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De Gruyter Studium Jürgen Spitzmüller, Ingo H. Warnke Diskurslinguistik
De Gruyter Studium Jürgen Spitzmüller, Ingo H. Warnke Diskurslinguistik
Diskurslinguistik
Eine Einführung in Theorien und Methoden
der transtextuellen Sprachanalyse
De Gruyter
ISBN 978-3-11-021244-0
e-ISBN 978-3-11-022996-7
www.degruyter.com
Vorwort
Im Jahr 1890 publiziert der französische Soziologe Gabriel Tarde mit Die Gesetze der
Nachahmung ein Schlüsselwerk der modernen Soziologie. Nichts weniger als die so-
ziale Dimension der ›menschlichen Tatsachen‹ will er darin erklären. Mit diesem
Anspruch ist Tarde zugleich bewusst, dass die gedankliche Herleitung von theoreti-
schen Konzepten etwas gänzlich anderes ist als deren empirische Überprüfung:
Ich gebe zu, daß es viel einfacher ist, diese Prinzipien, deren Einfachheit ihrer Allge-
meinheit entspricht, aufzustellen und sogar sie zu beweisen, als ihnen ins Labyrinth der
besonderen Konkretionen, auf die sie angewendet werden, zu folgen. Deshalb müssen
sie dennoch formuliert werden. (Tarde [1890] 2003: 21–22)
Dies gilt auch für die Diskurslinguistik, die nichts weniger beansprucht, als Sprache
und ihr Verhältnis zu Gesellschaft sowie ›Wirklichkeit‹ grundlegend neu zu denken.
Diskurslinguistische Prinzipien, Konzepte und Modelle müssen also formuliert wer-
den, auch wenn das Labyrinth der konkreten Diskurse verworren erscheint, auch
wenn die empirische Umsetzung diskurslinguistischer Konzepte eine komplexe An-
gelegenheit ist. Dies gilt umso mehr, als es – wohl auch aufgrund dieser Ansprüche
– bisher keine propädeutische Überblicksdarstellung zu dieser neuen Teildisziplin
der Sprachwissenschaft gibt.
Wir legen nun eine solche Einführung in die Diskurslinguistik vor, ein Buch,
das ohne die Vielzahl von Einzelarbeiten zur linguistischen Diskursanalyse ebenso
wenig denkbar wäre wie ohne die Forschungen anderer diskursorientierter Wissen-
schaften, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Im Besonderen gilt dies natür-
lich für Michel Foucault und sein für die Geisteswissenschaften nachhaltig bedeut-
sames Konzept des Diskurses; aber keineswegs nur für ihn.
Unser Buch wäre also nicht möglich ohne zahlreiche Vorarbeiten, ebenso wenig
ohne die wachsende Präsenz der Diskurslinguistik im wissenschaftlichen Feld. Un-
ser besonderer Dank richtet sich daher an alle Kolleginnen und Kollegen, die in den
vergangenen Jahren unsere Diskursinteressen und auch Pläne zu diesem Buch kri-
tisch begleitet haben. Namentlich danken wir Johannes Angermüller, Noah Buben-
hofer, Albert Busch, Beatrix Busse, Dietrich Busse, Christa Dürscheid, Ekkehard
Felder, Fritz Hermanns, Reiner Keller, Klaus-Peter Konerding, Robert Leucht, Wolf-
Andreas Liebert, Angelika Linke, Marcus Müller, Martin Reisigl, Kersten Roth, Joa-
chim Scharloth, Jürgen Schiewe, Constanze Spieß, Martin Wengeler und Alexander
Ziem, wohl wissend, dass diese Namen nur stellvertretend stehen. Wir danken wei-
terhin unseren Studierenden in Bremen, Bern, Göttingen, Kassel und Zürich dafür,
dass sie uns die Diskurslinguistik nicht einfach ›abgekauft‹ haben, sondern sie kri-
tisch hinterfragt und uns zum Weiterdenken veranlasst haben. Unser Dank richtet
VI Vorwort
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
Vor dem Diskurs – Prolog
›Nach Foucault‹,
›post structuralismum‹ und ›inter disciplinas‹ –
Zur Verortung dieses Buches
Doch so leicht können und wollen wir es uns nicht machen. Denn die Popula-
rität und die Reize eines Phänomens allein rechtfertigen ja noch nicht die Einrich-
tung einer ganzen Teildisziplin. So interessant und relevant ›Diskurs‹ als Untersu-
chungsgegenstand wie auch als theoretisches Konzept sein mag, die Frage, ob es eine
eigenständige Diskurslinguistik – so wie eine Wortlinguistik (Morphologie), Satz-
linguistik (Syntax), Textlinguistik, Soziolinguistik usw. – braucht, ist damit noch
keineswegs beantwortet. Vielmehr muss sich die Diskurslinguistik, wenn sie bean-
sprucht, eine eigenständige Disziplin zu sein, zunächst folgenden Anschlussfragen
stellen:
Diese Fragen sind komplex, und sie lassen sich nicht in wenigen Sätzen beantwor-
ten. Wir werden uns in diesem Buch aber (auch) dieser Aufgabe stellen, zumal wir
davon überzeugt sind, dass genau in der Erörterung dieser Fragen – die wir am En-
de, soviel sei vorweggenommen, beide mit einem deutlichen Ja beantworten werden
– ein viel größerer Reiz für die Linguistik liegt als im offenkundigen ›Sex Appeal‹
diskursbezogener Themen, Theorien und Methoden; und zwar ein Reiz im ambiva-
lenten Sinn des Wortes: Eine Linguistik, die Diskurstheorie ernsthaft zu integrieren
versucht, ist nicht nur reizvoll (›attraktiv‹), weil sie neue Erkenntnisse über Spra-
che, Sprechen und Gesellschaft, also einen gesamtdisziplinären Erkenntnisgewinn
verspricht; sie reizt (›provoziert‹) die Linguistik auch, und zwar deshalb, weil sie
einige grundlegende Annahmen der Disziplin ernsthaft in Frage stellt. Diskurslin-
guistik, wie wir sie verstehen, greift nämlich notwendigerweise einige der Grundfes-
ten an, auf denen die moderne Linguistik fußt. Dies macht eine Einführung in die
Diskurslinguistik eben auch zu einer schwierigen, delikaten Aufgabe, der wir uns
konsequent stellen. Insofern ist dieses Buch nicht nur als ›Einführung in Theorien
und Methoden der transtextuellen Sprachanalyse‹ im technischen Sinne zu lesen,
sondern auch als Reflexion und Revision sprachwissenschaftlicher ›Denkstile‹ und
›Tatsachen‹ (Fleck [1935] 2010).
Schwierig ist das Unternehmen aber noch aus anderen Gründen. Zum einen
sieht sich eine ›Einführung in die Diskurslinguistik‹ mit der diffizilen Aufgabe kon-
frontiert, dass sie sich einem durchaus ›ungeordneten‹ Gegenstand zuwendet, selbst
aber gleichzeitig in einem vielfältig und komplex ›verorteten‹ wissenschaftlichen
Feld lokalisiert ist. Wer sich dem Phänomen ›Diskurs‹ nähert, findet zunächst in
vielerlei Hinsicht ›Unordnung‹ vor. Das hat nicht nur damit zu tun, dass der Aus-
Zur Verortung dieses Buches 3
druck Diskurs selbst – wie wir noch genauer ausführen werden – hochgradig ambig
ist, häufig vage gebraucht und mit unterschiedlichen (und teilweise sich widerspre-
chenden) Konzeptionen und Theorien verbunden wird, was angesichts des sprach-
wissenschaftlichen Terminologisierungsbedürfnisses zunächst ein Problem zu sein
scheint (und häufig auch als solches benannt wird). Wie wir zeigen werden, ist
dieses Problem aber keinesfalls für Diskurslinguistik spezifisch, und es stellt diese
auch vor keine unlösbare Aufgabe. Brisanter ist, gerade für die strukturorientierte
Sprachwissenschaft, dass diese ›Unordnung‹ zumindest in Teilen durchaus gewollt
und programmatisch ist. Als ›poststrukturalistische‹ Theorie (auch dies ist eine sehr
schillernde Denomination) verweigert sich die Diskursanalyse weitgehend termino-
logischen Festlegungen und Kategorisierungen, und sie tut dies, wie wir zeigen wer-
den, in Konsequenz ihres eigenen Verständnisses von Erkenntnis und Wissen. Für
eine Wissenschaft, und erst recht für weite Teile der modernen Sprachwissenschaft,
ist dies (immer noch) eine Provokation und eine Haltung, die der Begründung be-
darf. Wir werden in diesem Buch zeigen, dass die diskurstheoretische ›Entgrenzung‹
auch für die Linguistik »zum Weiterschauen oder Weiterdenken unentbehrlich ist«
(Foucault [1984] 1995a: 15), wollen aber zugleich betonen, dass wir diese Entgren-
zung nicht als Einladung zu einer ›grenzenlosen Linguistik‹ verstanden wissen wol-
len. Im Gegenteil: Es ist uns ein Anliegen – und hier bekennen wir uns ausdrücklich
zum linguistischen Bestreben nach wissenschaftlicher Exaktheit –, eine Diskurslin-
guistik zu entwerfen, die in jeder Hinsicht eine konzeptionelle, theoretische und
methodische Präzision anstrebt und die sich insbesondere auch über ihre eigenen
Grenzen klar wird. Die Diskurslinguistik, die wir hier entwickeln, ist also nicht
einfach eine ›poststrukturalistische Linguistik‹; sie ist aber auch keine strukturori-
entierte Diskursanalyse. Dies mag unser Buch sowohl aus Sicht (einiger Spielarten)
der Diskursanalyse als auch aus Sicht (einiger Spielarten) der modernen Sprachwis-
senschaft zusätzlich brisant machen.
Die angesprochene programmatische Verweigerung gegenüber festen wissen-
schaftlichen Konzepten und Kategorien wird, wie wir im 2. Kapitel näher erläutern,
besonders augenscheinlich bei einem Autor, an dem keine Form der Diskursana-
lyse, auch eine Diskurslinguistik nicht, vorbeigehen kann: Michel Foucault. Nie-
mand sonst hat die Diskursanalyse so sehr geprägt wie der französische Historiker-
Philosoph (dessen Zuordnung zu einer Disziplin schon Probleme bereitet), und
niemand sonst ist in diskursanalytischen Texten so präsent, inspirierend, umstrit-
ten, aus- und umgedeutet. Die hier vorgestellte Diskurslinguistik ist mithin (auch
und) sehr zentral eine »Diskurslinguistik nach Foucault« (Warnke 2007a), und zwar
sowohl in der modalen als auch in der temporalen Lesart der Präposition: eine Dis-
kurslinguistik, die sich an Foucault orientiert und eine, die Foucault als zentralen
Akteur in ihrer eigenen Disziplin, auch wissenschaftshistorisch, voraus-setzen muss.
Dies ist keine leichte Aufgabe, denn wir wollen und können erstens keine Foucault-
Einführung schreiben (dies haben andere getan, und wir werden entsprechend auf
sie verweisen), zweitens wollen wir auch keine ›Foucault’sche Diskursanalyse‹ (die
4 Vor dem Diskurs – Prolog
es in einer so homogenen Form auch gar nicht geben kann) propagieren, sondern
eben eine Diskurslinguistik, die wichtige Ausgangspunkte und Inspirationen von
Foucault (aber nicht nur von ihm) aufgreift. Das heißt jedoch, dass wir uns (zumin-
dest in einiger Hinsicht) eingehend mit Foucault und seinem Werk auseinander-
setzen und seine Konzeptionen mit diskurslinguistischen Erkenntnisinteressen und
Zugangsweisen kontrastieren müssen, was wir vor allem in Abschnitt 2.1, darüber
hinaus aber auch über das gesamte Buch hinweg immer wieder tun werden.
Mit dem Hinweis auf Foucault ist ein weiterer Punkt benannt, der eine ›Ein-
führung in die Diskurslinguistik‹ zugleich reizvoll und schwierig macht: Diskurs-
analyse ist kein genuin linguistisches Unterfangen, die Linguistik hat sich vielmehr
die Theorien und Konzepte der Diskurstheorie angeeignet, und sie ist Teil eines
größeren Verbundes von (zumeist geisteswissenschaftlichen) Disziplinen, die je spe-
zifische Formen der Diskursanalyse – mit spezifischen Erkenntnisinteressen, Kon-
zepten und Methoden – betreiben. Diskurslinguistik muss sich also auch innerhalb
dieses Verbundes positionieren. Wir sehen es als wichtige Aufgabe einer ›Einfüh-
rung in die Diskurslinguistik‹ an, deutlich zu machen, wo die spezifischen Leistun-
gen und Grenzen der Diskurslinguistik im Gesamtprogramm der Diskursanalyse
liegen. Dies ist auch deshalb schwierig (und brisant), weil es auszuloten gilt, wo die
Grenzen der Linguistik liegen. Diese Frage wird uns in diesem Buch stetig beglei-
ten, denn wir sind der Meinung, dass ›Interdisziplinarität‹ nicht heißen kann, dass
jeder alles machen kann. Interdisziplinarität bedeutet Zusammenarbeit, Austausch
und Arbeitsteilung. Was die Linguistik hier übernehmen kann und wo sie sich der
Expertise anderer Disziplinen bedienen sollte, wollen wir deutlich machen.
›Unordnung‹ findet man aber auch, und dies sei der letzte hier zu nennende
Punkt, innerhalb der Linguistik selbst. Die linguistische Diskursanalyse ist kein ho-
mogenes sprachwissenschaftliches Programm, sie ist ein Sammelbegriff, hinter dem
sich zahlreiche, nicht immer miteinander harmonierende Varianten verbergen, wel-
che wiederum jeweils unterschiedliche Erkenntnisinteressen und -ziele verfolgen.
Auch diese Diversität gilt es darzustellen und zu respektieren, gleichzeitig jedoch
wird eine spezifische Form des Vorgehens genauer präsentiert, nämlich die, die wir
präferieren. Was dieses Buch also unternimmt, ist eine Einführung in eine (unse-
res Erachtens sinnvolle) Diskurslinguistik, eine Diskurslinguistik, die Inspirationen
aus vielen der angesprochenen Varianten aufgreift, ohne jedoch die Diversität künst-
lich harmonisieren oder gar beseitigen zu wollen; im Gegenteil: Diskurslinguistik
ist und bleibt auch mit diesem Buch ein offenes Programm. Wir beschreiten al-
so von dem hier skizzierten Standort aus einen Weg, auf dem es gilt, Fäden zu
entwirren, mögliche Richtungen anzuzeigen, Fragen zu stellen und Lösungsmög-
lichkeiten vorzuschlagen. Dass dennoch weiterhin ›Unordnung‹ bleibt, ist in Kauf
zu nehmen und (vielleicht) sogar als produktives Potenzial fortschreitender diskurs-
linguistischer Verortungsprozeduren positiv umzuwerten.
Eine ›Unordnung‹, die uns gleich zu Beginn unseres Buches beschäftigen wird,
betrifft die bereits angesprochene Diversität sowohl des Begriffs wie auch des Aus-
Zur Verortung dieses Buches 5
drucks ›Diskurs‹. Wir wenden uns dieser Frage jetzt, im Rahmen dieses Prologs,
schon zu, weil wir damit den Blick freimachen wollen, um ihn im weiteren Verlauf
des Buches auf jene Fragen richten zu können, die wir im eigentlichen Sinne für
brisant, relevant und reizvoll halten.
»Das Wort ›Diskurs‹ ist in den letzten Jahren derart modisch geworden, daß man
am liebsten vermeiden möchte, es weiterhin zu propagieren oder zum Gegenstand
theoretischer Überlegungen zu machen«, stellt der Sozial- und Mentalitätenhistori-
ker Peter Schöttler bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten resigniert fest – zu einer
Zeit, in der sich die Linguistik gerade erst an das Konzept heranzutasten begonnen
hatte (Schöttler 1989: 102). Der Klagende befindet sich in guter Gesellschaft. Mitt-
lerweile ist der larmoyante Hinweis, Diskurs sei zu einem »Allerwelts- und Mode-
wort« (Schalk 1997/98: 56), »zu einem inflationären Schlagwort« (Kerchner/Schnei-
der 2006b: 9) ›verkommen‹, das in wissenschaftlichen Texten häufig »nur noch als
Imponiervokabel, als Metapher, als leere Hülse« (Schöttler 1997: 142) verwendet
werde, zum Topos geworden, auch innerhalb diskurstheoretischer Arbeiten. Daher
kann man, Schöttler umwendend, inzwischen ebenso gut konstatieren, dass die
Klage über den Modecharakter und die Vagheit des Wortes Diskurs in den letzten
Jahren derart modisch geworden ist, dass man am liebsten vermeiden möchte, die-
se Klage zum Gegenstand diskurstheoretischer Überlegungen zu machen. Dass wir
dies trotzdem tun – obwohl wir die Klage für nicht mehr zeitgemäß halten – hat
damit zu tun, dass die kritische Reflexion des Terminus Diskurs integraler Bestand-
teil der Disziplinengeschichte sowie der Theoriebildung ist und damit einen Platz
in einer ›Einführung in die Diskurslinguistik‹ beansprucht, die ja nicht zuletzt auch
eine ›Diskursgeschichte der Diskurslinguistik‹ ist.
Wie kommt es also zu einer solchen Begriffsskepsis? Das hat mehrere Ursa-
chen. Zum einen teilt der Ausdruck Diskurs mit vielen anderen Termini, die über
den engen Bereich einer bestimmten Theorie hinaus rezipiert und verwendet wer-
den, das Schicksal transdisziplinärer Polysemie, welche das Resultat einer Perspek-
tivenverschiebung zwischen Disziplinen und Teildisziplinen ist, die divergierende
Forschungsinteressen haben und unter vordergründig identischen Gegenständen
und Gegenstandsbereichen (wie ›menschliche Kommunikation‹, ›Sprache‹, ›Gesell-
schaft‹, ›Kultur‹, ›Wissen‹) mitunter sehr unterschiedliche Phänomene fassen. Mit
der Verbreitung des Diskursbegriffs in weiten Teilen der Geistes- und Sozialwissen-
schaften ab den 1970er-Jahren ist damit auch eine gewisse Bedeutungskonkurrenz
entstanden, die durch die jeweils spezifische Perspektive bedingt ist, aus der heraus
so unterschiedliche Fächer wie bspw. die Philosophie, die Soziologie, die Geschichts-
wissenschaft, die Literaturwissenschaft und die Linguistik ›Diskurse‹ konzeptiona-
lisieren. Mit dieser Bedeutungskonkurrenz einher geht nicht selten ein Kampf um
6 Vor dem Diskurs – Prolog
die terminologische Hoheit, bei dem Vertreter der verschiedenen Disziplinen ›die
richtige‹ Definition des Terminus jeweils für sich beanspruchen.
Dieses Phänomen ist allerdings alles andere als außergewöhnlich. Die Adaption
von Konzepten und Termini aus anderen Fächern ist ebenso wie die aus dem Per-
spektivenpluralismus und der fachlichen Spezialisierung resultierende Definitions-
konkurrenz Teil guter wissenschaftlicher Praxis. Die Linguistik, die eine Vielzahl
der Konzepte, mit denen sie heute arbeitet, aus anderen Disziplinen übernommen
und für ihre Zwecke modifiziert hat (›Sprechakt‹, ›Proposition‹, ›Identität‹, ›Frame‹,
um nur einige zu nennen), gibt davon ein beredtes Zeugnis ab.
Hinzu kommt, dass Diskurs etwa zur gleichen Zeit, als der Terminus von den
genannten Fächern aufgegriffen wurde, über die Medien Eingang in die sog. ›Bil-
dungssprache‹ fand und dort – im ›Interdiskurs‹, wie der Literaturwissenschaftler
und Diskurstheoretiker Jürgen Link (vgl. Link 1986 u. ö.; dazu Abschnitt 2.2.2)
sagen würde – eine starke Bedeutungserweiterung erfahren hat. Das »diskursive Er-
eignis Diskurs in den Medien« führte, so Link (1996: 51), dazu, dass »›Diskurs‹ sehr
bald zu einem einfach für die Siebziger und Achtziger Jahre schickeren Synonym
für ›Dialog‹« wurde – oder wie Schöttler (1997: 134–135) es ausdrückt: »Kein Ober-
seminar mehr ohne Diskurs. Aber auch: kein Feuilleton mehr ohne Diskurs, keine
Volkshochschule, keine Talk-Runde, kein Juso-Ortsverein«. Auch dieses Schicksal
teilt der Ausdruck freilich mit anderen Termini, die neben ihrer fachwissenschaft-
lich engen Verwendung einen festen Platz im Bildungs- (man denke an Identi-
tät, Mentalität, Konnotation) oder gar im Alltagswortschatz (vgl. Stress, Satz, Wort
oder, wie wiederum Link [1997] 2006 sehr schön herausarbeitet, Normalität) haben.
Auch dies ist also keineswegs ungewöhnlich, und trotz ähnlich lautender Einwän-
de (vgl. etwa hinsichtlich Identität die umfassende Begriffskritik von Niethammer
2000, hinsichtlich Satz resümierend Adamzik 2010: 194–195 sowie auch unten Ab-
schnitt 1.1.1) werden diese Termini selbstverständlich weiterhin auch fachsprachlich
verwendet. Aus linguistischer Sicht ist dagegen auch gar nichts einzuwenden, denn
wie schon Karl Bühler ([1934] 1999) mit aller Deutlichkeit feststellte, ist eine gewisse
semantische Offenheit gerade die Stärke natürlicher Sprache:
[D]ie sprachliche Darstellung läßt allenthalben Spielräume der Bedeutungsunbestimmt-
heit offen, die auf keine andere Weise wie durch den Hinblick auf die »objektiven Mög-
lichkeiten« geschlossen werden können und in jeder menschlichen Rede auch faktisch
geschlossen werden. Wäre dem nicht so, dann hätten es die Lexikographen leichter; das
ist wahr. Aber die natürliche Sprache wäre um das Erstaunlichste und praktisch Wert-
vollste, was ihr eignet, verarmt. Verarmt um die erstaunliche Anpassungsfähigkeit an
den unerschöpflichen Reichtum des im konkreten Fall sprachlich zu Fassenden [. . .].
(Bühler [1934] 1999: 66)
te‹ bezeichnet wird (häufig etwa dann, wenn vom öffentlichen oder wissenschaftlichen
Diskurs zu einem bestimmten Thema die Rede ist oder davon, dass ein Diskurs
geführt wird oder stattfindet). Auch diskurslinguistische Arbeiten verwenden den
Ausdruck bisweilen in dieser Lesart, ohne dass dies expliziert wird.
Zweitens hat sich in der Linguistik, ausgehend von angloamerikanischen Ar-
beiten aus dem Umfeld der conversation bzw. discourse analysis, ein Diskursbegriff
fest etabliert, der – je nach Textbegriff – als Ober- oder Komplementärbegriff zu
›Text‹ fungiert. Diskurs in diesem Sinne bezeichnet entweder eine größere gespro-
chensprachliche Äußerungseinheit oder aber eine durch Interaktivität gekennzeichne-
te größere (gesprochen- oder schrift-)sprachliche Entität. Entsprechend bezeichnen
sich die Disziplinen, die sich mit Berufung auf diese Konzeptionen mit gesprochen-
sprachlichen oder interaktiven Formen der Äußerung beschäftigen, auch als Lingu-
istische Diskursanalyse (vgl. etwa Ehlich 1994, Brünner/Fiehler/Kindt 1999, Rehbein
2001). Von verwandten Teildisziplinen wie der Gesprächs- und Konversationsanalyse
bzw. der Textlinguistik grenzt sich diese Form der Diskursanalyse dadurch ab, dass es
ihr sehr viel stärker als jenen um kulturell verankerte Muster sprachlichen Handelns
geht.
Das rückt diese Form der Linguistischen Diskursanalyse durchaus in eine gewisse
Nähe zur Diskurslinguistik, wie sie in dieser Einführung verstanden wird, denn auch
dieser geht es letztlich um kulturell verankerte und handlungsleitende Muster (vgl.
zu den Gemeinsamkeiten der beiden Ansätze Roth 2008). Dennoch unterscheiden
sich beide Disziplinen letztlich in konzeptioneller und insbesondere in erkenntnis-
theoretischer Hinsicht deutlich, so dass man mit Blick auf die uns interessierende
Diskurslinguistik noch einen weiteren in der Linguistik gebräuchlichen Diskurs-
begriff unterscheiden muss. In dessen Mittelpunkt steht – kurz gesagt – das hand-
lungsleitende und sozial stratifizierende kollektive Wissen bestimmter Kulturen und
Kollektive. Auch der Entstehungskontext dieses Diskursbegriffs ist ein anderer. Er
geht auf eine französische Tradition der Diskursanalyse zurück, die insbesondere
von den Arbeiten des bereits erwähnten Historiker-Philosophen Michel Foucault
(1926–1984) geprägt wurde. Da Foucaults Arbeiten die theoretische und epistemo-
logische Grundlage für die Diskurslinguistik in unserem Sinne darstellen, werden
sie in einem eigenen Abschnitt (2.1) näher vorgestellt.
Tabelle 0.1 stellt die vier in linguistischen Arbeiten gebräuchlichsten Verwen-
dungsweisen von Diskurs – zu denen auch die bildungssprachliche zu zählen ist –
noch einmal vergleichend gegenüber.
Vor dem Hintergrund der schillernden Verwendungsvielfalt des Ausdrucks Dis-
kurs überrascht es nicht, dass viele Diskurslinguisten die terminologische Präzisie-
rung ihrer Schlüsselkonzepte von Beginn an als eine ihrer vordringlichsten Aufga-
ben verstanden haben. Ein großer Teil der frühen diskurslinguistisch-theoretischen
Arbeiten hat sich nahezu ausschließlich dieser Frage gewidmet, und auch empiri-
sche Arbeiten sehen sich zum Teil bis heute genötigt, ihren Analysen umfassende
terminologische Erörterungen voranzustellen. Diese Terminologiearbeit ist ein not-
Zur Verortung dieses Buches 9
Auf Schöttlers Bedenken jedenfalls lässt sich aus Sicht der Diskurslinguistik ei-
ne eindeutige Antwort geben: Ja, es lohnt sich, »das Wort ›Diskurs‹ [. . .] weiterhin
zu propagieren« und es »zum Gegenstand theoretischer Überlegungen zu machen«
(Schöttler 1989: 102). Auch Schöttler selbst kommt, wenig überraschend, übrigens
zu diesem Ergebnis. Die weitere Auseinandersetzung lohnt, weil der Terminus ›Dis-
kurs‹, so wie ihn die Diskurslinguistik versteht, ein Konzept repräsentiert, das der
Sprachwissenschaft von allgemeinem hermeneutischem Nutzen ist. Denn es fokus-
siert eine fundamentale und zuvor nur unzureichend bis gar nicht beachtete Funkti-
on von Sprache, nämlich die gesellschafts- und wissenskonstituierende Funktion (vgl.
dazu insbesondere Abschnitt 1.3.2). Zu zeigen, warum dies so ist und was daraus
konkret folgt, ist ein wesentliches Ziel dieses Buchs. Die weiteren Ziele und An-
liegen sowie der Aufbau der vorliegenden Einführung sollen nun, diesen Prolog
abschließend, noch kurz skizziert werden.
Die vorliegende Einführung ist in drei Kapitel gegliedert, die jeweils einem Teil
der angesprochenen Fragen nachgehen und sie zugleich erweitern. Kapitel 1, »Be-
grenzungen und Entgrenzungen«, versucht eine Ortsbestimmung der Diskurslingu-
istik. Wir werden dort der bereits aufgeworfenen Frage weiter nachgehen, wie sich
eine Diskurslinguistik – sowohl mit Blick auf ihre ›Heimatdisziplin‹, die Sprachwis-
senschaft, als auch im interdisziplinären Verbund der Diskursanalyse – positionie-
ren kann und sollte. Das Kapitel beleuchtet grundlegende disziplinengeschichtliche
Entwicklungen der Linguistik und greift die Frage auf, wie ›systematisch‹ eine Dis-
kurslinguistik sein kann und muss. Damit verbunden ist auch die Frage nach den
›Grenzen‹ und ›Begrenzungen‹ einer linguistischen Diskursanalyse. Wir werden in
diesem Kapitel weiterhin, zunächst auf einer eher grundsätzlichen Ebene, skizzie-
ren, wie die Linguistik zum Diskurs kam, und wie sie den Diskurs in das ihr eige-
ne konzeptionelle System zu integrieren versucht hat. In diesem Zusammenhang
werden wir einige für die Diskurslinguistik sehr zentrale Konzepte – insbesondere
den Text, das Korpus und das Wissen – einführen und ihr Verhältnis zum Diskurs
als linguistischem Gegenstand diskutieren. Hauptziel des Kapitels ist es, in Ausein-
andersetzung mit bestehenden linguistischen, diskurslinguistischen, diskurs- und
sprachtheoretischen Positionen ein theoretisches Fundament zu legen, auf das die
Einführung im weiteren Verlauf aufbauen kann.
Kapitel 2, ›Diskursverwirrungen‹, greift die vielfältig verwobenen Fäden des
wissenschaftlichen Feldes auf, in dem Diskurslinguistik lokalisiert ist, und versucht,
diese so weit zu entwirren, dass die Linien, denen verschiedene Varianten der Dis-
kursanalyse folgen, erkennbar werden. Wir beginnen mit einer Vorstellung der für
die Diskurslinguistik einschlägigen Theorien und Konzepte Foucaults, die bereits
Aufbau und Ziele des Buches 11
mit Blick auf die eigentliche Zielrichtung dieses Buches – eine Diskurslinguistik –
zu lesen sind. Im Anschluss daran stellen wir, die Fachgeschichte diesmal konkre-
tisierend, die zahlreichen Varianten der linguistischen Diskursanalyse in einer uns
für die Disziplin repräsentativ erscheinenden Auswahl vor. Dies hat zum einen den
Zweck, die Leserinnen und Leser mit der Fachgeschichte vertraut zu machen, de-
ren Kenntnis für das Verständnis diskurslinguistischen Arbeitens unseres Erachtens
wichtig ist, zum anderen sollen hier sehr konkrete diskurslinguistische Fragestel-
lungen, die die Forschung bislang verfolgt hat und die auch wir im methodischen
Teil wieder aufgreifen, eingeführt werden. Wie bereits gesagt, geht es uns dabei
nicht darum, disziplinäre Diversität zu problematisieren. Verwirrungen sind nicht
unbedingt Verirrungen. Im Gegenteil: Die Heterogenität der Positionen und Er-
kenntnisinteressen ist durchaus auch eine Stärke der Diskurslinguistik. Verwirrend
allerdings ist diese Situation insbesondere für Linguistinnen und Linguisten, die
sich der Diskurslinguistik zum ersten Mal nähern. Und gerade diesen will dieses
Buch und das angesprochene Kapitel eine Orientierungshilfe und einen Leitfaden
durch die vielfältig verwobenen Stränge der Disziplin bieten.
Kapitel 3 schließlich, ›Methodologie und Methoden‹, wendet sich nach den
theoretischen und disziplinengeschichtlichen Fragen der diskurslinguistischen Pra-
xis zu und erkundet die Wege (griech. μέθοδοι [méthodoi]), auf denen der Diskurs
linguistisch zugänglich ist. Hier soll es also um Aspekte wie die Gegenstandsbestim-
mung, die Methoden und die Verfahrenspraxis gehen. Wir nehmen die verschiede-
nen Ebenen des Diskurses genauer in den Blick und diskutieren, welche Zugänge
wir zu diesen Ebenen haben, welche Einzelphänomene auf den jeweiligen Ebenen
für eine Diskursanalyse relevant sind und wie diese vielschichtige Analyse systema-
tisch zu einer Gesamtanalyse zu verbinden ist, die dem komplexen Phänomen ›Dis-
kurs‹ gerecht wird und die zugleich linguistisch sauber verfährt. Wir werden in die-
sem Kapitel diskursanalytisches Arbeiten anhand zahlreicher Beispiele demonstrie-
ren und exemplifizieren, und wir werden ein methodologisches Mehrebenenmodell
vorstellen (DIMEAN), das diskurslinguistischen Analysen als Orientierungsrahmen
dienen kann.
Durch Lektüre und Studium des Buches sollten die Leserin und der Leser, so
hoffen wir, nicht nur in der Lage sein, selbst erste, methodisch und methodologisch
abgesicherte Schritte auf dem Forschungsfeld der Diskurslinguistik zu unterneh-
men. Sie sollten dieses Feld auch so weit überblicken, dass sie die verschiedenen
hier behandelten Positionsbestimmungen, die damit verbunden Fragen, erkennt-
nistheoretischen Annahmen, Auseinandersetzungen und Reizpotenziale einordnen,
nachvollziehen und beurteilen können. Im Idealfall sollten sie darüber hinaus auch
in der Lage sein, ihren eigenen Ort in diesem Feld zu bestimmen und die Überle-
gungen dieses Buchs selbständig weiterzuentwickeln.
Neben unseren Ausführungen sollen auch die kommentierten Lektürehinweise,
die wir am Ende der einzelnen Abschnitte geben, diesem Ziel dienen. Sie mögen
als Einladung zum Weiterlesen und Weiterdenken über die Grenzen dieses Buchs
12 Vor dem Diskurs – Prolog
hinaus verstanden werden. Zugleich sind sie jedoch auch Hinweis darauf, dass sich
dieses Buch einem Resonanzraum breiten Engagements für die Diskurslinguistik
verdankt, einem diskursiven Fortschreiten der Disziplinierung dieser Teildisziplin,
zu dem wir nur einen Beitrag leisten, in der Hoffnung, die zahlreichen Akteure
dieses Prozesses in ihrem Sinne verstanden und angemessen vermittelt zu haben.
Wissensrahmen NS-Diktatur (hier durch den Namen Goebbels) aktiviert (bzw. evo-
ziert) wird und dass zweitens durch eine Parallelisierung von Charakteristika oder
Verhaltensweisen (hier durch die Doppelung der Attribuierung versteht [auch] etwas
von Public-Relations) die mit dem Vergleich belegte Person in den NS-Kontext einge-
bettet (und somit als eine in diesem Kontext denkbare Figur dargestellt) wird. Durch
diese Einbettung wird eine spezifische Bewertung der charakterisierten Person (als
eine Person nämlich, deren Handlungen und Vorstellungen für den Nationalso-
zialismus charakteristisch sind) nahelegt; das Insinuative solcher Vergleiche ist es
gerade, dass sie häufig nicht explizit gleichsetzend sind, sondern an historisches Wis-
sen appellieren, die Rezipienten zu einer Gleichsetzung also nur auffordern. Man
macht sich die Faktizität der durch das Lexem (den Eigennamen) Goebbels evozier-
ten verheerenden Verbrechen des Faschismus bzw. Nationalsozialismus zu Nutze,
um jenseits der mit diesem Namen eigentlich bezeichneten Person das Verhalten
politischer Gegner zu stigmatisieren; man funktionalisiert folglich im öffentlichen
Sprachgebrauch der Nachkriegszeit die Konnotationen der Unfassbarkeit von Wör-
tern aus dem NS-Feld und setzt diese als ›Stigmawörter‹ strategisch ein. Dies ist
ohne Frage auch ein Phänomen der Lexik. In der 24. Auflage des Etymologischen
Wörterbuchs von Kluge/Seebold (2002: 250) trägt man diesem Faktum Rechnung.
Hier heißt es unter dem Lemma Faschismus: »Heute allgemein als abwertende Be-
zeichnung für politische Gegner gebraucht«. Und auch im IDS-Lexikon Brisante
Wörter heißt es:
Heute wird der Ausdruck [. . .] zunehmend als ideologisches Schlagwort mit stark ne-
gativer Wertung und meist emotional oder in polemischer Absicht auf den politischen
oder weltanschaulichen Gegner bezogen. (Strauß et al. 1989: 152)
Ohne Frage markieren also die Lexik, ihre rhetorische Einbettung bzw. Verwendung
sowie das Wissen über den Wortgebrauch wichtige Aspekte einer über einzelne
Texte hinausgehenden Gebrauchsform von Sprache. Doch wie das Gorbatschow-
Beispiel zeigt, sind es oft nicht die ›Stigmawörter‹ allein, die eine pejorative Aussa-
ge ausmachen. Ihre Einbettung in Argumentationen, ihre Metaphorik und vieles
mehr müssen mitberücksichtigt werden, wenn diskursiv präsente gesellschaftliche
Meinungen analysiert werden. Diskurslinguistik steht also bei präziser Analyse ein-
zelner sprachlicher Phänomene immer in der Gefahr, weniger über ihren Gegen-
stand in Erfahrung zu bringen als dies mit linguistischen Verfahren an und für sich
möglich wäre. Je präziser und detaillierter eine diskurslinguistische Arbeit in der
16 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
Unterspezifiziertheit Übergenerierung
Detailperspektive Gesamtperspektive
In Abschnitt 1.1 werden wir daher zeigen, dass der linguistische Diskursbegriff zu-
nächst auf den sprachwissenschaftlichen Textbegriff bezogen ist und bezogen sein
muss. Da Diskurse aber weit mehr als ein Bündel von Texten sind, problematisie-
ren wir den so gewonnenen textorientierten Diskursbegriff kritisch im Hinblick auf
notwendige Erweiterungen und fragen in Abschnitt 1.2, welche Gemeinsamkeiten
und Unterschiede es zwischen Diskursen und linguistischen Textsammlungen, al-
so Korpora, gibt. Schließlich werden wir den diskurslinguistischen Zusammenhang
von Sprache und Wissen in Abschnitt 1.3 darstellen. Unsere damit verbundenen
Überlegungen zu Begrenzungen und Entgrenzungen einer linguistischen Theorie
transtextueller Spracheinheiten dienen dazu, den systematischen Ort der Diskurs-
linguistik erkennbar zu machen.
Eine solche Aussage erstaunt, denn immerhin handelt es sich beim ›Satz‹ – auf dem
Wortbegriff aufbauend, auf den Textbegriff verweisend – um einen primären Ge-
genstand der Syntax, die ihrerseits unbestrittene Teildisziplin der Linguistik ist und
Vielen als ein Kernbereich der Sprachwissenschaft gilt. Der ›Satz‹ als linguistisches
Grundkonzept bleibt ungeachtet dessen aber bis dato ein unpräziser Gegenstand.
Schon Ries (1931) – im Prolog auch bereits erwähnt – zeigt mit seiner Zusammen-
stellung von 140 seinerzeit verbreiteten Definitionen für ›Satz‹, die er um einen
zusätzlichen eigenen Definitionsvorschlag erweitert, die Unmöglichkeit einer ter-
minologischen Festlegung; Seidel (1935) ergänzt Ries’ Vorhaben um weitere 83 De-
finitionen. Dabei ist es nicht geblieben, die Geschichte der Satzdefinitionen (vgl.
Müller 1985) spinnt sich bis in die Gegenwart fort. Kaum erstaunlich ist diese Viel-
falt und gleichzeitige Unschärfe, bedenkt man die Multiperspektivität des Interesses
18 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
an einem Phänomen wie ›Satz‹. So können Sätze unter anderem als logische, struk-
turelle oder orthographische Einheiten wie auch als Handlungsmuster in den Blick
genommen werden. Dürscheid (2010: 55) bringt dies auf den Punkt: »Was jeweils
unter ›Satz‹ verstanden wird, hängt vom theoretischen Standpunkt ab«.
Als Ausweg erweist sich dabei auch nicht die Vermeidung, Ersetzung oder Er-
weiterung von Bezeichnungen, denn Unklarheiten werden dabei auf die notwendig
werdenden Alternativbezeichnungen übertragen. So arbeitet Eisenberg (2006) mit
dem Konzept der ›syntaktischen Einheiten‹, deren begriffliche Bestimmung – sicher
bewusst – ebenso offen ist wie die herkömmlichen Wort- und Satzbegriffe:
Syntaktische Einheiten sind die Entitäten (›Dinge‹, ›Objekte‹), mit denen sich die Syn-
tax befaßt, die sie zu analysieren hat. Die syntaktischen Einheiten werden auch häufig
die ›Ausdrücke‹ einer Sprache genannt. Dazu gehören die Sätze einer Sprache ebenso
wie die Nominalgruppen, Verben, Konjunktionen usw., eben alles, was Gegenstand syn-
taktischer Überlegungen sein kann. (Eisenberg 2006: 23)
Trotz des erkennbaren Problems der Spezifizierung und der Eingrenzung sprachwis-
senschaftlicher Basistermini – unter Umständen gerade unter dieser Voraussetzung –
wird mit den vieldeutigen Wörtern und Konzepten der linguistischen Alltagsspra-
che sehr erfolgreich gearbeitet. Die zahllosen fachwissenschaftlichen Hinweise auf
die vortheoretische Bedeutungsvielfalt von Konzepten wie ›Wort‹ und ›Satz‹ stehen
einer soliden Wort- und Satzlinguistik nicht im Weg.
Was für Kernbereiche der Systemlinguistik gilt, kann mit Fug und Recht auch für
die immer wieder befragten und hinterfragten Bedeutungen von ›Text‹ und vor
allem von ›Diskurs‹ festgehalten werden. Wie wir im Prolog bereits begründet ha-
ben, geben die zahlreichen Hinweise auf die »Vagheit [. . .] des Konzeptes ›Diskurs‹«
(Keller et al. 2006: 41) keinen Anlass zum Zweifel an der wissenschaftlichen Rele-
vanz des Diskurskonzeptes. Wenn Konerding (2009) feststellt:
Im weiteren Rahmen der Geistes- und Sozialwissenschaften sind derzeit verschiedene
Diskursbegriffe in Verwendung, die ihrerseits verschiedenen Theorietraditionen ent-
stammen. Dies ist unter anderem in Folgendem begründet: Die wissenschaftliche Be-
trachtung und Analyse komplexer kommunikativer Ereignisse von gesellschaftlichem
Belang kann sich je nach Untersuchungsziel und -tradition [. . .] entweder in [sic!] ihrer
jeweiligen Feinstruktur oder in den Bezügen ihrer globalen Wirksamkeit, Wechselwir-
kungen und Folgen widmen (Konerding 2009: 157),
so liest sich das durchaus als Reminiszenz an die tradierte Bedeutungsvielfalt von
›Wort‹ und ›Satz‹.
Aus der systematischen Einbettung des Diskursbegriffes in die sprachwissen-
schaftliche Terminologie lernt man also zunächst, dass die Unmöglichkeit einer
1.1 Von Wort und Satz zu Text und Diskurs 19
so setzt er die Polysemie des französischen Worts discours strategisch ein und ver-
weigert sich gleichzeitig gezielt einer terminologischen Präzisierung gerade dieses
bei ihm so zentral gesetzten Ausdrucks. Die Verweigerung einer Festlegung führt
aber auch bei Foucault keineswegs zu mangelnder Systematik in der Behandlung
des Gegenstandes; im Gegenteil.
Ob aber eine Diskursdefinition analog zu Eisenbergs Erklärung der ›syntakti-
schen Einheit‹ fachliche Akzeptanz finden würde, bleibt fraglich: Diskursive Einhei-
ten wären demnach Entitäten (›Dinge‹, ›Objekte‹), mit denen sich die Diskurslinguistik
befasst, eben alles, was Gegenstand diskurslinguistischer Überlegungen sein kann. Wir
wollen es bei einem solchen Definitionsversuch nicht belassen, halten aber noch
einmal fest, dass ›Diskurs‹ für die Linguistik wenig neue Terminologieprobleme
aufwirft. Wichtiger erscheint uns neben der Benennung weiterhin die Frage, ob der
Diskurs in eine linguistische Systematik tatsächlich derart einzupassen ist, wie es die
Reihe Wort – Satz – Text – Diskurs suggeriert.
Von Interesse ist für uns besonders eine der zahlreichen Satzdefinitionen, die zu-
gleich eine Grundauffassung der strukturalistischen Linguistik benennt:
It is evident that the sentences in any utterance are marked off by the mere fact that each
sentence is an independent linguistic form, not included by virtue of any grammatical
construction in any larger linguistic form. (Bloomfield 1933: 170)
20 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
Gleichwohl berücksichtigt bereits Bloomfield, dass Sätze Teile von Aussagen (utter-
ances) sind. Dieses denkbare Inklusionsverhältnis sei aber grammatisch nicht von
Interesse, woraus die Linguistik nicht selten geschlossen hat, dass das sprachwissen-
schaftlich solide Interesse an der Satzgrenze enden müsse. Nicht zuletzt die Genera-
tive Grammatik suggeriert das mit dem Begriff von Sprache als Menge von Sätzen:
From now on I will consider a language to be a set (finite or infinite) of sentences, each
finite in length and constructed out of a finite set of elements. (Chomsky [1957] 2002: 13)
Resümierend fasst Wichter (1999: 263) diese Entwicklung zusammen: »Vom Satz
zum Text: Eine muntere Fahrt mit glücklichem Ende«.
Als Voraussetzung dieses glücklichen Endes war es jedoch notwendig, sich vom al-
lein grammatischen Interesse am Text zu emanzipieren. So weisen Halliday/Hasan
([1976] 2009) darauf hin, dass Texte sprachwissenschaftlich nicht deshalb relevant
sind, weil sie grammatisch beschreibbare quantitative Erweiterungen von Sätzen
darstellen, sondern weil sie neben ihren syntaktischen Kohäsionsbedingungen als
semantische Einheiten funktionieren. Die Verknüpfungen sprachlicher Elemente
durch referenzielle Identitäten, lexikalische Ersetzungsverfahren, Aussagenkombi-
nationen usw. wird als Voraussetzung von Textualität bestimmt; denn von einem
Text könne man immer nur dann sprechen »when the interpretation of some ele-
ment in the discourse is dependent on that of another« (Halliday/Hasan [1976]
2009: 4). Verwirrend mag erscheinen, dass hier von ›Diskurs‹ gesprochen wird, dies
aber nicht im Sinne transtextueller Sprachstrukturen, sondern im Verständnis von
›Text‹. Außerdem verstehen Halliday/Hasan unter ›Kohäsion‹ gerade keine gramma-
tische Konsistenz von Texten, wie man das häufig findet, sondern die semantische
Einheitlichkeit, die man andernorts auch oft als ›Kohärenz‹ bezeichnet hat. Die
Unterscheidung von ›Kohärenz‹ und ›Kohäsion‹ hat man im Übrigen in der spä-
teren Textlinguistik teilweise ganz fallengelassen (vgl. Brinker [1985] 2010). Ohne
auf diese terminologischen Aushandlungen näher eingehen zu wollen, weisen wir
darauf hin, dass die Textlinguistik der 1970er-Jahre ihre disziplinäre Identität neben
22 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
Und entsprechend sind die Bestimmungen des Textes als nicht-grammatische Ein-
heit den späteren Argumenten zur Autonomie des Diskurses nicht unähnlich. Wenn
van Dijk (1979) die Textlinguistik gegen Reduktionen auf den Aspekt der satz-
übergreifenden Muster (transphrastischer Ansatz) verteidigt, so steht diese Position
exemplarisch für einen weiten Diskussionszusammenhang. Es erstaunt im wissen-
schaftshistorischen Blick also nicht, dass die Etablierung der Textlinguistik mit einer
zunehmenden Differenzierung der Bezeichnung ›Text‹ einhergeht, an deren vorläu-
figem Ende ein autonomer, aber eben auch bewusst vager Textbegriff steht:
Einen/den einheitlichen Textbegriff haben diese Arbeiten aber nicht gebracht. Zum
Glück, möchte man sagen; denn der eine – notwendigerweise selektive und reduzierende
– Textbegriff, auf den man festgelegt wäre, würde – ebenfalls wichtige – Aspekte ausschlie-
ßen und damit mögliche Zugänge zum Phänomen ›Text‹ verbauen. (Fix 2008: 17)
Die Textlinguistik hat sich aus diesem Grund darauf geeinigt, dass ›Text‹ trotz sys-
tematischer Bezüge auf das subtextuelle System mehr als eine Menge von Sätzen ist
und folglich eine Kategorie eigener Art darstellt (vgl. Janich 2008a). Kriterien der
Textualität sind dabei u. a. Aspekte wie ›Textgrammatik‹, ›Textsemantik‹, ›Textprag-
matik‹ und ›Textsorten‹ (vgl. bereits de Beaugrande/Dressler 1981), neuerdings auch
Aspekte der ›Materialität‹ und ›Medialität‹ (vgl. Hausendorf/Kesselheim 2008).
Die Erweiterung der Linguistik durch Ausweitung der Interessen vom Satz zum
Text – mit der parallel übrigens auch die Etablierung der Gesprächslinguistik ein-
hergeht – hat folgerichtig die Frage aufgeworfen, ob der Status des Textes als »obers-
te und unabhängigste sprachliche Einheit« (Dressler 1970: 64) tatsächlich ein ad-
äquates Modell sprachlicher Strukturen darstellt; hieran wurde zunehmender Zwei-
fel laut. Das die Textlinguistik legitimierende ›Erweiterungspostulat‹ (Heinemann/
Viehweger 1991: 26) führt daher konsequent zum Interesse an textübergreifenden,
also transtextuellen Sprachstrukturen, die einschlägig und zunächst konzentriert auf
1.1 Von Wort und Satz zu Text und Diskurs 23
das Konzept der ›Historischen Semantik‹ (vgl. Busse 1987, 1988) als ›Diskurs‹ be-
zeichnet werden.
Wir möchten das hervorheben, weil die Rezeption der Foucault’schen Diskurs-
analyse bzw. das diskursanalytische Erkenntnisinteresse anderer Wissenschaften –
etwa der Soziologie oder Literaturwissenschaft – einer unterschiedlichen innerdiszi-
plinären Logik folgt; hier bestehen wir auf einer autonomen Lesart der Diskursana-
lyse durch die Linguistik. Die frühe textualistische Konzentration der Diskurslingu-
istik (vgl. dazu ausführlich Abschnitt 2.1.2) begründet sich aus der systematischen
Einbindung des Diskursbegriffes in ein aszendentes (aufsteigendes, also transtex-
tuelles) Interesse am sprachlichen Gegenstand. Analytisch leiten sich daraus dann
auch deszendente (absteigende, also subdiskursive) Perspektiven von den größeren
Einheiten zu den untergeordneten Konstituenten im Sinne von Text – Satz – Wort
ab. Wichter (1999: 267) fixiert diese relationale Stellung des ›Diskurses‹ im Sprach-
system mit mathematischer Formelhaftigkeit in einem ›Hauptsatz‹, der noch heute
als präzise Einordnung des Diskurses in die Reihe Wort – Satz – Text zu lesen ist:
»Aus der Zuordnung nach Aszendenz und Deszendenz ergibt sich die Relevanz des
Diskurses für die Linguistik«. Das heißt, die Herleitung des Diskurses aus kleine-
ren sprachlichen Einheiten (Aszendenz) sowie die Modellierung des Diskurses als
Struktur von kleineren Elementen bzw. Konstituenten (Deszendenz) ermöglicht die
Integration in das System der Linguistik.
Die Textlinguistik bleibt nicht unberührt von dieser Erweiterung des linguis-
tischen Gegenstandes, die im Übrigen im Diskussionszusammenhang grundlegen-
der Infragestellungen geistes- und humanwissenschaftlicher Grenzlinien steht und
damit elaborierte und aktuelle Überlegungen der internationalen poststrukturalis-
tischen Debatten aufgreift. Im Jahr 2002 reagiert die Gesellschaft für Angewandte
Linguistik (GAL) mit einer Preisfrage: »Brauchen wir einen neuen Textbegriff?« (Fix
et al. 2002: 7). Die differenzierten Antworten schließen die Erkenntnis ein, dass
Diskurse als »Verbünde koexistierender Texte in gesellschaftlich realen Interaktions-
formen« (Fix et al. 2002: 11) ein Argument für die Entgrenzung der Textlinguistik
sind, es geht mithin (auch) darum, »Textlinguistik als Untersuchung von Texten im
Diskurs aufzufassen« (Fix et al. 2002: 11).
Zentral erscheint hier das Konzept der ›Intertextualität‹ bzw. der Vernetzung
von Textsorten (vgl. Janich 2008b). Als Analogiebildung schlägt Warnke (2002a)
den Terminus ›Diskursivität‹ für dieses diskurserweiternde Kriterium der Textuali-
tät vor, mit dem Intertextualitätsphänomene als Daten transtextueller Sprachstruk-
turen benennbar werden. Im Zusammenhang der Konstituierung einer eigenstän-
digen Diskurslinguistik kommt dabei der Foucault’schen Diskursanalyse durch die
Rezeption der ›Historischen Semantik‹ (Busse 1987) eine zunehmend wichtige Ori-
entierungsfunktion zu. Wir gehen auf die damit verbundenen Ausdifferenzierun-
gen der Diskurslinguistik ausführlich in Kapitel 2 ein. Hier geht es uns zunächst
nur darum, die sprachsystematische Verortung einer transtextuellen Sprachanalyse
verständlich zu machen.
24 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
Denkbar wäre also die in Abbildung 1.3 gezeigte Konstituentenstruktur, die aszen-
dente und deszendente Fragestellungen zum Diskurs über globale Erwärmung mög-
lich macht.
1.2 Vom Korpus zum Diskurs 25
Klimawandel Wort
{Klima-} Morphem
lich nur über die Virtualität des Diskurses beschreibbar ist, wollen wir in diesem
Abschnitt fragen. Dies ist umso notwendiger, weil sich in den letzten Jahrzehn-
ten die Korpuslinguistik als präsente Richtung der Linguistik manifestiert hat (vgl.
Lüdeling/Kytö 2008 und 2009). Für die Diskurslinguistik bedeutet das eine not-
wendige Positionierung, die zu klären hat, inwieweit sie sich als korpusorientierte
Teildisziplin der Sprachwissenschaft versteht.
Sieht man von unterschiedlichen Spielarten ab, so ist Grundlage der Korpuslin-
guistik vorderhand die Rückbindung von Aussagen über Sprache an eine Sammlung
von sprachlichen Daten. Korpuslinguistik argumentiert also nicht sola ratione, son-
dern über empirische Befunde. Hinzu kommt, dass die eigentlichen Korpusdaten
(Primärdaten einer Objektsprache) durch Metadaten und Annotationen (Sekundär-
daten einer Metasprache) angereichert werden können (vgl. Lemnitzer/Zinsmeister
2010: 40–50). Das Korpus ist mithin eine linguistisch aufbereitete Datensammlung,
die es erlaubt, Aussagen über sprachliche Phänomene empirisch zu treffen.
Dass man wissenschaftliche Aussagen datenorientiert trifft, scheint eine Selbst-
verständlichkeit zu sein, ist es aber in der Linguistik gerade nicht, was einerseits
mit der philologisch-interpretativen Tradition des Faches zu tun hat und anderer-
seits und vor allem mit dem so genannten ›Introspektionsprinzip‹ der Generati-
ven Grammatik, wonach Urteile über die Grammatikalität durch Befragung der
eigenen Sprachkompetenz hinreichend möglich sind. Ein solches Analyseprinzip
stellt die Korpuslinguistik prinzipiell in Frage, zumal sie nicht an der Sprachkompe-
tenz interessiert ist, sondern an Performanzdaten, also am Sprachgebrauch. Fillmore
(1992), der sich selbst dem Prinzip der Introspektion verpflichtet sieht, hat die un-
terschiedlichen Erkenntnisinteressen und die damit einhergehenden methodischen
Divergenzen in der viel zitierten Gegenüberstellung zweier karikierter Figuren, des
›Armchair-Linguisten‹ (der, in seinem Lehnstuhl sitzend, introspektiv arbeitet) und
des ›Korpuslinguisten‹ (der Daten befragt), auf den Punkt gebracht:
These two don’t speak to each other often, but when they do, the corpus linguist says
to the armchair linguist, ›Why should I think that what you tell me is true?‹ and the
armchair linguist says to the corpus linguist, ›Why should I think that what you tell me
is interesting?‹ (Fillmore 1992: 35)
Die Daten- und Performanzorientierung der Korpuslinguistik, die auch für die Dis-
kurslinguistik gilt, gibt Anlass, das Verhältnis von Generativer Grammatik und Dis-
kurslinguistik genauer zu bestimmen, denn dadurch wird es uns möglich sein, das
sprachtheoretische Potenzial der Diskurslinguistik als mögliche Antwort auf das Pro-
jekt der Generativen Grammatik zu verstehen.
1.2 Vom Korpus zum Diskurs 27
analyse hat übrigens bereits Foucault, ganz offensichtlich dezidiert auf Chomsky
blickend, hingewiesen:
[Das Sprachsystem] ist eine endliche Menge von Regeln, die eine unendliche Zahl von
Performanzen erlaubt. Der Diskurs dagegen ist die stets endliche und zeitlich begrenz-
te Menge allein der linguistischen Sequenzen, die formuliert worden sind; sie können
durchaus zahllos sein, sie können durch ihre Masse jede Kapazität der Aufnahme-,
Gedächtnis- oder der Lesekapazität überschreiten: Sie bilden dennoch eine endliche
Menge. Die von der Sprachanalyse in Bezug auf eine beliebige diskursive Tatsache ge-
stellte Frage lautet stets: gemäß welcher Regeln wurde eine bestimmte Aussage gebildet
und gemäß welcher Regeln könnten folglich andere ähnliche Aussagen gebildet werden.
Die Beschreibung des Diskurses stellt eine ganz andere Frage: Wie kommt es, dass ei-
ne bestimmte Aussage und keine andere an ihrer Stelle erschienen ist? (Foucault [1968]
2001b: 899)
Wir können zusammenfassend sagen: Während die Generative Grammatik ein end-
liches Regelsystem ex ante beim Idealen Sprecher-Hörer in einer homogenen Sprach-
gemeinschaft untersucht, das unendlich viele Sprachrealisierungen ermöglichen soll,
fragt die Diskurslinguistik ex post, warum von den vermeintlich unendlichen Mög-
lichkeiten nicht Gebrauch gemacht wird, sondern ganz im Widerspruch dazu Men-
schen uniform, idiomatisch, in Konstruktionen, zeitgebunden, gruppenorientiert
usw. sprechen, denn dafür gibt es in ausreichendem Umfang nicht zuletzt korpus-
linguistisch gewonnene Belege.
Wir erkennen hier, wie sich aus der Abgrenzung zur Generativen Grammatik
offenbar verbindende Grundannahmen von Korpus- und Diskurslinguistik kontu-
rieren. Sehen wir von den Details ab und pointieren wir, so besteht der wesentliche
Unterschied der Korpus- und Diskurslinguistik zur Generativen Grammatik in der
Performanzorientierung:
The difference lies in the richness of the evidence and the confidence we can have in the
generalizability of that evidence, in its validity and reliability. (Kennedy [1998] 2008: 8)
Dass aus der Performanzorientierung auch für die Diskurslinguistik die Notwen-
digkeit empirischer Gütekriterien erwächst, hat Busch (2007: 150) unter explizitem
Verweis auf Validität (Gültigkeit der Analyse) und Reliabilität (Zuverlässigkeit bzw.
Reproduzierbarkeit der Analyse) gezeigt; wir gehen darauf noch genauer in den Ab-
schnitten 3.1 und 3.3 ein.
Die Absage sowohl der Korpus- als auch der Diskurslinguistik an kompetenzori-
entierte Sprachtheorien deckt eine wissenschaftsgeschichtliche Linie auf, die neben
dem Erweiterungspostulat vom Wort zum Satz zum Text das linguistische Inter-
esse am ›texte infini‹ betrifft. Denn seit den 1920er-Jahren interessiert man sich
1.2 Vom Korpus zum Diskurs 29
vor allem in der angloamerikanischen Lerntheorie, aber auch in der Linguistik, für
die Quantifizierung des Sprachgebrauchs auf Basis umfänglicher Datensammlun-
gen. So arbeitet bereits The Teacher’s Word Book (Thorndike 1921) mit einer nicht-
elektronischen Frequenzliste von 10.000 Wörtern auf der Grundlage einer statisti-
schen Auswertung von Kinderliteratur, der Bibel, fiktionaler Literatur, Schul- und
Kochbüchern, Zeitungen, Briefen u. a. und leitet daraus eine alphabetische Liste
der »most important words« (Thorndike 1921: iii) für den muttersprachlichen Un-
terricht des Englischen ab.
Seit den 1960er-Jahren nutzt man Computertechnologie für die Korpuserstel-
lung; wie breit gestreut das sprachwissenschaftliche Interesse an Korpusdaten ist, zei-
gen bereits McEnery/Wilson (2008) mit ihrem historischen Überblick. Als Vorrei-
ter ist insbesondere das Brown University Standard Corpus of Present-Day American
English (Francis/Kucera 1964) zu nennen. Es sei hervorgehoben, dass die Korpuslin-
guistik zeitgleich und konkurrierend zur Entstehung der Generativen Grammatik
an Bedeutung gewinnt und dass Chomsky die frühen computergestützten Korpus-
analysen folgerichtig immer wieder massiv abgewertet hat; so spricht Stefanowitsch
(2005: 295) von »Chomsky’s irredeemably anti-empirical views«. Ungeachtet der
Widerstände aus Teilen der Linguistik etabliert sich die Korpuslinguistik über wei-
tere namhafte Projekte wie das Lancaster-Oslo/Bergen Corpus (LOB) (Johansson et
al. 1978) bis hin zu den so genannten ›Megakorpora‹, von denen hier das British
National Corpus (BNC) (vgl. Kennedy [1998] 2008: 50–54) genannt sei.
Insoweit ist das diskurslinguistische Interesse an textübergreifenden Sprach-
strukturen keine Neuerung, ebenso wenig wie die Abgrenzung der Diskurslingu-
istik von kompetenzorientierten Grammatikmodellen, sondern zeigt weitreichende
Ähnlichkeiten mit dem korpuslinguistischen Interesse an Textsammlungen. Man
erkennt in der Korpus- und Diskurslinguistik eine vergleichbare ›Haltung‹ zur Spra-
che, die man mit Gardt (2007: 27) als vortheoretische Einstellung von Wissenschaft-
lern verstehen kann, »eine intellektuelle Disposition, ein Gerichtetsein des wissen-
schaftlichen Denkens«. Daraus folgt auch die Nähe beider zur computergestützten
Sprachanalyse. Inwieweit aber der Korpusbegriff zumindest teilweise identisch mit
dem Diskursbegriff ist, wird damit noch nicht beantwortet. Von Nutzen kann hier
eine Definition sein, die wir für ›Korpus‹ mit Sinclair (1994) geben:
[. . .] a collection of pieces of language that are selected and ordered according to explicit
linguistic criteria in order to be used as a sample of language [. . .]. (Sinclair 1994: 2)
Eine ähnliche Bedeutungsbestimmung gibt auch Hunston (2006: 234), wobei sie
die elektronische Verfügbarkeit als weiteres Merkmal betont: »A corpus is an elec-
tronically stored collection of samples of naturally occurring language«. Schon
mit diesen Bedeutungsbestimmungen wird deutlich, dass die korpuslinguistische
Sammlung von Sprachdaten nicht wirklich identisch mit transtextuellen Struktu-
ren ist, jedenfalls dann nicht, wenn man Strukturen als Elementrelationen versteht.
Bei aller auch wissenschaftsgeschichtlichen Nähe bleibt also eine Unklarheit im Ver-
hältnis von Korpus- und Diskurslinguistik bestehen. Sofern man generalisierend
30 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
– Pragmatik
– Soziolinguistik
– Diskursanalyse
– Stilistik
– Forensische Linguistik
Wir wollen hier auf eine bedeutende Differenz zwischen angloamerikanischer Viel-
falt der Korpuslinguistik und deutscher Begrenztheit hinweisen. Die in Deutsch-
land geführte korpuslinguistische Diskussion und das Bild der Korpuslinguis-
tik in Deutschland erscheinen teilweise als eingeschränkt gegenüber der Breite
an Forschungsgegenständen im angloamerikanischen Raum. Belegt sei das für
Einführungs- und Überblicksliteratur nochmals anhand von Lemnitzer/Zinsmeis-
ter (2010), die in ihrer Darstellung korpuslinguistischer Praxis neben computerlin-
guistischen Anwendungen, Fragen der Lexikologie/Lexikographie, der Orthogra-
phie und des Fremdsprachenlernens/-lehrens nur traditionelle Bereiche der Gram-
matik behandeln. Insbesondere fällt die vollständige Ausklammerung von Semantik
und Pragmatik und damit vor allem auch gesellschaftsorientierter Fragestellungen
auf. Im Gegensatz dazu behandeln McEnery/Xiao/Tono (2006: 111–113) gerade auch
diese sprachlichen Dimensionen als Gegenstände der Korpuslinguistik und führen
folgerichtig die Diskursanalyse gleichgewichtet mit grammatischen Varianten der
Korpuslinguistik auf; bei Lemnitzer/Zinsmeister (2010) werden diskursanalytische
Varianten der Korpuslinguistik hingegen nur am Rande zur Kenntnis genommen,
was angesichts des Publikationsjahres erstaunt, aber dem spezifischen und legitimen
Interesse der Autoren offensichtlich entspricht. Wir sehen also zumindest, dass den
einen Diskurslinguistik und Korpuslinguistik als durchaus verschiedene Welten gel-
ten, anderen aber gerade nicht.
Die Nichtbeachtung der breiten internationalen Diskussion zum diskursanaly-
tischen Nutzen in Teilen (vor allem) der deutschsprachigen Korpuslinguistik ent-
spricht der Zurückhaltung mancher systemlinguistischer Schulen in Deutschland
gegenüber Diskursanalysen; wir werden dies in Kapitel 2 darstellen. Für uns ist
das jedoch weit weniger interessant als die explizite Auseinandersetzung mit dem
Verhältnis beider Teildisziplinen der Sprachwissenschaft in internationalen linguisti-
schen Diskussionen. Auch hier gibt es unterschiedliche Positionen. Eine begründete
Abgrenzung von Korpus- und Diskurslinguistik findet sich bei Leech (2000), des-
sen Gegenüberstellung in Tabelle 1.1 auf der nächsten Seite vereinfacht dargestellt
ist.
Vergleiche dieser Art kann man durchaus in Frage stellen, zumal die Bedeu-
tung von Diskursanalyse bei Leech (2000) nicht zwingend dem entspricht, was in
der Diskurslinguistik unter einer transtextuellen Sprachstruktur verstanden wird.
Ungeachtet dessen haben solche Gegenüberstellungen aber den Nutzen, methodo-
logische Positionen herauszufordern.
32 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
Diskursanalyse Korpuslinguistik
Arbeitet mit einem Begriff des einheitli- Arbeitet mit Textfragmenten; Aussagen
chen Textes; Aussagen sind textuell und sind Samples von Diskursen
diskursiv gebunden
Primär qualitativ mit quantitativen Zu- Primär quantitativ mit qualitativen Zu-
satzinteressen satzinteressen
Inhaltsorientierte Fragestellungen mit Fo- Formorientierte Fragestellungen mit Fo-
kus auf Semantik kus auf Grammatik
Personale Einheit von Textgenerierung, Personale Arbeitsteilung von Textgenerie-
Textaufbereitung und Analyse rung, Textaufbereitung und Analyse
Datenzugang in der Regel eingeschränkt Datenzugang häufig nicht eingeschränkt
und nicht öffentlich und öffentlich
– Welche Bedeutung kommt in den geplanten Analysen dem Konzept der ›Ein-
heit des Textes‹ zu und wie wird berücksichtigt, dass alle Aussagen textuell und
diskursiv eingebettet sind?
– In welchem Verhältnis sollen qualitative und quantitative Verfahren stehen?
– Erzeuge und analysiere ich mein Korpus selbst oder nutze ich außerlinguistische
Expertise (etwa die von Informatikexperten)?
– Werde ich meine Daten öffentlich zugänglich machen oder sollen sie nur eigenen
Analysen dienen?
Korpuslinguistik in dieser Spielart bewegt sich in einer Tradition, die sich bis auf
die Anfänge der modernen Soziologie bei Tarde ([1890] 2003: 21) zurückführen
lässt. Dieser hat sich bereits das Ziel gesetzt, »mit der größtmöglichen Deutlichkeit
34 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
die rein soziale Seite der menschlichen Tatsachen unter Abstraktion vom einfach
Vitalen oder Physikalischen an ihnen herauszuarbeiten«. Eine solche ›reine Sozio-
logie‹, wie Tarde (ebd.) sie nennt, entspricht der sozialwissenschaftlich orientierten
Vorstellung, dass Sprache nur im Diskurs gesellschaftlich manifest und damit fass-
bar nur in Korpora als nicht-personalen Datenbündeln ist. Bei Teubert/Čermáková
(2007) wird also ein durchaus spezifischer Korpusbegriff vertreten, der einerseits im
Korpus die soziale Manifestation von Sprache erfassen will und andererseits, wie
die frühe Korpuslinguistik, auf lexikalische Bedeutungsfragen konzentriert ist. In
Abwandlung des obigen Zitats heißt es dort:
Corpus linguistics sees language as a social phenomenon and its focus is on meaning.
Meaning and form cannot be separated and, unlike traditional linguistics, the corpus
linguistic description of language prioritizes lexis. (Teubert/Čermáková 2007: 137)
Dass auch in der Diskurslinguistik die Lexik oft im Zentrum des Interesses steht,
ist dabei keine zufällige Parallele, denn gegenüber der grammatischen Ausrichtung
der Korpuslinguistik, wie sie etwa Lemnitzer/Zinsmeister (2010) vertreten, ist die
semantikorientierte Variante nicht nur zufällig mit lexikalisch-diskursanalytischen
Erkenntnisinteressen vereinbar. Teubert/Čermáková (2007) verstehen Korpusdaten
grundsätzlich als Diskursdaten, und dabei ist ein Diskursbegriff zugrunde gelegt,
der den diskurslinguistischen Erkenntnisinteressen vollauf entspricht:
All corpus linguistics can do is to work with a (suitable) sample of the discourse. Such
a sample is called the corpus. Because we can never access the whole discourse and not
even all extant texts, we can never be sure that what we have assembled as the meaning
of a word like school will be the full picture. (Teubert/Čermáková 2007: 41)
Statistisch gesprochen wäre das Korpus also idealerweise eine Teilmenge aus einer
Grundgesamtheit, die wir dann ›Diskurs‹ nennen können. Dies bedeutete aber zwei-
erlei: Zunächst müsste jede Korpusanalyse die Grundgesamtheit benennen, dann
aber auch die Gesichtspunkte zum Erhalt der Teilmenge offenlegen, also etwa
Zufallsstichproben oder systematische Stichproben. Mit einer korpuslinguistischen
Praxis der Diskurslinguistik sind daher vor allem auch Überlegungen zur Korpus-
generierung verbunden, die in einer qualitativ-hermeneutischen Tradition der Text-
analyse meist dem unaufgedeckten Belieben der Linguisten anheim gestellt sind.
In Ergänzung zu den dargestellten Anwendungsfeldern der Korpuslinguistik bei
McEnery/Xiao/Tono (2006: 80–122) nennen Teubert/Čermáková (2007: 59–134)
u. a. folgende »Directions in corpus linguistics« als Gegenstände einer so verstan-
denen Diskurslinguistik – die dann mit Korpuslinguistik gleichbedeutend ist:
Die Annahme, dass »the meaning of a unit of meaning is what we can glean from
discourse« (Teubert/Čermáková 2007: 122), entspricht den nicht-korpusorientierten
Ansätzen der Diskurslinguistik und umreißt einen Konsens. Umstritten ist jedoch
in der Diskurslinguistik, ob mit wachsender Größe eines Korpus die Repräsentation
sozial generierter Bedeutung zunimmt, wovon Teubert/Čermáková ausgehen. Sie
behandeln deshalb die Korpuslinguistik nicht nur als Werkzeug der Diskurslinguis-
tik, sondern führen das Interesse an diskursiven Formationen auf sozial generierte
Bedeutungen zurück, die nur in Korpora angemessen erkennbar seien. Korpuslin-
guistik kann also je nach theoretischer Ausrichtung entweder ein Instrument der
Diskurslinguistik sein oder als einziger Zugang zum Diskurs verstanden werden.
Ungeachtet des damit verbundenen Richtungsstreites zeigen sich vor allem in
der Strukturierung des analytischen Gegenstandes weitere offensichtliche Parallelen
zwischen Korpus- und Diskurslinguistik. So arbeiten korpusbasierte Analysen mit
Ebenenmodellen, die vom Wort über die Morphologie, über Lexik, Kollokationen,
syntaktische Einheiten bis zur Textorganisation ihr Datenmaterial strukturieren.
Dies zeigt Parallelen zur Methodologie einer Diskurslinguistischen-Mehr-Ebenen-
Analyse (DIMEAN), wie wir sie in den Abschnitten 3.2 und 3.3 dieses Buches dar-
stellen. So sind etwa die Grundzüge der »major grammatical and discoursal units
and structures which might be studied in an corpus« (Kennedy [1998] 2008: 274)
auch als Katalog diskurslinguistischer Fragestellungen zu lesen.
Es ist damit alles andere als verwunderlich, dass viele diskurslinguistisch inter-
essierte Untersuchungen auf Korpusdaten zurückgreifen und ihre Evidenzen aus
Korpora ableiten. Wir geben dafür ein Beispiel, das paradigmatisch ist. In einer
Untersuchung zur Thematisierung von Sprache im öffentlichen Diskurs zur Gen-
diagnostik erörtert Domasch (2007) das Feld der Biomedizin als sprachliche Kon-
troverse. Die Arbeit versteht sich als diskurslinguistische Untersuchung und greift
gerade deshalb auf ein Korpus von mehr als 60 Texten zurück. Alle Aussagen der
qualitativen Untersuchung erfolgen korpusbasiert. Dennoch kann man von einer
korpuslinguistischen Arbeit im engeren Sinne nicht sprechen, weil weder Frage-
stellungen zur Repräsentativität hinreichend beantwortet sind noch automatisierte
quantitative Analysen konsequent durchgeführt und automatische Verfahren der
Korpuslinguistik genutzt werden.
So ist der Korpusbezug bei gleichzeitiger Zurückhaltung gegenüber computer-
gestützten Textanalysen ein Kennzeichen vieler bisheriger diskurslinguistischer Ar-
beiten. Als weiteres Beispiel unter vielen kann auch die sprachhistorische Arbeit
von Faulstich (2008) zum Sprachnormierungsdiskurs im 18. Jahrhundert angeführt
werden, die auf der Basis eines großen Quellenkorpus argumentiert, die aber kor-
puslinguistische Analysen im engeren Sinne ebenfalls nicht nutzt. Anders verhält
sich das in Arbeiten wie Teuberts (2000) Untersuchung zum Euroskeptizismus oder
in Faircloughs (2003) Analyse von Reden des britischen Premierministers Blair im
Vergleich mit neueren und älteren Texten der Labour Party. Damit stellt sich die
Frage nach Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer korpuslinguistischen Ana-
36 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
– Kontextorientierung
Korpusorientierte Diskurslinguistik untersucht sprachliche Phänomene in natür-
lichen Kontexten. Isolierte Fragmente wie einzelne Sätze oder Wortformen wer-
den immer im Äußerungszusammenhang analysiert.
Wir möchten deutlich darauf hinweisen, dass es sich hierbei keineswegs um Güte-
kriterien der Diskurslinguistik allein handelt, dass aber eine korpusorientierte Dis-
kurslinguistik nicht umhin kommt, diese Kriterien zu berücksichtigen. Wir gehen
davon aus, dass eine entsprechende Reflexion der eigenen Forschungspraxis von
grundsätzlichem Nutzen für die Aussagekraft von diskurslinguistischen Ergebnis-
sen ist. Man kann es kurz fassen und festhalten, dass die strukturierte und nachvoll-
ziehbare Analyse von Sprachgebrauchsmustern der Korpuslinguistik diskurslinguis-
tischen Projekten weit entgegenkommt:
And this is where corpora are useful. An association between two words, occurring
repetitively in naturally occurring language, is much better evidence for an underlying
hegemonic discourse which is made explicit through the word pairing than in a single
case. (Baker 2006: 13)
1 Verwiesen sei hier auf das Projekt semtracks (http:// www.semtracks.org), das u. a. auf der
Grundlage von Arbeiten Bubenhofers verschiedene Projekte einer multivariaten (verschiedene
statistische Verfahren berücksichtigenden) Korpuslinguistik realisiert und unter anderem auch
diskurslinguistische Erkenntnisinteressen verfolgt.
1.2 Vom Korpus zum Diskurs 39
der Diskursanalyse unter anderem die ›Diskontinuität‹ als Frage nach den Brüchen
in Diskursen:
An die Stelle der linearen Abfolgen, die bis dahin den Untersuchungsgegenstand ge-
bildet haben, ist ein Spiel von in die Tiefe gehenden Loshakungen getreten; [. . .] jede
hat ihre spezifischen Brüche, jede umfaßt einen nur ihr zugehörigen Ausschnitt; und je
weiter man zu den tiefsten Sockeln hinabsteigt, um so breiter werden die Skansionen.
(Foucault [1969] 1981: 9)
Wir erkennen schnell, dass die vermeintlichen Entgegensetzungen in der Praxis eher
Anlass zur kritischen Reflexion der eigenen wissenschaftlichen Praxis geben als Fix-
punkte für eindeutige Zuordnungen. Hinzu kommt, dass soziale Phänomene ohne-
hin multiperspektivisch sind und die Erklärungszugänge sinnvollerweise vielfältig.
In den empirischen Sozialwissenschaften vertritt man daher seit den 1970er-Jahren
auch das Prinzip der ›Triangulation‹, womit eine Verbindung verschiedener Metho-
den, Daten, Theorien und/oder Analysanden zu verstehen ist. Typischerweise wer-
den dabei Kreuzungen vorgenommen von qualitativen und quantitativen Verfahren,
die Erhebung von objektiven und subjektiven Daten erfolgt mit synchronen und
diachronen Methoden durch teilnehmende Beobachtung und geplante Befragung
(vgl. Flick 2008: 8). Den Vorteil eines solchen Vorgehens, der auch für die Untersu-
chung des komplexen Phänomens ›Diskurs‹ auf der Hand läge, erläutert Bryman:
The idea of triangulation [. . .] applied to the present context implies that the results
of an investigation employing a method associated with one research strategy are cross-
checked against the result of using a method associated with the other research strategy.
(Bryman 2010: 50)
Wenn Foucault ([1969] 1981: 42) das Feld der diskursiven Ereignisse als »die stets
endliche und zur Zeit begrenzte Menge von allein den linguistischen Sequenzen«
versteht, »die formuliert worden sind«, so ist dieser textualistische Diskursbegriff
direkt anschließbar an die text- und korpusorientierten Dimensionen der Diskurs-
linguistik. Doch das diskursanalytische Interesse richtet sich nicht nur allgemein auf
Strukturen von komplexen, über einzelne Texte hinausgehenden Aussagenverbün-
den, sondern fragt vielmehr spezifisch danach, warum zu einer bestimmten Zeit
bestimmte Aussagen getroffen werden – vor allem auch, warum nicht – und wie
durch diese Praxis des Aussagens die Gegenstände des Sagens und Schreibens zu
Wirklichkeiten werden:
Eine Aufgabe, die darin besteht, nicht – nicht mehr – die Diskurse als Gesamtheiten
von Zeichen (von bedeutungstragenden Elementen, die auf Inhalte und Repräsentatio-
nen verweisen), sondern als Praktiken zu behandeln, die systematisch die Gegenstände
bilden, von denen sie sprechen. (Foucault [1969] 1981: 74)
Eine solche Praxis ist im Sinne sprachlicher Handlungen zu verstehen, die Aussa-
gen und Wissen hervorbringen. Wir wollen daher bei der Suche nach dem syste-
matischen Ort der Diskurslinguistik die textanalytischen Bezüge und korpuslingu-
istischen Verbindungen um die Frage nach dem Zusammenhang von Sprache und
1.3 Von der Sprache zum Wissen 41
›Wissen‹ ergänzen. Wenn der Diskurs das hervorbringt, worüber er spricht, dann
geht es dabei vor allem um die Hervorbringung von ›Wissen‹, von dem, was eine
Gesellschaft und ihre Mitglieder als Kenntnisse, Erkenntnisse, Bildung usw. aner-
kennen.
Wesentlich bei Foucault ist zudem eine Differenzierung von ›Wissen‹ und ›Erkennt-
nis‹:
Ich verwende das Wort ›Wissen‹ in Abgrenzung von ›Erkenntnis‹. Mit ›Wissen‹ ziele
ich auf einen Prozeß, der das Subjekt einer Veränderung unterwirft, gerade, indem es
erkennt oder vielmehr bei der Arbeit des Erkennens. Es ist dieser Prozeß, der es gestattet,
das Subjekt zu verändern und gleichzeitig das Objekt zu konstruieren. Erkenntnis ist
die Arbeit, die es erlaubt, die erkennbaren Objekte zu vermehren, ihre Erkennbarkeit
zu entwickeln, ihre Rationalität zu verstehen, bei der jedoch das forschende Subjekt fest
und unverändert bleibt. (Foucault [1980] 1996: 52)
Wir beziehen uns in unserer Definition von Wissen, die sich mit Foucaults Be-
griffsbestimmungen verbindet (vgl. dazu ausführlicher Abschnitt 2.1.1), einerseits
mit dem Begriff der ›Vergesellschaftung‹ auf Max Weber, andererseits mit der Un-
terscheidung von mittelbarer und unmittelbarer Erfahrung auf Bertrand Russell.
In Max Webers Wirtschaft und Gesellschaft sind die Termini ›Vergemeinschaf-
tung‹ vs. ›Vergesellschaftung‹ differenziert dargestellt. Während ›Vergemeinschaf-
tung‹ eine soziale Beziehung ist, die auf »subjektiv gefühlter (affektueller oder tra-
ditionaler) Zusammengehörigkeit der Beteiligten« beruht, bezieht sich ›Vergesell-
schaftung‹ auf soziale Beziehungen, »wenn und soweit die Einstellung des sozialen
Handelns auf rational (wert- oder zweckrational) motiviertem Interessenausgleich
oder auf ebenso motivierter Interessenverbindung beruht« (Weber [1922] 2009: § 9).
42 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
Die ›Vergesellschaftung‹ ist damit ein Prozess, bei dem typischerweise rationale Ver-
einbarungen auf der Grundlage gegenseitiger Zusagen getroffen werden, deren Be-
ständigkeit wiederum von der Verbindlichkeit und Loyalität der Akteure abhängen.
In diesem Sinne ist ›Wissen‹ tatsächlich ein sozial verhandeltes Gut der Vergesell-
schaftung.
Das Englische gibt nun einen interessanten Hinweis durch die sprachlich nicht
realisierte Unterscheidung von ›wissen‹ und ›kennen‹ im Verb to know. Das hat
Russell (1911) zu einer deutlichen Unterscheidung von Wissenstypen veranlasst, die
noch immer bedenkenswert ist: ›knowledge by acquaintance‹ vs. ›knowledge by de-
scription‹. Wir wollen auf die damit verbundene Diskussion nicht en detail ein-
gehen, aber für unsere diskurslinguistischen Zwecke die Unterscheidung von Wis-
senstypen nach ›knowledge by acquaintance‹ (Wissen aus Erfahrung, Kenntnis) und
›knowledge by description‹ (Wissen aus Beschreibungen) aufgreifen. ›Knowledge by
acquaintance‹ beruht auf einer unmittelbaren kausalen Interaktion zwischen Wis-
senssubjekt (jemand, der etwas weiß) und Wissensobjekt (das, worüber etwas ge-
wusst wird): »I say that I am acquainted with an object when I have a direct cog-
nitive relation to that object, i. e. when I am directly aware of the object itself«
(Russell 1911: 108). Als Wissensobjekte kommen beim ›knowledge by acquaintance‹
also Sinneswahrnehmungen in Betracht, mithin das, was ein Subjekt sensorisch als
objektiv erfährt. So ist der durch eine Person unmittelbar erfahrene Schmerz ein
subjektives Wissen aus Erfahrung. Die Aussage Mein Bein schmerzt ist wahr, wenn
sie durch ›knowledge by acquaintance‹ verifiziert ist. Erfährt man Wissen nicht un-
mittelbar, sondern teilt man Wissen ohne eigene Erfahrung, so spricht man von
›knowledge by description‹. Das alltagsweltliche Wissen um Politik beispielsweise
ist für Wissenssubjekte in der Regel nicht das Ergebnis einer unmittelbaren kausa-
len Interaktion mit dem komplexen politischen Institutionen- und Sachverhaltsge-
füge selbst, sondern man erlangt sein Wissen mehr durch Beschreibungen, etwa aus
Massenmedien, als durch eigene unmittelbare Erfahrungen.
Kommen wir zurück auf diskursiv gebildetes Wissen in Prozessen der Verge-
sellschaftung, also auf Wissen, das wir primär durch Beschreibungen bilden, so
erkennen wir, wie eng ›knowledge by description‹ und Diskurs als Praxis der Wis-
sensdarstellung und -erzeugung zu denken sind. Wir können daher die soziale Aus-
handlung von ›knowledge by description‹ auch ›Wissenskommunikation‹ nennen
und auf das Konzept der ›Wissensgesellschaft‹ beziehen. In den ›knowledgeable so-
cieties‹ betrachtet man seit Lane (1966) und Bell ([1973] 2010) das Wissen als zentra-
len Faktor der sozioökonomischen Entwicklung von Gesellschaften. Man geht hier
aber entgegen einer diskursanalytischen Grundauffassung davon aus, dass intersub-
jektiv vermittelte Erkenntnis ein verlässliches Fundament des konstanten absoluten
Wissens ist. Der Diskursanalyse erscheint das Wissen im Sinne eines ›knowledge
by description‹ aber gerade nicht als eine verlässliche, fixierbare Größe, sondern
als Resultat der fortlaufenden Aushandlung, Anerkennung und Ablehnung von Er-
kenntnissen in diskursiver Praxis. Die Annahme eines meinungs- und damit letzthin
1.3 Von der Sprache zum Wissen 43
gebrauch und damit die Praxis der Kommunikation vom grundsätzlichen Vertrauen
auf die Repräsentationsfunktion der Sprache ausgehe, wir also in der Regel voraus-
setzen (dürften), dass Sprache auf eine außersprachlich existente Welt verweist oder
doch zumindest auf unsere Gedanken bzw. mentalen Konzepte von dieser Welt,
verweigern sich namhafte Sprachphilosophen besonders des 20. Jahrhunderts und
der jüngeren Zeit dieser Annahme, indem sie entweder argumentieren, Sprache sei
nur in Grenzen geeignet, unsere Gedanken zu repräsentieren oder noch radikaler
behaupten, Sprache repräsentiere nichts; bei Leiss (2009: 173–218) werden für diese
radikale Position insbesondere Richard Rorty ([1989] 2007) mit seiner Absage an die
Semantik von Sätzen und in Erweiterung dazu Donald Davidson (2004) genannt.
Dabei kreist die Sprachphilosophie immer wieder um die Frage nach der
Sprachabhängigkeit des Erkennens und Wissens, was direkt mit diskurslinguisti-
schen Überlegungen verknüpfbar ist. Verankert ist diese Reflexion in der tradierten
Annahme einer Sprachbedingtheit des Denkens. Teilt man diese Auffassung, so ver-
steht man Sprache als Voraussetzung bzw. Bedingung des menschlichen Denkens
und Erkennens. Wissen als geteilte Akzeptanz von Erkenntnis ist bei dieser Vorstel-
lung nicht sprachunabhängig möglich. Gipper (1987) nennt in seiner noch immer
grundlegenden sprachphilosophischen Studie diese Sprachbedingtheit des mensch-
lichen Erkennens und Denkens das Sprachapriori, wobei Apriori hier nicht im stren-
gen Kant’schen Sinne als ›unabhängig von aller Erfahrung‹ gemeint ist, sondern im
Sinne von ›Bedingung der Möglichkeit‹ von etwas. Das Sprachapriori erfasst Spra-
che also als Bedingung der Möglichkeit des Denkens und Erkennens, und damit
notwendigerweise auch des Wissens.
Während die philosophische Beschäftigung mit dem Sprachapriori insbeson-
dere seit Wilhelm von Humboldt an Erkenntnissen über den Status von Wahrheit
und Wirklichkeit interessiert ist, konzentriert sich das neuere linguistische Interesse
am Zusammenhang von Sprache und Wissen eher auf die Funktion von Aussagen
als Mittel der Sachverhaltskonstituierung. Sprache erscheint nicht nur als Medium
der Erfassung von Wirklichkeit, sondern als Mittel zur Konstituierung von Wirk-
lichkeit ganz im Sinne der Foucault’schen Annahme von Praktiken, die die Gegen-
stände des Sagens erst hervorbringen (vgl. Foucault [1969] 1981: 74). Seitens des So-
zialkonstruktivismus wird gerade dafür auch von der diskursiven Konstruktion der
Wirklichkeit gesprochen (vgl. bereits Berger/Luckmann [1966] 2009; Keller 2005).
Die Diskurslinguistik ist durch eine Radikalisierung der Frage nach dem
Sprachapriori gekennzeichnet. Während man im Sprachapriori seit Humboldt da-
von ausgeht, dass Sprache die Bedingung der Möglichkeit von Wissen ist, geht die
Diskurslinguistik mit Foucault davon aus, dass vermittels Sprache überhaupt erst
Wirklichkeit konstituiert wird, auf die mit Sprache wiederum ein referenzieller Zu-
griff möglich ist; Wissen ist eine Praxis, die »es gestattet, das Subjekt zu verändern
und gleichzeitig das Objekt zu konstruieren« (Foucault [1980] 1996: 52; vgl. da-
zu ausführlicher Abschnitt 2.1.1). Mithin sind nicht nur Denken und Erkennen
sprachabhängig, sondern das, was wir erkennen und worüber wir nachdenken kön-
1.3 Von der Sprache zum Wissen 45
nen, wird selbst in Abhängigkeit von seiner sprachlichen Erfassung gedacht; gerade
der Vollzug von Äußerungen als diskursive Praxis spielt dabei die entscheidende
Rolle.
Wie Humboldt bereits festgestellt hat, ermöglicht das Sagen nicht nur die Mit-
teilung an ein Gegenüber, sondern durch die Entäußerung eines Gedankens wird
dieser zugleich für die Sprecher selbst objektiviert, und das heißt als Objekt erfahr-
bar:
Die Sprache ist das bildende Organ des Gedanken. Die intellectuelle Thätigkeit, durch-
aus geistig, durchaus innerlich, und gewissermassen spurlos vorübergehend, wird durch
den Ton in der Rede äusserlich und wahrnehmbar für die Sinne, und erhält durch die
Schrift einen bleibenden Körper. [. . .] Die intellectuelle Thätigkeit und die Sprache
sind daher Eins und unzertrennlich von einander; man kann nicht einmal schlechthin
die erstere als das Erzeugende, die andere als das Erzeugte ansehen. Denn obgleich das
jedesmal Gesprochene allerdings ein Erzeugnis des Geistes ist, so wird es doch, indem
es zu der schon vorher vorhandenen Sprache gehört, ausser der Thätigkeit des Geistes,
durch die Laute und Gesetze der Sprache bestimmt, und wirkt, indem es gleich wieder
in die Sprache überhaupt übergeht, wieder bestimmend auf den Geist zurück. (Hum-
boldt [1836] 2002: 191–192)
Bei der Frage nach der sprachlichen Konstituierung von Wirklichkeit kann es al-
so nicht in erster Linie darum gehen, kulturtypische Wirklichkeitszuschnitte zu
verfolgen, wie dies in der Folge Humboldts in der so genannten Sprachinhaltsfor-
schung des 20. Jahrhunderts und auch in Teilen der Ethnolinguistik der Fall war.
Von Interesse sind für die Diskurslinguistik auf dem Weg zum Verstehen des Wis-
sens vielmehr die sprachlich Handelnden selbst als machtgebundene Instanzen der
Produktion sprachlicher Aussagen.
Mit Verweis auf Guédez (1972: 76) hat Busse (1987: 226) bereits sehr deutlich
gezeigt, dass der Diskurs nicht ein Bindeglied zwischen Sprache und Denken ist, der
Diskurs ist keine Schablone für die Vorfertigung von Perspektiven, er ist kein Me-
chanismus der Wirklichkeitskonstituierung, sondern ein System, das sachbezogene
Äußerungen erst ermöglicht. In der Diskurslinguistik gehe es folglich um »Regeln
der Wissenskonstitution und -strukturierung« (Busse 1987: 233). Die sprachliche
Konstituierung von Wirklichkeit und Wissen ist ein sozialer, wir können auch sa-
gen: diskursiver Prozess.
Da die wissensorientierte Dimension der Diskurslinguistik im Kern mit sprach-
philosophischen und soziologischen Fragen der Wirklichkeitskonstituierung ver-
bunden ist, wollen wir auch hier einen Beitrag zu einer spezifisch linguistischen Ter-
minologie leisten (vgl. Warnke 2009a). Wir führen dafür den Terminus Konstituie-
rung in der Bedeutung ›Anordnung von Wissen durch Äußerungen‹ als Oberbegriff
für drei Typen der Wissenskonstituierung ein: (a) Konstruktion, (b) Argumentation
und (c) Distribution.
Es sollte hier bereits deutlich sein, dass Diskurslinguistik weitaus mehr leistet, als
lediglich eine Erweiterung der Textlinguistik zu sein oder eine Spielart der Korpus-
linguistik. Die Frage, warum zu einer bestimmten Zeit von bestimmten Akteuren so
und nicht anders gesprochen wird und wie infolge dieser Einschränkungen die An-
ordnung von Wissen durch Äußerungen erfolgt, lenkt das Interesse vielmehr auch
auf die Konstruktion von Wissen durch Wahrheitsansprüche in Prozessen der sozia-
len Herstellung von Faktizität. Daraus leitet sich die Beschäftigung mit Prozessen
der Rechtfertigung von Wissen durch Argumente ebenso ab wie die Analyse der
Durchsetzung von Geltungsansprüchen in Prozessen distribuierender Regulierung,
etwa in den Massenmedien.
Wir können damit die Typen der Wissenskonstituierung im Diskurs auf Zwe-
cke und Mittel beziehen und daraus recht präzise analytische Kategorien einer wis-
sensbezogenen Diskurslinguistik ableiten (vgl. Tabelle 1.3 auf der folgenden Seite).
Hier kommen wir noch einmal auf Russell (1911) zurück. Sofern Wissen diskur-
siv konstruiert, argumentativ ausgehandelt und distribuiert ist, handelt es sich im-
mer auch um ›knowledge by description‹, neben Erfahrungswissen, welches gleich-
falls in den Diskurs eingeht. Die Herstellung von Faktizität durch Wahrheitsansprü-
che, die Rechtfertigung von Wirklichkeit durch Argumentation und die Durchset-
zung von Geltungsansprüchen durch Regulierung im Kontext von Erfahrungen
sind also Kennzeichen diskursiven Wissens.
48 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
Tabelle 1.3: Analytische Kategorien der wissensorientierten Diskurslinguistik (Warnke 2009a: 122)
das Essentielle an der Sprache, als ihr zentrales Wesensmoment, das hinter sämtlichen
ihrer Leistungen steht und diese allererst ermöglicht. (Kainz in Bühler [1934] 1999: XIV)
Einer solchen Auffassung widerspricht die Diskurslinguistik, nicht zuletzt weil Büh-
ler selbst die Bedeutung nichtreferenzieller Sprachfunktionen hervorhebt, wenn-
gleich diese bei Bühler in das repräsentationale Sprachmodell integriert sind:
Es ist nicht wahr, daß alles, wofür der Laut ein mediales Phänomen, ein Mittler zwischen
Sprecher und Hörer ist, durch den Begriff »die Dinge« oder durch das adäquatere Be-
griffspaar ›Gegenstände und Sachverhalte‹ getroffen wird. Sondern das andere ist wahr,
daß im Aufbau der Sprechsituation sowohl der Sender als Täter der Tat des Sprechens,
der Sender als Subjekt der Sprechhandlung, wie der Empfänger als Angesprochener,
der Empfänger als Adressat der Sprechhandlung eigene Positionen innehaben. (Bühler
[1934] 1999: 30–31)
Auch in der Diskurslinguistik erscheint die Aussage also emanzipiert von so ge-
nannter ›außersprachlicher Wirklichkeit‹, die Bedeutung von Sprachzeichen und
ihre Verweisfunktion werden in Aussagen erst gebildet (vgl. dazu auch Vogl 1997).
Interessant mag in diesem Zusammenhang auch ein Hinweis auf das Konzept des
›universe of discourse‹ sein, das im 19. Jahrhundert von den Logikern Boole und
de Morgan entwickelt und später von Peirce und Mead ausgearbeitet wurde (vgl.
Schalk 1997/98: 92–102). Dieses Konzept, das heute etwa in der kognitiven Referenz-
linguistik verwendet wird, erweitert den herkömmlichen Referenzbegriff um das
Phänomen der »reference without referents« (Geiger 1995: 16) bzw. Referenz auf
»non-existing objects« (Parsons 1980); hier geht es um Ausdrücke wie Einhorn:
[. . .] reference in human language is not a mapping from linguistic terms to individuals
existing in the Real World, but rather to individuals established verbally [. . .] in the
Universe of Discourse. (Wright/Givón 1987: 11)
Wir schlagen daher vor, die traditionelle funktionale Modellierung von Referenz
vor dem Hintergrund der Annahme der Wissenskonstituierung zu ergänzen. Dabei
gehen wir von zwei prominenten Modellen der funktionalen Linguistik aus.
50 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
Wenn wir den Zusammenhang von Sprache und Wissen linguistisch genauer be-
schreiben wollen, müssen wir zunächst festhalten, dass die Relation beider Grö-
ßen nicht monodimensional, sondern multifaktoriell ist. Das heißt, eine Reihe von
Faktoren ist zu bedenken, die in wechselseitigen Beziehungen stehen (vgl. dazu
und zum Folgenden auch Warnke 2009b, i. Dr.); aus der Benennung dieser Fak-
toren lassen sich analytische Kategorien ableiten. Durch eine solche multifaktorielle
Beschreibung des Zusammenhangs von Sprache und Wissen zeigt die Diskurslin-
guistik eine wesentliche Überschneidung mit der Funktionalen Linguistik (vgl. zu
grammatischen Ausprägungen Smirnova/Mortelmans 2010), denn beide verstehen
Sprache nicht als ein abstraktes System von gebrauchsunabhängigen Zeichen und
Regeln, sondern als eine ständiger Dynamik unterworfene Form akteursbasierter
Handlungen, die spezifische Folgen hat; insofern handelt es sich jeweils um prag-
matische Sprachtheorien, die das Handeln in den Mittelpunkt des sprachwissen-
schaftlichen Interesses rücken.
Zur weiteren Präzisierung des diskurslinguistischen Wissensbegriffs ist es mit-
hin nützlich, den Funktionsbegriff aufzugreifen und nutzbar zu machen. Was ist
aber eine ›Funktion‹ im linguistischen Verständnis? Allgemein das, was man mit
Sprache leisten kann, was die Sprachbenutzer mit ihr als Werkzeug der Kommuni-
kation verrichten. Nun können kommunikative Leistungen von semiotischen For-
men bewusst oder unbewusst erfolgen. Ich kann mit einem Satz eine Person beab-
sichtigt oder unbeabsichtigt erfreuen oder verärgern, ich kann über mich bewusst
oder unbewusst Mitteilungen geben, ich kann ein Gegenüber intendiert oder nicht
intendiert zu Handlungen veranlassen usw.; jeweils leistet Sprache dabei als Werk-
zeug etwas. Doch es ist offensichtlich, dass diese Funktionen nicht notwendigerwei-
se beabsichtigt sein müssen. Wir wollen hier auf Merton ([1949] 2000) verweisen,
der eine Unterscheidung von beabsichtigten und nicht beabsichtigten Funktionen des
Handelns vorgeschlagen hat, auf die zu beziehen sich lohnt:
This is the rationale for the distinction between manifest functions and latent functions;
the first referring to those objective consequences for a specified unit (person, subgroup,
social or cultural system) which contribute to its adjustment or adaptation and were
so intended; the second referring to unintended and unrecognized consequences of the
same order. (Merton [1949] 2000: 117)
Merton unterscheidet als Soziologe zwischen einer »manifest function« und einer
»latent function«, wir können auch von ›Zwecken‹ und ›Effekten‹ des Handelns
sprechen. Auch Aussagen können die Funktion haben, Mittel zum Zweck von ma-
nifesten Absichten zu sein, ihre Funktion kann aber auch die unbeabsichtigte Folge
von latenten Absichten sein. Das bedeutet für den diskurslinguistischen Wissens-
begriff, dass die Konstituierung von Wissen durch Sprache nicht zwingend beab-
sichtigt erfolgen muss – manifest und als intendierter Zweck –, sondern eine unbe-
absichtigte Folge des Handelns darstellen kann – latent und als nicht intendierter
1.3 Von der Sprache zum Wissen 51
Effekt. Der Werkzeugcharakter von Sprache ist also mindestens unter diesen beiden
Aspekten zu beleuchten. Ausdrücklich wollen wir hier darauf hinweisen, dass es der
Diskurslinguistik aber gar nicht darum geht, Intentionen freizulegen. Nicht, was
intendiert ist, beschäftigt die Diskurslinguistik, sondern was gesagt ist und welche
Funktionen damit je verbunden sind; die Gründe dafür sind keineswegs nur inter-
essenspezifisch. Die Diskurslinguistik ist vielmehr grundsätzlich der Ansicht, dass
es weder möglich noch nötig ist, vom ›Gesagten‹ auf das ›Gemeinte‹ zu schließen.
Bereits Wittgenstein hat notiert:
Wenn man aber sagt: »Wie soll ich wissen, was er meint, ich sehe ja nur seine Zeichen«,
so sage ich: »Wie soll er wissen, was er meint, er hat ja auch nur seine Zeichen«. (Witt-
genstein [1953] 2003: [§ 540] 226)
Wie Feilke (1994: 76) betont, richtet sich Wittgenstein damit auch gegen »die Vor-
stellung eines Individuums, das sprachlich auf einen außerhalb von Kommunika-
tion befindlichen Weltaspekt referiert und auf diese Weise kommuniziert«, gegen
eine Trennung von Sprache und Wirklichkeit (als Referenzraum von Sprache). Ei-
ner Diskurslinguistik, die Wirklichkeit als sprachlich konstituiert ansieht und sich
gegen die Vorstellung von Sprache als Referenzwerkzeug auf eine ontologisch gege-
bene Welt wendet, muss ein Bezug auf eine außersprachliche »›wirkliche‹ Ordnung
der Dinge« (Feilke 1994: 77), wie sie das ›eigentlich Gemeinte‹ darstellt, also suspekt
erscheinen.
Dass Sprache überhaupt ein Werkzeug der Kommunikation ist, hat am deut-
lichsten Bühler ([1934] 1999) in seiner bis heute nachwirkenden Sprachtheorie, vor
allem im so genannten ›Organonmodell‹ (Werkzeugmodell) dargelegt. Für Bühler
ergeben sich aus dem Bezug des sprachlichen Werkzeugs – und das heißt: Zeichens –
zu außersprachlichen Faktoren spezifische Funktionen. Bühler nennt drei dieser
Faktoren, die er aus einem einfachen Modell der Kommunikation ableitet: ›Sen-
der‹, ›Gegenstände/Sachverhalte‹ und ›Empfänger‹. In Ableitung dieser Faktoren
beschreibt Bühler drei Funktionen: ›Ausdruck‹, ›Darstellung‹ und ›Appell‹. Sprache
52 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
CONTEXT
ADDRESSER MESSAGE ADDRESSEE
······························································
CONTACT
CODE
Abbildung 1.5: Sechs Faktoren der verbalen Kommunikation (Jakobson [1960] 1978)
könne Werkzeug (griech. όργανον, lat. organum) zum Ausdruck eines Senders sein,
zur Darstellung von Gegenständen und Sachverhalten und/oder zum Appell an ei-
nen Empfänger. Zusammengefasst wird dies im ›Organonmodell‹ in einer triadisch
strukturierten Graphik (vgl. Abbildung 1.4 auf der vorangegangenen Seite).
Dieses Modell hat eine uns interessierende fundamentale Erweiterung durch Ja-
kobson ([1960] 1978) erfahren. Unter Rückgriff auf Bühler werden die aus dem ›Or-
ganonmodell‹ bekannten Faktoren ›Sender‹, ›Gegenstände/Sachverhalte‹ und ›Emp-
fänger‹ – bei Jakobson ›addresser‹, ›context‹ und ›addressee‹ – um drei weitere Fak-
toren ergänzt: ›code‹ im Sinne des gemeinsam verfügbaren Verständigungsmittels,
›contact‹ im Sinne des genutzten Kanals sowie ›message‹ als Form und Gehalt der
kommunizierten Botschaft. Jakobson leitet aus diesen nunmehr sechs Faktoren,
Bühler auch in dieser Hinsicht ergänzend, sechs Funktionen von Sprache ab:
– Sofern die Botschaft an einen Sender gebunden ist, hat Sprache eine ›emotive
Funktion‹,
– der Verweis der Botschaft auf den ›context‹ evoziert die ›referenzielle Funktion‹,
– der Bezug der Botschaft auf einen Empfänger etabliert die ›konative Funktion‹,
– die Relation von Botschaft und Code bringt die ›metasprachliche Funktion‹ her-
vor,
– die Bezugnahme der Botschaft auf den Kanal bildet die ›phatische Funktion‹ und
– sofern die Botschaft auf sich selbst als Botschaft verweist, hat Sprache eine ›poe-
tische Funktion‹.
Die graphische Umsetzung ist bei Jakobson denkbar einfach, der Darstellung der
sechs kommunikativen Faktoren entspricht eine direkt darauf projizierbare Darstel-
lung der sechs abgeleiteten Funktionen (vgl. Abbildung 1.5 und 1.6).
REFERENTIAL
EMOTIVE POETIC CONATIVE
PHATIC
METALINGUAL
Abbildung 1.6: Sechs Funktionen der verbalen Kommunikation (Jakobson [1960] 1978)
che Welt verweisen. Nun haben wir aber von Foucault ausgehend dargelegt, dass
mit Sprache nicht (nur) auf Welt verwiesen wird, sondern dass die Praxis der Aus-
sage Gegenstände und Sachverhalte unseres Meinens und Verstehens (auch) her-
vorbringt. Da das diskurslinguistische Konzept der ›Konstituierung‹ als Anordnung
von Wissen durch Äußerungen und das funktionslinguistische Modell der ›Darstel-
lung‹ bzw. ›Referenz‹ aber genau in diesem Punkt unverträglich sind, ergibt sich
ein Problem: Sprachphilosophisch scheiden sich die Konzepte am ontologischen
Realismus. Dieser geht davon aus, dass es unabhängig von unseren kognitiven und
kommunikativen Verfahren der Erfassung von Welt eine sprachunabhängige Reali-
tät gibt. Bühler und Jakobson legen ihren Funktionsmodellen eine solche Annah-
me implizit zugrunde. Doch die Diskursanalyse dekonstruiert den Gedanken einer
Existenz aussagenunabhängiger Wahrheiten bzw. Wirklichkeiten systematisch, wes-
halb sie auch für linguistische Fragestellungen von zentraler Bedeutung ist. Ohne
dass dies beabsichtigt wäre – zu bedenken ist hier die Zeit der jeweiligen Publikatio-
nen und Diskussionen –, verstellen die prominenten Funktionsmodelle von Bühler
und Jakobson also die wissenskonstitutive Funktion von Sprache regelrecht.
Wir gehen mit der Diskursanalyse davon aus, dass Wissen nicht auf ontologi-
sche Wahrheiten referiert, dass die Wahrheitsobjekte nicht Gegenstände und Sach-
verhalte bzw. Kontexte sind, die in sprachlichen Aussagen lediglich zeichenhaft dar-
gestellt werden und die man erkennen kann. Wie wir bereits gezeigt haben, geht es
in der Diskurslinguistik vielmehr um die soziale Aushandlung von Wissen durch
eine sprachliche Praxis, die wir Diskurs nennen.
Wir kommen hier noch einmal zurück auf den ›Nazi-Vergleich‹, den der deut-
sche Bundeskanzler Helmut Kohl im Oktober 1986 bei einem USA-Besuch gegen-
über Newsweek als Werkzeug der politischen Kommunikation nutzt:
Gorbatschow ist ein moderner Kommunisten-Führer. Er versteht etwas von Public-Re-
lations. Goebbels verstand auch etwas von Public-Relations. Man muß die Dinge doch
auf den Punkt bringen. (Zitiert aus Stötzel/Wengeler 1995: 376)
Diese Aussage hat nicht die Funktion, Wissen über Gorbatschow als Generalsekre-
tär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion mit Sprache
wiederzugeben, sondern vielmehr durch die Aussage überhaupt erst eine Wirklich-
keit zu konstituieren, das heißt durch Wissen eine Behauptung zu konstruieren,
durch eine Argumentation in der Form des Syllogismus Wissen zu rechtfertigen
54 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
Wenngleich Jackendoff lediglich über Semantik und Kognition spricht und Dis-
kurse nicht im Blick hat, ist diese kognitive Projektion unseres Erachtens ein Schlüs-
sel zum Verstehen der sprachlichen Relativität des Wissens. Sprachliche ›Aussagen‹
verweisen nicht direkt auf eine ontologisch verfügbare Realität, sondern auf zeitge-
bundene und sozial ausgehandelte bis umkämpfte Vorstellungen. Ein gutes Beispiel
dafür sind Strategien der Werbung, mit denen eine projizierte Welt im Kopf von
Verbrauchern das Kaufverhalten steuern soll (vgl. Janich 2010). Die durch ›knowl-
edge by description‹ projizierten Wissensbestände sind recht nachhaltig, was bereits
im antiken Satz Audacter calumniare, semper aliquid haeret (›Verleumde nur respekt-
los, etwas bleibt immer hängen‹) treffend zum Ausdruck kommt. Wir verweisen hier
beispielhaft auf einen Sammelband zur Kommunikation der Gerüchte, der die strate-
gische Nutzung projizierten Wissens zum Gegenstand hat (Brokoff et al. 2008).
Da die Annahme der Referenz von ›Aussagen‹ auf ›Projektionen‹ für uns eine
zentrale Voraussetzung der Diskurslinguistik darstellt, wollen wir noch ein weiteres
Beispiel zur Verdeutlichung geben. Mit einem juristischen (genauer: legistischen)
Satz etwa aus dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wird auf juristische
56 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
Ausgegangen sind wir bei der Faktorenmodellierung von der Frage nach den Funk-
tionen von Sprache. Analog zu Bühler und Jakobson stellt sich daher die Frage, wel-
che Zwecke und Effekte die sechs Faktoren der wissenskonstituierenden Kommuni-
kation haben. ›Aussagen‹, die wir in das Zentrum unserer Überlegungen gerückt ha-
ben, referieren gemäß der diskurslinguistischen Absage an den ontologischen Realis-
mus auf ›Projektionen‹ im Sinne sozial ausgehandelter Bewusstseinsinhalte. Sofern
›Aussagen‹ ein Werkzeug zur Hervorrufung von ›Projektionen‹ sind, besitzt Sprache
eine ›evokative Funktion‹. ›Aussagen‹ im Diskurs haben also zunächst die Funktion,
gedankliche Äquivalente hervorzurufen. Diese Funktion der Hervorrufung ist be-
reits in de Saussures ([1916] 2001: 78) ›Prinzip der reziproken Evokation‹ als grundle-
gend für jegliche Beschäftigung mit dem sprachlichen Zeichen festgehalten. Dieses
geht davon aus, dass Vorstellungen im Sinne von Zeichenformen als Zeicheninhal-
te und Lautbilder untrennbar miteinander verbunden sind und einander evozieren.
Zu ähnlichen Einsichten kommen – wenn auch in scharfer Auseinandersetzung mit
de Saussure – Ogden/Richards ([1923] 2001). Die Evokation ist gebunden an geteil-
tes Wissen bzw. an Konventionen; auch das ist Konsens jeder semiotischen Theorie.
Dass die evozierten Inhalte damit häufig Konstruktionen sind, haben unter ande-
ren der Symbolische Interaktionismus und vor allem Berger/Luckmann ([1966] 2009)
ausgearbeitet. Jede Form sprachbezogener Sachverhaltskonstituierung durch ›Aussa-
gen‹ evoziert Fragmente sozialer Konstruktionen.
Aus der Bindung von ›Aussagen‹ an einen ›Sprecher/Schreiber‹ folgt für die
diskursive Konstituierung von Wissen die ›argumentative Funktion‹ von Sprache.
›Aussagen‹ dienen kraft ihrer Bindung an Akteure der Rechtfertigung von Faktizi-
tät, sie sind ›argumentativ‹. Argumentationen können durch Begründungen oder
Infragestellungen diskursiv positionierten Wissens erfolgen; wir haben bereits aus-
geführt, dass sie als Rechtfertigung von Faktizität durch Begründung oder Wider-
legung von konstruiertem Wissen funktionieren. Diese ›argumentative‹ Dimension
des Diskurses ist in den diskurslinguistischen Arbeiten von Wengeler (2003b, 2006,
2007, 2008) zentral herausgearbeitet. Auch entspricht die Wissensanalyse in der
58 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
dung an ein ›Medium‹ besitzen ›Aussagen‹ damit bei der diskursiven Konstituierung
von Wissen eine ›performative Funktion‹, das ›Medium‹ selbst stellt Bedeutung her.
›Aussagen‹ verweisen außerdem nicht nur auf Annahmen, Vorstellungen, Über-
zeugungen etc. als gedankliche Projektionen, sondern sie referieren immer auch
auf andere Aussagen im Diskurs, etwa durch Intertextualität, sei es in Form von
Zitaten, Allusionen, Umschreibungen etc. Dabei gilt wiederum, dass die Bezüge
bewusst oder unbewusst erfolgen können, manifest oder latent, als Zweck oder Ef-
fekt. Schlieben-Lange (1996: 234) zeigt, dass »Diskurse keine Konstrukte ex post«
sind, »sondern in der Geschichte identifizierte und wirksame Systeme«. Dies folgt
aus dem Bewusstsein, das Akteure von Diskursen haben, dass sie Teil von Diskur-
sen sind. Man kann daher von Diskurswissen sprechen, das dort ins Spiel kommt,
wo auf Diskurse Bezug genommen wird (vgl. dazu ausführlicher Abschnitt 2.2.1).
›Aussagen‹ haben, sofern sie das verstehensrelevante ›Wissen‹ selbst thematisieren,
reflektieren etc., eine ›metadiskursive Funktion‹. Der ›homo academicus‹ – also der
Wissenschaftler, die Wissenschaftlerin – ist ein besonders gutes Beispiel für solche
Prozeduren der Selbstthematisierung in Routinen der Zitation, der Laudationen
oder Begutachtungen (vgl. Bourdieu [1984] 2006). Wir wollen zumindest in Kürze
darauf hinweisen, dass Foucaults ([1969] 1981) Projekt der Archäologie eine solche
›metadiskursive Funktion‹ besitzt, denn es geht ihm um eine ›réécriture‹, also um
eine Umschrift, als »eine geregelte Umwandlung von dem, was bereits geschrieben
worden ist« (Schlesinger 2006: 32). Die Diskursanalyse selbst reorganisiert mit ihren
Aussagen die Diskurse; jede Diskursanalyse hat also eine ›metadiskursive Funktion‹.
Eine besondere Wendung in Jakobsons Funktionsmodell besteht nun darin,
die Botschaft selbst zum Referenten der Botschaft zu erklären. Jakobson beschreibt
damit den funktionalen Selbstbezug von sprachlichen Zeichen, wie er im Reim,
im Sprachspiel, im Metrum und anderen poetischen Verfahren besonders deutlich
ist. Auch für die diskursive Konstituierung von Wissen können wir in Anlehnung
daran Zwecke und Effekte der Bezugnahme von ›Aussagen‹ auf ›Aussagen‹ beschrei-
ben. Wir können dann von einer ›rhetorischen Funktion‹ der ›Aussagen‹ sprechen.
Dürscheid (2007: 8) erinnert für die kommunikativ-pragmatische Sicht auf Texte
daran, wie zentral etwa das sprachbezogene Bemühen »um Sprachrichtigkeit (Latini-
tas), um Klarheit (Perspicuitas) und um Angemessenheit (Aptum)« im rhetorischen
Programm der sprachlichen Fassung von Inhalten ist (vgl. dazu ausführlich Roth
2004). Die Form der ›Aussage‹ ist damit auch die Folge ihrer Gestaltung nach rhe-
torischen Überlegungen, nach Regeln insbesondere der Angemessenheit des Aus-
drucks (Aptum). Kraft ihrer Bindung an die formale Gestaltung von ›Aussagen‹
haben ›Aussagen‹ daher eine ›rhetorische Funktion‹. Die Beobachtung, dass gerade
diese Funktion andere Funktionen dominieren kann, verleiht der Diskursanalyse
ein erkennbar kritisches Potenzial. Ist die ›rhetorische Funktion‹ primär, das heißt,
sind die Regeln des Sagens vorrangig und tritt der Diskursakteur hinter diese zu-
rück, so widerspricht das dem Prinzip der Redefreiheit, dies hat Foucault ([1980]
1996, [2008] 2010) in seinen Parrhesia-Vorlesungen in Berkeley 1983 und in den
60 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
letzten Vorlesungen 1982/83 am Collège de France – Die Regierung des Selbst und
der anderen – eindrücklich gezeigt. Das verbindende Thema dieser Vorlesungen ist
der ›Mut zur Wahrheit‹, das Prinzip der Redefreiheit jenseits diskursiver und damit
auch rhetorischer Grenzen. Gerade die politische Kommunikation gibt immer wie-
der zahlreiche Beispiele dafür, dass Inhalt und Rhetorik nicht immer im Verhältnis
der Angemessenheit stehen und dass der Mut zur Wahrheit einen Verstoß gegen
Redenormen bedeuten kann.
Unsere Überlegungen zu den sechs Funktionen der diskursiven Konstituierung
von Wissen, wie sie aus den sechs Faktoren (vgl. Abbildung 1.7 auf S. 54) folgen,
stellen wir in Anlehnung an Jakobson wie folgt dar:
EVOKATIV
ARGUMENTATIV RHETORISCH DISTRIBUTIV
PERFORMATIV
METADISKURSIV
Mit Foucaults späten Vorlesungen haben wir nun auch einen wichtigen Hinweis
darauf gegeben, dass die Funktionen von diskursiven ›Aussagen‹ nicht neben der
›Macht‹ stehen, die wir bereits als Gesamtheit von Befugnissen bzw. Möglichkei-
ten zur Einflussnahme gegenüber jemandem oder gegenüber etwas definiert haben.
Der Diskurs ist kein freies Spiel, sondern vielmehr ein Terrain von Befugnissen
bzw. Möglichkeiten zur Einflussnahme auf und durch Sagen, Meinen und Verste-
hen; ›Macht‹ muss dabei mit Foucault von ›Herrschaft‹ unterschieden werden (vgl.
Abschnitt 2.1.4).
Wir ergänzen daher die Darstellung der sechs Faktoren und Funktionen einer
diskursiven Konstituierung von Wissen durch Überlegungen zur diskursiven Regu-
lierung von ›Aussagen‹ im Sinne dynamischer Machtstrukturen; Abbildung 1.9 zeigt
die Systematik, die sich ergibt.
Diskursive Teilhabe eines ›Sprechers/Schreibers‹ bedeutet mindestens, gehört
zu werden, also seine ›Hörer/Leser‹ zu erreichen. Akteure müssen sich zunächst
einmal ›Gehör verschaffen‹; ein recht offensichtliches Beispiel dafür ist die Wider-
standskommunikation. Wir beziehen uns mit der Kategorie der ›Hörbarkeit‹ auf das
›Voice‹-Konzept von Blommaert (2007), das wir in Abschnitt 2.2.2 genauer vorstel-
len werden. An dieser Stelle soll der Hinweis genügen, dass mit ›voice‹ die Fähigkeit
gemeint ist, die kommunikativen Mittel zu wählen bzw. wählen zu können, die zum
Erreichen eines kommunikativen Ziels in einer spezifischen sozialen Konstellation
1.3 Von der Sprache zum Wissen 61
SPRACHBEDINGTHEIT
HÖRBARKEIT AUSDRUCKSNORM ZUGANGSKONTROLLE
SAGBARKEITSREGEL
ORDNUNG DES DISKURSES
die Werte und Einstellungen, die eine bestimmte Gemeinschaft einer verwendeten
sprachlichen Gestaltung entgegenbringt, entscheiden also häufig erst über den Zu-
gang zu diesen Gemeinschaften; als Beispiel führen wir hier auch die ›Speech Codes‹
der ›Gender‹-Bewegung an.
Während die philosophische Beschäftigung mit dem so genannten Sprachaprio-
ri insbesondere seit Wilhelm von Humboldt an Erkenntnissen über den Status von
Wahrheit und Wirklichkeit interessiert ist, konzentriert sich das diskurslinguistische
Interesse am Zusammenhang von Sprache und Wissen auf die Funktion von Aussa-
gen als Mittel der Wissenskonstituierung. Sprache erscheint dann aber nicht (nur)
als Medium der Erfassung von Wirklichkeit, sondern als Mittel zur Evokation von
mentalen ›Projektionen‹. Insofern sind die Grenzen der Sprache auch zugleich die
Grenzen des Wissens: »Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner
Welt« (Wittgenstein [1922] 1988: 67). Sprache selbst reguliert also Wissen dadurch,
dass sie Grenzen vorgibt. Die mentalen ›Projektionen‹ diskursiv konstituierten Wis-
sens sind durch diese ›Sprachbedingtheit‹ gleichsam implizit reguliert (be-deutet). So
wird etwa in der US-amerikanischen Declaration of Independence (1776) das Streben
nach Glück zu einem unveräußerlichen Grundrecht erklärt: the pursuit of happi-
ness. Das deutsche Wort Glück ist aber gegenüber happiness polysem, man könnte
es im Englischen mit auspiciousness, bliss, felicity, fortune, happiness, luck, serendipity
übersetzen. Happiness meint eine spezifische Form des Glücks, die im Deutschen
nicht präzise erfasst werden kann, the pursuit of happiness ist etwas anderes als das
Streben nach Glück. Es zeigt sich also schon an der Übersetzungsproblematik, wie
sprachbedingt unser Wissen ist. Aber nicht nur in Übersetzungen drängt sich die
›Sprachbedingtheit‹ von ›Aussagen‹ als Problem auf. Ein weiteres Beispiel ist etwa
die Sprachpolitik, mit der durch Steuerung von Sprachverwendungen die Kommu-
nikation gelenkt wird. Wir nennen als Beispiel Formen kolonialer Sprachpolitik,
die geregelt haben, wer von den Kolonisierten welche Sprachen sprechen durfte;
mit solchen Verfahren werden Zugänge zum Wissen reguliert.
Der Zugang zu ›Medien‹ wird über ›Sagbarkeitsregeln‹ gesteuert. In der Neuen
Zürcher Zeitung werden andere Positionen vertreten als in der Bildzeitung, Medi-
en steuern den performativen Zugang zu Wissen. Die Regeln sind dabei historisch
und sozial verankert, so dass Wissen auch medial eingeschränkt und kanalisiert wird.
Dies gilt für alle Ebenen der Medialität, also auch für die medialen Varietäten der
Oralität und Literalität. Wir verweisen als Beispiel auf grammatische Normen, wie
sie etwa in der Schule vermittelt werden. In der Regel beziehen sich diese auf Sag-
barkeiten im schriftlichen Ausdruck. Erst in jüngerer Zeit verfolgt die Grammatik-
schreibung auch ein nachdrückliches und systematisches Interesse an der gesproche-
nen Sprache. Deutlich ist dabei, dass die grammatischen Regeln je nach Medialität
zum Teil deutlich voneinander abweichen; Medien bringen also ›Sagbarkeitsregeln‹
hervor.
Schließlich wird auch das ›Wissen‹ selbst durch vielfältige Prozeduren kon-
trolliert und eingeschränkt. Diese Mechanismen werden systematisch bei Foucault
1.3 Von der Sprache zum Wissen 63
([1972] 2007) als ›Ordnung des Diskurses‹ behandelt; wir greifen diese Bezeich-
nung auf. Foucault erfasst die komplexen Machtdimensionen der Wissensregulie-
rung durch Beschreibung von ›Ausschließungssystemen‹, ›internen Prozeduren‹ und
der ›Verknappung der sprechenden Subjekte‹ (vgl. dazu Abschnitt 2.1.3).
Wir wollen nun den Zusammenhang von Sprache, Wissen und Macht entspre-
chend unserer Überlegungen darstellen. Festgestellt haben wir, dass die diskursive
Konstituierung von Wissen durch sechs Faktoren und, darauf bezogen, sechs Funk-
tionen der ›Aussage‹ erfolgt. Die Regulierung dieses Faktoren-Funktions-Bündels
erfolgt durch sechs Regulierungstypen. Stellen wir diese Dimensionen des Diskur-
ses nebeneinander, so ergibt sich ein Feldmodell der diskursiven Konstituierung von
Wissen (Tabelle 1.4).
Bereits Bühler hat darauf hingewiesen, dass die Gewichtung von Faktoren und
Funktionen des sprachlichen Zeichens in Abhängigkeit von Typen der Aussage bzw.
Situationstypen steht. Ungeachtet dessen steht Bühler aber für einen ontologisch-
realistischen Sprachbegriff; mit anderen Worten: »die Lautbilder einer Sprache sind
den Dingen zugeordnet« (Bühler [1934] 1999: 30). Wir sind im Widerspruch dazu
davon ausgegangen, dass eine originäre Funktion der Sprache nicht im Bezug auf
außersprachliche Gegenstände bzw. Sachverhalte zu erkennen ist, sondern in der
diskursiven Konstituierung von Wissen. Wissen und Sprache sind mithin in der
Diskurslinguistik unmittelbar aufeinander bezogen. Von Foucault ausgehend inter-
essieren dabei nicht nur die Möglichkeiten des Diskurses, sondern auch die Brüche,
Grenzen und Einschränkungen, also die Regulative, die stets Einfluss auf das haben,
was wir zu wissen glauben.
Es ist offensichtlich, dass der ›Diskurs‹ als linguistischer Gegenstand mehr als ein er-
weiterter Text ist, dass er auch nicht mit Korpora gleichzusetzen ist, wenngleich die
Transtextualität das entscheidende Kennzeichen der Diskursivität ist und die Kor-
64 1 Begrenzungen und Entgrenzungen
Wer sich dem umfangreichen Werk Michel Foucaults mit der Erwartung zuwendet,
Klarheit über den Diskursbegriff zu erlangen, wird enttäuscht werden. Denn wie
Clemens Kammler schreibt, existiert »[i]n keiner Phase der theoretischen Arbeit
Foucaults [. . .] eine Diskurstheorie als fertiges Ensemble aus konsequent definier-
ten Begriffen und Sätzen« (Kammler 1986: 199). Foucaults Diskurskonzept ist in
seinem Werk ständig im Fluss, Definitionen sind selten, falls sie gegeben werden,
sind sie in aller Regel sehr vage und stets vorläufig. »Sich auf ›die Diskurstheorie‹
Foucaults zu berufen, ist daher«, wie Kammler feststellt, »kaum möglich« (Kammler
1986: 199). Foucault selbst war sich dessen durchaus bewusst. Er hat seine Bücher
als »Werkzeugkisten« (boîtes à outils) bezeichnet, aus der sich jeder gerne das jeweils
Nützliche herausgreifen könne (Foucault [1975] 2002: 887). An anderer Stelle stellt
er seine Überlegungen als »Wege« dar, »denen es zu folgen galt«, ohne dass dabei
ein konkretes Ziel verfolgt worden sei – »ja, es kam sogar darauf an, dass das nir-
gendwohin führte. Jedenfalls nicht in eine Richtung, die vorbestimmt war, es waren
gleichsam gestrichelte Linien« (Foucault [1977] 2003a: 214). Mehr als eine erste, un-
verbindliche Orientierung sollten seine Leserinnen und Leser daher auch nicht von
ihm erwarten: »Letzten Endes werden wir schon sehen, Sie und ich, was man aus
diesen Bruchstücken machen kann« (Foucault [1977] 2003a: 214).
Solche Aussagen dürfen freilich nicht überinterpretiert werden. Selbstverständ-
lich folgt auch Foucault ganz bestimmten Erkenntnisinteressen, die keineswegs
jede beliebige Aneignung seiner Konzepte sinnvoll erscheinen lassen. Auch das,
und eben nicht nur die Wahlmöglichkeit, impliziert ja seine Werkzeugmetaphorik.
Schließlich hat jedes Werkzeug spezifische Funktionen und will sachgerecht ver-
wendet werden. Man kann zwar, um es wiederum mit Bühler ([1934] 1999: 332–333)
auszudrücken, »Nägel auch mit der Beißzange einklopfen und mit dem Hammer
ausziehen; und doch bleibt es ein guter und wichtiger Satz, daß der Hammer zum
Klopfen und die Beißzange zum Ausziehen konstruiert ist«. Auch sollte man Fou-
cault aufgrund derartiger Aussagen nicht vorschnell Unstetigkeit vorwerfen. Fou-
cault selbst hat mehrfach kritisch Stellung zu solchen Vorwürfen bezogen, so etwa
in einer berühmt gewordenen Kritiker-Parodie in der Archäologie des Wissens:
Sie sind dessen nicht sicher, was Sie sagen? Sie verlagern erneut Ihren Standpunkt im
Verhältnis zu den Fragen, die man Ihnen stellt, Sie werden sagen, daß die Einwände
nicht genau den Platz treffen, von dem aus Sie sprechen? Sie bereiten sich darauf vor,
66 2 Diskursverwirrungen
wiederum zu behaupten, daß Sie nie das gewesen sind, was zu sein man Ihnen vorwirft?
Sie präparieren bereits den Ausweg, der Ihnen im nächsten Buch gestattet, woanders
aufzutauchen und, wie Sie es jetzt tun, zu höhnen: nein, nein, ich bin nicht da, wo Ihr
mich vermutet, sondern ich stehe hier, von wo aus ich Euch lachend ansehe? [. . .] Man
frage mich nicht, wer ich bin, und sage mir nicht, ich solle der gleiche bleiben: das ist
eine Moral des Personenstandes, sie beherrscht unsere Papiere. Sie soll uns frei lassen,
wenn es sich darum handelt, zu schreiben. (Foucault [1969] 1981: 31)
14–15, Kammler/Parr/Schneider 2008: 10–11), erst recht seit Kenntnis der Mitte der
1990er-Jahre auf Französisch und später auch in deutscher Übersetzung vollständig
publizierten kleineren Schriften (vgl. Foucault 2001–2005), die sich den postulier-
ten Werkabschnitten nicht ohne Weiteres zuordnen lassen. Neuere Werkbiographi-
en (vgl. etwa Gehring 2004, Sarasin 2010) verzichten daher auch weitgehend auf
solche Einteilungen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Warnung
von Kammler/Parr/Schneider:
[D]ass es [. . .] nur darum gehen kann, sein Werk jenseits der falschen Alternative Konti-
nuität versus Diskontinuität zu analysieren, ist seit längerem eine entscheidende Einsicht
der Foucault-Forschung. Zum Scheitern verurteilt ist deshalb jeder Versuch, die Einheit
des Foucault’schen Werks in einer homogenen oder sich kontinuierlich entwickelnden
Methode zu suchen. (Kammler/Parr/Schneider 2008: 9–10)
Dies gilt es für die folgenden Ausführungen zu beachten, deren Ziel es ist, thema-
tische Schwerpunkte in Foucaults Œuvre herauszuarbeiten, die für die Diskurslin-
guistik relevant sind. Zwar müssen für einzelne Aspekte Arbeiten aus bestimmten
Schriften stärker gewichtet werden als solche aus anderen (so finden sich die de-
tailliertesten Ausführungen zum Diskursbegriff und zur Diskursanalyse vor allem
in den frühen Schriften), das Gesamtwerk (inklusive der kleineren Publikationen)
soll dabei jedoch – soweit es der Fokus dieser Einführung gestattet – nicht aus dem
Blick geraten.
Grundlegend für Foucaults Diskurstheorie ist die These, dass Erkenntnis und Wis-
sen nicht unabhängig von der gesellschaftlichen, kulturellen und historischen Situa-
tion, in der sich das erkennende Subjekt befindet, betrachtet werden können:
Die fundamentalen Codes einer Kultur, die ihre Sprache, ihre Wahrnehmungsschemata,
ihren Austausch, ihre Techniken, ihre Werte, die Hierarchie ihrer Praktiken beherrschen,
fixieren gleich zu Anfang für jeden Menschen die empirischen Ordnungen, mit denen
er zu tun haben und in denen er sich wiederfinden wird. (Foucault [1966] 1974: 22)
Damit wendet sich Foucault gegen die tradierte Vorstellung, im Zentrum von Er-
kenntnis stehe allein das erkennende Subjekt und dessen freier Wille:
Wenn es aber einen Weg gibt, den ich ablehne, dann ist es der (man könnte ihn, ganz
allgemein gesagt, den phänomenologischen Weg nennen), der dem beobachtenden Sub-
jekt absolute Priorität einräumt, der einem Handeln eine grundlegende Rolle zuschreibt,
der seinen eigenen Standpunkt an den Ursprung aller Historizität stellt – kurz, der zu
einem transzendentalen Bewußtsein führt. (Foucault [1966] 1974: 15)
Foucault negiert dabei keineswegs das Subjekt per se, wie ihm oft vorgehalten wird
(z. B. von Albrecht 2007: 212–214). Das Subjekt soll nicht als ›Spielball‹ der Um-
stände, durch dessen Strukturen seine Handlung determiniert würden, betrachtet
68 2 Diskursverwirrungen
Erkenntnis, Wissen und Wissenschaft sind also nach Foucault immer auch Produk-
te ihrer Zeit.1 Seine Archäologie des Wissens stellt den Versuch dar, »Wissenschaftsge-
schichte als Wissensgeschichte« (Maset 2002: 124) zu beschreiben, wobei Foucault
gerade die Umstände (›Möglichkeitsbedingungen‹; vgl. Foucault [1972] 2007: 35)
interessieren, unter denen bestimmte Formen von Wissen entstehen können. Einer
so gearteten Wissens- (bzw. Diskurs-)analyse geht es also
darum, die Aussage in der Enge und Besonderheit ihres Ereignisses zu erfassen; die Be-
dingungen ihrer Existenz zu bestimmen, auf das Genaueste ihre Grenzen zu fixieren,
ihre Korrelationen mit anderen Aussagen aufzustellen, die mit ihm verbunden sein kön-
nen, zu zeigen, welche anderen Formen der Aussagen sie ausschließt. [. . .] man muß
zeigen, warum er [der Diskurs] nicht anders sein konnte als er war, worin er gegenüber
jedem anderen exklusiv ist, wie er inmitten der anderen und in Beziehung zu ihnen
einen Platz einnimmt, den kein anderer besetzen könnte. Die für eine solche Analyse
typische Frage könnte man folgendermaßen formulieren: was ist das also für eine son-
derbare Existenz, die in dem ans Licht kommt, was gesagt wird, – und nirgendwo sonst?
(Foucault [1969] 1981: 43)
Nun ist Foucault der Meinung, dass die Umstände, unter denen Wissen sich kon-
stituiert, keineswegs chaotisch sind. Er nimmt vielmehr an, dass die Bedingungen,
die das Denken und Handeln der Subjekte disponieren, ein systematisches Netz,
eine ›Ordnung‹, bilden. In seinem frühen Werk Die Ordnung der Dinge formuliert
er diese Annahme als »Ur-Hypothese« seines Konzepts:
Wenn Irrtümer (und Wahrheiten), die Anwendung alter Überzeugungen, einschließ-
lich nicht nur wirklicher Enthüllungen, sondern auch der simpelsten Begriffe in einem
gegebenen Augenblick den Gesetzen eines bestimmten Wissenscode gehorchten? Kurz,
wenn die Geschichte des nichtformalen Wissens selbst ein System hätte? Das war mei-
ne anfängliche Hypothese – das erste Risiko, das ich auf mich nahm. (Foucault [1966]
1974: 9–10)
1 Damit befindet sich Foucault, wenn er diese Bezüge auch niemals selbst hergestellt hat, in
der Nähe einer wissenssoziologischen Tradition, wie sie von Karl Mannheim und Alfred Schütz
initiiert wurde (vgl. Berger/Luckmann [1966] 2003), sowie der Epistemologie Ludwik Flecks
([1935] 2010) und Thomas Kuhns ([1962] 2007), wobei es allerdings auch bemerkenswerte
Unterschiede zwischen diesen Ansätzen gibt. Vgl. zu diesen Traditionslinien zusammenfassend
Detel (2003) sowie Keller (2008).
2.1 Foucaults ›Verunklarung‹ 69
Dieses »System« und die systematischen Beziehungen, die die Grundlage von Wis-
sen bilden, sind es nun, die Foucault mit seiner Diskursanalyse beschreiben will.
Es geht ihm also vor allem um strukturelle Beziehungen, die Wissen konstituieren.
Damit ist bereits angedeutet, was sich hinter dem Ausdruck Diskurs verbirgt.2
Wenn sich Foucault auch vehement gegen die Einordnung als Strukturalist gewehrt
hat – so etwa explizit im »Vorwort zur deutschen Ausgabe« des Buchs Die Ordnung
der Dinge (vgl. Foucault [1966] 1974: 15) –, ist seine (frühe) Diskurstheorie doch
stark von strukturalistischem Denken geprägt; auch Foucault ist eben dem Diskurs
seiner Zeit verpflichtet (vgl. Dreyfus/Rabinow 1994: 126–127, Marti 1999: 48–68).
Das zeigt sich vor allem daran, dass er immer wieder die Beziehungen einzelner
Elemente und die sich daraus ergebende Struktur in den Vordergrund stellt. So wie
sich im Zeichenmodell de Saussures das sprachliche Zeichen primär durch seinen
Wert (›valeur‹) konstituiert, das heißt durch die Beziehung zu anderen sprachlichen
Zeichen im ›System‹, wodurch das System zum eigentlichen Analyseobjekt wird3 ,
so verbinden sich auch bei Foucault die Aussagen (énoncés) mit anderen Aussagen
zu einem komplexen System, dessen Struktur der ›Archäologe‹ zu beschreiben hat.4
Es geht ihm also um
Beziehungen der Aussagen untereinander (selbst wenn diese Beziehungen dem Bewußt-
sein des Autors entgehen; selbst wenn es sich um Aussagen handelt, die nicht den glei-
chen Autor haben; selbst wenn diese Autoren einander nicht kennen); Beziehungen zwi-
schen so aufgestellten Gruppen von Aussagen (selbst wenn diese Gruppen nicht die glei-
chen Gebiete oder benachbarte Gebiete treffen; selbst wenn sie nicht das gleiche formale
Niveau haben; selbst wenn sie nicht der Ort bestimmbaren Austausches sind); Beziehun-
gen zwischen Aussagen und Gruppen von Aussagen oder Ereignissen einer ganz anderen
(technischen, ökonomischen, sozialen, politischen) Ordnung. Den Raum in seiner Rein-
heit erscheinen zu lassen, in dem sich die diskursiven Ereignisse entfalten, heißt nicht,
zu versuchen, ihn in einer Isolierung wiederherzustellen, die nichts zu überwinden ver-
2 In Die Ordnung der Dinge spricht er allerdings in diesem Zusammenhang noch vom epistemo-
logischen Feld bzw. der episteme einer Kultur (vgl. Foucault [1966] 1974: 24). Die Ausdrücke
diskursive Formation bzw. Diskurs erlangen ihre zentrale Bedeutung erst in der Archäologie des
Wissens.
3 Vgl. de Saussure ([1916] 2001: 132–146). Dass es ungeachtet der umstrittenen Verfasserschaft des
Cours de linguistique générale dennoch angebracht ist, hier von ›de Saussures Zeichenmodell‹
zu sprechen, belegen zahlreiche Ausführungen zum ›valeur‹, die sich (im Gegensatz zu vielen
anderen Postulaten des Cours) auch in de Saussures Nachlass finden (vgl. etwa de Saussure
2003).
4 Mit dieser Aneignung von de Saussures Idee steht Foucault bekanntlich nicht allein. Erinnert
sei an dieser Stelle exemplarisch nur an Claude Lévi-Strauss ([1949] 2000), der de Saussures
Konzeption für ethnologische Strukturanalysen von Verwandtschaftsbeziehungen adaptiert.
Vgl. zur Strukturalismus-Rezeption außerhalb der Linguistik ausführlich Albrecht (2007:
179–214).
70 2 Diskursverwirrungen
möchte; heißt nicht, ihn in sich selbst zu verschließen; es heißt, sich frei zu machen, um
in ihm, und außerhalb seiner, Spiele von Beziehungen zu beschreiben. (Foucault [1969]
1981: 44–45; Herv. von uns)
In diesem Zusammenhang wird der ›Diskurs‹ bestimmt als »eine Menge von Aussa-
gen, die einem gleichen Formationssystem zugehören« (Foucault [1969] 1981: 156).
Man kann sich den Diskurs also als ein Netz von Aussagen vorstellen, dessen Ma-
schen die ›diskursive Formation‹ bilden. Das Formationssystem ist die Struktur, die
es erlaubt, dass sich eine bestimmte Form von Wissen zu einem gegebenen Zeit-
punkt konstituieren kann oder eben nicht. Die Veränderung von Wissen ist dem-
zufolge nicht als Wissenszuwachs, sondern als Veränderung der diskursiven Forma-
tionen zu verstehen. Die Aufgabe der Foucault’schen Diskursanalyse ist es nun, die
Struktur dieses ›Netzes‹ und mithin die kontextuell geprägten Bedingungen gesell-
schaftlichen Wissens sichtbar zu machen. In diachroner Hinsicht will sie zeigen, wie
(und warum) sich diskursive Formationen im Verlauf der Geschichte ändern.
Für die Analyse selbst schlägt Foucault vier Schritte vor, die sich in folgenden
Begriffen verdichten: ›Ereignis‹, ›Serie‹, ›Regelhaftigkeit‹, ›Möglichkeitsbedingung‹
(vgl. Foucault [1972] 2007: 35). Zunächst, so Foucault, müssen Diskurse »als En-
sembles diskursiver Ereignisse behandelt werden« (Foucault [1972] 2007: 37). Das
heißt, »man muss akzeptieren, dass man es in erster Instanz nur mit einer Menge
verstreuter Ereignisse zu tun hat« (Foucault [1968] 2001b: 894) und jene »unreflek-
tierten Kontinuitäten außer Kurs [. . .] setzen, durch die man im Voraus und halb im
Geheimen den Diskurs organisiert, den man zu analysieren beabsichtigt« (Foucault
[1968] 2001b: 897); Foucault nennt hier u. a. ›Tradition‹, ›Einfluss‹, ›Entwicklung‹,
›Teleologie‹, ›Evolution‹, ›Mentalität‹, ›Buch‹ und ›Werk‹. Dies ist deswegen nötig,
weil diese Formen der Kontinuität selbst diskursive Konstrukte sind. Der Analysand
würde daher, wenn er den Diskurs mithilfe dieser Kontinuitäten beschriebe, Instru-
ment und Gegenstand der Analyse vermischen und somit die Kontrolle über den
5 Mit Aussage (énoncé) meint Foucault nicht konkret produzierte Äußerungen (tokens), son-
dern alle prinzipiell in einem Diskurs möglichen Aussagen (types) und deren ›Position‹ im
diskursiven System (vgl. dazu Busse 1987: 227–232). Er unterscheidet, ebenfalls durchaus in
strukturalistischer Tradition, zu diesem Zweck (allerdings nicht immer konsequent) zwischen
virtueller Aussage (énoncé) und konkreter Äußerung (énonciation) (vgl. Foucault [1969] 1981:
148–149).
2.1 Foucaults ›Verunklarung‹ 71
Diskurs verlieren (vgl. Foucault [1968] 2001b: 889–891). Foucault geht es also wohl-
gemerkt nicht um eine grundsätzliche Negierung von Kontinuität, sondern darum,
apriorische, ›unreflektierte‹ Setzungen zunächst einmal systematisch außer Kraft zu
setzen, um sich mit Blick auf die »reine Streuung« (bzw. ›Positivität‹) der Ereignis-
se »die Möglichkeit [zu schaffen], andere Einheiten zu beschreiben, aber diesmal
durch eine Gesamtheit kontrollierter Entscheidungen« (Foucault [1968] 2001b: 900/
901; unsere Herv.). Das Ziel ist es also, durch das Aufbrechen jener Kontinuitäts-
setzungen, mittels derer wir üblicherweise die Wirklichkeit ordnen (und die daher
Gegenstand und nicht Ordnungsprinzip von Diskursanalysen sein sollten), die Kon-
trolle über den Diskurs zu erlangen.
Das Konzept der ›Serie‹ schließt an diese Idee an. Unter ›Serien‹ versteht Fou-
cault »homogene, aber zueinander diskontinuierliche« Abfolgen bzw. Okkurrenzen
von Ereignissen (Foucault [1972] 2007: 37). Foucault setzt das Konzept der ›Serie‹,
so wie er das ›Ereignis‹ der ›Schöpfung‹ entgegensetzt, programmatisch dem konti-
nuitätsstiftenden Konzept der ›Einheit‹ gegenüber, um auch hier apriorische Kau-
salitäten aufzulösen und der ›Zufälligkeit‹ von Ereignissen theoretisch Rechnung
tragen zu können:
Und wenn diese diskursiven und diskontinuierlichen Serien innerhalb gewisser Gren-
zen jeweils ihre eigene Regelhaftigkeit haben, so lassen sich zwischen ihren Elementen
zweifellos keine Beziehungen einer mechanischen Kausalität oder einer idealen Not-
wendigkeit herstellen. Der Zufall muß als Kategorie in die Produktion des Ereignisses
eingehen. Auch hier wird deutlich, daß es keine Theorie gibt, welche die Beziehungen
zwischen dem Zufall und dem Denken zu denken ermöglicht.
Die geringfügige Verschiebung, die hier für die Geschichte der Ideen vorgeschlagen
wird und die darin besteht, daß man nicht Vorstellungen hinter den Diskursen behan-
delt, sondern Diskurse als geregelte und diskrete Serien von Ereignissen – diese winzige
Verschiebung ist vielleicht so etwas wie eine kleine (und widerwärtige) Maschinerie, wel-
che es erlaubt, den Zufall, das Diskontinuierliche und die Materialität in die Wurzel des
Denkens einzulassen. (Foucault [1972] 2007: 38; Herv. i. Orig.)
In einem weiteren Schritt gilt es, ›Regelhaftigkeiten‹ (also Muster) zwischen den
und innerhalb der Serien zu beschreiben und damit die diskursive Formation zu re-
konstruieren. Diese ›Regelhaftigkeiten‹ sucht Foucault allein in der ›Positivität‹, also
dem materiellen Auftreten von Ereignissen und Serien im Diskurs, nicht ›hinter‹
dem Diskurs. Insofern ist die Metapher der Archäologie missverständlich: Foucault
geht es gerade nicht darum, etwas Verborgenes ›freizulegen‹, sondern das ›Archiv‹
einer Kultur – darunter versteht er »das Spiel der Regeln, die in einer Kultur das Auf-
treten und das Verschwinden von Aussagen, ihr kurzes Überdauern und ihre Aus-
löschung, ihre paradoxe Existenz als Ereignisse und als Dinge bestimmen« (Foucault
[1968] 2001b: 902; Herv. i. Orig.) – zu beschreiben. In diesen diskursiven Mustern,
an der ›Oberfläche‹ bzw. in der konkreten ›Formation‹ des Diskurses, lassen sich
dann schließlich die ›Möglichkeitsbedingungen‹ des Auftauchens von Aussagen er-
kennen; es lässt sich also Foucaults zentrale Frage beantworten, wie es kommt, »daß
eine bestimmte Aussage erschienen ist und keine andere an ihrer Stelle« (Foucault
72 2 Diskursverwirrungen
[1969] 1981: 42). In dem in diesem Zusammenhang einschlägigen Aufsatz Über die
Archäologie der Wissenschaften fasst Foucault seinen Ansatz bündig zusammen:
Ich habe es also unternommen, die Beziehungen der Koexistenz von Aussagen zu be-
schreiben. Ich habe mich bemüht, keine jener Einheiten zu berücksichtigen, die mir
haben vorgeschlagen werden können und die die Tradition mir zur Verfügung stellte:
sei es das Werk eines Autors, der Zusammenhang einer Epoche, die Entwicklung einer
Wissenschaft. Ich habe mich einzig an die Präsenz von Ereignissen in der Nachbarschaft
meines eigenes Diskurses gehalten – in der Gewissheit, es gleichwohl mit einer kohä-
renten Menge zu tun zu haben, wenn es mir gelänge, zwischen ihnen ein System von
Beziehungen zu beschreiben. (Foucault [1968] 2001b: 905)
In den frühen Schriften, vor allem in der Archäologie des Wissens, hatte Foucault ver-
sucht, Diskurse als geordnete Systeme ›aus sich selbst heraus‹, also nur mit Blick auf
die Aussagen bzw. diskursiven Ereignisse, zu beschreiben. Ab Anfang der 1970er-
Jahre wendet er sich der Frage zu, wodurch der »begrenzte(n) Kommunikations-
raum« (Foucault [1969] 1981: 183), der ein Diskurs ist, begrenzt wird und wie er die
Diskursakteure in ihren sprachlichen und nichtsprachlichen Handlungen begrenzt.
Damit wendet er sich erstmals neben den ›diskursiven Praktiken‹, den Regeln, die
dem Diskurs ›inhärent‹ sind, auch den ›nichtdiskursiven Praktiken‹ zu, also den
gesellschaftlichen, institutionellen und politischen Regularitäten, die mit dem Dis-
kurs in Wechselwirkung stehen. Systematisch behandelt er diese Fragen erstmals in
seiner Antrittsvorlesung am Collège de France, die, wie bereits erwähnt, unter dem
Titel Die Ordnung des Diskurses (L’ordre du discours) publiziert wurde (vgl. Foucault
[1972] 2007).
In den Mittelpunkt dieses Vortrags stellt Foucault die Frage, inwieweit Diskurse
durch die Gesellschaft und die Institutionen, welche sich Foucault wiederum als
Relationssysteme vorstellt, geprägt werden. Dies impliziert natürlich, dass Diskurse
durch nichtdiskursive Praktiken überhaupt kontrolliert werden können. Foucault
bezieht hierzu klar Stellung:
Ich setze voraus, daß in jeder Gesellschaft die Produktion des Diskurses zugleich kontrol-
liert, selektiert, organisiert und kanalisiert wird – und zwar durch gewisse Prozeduren,
deren Aufgabe es ist, die Kräfte und die Gefahren des Diskurses zu bändigen, sein un-
berechenbar Ereignishaftes zu bannen, seine schwere und bedrohliche Materialität zu
umgehen. (Foucault [1972] 2007: 10–11)
Die Beziehung von diskursiven und nichtdiskursiven Praktiken hat man sich dabei
durchaus als wechselhaft vorzustellen. Zwar versuchen die Mitglieder einer Gesell-
schaft, den Diskurs zu »kontrollieren«, wie Foucault schreibt, sie sind dabei aber
selbst in den Diskurs eingebunden. Ihre Einwirkungsmöglichkeiten sind also durch
die diskursive Formation selbst begrenzt. Die »Prozeduren«, die den Diskurs »bän-
digen« sollen, bespricht Foucault in seiner Vorlesung sehr ausführlich. Er ordnet sie
2.1 Foucaults ›Verunklarung‹ 73
drei Kategorien zu: ›Ausschließung aus dem Diskurs‹, ›Verknappung des Diskurses‹
und ›Verknappung der sprechenden Subjekte‹. Die Prozeduren der ›Ausschließung‹
sorgen dafür, dass im Diskurs nur bestimmte Aussagen gemacht werden können.
Seit dem 16. Jahrhundert ist es Foucault zufolge vor allem der ›Wille zum Wissen‹,
der dem erkennenden Subjekt ein bestimmtes technisches und institutionelles Ni-
veau abverlangt, um ›wahr‹ sprechen zu können. Die Prozeduren der ›Verknappung
des Diskurses‹ strukturieren den Diskurs intern, indem sie Hierarchiemuster auf-
bauen: Kanonische Texte stehen ›Kommentaren‹ gegenüber, die diese Texte ständig
interpretieren und damit ihre Aussage vervielfältigen. ›Disziplinen‹, unter denen
Foucault »einen Bereich von Gegenständen, ein Bündel von Methoden, ein Kor-
pus von als wahr angesehenen Sätzen, ein Spiel von Regeln und Definitionen, von
Techniken und Instrumenten« (Foucault [1972] 2007: 22) versteht, verknappen den
Diskurs zusätzlich. Die ›Verknappung der sprechenden Subjekte‹ beschränken den
Zugang zum Diskurs auf bestimmte Teilnehmer. Hier nennt Foucault als Beispie-
le elitäre Zirkel, die über den Diskurs wachen und seine »Geheimnisse« wahren
(›Diskursgesellschaften‹), ›Rituale‹, die u. a. den Zugang zum Diskurs und die Qua-
lifikation der Diskursteilnehmer beschränken und ›Doktrinen‹, die bestimmte Aus-
sagetypen als ›richtige‹ festlegen.
Mit der Analyse der nichtdiskursiven Praktiken hat sich Foucault einem Thema zu-
gewandt, das von nun an (bis zum ersten Band seiner Geschichte der Sexualität) im
Zentrum seiner Überlegungen steht: dem Verhältnis von Diskurs, Macht und Wis-
sen. Zwei dieser Phänomene, Diskurs und Wissen, hat Foucault ja bereits in seinen
früheren Überlegungen in einem engen Zusammenhang gesehen. Mit der Hinzu-
nahme von Macht versucht Foucault nun, eine Verbindung zu den nichtdiskursi-
ven Praktiken herzustellen. Diese Verbindung findet seinen Ausdruck schließlich
im Dispositiv, mit dem Foucault eine Kombination diskursiver und nichtdiskursi-
ver Praktiken mit einer »dominante[n] strategische[n] Funktion« (Foucault [1977]
2003b: 393), also mit Machtwirkungen, bezeichnet (vgl. hierzu S. Jäger 2001).
Die Integration von Macht bedeutet zugleich die Absage an eine tradierte
abendländische »Denktradition«. Diese setze, so Foucault, Macht und Wissen ein-
ander diametral gegenüber, da sie
von der Vorstellung geleitet ist, daß es Wissen nur dort geben kann, wo die Machtver-
hältnisse suspendiert sind, daß das Wissen sich nur außerhalb der Befehle, Anordnun-
gen, Interessen der Macht entfalten kann. Vielleicht muß man dem Glauben entsagen,
daß die Macht wahnsinnig macht und daß man nur unter Verzicht auf die Macht ein
Wissender werden kann. (Foucault [1975] 1994b: 39)
Demgegenüber postuliert Foucault, dass Macht und Wissen sich gerade gegenseitig
bedingen:
74 2 Diskursverwirrungen
Eher ist wohl anzunehmen, daß die Macht Wissen hervorbringt (und nicht bloß fördert,
anwendet, ausnutzt); daß Macht und Wissen einander unmittelbar einschließen; daß es
keine Machtbeziehung gibt, ohne daß sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert,
und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert.
(Foucault [1975] 1994b: 39)
Folgerichtig hängt natürlich auch der Diskurs eng mit Macht zusammen. Der Dis-
kurs, so Foucault, ist keineswegs nur ein Mittel der Mächtigen, ihre Macht auszu-
drücken und aufrechtzuerhalten. Der Diskurs selbst ist es, der Macht produziert.
Wer ›im‹ Diskurs ist, ist gleichzeitig ›in‹ der Macht. Daher ist der Diskurs »die
Macht, deren man sich zu bemächtigen sucht« (Foucault [1972] 2007: 11).
Foucaults Machtbegriff hat für allerlei Verwirrung gesorgt. Man muss wissen,
dass Foucault unter ›Macht‹ kein Repressionsverhältnis versteht. Macht »ist nicht
so sehr etwas, was jemand besitzt«, schreibt er,
sondern vielmehr etwas, was sich entfaltet; nicht so sehr das erworbene oder bewahrte
›Privileg‹ der herrschenden Klasse, sondern vielmehr die Gesamtwirkung ihrer strategi-
schen Positionen – eine Wirkung, welche durch die Position der Beherrschten offenbart
und gelegentlich erneuert wird. (Foucault [1975] 1994b: 38)
Macht ist also für Foucault primär ein Beziehungsgefüge, welches eine Gesellschaft
durchzieht:
die Macht ist nicht eine Institution, ist nicht eine Struktur, ist nicht eine Mächtigkeit
einiger Mächtiger. Die Macht ist der Name, den man einer komplexen strategischen
Situation in einer Gesellschaft gibt. (Foucault [1976] 1997: 114; vgl. dazu auch Seier
2001)
Die hier beschriebene Form der Führung (im ambivalenten Doppelsinn des ›Steu-
erns‹ und des ›Eröffnens von Möglichkeiten‹) bleibt dabei keineswegs auf die (poli-
tische) Regierung beschränkt. Führung findet Foucault zufolge auf ganz verschiede-
nen gesellschaftlichen Ebenen statt (bspw. in der Schule, in Familien, durch gegen-
seitige Sozial- sowie auch durch Selbstdisziplinierung), sie durchzieht – als Macht-
prinzip – die Gesellschaft.
2.1 Foucaults ›Verunklarung‹ 75
Ab den späten 1970er-Jahren entwickelt Foucault die Idee, dass die beschriebe-
ne Art des Führens und Geführtwerdens, und eben nicht eine rein repressiv und
vertikal gedachte Form der Herrschaft, konstitutiv für moderne Staaten sei. In die-
sem Zusammenhang greift er den von Roland Barthes ([1957] 2010: 279) geprägten
Ausdruck gouvernementalité (Gouvernementalität) auf, eine Wortkreuzung aus dem
Adjektiv gouvernemental (›die Regierung/Führung betreffend‹) und dem Nomen
mentalité (›Mentalität‹). Damit will Foucault verdeutlichen, dass es in modernen
Staaten eine kulturell (bzw. diskursiv) verankerte Form der Machtausübung durch
Führung gibt, die die gesamte Gesellschaft durchzieht und dort in bestimmten Füh-
rungstechniken (z. B. Gewährung von Autonomie in Verbindung mit dem Appell
an die Räson) ihren Ausdruck findet. Der Entstehung der modernen Gouvernemen-
talität, die Foucault zufolge eine Kombination von herrschaftlichem ›Regieren‹ und
pastoralem ›Führen‹ ist, geht Foucault in den Jahren 1978 und 1979 im Rahmen
seiner Vorlesungen zur Geschichte der Gouvernementalität am Collège de France
nach (vgl. Foucault [2004] 2006).6 Ein weiteres in diesem Zusammenhang wich-
tiges Konzept ist das der ›Biopolitik‹. Die Biopolitik ist eine bestimmte, für moder-
ne Staaten kennzeichnende Form der Gouvernementalität, eine Form der Führung
und Kontrolle nämlich, die sich auf den menschlichen Körper bezieht und sich
in Reglementierungen zur Sexualität, ganz besonders aber auch in Diskursen über
Sexualität und Körperlichkeit manifestiert (im Blick hat Foucault hier u. a. die Psy-
choanalyse und die Diskurse zur sexuellen ›Befreiung‹ der Nach-1968er-Jahre; vgl.
dazu insbesondere Foucault [1976] 1997).
Foucault ist nicht der einzige Theoretiker, auf den sich die verschiedenen Vertreter
einer linguistischen Diskursanalyse berufen7 , aber er ist zweifellos der einflussreichs-
te und meistzitierte. Dass Foucault häufig in den Bibliographien erscheint, heißt
aber nicht, dass den jeweiligen Texten tatsächlich auch seine Konzepte zu Grunde
liegen: »nicht überall, wo Foucault steht, ist auch Foucault enthalten« (Schöttler
1997: 141). Wenn diese Einführung in die Diskurslinguistik Foucault so viel Raum
beimisst, so soll damit auch die Notwendigkeit unterstrichen werden, die Konzepte,
auf die man sich beruft, gründlich zu reflektieren.
Das heißt aber nicht, dass Foucaults Theoreme unverändert in die Linguis-
tik übertragen werden können. Dies nicht so sehr deswegen, weil Foucault selbst
der Linguistik gegenüber eine eher ambivalente Einstellung pflegte und sich mehr-
fach von ihr abzugrenzen suchte. Diese Abgrenzungsversuche sind, wie die entspre-
chenden Äußerungen Foucaults zeigen (vgl. v. a. Foucault [1969] 1981: 36–38, [1969]
2001c), nicht auf die Sprachwissenschaft als solche gerichtet, sondern dezidiert auf
die prominenten Ausprägungen der Linguistik Ende der 1960er-Jahre, mit denen
die Diskurslinguistik wenig gemeinsam hat, insbesondere auf den Strukturalismus
Saussure’scher Prägung und auf die Generative Grammatik Chomskys, mit dem
Foucault auch eine intellektuelle Rivalität verband (vgl. Chomsky/Foucault 2006).
Wie wir bereits in Abschnitt 1.1.4 angemerkt haben, bezieht sich Foucault explizit
auf den generativen Sprachbegriff, wenn er ›Sprache‹ im linguistischen Sinn »als
endliche Menge von Regeln, die eine unendliche Zahl von Performanzen erlaubt«,
abgrenzt von ›Diskurs‹ als »stets endliche und zeitlich begrenzte Menge allein der
linguistischen Sequenzen, die formuliert worden sind« (Foucault [1968] 2001b: 899).
In gewisser Hinsicht ist Foucaults Diskurskonzept in der Tat inkompatibel zu die-
sen Varianten der Linguistik. Allerdings sollte auch dies nicht überbewertet werden.
Zwar ist es richtig, dass Foucault insbesondere in der Archäologie des Wissens ver-
sucht, mit der Diskursanalyse gewissermaßen ein Gegenprogramm zur strukturalis-
tischen Sprachanalyse zu entwickeln, sich in vielerlei Hinsicht vom Sprachkonzept
des Cours de linguistique générale (de Saussure [1916] 2001) distanziert, betont, dass
sein Gegenstand, der Diskurs, »irreduzibel auf das Sprechen und die Sprache« sei
(Foucault [1969] 1981: 74) und sich mithin auch dem seinerzeit propagierten ›lin-
guistic turn‹8 ein Stück weit verweigert (vgl. dazu insbesondere Sarasin 2010: 63–121
und passim). Allerdings ist auch diese Abgrenzung keineswegs so radikal, wie sie in
der Literatur häufig dargestellt wird. So hält Foucault im selben Jahr, in dem die Ar-
chäologie erscheint, einen Vortrag mit dem Titel Linguistik und Sozialwissenschaften
(vgl. Foucault [1969] 2001c), in dem er der Linguistik (dem Strukturalismus ebenso
wie der Transformationsgrammatik) ganz im Sinne des ›linguistic turn‹ den Rang
zuschreibt, »heute [. . .] für die anderen Sozialwissenschaften als Modell dienen« zu
können (Foucault [1969] 2001c: 1045). Ganz im Gegensatz zur Archäologie betont er
in diesem Vortrag weiterhin gerade die Gemeinsamkeiten der Diskursanalyse und
der Linguistik, und er bezeichnet die Linguistik als eine wichtige Inspirationsquelle
für sein Diskurskonzept – sie habe es »schließlich ermöglicht [. . .], was man die
diskursiven Produktionen nennen könnte, zumindest anzugehen« (Foucault [1969]
2001c: 1051). Insbesondere die strukturalistische Idee der systemischen Relationen
8 Der vielzitierte Ausdruck linguistic turn geht auf den Sammelband von Richard Rorty ([1967]
1988) zurück. Unter dieser Bezeichnung werden postmoderne Ansätze zusammengefasst, die
unter Rückgriff auf strukturalistische und sprachphilosophische Theorien Sprache einen
wirklichkeitskonstituierenden Wert zusprechen. Vgl. dazu einführend Hornscheidt (1997).
2.1 Foucaults ›Verunklarung‹ 77
(›valeurs‹) und – notabene – die Beschränkung auf die Synchronie, die er gegen den
Vorwurf, sie sei »ahistorisch« oder gar »antihistorisch«, vehement verteidigt, nennt
er in diesem Zusammenhang, nicht ohne aber erneut zu betonen, »dass ich [. . .]
kein Strukturalist bin« (Foucault [1969] 2001c: 1063). Auch die »Methode, [. . .] die
[. . .] mit dem Namen ›generative oder Transformationsgrammatik‹ belegt« werde,
interessiere ihn sehr: »Etwas von dieser Methode versuche ich in die Geschichte der
Ideen, der Wissenschaften und des Denkens im Allgemeinen einzuführen« (Fou-
cault [1969] 2001c: 1063–1064). Wenn die Archäologie des Wissens also, wie Sara-
sin (2010: 99) schließt, tatsächlich »eine überdeutliche Absage an Saussure und die
strukturalistische Linguistik« ist (was zu diskutieren wäre), so zeigt dieser kleine
Text, dass dies nicht für Foucault allgemein und nicht einmal für den Foucault der
späten 1960er-Jahre zu gelten hat. Wie sonst wäre es zu verstehen, dass Foucault
postuliert:
Die Linguistik hat es endlich ermöglicht, nicht nur die Sprache, sondern auch die Dis-
kurse zu analysieren, das heißt sie hat es ermöglicht zu untersuchen, was man mit der
Sprache machen kann. (Foucault [1969] 2001c: 1050)
Es geht uns wohlgemerkt nicht darum, die angeblich von Foucault verschmähte
Linguistik diskurstheoretisch zu rehabilitieren. Deutlich wird auch in dem zitierten
Vortrag, dass Foucault in vielerlei Hinsicht über den Rahmen der zeitgenössischen
Linguistik hinauszugehen versucht und dass er im Grunde auch ganz andere Phä-
nomene im Blick hat als jene. Allerdings zeigt sich auch in dieser Frage das für
Foucault so typische Vorgehen des strategischen Positionswechsels – »Man frage
mich nicht, wer ich bin, und sage mir nicht, ich solle der gleiche bleiben« (Foucault
[1969] 1981: 31) –, angesichts dessen höchste Vorsicht hinsichtlich seiner disziplinä-
ren Verortung geboten ist.
Wichtiger als dies ist in unserem Zusammenhang allerdings etwas anderes:
Wie die weiteren Ausführungen zeigen, ist eine einfache ›Übernahme‹ der Fou-
cault’schen Theoreme vor allem methodologisch kaum möglich und aufgrund der
spezifischen Erkenntnisinteressen der Diskurslinguistik auch wenig fruchtbar. Fou-
cault dient der Diskurslinguistik daher in erster Linie als erkenntnistheoretischer
Ausgangspunkt und durchaus auch als Inspiration. Die Methode und insbesondere
auch der Sprachbegriff, der Foucaults Texten zu Grunde liegt, müssen hingegen aus
linguistischer Sicht präzisiert bzw. modifiziert werden.
Etwas Fundamentales jedoch wollen wir von Foucault mit Bestimmtheit über-
nehmen: seinen epistemologischen Standpunkt, dessen wichtigste Grundlage eben
die Auffassung ist, dass Wissen – auch unser Wissen – kulturell, historisch und
sozial verankert ist. Wenn Sarasin schreibt, »Diskursanalyse beziehungsweise Dis-
kurstheorie ist keine Methode, die man ›lernen‹ könnte, sondern [. . .] eher [. . .]
eine theoretische, vielleicht sogar philosophische Haltung« (Sarasin 2006: 8), so ist
ihm zwar entgegenzuhalten, dass auch die Diskursanalyse einer Methodologie be-
darf und ein Arsenal konkreter Methoden besitzt, welche erlernt werden können
und müssen, es ist ihm aber darin recht zu geben, dass der Methode eben auch eine
78 2 Diskursverwirrungen
zept Sprache ja eine wesentliche Rolle. Es steht damit in einer Tradition neuerer
geisteswissenschaftlicher Strömungen, die – u. a. von der strukturalistischen Lin-
guistik inspiriert – Kommunikation und Sprache (in der Nachfolge des ›linguistic
turn‹) ins Zentrum rücken. Als Wissenschaft, deren genuiner Gegenstand Sprache
ist, kann die Linguistik zur Diskursanalyse daher methodisch und inhaltlich We-
sentliches beitragen, zumal die Methoden, die bei der Analyse der Diskurse zur
Anwendung kommen, großteils genuin sprachwissenschaftliche (korpus- und text-
linguistische, semantische, pragmatische, kognitionslinguistische usw.) sind. Zum
anderen verspricht die Erweiterung des Sprachbegriffs um den Diskursbegriff auch
der Linguistik selbst einen Erkenntnisgewinn. Die Analysen von Foucault und an-
deren haben zentrale Aspekte von Sprache ins Licht gerückt, die das Fach lange
Zeit zu wenig beachtet hat: ihre gesellschaftlich-historische Einbettung und ihre
Funktion bei der Konstitution von Gesellschaft und Wissen (vgl. dazu Kapitel 1).
Der Diskursbegriff und die diskursanalytischen Verfahren erweitern den Fokus des
Fachs also beträchtlich. Dass hierfür tatsächlich Bedarf besteht, zeigt die Tatsache,
dass das Diskurskonzept mittlerweile auch außerhalb der spezifisch diskurslinguis-
tischen Teildisziplinen, von etablierten Forschungszweigen wie der Semantik, der
Sprachwandelforschung, der Soziolinguistik und der Textlinguistik, rezipiert wird.
Von diesen heben sich die hier im Mittelpunkt stehenden spezifisch diskurs-
linguistischen Teildisziplinen nicht nur dadurch ab, dass sie den (wie auch immer
verstandenen) Gegenstand ›Diskurs‹ in den Mittelpunkt ihrer Forschungen stellen
(und ihn nicht etwa ›nur‹ hinzuziehen, um andere Phänomene wie ›Bedeutung‹,
›Sprachwandel‹, den Zusammenhang von ›Sprache und Gesellschaft‹ oder das Phä-
nomen ›Text‹ besser zu verstehen), sondern insbesondere auch dadurch, dass sie
sich mit der expliziten Berufung auf die französische Diskurstheorie und auf deren
epistemologische Positionen zu einer Reihe von Grundannahmen bekennen:
– zur Auffassung, dass Sprache in gesellschaftliche, historische und kulturelle Zu-
sammenhänge eingebettet ist und in diesen Zusammenhängen betrachtet werden
muss;
– zur Auffassung, dass Sprache Wirklichkeit (Wissen, Gesellschaft, Kultur etc.)
nicht nur abbildet, sondern auch schafft;
– zur Überzeugung, dass Aussagen nicht isoliert stehen, sondern mit anderen Aus-
sagen verknüpft sind;
– zur Überzeugung, dass gesellschaftliche Wissens- (oder auch Macht-)strukturen
durch die Analyse von Aussagen und Aussagenformationen beschrieben werden
können.
Trotz dieser epistemologischen Übereinstimmungen ist die Diskurslinguistik alles
andere als eine einheitliche Fachrichtung. Im Gegenteil: Die durch die Vertreter
der beiden genannten Varianten vorangetriebene Lagerbildung hat innerhalb der
an den skizzierten Fragestellungen interessierten Linguistik einen starken disziplinä-
ren Verortungszwang zur Folge gehabt. Nur wenige Arbeiten haben sich sowohl auf
80 2 Diskursverwirrungen
die kritischen als auch auf die diskurssemantischen Konzeptionen bezogen – meist
haben sie sich allein einer der beiden Varianten angeschlossen oder sich aber zumin-
dest in deren Nähe positioniert. Ein wissenschaftlicher Austausch mit den Vertrete-
rinnen und Vertretern des jeweils anderen ›Lagers‹, den man angesichts der gemein-
samen Ausgangspositionen und Erkenntnisinteressen ja durchaus erwarten könnte,
fand dabei nur selten statt. Häufig wurden diese schlichtweg ignoriert. In anderen
Fällen wiederum hat man versucht, ihnen (in häufig, zumindest soweit dies durch
die entsprechenden Kommentare ersichtlich wird, reichlich oberflächlicher Kennt-
nis dieser Arbeiten) den diskurstheoretischen Gehalt abzusprechen. Zumeist wurde
in diesem Zusammenhang wiederum Foucault als Kronzeuge ins Feld geführt, den
missverstanden zu haben die Kontrahenten sich gegenseitig vorwarfen. Kurz gesagt
reklamierte jedes dieser Lager für sich, die ›eigentliche‹ und ›richtige‹ linguistische
Diskursanalyse zu betreiben, ein Postulat, das angesichts der Un-Eindeutigkeit von
Diskursanalyse schon bei Foucault selbst der Ironie nicht entbehrt.
Diese teilweise immer noch andauernden Grabenkämpfe haben der Entwick-
lung der germanistischen Diskurslinguistik nicht gut getan, denn in beiden ›La-
gern‹ wurde Wesentliches geleistet, beide haben jeweils spezifische Erkenntnisse er-
zielt und spezifische Methoden entwickelt, deren Kenntnis die ›Gegenseite‹ und
erst recht die Diskurslinguistik als Ganzes nachhaltig vorangebracht hätte. Unseres
Erachtens entbehren diese Differenzen auch der faktischen Begründung. Zwar neh-
men die Vertreter der beiden Varianten jeweils spezifische Teilaspekte des Diskurses
in den Blick, gerade dies aber kann angesichts des komplexen Gegenstands ›Diskurs‹
kaum nachteilig sein. Darüber hinaus sind die konzeptionellen Differenzen keines-
wegs so groß, wie sie in den entsprechenden Auseinandersetzungen gemacht wur-
den. Die nachfolgenden Ausführungen werden dies verdeutlichen. Daher plädieren
wir am Ende dieses Kapitels und insbesondere im methodisch-methodologischen
Kapitel 3 für eine Kombination von Theoremen und Methoden beider diskurslin-
guistischer Traditionen.
Zunächst sollen diese Theoreme und Methoden aber vorgestellt und diszipli-
nengeschichtlich verortet werden. Ausgehend von einer keineswegs exklusiv gemein-
ten Zuteilung zu einem der Kerngegenstände der beiden Formen der linguistischen
Diskursanalyse stellen wir die Entwicklung des einen der beiden Lager unter dem
Titel ›Diskurs und Wissen‹ vor, die Entwicklung des zweiten unter der Überschrift
›Diskurs und Macht‹, wobei deutlich werden wird, dass innerhalb dieser beiden La-
ger jeweils wieder Sonderformen zu differenzieren sind. Als Drittes stellen wir unter
›Diskurs und Text‹ einige Ansätze aus dem Umfeld der Textlinguistik vor, deren Ver-
treter in die geschilderten fachlichen Auseinandersetzungen weniger stark eingebun-
den waren und die Diskurslinguistik als eine erweiterte Form der Textlinguistik und
somit als Fortführung einer bereits etablierten linguistischen Teildisziplin (im Sin-
ne des in Abschnitt 1.1.4 skizzierten ›Erweiterungspostulats‹) verstehen. Schließen
werden wir dieses Kapitel mit dem Versuch einer ersten disziplinären ›Entwirrung‹,
was zu unserer eigenen Methodologie und Methodik (Kapitel 3) überleitet.
2.2 Linguistische Lagerbildung 81
A. Diskurssemantik
Dietrich Busses Dissertation Historische Semantik (1987) ist eines der ersten Bücher,
die sich aus linguistischer Sicht intensiv mit Foucaults Diskurskonzept befassen.
Das Buch entwirft in kritischer Auseinandersetzung mit den historiographischen
Arbeiten von Reinhart Koselleck (Brunner/Conze/Koselleck 1972–1997) und Rolf
Reichardt (1985 ff.) das Programm einer linguistisch begründeten Diskursanalyse,
die Busse (1987: 251) »Diskurssemantik« nennt. Busse greift dabei neben dem Dis-
kurskonzept Foucaults vor allem auf die Idee des ›Sprachspiels‹ von Wittgenstein zu-
rück.9 Die Kombination von ›Sprachspiel‹ und ›Diskurs‹ erscheint Busse vor allem
deshalb nötig, weil der Diskursbegriff Foucaults auf einem defizitären Sprachbegriff
aufbaue und daher nicht vorbehaltlos in die Linguistik transferiert werden könne.
Was Foucault vor allem fehle, sei ein Begriff von ›sprachlichem Handeln‹. Das
liegt nach Busse insbesondere daran, dass Foucaults Sprachbegriff sich am Struktura-
lismus Saussure’scher Prägung orientiere (vgl. allerdings Abschnitt 2.1.2 zu Foucaults
ambivalentem Verhältnis zum Strukturalismus). Durch Foucaults strukturalistische
Ausrichtung, so Busse, werde (sprachliche) Bedeutung zu einer Beziehung zwischen
einem sprachlichem Zeichen und einem kontextunabhängig zu bestimmenden Re-
ferenten reduziert. Aus Sicht der handlungstheoretischen Semantik, die Busse ver-
tritt, konstituiert sich Bedeutung jedoch im Sprachgebrauch selbst, Bedeutung ist
demnach das Ergebnis sprachlichen Handelns und mithin immer kontextuell de-
terminiert. Die ablehnende Haltung Foucaults gegenüber der Linguistik (vgl. dazu
Abschnitt 2.1.5) ist nach Busse die direkte Konsequenz von Foucaults solcherma-
ßen reduziertem Sprachbegriff. Damit benehme sich Foucault aber der Möglichkeit,
Sprache selbst als wissenskonstituierendes Phänomen zu beleuchten:
Indem er Sprache auf die Beziehung eines Zeichens zu einer systematisch angebbaren
›Bedeutung‹ reduziert, muß er die epistemisch relevanten Momente sprachlicher Äuße-
rungen hinter die Sprache selbst verlegen, und mit einem fragwürdigen eigenen ontolo-
gischen Status (als ›Aussagen‹) versehen. (Busse 1987: 243)
Gesellschaft Bedeutung hat« (Busse 1987: 256–257; unsere Herv.). In seiner eigenen
Zusammenfassung des Konzepts weist Busse auch auf die Grenzen der Analyse hin:
Historische Diskurssemantik [. . .] entwirft das Szenario des kollektiven Wissens einer
gegebenen Diskursgemeinschaft in einer gegebenen Epoche hinsichtlich des zum Unter-
suchungsgegenstand erwählten thematischen Bereichs bzw. des Bedeutungsfeldes bzw.
der Diskursformation. [. . .] Die Beschreibung des kollektiven Wissens kann immer nur
erfolgen hinsichtlich eines zum Gegenstand gemachten Diskursbereiches; nur für die-
sen werden die epistemischen Bedingungen, angeschlossenen Bedeutungsfelder, thema-
tischen Vorläufer, verworfenen, aber dennoch präsenten Gegenentwürfe, paradigmati-
schen Voraussetzungen etc. zu formulieren versucht. Das Szenario beschreibt somit im-
mer nur das Umfeld eines einzelnen Bereiches, es kann nicht das gesammelte Wissen
einer Epoche erfassen. (Busse 1987: 267)
Busse und Teubert stellen sich einen Diskurs also prinzipiell als ein Korpus von
Texten vor, die intertextuell aufeinander bezogen sind. Da nun aber ein Korpus
immer materiell begrenzt ist, unterscheiden sie weiterhin drei Abstraktionsgrade
dieses ›Diskurs-Korpus‹:
1. Alle Texte, die Aussagen zu einem bestimmten Thema enthalten (und mithin
den Diskurs bilden), bezeichnen sie dabei als ›imaginäres Korpus‹.
2. Freilich sind nicht all diese Texte erhalten bzw. zugänglich. Die überlieferten
Texte eines Diskurses, das Arsenal an Dokumenten, das der Analyse also prinzi-
piell zugänglich ist, bezeichnen Busse/Teubert als ›virtuelles Korpus‹. Auch die-
ses Korpus ist allerdings in der Regel noch viel zu umfangreich, als dass es einer
Analyse unterzogen werden könnte.
3. Dem Diskursanalytiker komme daher die Aufgabe zu, aus dem virtuellen ein
›konkretes Korpus‹ zu erstellen, welches dann den Ausschnitt aus dem Diskurs
repräsentiere, auf das sich die Analyse konzentriere.
Die Korpusbildung sei aber keineswegs nur der Versuch, einen möglichst repräsen-
tativen Ausschnitt aus einem gegebenen ›Gesamtdiskurs‹ auszuwählen. Sie erfolge
ja auf der Grundlage vorab bestimmter Kriterien, mit denen der Analytiker fest-
lege, wie der zu untersuchende Diskurs (bspw. thematisch und/oder zeitlich) ein-
zugrenzen sei. »Die Konstitution des Diskurses, der das Forschungsobjekt bilden
soll«, schließen Busse und Teubert, »setzt daher stets schon Interpretationshand-
lungen der Forscher voraus« (Busse/Teubert 1994: 16); der Diskurs werde also da-
durch, dass er zum Untersuchungsobjekt gemacht und als Untersuchungsobjekt
eingegrenzt werde, in Teilen erst als Entität konstituiert. Ob die Eingrenzung eines
spezifischen konkreten Korpus sinnvoll sei, lasse sich daher letztlich auch immer
erst ex post beantworten:
Erst wenn die Ergebnisse, d. h. die aufgewiesenen Beziehungen, Strukturen, Gruppie-
rungen von Aussagen, Aussageelementen, Aussageverknüpfungen usw. durch das vorge-
wiesene Korpusmaterial und seine diskurssemantische Analyse als plausibel erscheinen,
wenn sie durch die vorgefundene bzw. vorgeführte Materialität eine These ergeben, die –
soweit dies bei semantischen Aussagen überhaupt möglich ist – am Material objektivier-
bar ist, dann ist die Existenz des fraglichen Diskurses als sinnvolles Untersuchungsobjekt
vollends erwiesen. (Busse/Teubert 1994: 17)
84 2 Diskursverwirrungen
Hinsichtlich der Parameter der Textauswahl bleibt der Aufsatz vage. In einem spä-
teren Text empfiehlt Busse (2003b: 13) nachdrücklich die Konzentration auf ›All-
tagsquellen‹ unterschiedlichen Typs. Damit versucht er der Beschränkung auf so
genannte ›Höhenkammliteratur‹ vorzubeugen, der sich die traditionelle Begriffsge-
schichte häufig unterworfen hatte. Teubert (2006: 48) wiederum, der stärker in der
Korpuslinguistik verwurzelt ist als Busse, plädiert für »eine überschaubare Stichpro-
be«, die gerade nicht nur Alltagsquellen berücksichtigen dürfe, führt aber nicht aus,
wie eine solche diskurslinguistische Stichprobe im korpuslinguistischen Sinn valide
vorgenommen werden kann (vgl. zu diesem Problem Busch 2007: 151–152).
Auch in anderen Punkten sind sich Busse und Teubert weniger einig, als es ihr
einflussreicher Gemeinschaftsaufsatz suggerieren mag. Besonders deutlich wird dies
bei der Frage, wo denn genau der Gegenstand der Diskurssemantik, der ›Diskurs‹
bzw. das ›kollektive Wissen‹ einer Epoche, lokalisiert ist. Für Teubert ist, wie wir
bereits in Abschnitt 1.2.3 dargelegt haben, das Korpus selbst der Diskurs, dieser ist
damit also – hier geht Teubert noch mit Busse/Teubert (1994) konform – nichts
weiter als eine Menge von Texten. Teubert zieht daraus aber sehr viel radikalere
Konsequenzen als Busse: Er schließt erstens gesprochensprachliche Aussagen und
nichtsprachliche Handlungen dezidiert aus seinem Diskursbegriff aus (vgl. Teubert
2006: 42–44): »Eine soziale Praxis, die nicht zum Gegenstand des Diskurses ge-
macht wird, ist auch nicht Teil der diskursiv konstruierten Wirklichkeit« (Teubert
2006: 41). Zweitens liegt für ihn die diskursive Bedeutung, und damit auch das kol-
lektive Wissen, einzig und allein »im Diskurs« (Teubert 2006: 46). Die Aufgabe der
Diskursanalyse sei es also gerade nicht, etwas ›hinter‹ den Texten Verborgenes frei-
zulegen, sondern in der Positivität der Texte sprachliche Muster (Vorkommenshäu-
figkeiten und Verteilungen) herauszuarbeiten. Denn »Sprache als Diskurs ist immer
nur autoreferenziell. Sie referiert auf das, was schon gesagt ist« (Teubert 2006: 42).
Der Diskurs wird damit zur empirisch bestimmbaren Größe.
Ganz anders sieht dies Busse. Ihn interessiert gerade das nicht explizierte Wis-
sen, das aufgrund seiner Selbstverständlichkeit nicht Gesagte:
Nach meiner festen Überzeugung muss die Analyse des unreflektierten, unartikulierten,
als selbstverständlich vorausgesetzten und daher nicht thematisierten aber gleichwohl
diskursstrukturierenden Wissens in jeder historischen Semantik eine zentrale Stelle ein-
nehmen, die als Beitrag zu einer historischen Epistemologie ernst genommen werden
will. (Busse 2000: 43)
B. Linguistische Mentalitätengeschichte
Auch Fritz Hermanns, der die Diskurssemantik maßgeblich mitgeprägt hat und in
einer engen Verbindung zu Busse und Teubert steht, ist am ›unausgesprochenen
Wissen‹ einer gegebenen Gemeinschaft interessiert. Dennoch sind seine Arbeiten
nicht im engeren Sinn als ›diskurssemantisch‹ einzustufen, denn Hermanns schließt
sich weniger an die französische Diskursanalyse als an neuere kulturgeschichtliche
Konzepte an. Neben der Historischen Anthropologie (vgl. Hermanns 1994a) ist dies
vor allem die Mentalitätengeschichte (histoire des mentalités), wie sie im Umkreis der
französischen ›Annales-Schule‹10 entwickelt wurde.
Der Begriff der ›Mentalität‹ ist, wie wir im Prolog bereits angesprochen haben,
nicht weniger schillernd als der Diskursbegriff. Der wissenschaftliche Terminus un-
terscheidet sich auch hier semantisch sehr stark vom alltagssprachlichen, und vie-
le fachliche Definitionsvorschläge konkurrieren miteinander. Eine sehr allgemeine
und damit noch weitgehend unumstrittene hat der Historiker Peter Dinzelbacher
vorgeschlagen:
Historische Mentalität ist das Ensemble der Weisen und Inhalte des Denkens und Emp-
findens, das für ein bestimmtes Kollektiv in einer bestimmten Zeit prägend ist. Menta-
lität manifestiert sich in Handlungen. (Dinzelbacher [1993] 2008: XXI)
10 Die Bezeichnung leitet sich ab vom Namen der Zeitschrift Annales d’histoire économique et
sociale (Paris 1929 ff., heutiger Titel: Annales. Histoire, Sciences sociales). Von einer ›Schule‹ zu
sprechen, ist allerdings irreführend, da die Vertreter, die man gemeinhin den Annales zurechnet,
sehr unterschiedliche Ansätze verfolgt haben. Als wichtigste Vertreter sind zu nennen: Lucien
Febvre, Marc Bloch, Fernand Braudel und die jüngeren Georges Duby, Emanuel Le Roy
Ladurie und Jacques LeGoff. Vgl. dazu Riecks (1989).
86 2 Diskursverwirrungen
Mentalitäten sind demnach kollektive Dispositionen, welche das Denken und Han-
deln der Menschen in einer gegebenen Gesellschaft prägen. Diese Dispositionen
sind meist unbewusst, das heißt, die Menschen sind sich der Mentalität, die ihrem
Denken und Handeln zu Grunde liegt, zwar möglicherweise bewusst, sie reflektie-
ren sie aber in der Regel nicht und stellen sie schon gar nicht in Frage. Die Men-
talitätenhistoriker gehen davon aus, dass Mentalitäten die Handlungen der Men-
schen ›disponieren‹, aber nicht ›determinieren‹. Das bedeutet, dass Mentalitäten
einen Rahmen zur Verfügung stellen, in dem der Einzelne durchaus noch Hand-
lungsspielraum hat. Daher kann man von einer Handlung auch nicht kausallogisch
auf eine Mentalität schließen und umgekehrt. Sellin (1985: 588) verdeutlicht dies
mit Rückgriff auf ein plastisches Bild von Gilbert Ryle ([1949] 2009: 72): Wenn
eine Glasscheibe zu Bruch geht, ist dafür der Steinwurf verantwortlich zu machen,
nicht die Beschaffenheit des Glases. Die Mentalitätengeschichte versucht, die Men-
talitäten einer gegebenen Epoche und den Mentalitätenwandel zwischen Epochen
aus den Quellen (vor allem aus Alltagsquellen) herauszuarbeiten.
Hermanns selbst definiert ›Mentalität‹ als »Gesamtheit von Gewohnheiten bzw.
Dispositionen des Denkens und des Fühlens und des Wollens oder Sollens in ei-
ner sozialen Gruppe« (Hermanns 2002: 80–81).11 Auch ihm geht es dabei primär
um eine Rekonstruktion des »stereotype[n] Wissen[s]«, das »[i]n der Regel [. . .] im
Sprachgebrauch [. . .] als gemeinsames und selbstverständlich akzeptiertes [Wissen]
immer wieder nur vorausgesetzt, d. h. gerade nicht verbalisiert« werde (Hermanns
1994a: 49).
Die linguistische Mentalitätengeschichte, wie sie sich Hermanns vorstellt, soll
eben dieses nicht verbalisierte Wissen aufdecken. Für Hermanns bietet sich dafür
neben der Analyse von Topoi vor allem die Analyse von Wörtern (Lexemen) an,
die er als »Vehikel von Gedanken« (Hermanns 1994a: 55) bezeichnet. Nicht nur sog.
›Fahnen-‹, ›Stigma-‹ und ›Hochwertwörter‹, also Wörter, die sich aufgrund ihrer
hochgradig positiven oder auch negativen Konnotationen besonders gut für verbale
Abgrenzungsgefechte eignen (vgl. dazu Hermanns 1994b), sondern auch »unschein-
bare Wörter, Alltagswörter« (Hermanns 1994a: 55) transportieren, so Hermanns,
gesellschaftlich kodierte Wertvorstellungen und können somit ein Zugang zu Men-
talitäten sein.
Die Quellenbasis einer Mentalitätengeschichte bilden aber nicht Einzeltexte,
sondern Diskurse. Mentalitätengeschichte ist für Hermanns mithin immer auch
Diskursgeschichte. An dieser Stelle schließt sein Ansatz explizit an die Historische
Semantik von Busse und Teubert an (vgl. Hermanns 1995: 86–94). Die Parallelen
zwischen den beiden Konzepten werden auch in dem folgenden Zitat deutlich, in
dem Hermanns den Anspruch seines Ansatzes zusammenfasst:
Die historische Semantik als Mentalitätsgeschichte kann uns Zugang geben zu dem
Denken von sozialen Gruppen der Vergangenheit und auch der Gegenwart, das sich von
11 Mit Rückgriff auf den psychologischen Begriff der ›Einstellung‹ (›attitude‹) vereinfacht er dies
zur »Gesamtheit aller usuellen Einstellungen in einer sozialen Gruppe« (Hermanns 2002: 81).
2.2 Linguistische Lagerbildung 87
unserem eigenen Denken unterscheidet; eo ipso gibt sie uns damit auch Zugang zu den
Wirklichkeiten, die für diese Gruppen wirklich waren oder noch bis heute sind. Damit
trägt sie dazu bei, bewußt zu machen, daß es nicht nur eine, nämlich unsere eigene,
als selbstverständlich unterstellte, Wirklichkeit gibt, sondern viele Wirklichkeiten. Und
sie kann uns also darin üben, andere Wirklichkeiten besser zu verstehen. (Hermanns
1995: 96–97)
Die linguistische Mentalitätengeschichte hat sich in den letzten Jahren als Metho-
de der Sprach(bewusstseins-)geschichtsschreibung etabliert, wie die steigende Zahl
der empirischen Untersuchungen zeigt.12 Wir sind der Meinung, dass die von Her-
manns mitinitiierte Kombination von Mentalitätengeschichte und Diskursanalyse
und der damit verbundene Austausch zwischen Diskurslinguistik und kulturwissen-
schaftlich fundierter Sprachgeschichtsschreibung für beide Seiten ertragreich ist.
C. Linguistische Diskursgeschichte
12 Vgl. bspw. Angelika Linkes Arbeiten zur Sprache des Bürgertums (Linke 1996 u. a.) sowie
die Dissertation von Scharloth (2005b), in der Mentalitätengeschichte und Diskursanalyse
kombiniert werden.
88 2 Diskursverwirrungen
All diese Arbeiten sind gute Beispiele für die praktische Umsetzung einer lingu-
istischen Diskursanalyse. Vor allem jedoch haben die Düsseldorfer Arbeiten die
Diskurslinguistik methodisch bereichert, und zwar – im Gegensatz zu ihren kon-
zeptionellen Vorbildern Busse, Hermanns und Teubert – immer mit Blick auf die
Empirie, aus deren Erfordernissen die Methoden unmittelbar abgeleitet wurden
(vgl. dazu rückblickend Wengeler 2008).
Böke (1996, 1997) hat in ihren Arbeiten vor allem die Verwendung von Me-
taphern untersucht und in diesem Zusammenhang eine diskurslinguistische Meta-
pherntheorie vorgelegt, die sich auf Ansätze der Kognitiven Semantik stützt. Wenge-
ler (1997, 2000, 2003b u. ö.) legt seinen Schwerpunkt auf die Analyse von Argumen-
tationen. In diesem Zusammenhang hat er den Topos-Begriff der Rhetorik in die
Diskurslinguistik übertragen. Niehr (1999 u. ö.) hat sich mit den technischen Anfor-
derungen diskursanalytischer Korpusanalysen auseinandergesetzt. Jung schließlich
hat vor allem versucht, den Diskursbegriff und die Methode der Diskursanalyse
linguistisch präziser zu fassen (vgl. Jung 1996, 2000, 2001, die sich allerdings inhalt-
lich kaum unterscheiden, sowie Jung/Wengeler 1999). Seine Überlegungen sollen
im Folgenden etwas ausführlicher vorgestellt werden, da sie einige wichtige Fragen
der Diskurslinguistik ansprechen, die wir im Verlauf dieses Buchs zu diskutieren
haben.
Busse und Teubert hatten, wie oben ausgeführt, Diskurse in Abgrenzung zu
Foucault und mit Verweis auf Pêcheux nicht als Aussagen-, sondern als Textgeflech-
te bzw. Korpora definiert. Jung lehnt diese Definition ab und plädiert dafür, bei
Foucaults Definition von Diskursen als Aussagenetzen zu bleiben. Er selbst defi-
niert Diskurs daher auch als »Gesamtheit der Beziehungen zwischen thematisch
verknüpften Aussagekomplexen« (Jung 1996: 463). Als Begründung verweist er dar-
auf, dass ein Text in der Regel nicht nur einem Diskurs zugerechnet werden kann.
Einen Text (und erst recht ein Korpus) durchlaufen ja zahlreiche zum Teil recht un-
terschiedliche Diskursstränge, die in Wechselwirkung zueinander stehen. Um diese
Diskursstränge zu entflechten, ist es nach Jung sinnvoller, nach unterschiedlichen
Diskursen innerhalb von Texten (und Korpora) zu suchen, statt das Korpus mit
einem bestimmten Diskurs gleichzusetzen und die anderen Diskursstränge mithin
auszublenden. Außerdem impliziere die Gleichsetzung von Korpus und Diskurs die
Bottom-up-Reihung Phonem – Morphem – Wort – Satz – Text – Diskurs, die Jung für
unangemessen hält, da Aussagen (und damit auch Diskurse) nicht auf der gleichen
Ebene, sondern »irgendwo zwischen der Wort-, Satz- und Textebene anzusiedeln«
seien (Jung 2006: 40). Gleichwohl müsse man bei der Analyse von Diskursen immer
auch inner- und intertextuelle Zusammenhänge berücksichtigen. Der Einheit ›Text‹
wird also die Bedeutung nicht abgesprochen, wohl aber wird sie im Vergleich zum
Diskurs auf eine andere Ebene gestellt. Einig ist sich Jung mit Busse und Teubert
zwar darüber, dass Korpora unumgängliche Hilfsmittel der Diskurslinguistik seien.
»Eine relativ strenge Korpusbasiertheit« ist also auch für ihn »von größter Wichtig-
2.2 Linguistische Lagerbildung 89
keit« (Jung 2006: 41). Allerdings dürften Korpora eben nicht mit Diskursen in eins
gesetzt werden.
Modellhaft sähe das z. B. so aus: Ein Diskurs D1 besteht aus der Menge aller Aussagen A1
bis An . Realisiert werden sie im Rahmen von Texten T1 bis Tn , die allerdings teilweise
auch anderen Diskursen D1 bis Dn , bestehend aus den Aussagen B1 bis Bn , C1 bis
Cn etc., angehören. Diese Aussagen werden in den zeitlich späteren Texten T1 ’ bis Tn ’
bzw. T1 ” bis Tn ” etc. als A1 ’ bis A2 ’ [sic! gemeint ist wohl An ’; Anm. d. Verf.] etc.
wiederaufgenommen. (Jung 2006: 40)
Die Bestimmung von Texten und Korpora als Geflechte verschiedener Diskurse
erlaubt es Jung in einem weiteren Schritt, solche Diskurse analytisch zu trennen.
Zunächst einmal hält er in Übereinstimmung mit Busse/Teubert (1994) fest, dass
ein Diskurs aus forschungspraktischer Sicht sehr unterschiedlich eingegrenzt wer-
den könne und damit vom Analytiker mitkonstituiert werde. Im Bereich des po-
litischen Diskurses etwa könne man so den Diskurs zum Nationalismus, den Dis-
kurs zum Neonationalismus oder auch den Diskurs zum Neonationalismus in der
Walser-Bubis-Debatte (vgl. Schirrmacher 2000) eingrenzen und analysieren. Die
thematisch spezifischeren Diskurse, die Jung ›Teildiskurse‹ nennt, bleiben aber stets
eingebettet in den übergreifenden thematischen ›Gesamtdiskurs‹, der seinerseits wie-
derum Teil des Diskurses einer gegebenen Gesellschaft ist, des Diskurses also, den
Foucault vor Augen hat, welcher thematische Ein- und Abgrenzungen von Diskur-
sen grundsätzlich für problematisch hält, da sie sich an apriorischen Kontinuitäten
orientieren (vgl. Foucault 2001b). Jung lässt diesen gesamtgesellschaftlichen Diskurs
unbezeichnet, vermutlich weil er vorrangig an thematisch eingegrenzten Aussage-
mengen interessiert ist.
Angesichts dieser terminologischen Differenzierung des Gegenstands muss al-
lerdings beachtet werden, dass Jung nichts weiter als eine analytische Modellierung
vorschwebt. So soll etwa die Bezeichnung ›Teildiskurs‹ nicht implizieren, dass in ei-
ner Gesellschaft von vornherein einzelne, klar abgrenzbare Teildiskurse existierten.
Im Gegenteil versucht Jung terminologisch zu verdeutlichen, dass die ›Diskurse‹,
auf die sich konkrete Analysen beziehen, immer perspektivisch vorgenommene Dis-
kursausschnitte sind und dies aus forschungspraktischen Gründen auch sein müssen.
Jungs Vorschlag, nach thematischen Kriterien einzugrenzen, ist nur eine, aber ei-
ne forschungspraktisch durchaus praktikable (wenn auch nicht unproblematische)
Möglichkeit, solche Ausschnitte zu produzieren. Worauf es Jung jedoch ankommt,
ist nicht so sehr festzulegen, welche Kriterien bei der Diskurseingrenzung zum Ein-
satz kommen, sondern vielmehr darauf hinzuweisen, dass diese Kriterien systema-
tisch und transparent sein müssen. Weiterhin soll die terminologische Differenzie-
rung den Analysierenden bewusst halten, dass die analysierten Ausschnitte keine
isolierten Diskurse sind, sondern eben Ausschnitte, die in vielfältigen Beziehungs-
verhältnissen zu neben-, unter- und übergeordneten diskursiven Einheiten stehen.
Ähnlich sind die weiteren Differenzierungen zu verstehen, die Jung vorschlägt.
Neben der thematischen Unterscheidung (in ›Teildiskurse‹) sind dies die Diffe-
90 2 Diskursverwirrungen
Gesamtdiskurs D
Textsorten
C1 C2 C3 C… Cn
Korpus {A1/B1/C1}
A1
A2
A3
Bn
A… B…
B3
Teildiskurse
An B2
Diskursebenen B1
(Kommunikations-
bereiche)
D. Kognitive Diskursanalyse
Wenn man Diskurs als sprachliche Manifestation kollektiven Wissens auffasst und
die Diskursanalyse an neuere linguistische Ansätze anbinden will, dann bietet es
sich an, Theorien und Methoden der Kognitiven Semantik bzw. Kognitiven Linguis-
tik, die die mentale Repräsentation von Wissen untersucht, diskurslinguistisch zu
operationalisieren. Gleichzeitig verspricht diese Verknüpfung einen Erkenntnisge-
winn für die Kognitive Linguistik selbst, denn Diskursanalyse kann als Methode
verstanden werden, mit der kollektive Wissensbestände untersucht und beschrieben
werden können.
Kognitionslinguistische Ansätze haben in der Diskurslinguistik früh eine wich-
tige Rolle gespielt. So ist die Metapherntheorie, auf die sich unter anderem die Lin-
guistische Diskursgeschichte bezieht, nicht nur ein zentraler Bestandteil, sondern
wissenschaftsgeschichtlich sogar der Ausgangspunkt der Kognitiven Linguistik als
eigenständiger Disziplin (vgl. dazu das zentrale Werk von Lakoff/Johnson [1980]
2008). In neueren Arbeiten wurde die kognitionslinguistische Ausrichtung der Dis-
kursanalyse demgegenüber aber noch einmal verstärkt, und es wurden neben der
Metapherntheorie weitere kognitionslinguistische Konzepte, insbesondere die Sche-
matheorie, in die Diskurslinguistik importiert.
In der germanistischen Diskurslinguistik hat vor allem Claudia Fraas diese ko-
gnitionslinguistische Fokussierung initiiert (vgl. bspw. Fraas 1996, 1997, 2000, 2001,
2003). Ausgehend von der These, »dass wir nicht nur eine vorgegebene Welt abbil-
den, sondern dass wir interpretieren, uminterpretieren und im Diskurs Wirklich-
keiten erschaffen« (Fraas 2003: 51), definiert Fraas (1997: 164) Diskurse als »Men-
gen von Texten [. . .], die auf eine gemeinsame inhaltliche Einordnungsinstanz, ein
gemeinsames globales Thema bezogen sind«. Anders als für Jung (und Foucault)
ist ein gemeinsames Thema für sie also diskurskonstitutiv (vgl. auch Fraas/Klemm
2005b: 3–4). Was nun die Analyse betrifft, so geht es Fraas, ähnlich wie Busse, in
erster Linie um die Frage, inwieweit kollektives Wissen, vor allem »stillschweigend
vorausgesetztes Wissen« (Fraas 2003: 57), Diskurse konstituiert und wie umgekehrt
Diskurse das kollektive Wissen prägen. Hinsichtlich der Frage, wo dieses Wissen
zu suchen sei, antwortet sie hingegen im Sinne Teuberts: in den Texten. Denn da
auch »stillschweigendes Wissen [. . .] nicht prinzipiell nicht, sondern nur bezogen
auf einen einzelnen Text nicht verbalisiert [wird]«, da also »[i]m Korpus [. . .] Texte
[existieren], die stillschweigendes Wissen verbal explizieren«, enthielten Korpora im-
92 2 Diskursverwirrungen
13 Als »kulturelles Gedächtnis« bezeichnen Aleida und Jan Assmann kollektive Wissensbestände,
die vor allem in kanonischen Texten und in Ritualen tradiert werden.
14 Die Wurzeln des Konzepts reichen freilich noch weiter zurück bis in die Gestalttheorie. Vgl.
zu einer Vorform des Framekonzepts bspw. Bühlers ›Stoffhilfen‹: »Wenn irgendwo das Wort
›Radieschen‹ vorkommt, dann ist der Leser sofort an den Eßtisch oder in den Garten versetzt;
in eine ganz andere ›Sphäre‹ also [. . .], wie wenn das Wort ›Ozean‹ vorkommt« (Bühler [1934]
1999: 171).
15 Mit der Auszeichnung der Schemata durch Kapitälchen folgen wir einer in der Kognitiven
Linguistik üblichen Konvention.
2.2 Linguistische Lagerbildung 93
fe (bspw. der Ablauf einer Sprechstunde).16 Fraas definiert Frames als »Darstellungs-
rahmen für kontextgebundenes Wissen«, die »komplexe Strukturen aus sogenann-
ten Slots und Fillers« darstellen (Fraas 2000: 41), also als abstrakte kognitive Muster
mit Leerstellen (›Slots‹), welche teilweise mit Erfahrungswerten (›default values‹ bzw.
›Standardwerten‹) besetzt sind (etwa: eine Bibliothek enthält Bücher), teilweise bei
der Produktion und Rezeption von Sprache aber auch mit konkreten Werten (den
›Fillers‹ bzw. ›Füllwerten‹) besetzt werden können, sofern dies ›verstehensrelevant‹ ist
(etwa: Menge und Anordnung der Bücher). Diese Vorstrukturierung ermöglicht es
der Kognitiven Linguistik zufolge den Rezipienten, Zusammenhänge schneller zu
verstehen und mithilfe relativ weniger sprachlicher Daten komplexe Szenarien ko-
gnitiv zu verarbeiten, da aufgrund unseres Erfahrungswissens (der ›default values‹)
nicht alle Leerstellen besetzt werden müssen. Da sprachliche Daten grundsätzlich
unterspezifiziert sind, wird sogar argumentiert, dass Verständigung ohne die Annah-
me eines solchen Schemawissens gar nicht möglich wäre.
Die Analyse geht den umgekehrten Weg. Sie versucht, über die in den Texten
vorgefundenen ›Fillers‹ die Struktur des Rahmens und damit des kollektiven Wis-
sens zu rekonstruieren. Dazu analysiert Fraas bspw. ›Kookkurrenzen‹ in Texten, das
sind usuelle Wortverbindungen, also das gemeinsame Vorkommen von bestimmten
Wörtern über Einzeltexte hinaus (bspw. schütteres Haar, Kampf dem Krebs). Dahin-
ter steht die Auffassung, dass Kookkurrenzen zeigen, welche semantischen Zusam-
menhänge die Sprecher zwischen einzelnen Wörtern im Diskurs ziehen, welche Be-
deutungsbeziehungen für sie also wichtig sind. Wenn im Umfeld des Worts Wald
in verschiedenen Texten die Wörter krank, gesund, sterbend, tot, Schaden, Raubbau
usw. verwendet werden, so weise dies auf den Rahmen Wald als bedrohter Le-
bensraum und damit auf einen ökologisch bestimmten Diskurs hin, wenn dagegen
die Wörter Spaziergang, Wanderung, Radtour, licht, schattig etc. mit Wald kookkur-
rieren, rekurriere dies auf den Rahmen Wald als Ort der Erholung und damit
auf einen ganz anderen Diskurs (Beispiele nach Fraas 2001).
Mit Hilfe der Rahmenanalyse hat Fraas detailliert den Diskurs um die Stellung
Deutschlands und des Deutschen sowie das Selbstverständnis der Deutschen vor
und nach der Wiedervereinigung untersucht (vgl. Fraas 1996, 1997). Aufgrund der
Kookkurrenzanalyse zu den Lemmata Deutsche und Identität kann sie dabei zeigen,
dass sich der Diskurs nach 1989 deutlich verändert hat. So wird Identität nach 1989
sehr viel häufiger und positiver verwendet als zuvor. Wird es vor 1989 vor allem im
Zusammenhang mit der Reproduktion selbstkritischer Stereotype (›Deutsche sind
humorlos, fleißig, trinkfest‹ etc.) gebraucht, so überwiegen nach 1989 Bezüge zum
›Nationalgefühl‹, zur Stellung Deutschlands in der Welt, sowie Thematisierungen
eines durch den Nationalsozialismus angeblich ›zerstörten‹ (aber als notwendig er-
achteten) Patriotismus und der gemeinsamen Kultur, Geschichte und Sprache. Das
16 Die Terminologie ist nicht einheitlich. Fillmore etwa bezeichnet mit ›Frames‹ noch alle
(situative wie dynamische) Schemata. In vielen neueren Arbeiten ist dies ebenfalls der Fall;
statische Schemata werden hiervon dann häufig als ›Szenen‹ terminologisch abgegrenzt.
94 2 Diskursverwirrungen
In einem engagierten Plädoyer hat sich Brigitte Schlieben-Lange (1996) für eine
Operationalisierung des Diskursbegriffs durch die Sprachgeschichtsschreibung aus-
gesprochen. Dessen »unverzichtbare Leistung« bestehe darin,
daß damit Ensembles von Fragestellungen und Argumentationen in ihrer rekurrenten
sprachlichen Ausprägung, die zu einer bestimmten Zeit im Horizont der Zeitgenos-
sen befindlich und erwartbar sind, erfaßt und identifiziert werden. (Schlieben-Lange
1996: 234)
Anders als Busse und Teubert legt Schlieben-Lange Wert darauf, dass »Diskurse kei-
ne Konstrukte ex post, sondern in der Geschichte identifizierte und wirksame Sys-
teme sind« (Schlieben-Lange 1996: 234), weil die Zeitgenossen selbst so etwas wie
ein Bewusstsein von Diskursen bzw. ein ›Diskurswissen‹ haben.18 Dies zeige sich
dadurch, dass die Diskursakteure explizit auf Diskurse bezugnähmen, sich in sie
einordneten und zumindest fremde Diskurse auch thematisieren könnten. Daher
definiert Schlieben-Lange ›Diskurs‹ auch von der Perspektive der Diskursakteure
aus: als »Ensemble von Rekurrenzen, das von den Zeitgenossen als zusammenge-
hörig und systematisch aufeinander bezogen interpretiert wird« (Schlieben-Lange
1996: 236; unsere Herv.). Mit ›Rekurrenzen‹ sind dabei musterhaft wiederkehrende
»Themen, Fragestellungen, Präsentation von Daten und Resultaten, Argumentati-
onsverfahren und Metaphern« (Schlieben-Lange 1996: 235) gemeint. Ihre Frequenz,
also ihr verstärktes Auftreten zu einem gegebenen Zeitpunkt, hält Schlieben-Lange
für die auffälligsten Diskursindikatoren.
Ein wesentlicher Unterschied zu den bereits beschriebenen Ansätzen besteht
darin, dass Schlieben-Lange Diskurse nachdrücklich in der Synchronie verankert.
Damit unterscheidet sie ›Diskurse‹ – in dezidierter Abgrenzung zu Foucault – von
›Serien‹, die kein Bestandteil des Diskurses seien, sondern eine zeitliche Abfolge
verschiedener ›Diskursstadien‹ darstellten. ›Texte‹ wiederum seien von ›Diskursen‹
insofern abzugrenzen, als sie als Produkte von Individuen, die in diskursiven Zusam-
menhängen stünden, einerseits »den Diskursen angehören, sie aber auch überschrei-
ten« (Schlieben-Lange 1996: 237), die diskursiven Muster durchbrechen und damit
Diskurse »in the long run zerstören« (ebd.) können. Wenn auch die destruktive Me-
taphorik der Zerstörung wohl zu drastisch ist, so steckt dahinter doch ein wichtiger
Gedanke: dass nämlich Aussagen und Handlungen nicht nur vom Diskurs geprägt
sind, sondern dass sie diesen umgekehrt auch prägen (können). Weiterhin betont
Schlieben-Lange, dass ein Text zwar immer nur vor dem Hintergrund des Diskurses
zu verstehen sei, in den seine Verfasser eingebunden sind, er entfalte aber die dis-
kursiven Muster immer nur bis zu einem gewissen Grad, da die Verfasser der Texte
das Diskurswissen der Rezipienten voraussetzten.
Das heißt, daß das im Text explizit Gesagte weniger ist als das durch Kenntnis des
Diskurses Ergänzbare. Oder anders gesagt: die Formulierungen, die im Einzeltext ver-
wendet werden, sind Abkürzungen für Hinweise auf im Diskurs verankerte Zusammen-
hänge. Sie lösen ein diskursiv gespeichertes Wissen aus. (Schlieben-Lange 1996: 238)
Das Oldenburger Projekt ist auch deswegen interessant, weil es versucht, der
diskurslinguistischen Lagerbildung zu entkommen. So knüpfen Gloy und seine
Mitarbeiter einerseits stark an methodische und theoretische Überlegungen der Dis-
kurssemantik und der Linguistischen Diskursgeschichte an, sie greifen aber auch auf
Ansätze aus der Kritischen Diskursanalyse (vgl. dazu unten Abschnitt 2.2.2) zurück.
Thematisch geht es den Oldenburgern vor allem um Diskurse, in denen ethische
Konflikte ausgetragen werden, in denen also soziale Stratifizierungen, wie sie die
Kritische Diskursanalyse in den Blick nimmt, von zentraler Bedeutung sind. Ana-
lysiert wurden beispielsweise mediale Debatten zu Peter Singers Buch »Praktische
Ethik« und zum ›Kruzifix-Urteil‹ des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Mai 1995
sowie ethische Konflikte in Talk-Shows. Ein Ziel des Projekts war es, mit Hilfe der
Diskursanalyse eine ›Linguistik des Streitens‹ (Gloy 1996) zu entwickeln. Bezüglich
der kontroversen Fragen der Diskurstheorie nehmen die Oldenburger dabei eben-
falls in vielerlei Hinsicht eine vermittelnde Position ein. So wird die Frage, ob ein
›Diskurs‹ eine Menge von Aussagen oder eine Menge von Texten sei, mit einem
›Sowohl-als-auch‹ beantwortet, da Aussagen immer in einem textuellen Zusammen-
hang stünden. ›Diskurse‹ werden demgegenüber im Anschluss an Siegfried Jägers
Kritische Diskursanalyse definiert als »Menge einzelner miteinander verwobener Dis-
kursstränge, die wiederum nach Diskursthemen zu unterscheiden und auf verschie-
denen Diskursebenen anzusiedeln sind« (Bluhm et al. 2000: 12). Diese vermittelnde
Position ist nicht immer überzeugend, mitunter (etwa bei der theoretischen Model-
lierung von ›Diskurs‹) entsteht der Eindruck, dass theoretische Probleme einfach
umgangen werden. Im Kontext der Entwicklungsgeschichte der Disziplin jedoch
kommt dem Oldenburger Projekt, das methodisch auf die klassischen diskurslingu-
istischen Verfahren (Metaphern-, Argumentations-, Kohärenz- und Kohäsionsana-
lyse sowie Stereotypensemantik) setzt, das nicht gering zu achtende Verdienst zu,
gezeigt zu haben, dass sich die beiden vordergründig so unterschiedlichen Zugänge
zum Diskurs, der epistemologische und der kritische, mit Gewinn verbinden lassen.
Dass ›Macht‹ ein zentraler Gegenstand in Foucaults Werk ist, kann niemand,
der sich mit diesem auseinandergesetzt hat, ernsthaft bestreiten. Wie wir in Ab-
schnitt 2.1.4 dargelegt haben, ist Macht dabei für Foucault keineswegs nur ein As-
pekt oder Effekt des Diskurses, sie ist ein konstitutiver Bestandteil, der sich vom
Phänomen des Wissens auch nicht trennen lässt. Wir erinnern in diesem Zusam-
menhang an Foucaults Postulat, »daß Macht und Wissen einander unmittelbar ein-
schließen; daß es keine Machtbeziehung gibt, ohne daß sich ein entsprechendes
Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehun-
gen voraussetzt und konstituiert« (Foucault [1975] 1994b: 39). Eine Diskurslinguis-
tik, die sich auf Foucault beruft, kommt also am Thema ›Macht‹ nicht ohne Wei-
98 2 Diskursverwirrungen
teres vorbei. Dessen sind sich auch die meisten Vertreterinnen und Vertreter des
epistemologisch-diskurssemantischen Ansatzes bewusst. Selbst erklärte Gegner der
machtanalytischen Diskurslinguistik wie Dietrich Busse räumen daher ein, »dass
die Beschreibung von (sich z. B. in diskursiven Strömungen und Dispositiven zei-
genden) Machtstrukturen durchaus Gegenstand einer deskriptiven Wissenschaft
sein kann« (Busse 2008: 64). Die zentrale Streitfrage in der Kontroverse zwischen
den epistemologisch-diskurssemantischen und den kritisch-machtanalytischen dis-
kurslinguistischen Ansätzen ist also nicht so sehr die, ob Macht ein Gegenstand
der Diskurslinguistik ist bzw. ob Diskursanalyse Machtanalyse einschließt. Die
Kontroverse dreht sich vielmehr darum, wie und mit welchem Ziel eine solche
Analyse durchgeführt werden soll bzw. kann. In der zitierten Stellungnahme Bus-
ses (vgl. dazu u. a. auch Wengeler i. Dr.) manifestiert sich diese Streitfrage in
den Schlüsselwörtern Beschreibung und deskriptive Wissenschaft. Diese verweisen
auf ein wissenschaftstheoretisches Selbstverständnis, auf das sich die Vertreter der
epistemologisch-diskurssemantischen Diskurslinguistik mehrheitlich (mit Ausnah-
me der Oldenburger und einiger anderer) gegenüber den machtanalytischen beru-
fen: den Anspruch, Diskurse allein ›deskriptiv-analytisch‹ (d. h. nicht wertend) zu
beschreiben. Die Vertreter der machtanalytischen Diskurslinguistik hingegen haben
das Ziel, diskursive Strukturen darüber hinaus auch zu bewerten. Dieser Unterschied
ist deswegen so brisant, weil die Frage, ob es der Wissenschaft zusteht, Wertungen
vorzunehmen, in der Wissenschaft allgemein und in der Linguistik im Besonderen
kontrovers diskutiert wird. Insbesondere die vom taxonomischen Strukturalismus
geprägte moderne Linguistik hat diese Frage lange Zeit vehement verneint: Lingu-
istik habe sich, so die verbreitete Auffassung, auf die Deskription sprachlicher Phä-
nomene zu beschränken, präskriptive bzw. normative Aussagen (wie z. B. Sprach-
kritik) seien hingegen ›unwissenschaftlich‹ (vgl. dazu grundsätzlich Cameron 1995,
Schiewe 1998, Spitzmüller et al. 2002, Ortner/Sitta 2003, Spitzmüller 2005b, Kilian/
Niehr/Schiewe 2010). Die daraus resultierende Unterscheidung – ›wissenschaftlich-
deskriptiv‹ auf der einen, ›ideologisch-wertend‹ auf der anderen Seite – hat dabei,
wie Deborah Cameron festgestellt hat, den Rang eines für viele Fachvertreter identi-
tätsstiftenden Antagonismus erlangt. ›Beschreibst du nur oder wertest du schon?‹ ist
die Gretchenfrage, die die Sprachwissenschaftler von über Sprache reflektierenden
Laien unterscheiden soll:
Prescriptivism [. . .] is the disfavoured half of a binary opposition, ›descriptive/prescrip-
tive‹; and this binarism sets the parameters of linguistics as a discipline. The very first
thing any student of linguistics learns is that ›linguistics is descriptive not prescriptive‹ –
concerned, in the way of all science, with objective facts and not subjective value judge-
ments. Prescriptivism thus represents the threatening Other, the forbidden; it is a spectre
that haunts linguistics and a difference that defines linguistics. (Cameron 1995: 5)
Die meisten Vertreter machtanalytischer Ansätze lehnen, wie gesagt, diese Ein-
schränkung ab. Sie wollen zu den gesellschaftlichen Strukturen, die sie mit Hilfe dis-
kurslinguistischer Verfahren offenlegen, auch dezidiert Stellung beziehen. Ganz be-
2.2 Linguistische Lagerbildung 99
sonders deutlich artikulieren diesen Anspruch die Vertreter der bekanntesten macht-
analytischen Variante der Diskurslinguistik, der Critical Discourse Analysis (CDA).
Das Attribut kritisch, das diese Ausprägung der Diskursanalyse spezifiziert, ist also
Programm: »CDA is biased – and proud of it« (van Dijk 2001: 96). Es rekurriert dar-
über hinaus aber auch auf eine epistemologische Haltung, die die gesellschaftliche
Verortung von Wissen und insbesondere auch von gesellschaftlichen und wissen-
schaftlichen Theorien zum Anlass für eine ›kritische Distanz‹ zum Gegenstand und
zum eigenen Standpunkt nimmt. Ruth Wodak hat diesen ›Kritik‹-Begriff mit Blick
auf dessen Verwendung in der CDA folgendermaßen umschrieben:
Basically, ›critical‹ is to be understood as having distance to the data, embedding the
data in the social, taking a political stance explicitly, and a focus on self-reflection as
scholars doing research. (Wodak 2001: 9)
Wenn auch ein expliziter Anschluss daran nur in einigen Arbeiten vorgenommen
wird, so bezieht sich dieser Kritik-Begriff doch sehr stark auf den der Kritischen
Theorie, die in Deutschland vor allem mit der so genannten ›Frankfurter Schule‹
und deren Hauptvertretern Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Herbert Mar-
cuse und Jürgen Habermas verbunden ist.19 Die Kritische Theorie thematisiert (in
Anlehnung an die Theorien Karl Marx’) gesellschaftliche Zustände der Gegenwart,
vor allem Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die sie zu überwinden versucht. Da-
bei hebt sie, ähnlich wie Foucault, die historisch-soziale Verortung aller Theorien
hervor, woraus eine kritische Reflexion aktueller Theorien und konsequenterweise
auch eine kritische Selbstreflexion (daher: kritische Theorie) resultiert.
Ein weiterer Unterschied zu den epistemologischen Ansätzen besteht darin,
dass sich die CDA, wenn sie sich auf Foucault bezieht (viele Arbeiten schließen eher
an andere Theorien und Theoretiker an), einen anderen Werkabschnitt vor Augen
hat. Legt die diskursive Wissensanalyse vor allem dessen frühe Arbeiten zugrunde,
so bilden vor allem die Arbeiten aus der mittleren Werkphase den Ausgangspunkt
für die Foucault-bezogene CDA, Arbeiten also, in denen Foucault das Verhältnis
von Diskurs und Macht analysiert hatte (vgl. oben Abschnitt 2.1.4). Folgerichtig
geht es der CDA in erster Linie darum, inwieweit der Diskurs Machtverhältnisse
spiegelt und konstituiert.
Bei allen Unterschieden im Detail lassen sich dabei einige Grundannahmen
festhalten, die alle Ansätze aus dem Umkreis der CDA teilen. Wie leicht zu erkennen
ist, decken sie sich teilweise auch mit den epistemologischen Grundannahmen der
anderen linguistischen Diskurstheorien (nach Wodak 2001: 6 und passim; vgl. auch
Wodak/Meyer 2009b):
19 Vgl. einführend zur Kritischen Theorie Figal (2002). Neben der Frankfurter Schule sind – auch
mit Blick auf die theoretische Basis der CDA – vor allem die Arbeiten Louis Althussers und
Antonio Gramscis sowie Michail Bachtins bzw. Valentin Vološinovs linguistische Ideologie-
Theorie zu nennen.
100 2 Diskursverwirrungen
– Sprache ist eine ›soziale Praktik‹; sie muss daher stets im Kontext gegebener his-
torischer und kultureller Situationen betrachtet werden.
– Neben Individuen bringen auch Kollektive und Institutionen spezifische Mei-
nungen und Wertvorstellungen durch ihre Sprachverwendung systematisch zum
Ausdruck bzw. propagieren diese.
– Die maßgeblichen kommunikativen Einheiten sind Texte; eine umfassende ›kri-
tische‹ Analyse muss aber über Texte (und Sprache) hinausgehen und auch nicht-
diskursive Praktiken in Betracht ziehen.
– Hörer und Leser rezipieren Texte nicht ›passiv‹, sie konstituieren bei der Rezepti-
on aktiv Bedeutung.
– Die sprachlichen Praktiken verschiedener Kollektive (bspw. Institutionen und
Wissenschaften) weisen Gemeinsamkeiten auf, die herauszuarbeiten sind.
– Sprache spiegelt nicht nur Machtverhältnisse wider, sie kann auch dazu dienen,
Machtverhältnisse zu verfestigen (oder zu unterlaufen).
Aufgrund ihres spezifischen Interesses an Machtstrukturen präferiert die CDA be-
stimmte Untersuchungsdomänen und Themenbereiche. Bevorzugte Domänen für
die Analyse sind Institutionen, Politik und die Massenmedien. Zu den bevorzugten
Themen gehören Rassismus, die soziale Konstitution von Geschlecht (›Gender‹)
und soziale Stereotype.
Die CDA hat sich längst und viel früher als andere diskursanalytische Ansätze
in der Sprachwissenschaft etabliert. Ihre Wurzeln reichen bis in die 1970er-Jahre
zurück (vgl. zum Folgenden Wodak 2001 und Wodak/Meyer 2009b). Unter der
Bezeichnung Critical Linguistics wurde in jener Zeit vor allem an der Universität
East Anglia erstmals eine Theorie entwickelt, die das ideologische Potenzial von
Diskursen aufdecken und kritisch kommentieren wollte (wichtige Vertreter dieser
Schule, die heute weitgehend in der CDA aufgegangen ist, waren Roger Fowler,
Robert Hodge, Tony Trew und Gunther Kress). Die Arbeiten der Critical Lin-
guistics haben maßgeblich auf die Entwicklung der CDA eingewirkt, die in den
1980er-Jahren begann. Seit Beginn der 1990er-Jahre haben die verschiedenen Vertre-
terinnen und Vertreter der CDA begonnen, verstärkt miteinander zu kooperieren
und ein internationales Forschungsnetzwerk aufzubauen. Das Resultat dieser Ko-
operation ist ein reger internationaler Forschungsaustausch, der sich in einer gan-
zen Reihe von dedizierten Publikationen, Publikationsorganen (CDA-spezifische
Zeitschriften und Reihen), Symposien, Forschungsprojekten, Institutionen und Ar-
beitsgemeinschaften manifestiert. Inzwischen gibt es sogar auf CDA spezifizierte
linguistische Lehrstühle. Auch Einführungen von Vertretern verschiedener kritisch-
diskursanalytischer ›Schulen‹ liegen vor. Angesichts dieses beachtlichen internatio-
nalen Erfolgs der CDA wird oft übersehen, dass es neben dieser aber auch weitere
kritisch-machtanalytische Spielarten der Diskurslinguistik gibt, die sich teilweise
mit Nachdruck von der CDA abzugrenzen versuchen und deren Ansätze mitunter
stark kritisieren.
2.2 Linguistische Lagerbildung 101
Als wichtigste Repräsentanten der internationalen CDA gelten die Engländer Nor-
man Fairclough (1995, 2001, [1989] 2010a, [2003] 2010b) und Paul Chilton (1998,
2006), der Niederländer Teun A. van Dijk (1993, 2001, 2010) und die Österreicherin
Ruth Wodak. Sie haben jeweils spezifische Ansätze entwickelt, arbeiten aber auch
eng zusammen. In diesem Abschnitt werden die Ansätze von Fairclough und van
Dijk sowie eine viel beachtete neuere Ausprägung der CDA, die Social Semiotics,
kurz vorgestellt. Wodaks Ansatz wird im nächsten Abschnitt besprochen.
Die Bezeichnung Critical Discourse Analysis hat sich vor allem durch Fair-
cloughs Arbeiten etabliert. Bereits in den frühen 1980er-Jahren hat dieser die Be-
zeichnung für die Analyse gesellschaftlicher Strukturen durch die Analyse des
Sprachgebrauchs eingeführt, angelehnt an die Arbeiten der Critical Linguistics, in-
spiriert u. a. von der systemisch-funktionalen Linguistik Hallidays ([1978] 1994, [1985]
2007), welcher Sprache als soziales und funktionales System ansieht, weswegen er
die strukturalistische Abstraktion einer kontextfreien langue ablehnt und statt des-
sen eine ›funktionale Grammatik‹ und eine ›soziale Semiotik‹ propagiert; weiterhin
von der Ideologietheorie Antonio Gramscis, der kritischen Literaturtheorie Michail
Bachtins, der Sprachtheorie Valentin Vološinovs sowie von den Arbeiten Foucaults
(einige der wichtigsten Aufsätze sind in Fairclough 1995 versammelt). Konkret geht
es Fairclough dabei vor allem um die Analyse des Verhältnisses von Sprache, Macht
und Ideologie. Über die Analyse hinaus verfolgt er einen dezidiert aufklärerischen
Anspruch. Seine CDA versteht er deshalb auch als Instrument der Gesellschaftskri-
tik, »as a resource for people who are struggling against domination and oppression
in its linguistic forms« (Fairclough 1995: 1).
Fairclough geht von der Annahme aus, dass der Prozess der Bedeutungskonsti-
tution (›Semiose‹) eine zentrale Rolle innerhalb allgemeiner gesellschaftlicher Pro-
zesse einnimmt. Soziales Leben versteht er als Netzwerk sozialer Praktiken, durch
die Bedeutung konstituiert werde. Sprache, die nur eine (wenn auch sehr wichtige)
Form der Bedeutungskonstitution neben anderen semiotischen Praktiken darstellt,
betrachtet Fairclough als Form der Handlung, durch die gesellschaftliche Struktu-
ren gefestigt werden. Die Art und Weise, wie gesprochen wird, wie gesellschaftli-
che Hierarchien durch spezifische sprachliche Konventionen (›orders of discourse‹)
repräsentiert werden und wie sich kollektive (ethnische, soziale, geschlechtsspezifi-
102 2 Diskursverwirrungen
Einen anderen Weg schlägt van Dijk vor. Wie Fairclough geht es ihm primär um
den Zusammenhang zwischen Sprache und Macht. Allerdings ist van Dijk der Mei-
2.2 Linguistische Lagerbildung 103
nung, dass dieser Zusammenhang nicht direkt ableitbar ist: Zwischen der sozialen
›Makroebene‹, auf der er die Macht verortet, und der ›Mikroebene‹, auf der Kommu-
nikation stattfinde, müsse es daher noch ein weiteres Glied (»missing link«) geben,
das Sprache und Macht verbindet.
This means that CDA has to theoretically bridge the well-known ›gap‹ between micro
and macro approaches, which of course is a distinction that is a sociological construct
in its own right. (van Dijk 2010: 354)
Zur Rekonstruktion des sozialen Wissens greift van Dijk auf linguistische Metho-
den der Text- und Gesprächsanalyse zurück, die uns von den anderen wissensba-
sierten Ansätzen großteils schon bekannt sind: Er analysiert Lexembedeutungen,
syntaktische Strukturen (bspw. die Verwendung des Passivs als Distanzmarker), Me-
taphern, Topoi, Argumentationsmuster, die Berufung auf Autoritäten, Formen des
Sprecherwechsels (›turn taking‹), Betonung, Intonation, Kohärenz- und Kohäsi-
onsmittel sowie pragmatische Phänomene wie Höflichkeitsformen, Pejorativa und
Sprechakte (vgl. für eine ausführliche Beschreibung und für praktische Beispiele van
Dijk 2001, 2009, 2010). Darüber hinaus strebt er eine detaillierte Beschreibung des
Kontextes an, in dem eine Äußerung steht (dazu gehören Textsorten, Kommunikati-
onsbereiche, Sprecherrollen, der soziale und institutionelle Status von Produzenten
und Rezipienten, die Handlungssituation und thematische Verknüpfungen zu an-
deren Texten). All dies soll dazu beitragen, das explizit geäußerte und das präsuppo-
nierte Wissen, die Einstellungen und Werthaltungen eines bestimmten Kollektivs
sowie die Machtstrukturen, die sich dahinter verbergen, offenzulegen. Da nun aber
die Analyse sehr ins Detail geht (und nach van Dijk auch gehen muss), ist sie eher
104 2 Diskursverwirrungen
auf wenige repräsentative Einzeltexte als auf große Korpora ausgerichtet (vgl. van
Dijk 2001: 99). Dies ist – neben der dezidiert politischen Grundhaltung – einer der
größten Unterschiede der Methode van Dijks zu den beschriebenen epistemologi-
schen Ansätzen, die durchweg korpusbasiert sind.
Eine neuere Variante der CDA, die sich dezidiert auf Hallidays systemisch-funk-
tionale Linguistik beruft und personell eng mit der Critical Linguistics verzahnt ist,
ist die so genannte Social Semiotics. Diese vor allem mit den Namen Gunther Kress
und Theo van Leeuwen verbundene ›Schule‹ wurde in den letzten Jahren stark re-
zipiert und in zahlreichen Varianten weiterentwickelt. Wir müssen uns hier mit
einigen kursorischen Hinweisen begnügen und verweisen ansonsten auf die mitt-
lerweile zahlreichen Einführungen, Handbücher und Sammelbände zum Thema.
Grundsätzlich teilen die Vertreter der Social Semiotics, insbesondere Kress und van
Leeuwen, die beschriebenen sprachtheoretischen Ansichten: Sprache wird als soziale
Praxis verstanden, in der Bedeutung in Form von Aushandlungsprozessen konstitu-
iert wird. Im Anschluss an Halliday ([1978] 1994) verstehen Kress und van Leeuwen
Sprache dabei als Sinnpotenzial (›meaning potential‹), als Ressource also, derer sich
die Akteure bedienen, um konkrete soziale Bedeutung interaktiv herzustellen. Dis-
kurse definieren sie entsprechend als »socially constructed knowledges of (some as-
pects of ) reality« (Kress/van Leeuwen 2001: 4). Dies entspricht einem in der CDA
sehr weit verbreiteten Diskursbegriff (vgl. dazu Wodak/Meyer 2009b: 5–6).
Das eigentlich Neue an der Social Semiotics ist, dass sie über den Bereich der
verbalen Sprache konsequent hinausgeht. Der Einsicht folgend, dass Texte grund-
sätzlich ›multimodal‹ sind (also verschiedenartige, nicht nur verbale Zeichen ver-
wenden), untersucht die Social Semiotics die Bedeutung von Bildern, der Typogra-
phie, der Trägermaterialität, aber auch der Platzierung von Texten im Raum, der
zeitlichen Sequenzierung gesprochener Sprache und von Filmen, und vieles mehr
(vgl. Hodge/Kress [1988] 1999, Kress/van Leeuwen 2001, 2008, van Leeuwen 2006).
Dem kritischen Anspruch der CDA bleibt die Social Semiotics dabei verbunden
(vgl. dazu insbesondere van Leeuwen 2008).
Der Ansatz von Ruth Wodak hätte mit gutem Recht auch im vorherigen Abschnitt
vorgestellt werden können, denn Wodak gilt auch international als eine der expo-
niertesten Vertreterinnen der CDA, arbeitet eng mit Fairclough, van Dijk und ande-
ren Vertretern der internationalen CDA zusammen und publiziert einen beträchtli-
chen Teil ihrer Beiträge in englischer Sprache. Daneben hat sie allerdings auch die
deutschsprachige Forschung stark geprägt. Mit ihrem Namen ist daher eine der bei-
den wichtigsten Schulen einer deutschsprachigen Kritischen Diskursanalyse (KDA)
verbunden. Die zweite wichtige Schule, die im Anschluss an die Ausführungen zu
Wodak kurz vorgestellt wird, hat sich um den Duisburger Sprachwissenschaftler
2.2 Linguistische Lagerbildung 105
Siegfried Jäger gebildet. Beide Namen stehen stellvertretend für eine ganze Reihe
von Forscherinnen und Forschern, die im jeweiligen Umkreis eine Vielzahl von dis-
kurskritischen Arbeiten vorgelegt haben.
Wodaks ›Wiener Diskursanalyse‹, die stark von der Kritischen Theorie und der
Soziolinguistik Basil Bernsteins geprägt ist, geht von der Beobachtung aus, dass in
einer Gesellschaft verschiedene Ideologien, Identitätskonstruktionen und ›Wahrhei-
ten‹ miteinander konkurrieren (vgl. zur Theorie Wodak et al. 1998: 41–103, Reisigl/
Wodak 2001: 31–90 und Wodak/Reisigl 2009, zur Entstehungsgeschichte Reisigl
2007a). Sie will die Beziehungen und Differenzen zwischen diesen unterschied-
lichen Weltentwürfen erklären und kritisch kommentieren. Dazu wählen Wodak
und ihre Mitarbeiter einen pragmatisch und historisch ausgerichteten Ansatz, der
sowohl sprachliche (›discursive practices‹) als auch allgemeine Bedeutungszuschrei-
bungen (›semiotic practices‹) berücksichtigt. Großen Wert legen sie dabei auf die
Berücksichtigung des Kontextes, in den ein Diskurs eingebettet ist. Unter ›Kontext‹
verstehen die Wiener dabei (1) sowohl den textinternen ›Kotext‹ als auch (2) inter-
textuelle und interdiskursive Beziehungen, (3) außersprachliche Variablen (›Situati-
onskontext‹) und (4) den weiteren soziopolitischen und historischen Kontext (vgl.
Wodak/Reisigl 2009: 93, Reisigl/Wodak 2001: 41). In verschiedenen Analyseschrit-
ten werden die jeweiligen Kontextebenen herausgearbeitet, wobei die Reihenfol-
ge der Analyse von der Kontexthierarchie abweicht. Zunächst wird der historische
und gesellschaftliche Kontext (4), in den eine Äußerung eingebettet ist, detailliert
dargestellt. Anschließend werden Sprecherstandpunkte, Textsorten und Kommuni-
kationsbereiche (3) im gesellschaftlichen Kontext analysiert. Dann untersucht die
Wiener Diskursanalyse den ›Kotext‹ (1), wobei bspw. Personenzuschreibungen (Be-
zeichnungen, Kategorisierungen, Charakterbeschreibungen, Stereotype, Identitäts-
und Alteritätszuschreibungen etc.), Argumentationsstrategien (v. a. Topoi), Stand-
punkte und argumentative Fokussierungen analysiert werden. Schließlich werden
implizite und explizite Verweise auf andere Texte und Diskurse (2) analysiert.
Im Gegensatz zu den oben dargestellten internationalen Ansätzen versucht Wo-
dak (wie auch Jäger) ihren Diskursbegriff genauer zu bestimmen. Dass deutschspra-
chige Forscher dies tun, ist sicherlich kein Zufall. Es dürfte einerseits mit der spe-
zifischen Forschungssituation und andererseits mit dem Faktum zusammenhängen,
dass Diskurs im Deutschen – anders als bspw. im Englischen und Französischen
– keine alltagssprachliche Tradition hat und dass die moderne bildungssprachliche
Verwendung außerdem stark von Habermas’ Diskurskonzept geprägt ist. Wodak/
Reisigl (2009: 89) definieren ›Diskurs‹ als
– a cluster of context-dependent semiotic practices that are situated within specific
fields of social action,
– socially constituted and socially constitutive,
– related to a macro topic,
– linked to the argumentation about validity claims such as truth and normative valid-
ity involving several actors who have different points of view.
106 2 Diskursverwirrungen
Diskurse manifestieren sich nach Auffassung der Wiener CDA zwar häufig in
Texten, sind aber nicht als Menge von Texten (Korpora) zu verstehen. Den Ver-
knüpfungszusammenhang stellen Themata (Wodak und Reisigl differenzieren da-
bei Hauptthemata – ›macro topics‹ – und Nebenthemata – ›sub topics‹), sprachli-
che Muster und Handlungsfelder20 (›fields of social action‹) her (vgl. die graphische
Darstellung in Reisigl/Wodak 2001: 38, Wodak/Reisigl 2009: 91).
Die thematischen Schwerpunkte der Analyse liegen im Bereich der geschlechts-
spezifischen Kommunikation, der Institutionenkommunikation sowie insbesonde-
re im Bereich der politischen Vorurteile und Stereotype. Die Wiener Diskursanaly-
tiker, deren diskurslinguistische Arbeit Mitte der 1980er-Jahre mit einer Studie zur
›Waldheim-Affäre‹ in Österreich ihren Ausgang nahm, richten ihr Augenmerk dabei
besonders auf nationalistische, rassistische und antisemitische Stereotype im öster-
reichischen und deutschen Alltagsdiskurs. Sie wollen zeigen, dass diese Stereotype
auch außerhalb einer rechten Szene wirksam sind, dort allerdings weniger offensicht-
lich, weshalb es einer kritischen Analyse bedarf, um sie aufzudecken. Verbunden ist
die Analyse, wie bei den anderen diskurskritischen Stellungnahmen auch, mit einer
dezidiert politischen (antirassistischen und antinationalistischen) Selbstverortung.
Dies gilt auch für die Arbeiten von Siegfried Jäger bzw. seiner Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter aus dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung
(DISS). Auch in diesen Arbeiten geraten vor allem rassistische, antisemitische und
nationalistische ›Sedimente‹ im Alltagsdiskurs in den Blick. Das DISS will dabei
aus einer antinationalistischen Perspektive heraus dezidiert Aufklärung betreiben,
es soll »auf restaurative und undemokratische Tendenzen« hingewiesen und somit
»Wissenschaft gegen den Strich« betrieben werden. »Ziel der Arbeit ist, durch Ana-
lysen und Studien einen Beitrag zur Demokratisierung zu leisten.«21
Jägers Diskurstheorie gründet auf drei Ansätzen: auf dem Diskurskonzept Fou-
caults, auf dessen Weiterentwicklung zu einer diskurskritischen Methode durch den
Literaturwissenschaftler Jürgen Link und auf der Tätigkeitstheorie Alexej N. Leont-
jews. Mit Foucault ist Jäger der Ansicht, dass Aussagen immer nur im Kontext eines
kollektiven Wissens, das in Raum und Zeit verortet ist, betrachtet und interpretiert
werden können. Sie sind Bestandteil von Diskursen, die Jäger »als eine artikulatori-
sche Praxis [begreift], die soziale Verhältnisse nicht passiv repräsentiert, sondern diese
im Fluß von sozialen Wissensvorräten durch die Zeit aktiv konstituiert und organisiert«
(S. Jäger 2009: 23; Herv. i. Orig.). Mithin konstituierten Diskurse auch Wirklich-
keit. Allerdings versucht Jäger in kritischer Auseinandersetzung mit Foucault, die
handelnden Subjekte stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Er weist dabei auf ei-
nen kritischen Punkt in Foucaults Konzept hin, den schon Busse zum Anlass einer
Modifikation der Diskurstheorie genommen hatte: die unzureichende Auseinander-
20 Als »Handlungsfelder« bezeichnen die Wiener Ausschnitte aus der sozialen Wirklichkeit, die ei-
nen Diskurs mitkonstituieren (z. B. politische Propaganda, parlamentarische Gesetzesdebatten
etc.). Vgl. Reisigl/Wodak (2001: 36).
21 http:// www.diss-duisburg.de <3.12.2010>.
2.2 Linguistische Lagerbildung 107
setzung Foucaults mit dem Zusammenhang von Diskurs, Sprache und Handeln.
Hatte Busse versucht, diese Lücke in Foucaults Theorie mit dem Sprachspielkon-
zept Wittgensteins zu füllen, so schlägt Jäger vor, die Tätigkeitstheorie Leontjews
mit der Diskurstheorie Foucaults zu verknüpfen. Der sowjetische Psychologe A. N.
Leontjew (vgl. v. a. Leontjew [1975] 1987) definiert ›Tätigkeit‹ als allgemeinste Ka-
tegorie menschlichen Tuns, unter die er auch Denken und Sprechen subsumiert.
Damit setzt er sich explizit von einer abendländischen Denktradition ab, die Spre-
chen und Handeln voneinander unterscheidet und nur letzteres als ›Tätigkeit‹ im
eigentlichen Sinne begreift. Leontjew betont, dass auch Denken (und Sprechen)
Tätigkeiten sind, die unmittelbar mit anderen Tätigkeiten zusammenhängen. Jäger
fasst den zentralen Punkt der Theorie folgendermaßen zusammen:
Tätigkeit ist danach zunächst als der Zusammenhang von Denken, Sprechen und Han-
deln zu begreifen. Wohlgemerkt: als der Zusammenhang. Denn keine dieser genannten
Fähigkeiten ist von den anderen unabhängig. Es gibt kein Sprechen ohne Denken, kein
Tun und keine Arbeit ohne Denken, und auch Sprechen und Denken selbst sind als
Tätigkeiten zu verstehen. Über die Fähigkeit, zu denken und zu sprechen – und das
ist das aufregend Neue an Leontjews Theorie – würden die Menschen gar nicht verfügen,
wenn sie nicht tätig wären bzw. ihre Vorfahren nicht tätig gewesen wären. (S. Jäger 2009:
83; Herv. i. Orig.)
Wichtig ist für Jäger nun, dass der Mensch sich tätig mit der Wirklichkeit auseinan-
dersetzt und dabei bspw. aktiv Sinn konstituiert, indem er den Objekten Bedeutung
zuweist. Zwischen dem Subjekt und dem Objekt steht also vermittelnd die Tätig-
keit. Die Tätigkeit, die stets einem ›Motiv‹ entspringt und auf ein ›Ziel‹ ausgerichtet
ist, vollzieht sich, so Jäger weiter, in Form einzelner ›Handlungen‹ und Handlungs-
muster (›Operationen‹), die in der Regel zu komplexen Ketten verknüpft sind. Die-
se Handlungsmuster (Frames, Scripts, Routinen, Normvorstellungen) eignet sich
der Mensch aktiv an. Hier ist die Schnittstelle vom Individuum zur Gesellschaft
angesprochen, an der Jäger Leontjew nicht mehr weiter folgt. Leontjew hat zwar
das Individuum stets in seinem sozialen Kontext situiert, doch glaubt er, dass die
›objektive Bedeutung‹, aus der heraus die Individuen ›subjektiven Sinn‹ ableiteten,
vorgegeben sei. Jäger betont demgegenüber, dass auch die ›objektive‹ (kollektive)
Bedeutung aktiv (diskursiv) konstituiert wird.
Daher schließt er das Diskurskonzept Foucaults an die Tätigkeitstheorie an:
Während diese die soziale und historische Konstitution von Wirklichkeit in den
Blick rückt, dabei aber das aktiv handelnde Individuum etwas aus dem Blick ver-
liert, fokussiert jene menschliche Tätigkeit als Grundlage von Existenz, ohne aber
die gesellschaftliche Konstitution von Sinn ausreichend zu berücksichtigen. Jäger
versucht also, die jeweiligen Defizite der einen Theorie mit den Stärken der ande-
ren auszugleichen.
Den (Gesamt-)Diskurs modelliert Jäger (2009: 129) als »Fluß von ›Wissen‹
durch die Zeit« und als komplexes »Gewimmel« einzelner, thematisch eingegrenz-
ter ›Diskursstränge‹, die in einem komplexen Wechselverhältnis zueinander stehen
108 2 Diskursverwirrungen
siers [konkreten Korpus; d. Verf.], der erfahrungsgemäß bei den meisten Forschungsvor-
haben zunächst meist viel zu groß angesetzt wird, kann reduziert werden, indem man
z. B. die Fragestellung modifiziert, wobei dies genau begründet werden muss. (S. Jäger
2009: 197–198)
In neueren Arbeiten hat Jäger vorgeschlagen, die KDA zu einer ›Dispositivanalyse‹
auszubauen (vgl. S. Jäger 2001, 2006). Er greift damit einen Ausdruck aus Foucaults
späteren Arbeiten auf, mit dem dieser eine Verbindung ›diskursiver‹ und ›nichtdis-
kursiver Praktiken‹ mit einer bestimmten ›strategischen Ausrichtung‹ bezeichnet hat
(vgl. oben Abschnitt 2.1.4). Gleichzeitig ist der Schritt von der Diskurs- zur Disposi-
tivanalyse jedoch auch die Konsequenz aus Jägers Leontjew-Rezeption. Mit Leont-
jew nimmt Jäger ja an, dass Denken/Sprechen und (nichtsprachliches) Handeln
Formen von ›Tätigkeit‹ seien, die man nicht trennen könne. Damit wird letztlich
auch Foucaults Trennung zwischen ›diskursiven‹ und ›nichtdiskursiven‹ Praktiken
obsolet. Jäger übernimmt also von Foucault den Ausdruck ›Dispositiv‹, lehnt aber
die Trennung zwischen diskursiven und nichtdiskursiven Praktiken mit Rückgriff
auf Leontjew ab. Er geht statt dessen davon aus, dass jegliche ›Tätigkeit‹ diskursiv
gesteuert sei und ihrerseits den Diskurs steuere. Das ›Dispositiv‹ modelliert er dabei
als Beziehungsgefüge, in dem ›diskursive Praktiken‹ (das ›Gesagte‹/›Sagbare‹), ›nicht-
diskursive Praktiken‹ (›Handlungen‹) und ›Gegenstände‹ (›Sichtbarkeiten‹/›Verge-
genständlichungen‹) in Wechselwirkungen stehen. Sowohl der Diskurs als auch die
Gegenstände und Handlungen verdankten ihre Existenz kollektivem (diskursivem)
Wissen, welches sie umgekehrt ›zum Ausdruck‹ brächten.
Die Dispositivanalyse stellt also eine Erweiterung der Wissensanalyse dar, die
nicht nur den Diskurs (die sprachlichen Praktiken), sondern auch nichtdiskursive
Praktiken mit dem Ziel, kollektive Wissensbestände freizulegen, analysiert, wie dies
übrigens bereits Foucault, etwa in Überwachen und Strafen ([1975] 1994b), vorge-
führt hat, worauf Jäger auch hinweist. Ob eine derart umfassende Wissensanalyse
operationalisierbar ist, wird sich allerdings erst zeigen müssen. Jäger selbst räumt
der Diskursanalyse in seinen Vorüberlegungen auch innerhalb der Dispositivanaly-
se immer noch den zentralen Platz ein. Die Analyse der nichtsprachlichen Praktiken
bleibt damit vorerst nur eine Ergänzung diskursanalytischer Untersuchungen.
Dieser kurze Überblick über wichtige Theorien aus dem Umkreis der CDA konnte,
wie angekündigt, nicht mehr als ein Einblick in eine Variante linguistischer Diskurs-
analyse sein, die sich ständig weiterentwickelt, in neue Subdisziplinen diversifiziert
– die Social Semiotics, die ihrerseits bereits wieder zahlreiche Varianten ausgebildet
hat, ist nur ein Beispiel dafür – und weltweit Forscherinnen und Forscher anzieht.
Angesichts der internationalen Erfolgsgeschichte der CDA – bzw., wie es van
Dijk neuerdings (vgl. van Dijk 2010) bevorzugt nennt, CDS (Critical Discourse Stud-
ies) – sollte jedoch nicht übersehen werden, dass es durchaus auch noch andere
Spielarten der kritischen Diskursanalyse gibt, die mit der CDA nur bedingt zu tun
haben. Im folgenden Abschnitt wird einer dieser Ansätze vorgestellt. In diesem Zu-
sammenhang sollen auch kritische Stimmen zur CDA zu Wort kommen.
110 2 Diskursverwirrungen
»Power is not a bad thing – those who are in power will confirm it«, beginnt
Jan Blommaert seine lesenswerte Einführung in die Diskursanalyse (Blommaert
2007: 1). Das klingt sehr nach CDA: ›Macht‹ als Gegenstand und gleichzeitig ei-
ne bereits zu erahnende Kritik an Machtverhältnissen. Und dennoch versteht sich
Blommaert dezidiert nicht als Anhänger der CDA – im Gegenteil, er äußert in sei-
nem Buch deutliche Kritik an deren Ansätzen, die weiter unten auch zur Sprache
kommt.
Blommaert, von Haus aus Afrikanist, versteht sich in erster Linie als Soziolingu-
ist, er ist aber auch stark beeinflusst von der amerikanischen Linguistic Anthropology.
Seine Arbeitsschwerpunkte liegen zum einen im Bereich der Migration und Globali-
sierung (vgl. Blommaert 2003, 2010), zum andern ist er ein ausgewiesener Exponent
der Sprachideologieforschung (vgl. Blommaert 1999a). Bei letzterer handelt es sich
um eine in den letzten Jahren bedeutsam gewordene Fachrichtung, die in der So-
ziolinguistik und der Linguistischen Anthropologie verankert ist (vgl. die Arbeiten
von Schieffelin/Woolard/Kroskrity 1998, Gal/Woolard 2001, Bauman/Briggs 2003
sowie den Überblick von Milani/Johnson 2008). Sie untersucht, wie Sprachideolo-
gien diskursiv konstruiert werden. ›Ideologien‹ werden dabei nicht auf politische
Werthaltungen eingeschränkt, sondern man fasst darunter Werthaltungen aller Art.
Sprachideologien sind demnach »sets of beliefs about language articulated by users
as a rationalization or justification of perceived language structure and use« (Silver-
stein 1979: 193), und sie werden in ›Debatten‹ (›language ideological debates‹) ver-
handelt, die Blommaert als »struggle over [. . .] definitions of social realities« versteht,
bei denen »various representations of realities [. . .] are pitted against each other –
discursively – with the aim of gaining authority for one particular representation«
(Blommaert 1999a: 11). ›Diskurse‹ definiert er im Gegensatz dazu als »meaningful
symbolic behaviour[s]« (Blommaert 2007: 2).
Über die Analyse metasprachlicher Äußerungen versucht die Sprachideologie-
forschung, die Werthaltungen und Einstellungen der Sprecher zu Sprache und
Kommunikation zu rekonstruieren. Blommaert legt dabei besonderen Wert zum
einen auf die historische Einbindung dieser sprachideologischen Diskurse, zum an-
deren interessiert er sich stark für die diskurssteuernden Akteure, die er ›ideology
brokers‹ nennt, das sind »categories of actors who, for reasons we set out to in-
vestigate, can claim authority in the field of debate (politicians and policy-makers,
interest groups, academicians, policy implementers, the organized polity, individual
citizens)« (Blommaert 1999b: 9). Damit bringt er eine lange vernachlässigte Größe,
die Akteure, zurück in den Fokus analytischen Interesses.
Wichtige Gegenstände dieser Analysen sind also: diskursiv verankerte Werthal-
tungen (›Ideologien‹), ihre Aushandlung sowie der Kampf um Autorität bzw. Macht
im Diskurs. Im Gegensatz zu vielen Vertretern der CDA und im Einklang mit Fou-
cault bezieht sich Blommaert dabei aber nicht auf einen repressiven Machtbegriff.
2.2 Linguistische Lagerbildung 111
Ihm geht es mehr um »power effects« (Blommaert 2007: 1), und er betont, dass
Macht kontextuell determiniert ist. Dabei verwendet er in Anlehnung an die Kon-
textualisierungstheorie (vgl. Auer 1986) einen dynamischen Kontextbegriff: Kontex-
te sind demnach nicht vorgegeben, sondern sie werden interaktiv hergestellt. Be-
sonderen Wert legt Blommaert dabei darauf, dass Texte durch die Herauslösung
aus einem bestimmten Kontext und die Wiedereinbindung in einen anderen neue
diskursive Bedeutung erlangen. In Anlehnung an Bauman/Briggs (1990) spricht er
in diesem Zusammenhang von ›Textualisierung‹ (›entextualization‹):
Entextualisation refers to the process by means of which discourses are successively or
simultaneously decontextualised and metadiscursively recontextualised, so that they be-
come a new discourse associated to a new context and accompagnied by a particular
metadiscourse which provides a sort of ›preferred reading‹ for the discourse. This new
discourse has become a ›text‹: discourse lifted out of its interactional setting and trans-
mitted together with a new context. (Blommaert 2007: 47)
Dieses Konzept ist insbesondere für Untersuchungen im Bereich der Migration und
Globalisierung wichtig, denn gerade hier stehen die Akteure ja häufig vor dem Pro-
blem, dass ihre Äußerungen aufgrund der ihnen ›fremden‹ Kontexte nicht so ver-
standen werden, wie sie es möchten. Sie machen die grundlegende Erfahrung, dass
»texts [. . .] do not travel well« (Blommaert 2007: 78). Das Konzept ist aber unserer
Meinung nach auch grundsätzlich für die Diskurslinguistik relevant, denn Texte
wandern ja nicht nur geographisch, sondern auch über die Zeit, und selbst wenn
wir einen zeitgenössischen Text aus unserer eigenen Kultur analysieren, analysieren
wir ihn nolens volens in ›textualisierter‹ Form.
Im Zusammenhang mit dieser Soziolinguistik der Mobilität entwickelt Blom-
maert einige Konzepte, die für die Diskurslinguistik relevant sind. Das erste ist das
bereits im 1. Kapitel kurz angesprochene Konzept der ›voice‹, das Blommaert von
Dell Hymes (1996) übernimmt. Unter ›voice‹ verstehen Hymes und Blommaert die
Fähigkeit, sich in bestimmten Situationen ›Gehör‹ zu verschaffen, also das selbst
gesteckte kommunikative Ziel zu erreichen:
I [. . .] defined voice [. . .] in general as the ways in which people manage to make them-
selves understood or fail to do so. This capacity to make oneselves understood, I argued,
is a capacity to generate an uptake of one’s words as close as possible to one’s desired
contextualisation. It is, in other words, the capacity to accomplish desired functions
through language. More accurately, it is the capacity to create favourable conditions for
a desired uptake [. . .]. (Blommaert 2007: 68)
anderen für den sozialen Erfolg wichtig, und auch der von Bernstein so genannte
›elaborierte Code‹ bringt nur in bestimmten Kontexten (die Bernstein pauschali-
siert hatte) soziale Vorteile. Worin Blommaert Bernstein aber zustimmt, ist die An-
nahme, dass Sprache aufgrund der sozialsymbolischen Werte, die wir bestimmten
sprachlichen Formen zuschreiben22 , eine Ursache für soziale Ungleichheiten ist.
[Voice] is about function, and function is affected by the social ›values‹ – in a politico-
ecomomic sense – attributed to particular linguistic resources [. . .]. In general, we can
say that every difference in language can be turned into difference in social value –
difference and inequality are two sides of a coin, a point often overlooked or minimised
in analysis. (Blommaert 2007: 68–69)
Blommaert geht also davon aus, dass es diskursiv etablierte ›Ordnungen‹ gibt, die
den Wert kommunikativer Varianten jeweils vorgeben (und die in den sprachideolo-
gischen Debatten ausgehandelt werden). Entsprechend hängt die ›voice‹ von der je-
weils gültigen indexikalischen Ordnung ab, die sich wiederum retrospektiv über die
Reaktionen der Akteure auf bestimmte Sprachverwendungen rekonstruieren lässt.
Indexikalische Ordnungen bestimmen mithin – auf Foucault gewendet –, was im
Diskurs wie gesagt werden kann. Somit lassen sich sowohl der Diskurs als auch
die von ihm geschaffenen sozialen Stratifizierungen und Ungleichheiten über die
Analyse metasprachlicher Praktiken soziolinguistisch rekonstruieren.
Was nun die CDA angeht, so macht Blommaert auf einige Defizite und Proble-
me aufmerksam, die teilweise in der Theorie angelegt sind, teilweise die Umsetzung
betreffen. Ein grundsätzliches Problem, auf das viele Kritiker hingewiesen haben,
darunter auch solche, die selbst kritische Analysen betreiben (vgl. die Beiträge in
22 Vgl. hierzu grundsätzlich Bourdieu ([1980] 2004), auf den sich auch Blommaert beruft.
2.2 Linguistische Lagerbildung 113
Blommaert et al. 2001), ist, dass viele Vertreter der CDA den selbst formulierten
Anspruch, den eigenen Standpunkt kritisch zu reflektieren, in der Praxis nicht um-
setzen. So gehen viele Arbeiten (in der Tradition der Kritischen Theorie) davon aus,
dass die ›moderne Industriegesellschaft‹ grundsätzlich repressiv und nach bestimm-
ten sozialen Hierarchien organisiert sei. Dies wird als gegeben angenommen und
gerade nicht im Sinne kritischer Distanz als diskursives Konstrukt gesehen und
entsprechend hinterfragt. So geraten diese Arbeiten in die Gefahr, ein aufgrund
präferierter sozialer Modelle vorderhand angenommenes Resultat auf die Daten zu
projizieren und mithin die eigenen Anschauungen immer nur selbst zu bestätigen
(vgl. dazu auch Widdowson 1995, 1996, 1998, Verschueren 2001): »One ideological
frame is replaced by another – a capitalist framing of meanings is ›criticised‹ by
substituting it with an anti-capitalist one« (Blommaert 2007: 32). Besonders pre-
kär sei dies deswegen, weil die Analyse durch die mangelnde Selbstreflexion oft
als ›objektive‹ Beschreibung der Tatsachen daherkomme (vgl. Blommaert 2007: 32–
33; Slembrouck 2001). Eine weitere Kritik betrifft die Schwerpunktsetzung vieler
(wenn auch nicht aller; vgl. Fairclough/Wodak 1997: 271–280) CDA-Arbeiten auf
politisch-soziale Themen der Gegenwart. Die CDA begebe sich damit in die Gefahr,
den politisch-sozialen Diskurs einer bestimmten Zeit und Kultur zu verabsolutieren
und sich damit wiederum letztlich immer nur selbst zu bestätigen. Wie Blommaert
(2007: 33–37) betont, blende ein solches Themensetting (das nahezu ausschließ-
lich hochindustrialisierte Gesellschaften des 20. und 21. Jahrhunderts im Blick hat)
zwei grundlegende Aspekte von Diskursen aus: ihre Historizität und ihre Kulturge-
bundenheit. Dies wirke sich nicht zuletzt auch auf das Kernthema ›Macht‹ aus, da
die soziale Stratifizierung im politisch-sozialen Kontext hochindustrialisierter und
medialisierter Kulturen eben nur bedingt etwas über die soziale Dynamik von Dis-
kursen generell aussage. »One could say, by way of summary, that CDA overlooks
sociolinguistics« (Blommaert 2007: 36).
Weiterhin wird der Sprachbegriff kritisiert, der vielen CDA-Arbeiten zugrunde
liegt. Sprache werde, so Blommaert (2007: 32/34–35; vgl. auch Widdowson 1998 und
Warnke/Spitzmüller 2008b: 21–22), als Kommunikationsmittel und als ›Vehikel‹ so-
zialer Strukturen verabsolutiert. Die Analyse impliziere, dass die Machtverhältnisse
in den Texten stecken. Die Bedeutung des Kontexts werde damit vernachlässigt,
die konkrete ›Textualisierung‹ spiele keine Rolle, ebenso wenig, wer die Rezipienten
sind – kurzum: pragmatische Aspekte der Kommunikation werden zugunsten einer
(kontextabstrakten) Semantik ausgeblendet.
Im Gegensatz zur grundsätzlichen Ablehnung der Kritischen Diskursanalyse
durch viele Vertreter der germanistischen Diskurslinguistik richtet sich die beschrie-
bene Kritik nicht gegen eine gesellschaftskritische und wertende Form der Diskurs-
analyse als solche, sondern gegen einzelne Annahmen der CDA sowie gegen die
wissenschaftlichen Praktiken in bestimmten (allerdings sehr einschlägigen) Arbei-
ten dieser im internationalen diskurslinguistischen Kontext dominanten ›Schule‹.
Blommaert betont: »it would be a mistake to see CDA as the only possible criti-
114 2 Diskursverwirrungen
cal perspective on language in society« (Blommaert 2007: 21). Genau diesen Fehler
jedoch begehen sowohl die Anhänger als auch die Kritiker der Kritischen Diskurs-
analyse häufig. Dadurch verspielen beide Seiten viel diskurslinguistisches Potenzial.
23 Vgl. zum Verhältnis von Ereignis und Serie bei Foucault oben Abschnitt 2.1.2.
24 Vgl. zum Begriff oben Anm. 2.
116 2 Diskursverwirrungen
Reihe vom Morphem zum Satz gestellt wird, nicht dem Foucault’schen und auch
nur bedingt dem in der Diskursanalyse gängigen Diskursbegriff entspricht (vgl. da-
zu auch unsere Diskussion in Abschnitt 1.1). Aussagen- und Wissensnetze sind mit
Textgeflechten bzw. Korpora nur bedingt in eins zu setzen. Intertextuelle Verweis-
strukturen sind zwar sehr wichtige Phänomene, bei deren Analyse die Diskurslingu-
istik auf textlinguistische Methoden zurückgreift, sie sind aber nur eine formale Aus-
prägung der epistemischen Strukturen, deren Beschreibung die Diskursanalyse sich
zur Aufgabe gemacht hat. Die Abweichungen der Diskursbegriffe liegen letztlich in
unterschiedlichen Erkenntnisinteressen begründet: Wo es der Textlinguistik primär
um intertextuelle Verknüpfungen und textübergreifende Strukturen geht, die mit
Hilfe kulturanalytischer Befunde erklärt werden sollen, geht es der Diskurslinguis-
tik um die Analyse von Wissens- und Machtstrukturen, wozu auch intertextuelle
Verknüpfungen untersucht werden. Textlinguistik und Diskurslinguistik sind mit-
hin zwar Teildisziplinen, die eng zusammenarbeiten können, keine der beiden wird
aber die jeweils andere vollständig integrieren können.
Wie Abschnitt 2.2 gezeigt hat, wurden im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte eine
Reihe linguistischer Ansätze entwickelt, die das Diskurskonzept Foucaults zu ope-
rationalisieren versuchen. Die Heterogenität der Ansätze, die anhaltenden Diskus-
sionen um grundsätzliche Fragen (Terminologie, Methodik, Ziele) und die gegen-
seitige Abgrenzung verschiedener ›Lager‹ verdeutlicht, dass man heute noch nicht
von einem ausformulierten Programm und schon gar nicht von einer einheitlichen
Diskurslinguistik sprechen kann. Jedoch gilt dies auch für die längst etablierten Teil-
disziplinen Textlinguistik, Soziolinguistik, Psycholinguistik usw. Vermutlich wird
sich das auch in Zukunft nicht ändern, denn das Diskurskonzept lässt sich auf
so viele verschiedene Fragestellungen anwenden, dass die einzelnen Ansätze immer
auch divergieren werden.
Dennoch sind wir der Meinung, dass die Formulierung einiger theoretischer
und methodologischer Grundannahmen, auf die sich die Diskurslinguistik bezie-
hen kann, möglich und notwendig ist. Und wir denken, dass diese auf die Konzepte
beider diskurslinguistischen ›Lager‹ aufbauen kann und auch aufbauen sollte, denn
beide stellen wichtige Fundamente für die Analyse jeweils unterschiedlicher Facet-
ten des komplexen Gegenstandes ›Diskurs‹ bereit. Was wir in dieser Einführung prä-
sentieren, ist ein Vorschlag zur Integration der uns wichtig erscheinenden Konzepte,
Theorien und Methoden sowohl der epistemologisch-diskurssemantischen als auch
der kritisch-machtanalytischen linguistischen Diskursanalyse in eine Diskurslingu-
istik, die jenseits fachlich unbegründeter Grabenkämpfe den Diskurs und seine
Akteure möglichst umfassend in den Blick zu nehmen versucht, ohne jedoch die
disziplinäre Diversität der Diskurslinguistik über Gebühr harmonisieren zu wollen.
118 2 Diskursverwirrungen
Wenn wir nun also im folgenden Kapitel ein Analysemodell vorstellen und exempli-
fizieren, das zur Auflösung der hier beschriebenen ›Diskursverwirrungen‹ beitragen
will, dann ist dies weder so zu verstehen, dass wir für eine ›stromlinienförmige‹
Diskurslinguistik plädierten, noch (und erst recht nicht) so, dass wir die bisherige
Diskurslinguistik für ›verwirrt‹ hielten; ganz im Gegenteil. Was wir jedoch anbieten,
sind methodologische Überlegungen, die helfen mögen, dass Gemeinsame und das
Unterscheidende verschiedener diskursanalytischer und diskurslinguistischer Ansät-
ze jenseits holzschnittartiger Gegenüberstellungen vom Typ ›deskriptiv vs. kritisch‹
herauszuarbeiten. Entwirrt werden sollen also vornehmlich die fachgeschichtlichen
Verfilzungen, die unserer Meinung nach produktives diskurslinguistisches Arbeiten
hemmen.
Welche der solcherart sichtbar gewordenen Fäden dann für diskurslinguistische
Arbeiten aufgegriffen und vielleicht neu verknüpft werden, lassen wir bewusst offen.
Literatur von Foucault: Eine direkte Auseinandersetzung mit Foucaults zentralen Texten ist
zum Verständnis der Theorie unerlässlich. Allerdings muss man sich dabei auf Foucaults
›bestimmt unbestimmten‹ Stil einlassen. Als Einstieg eignen sich Die Ordnung des Diskurses
([1972] 2007), ein Text, der das Diskurskonzept relativ gut verdeutlicht und gleichzeitig die
Machtanalytik einführt, sowie die Aufsätze Antwort auf eine Frage (Foucault [1968] 2001a)
und Über die Archäologie der Wissenschaften (Foucault [1968] 2001b), in denen Foucault seine
frühen Ideen bündig zusammenfasst. Für die Diskurstheorie zentral ist die Archäologie des
Wissens ([1969] 1981), in der sich noch am ehesten (vorläufige) Begriffsbestimmungen finden.
Dieser Text ist allerdings zugleich einer der schwierigsten. Wer sich ausführlicher mit Fou-
cault auseinandersetzen will, sollte neben den ›Hauptwerken‹ auch die kleineren Schriften
(Foucault 2001–2005) berücksichtigen.
Literatur zu Foucault: Überblicksdarstellungen zu Foucaults Leben und Werk gibt es in gro-
ßer Zahl, unterschiedlicher Ausrichtung und Qualität. Gute deutschsprachige Einführungen
bieten Kögler (2004), Gehring (2004) und Schneider (2004). Lesenswert ist auch die kom-
pakte Einführung von Sarasin (2010), zumal sie auch die kleineren Schriften berücksichtigt
und aufgrund der Darstellung von Foucaults Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen
Linguistik für sprachwissenschaftlich interessierte Leser besonders inspirierend ist.
Darüber hinaus bieten mittlerweile eine Reihe von Handbüchern gebündelte Infor-
mationen zu Foucaults Œuvre. An erster Stelle zu nennen ist das von drei ausgewiesenen
Foucault-Kennern herausgegebene Foucault-Handbuch (Kammler/Parr/Schneider 2008), das
neben einführenden Texten zu Foucaults Schriften die wichtigsten Begriffe und Konzepte
vorstellt und darüber hinaus auch die Foucault-Rezeption in verschiedenen Fächern themati-
siert. Ein (allerdings auf die ›Hauptwerke‹ beschränkter) Überblick und kurze Einführungen
zu ›Grundbegriffen‹ finden sich auch im Foucault-Lexikon von Ruoff (2009). Im Sammel-
band von Kleiner (2001) werden eine Reihe ausgewählter ›Leitbegriffe‹ mit dem Ziel einer
Einführung in Foucaults Werk und Methode ausführlich diskutiert.
Ältere, aber immer noch lesenswerte Darstellungen zu Foucaults Methode sind außer-
dem Kammler (1986) und Frank ([1988] 1993). Als kritische Auseinandersetzung mit Foucault
und der Foucault-Rezeption empfiehlt sich Dreyfus/Rabinow (1994).
Lektüre zur Vertiefung 119
1 Hingewiesen sei explizit darauf, dass es sich bei diesen exemplarischen Projekten um durch
die Autoren dieses Buches bearbeitete Felder handelt und nicht um Desiderata. Entsprechend
weiterführende Informationen geben wir gerne. Daraus folgt, dass wir die Beispieldiskurse
hier auch weder durch Sekundärliteratur noch durch vollständige Nachweise zu Korpora
umfänglich darstellen.
3.1 Linguistische Zugänge zum Diskurs 123
Weil die methodischen Zugänge zum Diskurs vielfältig sind, stellt sich zunächst
die grundsätzliche Frage, ob es überhaupt einen Zusammenhang, einen disziplinä-
ren Kern, im Pluralismus der Diskurslinguistik gibt. Was macht eine Diskursana-
lyse zu einer solchen, was unterscheidet sie von einer Textanalyse, einer historisch-
lexikologischen, einer rhetorischen Analyse usw.? Weiterführend ist in diesem Zu-
sammenhang die zentrale Frage, die Foucault in der Archäologie des Wissens – im
Bestreben, die Diskursanalyse von der (generativen) Sprachanalyse abzugrenzen –
stellt und die wir an dieser Stelle noch einmal zitieren:
Die von der Sprachanalyse hinsichtlich eines beliebigen diskursiven Faktums gestellte
Frage ist stets: gemäß welchen Regeln könnten andere ähnliche Aussagen konstruiert
werden? Die Beschreibung der diskursiven Ereignisse stellt eine völlig andere Frage: wie
kommt es, das eine bestimmte Aussage erschienen ist und keine andere an ihrer Stelle?
(Foucault ([1969] 1981: 42)
Foucault betont mit dieser Frage nach den ›Möglichkeitsbedingungen‹ von Aussa-
gen zwei Faktoren: Das zeitliche und räumliche Erscheinen von Aussagen im Sinne
einer bloßen ›Positivität‹. Darunter versteht man keine Wertkategorie (also positiv
im Sinne von ›gut, wünschenswert‹), sondern – gleich dem ›ius positivum‹ – das
Gesetzte, tatsächlich Erscheinende des Diskurses. Den Begriff der ›Positivität‹ über-
nimmt Foucault für die Archäologie des Wissens aus den Hegelstudien seines Lehrers
Jean Hyppolite (vgl. Agamben 2008). Im Zentrum der Diskursanalyse steht somit
immer das Erscheinen von Aussagen in raumzeitlichen, konkreten Kontexten. Der
Diskurslinguistik geht es nicht um virtuelle Regelhaftigkeit, sondern um Regeln aus
dem Gebrauch in Kontexten. Diese Kontexte werden zugleich als Möglichkeitsbe-
dingungen von Regeln der Aussagen befragt und hinterfragt (vgl. dazu ausführlich
Abschnitt 2.1.2).
Wir halten es für angebracht, dass sich auch diskurslinguistische Untersuchun-
gen zu dieser Foucault’schen Leitfrage nach den Möglichkeitsbedingungen von Aus-
sagen erklären und damit ein Fundament des eigenen Interesses am Diskurs er-
kennbar machen. Zentral ist für die Diskurslinguistik also die Annahme, dass Aus-
sagen unter Voraussetzungen erscheinen. Wenn auch schon die Beschreibung von
transtextuellen Strukturen der Sprache – etwa in Korpora – interessant sein mag,
so bleibt für die Diskurslinguistik dabei die Frage offen, welche Bedingungen der
Möglichkeit für jeweilige Diskurse in ihrer konkreten, ›positiven‹ Gestalt hervor-
bringend sind und wie insoweit Wissen durch sprachliche Praxis konstituiert wird.
Es geschieht für den Gentrifizierungsdiskurs beispielsweise nicht kontextlos,
wenn leerstehende Häuser mit Kampfparolen besprayt werden und wenn über
124 3 Methodologie und Methoden
2 Um jedem Missverständnis oder Einwand zu begegnen verweisen wir für alle inhaltlichen
Darstellungen dieser und vergleichbarer Art auf Anm. 1.
3.1 Linguistische Zugänge zum Diskurs 125
– ›Aussage‹ | ›Diskurs‹
– ›Handlungsvollzug‹ | ›Handlungsprodukt‹
– ›Ereignis‹ | ›Serie‹
In der Regel wird das Interesse an einem Diskurs induktiv oder deduktiv geweckt
sein. Das heißt, Fragmente eines Diskurses können die Aufmerksamkeit auf gesell-
schaftlich erörterte Probleme ebenso lenken wie die Vorannahme diskursiver Struk-
turen den Blick auf einzelne Aussagen richten kann. Zunächst ergibt sich damit ein
Unterschied in der Gegenstandswahl nach dem Ausgangspunkt des analytischen In-
teresses auf der Ebene singulärer Aussagen oder auf der Ebene transtextueller Struk-
turen. Es wäre denkbar, dass ein diskurslinguistisch interessierter Flaneur bei seinen
Streifzügen durch eine Stadt die symbolischen Landschaften auf Häuserwänden
in Form von Plakaten, Graffiti, Parolen, Ladenschildern, Werbetafeln usw. wahr-
nimmt und ihm dabei folgende Aussage auffällt: Häuser könnt ihr zerstören Ideen
nicht!!! (Abbildung 3.1).
Eine solche Aussage kann in ihrer unmittelbaren Kookkurrenz mit anderen (far-
bigen) Parolen und einigen Anarchie-Symbolen auf einem leerstehenden Haus die
Frage nach den Möglichkeitsbedingungen des aussagegestützten Protestes hervorru-
fen. So würde die Gegenstandswahl eines Projektes zum Gentrifizierungsdiskurs also
›induktiv‹ – vom Besonderen zum Allgemeinen – erfolgen; eine singuläre Beobach-
tung wäre Anlass für weiterführendes diskurslinguistisches Interesse.
Auch das Gegenteil ist möglich. So kann man fragen, warum in aufgeklärten
Gesellschaften der Gegenwart der Menschenrechtsgedanke immer wieder angeführt
wird, regelmäßig auf der Agenda politischer Konsultationen steht und das öffentli-
che Gespräch über Grundrechte prägt. Eine solche Frage nimmt ihren Anfang nicht
von einzelnen Aussagen – das singuläre Grundrechtsdokument wäre also für das ei-
gene wissenschaftliche Interesse am Menschenrechtsdiskurs nicht ausschlaggebend –,
sondern vielmehr in einem ›deduktiven‹ Verfahren der Gegenstandsfindung (vom
126 3 Methodologie und Methoden
Vollzug
Produkt Serie
Ereignis
ge
s
ur
sa
isk
s
Au
D
Abbildung 3.2: Gegenstandsfokussierung in der Diskurslinguistik
so verweist diese Aussage auf eine serielle Praxis der nordamerikanischen Grund-
rechtserklärungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, bei der die Positivie-
rung von allgemeinen Rechten weit weniger mit einer politischen Umsetzung des
aufgeklärten Gleichheitsgedankens zu tun hat als mit den Unabhängigkeitsbestre-
bungen der sich bildenden Vereinigten Staaten von Amerika. Für die Eingrenzung
eines diskurslinguistischen Gegenstandes ist folglich das Begriffspaar ›Ereignis/Se-
rie‹ eine weitere, wichtige und hilfreiche Dimension.
Wir unterscheiden damit drei Dimensionen der Gegenstandsbegrenzung von
Interessen am Diskurs. Ungeachtet der faktischen Mischungen wird es hilfreich sein,
in der Planung linguistischer Diskursanalysen einen Anker im Würfelmodell3 der
Gegenstandsfokussierung (Abbildung 3.2) zu setzen.
Das mögliche Erstinteresse am Gentrifizierungsdiskurs könnte beispielsweise auf
eine singuläre Aussage als Ereignis von Handlungsvollzügen konzentriert sein. Da-
3 Mit der Würfeldarstellung greifen wir eine Darstellungsform auf, die Matthias Jung – wenn
auch zu ganz anderem Zweck – für die Diskurslinguistik nutzbar gemacht hat (vgl. Abbil-
dung 2.1 auf S. 90).
128 3 Methodologie und Methoden
mit würde eine ganz andere Gegenstandsfokussierung vorliegen als in einem denk-
baren Projekt zum Menschenrechtsdiskurs, bei dem unter Umständen die Annahme
eines existierenden Diskurses über Menschenrechte als Serie von Grundrechtsdoku-
menten im Sinne textueller Produkte erkenntnisleitend wäre. Wir wollen hervorhe-
ben, dass es hier nicht um richtige oder falsche Gegenstandsfokussierungen geht,
sondern dass mit diesem Würfelmodell eine Hilfestellung bei der Präzisierung von
Ausgangspunkten einer Analyse gegeben wird.
Hat man den Diskursgegenstand fokussiert, so stellt sich die Frage, mit welchen Me-
thoden jeweilige diskurslinguistische Interessen verfolgt werden können. Für grund-
legend halten wir dabei drei Begriffspaare, die als Dimensionen einer Ordnung von
methodischen Zugängen zum Diskurs zu verstehen sind:
– ›thematisch‹ | ›systematisch‹
– ›synchron‹ | ›diachron‹
– ›corpus-based‹ | ›corpus-driven‹
Obgleich der Vulkan in Sawaii eines der grössten Naturwunder der Welt darstellt, wird
ihm von der dortigen Einwohnerschaft nur sehr wenig Beachtung geschenkt. (Kolonie
und Heimat, 4. Jahrgang, 1910, Heft 7, S. 6)
Obwohl das Stammesgebiet der Bakwiri demnach ziemlich nahe an der Küste liegt, so
sind diese doch noch verhältnismäßig unkultiviert und haben meist noch wenig europäi-
sche Allüren angenommen. (Kolonie und Heimat, 4. Jahrgang, 1910, Heft 5, Titelseite)
So machte ich gute Miene zum bösen Spiele und liess die Bande laufen, obwohl ich
sie zur Arbeit bitter nötig gehabt hätte und obwohl ich sicher sein kann, dass sie mir
in ihren Schlingen den letzten Bock abfangen und das letzte Perlhuhn. (Kolonie und
Heimat, 3. Jahrgang 1910, Heft 15, Nachrichtenbeilage Nr. 15, S. 3)
Der Vergleich dieser Phasen bzw. die Darstellung von Dynamiken in den Aussage-
strukturen, von Brüchen ebenso wie von Kontinuitäten, ist eine Aufgabe der Dis-
kurslinguistik. Aus diesem Grund ist zu entscheiden, ob man Untersuchungen ›syn-
chron‹ oder ›diachron‹ anlegt. Wir verweisen bei dieser Dichotomie erläuternd auf
die grundlegenden Feststellungen im Cours de Linguistique Générale (de Saussure
[1916] 2001: 94), gleichwohl ohne die spezifischen strukturalistischen Implikationen
hier thematisieren oder teilen zu wollen (siehe Abbildung 3.3).
Neben der Entscheidung für einen ›synchronen‹ oder ›diachronen‹ Zugang soll-
te man aufgrund der Historizität von Diskursen auch einen Gedanken Foucaults
berücksichtigen, wonach für die Identifikation der Zeittypik von Aussagen ein his-
torischer Abstand zwischen Untersuchungszeitpunkt und untersuchtem Zeitpunkt
sinnvoll ist:
Die Beschreibung des Archivs entfaltet ihre Möglichkeiten (und die Beherrschung ihrer
Möglichkeiten) ausgehend von Diskursen, die gerade aufgehört haben, die unsrigen zu
sein; ihre Existenzschwelle wird von dem Schnitt gesetzt, der uns von dem trennt, was
wir nicht mehr sagen können, und von dem, was außerhalb unserer diskursiven Praxis
fällt; sie beginnt mit dem unserer eigenen Sprache Äußeren; ihr Ort ist der Abstand
unserer eigenen diskursiven Praxis. (Foucault [1969] 1981: 189–190)
Mit Ruoff (2009: 34) ist der historische Abstand in der Diskursanalyse »zugleich
die Bedingung der Beschreibungsmöglichkeiten, denn die Differenz zu der Trans-
formation von Aussagen führt eine unabhängige Dimension ein, die die resultieren-
de Beschreibung von ihrem Inhalt entkoppelt«. Wir möchten aber einschränkend
anmerken, dass ein analytischer ›Abstand‹ keineswegs nur über die zeitliche Dimen-
3.1 Linguistische Zugänge zum Diskurs 131
synchron
diachron corpus-driven
corpus-based
h
h
isc
isc
at
at
m
em
ste
th
sy
sion – und auch nicht notwendigerweise immer über die zeitliche Dimension –
gewährleistet ist, denn Diskurse (und Gesellschaften allgemein) sind ja keineswegs
nur in der historischen Dimension dynamisch und vielschichtig.
Da jede diskursanalytische Untersuchung eine Menge von Aussagen als Daten-
basis definiert – ungeachtet des Umfangs, der Art der Daten etc. – richtet sich eine
dritte methodische Entscheidungsfrage auf die Art der Korpusnutzung. Wie wir
in Abschnitt 1.2 dargestellt haben, sind zwei Verfahren möglich: die korpusbasierte
(›corpus-based‹) und die korpusgenerierte (›corpus-driven‹) Analyse. Für den Koloni-
aldiskurs würden sich ganz unterschiedliche Diskursanalysen ergeben, je nachdem,
ob man ein generiertes Korpus anhand eines Vergleichskorpus auf Signifikanzen
und Frequenzen in automatisierten Corpus-driven-Prozeduren untersucht oder ob
man formulierte Hypothesen korpusbasiert verifiziert bzw. falsifiziert. Wie bei den
anderen Begriffspaaren, die wir als Dimensionen einer Ordnung von methodischen
Zugängen zum Diskurs erläutert haben, geht es auch hier nicht um die Entschei-
dung für eine richtige Methode oder um die Bewertung von Methoden nach Krite-
rien der empirischen Adäquatheit. Jeder Zugang auf den Diskurs bringt spezifische
Vorteile ebenso wie Einschränkungen mit sich. Wir empfehlen aber gerade deshalb,
vor der Durchführung von linguistischen Diskursanalysen diese Möglichkeiten zu
reflektieren und die Entscheidungen für den einen oder anderen Zugang offenzule-
gen.
In der Zusammenschau der grundlegenden methodischen Zugangsmöglichkei-
ten auf den Diskurs ergibt sich wiederum ein Würfelmodell, dass genutzt werden
kann, um einen zweiten Anker in den Planungen zur linguistischen Diskursanalyse
zu setzen (Abbildung 3.4).
Für die modellhafte Untersuchung zum Kolonialdiskurs könnte also beispiels-
weise ein systematischer Zugriff auf Konnektoren verbunden werden mit einer
Corpus-based-Analyse, bei der alle Konnektoren in einem Korpus systematisch er-
132 3 Methodologie und Methoden
fasst werden. Sofern es um die Dynamik des Sprechens und Schreibens über Kolo-
nien zwischen 1884 und 1919 geht, sollten die Daten diachron erfasst werden. Für
andere Analysen wären vielleicht wiederum andere Kombinationen zielführend; es
bleibt also jeweils neu zu entscheiden, welchen methodischen Fokus man wählt.
– ›heuristisch‹ | ›fokussiert‹
– ›individuell‹ | ›kollaborativ‹
– ›einstufig‹ | ›mehrstufig‹
Unabhängig davon, ob man eine Untersuchung methodisch auf Themen oder For-
men/Funktionen ausrichtet, ist zu entscheiden, wie ›heuristisch‹ man vorgehen will.
Kennzeichen einer heuristischen Verfahrenspraxis ist die Bereitschaft, Neues im Ge-
genstand zu finden, von dessen Existenz man zuvor nichts gewusst hat. Während
also die ›heuristische‹ Analysepraxis ergebnisoffen ist, interessiert sich die ›fokussier-
te‹ Analyse für prädefinierte, etwa logisch-strukturelle Phänomene:
Will man also die Eigenschaften des oder eines Sprachsystems erfassen, so wird man
solche Typenunterschiede beschreiben müssen. Möglich ist dies [. . .] mit phänomeno-
logischen wie mit logischen Mitteln. Erstere sind heuristisch, letztere systematisch die
entscheidenden. Zur Phänomenologie ist allgemein nichts zu sagen. Der Zugang zum
Phänomen muß von Fall zu Fall eigens gefunden werden. (Stetter 2009: 74)
individuell
kollaborativ mehrstufig
einstufig
t
isc
er
ssi
ist
ku
ur
fo
he
ohne Auswirkung auf den Untersuchungsgegenstand und die Ergebnisse einer Ana-
lyse. Das Prinzip der Triangulation begegnet diesem Problem durch die Forderung
nach mindestens zwei unabhängigen Perspektiven auf ein Forschungsobjekt, wobei
Triangulation nicht nur für Methoden, sondern auch für die zugrunde liegenden
Daten, Theorien, Analysanden usw. gestaltet werden kann.
Vereinfacht ausgedrückt bezeichnet der Begriff der Triangulation, dass ein Forschungsge-
genstand von (mindestens) zwei Punkten aus betrachtet – oder konstruktivistisch formu-
liert: konstituiert – wird. In der Regel wird die Betrachtung von zwei und mehr Punk-
ten aus durch die Verwendung verschiedener methodischer Zugänge realisiert. (Flick
2008: 11)
Eine grundlegende Form der Triangulation wäre die Verbindung von qualitativen
und quantitativen Methoden im Sinne von ›mixed methodologies‹, zu denken ist
für die Diskurslinguistik auch an eine Datentriangulation durch Berücksichtigung
von Texten und Gesprächen, von diskursiver Praxis und textuellem Arrangement
usw. Insofern kann unsere Darstellung von grundlegenden methodischen Richt-
punkten der Diskurslinguistik sicherlich auch eine Hilfe bei Überlegungen zu je
geeigneten Formen der Triangulation sein.
Transtextuelle Ebene
Akteure
Intratextuelle Ebene
Textorientierte Analyse
Intratextuelle Ebene Propositionsorientierte Analyse
Wortorientierte Analyse
A. Wortorientierte Analyse
›Wörter‹ sind nicht nur zentrale Bausteine unserer Weltaneignung und Weltgestal-
tung, sondern auch basale Elemente von Aussagen und als solche prominente Ein-
heiten der diskurslinguistischen Analyse. Wenn in einer Vielzahl von Texten des
deutschen Kolonialismus regelhaft von Afrikanern und Europäern die Rede ist, so
stehen diese Wörter für kolonisatorische Konzepte der Distinktion. Das singuläre
Wort ist als lexikalischer Abdruck und Gestaltungselement des Diskurses für zahl-
reiche Fragestellungen erklärungsmächtig. Wir wollen das an folgendem Beispiel
skizzieren: In einem Korpus mit 1.087 Beispielsätzen aus 14 deutschen Grammati-
5 Anders verhält es sich bei dem ª, das sich in dem Beispiel ebenfalls findet. Hierbei handelt
es sich nicht um ein bedeutungsdifferenzierendes Graphem (wie das <A>), sondern um ein
komplexes bedeutungsgenerierendes Zeichen (ein ›Logogramm‹), das als Anarchiesymbol
dient (und daher selbstverständlich ebenfalls für die Analyse relevant ist).
140 3 Methodologie und Methoden
– Nomina propria
– Nomina appellativa, Nomina collectiva
– Nomina continuativa
– Schlüsselwörter
– Schlagwörter
– Okkasionalismen
Nomina propria. Eigennamen jeglicher Art werden in der Diskurslinguistik als viel-
fältiger Ausdruck transtextueller Aussagenkontexte verstanden. Dies gilt sowohl für
die ›Anthroponyme‹ (Personennamen), die Hinweise auf Akteure, Adressaten, insti-
tutionelle Rahmenbedingungen und mehr geben, als auch für ›Toponyme‹ (Ortsna-
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 141
men) als lokale Marker oder Eigennamen zur Bezeichnung historischer Ereignisse,
wie Hereroaufstand.
Wir geben hier ein Beispiel mit dem fiktiven ›Anthroponym‹ Wladimir Ma-
jakowski und den ebenso fiktiven ›Toponymen‹ Jakowlewaplatz 28 und 1917 Berlin
auf einem Plakat von Gentrifizierungsgegnern in Berlin-Kreuzberg (Abbildung 3.7).
Die Abkürzung V. i. S. d. P. (›Verantwortlich im Sinne des Presserechts‹) weist die-
se Plakatunterschrift als vermeintliches Impressum aus, das de facto aber fingiert
ist. Weder ist Wladimir Majakowski, ein wichtiger Repräsentant des russischen Fu-
turismus der 1920er-Jahre, Autor des Plakates bzw. rechtlich verantwortlich, noch
gibt es in Berlin einen Jakowlewaplatz 28 oder einen Postbezirk 1917 Berlin. Tatjana
Alexejewna Jakowlewa (1906–1991) war im Jahr 1928 die Geliebte von Majakowski,
der selbst 1917 an der Oktoberrevolution teilgenommen hatte. Die ›Nomina pro-
pria‹ erweisen sich also in diesem Plakatausschnitt als komplexer Subtext, der eine
historisierende Position der Plakatmacher als Gentrifizierungsgegner erkennen lässt.
Aber nicht nur für den Gentrifizierungsdiskurs ließen sich viele weitere Beispiele
mit diskurssemantischen Funktionen von Eigennamen belegen, auch der Kolonial-
diskurs organisiert sich wesentlich über ›Nomina propria‹, wie Europäer, Afrikaner,
Togo, Niger, Hereroaufstand usw. zeigen. Für die mit Benennungen verbunden Be-
wertungen verweisen wir auf eine Arbeit von Reisigl (2007b), der solche Evaluatio-
nen qua Wahl von Namensalternativen als ›Nomination‹ bezeichnet. Schon Namen
wie Hereroaufstand sind wertend, weil sie den Widerstand der Herero gegen die
deutschen Schutztruppen als Aufstand und damit Rebellion gegen eine staatliche
Ordnung konzeptualisieren. Es gibt viele Beispiele aus dem politischen Sprachge-
brauch wie Reichskristallnacht vs. Reichspogromnacht oder Antifaschistischer Schutz-
wall vs. Mauer.
Nomina continuativa. Wenn im vorausgehenden Zitat auch von weiter Ferne, hellem
Sonnenschein und glitzerndem Meer die Rede ist, so zeigt dies, dass für die wortorien-
tierte Analyse auch Substanzausdrücke relevant sind. Unter einem ›Kontinuativum‹
ist ein Nomen zu verstehen, mit dem ein nicht teilbarer Stoff, eine Masse oder
ein Material denotiert wird. Dies erkennt man bereits daran, dass sie im Numerus
auf den Singular beschränkt sind und nicht durch Quantoren (all-, jed- etc.) be-
stimmbar sind. Die Funktion der ›Nomina continuativa‹ ist nicht die eindeutige
Bestimmung von Referenten (Nomen proprium) oder die Gattungszusammenfüh-
rung (Nomen appellativum) bzw. Sammelbezeichnung (Nomen collectivum), son-
dern die Benennung von Substanzen wie Wasser, Distanz, Helligkeit usw. Diskurs-
linguistisch interessant sind diese Bezeichnungen wegen ihrer Benennungsfunktion
von Substanzannahmen. Im Kolonialdiskurs ist es etwa der Gegensatz von Dunkel-
heit und Licht, der eine Vielzahl weiterer, auch metaphorischer Konzepte bedingt.
Schlagwörter
überparteilich parteilich
und Heimat – anders als Mangobäume oder Sonnenschein – aus heutiger Perspektive
als zeitgebundene Konzepte zu verstehen sind, denen unter veränderten politischen
Bedingungen spezifische Semantiken zukommen. Liebert (2003: 59–60) nennt fünf
Merkmale von Schlüsselwörtern:
– Sie sollen das Selbstverständnis und die Ideale einer Gruppe oder einer ganzen
Epoche ausdrücken können.
– Sie sollen diskursbestimmend sein.
– Die kontextuelle und konnotative Bedeutung soll dominant sein.
– Sie sollen umstritten sein.
– Sie sollen eine große Bedeutungsvielfalt aufweisen.
Alle diese Merkmale sind sowohl bei Kolonie als auch bei Heimat erfüllt, so dass
diese Wörter je nach politischem Kontext allgemein geteilte Konzepte bezeichnen
oder als ›kontroverse Begriffe‹ (vgl. Stötzel/Wengeler 1995) gelten können.
Diese Übersicht, die nur eine Möglichkeit zur Einteilung von Schlagwörtern
darstellt (vgl. auch Hermanns 2007, u. a. Anm. 22), zeigt deutlich, dass die von uns
angeführte diskurslinguistische Analyseklasse ›Schlagwort‹ ein Sammelkonzept ist,
das im Übrigen nicht immer trennscharf von den ›Schlüsselwörtern‹ zu unterschei-
den ist, wohl aber über die von Liebert (2003) genannten Kriterien einzugrenzen
ist.
Exemplarisch wollen wir hier auf die ›Stigmawörter‹ und ›Hochwertwörter‹ als
Teilklasse der ›Schlagwörter‹ eingehen. Sofern mit Wörtern eine Abwertung von
Referenten erfolgt, etwa eine pejorative Kennzeichnung von Konzepten differenter
Gruppen, spricht man von ›Stigmawörtern‹. Mit diesen werden »Personen, Gegen-
stände, Sachverhalte irgendwie ›stigmatisiert‹« (Hermanns 1994b: 19). Die lexikali-
sche Pejoration ist ein verbreiteter Mechanismus der diskursiven Fremdbewertung,
wobei durch die Abwertung eines Anderen auch eine (implizite) positive Selbstzu-
schreibung verfolgt werden kann. Im Gentrifizierungsdiskurs werden zum Beispiel
in einer urbanen Intervention von Gentrifizierungsgegnern die vermeintlichen Ak-
teure der sozialen Verdrängung stigmatisierend als Gentrifizierer(innen) bezeichnet
(Abbildung 3.9).
Entgegengesetzt funktionieren ›Hochwertwörter‹, also solche Lexeme, »die oh-
ne die grammatische Struktur eines Komparativs oder Superlativs geeignet sind,
das damit Bezeichnete [. . .] oder näher Bestimmte/Prädizierte [. . .] aufgrund ih-
rer sehr positiven Inhaltsseite aufzuwerten« (Janich 2010: 169). Im Kolonialdiskurs
funktioniert die Bezeichnung Europäer nicht nur als generisches ›Nomen propri-
um‹, sondern auch als ein solches ›Hochwertwort‹, das überwiegend mit positiven
Eigenschaften meliorativ, also aufwertend, verwendet wird und der teilweise stigma-
tisierten Fremde dichotom entgegensteht.
– [. . .]
Mehrwort-
– Okkasionalismen
Einheiten
– Schlagwörter
Wortorientierte – Schlüsselwörter
Analyse – Nomina continuativa
Einwort- – Nomina appellativa,
Einheiten Nomina collectiva
– Nomina propria
B. Propositionsorientierte Analyse
Obwohl die Zeit vorangeschritten ist, lese ich in diesem Buch weiter.
Obwohl p q
Der Satz beinhaltet also zwei Aussagen – p und q – die hier durch den Konzessiv-
konnektor obwohl als Relator verbunden sind. p ist dabei die Proposition [Die Zeit
ist vorangeschritten], q die Proposition [Ich lese weiter in diesem Buch]. Die Standard-
form von Propositionen im Sinne von Satzinhalt ist damit syntaktisch mindestens
zweigliedrig, sie umfasst eine Nominalphrase ([Die Zeit] bzw. [Ich]) sowie eine Ver-
balphrase ([ist vorangeschritten] bzw. [lese weiter in diesem Buch]).
Eine Präzisierung des linguistisch anwendbaren Propositionsbegriffs leistet die
Sprechakttheorie. Searle ([1969] 2007: 40) definiert ›Proposition‹ als Vollzug von
146 3 Methodologie und Methoden
Satzinhalt
propositionaler Gehalt [. . .]
Aussagegehalt
Prädikation Relation
›Referenz‹ und ›Prädikation‹. Mit Aussagen wird einerseits auf etwas, jemanden etc.
Bezug genommen (›referiert‹) und über dieses, diesen etc. etwas ausgesagt (›prädi-
ziert‹). Die Proposition [Die Zeit ist vorangeschritten] referiert also auf das Konzept
[Zeit] und prädiziert dazu [ist vorangeschritten]; die Verbindung von ›Referenz‹
und ›Prädikation‹ bildet eine ›Proposition‹.
Wenn es eine solche offensichtliche Nähe des Propositionsbegriffs zur Syntax
gibt, warum sprechen wir dann nicht von einer satzorientierten Analyse? Weil Sät-
ze zwar aus (in der Regel mindestens) einer Proposition bestehen, jedoch auch eine
Vielzahl von Propositionen enthalten können oder wie im Falle von elliptischen Sät-
zen (Denk schon.) oder Einwortsätzen (Feuer!) formal nicht propositional bestimmt
sind. Da wir in das Zentrum der Diskurslinguistik ›Aussagen‹ stellen, ist ›Satz‹ als
Ebene zu unpräzise, denn es sind die ›Propositionen‹, die als sprachliche Formen der
Aussage fungieren. Bei der propositionsorientierten Analyse wird also der Satzinhalt
als Referenz-Prädikations-Paar analysiert, wie dies auch von Polenz (2008: 93) für
die Satzsemantik darstellt (vgl. Abbildung 3.10).
In dieser Darstellung wird der propositionale Gehalt des Satzes, den von Po-
lenz auch ›Aussagegehalt‹ nennt, nicht nur nach den Teilgrößen ›Prädikat‹ und ›Re-
ferenz‹ gegliedert, sondern noch mit der Komponente ›Quantifizierung‹ versehen,
womit von Polenz darauf anspricht, dass »jede Referenzstelle semantisch auf ein Ver-
hältnis zwischen Element und Menge festgelegt ist« (von Polenz 2008: 96). Schauen
wir uns etwa häufig belegte propositionale Muster im Menschenrechtsdiskurs an, so
fallen Formulierungen des Typs alle Menschen vs. jeder Mensch auf (vgl. Warnke
2005). Die Quantoren all- und jed- quantifizieren also referenzielle Komponenten
des Aussagegehaltes und eröffnen damit ganz unterschiedliche Lesarten.
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 147
Mit der propositionsorientierten Analyse wird ein Beitrag zur Erweiterung der
allein lexikalischen, häufig auf Nomina konzentrierten Perspektive auf Diskurse ge-
leistet. Gerade die syntaktische Musterbildung bei Propositionen kann Diskursposi-
tionen von Äußerungen sehr gut belegen. So finden sich im Kolonialdiskurs häufig
generische Aussagen durch Verwendung von Prädikativa in Verbindung mit einem
definiten Artikel des Subjekts: Die Herero sind grosse schlanke Gestalten. Bei diesem
rekurrenten propositionalen Muster erfolgt durch die Kopula sein eine generische
Kennzeichnung ethnischer Gruppen, die durch den Definitartikel des referenziellen
Elementes (die Herero) noch verstärkt ist.
Für die Detailanalyse stellen wir – wiederum Ergänzungen als jederzeit denkbar
erachtend – die folgenden diskurslinguistischen Analyseklassen vor:
– Sprechakte
– Implikaturen, Präsuppositionen
– Deontische Bedeutung
– Metaphernlexeme
– Rhetorische Tropen und Figuren
– Syntaktische Muster
Erweiterungen wären etwa für propositionsgebundene lexikalische und syntakti-
sche Mittel zur Markierung von Sprecherhaltungen denkbar. Hierzu gehören Par-
tikeln, die den Redehintergrund kennzeichnen, oder Kommentaradverbien ebenso
wie Konnektoren. Es lässt sich aber gerade für syntaktische Phänomene kein Stan-
dard der Diskursanalyse benennen, denn im Rahmen einer integrativen Textanalyse
sind syntaktische bzw. propositionale Phänomene absolut korpusspezifisch, es gibt
kein syntaktisches Muster, das per se diskurslinguistisch relevanter als andere ist.
Sprechakte. Da Foucault selbst den Status der Aussage in der Archäologie des Wissens
mit den Terminus ›énoncé‹ explizit von der sprechakttheoretischen Terminologie
abgrenzt, gelten ›Sprechakte‹ eher selten als Einheiten der Diskursanalyse: »Man
findet Aussagen ohne legitime propositionelle Struktur; man findet Aussagen dort,
wo man keinen Satz erkennen kann; man findet mehr Aussagen, als man Sprechak-
te isolieren kann« (Foucault [1969] 1981: 122). Diskursive Muster resultieren jedoch,
vollkommen unabhängig von dieser theoretisch-konzeptionellen Abgrenzung Fou-
caults zur Sprechakttheorie, durchaus (auch) aus ›Sprechakten‹.
Wir verweisen hier auf den Menschenrechtsdiskurs. So sind in Grundrechtsde-
klarationen häufig formal assertive Sprechakte zu finden, also Propositionen mit
feststellender, repräsentativer Funktion, deren Leistung aber in der rechtlichen Re-
gelung von Sachverhalten durch Direktion, also Anweisung oder Anordnung, be-
steht. An Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG)
kann dies deutlich werden:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. (Art. 1 Abs. 1 GG)
148 3 Methodologie und Methoden
Satzinhalt
Prädikation Relation
Abbildung 3.11: Komponenten des Satzinhaltes (vereinfacht) (von Polenz 2008: 93)
Wäre der Satz tatsächlich ein assertiver bzw. repräsentativer Sprechakt, so müsste
er nicht formuliert werden. Die Aussage erfolgt aber gerade vor dem Hintergrund
historischer Erfahrungen der Würdeverletzung, mithin ist die Funktion des Satzes
durchaus direktiv, anordnend, was durch ein Modalverb (z. B. soll nicht, darf nicht)
explizit gemacht wäre.
Moschonas (2008) hat gezeigt, dass der von ihm so genannte Sprechakttyp
des ›Korrektivs‹ (ein direktiver Sprechakt mit Anpassungsrichtung ›Metasprache –
Sprache‹ der Form Sag nicht X [Prohibitivum], sag Y [Normativum], weil Z [Ex-
plikativum]) im sprachpuristischen Diskurs eine konstitutive Rolle spielt und dass
sprechaktbasierte Analysen (auch corpus-driven) sehr gut operationalisierbar sind;
als Anwendungsbeispiel verweisen wir auch auf Moschonas/Spitzmüller (2010).
Sprechakte können mithin durchaus lohnende Untersuchungsgegenstände der Dis-
kurslinguistik sein. Wir halten daher die Erweiterung des Aussagegehaltes von Satz-
inhalten (vgl. Abbildung 3.10 auf S. 146) durch einen Handlungsgehalt, wie sie
von Polenz (2008: 93) vorschlägt, für diskurslinguistisch direkt operationalisierbar
(vgl. Abbildung 3.11). Offensichtlich wird dabei, dass Diskurslinguistik eine Vielzahl
semantischer und pragmatischer Konzepte integrieren muss, um der sprachlichen
Komplexität des Diskurses gerecht werden zu können. Dies hat nichts mit einer
kompilatorisch-aggregativen Sammlung zu tun (vgl. Konerding 2009: 170), son-
dern mit der Manifestation von Aussagen auf ganz unterschiedlichen Ebenen der
Sprache.
ren ebenso wie Texte eine Kohärenz besitzen und ob diese mögliche Kohärenz in
Merkmalen der Propositionen zumindest implizit enthalten sind; wobei wir ›Kohä-
renz‹ mit Schwarz-Friesel wie folgt definieren:
Kohärenz wird von mir als inhaltlicher Zusammenhang, genauer als semantisch-
konzeptuelle Kontinuität definiert, d. h. es geht um alle im Text enthaltenen Relatio-
nen expliziter und impliziter Art, die den inhaltlichen Zusammenhang und damit die
konzeptuelle Kontinuität eines Textes konstituieren. (Schwarz-Friesel 2006: 64)
Diese Definition ist deshalb gut geeignet für die Übertragung auf diskurslinguis-
tische Fragestellungen, weil in ihr nicht nur die expliziten Kohärenzmittel berück-
sichtigt werden, sondern auch die bei der Textrezeption ins Spiel kommenden im-
pliziten Wissensbestände, also all das, was wir als ›Hintergrundwissen‹ bezeichnen
können. Derartige implizite Wissensbestände spielen eine Rolle in Form von Vor-
aussetzungen und Schlussfolgerungen. Texte sind auf mentale Textwelten bezogen,
auf Wissensbestände, vor deren Hintergrund sprachliche Aussagen erst Kohärenz
besitzen. Hinweise darauf, dass auch Diskurse als (zumindest partiell) kohärente
Strukturen beschreibbar sind, geben voraussetzbare und ergänzbare Inhalte im Sin-
ne pragmatischer ›Inferenzen‹. Die impliziten Bezüge auf gemeinsames Wissen sind
für die Diskurskohärenz sogar besonders wichtig, denn die Teilmengen von Diskur-
sen – also singuläre Texte bzw. Aussagen – sind eben nicht in einer Makrostruktur
erkennbar miteinander verbunden, sondern der referenzielle Zusammenhang von
vielen Einzeltexten ergibt sich unter anderem erst aus der Erschließung von Wissen,
das in den Texten implizit thematisiert wird. Im Menschenrechtsdiskurs finden sich
beispielsweise häufig Sätze des Typs
Die Freiheit der Person ist unverletzlich. (Art. 2 Abs. 2 GG)
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (Art. 6
Abs. 1 GG)
Mit solchen Aussagen wird nicht nur etwas expliziert, sondern es werden Informa-
tionen auch implizit gegeben, etwa dass Personen Freiheit haben oder dass es Ehe
und Familie gibt. Hierbei handelt es sich um so genannte pragmatische ›Inferenzen‹:
»Unter pragmatischer Inferenz ist die Erschließung impliziter Aussagen aus einer
gegebenen Information zu verstehen« (Levinson 2000: 204). Dabei sind ›Implika-
turen‹ als ergänzbare Inhalte und ›Präsuppositionen‹ als voraussetzbare Inhalte zu
unterscheiden.
Unter einer ›Implikatur‹ versteht Grice (1975), dass mit Sätzen (S) auf Propo-
sitionen (S’ ) zu schließen ist, ohne dass mit diesen Sätzen S’ expliziert ist; man
spricht in diesem Fall auch davon, dass ein Satz eine bestimmte Aussage ›implikiert‹
oder ›implikatiert‹ (beides sind gängige Übersetzungen des von Grice verwendeten
engl. Kunstverbs to implicate). Der Satz (S) Hans hat nicht vergessen, dass Ursula
heute nach München fährt implikiert also, dass Ursula heute nach München fährt
(S’ ); der Satz Der Schnee war in München schon geschmolzen (S) implikiert, dass in
München Schnee lag (S’ ).
150 3 Methodologie und Methoden
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland entwirft und gründet auf einem
solchen impliziten und wechselseitig anerkannten Wissen, wie jeder Text solche
Vorannahmen inkludiert. S präsupponiert S’ heißt dann, es gibt ein wechselseitiges
Wissen von Sprecher/Schreiber und Hörer/Leser als notwendige Voraussetzung von
Aussagen, mit anderen Worten einen ›common ground‹ (Stalnaker 1974), der über
Inferenzanalysen erschließbar ist. Diskurskohärenz bedeutet nun genau die Exis-
tenz eines impliziten ›common grounds‹, wobei wir diesen ›common ground‹ als
mentales Text-Welt-Modell verstehen. Im Diskurs ist der ›common ground‹ immer
implizit, weil er ein intertextueller Effekt ist, eine gemeinsame Basis der Geltung ei-
ner Vielzahl von impliziten Aussagen, denn für die Theorie des ›common grounds‹
ist der implizite Charakter kennzeichnend:
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 151
[T]he readers do not know what the author assumed about the common ground, but
they know that if they had information corresponding to that assumed common ground,
then they could safely update this state with the content of the thesis. (Beaver 2001: 237)
Bei der diskurslinguistischen Analyse von Inferenzen geht es also um die sprachli-
che Konstituierung des nicht-kontroversen Teils eines gemeinsamen Verstehenshin-
tergrundes, der beispielsweise die Annahme bestimmter sozialer Rollen und Insti-
tutionen, staatlicher Praxen etc. umfasst. Dieser diskurstypische ›common ground‹
ist verstehensrelevanter Kontext, es geht um »Annahmen der Kommunikationspart-
ner über die Beschaffenheit der Welt« (Grewendorf/Hamm/Sternefeld [1987] 2003:
374), die plausible Relationen zwischen Texten eines Diskurses etablieren; zu diesen
zählen koreferente Inferenzen.
Wir können deshalb bereits hier sagen, ein Diskurs Dx ist unter anderem dann
kohärent, wenn seine Teiltexte T1 bis Tn Inferenzen eines ›common grounds‹ impli-
zit abbilden. Ein Mittel der Abbildung ist die textuelle Auslagerung von Sätzen (S)
durch präsupponierte Sätze (S’ ).
Deontische Bedeutung. Mit Hinweis auf den Menschenrechts- bzw. den Grundrechts-
diskurs konnten wir bereits zeigen, dass formal assertive Sprechakte, also Proposi-
tionen mit feststellender, repräsentativer Funktion die Funktion der rechtlichen Re-
gelung von Sachverhalten durch Direktion bzw. Normierung haben können. Dies
ist nicht nur ein sprechakttheoretischer Befund, sondern zugleich Ausdruck einer
Mehrschichtigkeit von Bedeutung, die Hermanns (1986) im Hinblick auf Dimen-
sionen der Normierung, Verpflichtung, Verbindlichkeit usw. durchdacht hat und
in philosophischer Tradition als ›deontische Bedeutung‹ bezeichnet. Propositionen
können ausdrücken, »daß wir, in Bezug auf einen Gegenstand, etwas nicht dürfen,
dürfen oder sollen« (Hermanns 1989: 74); sie können also eine ›deontische Bedeu-
tung‹ tragen. Der Satz
Die Würde des Menschen ist unantastbar. (Art. 1 Abs. 1 GG)
Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ist gerade keine Feststellung, denn dann wäre Satz 2 un-
nötig, sondern er ist als Verpflichtung zu verstehen und beinhaltet so eine zentrale
deontische Dimension der Bedeutung. Klein (2009) weist darauf hin, dass auch in
der Sprache der Politik solche deontischen Bedeutungen verbreitet sind und dass
sie nach emotionalen, evaluativen und normativen Bedeutungselementen zu diffe-
renzieren sind:
Als lexikalische Konzentrate verweisen sie auf häufig hoch komplexe Sachverhalte und
bringen gleichzeitig ostentativ und appellierend die Einstellung zu diesen zum Ausdruck.
152 3 Methodologie und Methoden
Die ›deontische Bedeutung‹ ist grundsätzlich stark kontextuell und baut neben der
lexikalischen, kontextfreien Semantik von Ausdrücken und Aussagen eine Bedeu-
tung der Verpflichtung von Annahmen auf. Im Kolonialdiskurs finden sich zahl-
reiche Beispiele dafür, etwa durch die normierende Unterstellung im Bedeutungs-
konzept von Europäer, dass dieser Sicherheit gewährleiste und seinem Kulturations-
auftrag in den Kolonien entsprechen müsse; vergleichbare Konzepte wie Schutz-
truppe für militärische Einheiten in den deutschen Kolonien oder Schutzgebiet als
euphemistisches Synonym für Kolonie entsprechen dieser Deontik. Kolonisatorisch
geprägte Texte – wie sie etwa in Kolonie und Heimat zahlreich zu finden sind –
vermitteln nicht unmittelbare, kontextfreie Bedeutungen, sondern setzen (auch)
Werte und Normen. Dabei erfolgt diese Deontisierung des Aussagehaltes stets in
propositionalen Kontexten, die Deontik resultiert also nicht aus der Wortsemantik,
weshalb wir sie als Teil der propositionsorientierten Analyse verstehen. Deontische
Bedeutungen funktionieren nicht nach Werten (Beurteilung »nach komparativen
Maßstäben«), sondern »ausschließlich nach den Kriterien ›geboten‹, ›erlaubt‹ und
›verboten‹« (Kirchner 2005: 143), sie konstituieren damit Annahmen über die Rich-
tigkeit von Wissen, die auch emotional fokussiert werden können, was mit der Prä-
senz von Ausrufungszeichen im urbanen Protestcode von Gentrifizierungsgegnern
sehr deutlich wird (vgl. Abbildung 3.12). Die emotional aufgeladene Protestaussage
ist als gebotene Haltung zu verstehen, sie vermittelt die Deontik der Notwendigkeit,
die einer abwägenden Relativierung nicht zugänglich ist.
versteht man aus der klassischen Rhetorik kommend unter einer Metapher ein
Ersetzungsprinzip, bei dem ›durch Verwendung der Semantik eines Lexems Ähn-
lichkeiten zwischen zwei Bereichen konstatiert‹ (Schirren 2009: 1488) werden. Der
Gentrifizierungsdiskurs ist, wie viele Diskurse, durchzogen von Metaphern in diesem
Sinne, die sich vorderhand in Wortformen manifestieren, weshalb Böke (1996: 444;
1997: 166) auch von ›Metaphernlexemen‹ spricht, also Wortformen, bei denen mor-
phologische Konstituenten metaphorischen Gehalt besitzen, wie
– Gentrifizierungs{karussell}
– Gentrifizierungs{schub}
– Gentrifizierungs{sog}
– Gentrifizierungs{karawane}
– Gentrifizierungs{sturm}
– Gentrifizierungs{welle}
Auf die zentralen kognitiven Funktionen von Metaphern in Diskursen macht Ziem
(2008b) in einer umfassenden kognitionssemantischen Arbeit aufmerksam und
zeigt, dass die Wissensorganisation in Diskursen wesentlich auch über metapho-
rische Konzepte fundiert ist und damit analog zur Idee konzeptueller Metaphern
(Lakoff/Johnson [1980] 2008) ein Grundprinzip der kognitiven Verarbeitung dar-
stellen. Folglich sind ›Metaphernlexeme‹ nicht nur Teil einer propositionsorientier-
ten intratextuellen Analyse von Diskursen, sondern zugleich ein Phänomen der ko-
gnitionslinguistischen Aspekte von Texten.
6 Zur ersten Orientierung sei hier insbesondere noch einmal auf Bußmann (2008: 753 u. a.)
hingewiesen.
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 155
1. [. . .] eine Wortform, eine Verbindung von Wortformen oder eine Kombination von
Wortformen und nichtsprachlichen Elementen, also ein Zeichenkomplex,
2. der als Vorlage für die Produktion weiterer Zeichenkomplexe dient,
3. dabei aber von gleicher Materialität ist wie die daraus entstehenden Zeichenkomplexe.
156 3 Methodologie und Methoden
Als syntaktisches Muster kann man demnach eine wiederkehrende Satz- oder Teil-
satzstruktur bezeichnen. Wir kommen hier auf das Beispiel der Konzessivsätze im
Kolonialdiskurs zurück:
Obwohl das Stammesgebiet der Bakwiri demnach ziemlich nahe an der Küste liegt, so
sind diese doch noch verhältnismäßig unkultiviert und haben meist noch wenig europäi-
sche Allüren angenommen. (Kolonie und Heimat, 4. Jahrgang, 1910, Heft 5, Titelseite)
– [. . .]
– Syntaktische Muster
Textuelle – Rhetorische Tropen und Figuren
Propositionsorientierte
Mikrostruktur: – Metaphernlexeme
Analyse
Propositionen – Deontische Bedeutung
– Implikaturen, Präsuppositionen
– Sprechakte
Wir halten systematische Analysen syntaktischer Muster also für einen wesentli-
chen linguistischen Beitrag zur Diskursanalyse, mit dem jenseits wortbezogener An-
sätze bzw. diese ergänzend implizite Vorannahmen und geteiltes Wissen im Diskurs
aufgedeckt werden können. Mit der Analyse von ›syntaktischen Mustern‹ entspricht
Diskurslinguistik der satzsemantischen Vorstellung von hintergründigen Satzinhal-
ten (von Polenz 2008: 298–327).
C. Textorientierte Analyse
Bereits die Propositionen können also als ›Mikroebene‹ des Textes verstanden wer-
den; Vater (2001: 64) spricht vom Satz als minimaler textueller Struktureinheit. Als
weitere Textebenen behandeln wir nun die ›Meso-‹ und ›Makroebene‹ für die ei-
gentlich textorientierte Perspektive. Unter einer textuellen ›Mesoebene‹ verstehen
wir alle textgebundenen, satzübergreifenden Sprachformen, die als Teile von über-
geordnet identifizierbaren Texten funktionieren, also Abschnitte in Texten, Absätze,
Zitate im Text usw. Eine textuelle ›Makrostruktur‹ ist die globale semantische Ge-
samtarchitektur eines Textes (vgl. van Dijk [1978] 1980, Lötscher 2008). Wie wir
gezeigt haben, ist für die diskurslinguistische Perspektive u. a. die Semantik von
Texten zentral, also ihre thematisch-inhaltliche Struktur bzw. die semantische Funk-
tion von formalen Texteigenschaften. Wir stimmen dabei Konerding (2009: 171)
zu, der von den »zentral diskurskonstitutiven Begriffe[n] des Themas und der [. . .]
Themenbehandlung« spricht. Die analytische Differenzierung von Meso- und Ma-
158 3 Methodologie und Methoden
Visuelle Textstruktur
Textorientierte Analyse Makrostruktur: Textthema(ta)
Mesostruktur: Themen in Textteilen
krostruktur hat dabei empirische Vorteile, auch wenn eine eindeutige Abgrenzung
häufig schwierig sein dürfte. So sind etwa für den Kolonialdiskurs mesostrukturelle
Gliederungen von Texten in Positiv- und Negativevaluationen von Afrikanern zu
belegen; ein Textthema ist hier nicht fassbar, sondern die Makrostruktur resultiert
in solchen Beispielen aus der deutlich unterschiedlichen Bewertung von Afrikanern
in mesostrukturell abgrenzbaren Einheiten des Textes.
Neben Meso- und Makrostruktur halten wir noch die visuelle Textstruktur für
eine ausgesprochen interessante Ebene der diskurslinguistischen Analyse, weil sich
Bedeutung in natürlichsprachlichen Diskursen nicht nur aus der Lexik und Gram-
matik ableiten lässt bzw. aus lexikalischen und grammatischen Kontexten, sondern
auch visuelle Dimensionen der Semantik, etwa in Text-Bild-Korrelationen, ein-
schließt; wofür ein sprechendes und verstörendes Beispiel aus dem Kolonialdiskurs
bereits angeführt sei (Abbildung 3.14).
Es wäre kaum sinnvoll, solche Aspekte der kolonialen Kommunikation aus
dem diskurslinguistischen Interesse auszuklammern. Wir unterscheiden daher drei
Teilebenen der textorientierten Analyse, die wir – das sei betont – als analytische
Konstrukte auffassen (Tabelle 3.5).
Hinsichtlich der einzelnen diskurslinguistischen Analysekategorien behandeln
wir hier Meso- und Makrostruktur gemeinsam, denn was für Mesostrukturen von
Texten erfassbar ist, kann man potenziell auch in Makrostrukturen nachweisen. Im
Einzelnen gehen wir dabei auf folgende Kategorien ein, die schon deshalb als of-
fene Klassen zu verstehen sind, weil eine eindeutige Zuordnung von Phänomenen
im einen oder anderen Fall Schwierigkeiten bereitet. Gemäß unserer methodologi-
schen Reflexion von diskurslinguistischen Gegenständen gehen wir davon aus, dass
entsprechende Zuordnungen immer schon qualitative Interpretationen bedeuten:
– Textsorte
– Textfunktionen
– Themenentfaltung
– Isotopie- und Oppositionslinien
– Lexikalische Felder
– Metaphernfelder
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 159
Mündlich Schriftlich
Fiktional +/− +/−
Nicht-fiktional +/− +/−
Textsorte. In der Textlinguistik ist der Status von ›Textsorten‹ umstritten, es ist nicht
verbindlich geklärt, ob Textsorten sprachimmanente Strukturen, Ordnungsschema-
ta der Kommunikationsakteure oder Beschreibungsformate von Linguisten darstel-
len. Die Literatur zu und über Textsorten und die Textsortenproblematik ist auch
aus diesem Grund so breit gefächert, dass wir darauf hier nicht näher eingehen
wollen. Wir halten eine sehr allgemeine Definition von ›Textsorte‹ im diskurslingu-
istischen Kontext für vorteilhaft, weil man sich damit nicht auf eine Schule oder
spezifische Konzeption festlegt und beispielsweise die Beantwortung der Frage, ob
Textsorten aus Handlungsmustern abzuleiten seien und ob man daher besser von
›Textmustern‹ sprechen solle (vgl. Heinemann 1990), als Aufgabe der Textlinguistik
versteht. Wir teilen also eine recht allgemeine Definition von Adamzik (2010: 344),
die unter ›Textsorte‹ verallgemeinernd eine »Klasse von Texten mit gemeinsamen
kommunikativ relevanten Merkmalen« versteht; diese Merkmale sind intratextuell,
wenngleich die Konventionalisierung solcher Merkmale auch eine transtextuelle Be-
dingung der Aussage sein kann. Die Textsorte ist aber zuallererst ein konstitutiver
Faktor für die Bedeutung eines Textes, weil seine Zugehörigkeit zu einer Klasse eine
systematische intratextuelle Semantik transportiert und Auswirkungen bis auf die
Wortebene hat. Adamzik (2008: 154–161) gibt einen sehr gut begründeten Überblick
zu vier Typen von basalen Textsortenklassen, die wir hier für eine erste Orientierung
in einer Matrix darstellen (Tabelle 3.6).
Textsorten können neben dieser Differenzierung aus zahlreichen Texteigen-
schaften abgeleitet werden, etwa aus Funktionen, wie dem Protest gegen Gentri-
fizierung vs. Deklaration von Grund- und Menschenrechten, oder aus inhaltlichen
Aspekten von Texten, wie Erzählungen über Afrika mit jeweils spezifischen kolonisa-
torischen Narrativen vs. Berichterstattung über eine Antigentrifizierungsdemonstra-
tion in einer Zeitung. Für die Diskurslinguistik sind Textsorten auch im Hinblick
auf die Korpuserstellung von Interesse. Denn grundsätzlich sollte man sehr genau
abwägen, ob man textsortenheterogene oder -homogene Korpora generiert (vgl.
Jung 1996). Sofern man mit Vergleichskorpora für statistische Signifikanzanalysen
arbeitet, kommt der Vergleichbarkeit von Textsorten der jeweiligen Korpora zudem
eine große Bedeutung für die erzeugten quantitativen Daten zu.
Textfunktionen. Wir sind bereits ausführlich in Abschnitt 1.3 auf die Bedeutung des
linguistischen Funktionsbegriffs für die Diskurslinguistik eingegangen. Am Beispiel
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 161
des Kolonialdiskurses (vgl. Warnke 2009d) wollen wir hier nur knapp deutlich ma-
chen, inwieweit die funktionale Analyse von Themen in (Teilen von) Texten ein
interessanter diskurslinguistischer Gegenstand sein kann. Das Sprechen über Afrika
zwischen 1884 und 1919 ist sehr verstreut, ein einheitlicher Diskurs nicht auszuma-
chen. Sehr wohl ist aber erkennbar, dass Texte des deutschen Kolonialismus ganz
unterschiedliche Funktionen besitzen und dass diese Funktionen textuelle Grup-
pierungen erkennbar machen und auch eine zeitliche Gewichtung erfahren. Ne-
ben der Funktion von Agitation und Propaganda der frühen Kolonialbegeisterung
stehen Texte mit der Funktion der Deskription etwa im ethnographischen Schrift-
tum, der Narration in fiktionalisierenden Reiseberichten oder des Antikolonialismus
im kritischen Gegendiskurs von Kolonialisierungskritikern. Textfunktionen hängen
eng mit Textsorten zusammen, sie sind aber insbesondere auch als Äquivalente der
propositionsgebundenen Sprechakte auf der Ebene des Textes zu verstehen. Heine-
mann (2008: 125) macht das deutlich, wenn er Textfunktionen als ›Intentionsstruk-
turen‹ versteht; dabei »sind die ›kommunikativen Prädikate‹, die Prädikate des Kom-
munikationsmodus, besonders wichtig: das INFORMIEREN, MANIFESTIEREN,
DEKLARIEREN, APPELLIEREN, KOMMITTIEREN u. a.«.
Nun haben wir uns aber vom Begriff der Intention (vgl. Abschnitt 1.3.4) dis-
tanziert, weil wir die Kategorie der Absicht aus dem diskurslinguistischen Interesse
weitgehend ausklammern. Das bedeutet aber nicht, dass die Struktur eines Textes,
seine sprachliche Oberfläche, funktionslos ist. Doch stellen wir eben nicht die Fra-
ge, ob diese Funktion(en) beabsichtigt ist/sind, sondern wir beobachten Effekte von
Sprache. Damit widersprechen wir einer bereits älteren Auffassung der Textlinguis-
tik zur Textfunktion:
Für die Bestimmung der Textfunktion ist allein entscheidend, was der Textproduzent zu
erkennen geben will, indem er sich auf bestimmte Regeln (Konventionen) sprachlicher
und kommunikativer Art bezieht. (Brinker 1983: 131–132)
Für die Diskurslinguistik ist nicht die Kategorie der Intention funktionallinguis-
tisch relevant, sondern die des Effektes. Es ist also grundsätzlich nicht von Interesse,
ob etwas so gemeint ist, sondern ob es so ist, wie es ist. Ethnographische Texte des
ausgehenden 19. Jahrhunderts mögen als Beschreibungen gemeint sein und damit
im Verständnis von Brinker zu erkennen geben, dass die Funktion der Deskripti-
on im Vordergrund steht. Wenn der Text jedoch durch Wertungen beschreibt, be-
sitzt er auch die Funktion der Evaluation, selbst wenn diese nicht offensichtlich in
den grammatischen Konstruktionen ist. Die diskurslinguistische Beschäftigung mit
Textfunktionen konzentriert sich daher auch nicht nur auf explizite Muster, son-
dern vor allem auf implizite Effekte von Texten, etwa im Hinblick auf die bereits
behandelten Präsuppositionen.
Themenentfaltung. Konerding (2008) hat unter Rückgriff auf die klassische Rheto-
rik die Bedeutung der ›Quaestio‹ – also die Frage nach dem, worum es in einem
162 3 Methodologie und Methoden
Text geht – für die Diskurslinguistik klar herausgearbeitet; von Interesse ist dem-
nach, was fraglich in einem Text ist (vgl. auch Hellwig 1984: 14). Während die Frage
nach den Textthemata aber statisch ist, ist der Blick auf die ›Themenentfaltung‹
an der Dynamik semantischer Dimensionen von Texten interessiert, die wesentlich
aus der ›Quaestio‹ folgen. Bei Hausendorf/Kesselheim (2008: 103–138) werden fünf
Kategorien einer solchen Themenentfaltung genannt, die auch für diskurslinguisti-
sche Arbeiten eine sinnvolle Orientierung bieten: Themaeinführungshinweise, The-
mabeibehaltungshinweise, Themaentwicklungshinweise, Themaabschlusshinweise,
Themawiedereinführungshinweise. Es zeigt sich bei der Analyse der ›Themenent-
faltungen‹ in Texten, dass Diskurslinguistik in Teilen ihrer Methoden eng mit der
Textlinguistik verbunden ist, und dies vor allem, sofern Textlinguistik als eine »Lin-
guistik des Sinns« (Coseriu [1980] 2007: 69) verstanden wird.
Dass die intratextuelle Themenentfaltung ein wichtiger Baustein für die Dis-
kursstrukturierung und -einbettung eines Textes ist, dürfte bereits intuitiv nachvoll-
ziehbar sein. Im Menschenrechtsdiskurs zeigt sich beispielsweise, dass die Deklaration
von Grundrechten, die universale Gültigkeit besitzen sollen, häufig in Verbindung
mit Verfassungsrechten zur Staatsorganisation erscheinen und zudem nicht selten
auch noch durch eine so genannte ›Präambel‹ eingeleitet werden. Die Reihenfolge
dieser Textteile, die eine Frage der thematischen Organisation ist, steht in engem
Zusammenhang zur gesellschaftlichen Wertung und wissenschaftlichen Systematik
dieser Rechte. Hinzu kommt die Frage, welche Rechte im Einzelnen in welchen
Bezügen zueinander und in welcher Reihung, mit welchem Wiederaufgreifen, ko-
difiziert werden: Leben, Freiheit, Eigentum, Recht auf Selbstbestimmtheit, Recht auf
Meinungsäußerung, Gedanken- und Gewissensfreiheit, freie Religionsausübung, Wider-
standsrecht usw. Mit der Reihung und Gewichtung der Rechte werden Hinweise
auf diskursive Einbettungen gegeben, etwa der Bezug auf scholastische Naturrechts-
vorstellungen, die den Menschen als Ebenbild Gottes entwerfen vs. der Hinweis
auf profan-naturrechtliche Staatstheorien, die von einem Gesellschafts- und Herr-
schaftsvertrag ausgehen. Die damit verbundene Diskussion um die Allgemeingül-
tigkeit oder Relativität der Menschenrechte, die durch die thematische Gewichtung
und Einbettung von Grundrechten wesentlich versprachlicht wird, begleitet die in-
ternationale Debatte spätestens seit der UN-Declaration of Human Rights (1948).
Dabei ergeben sich nach Steiner/Alston (2000: 341) die in Tabelle 3.7 dargestellten
Oppositionen, die in der Themenentfaltung von Texten des Menschenrechtsdiskurses
belegbar sind.
Die Sprache der Menschenrechtskodifikationen begründet diese Differenzen
ebenso, wie sie Mittel zur Abschwächung der einen oder anderen Opposition bei-
bringt; es handelt sich um eine produktive Differenz, die auch in der themati-
schen Organisation von Texten realisiert ist. Gerade am Menschenrechtsdiskurs kann
übrigens deutlich werden, dass die behandelten Themen erst dadurch diskurslin-
guistisch interessant werden, wie sie entfaltet werden. Wenn also etwa Adamzik
(2008: 165) Thementypen unterscheidet (statische Objekte, dynamische Objekte,
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 163
socially constructed,
inalienable
given and taken
absolute contingent
particular,
universal
as opposed to culturally specific
time bound,
eternal, ahistorical
historicist
rights based on equal rights based on
human dignity utility, power
kognitive Objekte), dann leistet sie damit sehr gute Orientierungen für die Themen-
analyse. Für die Diskurslinguistik ist aber gerade von Interesse, wie solche Themen
entwickelt werden, eine unmittelbare Korrelation von Thementypen und Themen-
entfaltungstypen gibt es dabei nicht:
In gewissem Ausmaß ist es möglich, diese Thementypen in Beziehung zu Themenentfal-
tungstypen zu setzen (statische Objekte: Deskription; dynamische: Narration; kognitive:
Argumentation), durchgängig ist das aber nicht möglich und vor allem ist zu beach-
ten, dass auch diese Typologie nicht als Sortier-, sondern als Beschreibungswerkzeug zu
verstehen ist und einzelne Texte und auch Textsorten mehrere dieser Typen aufweisen
können. (Adamzik 2008: 165)
Zu beobachten ist hier eine ganz typische Strategie der Textorganisation, die gera-
de bei gesellschaftlich umstrittenen Sachverhalten argumentativ genutzt wird. Das
Posting arbeitet mit Oppositionen, deren Bedeutung im Allgemeinen wir für die
Themenentfaltung in Tabelle 3.7 bereits gezeigt haben. Im Blogpost geht es um
folgende Gegenüberstellungen:
Meldungen/Nachrichten vs. Mobilisierung der Mieter/innen
Wissenschaftlicher Fachbegriff vs. Reale Auseinandersetzungen in Städten
Akademische Fachdebatten vs. Soziale Bewegungen
164 3 Methodologie und Methoden
ihren Angehörigen auf dem Gipfel; ganz im Gegensatz zu den Wahutu, die mit
entgegengesetzten Bildern erfasst sind: Sie seien kleine Bantuneger mit platter Nase,
die im Tal wohnten. Kurz kann zugestimmt werden, wenn er festhält:
Der Metaphorisierungsprozeß kann ein ganzes Wortfeld umfassen und bildet, in analo-
ger Terminologie, ein Metaphernfeld. Solche Metaphernfelder fungieren in Texten als
immanente Deutungs- und Charakterisierungsperspektiven. (Kurz 2004: 26)
Eben das macht sie für die Diskurslinguistik auch als analytische Gegenstände in-
teressant.
– Materialität
– Typographie
– Text-Bild-Beziehungen
und gut wahrnehmbare Botschaften vermitteln können. Das Transparent ist im Ge-
gensatz zur Papierzeitung in der Regel einmalig. Im Gentrifizierungsdiskurs geht die
materiale Dimension so weit, dass die gesellschaftlich umstrittene Nutzung von Ge-
bäuden auf ihnen selbst kommuniziert wird, so dass Referenzgröße und materialer
Textträger identisch sein können.
Dass Materialität auch die Kontextualisierung von Dokumenten betreffen
kann, machen wir an einem Beispiel des Menschenrechtsdiskurses – genauer des Ver-
fassungsdiskurses – deutlich, und zwar an der Aufbewahrung der Declaration of
Independence. Die von 58 Delegierten unterzeichnete Ausfertigung der amerikani-
schen Unabhängigkeitserklärung vom Juli 1776 gilt heute als nationales Heiligtum,
und zwar nicht nur ihrem Inhalt, sondern vor allem auch ihrer Materialität nach,
und ist einer Reliquie gleich in der Rotunde der National Archives Washington, DC
exponiert. Es erscheint mit Blick auf solche und andere Beispiele sinnvoll, Diskurse
nicht nur nach inhaltlichen Kriterien zu ordnen, sondern auch ihre Materialität in
den Blick zu nehmen. Schon für die textbasierte, literale Kommunikation ergeben
sich dabei eine Vielzahl von Klassen: Graffiti, Schilder, Plakate, Zeitungen, Bücher,
geschützte vs. bearbeitbare digitale Dokumente usw.
Typographie. Eine weitere visuelle Dimension geschriebener Texte ist die Typogra-
phie im engeren Sinne, wobei mit Wehde (2000) und Stöckl (2004) Mikro-, Meso-
und Makrotypographie zu unterscheiden sind. Hier greift Diskurslinguistik wichti-
ge Anregungen der Schriftlinguistik (vgl. Spitzmüller 2006) auf. Während ›Mikro-
typographie‹ das Schriftdesign und die Anordnung von Schriftzeichen auf der Zeile
meint, versteht man unter ›Mesotypographie‹ die Gestaltung des Schriftbildes auf
der Fläche und unter ›Makrotypographie‹ die graphische und räumliche Gesamt-
gestaltung eines Textes. Wir wollen nur an einem Beispiel zeigen, wie bedeutungs-
strukturierend mikrotypographische Information in Texten sein kann und zeigen
damit zugleich, dass Typographie nicht auf Druckschriften beschränkt ist. Im Gen-
trifizierungsdiskurs werden subversive politische Positionen häufig durch Kennzeich-
nung des Graphems <A> als Logogramm ª (für ›Anarchie‹) eingenommen und
markiert. Dies ist ein mikrotypographisches Merkmal im Gentrifizierungs- und all-
gemein im politischen Protestdiskurs; wir haben darauf schon hingewiesen. Dabei
kommt das Anarchiezeichen ª nicht nur isoliert vor, sondern auch als Substitut in
Wörtern und steht damit für eine anarcho-orthographische Konvention (vgl. Abbil-
dung 3.15 auf der nächsten Seite).
Der Slogan WIR BLEIBEN ALLE – zugleich Name einer Protestbewegung, de-
ren erklärtes Ziel es ist, so genannte ›selbstorganisierte Freiräume‹ zu erkämpfen
und zu verteidigen –, markiert sich typographisch ebenso wie das Transparent an
der Berliner Auguststraße 70 als anarchiebereiter Protest.
Was für die Zeichenverwendung gilt, gilt auch für die Schriftwahl. Wie An-
droutsopoulos (2004) zeigt, verwenden Texte verschiedener jugendlicher Szenen
musterhaft spezifische Schriftarten (als Beispiel seien die ›Erpresserbrieftypographie‹
168 3 Methodologie und Methoden
der Punk-Bewegung und die gebrochenen Schriften im Heavy Metal genannt), und
auch bei Protestgemeinschaften (wie etwa der Antifa-Bewegung) ist dies häufig der
Fall. Es ist offensichtlich, dass diskurslinguistische Analysen auch solche Formen
der Textgestaltung unbedingt berücksichtigen müssen, da sie häufig funktional (et-
wa als Ausdruck einer Gruppenidentität oder von Werthaltungen und Ideologien)
eingesetzt werden (vgl. dazu Spitzmüller i. Dr.).
Erkennbare meso- und makrotypographische Merkmale, die zugleich eine Dis-
kursposition als monumentales Staatsdokument markieren, weisen Verfassungsdo-
kumente auf, mit denen auch kreativ umgegangen werden kann, wie das Beispiel ei-
ner materialen und typographischen Umsetzung der Grundrechtsartikel des Grund-
gesetzes für die Bundesrepublik Deutschland durch Dani Karavan (*1930) in Abbil-
dung 3.16 zeigt. Die transparente Umzäunung des Jakob-Kaiser-Hauses der Bun-
destagsverwaltung Berlin ist ein symbolisch durchschaubarer Textträger für die
19 Grundrechtsartikel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Die
lasergravierte Schrift leuchtet nachts und schreibt sich so material und zugleich
schwebend auf Gesetzestafeln angeordnet in den öffentlichen Raum ein. Es han-
delt sich um eine luzide Monumentalisierung, deren visuelle Dimension Teil der
Bedeutung des Textes wird.
Ein wichtiger makrotypographischer Aspekt ist auch die Platzierung von Tex-
ten innerhalb eines Mediums, ein Faktor, der bei elektronischen Korpora häufig
eliminiert ist. So wie die Wahl des Mediums selbst von Relevanz ist, ist es auch die
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 169
Anordnung von Texten innerhalb des Mediums. Offensichtlich wird dies bei Zei-
tungstexten: Ob ein Artikel auf der prominenten Seite 3 einer Zeitung steht oder
irgendwo hinten im Mantelbogen, ob auf ihn auf der Titelseite verwiesen wird oder
nicht etc., ist diskurslinguistisch durchaus relevant, unter anderem deswegen, weil
daran abzulesen ist, welche Bedeutung einem Text von den produzierenden Akteu-
ren zugewiesen wird. Wohlgemerkt geht es auch hier nicht darum, ›Intentionalitä-
ten‹ freizulegen, sondern um die Beschreibung einer metapragmatischen Handlung,
als die die Platzierung von Texten ebenso wie eine metasprachliche Aussage zum
›Textwert‹ aufzufassen ist.
Text-Bild-Beziehungen. Vor allem in der Textstilistik hat man erkannt, dass die Vi-
sualisierung von Texten, insbesondere in Text-Bild-Verbünden ein textsortenspezifi-
sches Merkmal von Kommunikaten sein kann und dass das Wechselspiel von Visua-
lität und Literalität vielen Texten eine semantische Prägung gibt (vgl. Fix/Wellmann
2000, Stöckl 2004, Kress/van Leeuwen 2006). Text-Bild-Relationen sind ausgespro-
chen komplex, wir wollen daher hier nur einige Hinweise geben, die zur ersten Ori-
entierung für eine Umsetzung in konkreten Diskursanalysen nützlich sein mögen.
Mit Burger (2005) kann man für Text-Bild-Relationen formale, semantische und
pragmatische-funktionale Dimensionen unterscheiden, für die es jeweils grundle-
gende Fragestellungen gibt (vgl. Tabelle 3.8 auf der nächsten Seite).
170 3 Methodologie und Methoden
– [. . .]
– Text-Bild-Beziehungen
Visuelle Textstruktur
– Typographie
– Materialität
– [. . .]
Textorientierte Makrostruktur: – Metaphernfelder
Analyse Textthema(ta) – Lexikalische Felder
– Isotopie- und
Oppositionslinien
Mesostruktur: – Themenentfaltung
Themen in Textteilen – Textfunktionen
– Textsorte
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 171
In der Zusammenfassung der textorientierten Analyse ergeben sich für die Meso-
und Makrostruktur sowie die visuelle Textstruktur die in Tabelle 3.9 dargestellten
diskurslinguistischen Analysekategorien.
172 3 Methodologie und Methoden
Medialität
Akteure Diskurspositionen
Interaktionsrollen
3.2.2 Akteure
Diskurslinguistik ist mehr als eine Erweiterung von text- oder gesprächsorientierten
Analysen, das haben wir bereits ausführlich dargelegt und begründet und dabei auf
die zentralen Fragen nach transtextuellen Möglichkeitsbedingungen und nach Kon-
texten der Aussage hingearbeitet. Diese Fragen sollten jedoch nicht allein strukturell
verstanden werden, denn Transtextualität ist keine innersystematische Eigenschaft
von Sprache, sondern wird durch Sprachhandlungen hergestellt. Von besonderem
Interesse für jede diskurslinguistische Analyse sind daher neben den vielfältigen
diskursrelevanten Textphänomenen die sprachlichen Handlungen, vermittels derer
Texte als Teile von Diskursen erscheinen oder neben Diskursen stehen, denn Inklu-
sion und Exklusion kennzeichnen jeden Text gegenüber dem Diskurs. Durch die
Berücksichtigung der Diskurshandlungen, für die wir insbesondere auf die Criti-
cal Discourse Analysis und die Soziolinguistik zurückgreifen können, werden zudem
sprach- und wissensbezogene Diskursanalyse zusammengeführt. Im Mittelpunkt
der handlungsorientierten Diskurslinguistik steht der ›Akteur‹. Wir greifen mit die-
ser Bezeichnung eine zentrale sozialwissenschaftliche Kategorie auf und ersetzen da-
mit herkömmliche Bezeichnungen wie Sprecher/Sprecherin, Hörer/Hörerin, Sender/
Empfänger usw. Der Akteur als Actor, als Handelnder, ist zunächst einmal nicht not-
wendigerweise eine personale Größe. Akteure können Individuen, Gruppen von
Individuen, Netzwerke von Individuen, aber auch nicht-personale Handlungsin-
stanzen wie Institutionen, Parteien, Medien etc. sein. Einen besonders weiten Ak-
teursbegriff vertritt Latour ([2005] 2007) mit der ›Akteurs-Netzwerk-Theorie‹, die
auch unbelebte Dinge als Akteure betrachtet, etwa Gebäude oder Städte. Gehen wir
beispielhaft vom Gentrifizierungsdiskurs aus, so gestaltet sich dieser aus Handlungen
von Immobilienhändlern, Bewohnern unterschiedlicher sozialer Klassen, Hausbesetzern,
Medien, Wissenschaftlern usw. bis hin zu den dimensionalen Gebäudeformationen, die
etwa im Falle Berlins schon dadurch bedeutend für den Diskurs sind, weil in der
alten Bausubstanz von Vorder- und Hinterhausbebauungen, Seiten- und Garten-
häusern im Hof etc. eine soziale Mischung vorgeben ist und insofern verschiedene
Bewohnergruppen als personale Akteure in ihren Begegnungen und Vernetzungen
determinieren.
Wir gehen davon aus, dass die diskurslinguistische Akteursanalyse sinnvoller-
weise drei Ebenen unterscheiden sollte (vgl. Tabelle 3.10). Bevor wir auf diese Ebe-
nen genauer eingehen, möchten wir aber erläutern, was wir unter einem ›Text-
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 173
Diskursprägung
Diskursregeln
Akteure
Diskurs-Filter‹ verstehen, denn die zentrale Funktion der Akteure besteht im Dis-
kurs in eben der ›Filterung‹ von Aussagen.
A. Text-Diskurs-Filter
ohne intertextuelle Bezüge. Das folgt bereits aus dem sozialen Charakter der Spra-
che, denn sich mit Sprache verständigen bedeutet immer, vorgeprägte und arbiträre,
also konventionalisierte Kommunikate zu nutzen.
Eine sehr strukturierte Darstellung zu den Regeln, nach welchen Einzeltexte
Teil eines Diskurses werden, gibt Foucault ([1972] 2007); wir sind darauf schon
eingegangen (Abschnitt 2.1.3). Es sind die Diskursregeln ›Kontrolle‹ als externe Aus-
schließung vom Diskurs, ›Selektion‹ als interne Prozedur der Diskurskontrolle, ›Or-
ganisation‹ als Bedingung des Diskurseinsatzes und ›Kanalisierung‹ als Formen der
Eliminierung der Diskursrealität. Foucault zufolge regelt ein Feld von Akteuren
– das eben auch Institutionen und nicht belebte Instanzen wie Architektur ein-
schließt –, was diskursiven Status erlangt und was nicht.
Folglich gilt, dass die Relationierung eines Einzeltextes mit einem Diskurs zu-
nächst immer erst zu prüfen ist. Keineswegs ist jeder thematisch mit externen Aus-
sagen verknüpfte Text Teil eines gemeinsamen Diskurses. Wir gehen also davon
aus, dass jeder Text nur potenziell Teil an einem Diskurs hat; dies symbolisieren wir
durch die gebrochene Graphik des Pfeils. Andererseits ist jeder Text durch (den)
Diskurs(e) geprägt, wobei diese Prägung durch Textmusterspezifik, Imitation, Dif-
ferenzbildung usw. akteursgeleitet funktioniert.
Wenn wir also drei Ebenen der akteursorientierten Analyse unterscheiden,
dann ist dabei zu bedenken, dass diese immer in Handlungszusammenhängen ste-
hen, die aus ›Diskursregeln‹ und ›Diskursprägung‹ resultieren und eine Filterung
zwischen Diskurs und singulärem Text darstellen.
B. Interaktionsrollen
Akteure sind nicht nur hinsichtlich ihres Status als Person oder Institution etc. zu
differenzieren, sondern vor allem auch im Hinblick auf Rollen, die sie in der Inter-
aktion einnehmen. Wenn wir in Abschnitt 1.3.5 unter Verweis auf Jakobson ([1960]
1978) ›Sprecher/Schreiber‹ und ›Hörer/Leser‹ als Faktoren der diskursiven Konstitu-
ierung von Wissen eingeführt haben, so zeigt sich bei weiterer Betrachtung, dass
es sich dabei um Sammelbegriffe handelt, weil damit ganz unterschiedliche Rollen
bezeichnet werden.
Schwitalla (2001) führt aus, dass man die herkömmlichen Unterscheidungen
in sprachliche Produzenten und Rezipienten sinnvoll erweitern kann, wenn man
z. B. Zuhörer, Adressaten, Experten, Prominente, Bürger, Betroffene, Opfer etc. als
Teilnehmer von Gesprächen annimmt. Zentral für diese Differenzierungen ist das
›Footing‹-Konzept von Goffman (1979 und 1981), worauf für die Textlinguistik auch
Adamzik (2002) mit einer Arbeit über die ›Textwelt‹ und ihre Akteure nachdrück-
lich hinweist (vgl. Levinson 1988). Für die Diskurslinguistik erweisen sich diese
Beiträge als sehr nützlich. Wir fassen deshalb grundlegende Überlegungen zusam-
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 175
men und unterscheiden nach den Rollen auf Seiten der Sprecher/Schreiber sowie
der Hörer/Leser:
– Produzentenrollen
– Rezipientenrollen
Produzentenrollen. Schon diese Bezeichnung ist problematisch, nicht nur weil der
technisch anmutende Ausdruck der ›Produktion‹ für sprachliche Handlungen als
nicht unbedingt geeignet erscheint, sondern vor allem, weil es eben gerade nicht die
Produzenten von Aussagen gibt; das ist eine Kernannahme des ›Footing‹-Konzeptes:
Ausgangspunkt der Überlegungen Goffmans ist die Notwendigkeit, die globalen Kon-
zepte ›Sprecher‹ und ›Hörer‹ zu dekomponieren bzw. zu dekonstruieren [. . .], so dass
verschiedene Ebenen, auf denen man an einer Interaktion beteiligt sein kann, sichtbar
werden. (Adamzik 2002: 219)
Diese Überlegung ist sehr gut anschließbar an die von Foucault aufgeworfenen dis-
kursanalytischen Fragen »Wer spricht? Wer in der Menge aller sprechenden Indi-
viduen verfügt begründet über diese Art von Sprache?« (Foucault [1966] 1974: 75),
denn mit dem Konzept der Interaktionsrollen können wir Antworten auf genau
diese Fragen finden. Dabei sind mindestens drei Äußerungsmodalitäten, das heißt
Produzentenrollen, zu unterscheiden (vgl. Tabelle 3.11).
Die triadische Rollendifferenzierung geht davon aus, dass Aussagen gestuft rea-
lisiert werden und dass diese Stufung durchaus auch unterschiedliche Akteure invol-
vieren kann, aber nicht muss. Wir wollen das verdeutlichen, indem wir die bereits
im Zusammenhang mit den Nomina propria (Abbildung 3.7 auf S. 141) diskutierte
Autorschaft im Gentrifizierungsdiskurs noch einmal in den Blick nehmen:
es sich hier um eine Strategie, bei der das Prinzip der V. i. S. d. P.-Angabe untergra-
ben wird; die presserechtliche Vorgabe, einen ›principal‹ als Verantwortlichen zu
nennen, wird missachtet. Nun zeigt das darüber befindliche Plakat die Kuratorin
der Berlin Biennale 2010, Katrin Rhomberg, mit der in Abbildung 3.20 gezeigten
Bildunterschrift in der 1. Person Singular Präsens. Kathrin Rhomberg wird als ›ani-
mator‹ der Aussage inszeniert, was freilich ebenso unautorisiert erfolgt, wie die Rolle
des ›principals‹ gefälscht ist. Offen bleibt damit, wer das Plakat tatsächlich gemacht
hat und wer hier spricht; und das ist zugleich die Frage nach dem ›author‹ als For-
mulierungsinstanz (vgl. Adamzik 2002: 220) des Plakates.
Mit Analysen von Produzentenrollen kann man eine differenzierte Antwort auf
Foucaults Frage nach der Autorschaft in Diskursen finden. Gerade das Beispiel des
Gentrifizierungsdiskurses zeigt, dass diskursive Positionen – hier der Protest – keines-
wegs in einfachen personalen Rollen identifizierbar sind, sondern dass diese Positio-
nen zum Teil versteckt, verhüllt, mit verschiedenen Stimmen sprechen, gleichwohl
aber mit Akteuren in Verbindung zu bringen sind, die in unserem Beispiel wohl zu
den Gentrifizierungsgegnern oder zumindest -kritikern gehören.
Rezipientenrollen. Auch für die Seite der Hörer/Leser entwickelt Goffman (1981) ein
Modell der Interaktionsrollen, die er in einem ›participation framework‹ darstellt
(vgl. Tabelle 3.12).
Während die Textrezipienten zum einen unterschieden werden in autorisierte
(›ratified participants‹) und nicht-autorisierte (›unratified participants‹) Teilnehmer,
sind die nicht-autorisierten Hörer noch einmal nach Zufälligkeit oder Absicht der
Mithörerschaft in ›over-hearers‹ und ›eavesdroppers‹ unterteilt; es gibt also keine
direkte Entsprechung der Produzenten- und Rezipientenrollen, was auch Adamzik
festhält:
Es scheint mir nun notwendig, darauf hinzuweisen, dass die Einführung dieser drei
Ausdrücke [Textproduktionsrollen] insofern nicht einfach parallel zur Differenzierung
auf der Rezipientenseite angelegt ist, als es durchaus vorkommen kann [. . .], dass ein
Individuum alle Rollen übernimmt. Demgegenüber ist man entweder ratifizierter oder
nicht-ratifizierter Teilnehmer, und wer unbemerkter Lauscher ist, kann gleichzeitig zu-
gelassener Mithörer sein. (Adamzik 2002: 220)
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 177
Autorisierte Hörer
Primary recipient Angesprochener Akteur
(ratified participants)
C. Diskurspositionen
– Vertikalitätsstatus
– Voice
– Ideology brokers
– Diskursgemeinschaften
– Soziale Stratifizierung, Macht
178 3 Methodologie und Methoden
Es ist kein Zufall, dass Wichter sich nicht nur im Zusammenhang der Lexiko-
logie der Vertikalität für solche Wissensschichtungen interessiert, sondern auch
zu den nachdrücklichen Förderern der frühen Diskurslinguistik gehört (vgl. Ab-
schnitt 2.2.3), denn die Beschreibung vertikaler Wissensverhältnisse ist in bei-
den Feldern von Bedeutung. Eine Operationalisierung des Vertikalitätsansatzes
legt u. a. Busch (1994) vor, der am Beispiel der medizinischen Experten-Laien-
Kommunikation und mit Hilfe von Modellen des Textverstehens zeigt, welche un-
terschiedlichen Diskurspositionen in Expertenkommunikation, Fachkommunikati-
on, Vermittlungskommunikation usw. vorzufinden sind.
Wir halten diesen Ansatz für sehr nützlich, weil er der Gefahr begegnet, Dis-
kurse als unitäre Strukturen, also eindimensionale Phänomenbereiche zu beschrei-
ben. Wenn man etwa den Menschenrechtsdiskurs der Neuzeit untersuchen möchte,
kann man zwar von einer breiten Quellenbasis ausgehend vielfache transtextuel-
le Phänomene beschreiben, doch den Menschenrechtsdiskurs gibt es eben nicht.
Die Idee der Menschenrechte ist maßgeblich durch vertikale Streuungen von Ex-
perten zu Laien unterschiedlichster Provenienz konstituiert. Dabei spielen verfas-
sungsrechtliche Diskursausschnitte ebenso eine Rolle wie regulative Rechtsordnun-
gen, massenmediale Diskurse, institutionelle und organisationale Diskursakteure
und interkulturelle Diskurskonstellationen. In der Begegnung dieser Ebenen – et-
wa zwischen der Universal Islamic Declaration of Human Rights von 1994 und einer
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 179
Soziale Stratifizierung, Macht. Wir sind in Abschnitt 2.1.4 bereits ausführlich auf
die Bedeutung der Machtanalyse im Programm der Diskursanalyse eingegangen
und wollen daher hier nur kurz auf die diskurslinguistische Bedeutung von Macht-
analysen im Hinblick auf soziale Stratifizierung, also Schichtung, hinweisen. Selbst-
verständlich hängen die Diskurspositionen von Einzelnen und Gruppen eng mit
ihrer sozialen Position zusammen. Wenn die Widerstandskommunikation im Gen-
trifizierungsdiskurs unter anderem im WWW organisiert wird, so mag dies einem
›Open-access-Gedanken‹ von Kommunikation entsprechen, der voraussetzungslose
Partizipation ermöglicht, doch gilt dies nur insofern, als man in sozialen Grup-
pen agiert, in denen die Nutzung von Computertechnologie zum Alltag gehört.
Dies ist aber natürlich nicht für alle von Gentrifizierungsprozessen betroffenen Be-
wohner eines Stadtquartiers der Fall, und zwar nicht zuletzt infolge sozialer Stra-
tifizierung. Eine Berücksichtigung von Armut, Arbeitslosigkeit, sozialer Isolation,
kommunikativer Unerreichbarkeit, Analphabetismus, Erkrankungen usw. legt of-
fen, dass Diskursakteure sehr unterschiedliche Möglichkeiten haben, am Diskurs
zu partizipieren und damit auch Interaktionsrollen überhaupt einzunehmen. Sozial
›unmarkierte‹ Diskursdaten gibt es daher nicht, und wenn Diskursanalysen, etwa
durch Untersuchung massenmedialer Texte, gesellschaftliche Debatten aufdecken
wollen, so handelt es sich immer um Debatten bestimmter sozialer Schichten, Ein-
kommensgruppen, Bildungsschichten usw.; das ist auf jeden Fall zu berücksichti-
gen. Umso notwendiger ist das zu bedenken, wenn es in der Diskursanalyse um die
Rekonstruktion von sozial geteiltem Wissen geht. Hier kann das Modell einer unitä-
ren Gesellschaft nicht erklärungsadäquat sein, vielmehr müssen unterschiedlichste
Schichtungen bedacht werden, die zudem in Milieus dynamisch sind und auch mit
sprachlichen Kompetenzen in Verbindung stehen. Wir wissen uns in diesen Über-
legungen und auch Interessen am Diskurs mit grundlegenden Annahmen der CDA
(vgl. Abschnitt 2.2.2) einig.
›Stratifizierung‹ drückt sich aber nicht nur personal aus, sondern ist auch in-
stitutionell verankert. So zeigen Mau/Verwiebe (2009: 69), wie Bildungssysteme in
Europa unterschiedlich stratifiziert sind. Das deutsche System gilt dabei mit seinem
mehrgliedrigen Schulsystem bekanntlich als besonders stark stratifiziert und bringt
damit wiederum Schichtungen hervor, die nicht zuletzt in sprachlichen Kompeten-
zen und im (Nicht-)Zugang zu weiterführenden Bildungsinstitutionen verfestigt
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 183
werden. Soziale Stratifizierung ist im Übrigen – um dieses Beispiel auch hier an-
zuführen – ein Grundprinzip des Kolonialismus, so dass koloniale Sprachpolitik
immer auch mit der Kontrolle um Zugänge zu sprachlichen Ressourcen einhergeht.
D. Medialität
– Medium
– Kommunikationsformen
– Handlungsmuster
Medium. Inwiefern ist ›Medium‹ eine nicht zirkuläre bzw. nicht redundante Ana-
lysekategorie für ›Medialität‹? Wir verstehen unter ›Medium‹ hier tatsächlich ganz
eingeschränkt nicht mehr und nicht weniger als ein Hilfsmittel zur Herstellung,
Übertragung, Versinnlichung oder Speicherung von Zeichen, genauer des ›Medi-
184 3 Methodologie und Methoden
dig geleistet werden. Für den Menschenrechtsdiskurs wäre man vielleicht neben Tex-
ten an der Medialisierung durch Monumente interessiert, für den Kolonialdiskurs
könnte man den frühen Film in Analysen einbeziehen usw. Sinnvolle Festlegun-
gen gibt es hier nicht, ein Bewusstsein für die Multimedialität des Diskurses ist
jedoch nicht zuletzt im Zusammenhang der Triangulation von Forschungen (vgl.
Abschnitt 1.2, 3.1) förderlich. Instruktive und ausgezeichnete Übersichten zu den
Möglichkeiten der linguistischen Medienanalyse gibt Burger (2005); Verbindungen
zeigt die Diskurslinguistik aber nicht nur zur Medienlinguistik, sondern auch zur
Publizistikwissenschaft (vgl. auch Holly 1997, Dürscheid 2003) und zur Medienkul-
turanalyse (vgl. Hepp 2010).
In der Zusammenfassung der Akteursebene ergeben sich also drei Teilebenen mit je-
weiligen diskurslinguistischen Analysekategorien, die wir wiederum als offene Klas-
sen darstellen, um nachdrücklich zum Ausdruck zu bringen, dass es uns hier weder
um eine Festlegung auf zu behandelnde Gegenstände geht, noch um abgeschlossene
Module einer konsekutiven, also stufenweisen Analyse. Gemeint ist diese Zusam-
menfassung als methodologische Systematisierung linguistischer Ansätze zur Unter-
suchung von Akteuren im Diskurs (Tabelle 3.13).
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 187
– [. . .]
Medialität – Handlungsmuster
– Kommunikationsformen
– Medium
Diskursprägung
Diskursregeln
– [. . .]
– Soziale Stratifizierung, Macht
Akteure – Diskursgemeinschaften
Diskurspositionen
– Ideology brokers
– Voice
– Vertikalitätsstatus
– [. . .]
Interaktionsrollen – Rezipientenrollen
– Produzentenrollen
Unser Vorschlag, für eine Methodologie der Diskurslinguistik drei Ebenen zu unter-
scheiden (intratextuelle Ebene, Akteure und transtextuelle Ebene), begründet sich
zunächst aus dem empirischen Nutzen einer solchen Trennung, aber auch aus der
damit geleisteten forschungssystematischen Integration von Textlinguistik, Stilistik
und anderen Teildisziplinen in die Diskurslinguistik sowie aus der so ermöglich-
ten Verbindung von Produkt- und Handlungsanalysen. Wir müssen jedoch noch
einmal deutlich darauf hinweisen, dass es sich um eine analytische Gliederung in
Ebenen handelt, die bei aller Operationalisierbarkeit nicht bedeutet, dass Diskurs-
linguistik (zwingend) konsekutiv von der intratextuellen Ebene über die Akteure
zur transtextuellen Bezugnahme auf Textgeflechte erfolgen sollte oder müsste.
De facto erscheinen die drei Ebenen integriert. Der Diskurs ist – und gerade
das macht ihn zu einem unklaren, doch eminent wichtigen sprachwissenschaftli-
chen Gegenstand – erst dort Diskurs, wo intratextuelle Phänomene, Akteure und
transtextuelle Strukturen interagieren; wo etwa die Wahl bestimmter rhetorischer
Mittel in einem singulären Text auf musterhafte Formen anderer Texte verweist
und damit bestimmte Diskurspositionen erkennbar werden lässt.
Wenn wir hier von ›transtextueller Ebene‹ sprechen – und dieses Buch ja
schließlich in Theorien und Methoden der transtextuellen Sprachanalyse einführt –,
dann verstehen wir darunter eine komplexe Struktur der Sprache und ihrer Funk-
tionen jenseits der Textgrenze, wie immer diese definiert wird. Eine transtextuelle
Analyse ist dann transtextuell, wenn sie nicht nur einzelne bzw. vereinzelte Texte
untersucht – was auch eine traditionelle Aufgabe der Rhetorik und Stilistik oder
Textlinguistik sein könnte –, sondern wenn sie eine Mehrzahl, besser: Vielzahl von
Texten bzw. Aussagen in verschiedenen Texten, verschiedenen Medien, von verschie-
188 3 Methodologie und Methoden
denen Akteuren usw. analysiert, und zwar eine Vielzahl, die strukturelle Überein-
stimmungen und Handlungsbezüge aufweist.
Die Diskurslinguistik hat sich nun vor allem mit der Frage befasst, durch wel-
che Merkmale solche strukturellen Übereinstimmungen greifbar sind. Wir haben
in Kapitel 2 in entsprechender wissenschaftsgeschichtlicher Kontextualisierung ge-
zeigt, für welche dieser transtextuellen Konzepte sich linguistische Diskursanalysen
je nach Schulenzugehörigkeit besonders interessieren. Auch hier gibt es keinen ver-
bindlichen Kanon, sehr wohl aber geteilte Annahmen, auf die wir uns beziehen. Es
gibt grundlegende diskurslinguistische Analysekategorien auch für die transtextuel-
le Ebene, mittels derer man – in Auswahl und je nach Fokus einer Untersuchung –
die Bezüge von singulären Texten und ihre Kontextualisierung durch Akteure be-
schreiben kann. Wir wollen aber nicht, wie in den vorausgehenden Abschnitten,
diese diskurslinguistischen Analysekategorien im Einzelnen theoretisch erläutern –
dazu verweisen wir auf die jeweiligen Abschnitte in Kapitel 2 und nennen hier die
entsprechenden Seitenzahlen –, wir werden uns im Folgenden skizzenhaft auf An-
wendungsperspektiven für unsere Beispieldiskurse konzentrieren und verweisen für
Umsetzungen nicht zuletzt auf die jeweiligen Originalkonzepte:
von Inhalten in Artikeln oder Paragraphen übernommen wird, dann handelt es sich
um ›typologische Intertextualität‹; typische Formen der juristischen Textpraxis wer-
den zur Informationsverdichtung und -strukturierung genutzt.
Demgegenüber ist die ›referenzielle Intertextualität‹ als unmittelbarer Bezug
auf Prätexte viel schwerer zu belegen. Grundsätzlich können alle Phänomene der in-
tratextuellen Ebene, sofern sie musterhaft auftreten bzw. in mehreren Texten belegt
sind, als Intertextualitätsphänomene beschrieben werden. ›Intertextualität‹ ist damit
die umfassendste und zugleich erklärungsmächtigste Kategorie der transtextuellen
Analyse, wobei sie grundsätzlich eine intratextuelle Detailperspektive voraussetzt,
denn nur das, was im Einzeltext belegt ist, kann auf Intertexualitätsdimensionen
hin untersucht werden. Gehen wir mit Kristeva (1967) davon aus, dass jeder Text
intertextuell ist, dass jeder Text ein Mosaik von direkten und indirekten Zitaten dar-
stellt, dann ist ›Intertextualität‹ das offensichtlichste Kennzeichen der diskursiven
Verfasstheit von Sprache, denn ›Intertextualität‹ erfolgt nicht zufällig, sondern ist
rückgebunden an Regeln der Sagbarkeit im Sinne von Beschränkungen und Mög-
lichkeiten.
Unsere drei Beispieldiskurse (Menschenrechtsdiskurs, Gentrifizierungsdiskurs, Ko-
lonialdiskurs) sind, wie alle Diskurse, durch zahlreiche und komplexe Intertextuali-
tätsphänomene gekennzeichnet, die alle Ebenen der intratextuellen Ebene betreffen.
Wenn man sich etwa bei der Beschäftigung mit dem Menschenrechtsdiskurs mit der
Virginia Declaration of Rights (1776) als einem der ersten Dokumente befasst, das
wie ein Pioniertext – geschliffen, kurz, elegant und von großer Tragweite in die Zu-
kunft – die naturrechtliche und rationalistische Tradition allgemeiner, allen Men-
schen zukommender Rechte in Worte fasst, dann erkennt man, wie vernetzt dieser
Text sowohl musterhaft als auch inhaltlich mit anderen Texten ist. Eben diese trans-
textuelle Einbettung ist eines der Kennzeichen der diskursiven Position dieses Tex-
tes. Nicht nur Bezüge auf John Lockes Gedanken, dass der Staat die Freiheiten und
das Eigentum des Einzelnen als vorstaatliche Institutionen zu schützen habe, sind
für die Virginia Declaration of Rights zu belegen, sondern auch vielfältige Bezüge auf
profan-naturrechtliche Staatstheorien. Die Intertextualität zeigt sich vor allem auch
nachzeitig, denn sowohl die Declaration of Independence (1776) als auch eine Viel-
zahl späterer Verfassungsdokumente der US-amerikanischen Geschichte – etwa die
Bill of Rights – beziehen sich wie die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen
(1789) zumindest mittelbar auf die Virginia Declaration of Rights (vgl. Chester 1989).
Die Intertextualitätsphänomene sind bis auf einzelne Formulierungen nachweisbar,
so werden aus all men in der Virginia Declaration of Rights in der UN-Declaration of
Human Rights (1948) all human beings bzw. men and women, womit interessante In-
dizes auf die gesellschaftliche Kontextualisierung der Formulierungen gegeben sind.
Jegliche Form von Intertextualität ist daher zentral relevant für diskurslinguistische
Analysen von Sprache.
190 3 Methodologie und Methoden
Frames. Geht man davon aus, dass verstehensrelevantes Wissen kognitiv struktu-
riert ist, können ›Frames‹ als Instrumente der Beschreibung komplexer semanti-
scher Relationen sehr nützlich sein (vgl. Abschnitt 2.2.1 d). Mit Konerdings (1993,
2005, 2007, 2008) Verfahren zur Ermittlung von ›Matrixframes‹ ist beispielsweise
konkret zu fragen, welches Konzept von Afrika dem kolonisatorischen Sprechen
über diesen Kontinent im 19. Jahrhundert zugrunde liegt. Es wäre möglich, raum-
bezeichnende Ausdrücke systematisch auf der Grundlage heterogener Korpora zu
sammeln und mit dem bereits erläuterten Verfahren der ›Hyperonymreduktion‹
(vgl. Abschnitt 2.2.1 d) auf allgemeine Raumkonzepte zurückzuführen. Die Viel-
falt möglicher Fragen zur Raumerfassung im Kolonialdiskurs bliebe dabei nicht
abstrakt und prädefinierend – wie in allgemeinen kulturwissenschaftlichen Konzep-
ten etwa des Eigenen vs. Fremden –, sondern wäre datengestützt eingegrenzt und
vor allem nachvollziehbar beantwortbar. Mit Frameanalysen ließe sich zeigen, wer
Afrika als Naturraum konzeptualisiert, wer als statischen und geschichtslo-
sen Kontinent oder als belebten bzw. gefährlich-bedrohlichen Raum, als
Wirtschaftsraum usw. Dabei sind Analysen nicht nur auf die lexikalische Reprä-
sentation von Wissen zu beschränken, denn Frames generieren auch Propositions-
merkmale, Metaphern(felder), Isotopien usw.
Für die Diskurslinguistik arbeitet Ziem (2008b), u. a. mit Verweis auf Fillmore
(1982), sehr deutlich heraus, dass es bei solchen framesemantischen Rekonstruktio-
nen um die Aufdeckung von Verstehenskontexten geht, denn sprachliche Ausdrü-
cke sind keine singulären Zeichen(folgen), sondern in Rahmenstrukturen verankert,
die für das diskursimmanente Verstehen maßgeblich sind:
By the word ›frame‹ I have in mind any system of concepts related in such a way that
to understand any of them you have to understand the whole structure in which it
fits; when one of the things in such a structure is introduced into a text, or into a
conversation, all of the others are automatically made available. (Fillmore 1982: 111)
Diskurssemantische Grundfiguren. Mit Verweis auf Busse (1997: 20–21) haben wir
gezeigt, dass ›diskurssemantische Grundfiguren‹ unterschiedliche intratextuelle
Phänomene systematisieren, wie etwa Isotopieketten, Topoi, Namen usw. (Ab-
schnitt 2.2.1 a). Sie sind damit Merkmale der Diskurskohärenz, denn über ›diskurs-
semantische Grundfiguren‹ sind und werden Texte verschränkt. Hier kann noch
einmal deutlich gemacht werden, dass Diskurslinguistik nicht an Intentionen inter-
essiert ist, denn nicht (nur) das, was in beabsichtigen intertextuellen Vernetzungen
auftritt, ist Teil von ›diskurssemantischen Grundfiguren‹, sondern gerade auch die
nicht beabsichtigen Effekte der Übereinstimmung, die implizit erfolgen.
Wir wollen auch dies an einem Beispiel des Kolonialdiskurses zeigen. Waßmuth
(2009) hat belegt, wie Afrikaner als Produkt des kolonisatorischen Sprechens in Ko-
192 3 Methodologie und Methoden
lonie und Heimat erscheinen und welche Bedeutung dabei die ›diskurssemantische
Grundfigur‹ der hierarchisierenden Relativierung hat:
Das Sprechen über die Kolonien und das Sprechen über die Kolonisierten zeigt eine
Grundhaltung, die bei genauer Betrachtung die Texte latent durchzieht und sich konsti-
tutiv auf das Afrikanerbild auswirkt. (Waßmuth 2009: 321)
Gezeigt wird dies, unter Verweis auf Busses (1997) Darstellung zur diskurssemanti-
schen Grundfigur das Eigene und das Fremde, am Partikelgebrauch in Kolonie
und Heimat, an syntaktischen Mustern in Nebensatzstrukturen und Textstrukturen.
Hervorhebenswert ist dabei, dass die hierarchisierende Relativierung nicht mo-
nophänomenal ist, also etwa allein durch den Gebrauch von Stigmawörtern erfolgt,
vielmehr sind die redaktionellen Texte in Kolonie und Heimat auf der lexikalischen,
propositionalen und textuellen Ebene durchzogen von dieser hierarchisierenden
Relativierung. Das entspricht Busses Aussagen über ›diskurssemantische Grund-
figuren‹:
Diskursive Grundfiguren ordnen textinhaltliche Elemente, steuern u. U. ihr Auftreten
an bestimmten Punkten des Diskurses, bestimmen eine innere Struktur des Diskurses,
die nicht mit der thematischen Struktur der Texte, in denen sie auftauchen, identisch
sein muß, und bilden ein Raster, das selbst wieder als Grundstruktur diskursübergrei-
fender epistemischer Zusammenhänge wirksam werden kann. (Busse 1997: 20)
Bezeichnungen grenzen sich etwa von der Gay-Community ab, womit eine Differen-
zierung homosexueller Orientierung nach Geschlechtern erfolgt. Je nach Diskursge-
meinschaft werden in der Queer-Community – bis hin zu Speech Codes – Erwartun-
gen an das Sprechen und Schreiben geknüpft. Das erkennt man auch daran, dass
der Gebrauch von LGBT umstritten ist, eben weil er auf soziale Werte verweist, die
nicht von allen Queer-Aktivisten geteilt werden. Schon die Entscheidung, ob man
von LGBT oder GLBT spricht, indiziert im Englischen eine Einstellung zu gesell-
schaftlichen Dominanzverhältnissen im Feld Homosexueller, denn LGBT setzt die
lesbische Orientierung primär und wird etwa von feministischen homosexuellen
Frauen gegenüber GLBT präferiert. Eine Fülle anderer Bezeichnungen konkurriert
mit diesen Ausdrücken, etwa das Akronym MSGI (= minority sexual and gender
identities), mit dem eine neutrale Position gegenüber biologischen und sozialen Ge-
schlechtszugehörigkeiten zum Ausdruck gebracht wird.
Ein anderes Beispiel ist die Sprachwahl im Gentrifizierungsdiskurs durch Pro-
testakteure, die überwiegend dem linksalternativen Milieu zuzuordnen sind. In der
Kampagnenbeschreibung des Netzwerkes Wir bleiben alle! (http:// wba.blogsport.de
<24.12.2010>) finden sich zahlreiche indizierende Ausdrücke. So verweisen Vollver-
sammlung (VV), Arbeitsgruppen (AGs), solidarisches Miteinander, Bündelung sämtli-
cher Kräfte, das Pronomen wir usw. auf eine sozialsymbolische Aufwertung des Kol-
lektivs, die im Blog auch explizit gemacht wird mit Kollokationen wie kollektive
Strukturen für ein ›Dagegen‹, Praxis der kollektiven Aneignung, kollektives Zusammen-
leben, kollektiver Freiraum, kollektives Frühstück. Es geht mit solchen Ausdrücken
nicht (nur) darum, Gegenstände und Sachverhalte zu referenzieren, sondern ver-
mittels Formulierungen die Zugehörigkeit zu einem sozialen Milieu auszudrücken.
Ganze Wortfelder, Kollokationsmuster usw. können dabei für sozialsymbolische
Werte stehen.
Ein ganz offensichtliches Beispiel für indizierenden Sprachgebrauch ist die so
genannte ›geschlechtergerechte Schreibung‹, für die es zahlreiche Belege in den
Foren der Kampagne Wir bleiben alle gibt: Freund_innen, Genoss_innen, Bewoh-
ner_innen, Polizist_innen, Besetzer_innen. Hier soll durch Splitting und Vermeidung
des generischen Maskulinums eine geschlechterneutrale Haltung indiziert werden;
interessanterweise nicht als Binnen-I, sondern als ›Gender Gap‹, einer aus den
Queer-Studies entwickelten Alternativform, die mit einer Kritik am Binnen-I als
Affirmation binärer Geschlechtszugehörigkeiten verbunden ist.
Die Nutzung spezifischer Sprachformen markiert also diskursive Positionen.
Dabei gibt es, wie wir gezeigt haben, nur eine kontextbezogene Sozialsymbolik, weil
Varietäten in unterschiedlichen Kontexten ganz unterschiedlich bewertet werden.
Sprache ist insofern ein Index für diskursiv verankerte Milieus, nicht aber für Klas-
sen, wie in der Defizittheorie von Bernstein (u. a. 1958) angenommen (vgl. S. 111).
Historizität. Dass die Geschichtlichkeit einer Ordnung der Dinge, überhaupt der
Wirklichkeit, des Denkens und des Wissens zu den zentralen Annahmen der Dis-
194 3 Methodologie und Methoden
kursanalyse gehören, haben wir gezeigt. Für einen linguistischen Zugriff ist diese
theoretische Voraussetzung unter Umständen weniger provozierend als für andere
disziplinäre Interessen am Diskurs, etwa sozialwissenschaftliche, denn das Wissen
auch um die Historizität von Sprache gehört zum Grundbestand jeder Linguistik.
Dennoch verdeckt selbst in der Sprachwissenschaft das Primat einer gegenwarts-
orientierten Synchronie die Erkenntnis der stets nur historischen Gültigkeit von
Regeln. Das Konzept der ›Historizität‹ des Diskurses ist also für die Sprachwissen-
schaft wenig innovativ, aber es ist identitätsbildend, weil mit ihm eine a-historische
Betrachtung von Sprache als universalem Kompetenzsystem unmöglich erscheint.
Für konkrete diskurslinguistische Analysen bedeutet das zum einen die Notwen-
digkeit eines Bewusstseins der eigenen Historizität im Sinne eines zeitlich je re-
lativen Standpunktes und zum anderen das Wissen um die Geschichtlichkeit der
behandelten Gegenstände. Dies scheint selbstverständlich zu sein, ist es aber mit
Blick auf das Themensetting vieler, auch linguistischer Diskursanalysen nicht; wir
haben mit Blommaert (2007: 33–37) bereits auf dieses Problem hingewiesen (Ab-
schnitt 2.2.2 c).
Linguistische Untersuchungen zum Menschenrechtsdiskurs, Gentrifizierungsdis-
kurs und Kolonialdiskurs – um hier unsere Beispieldiskurse aufzugreifen – könnten
kaum hinreichend genannt werden ohne Berücksichtigung ihrer Geschichtlichkeit.
Das bedeutet aber nicht zwangsläufig longitudinale Untersuchungen mit Methoden
der Diachronie, wie denn auch Synchronie nicht heißt, gegenwärtige Strukturen zu
untersuchen, sondern lediglich Gleichzeitigkeiten, wann immer diese im Einzelnen
betrachtet werden.
Analysiert man den Beispielgebrauch in deutschen Sprachführern und Gram-
matiken indigener afrikanischer Sprachen der deutschen Kolonialzeit, so drängt sich
die Historizität der Aussagen geradezu auf, auch wenn man synchron arbeitet, denn
diese Beispielsätze scheinen aus der heutigen Perspektive gänzlich ungeeignet, um
neutral auf grammatische Strukturen zu verweisen (vgl. Warnke/Schmidt-Brücken
2011): Höre rasch auf zu fluchen, sonst werde ich dich schlagen. Du musst jedoch wissen,
dass die Europäer selbst überhaupt große Gelehrte sind. Du wirst 25 Schläge bekommen.
Die Historizität dieser Sätze besteht aber nicht darin, dass sie zwischen 1884 und
1919 geäußert wurden, sondern sie resultiert aus der historischen Funktion als Bei-
spielsatz, die heute nicht denkbar wäre, weil sich die gegenwärtige Ordnung der
Dinge, das zeitgemäße Sagen, das Wissen heute nicht mehr im Zirkel der kolonia-
len Wirklichkeit bewegen. Die Sätze funktionieren als Beispielsätze ja nur, weil sie
inhaltlich wenig spektakulär gewesen sein müssen, sie sollen schließlich grammati-
sche Konstruktionen exemplifizieren. Einen Satz wie Tötet den Sklaven! als Beispiel
für den Imperativ zu wählen, verweist auf eine historische Ordnung, die Sklaven
und ihre Tötung als gegeben, üblich usw. annimmt.
Wir erkennen, dass die Historizität von Aussagen den Blick freigibt auf his-
torisch geteiltes Wissen, auf das, was eine Diskursgemeinschaft als Gewissheit an-
nimmt. Dass man sich heute von solchen Sätzen mindestens distanzieren wird, ist
3.2 Ebenen der diskurslinguistischen Analyse 195
ebenso ein Effekt der Historizität wie die vermutliche Akzeptanz der Sätze in ko-
lonialen Gebrauchszusammenhängen. Auch wenn es einmal mehr provozierend ist,
auch für die CDA: einen absoluten Ort zur Beurteilung und Bewertung einer sol-
chen kolonialen Sprache im Sinne eines kritischen Apriori kann es nicht geben, weil
eben selbst die analytische Position historisch relativ ist:
Aber mein Weltbild habe ich nicht, weil ich mich von seiner Richtigkeit überzeugt habe;
auch nicht, weil ich von seiner Richtigkeit überzeugt bin. Sondern es ist der überkomme-
ne Hintergrund, auf welchem ich zwischen wahr und falsch unterscheide. (Wittgenstein
[1950/51] 1989: 139)
Selbstverständlich einigt sich jede Gesellschaft immer wieder auf geteilte Werte, um
vollkommene Relativierungen zu vermeiden. So wird eine auf der Idee der Men-
schenrechte aufbauende Gesellschaft solche Beispielsätze kaum akzeptieren können;
womit ein Beispiel auch für die historische Vernetzung von Diskursen gegeben ist,
hier des Menschenrechts- und Kolonialdiskurses.
Aussagen sind immer (auch) im Kontext historischer Bedingungen zu sehen.
Diskurslinguistische Untersuchungen sollten mithin, um dieser ›Historizität‹ von
Diskursen gerecht zu werden, die Genese und das historische Setting der Diskurs-
ausschnitte, die sie untersuchen, in den Blick nehmen. Die ›Historizität‹ zeigt sich
dabei auf ganz verschiedenen Ebenen: Etwa dadurch, dass Diskursteilnehmer selbst
Historizitäten generieren, indem sie etwa auf Traditionen und Entwicklungen ver-
weisen, oder dadurch, dass geschichtlich verwurzelte Wissenssedimente und Tra-
ditionen den Diskurs prägen. Wir gehen deshalb auch mit Braudel ([1958] 1992)
von verschiedenen und unterschiedlich dynamischen Zeitebenen aus, die es dis-
kurslinguistisch zu untersuchen gilt (vgl. auch Blommaert 2007: 125–157). Dass der
historische Abstand schließlich ein analytischer Vorteil für die Identifizierung von
›Historizität‹ sein kann, drückt Habermas besonders klar aus:
Die Relativität der wörtlichen Bedeutung eines Ausdrucks entdecken wir vielmehr erst
durch eine Art der Problematisierung, die wir nicht ohne weiteres in der Hand haben.
Sie ergibt sich infolge objektiv auftretender Probleme, die unser natürliches Weltbild
erschüttern. (Habermas 1981: 450)
Die angeführten kolonialen Beispielsätze zeigen das wohl besonders gut, sie erschüt-
tern unser natürliches, gegenwärtiges Weltbild massiv, ihre ›Historizität‹ verstört
uns.
[. . .]
Ideologien, Gouvernementalität, Mentalitäten
Diskurs- Historizität
Transtextuelle
orientierte Indexikalische Ordnungen, Sozialsymbolik
Ebene
Analyse Diskurssemantische Grundfiguren
Frames, Topoi
Intertextualität
3.3 DIMEAN
Bereits mit Warnke/Spitzmüller (2008b) haben wir einen Vorschlag zur methodolo-
gischen Synthese zentraler diskurslinguistischer Phänomene und Analysegegenstän-
de gemacht und dies im Modell einer Diskurslinguistischen-Mehr-Ebenen-Analyse
198 3 Methodologie und Methoden
Was ist das Ziel einer diskurslinguistischen Methodologie und inwiefern lassen sich
die diversen theoretischen Interessen an der Sprachlichkeit des Diskurses, die zahl-
reichen diskurslinguistischen Analysekategorien und die unterschiedlichen Ebenen
integrativ darstellen? Auch hier weisen wir noch einmal darauf hin, dass wir keine
diskurslinguistische Globalmethode vorgestellt haben, sondern eine Methodologie,
die grundlegende Bedingungen der empirischen Forschung für die Diskurslinguis-
tik systematisch nutzbar machen soll.
Ohne Frage kann z. B. eine Topos-Analyse, eine framesemantische Erhebung
oder eine Intertextualitätsanalyse – mit den genannten Einschränkungen vielleicht
auch die Untersuchung rhetorischer Mittel in Texten – wichtige Hinweise auf ver-
stehensrelevantes Wissen, auf diskursive Annahmen usw. geben und damit im Pro-
gramm der Diskurslinguistik mehr als berechtigt sein. Doch mit welchem Instru-
ment arbeitet man am Besten, in welcher Verbindung steht etwa eine Topos-Analyse
mit der historischen Schlagwortforschung, was unterscheidet z. B. die Frameseman-
tik von Akteursanalysen usw.? Aus unserer Erfahrung sind diese Fragen weit weniger
konstruiert, als sie es vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mögen. Diese Fragen
– die immer wieder und zu Recht gestellt werden – umreißen das Feld der diszi-
plinären Desorientierung infolge zahlreicher terminologischer und konzeptioneller
›Diskursverwirrungen‹; wir haben das in Kapitel 2 gezeigt. Auch hier handelt es sich
sicherlich nicht nur um ein Phänomen des linguistischen Interesses am ›Diskurs‹,
die Unübersichtlichkeiten in der ›Textlinguistik‹ oder ›Morphologie‹ und ›Syntax‹
sind kaum geringer und müssen hier wie dort durch systematisierende Integratio-
nen immer wieder vermittelbar und anwendbar gemacht werden.
Da Diskurslinguistik eine empirische Sprachwissenschaft ist, eine Wissenschaft,
die ihre Erkenntnisse aus der Auseinandersetzung mit den Daten gewinnt, sind
Richtpunkte einer integrativen Systematisierung für die Diskurslinguistik die ›Güte-
kriterien‹ empirischer Forschung (vgl. Hug/Poscheschnik 2010: 93–98; Steinke 2010;
Busch 2007). Diskurslinguistische Untersuchungen sollten bei aller legitimen und
auch wünschenswerten Unterschiedlichkeit ihrer linguistischen Detailperspektiven
solchen Gütekriterien entsprechen; wir haben in Abschnitt 1.2 schon darauf hinge-
wiesen. Hier fassen wir nun die methodischen Möglichkeiten der Diskurslinguistik
3.3 DIMEAN 199
Wenn wir also zum Abschluss dieses Buches die Ebenen einer praktischen linguis-
tischen Diskursanalyse noch einmal tabellarisch zusammenführen, dann nicht, um
eine Summe unserer Überlegungen und Darstellungen zu ziehen; diese kann es
nicht geben. DIMEAN ist mithin auch kein Fazit der Diskurslinguistik oder unserer
Diskurslinguistik, sondern ein methodologisches Integrationsmodell, das Orientie-
rungen im Diskurs ermöglicht. Dabei werden die zahlreichen Bezüge des Diskurses
zum Text, zum Korpus und zum Wissen ebenso aufgegriffen wie die Einsichten
zahlreicher Diskursanalytiker zu den sozialen und historischen Orten des Wissens,
zu Diskurs und Macht und nicht zuletzt zur gewünschten Verbindung von Produkt-
und Produktionsanalysen (vgl. Hepp 2010: 150–163) sowie von Makro- und Mikro-
analysen (vgl. Habscheid 2009: 90).
200 3 Methodologie und Methoden
[. . .]
Ideologien, Gouvernementalität, Mentalitäten
Diskurs- Historizität
Transtextuelle
orientierte Indexikalische Ordnungen, Sozialsymbolik
Ebene
Analyse
Diskurssemantische Grundfiguren
Frames, Topoi
Intertextualität
– [. . .]
– Handlungsmuster
Medialität
– Kommunikationsformen
– Medium
Diskursprägung
– [. . .]
Diskursregeln
– [. . .]
Visuelle – Text-Bild-Beziehungen
Textstruktur – Typographie
– Materialität
Textorientierte – [. . .]
Makrostruktur:
Analyse – Metaphernfelder
Textthema(ta)
– Lexikalische Felder
– Isotopie- und Oppositionslinien
Mesostruktur: – Themenentfaltung
Themen in – Textfunktionen
Intratextuelle Textteilen
Ebene – Textsorte
– [. . .]
– Syntaktische Muster
Propositions- Textuelle – Rhetorische Tropen und Figuren
orientierte Mikrostruktur: – Metaphernlexeme
Analyse Propositionen – Deontische Bedeutung
– Implikaturen, Präsuppositionen
– Sprechakte
– [. . .]
Mehrwort-Einheiten – Okkasionalismen
– Schlagwörter
Wortorientierte – Schlüsselwörter
Analyse
– Nomina continuativa
– Nomina appellativa,
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Nachweise der Abbildungen und Tabellen
A. Abbildungen
Abb. 1.1 (S. 16): Unterspezifiziertheit und Übergenerierung als Pole der Diskurslinguistik.
Graphik der Autoren.
Abb. 1.2 (S. 24): Vorläufige Darstellung der Konstituentenposition des Diskurses. Graphik
der Autoren.
Abb. 1.3 (S. 25): Exemplarische Konstituentenstruktur einer textualistischen Diskurslinguis-
tik. Graphik der Autoren.
Abb. 1.4 (S. 51): Organonmodell von Karl Bühler. Aus: Bühler ([1934] 1999): 28.
Abb. 1.5 (S. 52): Roman Jakobson: Sechs Faktoren der verbalen Kommunikation. Nach Ja-
kobson ([1960] 1978: 353).
Abb. 1.6 (S. 53): Roman Jakobson: Sechs Funktionen der verbalen Kommunikation. Nach
Jakobson ([1960] 1978: 357).
Abb. 1.7 (S. 54): Sechs Faktoren der diskursiven Konstituierung von Wissen. Graphik der Au-
toren in Anlehnung an Jakobson ([1960] 1978: 353).
Abb. 1.8 (S. 60): Sechs Funktionen der diskursiven Konstituierung von Wissen. Graphik der
Autoren in Anlehnung an Jakobson ([1960] 1978: 357).
Abb. 1.9 (S. 61): Sechs Regulative der diskursiven Konstituierung von Wissen. Graphik der
Autoren in Anlehnung an Jakobson ([1960] 1978: 357).
Abb. 2.1 (S. 90): Matthias Jung: Diskurs als Textkorpus. Nach Jung/Wengeler (1999: 148).
Abb. 3.1 (S. 125): Beschriftetes Haus in Berlin-Kreuzberg, Michaelikirchplatz 4–5 (2010). Foto
und Copyright: Ingo H. Warnke.
Abb. 3.2 (S. 127): Gegenstandsfokussierung in der Diskurslinguistik. Graphik der Autoren in
Anlehnung an Jung/Wengeler (1999: 148).
Abb. 3.3 (S. 130): Synchronie und Diachronie als Dimensionen der Sprachwissenschaft. Ab-
bildung nach, Zitat aus de Saussure ([1916] 2001: 94).
Abb. 3.4 (S. 131): Methodenfokussierung in der Diskurslinguistik. Graphik der Autoren in
Anlehnung an Jung/Wengeler (1999: 148).
Abb. 3.5 (S. 134): Verfahrensfokussierung in der Diskurslinguistik. Graphik der Autoren in
Anlehnung an Jung/Wengeler (1999: 148).
Abb. 3.6 (S. 136): Status der Akteure in der Diskurslinguistik. Graphik der Autoren.
Abb. 3.7 (S. 141): Ausschnitt eines Anti-Gentrifizierungs-Plakates in Berlin-Kreuzberg (2010).
Foto und Copyright: Ingo H. Warnke.
Abb. 3.8 (S. 143): Kategorien von Schlagwörtern. Nach Burkhardt (1998: 103).
Abb. 3.9 (S. 144): Ausschnitt eines Anti-Gentrifizierungs-Plakates in Berlin-Kreuzberg (2010).
Foto und Copyright: Ingo H. Warnke.
Abb. 3.10 (S. 3.10): Propositionale Komponenten des Satzinhaltes (vereinfacht). Nach von Po-
lenz (2008: 93).
Abb. 3.11 (S. 3.11): Komponenten des Satzinhaltes (vereinfacht). Nach von Polenz (2008: 93).
Abb. 3.12 (S. 152): Transparent am Linienhof Berlin-Mitte (2010). Foto und Copyright: Ingo
H. Warnke.
228 Nachweise der Abbildungen und Tabellen
Abb. 3.13 (S. 154): Transparent am Linienhof Berlin-Mitte (2010). Foto und Copyright: Ingo
H. Warnke.
Abb. 3.14 (S. 159): Titelseite Kolonie und Heimat, 4. Jg., 1910, Nr. 1. Quelle: http:// www.
archive.org/ details/ Kolonie-und-Heimat-in-Wort-und-Bild-4.-Jahrgang-1 <18.01.2011>.
Abb. 3.15 (S. 168): Protestkommunikation, Berlin-Mitte (2010). Foto und Copyright: Ingo H.
Warnke.
Abb. 3.16 (S. 169): Dani Karavan: Grundgesetz 49, Spreepromenade, Berlin (2010). Foto und
Copyright: Barbara Soom. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.
Abb. 3.17 (S. 171): Kolonie und Heimat, 3. Jg., 1909, Nr. 3, S. 7. Quelle: http:// www.archive.
org/ details/ Kolonie-und-Heimat-in-Wort-und-Bild-3.-Jahrgang-1 <18.01.2011>.
Abb. 3.18 (S. 173): Text-Diskurs-Filter. Graphik der Autoren.
Abb. 3.19 (S. 175): Ausschnitt eines Anti-Gentrifizierungs-Plakates in Berlin-Kreuzberg, 2010.
Foto und Copyright: Ingo H. Warnke.
Abb. 3.20 (S. 176): Ausschnitt eines Anti-Gentrifizierungs-Plakates in Berlin-Kreuzberg, 2010.
Foto und Copyright: Ingo H. Warnke.
B. Tabellen
Tab. 0.1 (S. 9): Übersicht über verschiedene in der Linguistik gebräuchliche Diskurskonzep-
te. Tabelle der Autoren.
Tab. 1.1 (S. 32): Gegenüberstellung von Diskursanalyse und Korpuslinguistik. Tabelle der Au-
toren nach Leech (2000: 678–680).
Tab. 1.2 (S. 47): Typen der Wissenskonstituierung im Diskurs. Tabelle der Autoren nach
Warnke (2009a: 121).
Tab. 1.3 (S. 48): Analytische Kategorien der wissensorientierten Diskurslinguistik. Tabelle der
Autoren nach Warnke (2009a: 122).
Tab. 1.4 (S. 63): Feldmodell der Wissenskommunikation. Tabelle der Autoren.
Tab. 3.1 (S. 138): Ebenen der intratextuellen Analyse. Tabelle der Autoren.
Tab. 3.2 (S. 145): Ebenen der wortorientierten Analyse. Tabelle der Autoren.
Tab. 3.3 (S. 155): Rhetorisches Figureninventar. Nach Gévaudan (2008: 729).
Tab. 3.4 (S. 157): Ebenen der propositionsorientierten Analyse. Tabelle der Autoren.
Tab. 3.5 (S. 158): Teilebenen der textorientierten Analyse. Tabelle der Autoren.
Tab. 3.6 (S. 160): Grundlegende Unterscheidungen von Textsorten. Tabelle der Autoren nach
Adamzik (2008: 154–161).
Tab. 3.7 (S. 163): Thematische Oppositionen in Menschenrechtsdokumenten. Nach Steiner/
Alston (2000: 341).
Tab. 3.8 (S. 170): Dimensionen, Aspekte und Fragestellungen zu Text-Bild-Relationen in
Printtexten. Nach Burger (2005: 400–424).
Tab. 3.9 (S. 170): Ebenen der textorientierten Analyse. Tabelle der Autoren.
Tab. 3.10 (S. 172): Ebenen der akteursorientierten Analyse. Tabelle der Autoren.
Tab. 3.11 (S. 175): Textproduktionsrollen. Tabelle der Autoren nach Goffman (1981: 226).
Tab. 3.12 (S. 177): Textrezeptionsrollen. Tabelle der Autoren nach Goffman (1981: 131–134).
Tab. 3.13 (S. 187): Kategorien und Filter der akteursorientierten Analyse. Tabelle der Autoren.
Tab. 3.14 (S. 197): Ebenen der transtextuellen Analyse. Tabelle der Autoren.
Tab. 3.15 (S. 201): Layout der diskurslinguistischen Mehr-Ebenen-Analyse (DIMEAN). Tabel-
le der Autoren.
Register
Textstellen, in denen ein Konzept definiert oder genauer dargestellt wird, sind hervorgeho-
ben. Das Register enthält keine Verweise auf grundlegende Konzepte, mit denen sich das
ganze Buch beschäftigt (insbesondere Diskurs, Diskursanalyse, Diskurslinguistik und Sprache).
corpus-based, 35, 39, 95, 128, 131 Diskursposition, 47, 90, 108, 147, 168,
corpus-driven, 38–39, 95, 128, 131, 148 172, 177–183, 180, 187, 199, 201
Critical Discourse Analysis (CDA), 78, Diskursprägung, 173, 174, 187, 201
97–109, 110, 112–114, 119–120, 172, Diskursregel, 173, 174, 187, 201
182, 195–196, 200 Diskurssemantik, 78, 81–85, 97, 115, 119
Critical Discourse Studies (CDS), 109 Diskursstrang, 88, 97, 107–108
critical language awareness, 102 Diskursthema, 97
Critical Linguistics, 78, 100, 101, 104 Diskursuniversum, siehe universe of
Cultural Studies, siehe Medienkulturana- discourse
lyse Diskurswissen, siehe Wissen, metadiskur-
sives
D Dispositiv, 73, 98, 109
Darstellungsfunktion, 48, 51–54 Dispositivanalyse, 109
Debatte, 8–9, 110, 112, 126, 182 Distribution, 43, 46, 47, 48, 54, 58, 102,
sprachideologische, siehe language 122
ideological debate Disziplin, 73, 78
default value, 93, 190
Denken, 44, 46, 68, 71, 77, 85–86, 103, E
107, 109, 193, 197 Ebene
Deontik, 147, 151–152, 157, 201 intratextuelle, 136, 137–171, 173,
Deskriptivität, 98 187, 189, 201
Deszendenz, 23–24, 103 transtextuelle, 136–137, 173, 187–
Diachronie, 40, 115, 128, 130–131, 194 197, 200–201
Dialektismus, 185 Eigenname, siehe Nomen proprium
DIMEAN, 11, 35, 197–201 Einstellung, 29, 41, 62, 86, 103, 110, 144–
discursive practices, siehe Praktik, diskur- 145, 151, 186, 192, 196
sive einstufig, 132–134
Diskurs Einworteinheit, 140, 145, 201
(Begriffsbestimmung), 5–10, 18–19 Einzeltext, 16, 86, 93–94, 96, 104, 115,
herrschaftsfreier, 7, 9 136, 149, 174, 189
Diskursakteure, siehe Akteure Empfänger, 49, 51–52, 172, 179
Diskursanalyse énoncé, 55, 69, 70, 147, siehe auch Aussa-
automatische, 37, 75 ge
Diskursbewusstsein, siehe Wissen, meta- énonciation, 70, siehe auch Äußerung
diskursives entextualization, siehe Textualisierung
Diskursebene, 90, 97, 108 Entsemiotisierung, 166
Diskursformation, siehe Formation, episteme, 69, 115
diskursive Epistemologie, 8, 66, 68, 77, 79, 84, 97–
Diskursfragment, 108, 125 99, 104, 117
Diskursgemeinschaft, 82, 84, 177, 181– Ereignis, 68, 70, 71–72, 115, 125–127
182, 187, 193–194, 197, 201 diskursives, 6, 40, 56, 72, 108, 123,
Diskursgeschichte 126–127
linguistische, 87–91, 97, 119 Erkenntnis, 1, 3, 41–44, 67–68
Diskursgesellschaft, 73, 181 Erweiterungspostulat, 22, 25, 28, 30, 33,
Diskurshandlung, 172–173 80, 115
Diskursivität, 23, 32, 58, 63, 96 Ethik, 7, 9, 66, 96–97
Diskurskohärenz, 150–151, 191 Exhaustivität, 36
Diskurslinguistische Mehr-Ebenen-
Analyse, siehe DIMEAN
Register 231
Hyperonymreduktion, 94, 190 Kohärenz, 21, 72, 97, 103, 148–149, 150–
151, 165, 191
I Kohäsion, 21, 97, 103
ideal speaker-listener, siehe Idealer kollaborativ, 132–134
Sprecher-Hörer Kollektivsymbol, 108
Idealer Sprecher-Hörer, 27–28 Kollokation, 34–35, 140, 193, siehe auch
Identität, 6, 93–94, 102, 105, 122, 129, Kookkurrenz
168, 181, 192, 194 Kommentar, 73, 115
Ideologie, 37, 99–101, 103, 105, 110, 168, Kommunikationsbereich, 83, 90, 102–
180, 188, 195–197, 201 103, 105, 108, 182
ideology broker, 110, 177, 179–181, 182, Kommunikationsform, 102, 116, 183, 185,
184, 187, 196, 201 187, 201
Idiomatik, 28 Konstituentenstruktur, 13, 20, 23–25,
Implikatur, 147, 148–149, 157, 201 138–139
Indexikalität, 112, 192 Konstituierung, 43–47, 48–51, 53–54, 57,
Inferenz, 149, 150–151 59–63, 68–70, 74, 79, 81, 83, 87, 89,
Institution, 42, 46–47, 54, 56, 72–74, 91, 96–97, 99–102, 104, 106–108,
100, 103, 106, 133, 140, 150–151, 172, 121–123, 135, 137, 145, 151–152, 155,
174, 178, 182, 189 165, 171, 174, 186
Intention, 51, 115, 161, 169, 191 Konstruktion, 43–44, 46–47, 48, 54, 57
Interaktion, 42, 174–175, 186 Konstruktionsgrammatik, 30
Interaktionsrolle, 172, 174–177, 179, Konstruktivismus, 44, 92, 119, 135
182–183, 187, 201 Kontext, 20–21, 24–25, 37–38, 52–53, 55–
Interdiskurs, 6, 108 56, 70, 81, 83, 93, 101, 103, 105, 107,
Interdiskursanalyse, 108 111–113, 122–124, 133, 137–138, 140,
Intertextualität, 23, 59, 83, 88, 102, 105, 142–145, 148, 151–152, 172, 181, 190,
114–117, 150, 174, 188–189, 190–191, 193
197–198, 201 Kontextualisierung, 6, 14, 21, 111, 124,
referenzielle, 188–189 137, 139, 153, 166–167, 188–189, 192
typologische, 188–189 Kontextualismus, 21
Introspektionsprinzip, 26, 33 Kontinuität, 39, 67, 70–71, 89, 130
Isotopie, 85, 114, 158, 163–164, 170, 190– Kontrolle, 46, 61–62, 70–72, 75, 174, 183,
191, 201 siehe auch Zugangskontrolle
Konvention, 27, 55, 57, 101–102, 160–161,
K 174, 186
Kampf Konzessivität, 156
semantischer, 43, 45, 47, 64, 87, Konzessivkonnektor, 129, 145, 156
180, siehe auch Agonalität Konzessivsatz, 156
Kanalisierung, 61–62, 72, 174 Kookkurrenz, 93, 94–95, siehe auch Kol-
Katachrese, 154 lokation
knowledge by acquaintance, 42–43 Kopenhagener Schule, 20
knowledge by description, 42–43, 47– Korpus, 10, 17, 25–40, 63–64, 83–84,
48, 54–55, 58 88–91, 95, 104, 106, 108, 115, 117, 121,
Koexistenz, 23, 72, 126 123, 126, 131, 140, 147, 160, 168, 190,
Kognitive Linguistik, 79, 91–95, 103, 119, 199
153, 165, 190 imaginäres, 83
Kognitive Semantik, 88, 91–95, 119, 153, konkretes, 83, 109
165, 190 virtuelles, 25, 82–83
Register 233
Nomen collectivum, 140, 141–142, 145, Präsupposition, 85, 103, 147, 148–151,
201 156–157, 161, 201
Nomen continuativum, 140, 142, 145, Präsuppositionsfeld, 150
201 principal, 175, 176
Nomen proprium, 140–141, 144–145, Produzent, siehe Sprecher/Schreiber
175, 201 Produzentenrolle, 175–176, 187, 201
Norm, 27, 45–46, 56, 60–62, 103, 107, Projektion, 54, 55–56, 57, 59, 62–63
112, 151–152, siehe auch Ausdrucks- Proposition, 6, 55–56, 139, 145–157, 165,
norm 190, 192, 201
Normalität, 6, 156 Protestkultur, 124, 126, 138–139, 152, 160,
167–168, 176, 193
O Psycholinguistik, 117
Oberfläche, 38, 71, 132, 161
Okkasionalismus, 140, 144–145, 201 Q
Online-Diskurs, 16 Quaestio, 161–162
Oppositionslinien, 158, 163–164, 170, qualitativ, 30, 32–36, 39–40, 95, 135, 158,
201, siehe auch Isotopie 200
Oralität, siehe Mündlichkeit qualitative-quantitative debate, 30
orders of indexicality, siehe Ordnungen, quantitativ, 30, 32, 35–36, 38–40, 135,
indexikalische 160, 166, 200
Ordnung des Diskurses, 61, 63, 72–73,
101 R
Ordnungen Rahmen, siehe Frame
indexikalische, 61, 112, 188, 192– Rahmenanalyse, siehe Frame-Analyse
193, 197, 201 Raum, 43, 104
Organonmodell, 51–52 Realismus
ontologischer, 53, 57
P Referenz, 48–49, 51–55, 146, 193
Paratypographie, 166 Referenz-Prädikations-Paar, 146
participant Regel, 27–28, 46–47, 50, 59, 62, 70–73,
ratified, siehe Hörer, autorisierter 76, 123, 161, 174, 194, siehe auch
unratified, siehe Hörer, nicht- Diskursregel, Sagbarkeitsregel
autorisierter Regelhaftigkeit, 70, 71, 123
Performanz, 26–28, 76 Register, 30, 61, 185
Periphrase, 154–155 Regulierung, 43, 47–48, 60–63, 137
Phon, 13 Rekurrenz, 38, 95–96, 147
Phonem, 13, 17, 24, 88, 138 Reliabilität, 28, 36, 133, 199
Positivität, 71, 84, 123 Repräsentation, 35, 38, 40–41, 43–44, 48,
Poststrukturalismus, 3, 14, 23, 45 91
Prädikat, 146–147, 161 Repräsentativität, 34–35, 83, 108
Prädikation, 94, 146, 152, 191 Rezipient, siehe Hörer/Leser
Pragmatik, 16, 31, 50, 59, 79, 103, 105, 113, Rezipientenrolle, 175–177, 187, 201
137, 145, 148–149, 169, 180 Rhetorik, 15–16, 33, 59–61, 88, 123, 147,
Praktik 153–155, 157, 161, 187, 192, 198, 201
diskursive, 72–73, 102, 105, 109, 181
nichtdiskursive, 72–73, 100, 109 S
semiotische, 101, 105 Sagbarkeit, 62, 109, 184, 186, 189
soziale, 21, 43, 100–102 Sagbarkeitsregel, 61–63
Präskriptivität, 98
Register 235
Satz, 6, 9, 14, 17–25, 28, 30, 64, 88, 115– transtextuelle, 14, 21–23, 25, 29, 31,
117, 121, 137, 146–147, 155, 157 33, 40, 121
Satzinhalt, 145–146, 148, 157 Sprachwandel, 30, 79
Schema, 92, 93, 160 Sprechakt, 6, 103, 145, 147–148, 151, 157,
Schematheorie, 91–92 161, 201
Schlagwort, 87, 140, 143–144, 145, 198, Sprecher/Schreiber, 54–55, 57–58, 60–61,
201 63, 144, 150, 172, 174–175, 179, 181,
Schlüsselwort, 140, 142–143, 144–145, 186
201 Standardsprache, 61, 112, 185
Schreiber, siehe Sprecher/Schreiber Standardwert, siehe default value
Schriftlichkeit, 39, 45, 56, 62, 138, 160, Stereotyp, 85–86, 93, 97, 100, 105–106,
166, 185 164, 190
Schriftlinguistik, 167 Stichprobe, 34, 84
Script, 92, 107 Stilistik, 16, 31, 33, 144, 154–155, 169, 185,
Selektion, 174 187
Semantik, 2, 30–32, 34, 44, 55, 57, 79, 81, Stratifizierung
97, 102, 108, 113, 119, 140, 143–144, soziale, 8–9, 97, 112–113, 116, 177,
146, 152–153, 157–158, 160, 164, 180 182–183, 187, 201
historische, siehe Historische Se- Strukturalismus, 3, 13, 19–21, 33, 69–70,
mantik 76–77, 79, 81, 98, 101, 130, 137
kognitive, siehe Kognitive Semantik Subframe, 94
Sender, 49, 51–52, 172, 179 Subjekt, 41–42, 44, 63, 66, 67–68, 73,
Sender-Empfänger-Modell, 177 92, 106–107, 137
Serie, 39, 70, 71, 96, 115, 125–128 Synchronie, 40, 77, 96, 115, 128, 130–131,
Sinnpotenzial, siehe meaning potential 194
Situationskontext, 105 Synekdoche, 108, 154–155
slot, 93, 94, 190 Syntax, 2, 9, 13–14, 17–18, 20, 22, 56, 124,
Social Semiotics, 101, 104, 109 146, 198
Sondersprache, 185 Systemlinguistik, 18, 31
Sozialsymbolik, 112, 188, 193, 197, 201 SySyKoll, siehe Kollektivsymbol
Soziolinguistik, 2, 27, 30–31, 79, 105, Szenesprache, 111
110–113, 117, 120, 172, 177–179, 181,
192, 195 T
Soziologie, 2, 5, 23, 33–34, 46, 50, 75, 78 Tätigkeitstheorie, 107
Spezialdiskurs, 108 Teildiskurs, 89, 90, 128–129
Sprachapriori, 44, 62 Text, 8–10, 14–15, 17–25, 28, 30, 32–33,
Sprachbedingtheit, 44, 61–63 38–40, 59, 63, 79, 82–84, 88, 91, 96–
Sprachgebrauch, 15, 26, 29, 37–39, 44, 81, 97, 100, 102, 104, 106, 108, 114–117,
86, 101, 141, 155, 185, 193 121, 127, 135, 137, 139, 157–171, 173,
Sprachgebrauchsmuster, 37–38, 64, 155 199, 201
Sprachgemeinschaft, 27–28, 181 Textanalyse, 32–37, 40, 123, 147, 164
Sprachideologie, 110, 120, 196, siehe auch Text-Bild-Beziehung, 158, 166, 169–171,
language ideological debate 170, 201
Sprachkompetenz, 26–27 Text-Diskurs-Filter, 173–174, 183
Sprachphilosophie, 43–44, 46, 48, 53, 76 texte infini, 20, 28
Sprachspiel, 27, 45, 59, 81, 107 Textfunktion, 158, 160–161, 170, 201
Sprachstrukturen Textgrammatik, 22
Textkorpus, siehe Korpus
236 Register
Textlinguistik, 2, 8–9, 20–25, 47, 64, voice, 60–61, 111–112, 177, 179, 186–187,
79–80, 102–103, 114–117, 120, 154, 201, siehe auch Hörbarkeit
160–162, 174, 187, 198
Textmuster, 160, 174, 186, 191 W
Textpragmatik, 22 Wahrheit, 44, 46–48, 53–54, 58, 60, 62,
Textsemantik, 22 66, 68, 105, 197
Textsorte, 22–23, 30, 90, 102–103, 105, Weltbild, 156, 195
158–160, 161, 163, 169–170, 186, 188, Widerstandskommunikation, 60, 182
201 Wirklichkeit, 1, 40, 44–49, 51, 53, 56, 62,
Textstruktur, 102, 139, 192 71, 76, 79, 84, 87, 91, 106–108, 193
visuelle, 158, 166, 170–171, 201 Wirklichkeitskonstituierung, 43–46, 49,
Textsyntax, 20 51, 53, 76, 79, 84, 106–108
Textthema, 158, 162, 170, 201 Wissen, 3, 5, 10, 25, 40–64, 67–70, 73,
Textualisierung, 111, 113 77, 81–97, 99, 107, 121, 123, 137, 149,
Textwelt, 149, 174 174, 186, 190, 193, 199
Text-Welt-Modell, 150 aus Beschreibungen, siehe know-
Thema, 30, 33, 55, 82–83, 85, 88–91, 95– ledge by description
97, 103, 106–108, 115–116, 128–129, aus Erfahrung, siehe knowledge by
132, 157–158, 161–162, 164, 170, 201 acquaintance
Themenentfaltung, 114, 158, 161–163, enzyklopädisches, 92
170, 201 historisches, 15, 194
Thementyp, 162–163 kollektives, 8–9, 57, 82, 84, 91–93,
top-down, siehe Deszendenz 106, 109, 149, 157, 182, 191
Topos, 33, 85–86, 88, 103, 105, 188, 191, metadiskursives, 59, 95–96
197–198, 201 semantisches, 92
Transformationsgrammatik, siehe Gene- soziales, 103, 178, 182, 184, 191
rative Grammatik verstehensrelevantes, 56–57, 59, 93,
Triangulation, 40, 134–135, 185, 199–200 190–191, 198
Tropus, 147, 153–155, 157, 201 Wissensanalyse, 57, 68, 81, 99, 103, 109,
Typographie, 39, 104, 166, 167–169, 170, 115–116, 190
201 Wissensgesellschaft, 42–43
Wissensrahmen, siehe Frame
U Wissenssoziologie, 44, 68, 92, 119
Übergenerierung, 14, 16 Wort, 6, 17–19, 23–24, 28, 30, 35, 88,
universe of discourse, 49 115–116, 121, 139, 160
Unterspezifiziertheit, 14–16, 25, 90 Wortbildung, 14, 138, 145
V Z
Validität, 28, 84 Zeichen, 40, 48–55, 57, 59, 63, 69, 81,
Variation, 30, 185 104, 112, 139, 155, 167, 183, 190
Varietät, 61, 112, 185, 193 Zugangskontrolle, 61, 63
Vergemeinschaftung, 41–42, 181 Zweck, 45, 47, 50, 57, 59, 183, 186
Vergesellschaftung, 41–42
Verknappung, 63, 73
Vertikalitätsstatus, 177, 178–179, 187,
201
Visualität, 16, 43, 46, 56, 104, 139, 158,
166–169, siehe auch Textstruktur,
visuelle