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Lehrende Als Lernende
Lehrende Als Lernende
I. Einleitung
Die Relevanz der Selbstreflexion gilt sowohl für die Lernenden als auch
für die Lehrenden. Um den Unterricht weiterentwickeln zu können, muss man
zunächst einen selbstkritischen Blick auf das eigene Handeln richten. Spontanes
Nachdenken über das eigene Handeln reicht also nicht. Es bedarf einer
systematischen Form der Reflexion, empirischer Methoden. Das war mein
Ansatzpunkt, als ich selbst vor viereinhalb Jahren damit begann, Koreanisch
zu lernen. Indem ich als Lernende, also gleichsam von der anderen Seite
her, das Lernen beobachtete, ergab sich für mich eine vollkommen neue
Perspektive und mir wurde im Verlauf des viereinhalbjährigen Lernprozesses
vieles klar. So bemerkte ich, was mir selbst beim Lernen Spaß macht und
gleichzeitig effektiv ist und natürlich auch, was nicht. Und ich stieß auch
immer wieder auf Dinge, die mir als Autodidaktikerin schwer fielen. Diese
Erfahrungen konnte ich bereits in meinen Unterricht einfließen lassen.
Eine Problematik, bei der ich während dieser Selbstbeobachtung stieß, waren
die Unterschiede beim Wortschatz zwischen Deutsch und Koreanisch in den
standardisierten Prüfungen. Vergleicht man beispielsweise den Wortschatz,
der für ein Anfängerniveau (A1) verlangt wird, stößt man auf deutliche
Differenzen.
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In diesem Beitrag möchte ich zunächst meinen Lernweg mit der Methode
„Narrative Inquiry“ vorstellen und dann die von den Prüfungsorganen
festgelegten wichtigsten Wörter vergleichen und auf zentrale Unterschiede
eingehen. Anschließend werde ich Überlegungen zu der Frage anstellen, woher
diese Unterschiede beim Wortschatz rühren könnten. Das Interesse entwickelte
sich im Verlauf meiner Untersuchung und trug hauptsächlich dazu bei, meine
interkulturelle Lehrkompetenz zu erhöhen.
1) „First order“ ist eine Ich-Erzählung und „second order“ steht für die
Wiedergabe anderer Erzähler (vgl. Noguchi 2007: 14ff.).
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Noguchi behauptet auch, dass Narrative insofern eine große Rolle in der
Gesellschaft spiele, als sich unsere Realität aus verschiedenen Narrativen
zusammensetze und struktriere (Noguchi 2007: 11). Sehr subjektiv formulierte
Narrative und private Daten können nicht verallgemeinert werden, sie sind
jedoch völlig authentisch, quasi lebensimmanent und unbesehen verständlich,
was sowohl auf die Gedanken des Erzählers als auch auf die des Rezipienten
Einfluss ausüben kann. Der Bezug zu den Rezipienten ist einer der größten
Unterschiede zwischen narrativer Forschung und solchen Ansätzen der
qualitativen Forschung, die auf Konstruktion von Theorien abzielen (Clandinin
2007: 51ff.; Ninomiya 2010: 40). Und bei der narrativen Forschung werden
sowohl Forschende als auch Beforschte als „Narrative Inquirer“ verstanden,
weil die Forschung aus den dichten Interaktionen entwickelt wird und zu
Veränderung beider Seiten beitragen kann (Ninomiya 2010: 39; Clandinin
2007: 9ff.).
Als Merkmale der NI werden drei Dimensionen genannt: Interaktion, zeitliche
Kontinuität und Situation. Eine NI hat immer sozialen Bezug, einen nicht
fragmentarischen, sondern zeitlich von der Vergangenheit bis in die Zukunft
kontinuierlich fortlaufenden Aspekt und die bestimmte Situation, die überall
verortet sein kann (Clandinin/Connely 2000: 49ff.).
Nach Johnson/Golombek (2002: 6) dient die NI als ein Mittel, „die Lehrenden
eigene Kenntnisse und Entfaltung bewusst zu machen, was die professionelle
Entwicklung in der Karriere fördert und unterstützt“2). Cowie/Sakui (2012:
129) schreiben, dass NI eine effektive Methode sei, mit der die Lehrenden
professionelle Kenntnisse konstruierend darstellen und das sei eine wichtige
Möglichkeit, der Stimme von Lehrkräften in der Forschung Gehör zu
verschaffen.
Mir schien die NI für meinen Fall als geeignet, weil ich mich durch diese
II.2. Lernmotivation
Als ich mir an einem Wochentag vor etwa fünf Jahren gemütlich eine
koreanische Serie zu Hause ansah, fiel mir plötzlich auf, dass die Schauspieler
Japanisch sprachen. Eigentlich lehnte ich diese Form der Synchronisation immer
ab, weil ich unbedingt die natürlichen Stimmen hören wollte. Mir wurde bewusst,
dass sich in meiner Einstellung zu Sprachen im Verlauf der Zeit etwas änderte.
Mit zunehmendem Alter und in der alltäglichen Hektik gab ich es irgendwann
auf, mich mit neuen Sprachen zu beschäftigen. Auf die Idee, eine neue Sprache
richtig zu lernen, kam ich seit langem nicht mehr. Aber jetzt, da ich selbst
als Deutschlehrerin tätig war, wurde in mir eine Neugier wiedererweckt.
Aber wie sollte ich es anfangen, eine neue Sprache zu lernen, fragte ich
mich. War ich für mich selbst vielleicht die beste Lehrerin? Aus eigener Erfahrung
und auf theoretischer Ebene waren mir viele Methoden und Strategien bereits
vertraut, um eine Sprache zu erlernen. Und so stand ich plötzlich vor der
Frage: Warum lerne ich nicht einfach Koreanisch, wenn ich häufig koreanische
Serien ansehe?
Allmählich vermischte sich meine anfängliche Neugier mit einem Gefühl
der Pflicht. Als Lehrerin sollte ich auch in dieser Hinsicht ein Vorbild für
meine Lernenden sein und selbst auch eine neue Sprache lernen. Die
Bedingungen, unter denen ich früher Deutsch und Englisch erlernte, waren
inzwischen vollkommen verändert. Damals gab es weder Computer noch eine
Lehrende als Lernende 203 ■
II.3. Zielsetzungen
Ein Nullanfänger kann man für jede Sprache nur einmal sein und so plante
ich meine Lernwege bereits vor dem Beginn in groben Zügen. Ich war mir
sicher, dass ich autodidaktisch lernen wollte, um verschiedene Methoden und
Strategien ausprobieren zu können. Als eine erste Zielsetzung nahm ich mir
vor, jeden Tag zu lernen . Ich wollte der Angst entgegenwirken, dass ich
mit dem Alter schneller verlernen würde. Die Inhalte des Lernens variierte
ich täglich. Zum Beispiel nutzte ich nun auch die koreanischen Serien in
der Originalversion, sah sie aber nun aus der Perspektive der Lernerin und
wiederholte wenn nötig unverständliche Stellen. In den letzten viereinhalb
Jahren gab es nur zwei Tage, an denen ich mich nicht mit Koreanisch beschäftigen
konnte.
Möglichst oft nach Korea zu fahren, sah ich als eine weitere, unentbehrliche
Maßnahme. Diese Zielsetzung war wichtig, weil ich die Aussicht auf eine
Reise als sehr motivierend erlebte. Ich lernte weiter in der Hoffnung, beim
nächsten Besuch noch besser verstehen und mich besser verständlich machen
zu können.
Auch Sprachprüfungen betrachtete ich als wichtige Schritte des
Lernprozesses. Die Sprachprüfung abzulegen, erschien mir auch deshalb
■ 204 외국어로서의 독일어 제37집
Ich war der Gegenstand der Forschung bei der NI. Zunächst dachte ich
„laut“ über das Erlebte nach. Aber das waren noch keine Erzählungen im
Sinne der NI. Also versuchte ich, allein laut zu erzählen, wobei ich mir
gleichzeitig Notitzen machte. Ich hätte besser alles aufnehmen können, um
mich intensiver auf das Erzählen konzentrieren zu können. Alle Bemerkungen
wurden also aus meinen Narrativen erhoben. Weil ich allein sowohl Forschende
als auch Beforschte „Narrative Inquierer“ war, war es authentisch und es
Lehrende als Lernende 205 ■
gab keine Missverständnisse, was ich für vorteilhaft in diesem Fall hielt, weil
man sonst bei der NI Erzählungen sehr vorsichtig wiedergeben sollte.
Um einen besseren Überblick zu ermöglichen, erstellte ich eine Tabelle,
in der ich Ziele sowie Methoden oder Strategien festhielt. In dieser Tabelle
notierte ich auch die Erfolge der unterschiedlichen Lernwege und kommentierte
sie. Fast alle Übungen wurden zu Hause vor dem Schlafen im Ernst aber
ausgespannt durchgenommen. Beim Fernsehen oder Musik hören war ich
meistens allein zu Hause.
Methoden und
Ziel Ergebnisse und Kommentare
Strategien
gut: Ich konnte mit dem
Ich wählte am
Sicherheitsgefühl, dass ich
Anfang ein
Grundwissen habe, mit der
grammatisches
um das Ganze zu Grammatik umgehen.
Buch im
überblicken nicht gut: Ich stellte mit der Zeit fest,
Buchgeschäft selbst
dass ich die Grammatik doch ohne
aus und las dreimal
Übungen überhaupt nicht produktiv
durch.
anwenden kann.
Verschiedene
gut: Ich konnte das mir passende Buch
Lernmaterialien las
um aus auswählen, weil ich schon nach
ich, aber erst nach
verschiedenen einiger Zeit wusste, was ich mehr
dem erwähnten
Aspekten die wissen will.
grammatischen
Grammatik Buch. Manchmal Grammatik zu - Lehrkräfte sollten möglichst viele
verstehen Lehrmaterialien kennen und den
einige Bücher
Lernenden vorstellen.
parallel.
Grammatische
Wörter sowohl in gut: Ich konnte Zeit sparen.
Koreanisch als auch um Zeit zu sparen nicht so gut: Ich musste immer mit
in Japanisch Beispielen Fragen stellen.
ignorierte ich.
um flüssigere
Konjugation als Anwendung zu sehr gut: Ich hätte es als lästig,
Phrasen lernte ich trainieren und sich langweilig und uneffektiv empfunden,
auswendig. komplexe Regeln einzelne Konjugationen zu lernen.
anhand von
■ 206 외국어로서의 독일어 제37집
Beispielen in
einer Phrase zu
merken
nicht so gut: Ich spielte damit fast jeden
Tag, aber die Wortstellung ist fast so
Ich benutzte App für um spielerisch zu wie im Japanischen.
Wortstellung. lernen - Eine ähnliche App für Deutsch ist
hilfreich für die asiatischen
Lernenden.
gut: Grundwortschatz konnte ich
Am Beginn lernte um
überblicken.
ich jeden Tag 16 Grundwortschatz
nicht gut: Nur Wortschatz zu lernen
Wörter. zu haben
kostete Zeit und war nicht effektiv.
Rezeptive Wörter um die sehr gut: Ich konnte zuerst nur die
und produktive wichtigsten produktiven Wörter in den Phrasen
Wörter lernte ich Wörter für mich oder Kollokationen lernen, um sie
Wortschatz
bewusst getrennt klar zu machen aktiv verwenden zu können.
nicht gut: Ich fand das Erlernen von
Wörtern ohne Kontext nicht effektiv.
Mit Wortschatzigel um je nach den
Um in der gleichen Kategorie
versuchte ich, Kategorien zu
zuzuordnen war es gut, aber um sie
Wöerter zu lernen. lernen
zu memorieren, brauchte ich andere
Strategien. (Siehe: 2.5)
sehr gut: Ich konnte stressfrei
Selbstgespräche auf sprechen. Wenn nötig, schaute ich im
Koreaisch führte ich Wörterbuch nach, nachdem ich
fast jeden um zu versuchen, zunächst selbst Umschreibungen
Tag.meistens im etwas „laut“ formuliert hatte. Laut und langsam
Bad, beim auszudrücken konnte ich meine Aussprache
Autofahren und checken.
beim Kochen. nicht so gut: Niemand korrigierte
meine Aussprache. (Siehe: 2.6)
Sprechen
In Korea setzte ich
häufig und
möglichst lange im
um gute sehr gut: Jedes Mal, wenn ich Korea
Taxi, Geschäft oder
Gelegenheit zu besuchte, konnte ich fühlen, dass ich
Hotel auf
nutzen wieder dazulernte.
Koreanisch als
Verständigungsspr
ache durch3)
Mit den Koreanern primär um Spaß sehr gut: Immer lernte ich sehr vieles,
Lehrende als Lernende 207 ■
3) „Ohne die aktive, wiederholte, bzw. regelmäßige Verwendung von Sprache ist
die für eine kompetente Beherrschung erforderliche Flüssigkeit und Korrektheit
nicht zu erreichen.“ (Aguado 2010: 818ff.).
4) „Kakaotalk“ ist eine Applikation, die uns ermöglicht, einfacher als mit Emails
schriftlich miteinander zu kommunizieren.
■ 208 외국어로서의 독일어 제37집
Aus dieser Tabelle ist festzuhalten, dass ich die Methoden oder die Strategien
oft nur unter bestimmten Bedingungen oder zusammen mit den anderen effektiv
anwenden konnte. In diesem Sinne fielen mir einige Methoden und deren
Strategien ohne die Unterstützung einer Lehrkraft schwer.
Anfängern nicht viel. So besteht die Gefahr, dass man immer wieder die
gleichen falschen Sätze schreibt. Wenn man also als Lehrerin das Führen
eines Lerntagebuchs empfiehlt, sollte man auch die Arbeit auf sich nehmen,
die Aufzeichnungen hin und wieder zu kontrollieren oder mit den Lernenden
gemeinsam über die Tagebucheinträge zu reflektieren. Der Einsatz von Twitter
ist in dieser Hinsicht eher zu empfehlen. Auch bei diesen sehr kurzen Nachrichten
können sich leicht Fehler einschleichen. Aber da man sich bewusst ist, für
ein Publikum zu schreiben, gibt man sich vielleicht mehr Mühe und diese
kurzen Texte kann man zum Beispiel mit Hilfe von Wörterbüchern leichter
relativ fehlerfrei verfassen. Bei Twitter gibt es sogar die Möglichkeit, von
anderen korrigiert zu werden.
II.4.2. Autodidaktik
Während meines Lernprozesses bemerkte ich sehr bald, dass man beim
Sprechen und Schreiben Unterstützung und Anleitung braucht. Als
Autodidaktikerin lernte ich relativ problemlos, aber besonders als Erwachsene
wollte ich wissen, wo und inwiefern meine Aussprache falsch ist. Als ich
begann, mit Koreanern zu sprechen, ergaben sich zuweilen Situationen, in
denen ich mich wegen meiner schlechten Aussprache nicht verständlich machen
konnte und das Gespräch misslang. Durch eine kontinuierliche Korrektur meiner
Aussprache hätten solche Situationen vermieden werden können. Ich musste
mich ohne Lehrer alleine bemühen, die Ursachen für die falsche Aussprache
zu erschließen und mir die korrekte Aussprache von Muttersprachlern bestätigen
zu lassen. Ich hatte Glück, weil ich koreanische Kollegen am Arbeitsplatz
an der Universität hatte.
Das betrifft auch das Schreiben. Bis heute weiß ich nicht, weshalb ich
bei der Koreanisch-Prüfung nur eine geringe Punktzahl erreichte, obwohl ich
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als Prüferin sehr gut weiß, wie ein Text für die Prüfung aufgebaut werden
sollte. Ich wagte nicht, meine Kollegen um die Korrektur eines langen Textes
zu bitten. Mir blieb ohne ein Gegenüber wenig mehr, als die Prüfungsmustertexte
abzuschreiben. Aber nur wenigen kann es gelingen, ohne Korrektur besser
schreiben zu lernen.
Der Gedanke, dass ich eine fremde Sprache autodidaktisch lernen könnte,
erwies sich also als trügerische Hoffnung. Aber gleichzeitig reflektierte ich
meinen Unterricht dahingehend, ob ich meine Lerner beim Scheiben und
Sprechen ausreichend unterstützte.
Eine andere Situation zeigte sich beim spielerischen Lernen. In meinem
eigenen Unterricht lege ich viel Wert auf Spiele im Team, aber als
Autodidaktikerin konnte ich diese Lernprozesse selbst nie erfahren. Hier sehe
ich eine meiner künftigen Entwicklungsaufgaben.
II.4.3. Motivation
Für das Lesen benutzte ich als Lernwerkzeug oft Twitter und Blogs, was
von Koreanisch-Lehrkräften5) eigentlich kritisch gesehen wird, weil man dabei
immer wieder mit fehlerhaften Ausdrücken und mangelhafter Rechtsschreibung
konfrontiert wird. Solche Texte sind zwar sehr authentisch, aber zugleich oft
zu umgangssprachlich. Aber mein Interesse war stärker als diese Bedenken
und ich entschied mich, diese Lernwerkzeuge zu benutzen. Tatsächlich tauchten
beim Lesen immer wieder Fragezeichen in meinem Kopf auf, aber diese
Unsicherheiten ignorierte ich oder ich recherchierte jene Stellen, die mir
problematisch erschienen. Da ich vom Anfang in dem Bewusstsein las, dass
die Texte fehlerhaft sein könnten, lies ich mich von einzelnen Unklarheiten
nicht beirren. Mein Interesse wurde hingegen immer größer und nach und
nach begann ich, mich mit ganz verschiedenen Textsorten auseinanderzusetzen,
Texten aus Zeitungen, Essays oder auch den Prüfungstexten. Ich bemerkte,
wie ich mit Spaß Koreanisch las. Ich fand einen Eingang zu dieser Sprache
und mir wurde erneut bewusst, wieviel Energie die Motivation freizusetzen
vermag. Mit Blick auf meine Rolle als Lehrerin machte ich mir dabei oft
Gedanken über die Möglichkeiten und Grenzen solcher „roher“ Materialien
für den Unterricht. Ich setze sie heute sehr viel bewusster ein und überlege
genau, auf welche Probleme die Lernenden stoßen könnten (vgl. Rösler 2010:
1207ff.).
Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass ich während des Lernens
immer wieder mit der Frage konfrontiert wurde, wie sich Methoden und
Strategien sinnvoll kombinieren lassen und an welchen Stellen ich als Lehrerin
die Lernprozesse effektiv unterstützen kann.
III.1. Ausgangspunkt
wirklich für die Anfänger angemessen seien. Mein Wissensdurst wurde mir
durch die NI immer wieder bewusst und vergrößerte sich. Und ausgehend
von der NI begann ich, mir die Wortschatzlisten der beiden Prüfungen, Zertifikat
A1 und TOPIK I systematischer anzusehen. Meinen Lernprozess erzählend
zu reflektieren führte mich eher direkt zur Erhöhung der Lehrkompetenz und
dieser Wortschatzvergleich eher indirekt dazu, weil die Idee von der NI ausging.
Das Zertifikat A1 ist eine Sprachprüfung, die durch Goethe Institut (GI)
und Österreichisches Sprachdiplom Deutsch (ÖSD) durchgeführt ist. TOPIK
I wird vom koreanischen Nationalen Institut für Internationale Bildung (NIIED)
angeboten. Die beiden Prüfungen legen ihren Schwerpunkt auf kommunikative
Fertigkeiten, werden einsprachig erstellt und weltweit gleich getestet. Was
sie unterscheidet, ist, dass bei TOPIK keine mündliche Prüfung stattfindet.
Ein Punkt, der momentan in der Diskussion steht6). Bis 2014 hatte TOPIK
drei große Stufen, die aber inzwischen auf zwei große Stufen reduziert wurden.
Bei TOPIK werden, anders als bei den Zertifikaten A1 bis C2, nur zwei
Prüfungen angeboten. Je nach erreichter Punktzahl wird dann die Stufe
bescheinigt. Erreicht man z.B., bei TOPIK II mehr als 190 von 300 Punkten,
besteht man die Stufe 5, bei mehr als 230 von 300 Punkten die Stufe 6.
Dahingegen wird bei den Prüfungen von GI und ÖSD je Stufe ein detailliertes
Zeugnis mit den Einstufungen „sehr gut bestanden“ bis „nicht bestanden“
ausgestellt. Die Kann-Beschreibungen sind in beiden Fällen fast gleich
konzipiert.7)
6) Vgl. Ko (2014): Hier wird nicht nur die mündliche Prüfung, sondern auch der
in der Prüfung behandelte Wortschatz thematisiert.
7) Die Kann-Beschreibungen sind auf der Webseite der Institutionen (GI, ÖSD
und TOPIK) zu finden.
Lehrende als Lernende 213 ■
<Tabelle 2> Vergleich der Zertifikate von GI und ÖSD mit der
TOPIK-Prüfung
Für die beiden Prüfungen sind die Wortschatzlisten veröffentlicht. Für die
Zertifikatsprüfungen haben wir Profile deutsch (Globaniat, u.a. 2002/2005)9)
und für TOPIK 토픽 어휘 목록 (TOPIK HP 1.9.2015), aber beim Vergleich
der Prüfungen sieht man sofort, dass nicht alle Wörter auf der Liste verwendet
werden. Um auf einfache Art und Weise die wichtigsten Wörter für die Anfänger
Deutscher Grundwortschatz
Wortschatz für die Anfängerstufe
nach Themen für die Stufen
TOPIK I
A1 und A2
A1- und A2
TOPIK I Kandidaten,
Gegenstand Prüfungskandidaten,
allgemeine Anfänger
allgemeine Anfänger
Grundwortschatz und Wörter Nomen nach den
nach den Alltagssituationen mit Alltagssituationen, Wörter nach
teilweise Kollokationen und Wortarten, Grundwortschatz,
Inhalt
Dialogen, A1- und A2 Stufen Wortschatz in der Prüfung, für die
relevante Grammatikregel, Anfängerstufe wichtige
MP3-CDs Grammatikregel, ohne CD
Prüfungen von 2004 bis 2008
Profile deutsch, Prüfungen,
Daten (insgesamt siebenmal, ab 2007
verschiedene Lehrbücher
fand sie jährlich zweimal statt)
Angabe des Jahres, in dem das
markiert Wörter für A1
Merkmal Wort in der Prüfung erschien, ist
produktiv11), A2 produktiv
geschildert
1700 (darunter tauchen 343 mehr
2300 (darunter 551 sind als
Wörterzahl als fünf- von siebenmal in der
A1 produktiv bezeichnet)
Prüfung auf)
10) Die deutschen Titel der Bücher sind von Ogasawara übersetzt.
11) „Produktiv“ oder nicht ist nicht vom Prüfungsorgan, sondern einzelnem
Lernenden entschieden. In Profile deutsch gibt es oft Wortfeldangaben ohne
den Zusatz „produktiv“ oder „rezeptiv“. Verglichen mit den Lehrbüchern und
den Prüfungen ordneten wir einige Wörter der Kategorie „produktiv“ zu,
wenn die Wörter häufig genug behandelt wurden und in der Prüfung
tatsächlich abgefragt werden, wobei die meisten Wörter grundsätzlich nach
Profile deutsch zugeordnet sind.
Lehrende als Lernende 215 ■
Zunächst kommt man natürlich auf den Gedanken, dass dieser Unterschied
■ 216 외국어로서의 독일어 제37집
Man könnte sagen, dass im Deutschen statt „lehren“ oft „unterrichten“ oder
„beibringen“ benutzt werden, aber die beiden Verben sind auch nicht auf
A1 kategorisiert, weil die Situation begrenzt ist. „Unterrichten“ wird in den
schulischen oder universitären Institutionen und „beibringen“ eher unter den
Vertrauten oder in der privaten Situation benutzt. „Lehren“ wird deshalb auf
B2 eingeordnet, weil es schwer für die Anfänger ist, diese Verben in der
richtigen Situation zu benutzen. Uns fällt vielleicht „wissen (A1) lassen (A2)“
ein, aber dafür gibt es ein passendes koreanisches Verb „알리다“, das in
sechs von sieben Prüfungen vorkam.
Allerdings wäre es fragwürdig gewesen, „lehren“ hier dem grammatischen
Aspekt zuzuordnen, weil auch auf Koreanisch viele Wörter je nach der Situation
unterschiedlich verwendet werden. Die Bedingung wäre gleich. Es liegt
vielleicht an kulturspezifischen Aspekten des Deutschen. Ich hätte die Tabellen
auch aus dieser Perspektive gestalten können, aber das behalte ich mir als
weitere Schritte meiner Forschung vor. Hier wurde die Tabelle nur aus der
koreanischen Sicht erstellt, weil die Anzahl der zu vergleichenden Wörter
in Koreanisch weniger umfangreich war. Jedenfalls lässt sich sagen, dass die
Grammatik für den Wortschatzunterschied der beiden Sprachen im Vergleich
mit den anderen Gründen keine große Rolle spielt.
III.5.3. Ausdrucksnterschiede
Betont wird hier, dass keine großen Probleme erkannt werden. Einerseits
fand ich tatsächlich Differenzen zwischen Deutsch und Koreanisch, aber genauer
betrachtet, sind zumindest Teile der Wörter gleich oder man kann sie problemlos
umschreiben. Man benutzt also fast die gleichen Wörter, aber aufgrund der
Ausdrucksweisen ergaben sich Unterschiede.
Wortschatzlisten Bestätigung.
von Japanern oder Koreanern gebildeter perfekter deutscher Satz wird nicht
verstanden, solange er inhaltlich vage ist.
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<Zusammenfassung>
<Abstract>
주제어 Stichwörter
교사역량 Lehrkompetenz
내러티브인콰이어리 Narrative Inquiry
자기성찰 Selbsteflexion
■ 228 외국어로서의 독일어 제37집
어휘비교 Wortschatzvergleich
학습과정 Lernprozess
쉒E-mail: ogfujiko@sfc.keio.ac.jp
쉒주소: Keio University SFC 5322 Endo, Fujisawa-shi, Kanagawa-ken,
252-0882, Japan