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Beitrag von Forschung und

Publikation 2

Den Beitrag der Wissenschaft formulierte König Friedrich der Große einst wie
folgt: „Das Zeugnis, einige Wahrheiten entdeckt und einige Irrtümer zerstört zu
haben, ist nach meiner Meinung die schönste Trophäe, welche die Nachwelt zum
Ruhme eines großen Mannes errichten kann“ (Zitate.at, 2018). Nun, Sie sind jetzt
auch in der Vorbereitung darauf, eine wissenschaftliche Publikation zu schreiben
und darin das aktuelle Wissen zu dem von Ihnen gewählten Thema vorzustellen
und Lesern zugänglich zu machen. Nutzen Sie diese Gelegenheit auch, um sich
selbst mit dem aktuellen Wissensstand vertraut zu machen.

2.1 Erkenntnisgewinn durch Forschung

Formalwissenschaften wie Mathematik basieren auf Regeln und Logik anstatt


auf Beobachtung. Empirische Wissenschaften wie Biologie, Chemie, Ingenieurs-
wissenschaften, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften dagegen basieren auf dem
Beobachten, dem Messen und Erheben von Daten und der Durchführung von
Experimenten, um den Untersuchungsgegenstand besser zu verstehen. Der Er-
kenntnisgewinn erfolgt über Beobachtung, Beschreibung, Erklärung und die Vor-
hersage von Phänomenen. Oft wird in unwissenden Kreisen despektierlich zwi-
schen Theorie und Praxis unterschieden und man spricht dort auch oft über
Wissenschaftler als Theoretiker, die keine oder wenig Ahnung von der Praxis
haben. Dass in Wirklichkeit Probleme in der Realität die Motivation für Forschung
darstellen und sich erst aus der Beobachtung Theorien ableiten lassen, die dann

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B. Heesen, Wissenschaftliches Arbeiten,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-62548-4_2
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tatsächlich dazu dienen, Probleme in der Praxis zu lösen oder zu reduzieren, das ist
vielen nicht bewusst (vgl. Abb. 2.1). Insofern haben Forschung und Wissenschaft
einen ganz realen Bezug zur Praxis, ganz entgegen der geläufigen Meinung.
Ein beeindruckendes Beispiel, welches verdeutlicht, wie empirische Forschung
zu der Lösung eines Problems in der Praxis beigetragen hat, ist der folgende Fall.
Gehen Sie einige Jahrhunderte zurück und stellen Sie sich eine Welt vor, die durch
unheilbare Krankheiten wie Lepra, Pocken, Influenza und Schwarze Pest ­permanent
bedroht ist. Heute geht es uns aus wissenschaftlichen Gründen viel besser. In den
1700er-Jahren erwarteten die Menschen nicht, dass Wundermittel unmittelbar vor
der Tür stehen würden, und wenn jemand an einer Krankheit litt, hielt man sich am
besten von demjenigen fern. Im Jahr 1796 wurde der englische Arzt Edward Jenner
berühmt, als er diese Tradition mit seiner wilden Vorstellung zurückwies, dass
Krätze und Eiter von infizierten Menschen verschluckt oder geschnupft werden
und nicht infizierte Patienten damit eingerieben werden sollten. Seine mutigen
Experimente führten zu den ersten modernen Impfstoffen der Welt. Eine neue Ära
der Gesundheitsfürsorge wurde geboren, aber dafür musste Jenner die orthodoxen
und damals etablierten Denk- und Verhaltensweisen überwinden. Durch das In-
fragestellen von etablierten Ideen können sich ganz neue Lösungen finden lassen,
wie dieses Beispiel zeigt (Gutsche 2015, S. 87).
Wie bereits erwähnt, sind empirische Wissenschaften auf Beobachtung,
Messung und Durchführung von Experimenten angewiesen, um das Unter-

Abb. 2.1 Problemlösungs-


prozess (Prescient 2020)
2.2 Wissenstransfer via Publikation 7

suchungsobjekt besser verstehen zu können. Zum Sammeln von Daten ver-


wendete Methoden können die Beobachtung oder Stichprobenuntersuchungen
sein, bei denen Daten erfasst und ausgewertet und anschließend Hypothesen
getestet werden, um neues Wissen zu generieren. In diesem Prozess ist es
möglich herauszufinden, welche Aussagen und Hypothesen mit einer be-
stimmten Wahrscheinlichkeit falsch oder wahr sind.
Die von Karl Popper eingeführte Methode der Falsifikation geht davon aus,
dass jede wissenschaftliche Aussage wiederlegt werden kann (Lauth und Sareiter
2005, S. 21). Eine Aussage oder Theorie gilt dann als wiederlegt oder falsch, wenn
neue Beobachtungen, Datenerhebungen oder Experimente gezeigt haben, dass sie
nicht korrekt ist. Jegliches Wissen oder Aussagen, die noch nicht als falsch be-
funden wurden, gelten als temporär gültiges Wissen. Die ständige Überprüfung
der Gültigkeit von Wissen durch Forschung trägt dazu bei, dieses sich ständig ver-
ändernde Wissen zu entwickeln und zu stärken. Dies ist der Hauptbeitrag und -wert
der Forschung und der Veröffentlichung der entsprechenden Ergebnisse.
Ein bekanntes Beispiel für temporär gültiges Wissen ist unser Weltbild. Durch
Beobachtungen als Teil der empirischen Wissenschaft wurde das ptolemäische
Weltbild wiederlegt und durch unser jetziges Weltbild, das kopernikanische, er-
setzt, nach dem die Erde nicht flach ist. Diese Veränderung hin zu dem, was wir
heute als unser aktuelles Wissen betrachten, haben wir der Empirischen Wissen-
schaft zu verdanken.
Jeden Tag ändern wir auch heute noch kontinuierlich unsere Sicht auf die Welt,
in der wir leben, basierend auf neu gewonnenen Erkenntnissen. Diese Fortschritte
verdanken wir der Wissenschaft.

2.2 Wissenstransfer via Publikation

Weitergabe von neu gewonnenem Wissen durch Veröffentlichung, z. B. das Schrei-


ben einer Studienarbeit, einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit oder eines Zeit-
schriftenartikels, trägt zum gesammelten Wissen bei. Es ist die Grundlage für an-
dere Personen, um von unserer Forschung bzw. unserem Wissen zu profitieren.
Während Studienarbeiten und Abschlussarbeiten von Studierenden verfasst wer-
den, veröffentlichen etablierte Forscher ihre Ergebnisse in der Regel in wissen-
schaftlichen Zeitschriften.
Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinschaft stimmen im Allgemeinen
darin überein, dass Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften fol-
gende Eigenschaften besitzen (APA 2010b, S. 9):
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• Die Artikel repräsentieren bisher nicht veröffentlichte Forschungsergebnisse.


• Artikel werden von Kollegen geprüft, bevor sie von einer Zeitschrift akzeptiert
oder abgelehnt werden.
• Artikel werden archiviert, d. h. sie sind dauerhaft zur späteren Bezugnahme
abrufbar.

Unabhängig von der Art der wissenschaftlichen Veröffentlichung, ob als


Studienarbeit, Abschlussarbeit, Dissertation, Zeitschriftenartikel oder empirische
Studie, sind Berichte eigenständiger Forschung und können primäre (vom Forscher
erhobene Daten) sowie sekundäre (vom Forscher nicht gesammelte) Datenana-
lysen enthalten, die Hypothesen testen, indem sie neuartige Datenanalysen vor-
stellen. Die üblichen Sektionen einer solchen Publikation bestehen aus (APA
2010b, S. 10):

• Einleitung: Entwicklung des untersuchten Problems einschließlich seiner histo-


rischen Vorgeschichte und Angabe des Zwecks der Untersuchung.
• Methode: Beschreibung der zur Durchführung der Untersuchung angewandten
Verfahren.
• Ergebnisse: Bericht über die Ergebnisse und Analysen.
• Diskussion: Zusammenfassung, Interpretation und Bedeutung der Ergebnisse.

Derartige empirische Forschung basiert häufig auch auf Fallstudien, auf Infor-
mationen, die bei der Arbeit mit einer Einzelperson, einer Gruppe, einer Gemein-
schaft oder einer Organisation gewonnen wurden (APA 2010b, S. 11). Solche Fall-
studien beginnen in der Regel mit der Beschreibung eines Problems und beschreiben
und analysieren dann mögliche Lösungen auf der Grundlage einer Überprüfung
der Literatur und der gesammelten Daten.

2.3 Lernen durch Lesen

Sobald neues Wissen veröffentlicht wurde und uns zur Verfügung steht, können wir
als Einzelpersonen davon profitieren. Der Kompetenzentwicklungsprozess (siehe
Abb. 2.2) beschreibt die vier Stufen, in denen wir unsere Kompetenzen in jedem
Wissensgebiet entwickeln können.
In der ersten Phase haben wir möglicherweise eine unbewusste Inkompetenz,
wir sind uns gar nicht darüber im Klaren, dass es einen Wissensbereich gibt, in dem
unser Wissen mangelhaft ist. Sobald wir dies als Defizit erkannt haben, sind wir
bereits zur zweiten Stufe übergegangen, der bewussten Inkompetenz. Dies ist ein
2.3 Lernen durch Lesen 9

Abb. 2.2 Kompetenzentwicklungsprozess (Prescient 2020)

sehr wichtiger Schritt, da wir uns jetzt unseres Defizits bewusst geworden sind und
nun entscheiden können, ob wir auf diesem Wissensniveau in dem speziellen
Wissensbereich verbleiben wollen, da wir erwarten können, dass wir dieses spezi-
fische Wissen nicht benötigen, oder uns dafür entscheiden dies zu ändern, indem
wir unsere Inkompetenz durch Lernen reduzieren oder beseitigen. Somit bestimmt
sich unser Kompetenzniveau ganz besonders aus unserer Wahrnehmung eines
Wissensdefizits in Verbindung mit unserem Interesse und unserer Bereitschaft zu
lernen, unserer Lernmotivation.
Wenn wir uns für das Lernen entscheiden, können wir Literatur, das Internet,
Kurse, das Lernen von Experten und viele andere Möglichkeiten nutzen, um unser
Wissen Schritt für Schritt zu entwickeln, angefangen bei den Grundlagen und von
dort aus immer weiter, je mehr Zeit und Mühe wir investieren. Sobald wir dies ge-
tan haben, haben wir die Stufe der bewussten Kompetenz erreicht. Ab jetzt werden
wir auch zu einem potenziellen Lehrer oder Coach für andere Personen mit gerin-
gerer Kompetenz in diesem Wissensbereich.
Durch die Anwendung des neu gewonnenen Wissens entwickeln wir im Laufe
der Zeit zusätzlich eine unbewusste Kompetenz. Unsere Kompetenz wird dann
unbewusst, wenn wir nicht mehr alles aufschreiben könnten, was wir wissen.
Grundsätzlich wissen wir viel und machen neue Erfahrungen beim Üben, For-
schen oder im Dialog mit anderen Experten. Dies ist die finale Stufe des Wissens-
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entwicklungsprozesses. Auf dieser Kompetenzebene können wir zum Coach für


andere Personen werden, indem wir andere Personen entweder individuell coa-
chen, unterrichten oder unsere Erfahrungen und Ergebnisse veröffentlichen. Das
Publizieren macht unser Wissen unabhängig von Zeit und Ort für ein breiteres
Publikum verfügbar und dadurch erhöht sich dessen Wert und der daraus resultie-
rende mögliche Nutzen.
Das Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit oder Abschlussarbeit ist daher
eine wertvolle Grundlage für potenzielle Leser, die davon profitieren können. An-
gesichts der Bedeutung von Veröffentlichungen ist es wichtig zu verstehen, wie
man qualitativ hochwertiges Material selbst veröffentlicht und wie die Qualität von
Publikationen im Allgemeinen bewertet wird.
Im Folgenden werden Ihnen daher zunächst die wesentlichen Qualitätskriterien
für wissenschaftliche Publikationen beschrieben (Kap. 3) und anschließend wird
dann der Entwicklungsprozess einer wissenschaftlichen Publikation vorgestellt
(Kap. 4).

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