groûflåchig verlaufenden Liga-
mentum nuchae an. Dieses Band bildet die Brçcke zwischen dem Hinter-
haupt und dem oberen Rçcken, wo es sich mit der Faszie des Musculus tra-
pezius vereinigt. Das Ligamentum nuchae ist direkt mit allen Dornfortsåt-
zen der Halswirbelsåule verbunden. Das Gewebe dieses Bandes weist einen
auûerordentlich hohen Anteil an Elastin auf.
140 z 14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer

Ein Behandlungsansatz der verstårkten Kyphose der Brustwirbelsåule


erfolgt in Seitenlage mit angezogenen Beinen. Der Therapeut nimmt je
nach Gewebetonus mit den flachen vorderen Fingergliedern beider Hån-
de, den weich eingesetzten Handkanten oder den Handflåchen im latera-
len Abschnitt des Brustkorbs etwa in Hæhe der 6. Rippe Kontakt auf. Der
Patient hångt mit dem oben liegenden Arm çber die Liege, so dass ein
Zug des Arms entsteht. Der Therapeut setzt seine beiden Hånde ein und
intensiviert den Kontakt gleichzeitig posterior und anterior in der Mittel-
linie der oben liegenden Rumpfhålfte. Die Schubwirkung erfolgt nur so-
weit, als die darunter liegenden Schichten der Dehnwirkung folgen kæn-
nen.
Bei einem anderen therapeutischen Ansatz zur Behandlung der Brust-
kyphoseverstårkung sitzt der Patient auf einem Hocker, wåhrend der The-
rapeut seitlich neben dem Patienten steht und mit der flachen Handflåche
einer Hand mit dem Brustbein von anterior sowie mit der anderen Hand
beidseits der Brustwirbelsåule dorsal etwa in Hæhe des 6. Brustwirbel-
kærpers Kontakt aufnimmt. Wåhrend der Patient guten Bodenkontakt be-
halten soll, gibt der Therapeut mit seinen Hånden von anterior und pos-
terior einen leichten Impuls in cranialer Richtung, als wçrde er den
Brustkorb vom Bauchraum abheben. Der Patient sollte sodann die Bauch-
decke ganz entspannen, so dass das Becken leicht kippt, und anschlie-
ûend den Bodenkontakt etwas intensivieren, so dass das Becken wieder
in seine Ausgangsposition zurçckkippt; dieser Bewegungsablauf sollte
mehrmals wiederholt werden.
Die Faszie des Musculus pectoralis major ist cranial mit dem Schlçssel-
bein, medial mit dem Brustbein und dorsal mit der Faszie der Ach-
selhæhle verbunden. Die Faszie ist trotz des eher kråftig erscheinenden
zugehærigen Muskels recht fein und relativ dçnn ausgeprågt und gut ver-
schieblich. Im Gegensatz hierzu ist die Faszie des Musculus pectoralis mi-
nor meist viel kråftiger und zåher. Bei Bewegungseinschrånkungen des
Schultergelenks ist die Faszie des Musculus pectoralis minor oft weit be-
stimmender als die Faszie des Musculus pectoralis major. Grund dafçr
ist, dass sie als Faszia clavipectoralis den Musculus pectoralis minor in
Verbindung mit dem Musculus subclavius und dem Musculus coracobra-
chialis umhçllt. So regelt die Faszia clavipectoralis gleichzeitig den Akti-
onsradius der muskulåren Verbindungen zwischen Schultergçrtel und
Brustkorb sowie zwischen Schultergçrtel und Arm.
Die Faszie des Musculus pectoralis minor bildet in Verbindung mit der
Faszie des Musculus subclavius und des Musculus coracobrachialis als
Faszia clavipectoralis folgende Verbindungen: Eine fasziale Brçcke zwi-
schen Schultergçrtel und Brustkorb, die zwischen der 3., 4. und 5. Rippe
zum Processus coracoideus des Schulterblatts (im Verlauf des Musculus
pectoralis minor) und von der 1. Rippe zum Schlçsselbein reicht (im Ver-
lauf des Musculus subclavius), sowie eine fasziale Brçcke zwischen Schul-
14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer z 141

ter und Oberarm vom Processus coracoideus zur Crista tuberculi minoris
(im Verlauf des Musculus coracobrachialis). In der Tiefe ist die Faszie des
Musculus pectoralis minor mit der Schultergelenkkapsel verbunden; au-
ûerdem berçhrt sie die Hçllschicht des Plexus brachialis.
Dorsaler Gegenpol zu dieser kråftigen Faszie ist die Faszia infraspina-
ta.
Bei der Behandlung der Faszie des Musculus pectoralis minor sitzt der
Therapeut dorso-lateral des Patienten und greift mit beiden Daumen in
die ihm zugewandte Achselhæhle, wobei die Hånde dorsal auf dem Mus-
culus trapezius und ventral auf dem Bereich der Faszie des Musculus
pectoralis minor liegen. Der Therapeut hebt die Schulter leicht an und
schiebt das Schulterblatt nach oben vorne. Im selben Moment intensiviert
er den Kontakt mit der Faszie des Musculus pectoralis minor und des
Musculus teres minor und çbt eine aktive Dehnung aus, wobei sich die
Schulter nun wieder etwas nach hinten verschiebt. Diese Bewegung wird
3 bis 4-mal wiederholt, wobei am Endpunkt der Bewegung ein Dehnungs-
reiz fçr die Faszie entsteht.
Zur Behandlung von Bewegungseinschrånkungen der Wirbelgelenke
der unteren Halswirbelsåule liegt der Patient in Rçckenlage, der Thera-
peut låsst den Hinterkopf des Patienten in der Handflåche seiner rechten
Hand ruhen, wåhrend die 4 Fingerspitzen und die Daumenspitze der lin-
ken Hand vertikal um den Dornfortsatz des 1. Brustwirbels, auf dem der
Patient liegt, nach oben drçcken.
Mit der rechten Hand schiebt der Therapeut nun den Kopf des Patien-
ten etwas nach kaudal, als wçrde er die gesamte Halswirbelsåule ganz
leicht in den Brustkorb schieben. Der Kontakt um den 1. Brustwirbel
bleibt wåhrenddessen erhalten, so als kænnte der Therapeut alle erdenk-
lichen Energien aus seinen Fingerspitzen durch das Gewebe des Patienten
in Richtung der Zimmerdecke schicken. Nun beginnt der Therapeut, den
Kopf und den Nacken minimal und abwechselnd nach links und rechts in
Rotation und Lateralflexion zu bewegen. Dabei verringert der Therapeut
allmåhlich den in kaudaler Richtung ausgeçbten Schub. Er schiebt die
Halswirbelsåule und den Hals nicht mehr in den oberen Brustraum, son-
dern zieht jetzt ein wenig in die Gegenrichtung nach cranial, wåhrend die
Schådelbasis nach wie vor sehr leicht und der oberste Brustwirbel nach
wie vor sehr unnachgiebig gehalten werden.
Weitere differenzierte Hinweise zu dieser subtilen therapeutischen Ar-
beit an den Faszien bietet das sehr lesenswerte Buch ¹Faszien- und Mem-
brantechnikª von Peter Schwind.
142 z 14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer

Wissenswertes çber Antioxidantien und Vollkorn

Antioxidantien sind alle Substanzen, die in der Lage sind, Oxidationspro-


zesse zu verhindern. In Fetten und Úlen schçtzt beispielsweise das darin
enthaltene Vitamin E vor dem Ranzigwerden. Betråufelt man die Schnitt-
flåche eines Apfels mit Zitronensaft, so schçtzt die Ascorbinsåure des Zit-
ronensafts den Apfel vor der Oxidation und damit der bekannten Braun-
fårbung. Antioxidantien besitzen die Fåhigkeit, sogenannte freie Radikale,
also sehr instabile und reaktionsbereite Molekçle, die andere Molekçlver-
bindungen zerstæren kænnen, in einen stabilen Zustand zu çberfçhren,
ohne dabei selbst instabil zu werden. Dies gilt beispielsweise fçr die Vita-
mine C und E. Andere Antioxidantien wie z. B. einige Carotinoide kænnen
freie Radikale an sich binden und werden deshalb auch als ¹Radikalfån-
gerª bezeichnet.
Die individuelle Belastung mit freien Radikalen aus Zigarettenrauch,
Alkoholkonsum, Ozon, Umweltgiften, Sonnenlichteinstrahlung, Medika-
menten, Infekten und Stoffwechselprodukten ist kaum messbar und indi-
viduell sehr unterschiedlich, so dass auch der Gesamtbedarf an Antioxi-
dantien individuell nur sehr annåhernd abgeschåtzt werden kann. Die
Entgiftung von freien Radikalen hat fçr den Organismus eine groûe Be-
deutung, und so hat unser Kærper diesbezçglich vielfåltige Schutzsysteme
entwickelt. Durch die Zufuhr antioxidativ wirkender Nahrungsbestandtei-
le kann die antioxidative Gesamtkapazitåt des Organismus deutlich gestei-
gert werden. Antioxidantien haben sowohl in der Pråvention von Herz-
Kreislauferkrankungen als auch von Krebs eine groûe Bedeutung.
An Vitaminen liefern Obst und Gemçse hauptsåchlich Provitamin A,
Vitamin C, Folsåure und geringe Mengen an den Vitaminen B1, B2 und
B6. Neben Vitaminen und Spurenelementen enthalten Obst und Gemçse
viele gesundheitsfærdernde ¹sekundåreª Pflanzenstoffe ± wie beispielswei-
se Bitterstoffe in Endivien, Chicoree und Artischocken, die den Gallefluss
und den Appetit anregen. Eine Vielzahl von sekundåren Pflanzenstoffen
wirkt auch antioxidativ und schçtzt damit vor Krebs. Antioxidantien
hemmen auch die Bildung von Cross-Links im Bindegewebe und færdern
so die Fortschritte im KYPHO¾-Programm.
Ein volles Korn besteht immer aus einer Dreiergemeinschaft von står-
kereichem Kern, vitalstoffreichen Randschichten der Schale und dem
hochvitalstoffreichen Keim. Diese Dreiergemeinschaft stellt eine Art bio-
logisches ¹Kernkraftwerkª dar. Auf dem Weg vom vollen Korn zum Aus-
zugsmehl gehen gut 80% des ursprçnglich im Korn enthaltenen Magnesi-
ums, 60% des Kalziums, çber 70% des Kaliums, des Eisens und Phos-
phors, gut 60% des Kupfers und 40% des Chroms verloren.
Die Aufnahme von raffiniertem Zucker und Auszugsmehlen fçhrt zu
einem raschen Anstieg des Blutzuckers, den der Organismus mit einer
14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer z 143

entsprechend groûen Menge an Insulin ausgleicht. Die hohen Blutzucker-


spitzen fçhren also zu einer starken Insulinproduktion der Bauchspei-
cheldrçse. Da diese raffinierten Kohlenhydrate aber alle Kunstprodukte
sind und viel schneller verschwinden als die natçrlichen Kohlenhydrate,
die unsere Vorfahren vor Tausenden von Jahren als Wurzeln und Knollen
zu sich genommen haben und auf die sich unser Stoffwechsel eingestellt
hat, flieût das Insulin in einen Blutkreislauf, in dem die raffinierten Zu-
cker bereits teilweise gebunden und abgebaut sind. Das Endresultat ist
somit ein starker Abfall des Blutzuckerspiegels mit Unterzuckerung und
all den negativen Folgen wie Konzentrationsverlust, Einbruch der kærper-
lichen Leistungsfåhigkeit, innerer Unruhe und einem subjektiven Hunger-
gefçhl. Das liegt aber nicht etwa daran, dass die Mahlzeit bereits verdaut
und verbraucht ist, sondern daran, dass der Kærper in seiner natçrlichen
Intelligenz bei Unterzuckerung immer auf Nahrungsmangel schlieût. Von
seiner Entwicklungsgeschichte her ist er einfach nicht auf raffinierte
Kunstprodukte wie weiûen Zucker und all die anderen Sçûigkeiten auf
Zuckerbasis eingestellt.
Was schon beim Essen sçû schmeckt, ist voll von Monosachariden und
Disachariden, wohingegen Vollkornbrot erst långere Zeit gekaut werden
muss, bis nach Spaltung der Polysacharide der sçûe Geschmack auf der
Zunge spçrbar wird.

Lebensenergie
¹Es gibt nur Bewusstsein und Energieª, sagte John Pierrakos, der Begrçnder
der Core-Energetik. ¹Energie und Masseª sind austauschbar, sagt uns die
moderne Physik. Wenn wir materielle Dinge bis in die feinsten Teilchen
analysieren, kommen wir an die Schwelle, wo wir feinste Teilchen mit glei-
cher Berechtigung einmal als Massepunkte und einmal als Energiewellen
ansehen kænnen. Nach Albert Einstein stehen Masse und Energie in der
physikalischen Welt in einem festen Verhåltnis zueinander: E = m ´ c2.
Unser materieller Kærper hat somit auch einen energetischen Aspekt,
letztendlich kænnen wir ihn durchaus als Energie auffassen. Somit besteht
jeder von uns aus Energie. Wenn wir unsere gewohnte Sichtweise, aus fes-
ter Materie zu bestehen, durch die Idee ersetzen, dass wir Energie sind,
dass wir gleichsam Licht als eine sichtbare Form von Energie sind,
kænnen wir uns und unseren Kærper viel leichter veråndern. Jede Sekun-
de kænnen wir einen ein biûchen oder auch einen sehr deutlich verånder-
ten Kærper haben, gelenkt durch unser Bewusstsein. ¹Bewusstsein er-
schafft die Realitåt und die Art und Weise, wie es die Realitåt erfåhrt,ª
sagte Barbara Brennan, eine bekannte amerikanische Kærper-Psycho-The-
rapeutin und Heilerin.
144 z 14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer

Wir haben Zugang zu Erfahrungen von Gesundheit und Ganzheit und


kænnen uns an diese Erfahrungen erinnern, kænnen diese Erfahrungen
oder zumindest Anteile davon somit ins Jetzt bringen, um sie dazu zu be-
nutzen, eine heilsame Wirkung auszulæsen. Wenn es uns gelingt, bewusst
ein vollståndiges Bild von Heilung und Ganzheit zu erschaffen und ohne
Zweifel mit diesem Bild zu verweilen und damit zu leben, uns entspre-
chend zu bewegen und dem Bild so eine Dimension des Kærperempfin-
dens beizufçgen, dann kænnen die trågeren Anteile des Kærpers in ihrer
natçrlichen Dynamik nachfolgen, und die immerwåhrenden Umbaupro-
zesse unseres Kærpers werden durch unser Bild geprågt sein.
Lebensenergie sollte man sich weniger vorstellen wie Blut, das im
Kærper zirkuliert, als vielmehr wie Masse, ein Aspekt des ¹Ausdifferen-
ziertseinsª des Wesens, ein feinerer anderer Aspekt des Individuums.
Wenn wir also im KYPHO¾-Kurs sagen, dass ein wesentlicher Schritt
nach dem Weiten der oberen Brust und der Verbesserung der Brust-
atmung die bewusste Empfindung des eigenen Kærpers im Bereich der
oberen Brust und des Herzens ist, dann bedeutet dies, dass çber den
Kontakt mit diesem Zentrum der Lebensenergie eine Art von bewusstem
Kontakt mit dem inneren Wesenskern entstehen kann. Dies ist eine heil-
same Erfahrung fçr alle Menschen, und es ist ein wesentlicher Schritt in
der Entwicklung eines jeden Menschen, der auf Grund von Widrigkeiten
und einer anderen Orientierung in seiner Kindheit und in seinen jungen
Jahren diesen Kontakt nicht lebendig entwickelt und damit nicht bewusst
und liebevoll gelebt hat.
Das KYPHO¾-Programm kann Blockaden auflæsen, innere Lebendig-
keit und Vitalitåt bei einer lockeren aufrechten Haltung verbessern und
den bewussten Kontakt mit der Kærperenergie im Bereich des Herzens,
aus dem unsere Liebe stræmt, ermæglichen. Dann geht der Mensch seinen
Lebens- und Liebesweg mit einer neuen Freiheit.

Gefçhrte Phantasien fçr den KYPHO¾-Kurs


Im KYPHO¾-Kurs kænnen die ¹Phantasienª des 11. Kapitels zur Stabilisie-
rung der Verånderungen weiter vertieft und differenziert werden. Hierzu
eignen sich folgende Instruktionen:

z Armut und Ûberfluss

z ¹Wåhlen Sie etwas in Ihrem Leben aus, wovon Sie glauben, nicht genug
zu haben, und stellen Sie sich vor, was es ist ± und werden Sie sich be-
14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer z 145

wusst, was Sie sich da gerade vorstellen und wie Sie sich dies vorstel-
len. Sich vorstellen heiût, sich ein Bild zu machen. Von was auch im-
mer Sie sich jetzt ein Bild gemacht haben, Sie sehen in Ihrer Vorstel-
lung ein Bild vor sich. Werden Sie sich dieses Bildes genauer bewusst
und beantworten Sie jetzt die folgenden Fragen zu Ihrem Vorstellungs-
bild!
(Es ist sehr hilfreich, wenn ein Partner Ihre Antworten auf die Fragen
aufschreibt).
± Wo genau, wo im Raum, sehen Sie dieses Bild ± vor sich, mehr
rechts, mehr links, mehr oben, mehr unten?
± Wie weit entfernt ist das Bild?
± Wie groû ist es?
± Hat es einen Rahmen?
± Ist es schwarz-weiû oder in Farbe?
± Ist es starr oder bewegt?
± Ist es flach oder hat es Tiefenschårfe?
± Ist es klar konturiert oder hat es unscharfe Konturen?
± Ist es hell oder dunkel? Wie hell genau?
± Ist es mit Geråuschen verbunden?
± Ist es konstant oder veråndert es sich wie in einem Film?ª
z ¹Nun stellen Sie sich etwas anderes vor, wovon Sie glauben, es im
Ûberfluss zu besitzen, diesbezçglich reich und erfçllt zu sein! Machen
Sie sich in gleicher Weise ein Bild davon und werden Sie sich systema-
tisch auch der Einzelheiten dieses Vorstellungsbildes bewusst, indem
Sie dieselben Fragen dazu beantworten!ª
z ¹Anhand Ihrer Antworten zu den beiden Bildern prçfen Sie nun, wo
Unterschiede liegen. Identifizieren Sie wesentliche Unterschiede in den
beschriebenen Kategorien!ª
z ¹Im nåchsten Schritt veråndern Sie das Bild, das Sie sich von dem Be-
reich gemacht haben, hinsichtlich dessen Sie glauben, noch nicht ge-
nug zu haben, mit den Submodalitåten, die im Bereich des Bildes der
Fçlle anders waren. Ist Ihr Bild der Armut beispielsweise schwarz-weiû
gewesen und das der Fçlle farbig, so stellen Sie sich jetzt das Bild der
Armut in Farbe vor. War das Bild vielleicht verwaschen und unscharf
und das Bild der Fçlle scharf konturiert und mit Tiefenschårfe ver-
sehen, veråndern Sie das Bild der Armut in gleicher Weise. Und so ver-
fahren Sie mit all den anderen Unterschieden, die Sie herausgefunden
haben.ª
z ¹Beim Veråndern des Ortes im Raum, wo Sie sich das Bild vorgestellt
haben, hin zu dem Ort, wo Sie das Bild der Fçlle gefunden haben, ist
manchmal eine mechanische Hilfskonstruktion sinnvoll und hilfreich,
beispielsweise die visuelle Konstruktion einer Schleuder aus Gummizç-
gen, die das Bild mit Sicherheit und absoluter Schnelligkeit in einem
Moment an den neuen gewçnschten Ort platziert.ª
146 z 14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer

z ¹Wenn Sie die Verånderungen vollståndig durchgefçhrt haben, so çber-


lassen Sie sich einfach einige Momente diesem neuen Bild, ohne viel
darçber nachzudenken. Danach lenken Sie sich ab, machen etwas an-
deres, trinken vielleicht ein Glas Wasser, um Ihrem Gehirn weiter Zeit
zu geben, neue Assoziationsbahnen zu schaffen, ohne dabei durch zu
viel bewusstes Analysieren und zu viel darçber Nachdenken gestært zu
werden.ª

Da diese Ûbung hohe Anforderungen an die Visualisationsfåhigkeit stellt,


ist ein Partner, der fçhrt und begleitet, sehr hilfreich, wie wir dies in un-
seren Kursen ermæglichen, in denen die Kursleiter diesbezçglich ausgebil-
det und geschult sind.

z Ûberzeugung und Zweifel

Die gleiche Vorgehensweise wie unter ¹Armut und Ûberflussª (S. 144 ff.)
beschrieben wird nun auch zur Klårung und Verånderung der Submoda-
litåten einer Repråsentation ¹voller Ûberzeugungª und einer Repråsenta-
tion von ¹Zweifelnª benutzt.
Es ist hilfreich, anschlieûend das ¹Ûberflussª-Bild mit den Submodali-
tåten der ¹vollen Ûberzeugungª zu verbinden.

z Innere Fçlle und Groûzçgigkeit

¹Was ist Fçlle fçr Sie? Øuûere Fçlle ± an materiellen Gçtern, Beziehun-
gen? Und innere Fçlle ± das Gefçhl des Erfçlltseins, des Sattseins, des in-
neren Reichtums? Wo im Kærper haben Sie eine Empfindung, die mit die-
ser Fçlle verbunden ist? Wo in Ihrem Kærper spçren Sie Fçlle? Wie reprå-
sentieren Sie Fçlle?ª
¹Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie groûzçgig waren! Eine
Situation, in der Sie sich selbst als groûzçgig empfanden! In der Sie der
Gebende waren ± mit offenem Herzen! Was haben Sie in diesem Moment
empfunden? Welche Kærperempfindung ist bei Ihnen mit Groûzçgigkeit
verbunden? Wie repråsentieren Sie ¹Groûzçgigkeitª? ± Finden Sie sich
dazu ein Symbol fçr Ihre Groûzçgigkeit, fçr Ihren inneren Reichtum, fçr
Ihre Fçlle im Innen und Auûen! Lassen Sie sich von Ihrem Unbewussten
ein Symbol schenken, das fçr Sie dazu passt! Nehmen Sie vielleicht Bunt-
stifte oder Wachsmalkreide und malen Sie ein Bild von diesem Symbol,
so dass es gegenståndlicher und greifbarer wird!ª
¹Schaffen Sie sich ein Symbol, das fçr Sie symbolisiert: Ich bin inner-
lich reich. Ich lebe in innerer und åuûerer Fçlle. Ich bin groûzçgig. Ich
bin.ª
14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer z 147

¹Und wenn Ihnen Ihr Symbol gefållt, so kænnen Sie es auch ausgestal-
ten und noch schæner machen, vielleicht noch intensiver, noch græûer,
noch bunter, vielleicht ausgedehnt auf noch mehr Lebensbereiche, viel-
leicht auch mit einer Symbolik des Austauschs mit anderen Menschen
und deren Fçlle.ª
¹Lassen Sie eine Vision entstehen von Ihrer Fçlle und der Entwicklung
Ihrer Fçlle in der Zukunft! ± Eine Vision, die Ihnen gefållt, die Sie begeis-
tert, die fçr Sie stimmig ist, von der Entfaltung Ihrer Fçlle in eine çppige,
erfçllte und herzliche Zukunft, in Ihre Zukunft . . .!ª

z Top-Zustand

Dies ist eine ¹gefçhrte Phantasieª, die den KYPHO¾-Kurs meistens in der
neunten Kursstunde bereichert und die viel dazu beitrågt, dass der Ûben-
de sein neues Lebensgefçhl wirklich stabilisiert und in sein Alltagsleben
integriert.
Die Anweisungen des KYPHO¾-Trainers lauten wie folgt:
¹Stehen Sie ganz locker und entspannt! Vielleicht mæchten Sie die Augen
jetzt schlieûen. Lassen Sie sich locker und entspannt atmen . . . ! Dann su-
chen Sie sich jetzt eine Situation aus, in der Sie sich einmal in der Ver-
gangenheit ganz wohl gefçhlt haben, ganz bei sich waren, voller Kraft
und Freude . . . ± wo Sie sich rundum wohl gefçhlt haben . . . ! Und geben
Sie ein Handzeichen, wenn Sie eine Situation ausgewåhlt haben!
Versetzen Sie sich jetzt in diese Situation ganz hinein! Sehen Sie, was
Sie damals mit Ihren Augen gesehen haben, hæren Sie, was Sie damals
gehært haben! Spçren Sie, was es zu spçren gab. . . ! ± Und vielleicht war
auch ein Geruch dabei oder ein Geschmack . . . Genieûen Sie es jetzt! Ganz
assoziiert, ganz lebendig, ganz intensiv, genieûen Sie es jetzt!
Und dann lassen Sie eine Bewegung entstehen, die dazu passt! ± Viel-
leicht mit einer Hand, vielleicht mit dem Kærper, was auch immer dazu
passt. Oft ist es gut, das auszuwåhlen, was als erstes kommt, ganz spon-
tan ± aus dem intensiven Erleben der Situation . . . ± Und vielleicht ist
auch ein Ton dabei, ein Geråusch, ein Wort oder was auch immer.
Und geben Sie ein Handzeichen, wenn Sie eine dazu passende Bewe-
gung gefunden haben! Und schenken Sie dieser Bewegung noch einen
Augenblick Ihre volle Aufmerksamkeit. Lassen Sie sie ganz charakteris-
tisch sein, unverwechselbar, immer wieder in gleicher Weise wiederholbar
± Ihre Bewegung!
Und jetzt gehen Sie wieder mit allen Sinnen in das Erleben Ihrer aus-
gewåhlten Situation, in der Sie sich so wohl gefçhlt haben, so rundum
gut! ± Sehen Sie in Ihrer Vorstellung, was Sie damals gesehen haben,
hæren Sie, was Sie gehært haben, spçren und riechen Sie, was Sie gespçrt
148 z 14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer

und gerochen haben! Und in dem Moment mit der græûten Intensitåt des
Erlebens, in dem die Erfahrung voll, intensiv und stark ist, machen Sie Ihre
charakteristische Bewegung! ± Und wenn Sie ein Wort oder einen Ton dazu
gefunden haben, so kænnen Sie dies ergånzen, innerlich fçr sich!
Und es ist normal, dass die Intensitåt des Erlebens nachlåsst, dass die
Aufmerksamkeit abgelenkt wird, vielleicht von Geråuschen im Raum ±
oder von anderen Gedanken.
Und dann ist es gut, jetzt çbungshalber nochmals sich in die Situation
hineinzuversetzen. Gehen Sie nochmals mit allen Sinnen jetzt in das Erle-
ben! (Diese Sequenz mit der Kombination der Erinnerung an die aus-
gewåhlte Situation mit der gefundenen charakteristischen Bewegung wird
zur Ûbung und zur Konditionierung der Verknçpfung als ¹konditionier-
ter Reflexª 5-mal wiederholt.)
Und wenn Sie jetzt gleich die Augen æffnen, werden Sie sich frisch und
entspannt fçhlen, wach und ausgeruht wie nach einem erfrischenden
Schlåfchen. Vielleicht wollen Sie sich ein biûchen råkeln. Und bitte æffnen
Sie jetzt die Augen, schauen Sie sich etwas um, und vielleicht mæchten
Sie auch ein paar Schritte im Raum umhergehen. Und wåhrend Sie jetzt
etwas in Bewegung sind, machen Sie einfach nochmals Ihre charakteristi-
sche Bewegung, und seien Sie neugierig, welche kleinen Verånderungen
Sie in Ihrem Kærper wahrnehmen ± als Zeichen dafçr, dass diese be-
stimmte Bewegung jetzt verbunden ist mit einem ganz bestimmten Zu-
stand, der Ihnen angenehm ist!
Und es ist gut, diese Bewegung auch heute Abend und im Alltag im-
mer wieder zu wiederholen, denn dieses Verknçpfen lebt von der Wieder-
holung. Und geben Sie sich auch immer wieder dem ganzen Erleben mit
allen Sinnen, dem vollen Zustand hin, denn das stabilisiert die Ver-
knçpfung.
Und je stabiler und sicherer und geçbter diese Verknçpfung ist, desto
mehr wird Ihnen Ihre charakteristische Bewegung auch in Wechselfållen
des Alltags helfen kænnen, sich an das Gefçhl des rundum Wohlfçhlens,
das Gefçhl, voller innerer Kraft und Freude zu sein, zu erinnern . . .ª
Bei einer Wiederholung dieser ¹gefçhrten Phantasieª kann sie in einer
Phase, wo das Erleben der ausgewåhlten Situation voller Kraft und Freude
und Wohlgefçhl besonders intensiv und stark ist, wie folgt ergånzt wer-
den:
¹Und wåhrend Ihr Erleben jetzt besonders stark und intensiv ist, lassen
Sie sich von Ihrem Unbewussten ein Symbol fçr dieses Wohlfçhlen, die-
ses intensive Erleben der inneren Kraft und Freude schenken! ± Seien Sie
einfach neugierig, was Ihnen als erstes als Symbol hierfçr in den Sinn
kommt. Nehmen Sie, was auch immer Ihnen jetzt als erstes als Symbol in
den Sinn kommt, zunåchst ohne Wertung und Bewertung an! ± Und viel-
leicht mæchten Sie sich spåter einmal Malstifte oder Wachsmalkreide neh-
14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer z 149

men, um dieses Symbol fçr sich zu malen, um noch vertrauter damit zu


werden . . . Vielleicht fållt Ihnen auch ein Name hierfçr ein, der fçr Sie
dieses Symbol Ihres intensiven Erlebens der inneren Kraft und Fçlle be-
nennt und Sie immer wieder an dieses Symbol und diesen inneren Zu-
stand des intensiven Wohlfçhlens erinnert . . .ª

z Zielvision

Im Rahmen des Abschlusskontakts kænnen bei allen Ûbenden, die zu die-


sem Zeitpunkt noch auf dem Weg sind, folgende Gedanken hilfreich sein:
¹Auch wenn Sie im Augenblick noch nicht die volle Aufrichtung der
Kyphose erreichen kænnen, da das Gewebe etwas tråge ist und an der
jahrzehntelangen Gewohnheitshaltung festhålt, kænnen Sie sich vorstellen,
wie es aussehen wçrde, wenn Sie im Bereich der Kyphose lediglich noch
eine sanfte harmonische Schwingung håtten und sich Ihr Kærper in die-
sem Bereich und auch in anderen Bereichen gånzlich im Lot befånde.
Stellen Sie sich Ihr Spiegelbild in dieser Zielhaltung vor! Und Sie bekom-
men so zumindest schon einen Eindruck davon, wo's lang geht. Achten
Sie dabei darauf, wie Sie in Ihrem vorgestellten Spiegelbild Ihre Schultern
halten, locker und in einer mittleren Entspannungshaltung, weder nach
vorn geschoben noch nach hinten gezogen. Wie locker, harmonisch und
entspannt setzt sich die Brustwirbelsåulenschwingung in die Halswirbel-
såule fort? Wie locker und entspannt ruht ihr Kopf im Lot auf Rumpf
und Hals? Wie locker schwingt ihr Becken um eine mittlere Lage? Wie lo-
cker sind die Knie, die Sprunggelenke und die Fçûe?
Wie locker und voll stræmt Ihr Atem ± Bauchatmung, Flankenatmung,
Brustatmung? Als Ziel des KYPHO¾-Programms sind alle Verkçrzungen
aufgedehnt, und Sie erreichen jeweils locker Mittellagen, um die sich die
Gelenke harmonisch einstellen kænnen. Die Muskulatur ist kråftig, so
dass Sie die neue aufrechte Haltung selbstverståndlich und ohne Anstren-
gung aufrechterhalten kænnen. Die Muskulatur hat einen gesunden Tonus,
der Kærper lebt in einem gesunden Spannungszustand. Nicht nur die
Muskeln sind kråftig und çppig, sondern auch die Haut ist gut durchblu-
tet und straff. Die innere Haltung ist nicht nur von Aufrichtigkeit und
Vitalitåt geprågt, sondern auch vom inneren Gefçhl der inneren Fçlle,
des inneren Erfçlltseins und des Selbstbewusstseins. ¹Das Herz ist offenª,
und der Ausdruck ist herzlich.ª
Zum Erreichen unserer Ziele ist das Verståndnis sehr wichtig, dass un-
sere Ûberzeugungen fçr unser kærperliches Wohlbefinden eine tragende
Rolle spielen. Sie beeinflussen die Funktionsweise jedes Systems im Be-
reich der Kærperfunktionen, beispielsweise das endokrine System, das At-
mungssystem, das Lymphsystem, auch die Immunabwehr. Der Zustand
der gesamten Physiologie wird vom Denken und Erleben bestimmt.
150 z 14 Wissenswertes fçr den KYPHO¾-Trainer

Letztendlich sind es meist nicht die eigentlichen Umstånde und Le-


benssituationen, die uns zufrieden oder unzufrieden machen. Es sind
vielmehr unsere Bewertungen. Es ist die Bedeutung, die wir unseren Le-
bensumstånden und den vielfåltigen Situationen beilegen, die çber unsere
Reaktionen darauf entscheidet, sowohl kærperlich als auch emotional und
geistig. Stress ist ein direktes Ergebnis der Art, wie man die Dinge inter-
pretiert. Und çbermåûiger, unangenehm erlebter Stress gefåhrdet das Im-
munsystem, das Herz-Kreislaufsystem, das Verdauungssystem und die
emotionale Balance. Manche gesunden Menschen sind nicht gesçnder als
andere, weil sie weniger Stress im Leben haben, sondern es sind Men-
schen, die die Ûberzeugung und das sichere Vertrauen haben, dass es
auch in einer misslichen Situation immer wieder einen Ausweg gibt.
Menschen, die krank werden, fçhlen sich mehr als Opfer, haben den Ein-
druck, dass etwas mit ihnen geschieht, dass sie ihr Leben nicht unter
Kontrolle haben. Entscheidend ist, einen Glauben zu entwickeln, der sagt,
dass es, was auch immer geschieht, immer einen Ausweg gibt ± und dass
es viele Mæglichkeiten gibt, unsere Ziele zu erreichen, dass wir unseren
Anteil dazu beitragen kænnen und dass dies ein lohnendes und erfçllen-
des Leben ist. Und hieraus kann ein Gefçhl der inneren Freude und Zu-
friedenheit entstehen.
Der KYPHO¾-Kurs kann hierzu die entscheidenden Weichen stellen,
indem er nicht nur mit einer gesunden aufrechten Gewohnheitshaltung,
sondern auch mit dem Gefçhl der inneren Kraft und Fçlle vertraut macht
und auf dieser Basis ein besseres Leben ermæglicht.
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Adressen

z Dr. med. Jçrgen Zeiske


Facharzt fçr Orthopådie
Naturheilverfahren, Sportmedizin, Manuelle Medizin,
Ernåhrungsmedizin, Core-Energetik-Therapeut
NLP-Lehrtrainer (DVNLP)
Lehrtherapeut der Deutschen Gesellschaft
fçr Neurolinguistische Psychotherapie
Pråsident der Internationalen KYPHO¾-Gesellschaft
Steinstr. 1
67547 Worms
Tel. 06241/46311

Informationen zur Ausbildung zum KYPHO¾-Trainer


und zum lizenzierten KYPHO¾-Kursleiter:
z Internationale KYPHO¾-Gesellschaft
Pfrimmstr. 23
67591 Wachenheim
Tel. 06241/3052944
Informationen zum KYPHO¾-Ausbildungsprogramm

Das KYPHO¾-Ausbildungsprogramm umfasst:

· Basiskurs (4 Tage)
· Stabilisierungskurs (8 Tage)
· Zertifizierungskurs mit Prçfung (8 Tage)
Sie erhalten nach bestandener Prçfung das Zertifikat
zum KYPHO¾-Trainer von Dr. Jçrgen Zeiske.

Bausteine des KYPHO¾-Programms:

· Ist-Zustand und Ziel-Zustand reflektieren.


· Den Menschen in der KYPHO-Haltung verstehen.
· Die innere Werte-Hierarchie kennen und veråndern lernen.
· Die Physiologie unserer Gefçhle verstehen und unseren Zustand veråndern
lernen.
· Einen ¹Top-Zustandª bei sich selbst und bei anderen Menschen verankern
und jederzeit abrufen kænnen.
· Dehnungsçbungen.
· Kråftigungsçbungen ohne Geråte und mit Geråten.
· Effektive Atemçbungen fçr mehr Energie und mehr innere Fçlle.
· Ernåhrung, die Energie gibt ± mit Vitaminen und Nahrungsergånzungen.
· Neurolinguistisches Programmieren (NLP) zur unbewussten Haltungskontrolle.
· Sich systematisch zu einer aufrechten Haltung konditionieren lernen.
· Ûberzeugungsgespråche in gutem Kontakt und mit den Werten des Klienten
fçhren.
· Die ¹Spracheª des Patienten verstehen und eine tragfåhige Brçcke bauen.
· Nonverbale Botschaften besser wahrnehmen.
· Rapport aufbauen und gezielt einsetzen.
· Warum trainiert der eine Mensch regelmåûig und ein anderer lieber gar nicht?
± Verstehen was dahinter steckt ± und die Zweifel in eine starke Motivation
umwandeln.
· Das Gefçhl ¹unbåndiger Motivationª erleben und bei anderen Menschen
erzeugen.
· Ziele mit NLP finden und erreichen.
· Warum Zielvisionen die innere und åuûere Haltung beeinflussen und wie sie
entwickelt werden.
· Das Gefçhl von Groûzçgigkeit bei uns selbst und bei anderen Menschen
erzeugen und das Schenken genieûen.
· Lernschritte und Einstellungen zukunftswirksam verankern.
· Sich weiter entwickeln in ganzheitlicher Sicht.
Schlusswort

Mit diesem KYPHO¾-Programm wird erstmals eine systematische Vor-


gehensweise vorgestellt, um die Symptomatik der strukturell fixierten
Fehlhaltung der verstårkten Kyphosierung der Brustwirbelsåule unter
Berçcksichtigung der modernen Erkenntnisse çber die Dehnbarkeit von
Bindegewebe, der modernen Trainingslehre, der Ernåhrungswissenschaf-
ten, der Erkenntnisse çber die Atmung, der entwicklungspsychologischen
und psychodynamischen Zusammenhånge zwischen Fehlhaltung und Er-
leben und der Entdeckungen çber die Verånderbarkeit unbewusster Ge-
wohnheitsmuster zu verbessern. Bei Menschen mit die Kyphose fixieren-
den Grundkrankheiten wie Erbleiden, Morbus Bechterew und Osteoporo-
se kann durch die hier dargestellten Erkenntnisse und das hieraus abge-
leitete Ûbungsprogramm eine wesentliche Besserung der Symptomatik er-
reicht werden. Bei der weitaus håufigeren Zahl von Menschen ohne eine
orthopådisch definierte Grunderkrankung, bei denen lediglich eine inne-
re und åuûere Fehlhaltung çber eine Verhårtung des Gewebes zu einer
strukturellen Fehlform und einem Haltungsfehler gefçhrt haben, ist durch
das hier dargestellte Programm in der Regel eine vollståndige Rçckfçh-
rung der Symptomatik und damit eine vollståndig gesunde Haltung mæg-
lich.
Entscheidend fçr die Stabilisierung der ¹neuen Haltungª ist hierbei die
Integration unbewusster Kontrollmechanismen der Gewohnheitshaltung.
Dies gelingt durch das Einbeziehen von Mechanismen der Gewohnheits-
bildung und der Gewohnheitstransformation, die auf der Basis des von
Richard Bandler und John Grinder in den 70er und 80er Jahren des letz-
ten Jahrhunderts entwickelten Neuro-linguistischen Programmierens und
seiner Fortentwicklungen im Rahmen der Neuro-linguistischen Psycho-
therapie Eingang in dieses Programm gefunden haben. Hierdurch unter-
scheidet sich dieses Programm von allen frçheren Ansåtzen zur gezielten
Haltungsverbesserung beim ¹Rundrçckenª.
Wer dieses Programm durchlåuft, wird nicht nur åuûerlich zu einer
neuen Haltung kommen, sondern auch innerlich in einer neuen Haltung
leben. Er wird sich als Mensch in seinem Leben anders wahrnehmen und
wird auf dieser Basis neue Beziehungen gestalten. So ist das KYPHO¾-
Programm fçr denjenigen, der es durchlåuft, der Start in ein ¹neues
160 z Schlusswort

Lebenª. Ein neues Selbstgefçhl, ein neues Selbstbild und eine verånderte
Art und Weise, in der Welt zu sein, wird zu anderen Reaktionen der Um-
welt und zu einer anderen Qualitåt von Beziehungen fçhren. Ein ¹neues
Lebenª wird neue Aufgaben, neue Fragen und neue Ziele mit sich brin-
gen, die der ehemalige KYPHO in seiner neuen Haltung mit Neugierde
und einem Gefçhl innerer Vitalitåt und innerer Fçlle erleben und gestal-
ten kann.
Sollten sich hierbei auch neue Fragen zu diesem KYPHO¾-Programm
und einer mæglichen Weiterentwicklung dieses Programms ergeben, so
kann sich der Leser gern unter der auf Seite 155 angegebenen Adresse an
den Autor wenden.

Dr. med. Jçrgen Zeiske


Druck: Krips bv, Meppel
Verarbeitung: Stürtz, Würzburg

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