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INTERSUBJEKTIVITÄT
D r it te r T eil
H USSERLIAN A
EDMUND HUSSERL
GESAMMELTE WERKE
BAND XV
ZUR PHÄNOMENOLOGIE DER
INTERSUBJEKTIVITÄT
D ritter T eil
H. L. VAN BREDA
EDMUND H U S S E R L
ZUR PHÄNOMENOLOGIE DER
INTERSUBJEKTIVITÄT
TEXTE AUS DEM NACHLASS
HERAUSGEGEBEN
VON
ISO KERN
D EN HAAG
MARTINUS N IJH O FF
1973
© ig73 by Martinus Nijhoff, The Hague, Netherlands
All rights reserved, including the right to translate or to
reproduce this book or parts thereof in any form
ISBN 90 247 5030 X
P R IN T E D IN TH E N E T H E R L A N D S
INHALT
E in l e it u n g d e s He r a u sg eber s ........................................................... x v
B e il a g e I.
Primordinale und solipsistische Reduktion (Oktober/
November 1 9 2 9 ) .............................................................................. 50
B e il a g e III.
Die zweifache Thematik nach der transzendentalen
Epoch.6 (wohl 1934).......................................................................... 77
INHALT VII
Nr. 17. Mein primordiales Sein als „Mensch” und seine transzen
dentale Konstitution. Das Problem der Scheidung von Ich
und Nicht-Ich und der Leib. Die Möglichkeit eines nicht
weltlichen Ich in der Primordialität (Anfang September
1 9 3 1 ).......................................................................................... 282
B e il a g e XVIII. Die Weise, wie der Leib sich als Körper und Leib
konstituiert, sowie die Weisen, wie überhaupt seine Konstitu
tion und Aussendingkonstitution verschwistert sind (wohl
September 1 9 3 1 ) .............................................................................. 295
Nr. 18. Wie begründet die blosse körperliche Ähnlichkeit eines
Aussenkörpers mit meinem Leib eine Modifikation, die die
Primordialität transzendiert? Die durchgängige Zweisei
tigkeit der konstituierten Welt. Natur und Geist. Im
weitesten Sinn humanisierte Welt (1., 2. und 3. September
1 9 3 1 )............................................................................................... 314
B e il a g e X X .
Ich und alles mir Eigene. Das Ich in seiner habituel
len Eigenheit (das Ich der Entscheidungen). Das Universum
meines Eigenen im Unterschied zum Anderen (Mai 1932) . . . 350
B e il a g e X X II.
Intentionales Ineinander und reelles Aussereinan-
der der Monaden. Monadische Individualität und Kausalität
(zweite Hälfte Oktober 1931).......................................................... 371
Nr. 22. Teleologie. Die Implikation des Eidos transzendentale In
tersubjektivität im Eidos transzendentales Ich (aufgrund
von Noten vom 5. November 1931)..................................... 378
Nr. 23. Die geschichtliche Seinsweise der transzendentalen Inter
subjektivität. Ihre verhüllte Bekundung in der Menschen
geschichte und Naturgeschichte (9./12. November 1931) . 387
Nr. 33. Ein Nachtgespräch: Reduktion auf das absolute „Ich" des
urtümlichen Strömens, das das Sein des eigenen und der
anderen Ich enthält. Die Unendlichkeit von urtümlichen
ego’s. Monadologie (22. Juni 1933)......................................... 580
TEXTKRITISCHER ANHANG
Zur T extg esta ltun g ....................................................................673
T extkritische A nmerkungen .....................................................674
N achweis der Or ig in a l s e it e n ................................................. 740
N a m en r eg ister ...............................................................................742
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
XVI EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XVII
XVIII EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XIX
XX EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XXI
XXII EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XXIII
XXIV EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XXV
xxvi EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XXVII
xxvrrr EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XXIX
XXX EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XXXI
XXXII EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XXXIII
XXXIV EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XXXV
XXXVI EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XXXVII
XXXVIII EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XXXIX
XL EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XLI
XLII EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XLIII
XLIV EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XLV
XLVI EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XLVII
XLVIII EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS XLIX
L EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS LI
LII EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS LIII
LIV EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS LV
LVI EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS LVII
LVIII EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS LIX
LX EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS LXI
LXII EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS LXIII
LXIV EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS LXV
LXVI EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS LXVII
LXVIII EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS LXIX
LXX EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
Iso Kern
I
erfahrend, und diese selbe Welt, die ich selbst erfahre, dabei zu
gleich auch mich erfahrend, als wie ich sie und darin die Anderen
erfahre. So kann ich in dieser Richtung fortschreitend noch vieler
lei noematisch auslegen. Jedenfalls also, in mir, im Rahmen mei-
5 nes transzendental reduzierten Bewusstseinslebens, erfahre ich
die Welt mitsamt den Anderen nicht als mein sozusagen privates
synthetisches Gebilde, sondern als intersubjektive, für jedermann
daseiende, in ihren Objekten jedermann zugängliche Welt, darin
die Anderen ebenfalls für Andere, für jedermann überhaupt da.
10 Wie klärt sich das auf? Unbeirrbar muss ich daran festhalten,
dass jeder Sinn, den irgendein Seiendes für mich hat und haben
kann, sowohl nach seinem „Was” als nach seinem „Es ist in
Wirklichkeit” Sinn ist in bzw. aus meinem intentionalen Leben,
aus dessen konstitutiven Synthesen, in den Systemen einstimmi-
15 ger Bewährung sich für mich klärend und enthüllend. Es gilt
also, um für alle erdenklichen Fragen, die überhaupt sinnvoll
sein sollen, den Boden der Beantwortung zu schaffen, ja, um sie
selbst schrittweise zu stellen und zu lösen, eine systematische
Entfaltung der offenen und impliziten Intentionalitäten durch-
20 zuführen, in denen das Sein der Anderen für mich sich „macht"
und sich nach seinem rechtmässigen, das ist seinem Erfüllungs
gehalt, auslegt.
Das Problem ist hier zunächst wie ein spezielles, eben als das
des „Für-mich-da” der Anderen gestellt, als Thema also einer
25 transzendentalen Theorie der Fremderfahrung, der „Einfüh
lung”. Aber es erweist sich alsbald, dass die Tragweite einer sol
chen Theorie eine sehr viel grössere ist als es zunächst scheint,
dass sie nämlich auch mitfundiert eine transzendentale Theorie
der objektiven Welt, und zwar ganz und gar, also auch hinsich t-
30 lieh der objektiven Natur. Im Seinssinn der Welt und im beson
deren <der> Natur als objektiver liegt ja, wie wir oben schon be
rührt, das „Für-jedermann-da” als von uns stets mitgemeint, wo
wir von objektiver Wirklichkeit sprechen. Zudem gehören zur
Erfahrungswelt Objekte mit „geistigen” Prädikaten, die ihrem
35 Ursprung und Sinn gemäss auf Subjekte, und im allgemeinen
auf Fremdsubjekte, verweisen, so alle Kulturobjekte (Bücher,
Werkzeuge und Werke irgendwelcher Art usw.), die dabei aber
zugleich den Erfahrungssinn des „Für-jedermann-da” mit sich
führen.
6 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1929-1930
vorfindet, betrifft in erster Linie (als Klarlegung der Evidenz des ego
cogito) mein Sein in der Einheit des kontinuierlichen, endlos offenen
Erlebnisstromes — ich bin in der mir originaliter gegebenen Ein
heit eines transzendentalen Lebens. Obschon ich aber stets in Evi-
5 denz so sagen und dieses Lebens in der Weise der Wahrnehmung
direkt erfassend innewerden kann, unterscheide ich innerhalb
dieser Wahrnehmung doch die im prägnanteren Sinn wahrgenom
mene Gegenwart, strömend sich wandelnd, <und> die ebenso sich
wandelnde endlos offene Lebensvergangenheit und -Zukunft, die
10 „eigentlich” nicht wahrgenommen, sondern in kontinuierlich
gewandelten Modis der „Retention” und „Protention” bewusst
sind. Dazu gehören begleitende Evidenzen des Ich-kann — ich
kann in die sinkende, alsbald unanschauliche Vergangenheit
durch Erweckung, durch Erzeugung von Wiedererinnerungen
15 eindringen, ich kann in Wiederholung immer von neuem Wieder
erinnerungen derselben Vergangenheiten und Gesamtvergangen
heit hersteilen; ebenso immer wieder die wahrnehmungsmässig
und alsbald retentional sich in den Modus Vergangenheit wan
delnde Gegenwart in entsprechender Methode identifizieren, und
20 wieder ähnlich hinsichtlich des Kommenden, bzw. der ganzen
Zukunftsunendlichkeit. Nur so ist für mich überhaupt ein s e i e n
der, d.i. frei zugänglicher und immer wieder identifizierbarer Er
lebnisstrom, und seiend in einer immanenten Zeitlichkeit, in ge
nauer zu beschreibenden kontinuierlichen Mannigfaltigkeiten syn-
25 thetisch ineinander übergehender Erscheinungsweisen immanenter
Zeitlichkeit mit zugehörigen und enthüllbaren Potentialitäten,
die als Horizonte des Ich-kann mit konstitutiv sind. Wie schwie
rig die Aufhellung des immanenten Zeitbewusstseins und damit
der Seinskonstitution des Erlebnisstromes sein mag, in der unzer-
30 brechlichen Evidenz des Ich-bin liegt enthalten das ebenso un
zerbrechliche Für-mich-sein meines Erlebnisstromes, meines
cogitierenden Lebens und der ihm mitzugehörigen Potentiali
täten des Lebens, eine Evidenz, die den Charakter einer auf ein
endlos offenes („unendliches”) Universum bezüglichen Wahr-
35 nehmung hat. Freilich schliesst diese Evidenz nicht aus, dass ich
mich im einzelnen, z.B. hinsichtlich des Gewesenseins eines Er
lebnisses oder gar hinsichtlich des wirklichen Kommens eines
erwarteten täusche, und das gehört sogar als eine Wesensmöglich
keit selbst mit zu meinem Sein. Aber darum bleibt doch die
10 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1929-1930
Erfahrung von jedem ego ist für mich das, das ich selbst ursprüng
lich bin und das in der beständigen Selbsterfahrung unablässlich
in der bezeichneten Zentrierung und Gliederung der primordina
len Eigenheit seiner als Original bewusst ist, ob nun beachtet
5 oder nicht. Und eben dies ist die fundamentale Eigentümlichkeit
dieser Apperzeption „Anderer”, dass für sie ihr urstiftendes Ori
ginal immer zugleich lebendig gegenwärtig ist und somit ego und
alter immerzu und notwendig in ursprünglicher Paarung (der ur
sprünglichsten Form der intentionalen Synthesis, die wir gegen-
10 über der Synthesis der Identifizierung „Assoziation” nennen).
Immer ist in solcher „Assoziation”, die das als unterschieden E r
scheinende phänomenal als Einheit der Ähnlichkeit, als „Paar”,
zur Erscheinung bringt, ich und der Andere in eins gegeben, auch
wenn ich, sei es nicht auf mich, oder nicht auf den Andern, oder
15 auch nicht auf beide, besonders achte, sofern überhaupt nur ein
Anderer für mich im „Erfahrungsfeld” ist.
Die genauere Auslegung des Laufes der Linien der Motivation
und vorher des Sinnes einer solchen paarenden Assoziation und
damit die Aufklärung, wie sich der Andere für mich in einer Art
20 sekundärer Originalität, als „Erfahrung” konstituiert, hat ihre
Schwierigkeiten, die eine weitere Ausführung hier nicht möglich
machen, geschweige denn, dass wir in das Problem der phäno
menologischen Genesis eingehen könnten. Doch verständlich ist
uns schon, dass es hier keine anderen Wege der Aufklärung ge-
25 ben kann, als das intentionale Problem der Konstitution, das
im Titel Fremderfahrung liegt, in der von uns gezeichneten Li
nie methodisch zu verfolgen.
Andere, E in fü h lu n g
die er erfährt als seine originale, mit der Natur, die ich erfahre
als meine originale.
In dieser rein transzendentalen Betrachtung, also in konse
quenter phänomenologischer Epoche vollzogen, finde ich nicht
5 nur im Rahmen meines eigenen originalen Lebens und seiner ori
ginal konstituierten Welt (Natur, mit geistigen Charakteren, die
ausschliesslich aus mir selbst ihre originale Bedeutung haben)
eine besondere Art von „Vorstellungen”, die da Vorstellungen
von Anderen heissen, und ein Verständnis (evtl, ein genetisches)
10 dafür, wie ich in mir zu „Vorstellungen" von Anderen komme,
sondern es ist klargelegt, wie in meiner originalen Sphäre eine
Erfahrungsart eigener Art möglich ist und aktuell fungiert, in
der irgendeines m e i n e r originalen Dinge aus meiner wirklichen
und möglichen originalen Erfahrung zum Untergrund einer Ap-
15 Präsentation werden kann, eine Vergegenwärtigung motiviert
durch die subjektive Art der Erfahrung dieses Dinges, die als
mit diesem Körperlichen einig eine fremde Subjektivität zur
Setzung bringt, aber so, dass das Mitgesetzte nicht einig ist mit
dem originalen Körper, der in meiner originalen Welt vorhanden
20 ist und selbst ein in meiner originalen Welt Vorhandenes ist.
Denn genauer besehen indiziert dieser Körper in der Analogie
mit meinem Leibkörper eine zweite originale Leibkörperlichkeit
und Leiblichkeit mit all den subjektiven Besonderungen dieser,
ihrer notwendigen Beschränkung in den Erscheinungsweisen,
25 ihrem Orientierungsnullpunkt-sein etc., und so wird eine zweite
originale Welt und original für sich selbst seiende Subjektivität
indiziert oder mit der meinen in eins gesetzt durch vergegenwär
tigende Erfahrung, die in konsequenter Weise zu bestätigen ist
und sich in der Tat bestätigt. Das Genauere über die in mir und
30 meiner originalen Welt sich vollziehenden Motivation, durch die
diese Appräsentation fremder Subjektivität und ihrer originalen
Welt erwächst, gibt eine „Theorie der Einfühlung”.
Haben wir nun nicht zwei Naturen und Welten, die eine, die
ich in mir original konstituiert habe, und die andere, die ich als
35 die vom Anderen original konstituierte vergegenwärtigt habe?
Habe ich den fremden Körper in meiner originalen Welt und einen
Doppelgänger in der eingefühlten, oder besser, <in> der durch den
ersteren appräsentierten? Man möchte auch fragen: Könnte es
nicht sein, dass ich solus ipse wäre und dass ich konsequent in mir
30 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1929-1930
Wie aber, wenn ich „total verrückt” werde und meine Erfah
rungswelt sich in ein „Gewühl” ohne einheitlichen Sinn auflöst?
35 Dann sind für mich auch keine Tiere und Menschen da. Sind sie
32 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1929-1930
darum notwendig nicht? Können sie nicht sehr wohl sein, ob
schon für mich jeder Grund auf hört, sie zu setzen?
Die fremden Subjekte sind nicht etwa subjektive Gebilde in
meinem Leben, trotzdem sie für mich nur sein können durch konse-
5 quent einstimmige Einfühlung. Aber sie sind nicht so wie physi
sche Dinge, als in meiner egologischen Sphäre konstituierte, in ihr
sich realisierende Wirklichkeiten. Sie sind Vergegenwärtigungen
von solchem, was in Originalität eben in anderem Leben Wirk
lichkeit hat. Sind nun für mich andere Menschen schon da, so
10 kann ich mir leicht vorstellen, wie sie anomal, wie sie verrückt
werden, und schliesslich komme ich an eine Grenze, an die Mög
lichkeit, dass für sie nicht einmal eine originale Natur konsti
tuiert bleibt. Ich kann mir dann die Möglichkeit denken, dass
sie wieder gesund werden, dass ihre früher abgebrochene Konsti-
15 tution sich mit der späteren in der neuen Gesundheit wieder zu-
sammenschliesst, dass sie durch indirekte Erfahrung unter Ver
mittlung der nachverstehenden Erfahrungen Anderer sich die
Lücken ausfüllen usw. Jeder kann verrückt werden, und ich
selbst kann mein Verrücktwerden vorstellen, wenn ich schon
20 Andere in einstimmiger Erfahrung habe und mir entsprechend
denke, dass meine Erfahrungseinheiten sich auflösen, dass wieder
sich solche bilden, dass ich durch Vermittlung der nun wieder
gegebenen Anderen zu einer universalen einstimmigen Welt
komme. Können nicht alle verrückt werden, und wäre es nicht
25 möglich, dass überhaupt viele reine Subjekte für sich sind, aber
in einem weltlosen Leben, somit ohne alle Gemeinschaft, die
offenbar eine gemeinsam konstituierte Welt voraussetzt ? Dann
wäre, könnte man einwenden, eine Vielheit von solipsistischen
ego’s, und doch die Vielheit unerkennbar und nie erkennbar ge-
30 wesen. Setzt aber Sein der Vielheit nicht voraus die Möglichkeit,
die Vielheit als Vielheit zu erkennen, und das wieder voraus die
Möglichkeit eines mit allen Ich und ihrem Leben vergemeinschaf-
teten Lebens — also wieder eine Gemeinwelt ? Das muss ernstlich
überlegt werden, es scheint darauf keine Antwort möglich zu sein.1
35 Ist es so, dass für mich Andere zweifellos sind, so gehört nun
zum selbsteigenen Sein und dem sekundär zweifellosen Anderer
sein dies, und notwendig, dass die originale Welt, die ich als mein
konstitutives ideales Gebilde erfahre, dieselbe ist als die jeder
1 Der letzte Satz wurde von Husserl nachträglich gestrichen. — Anm., d. Hrsg.
TEXT NR. 2 33
erwäge, bin „geistig normal”, ich hatte und habe meine einstim
mig fortschreitende Erfahrung, ich habe darin beschlossen Natur
und Geisteswelt in bewährter Geltung, als schlechthin wirkliche
mir vorgegeben und fortgegeben. Ich bin in der Freiheit eines
5 normalen, im allgemeinen gelingenden empirischen und logischen
Denkens, vernünftigen Handelns jeder Art usw. Ich kann mich
auch als Verrückten denken, während ich aber das denke, in Wirk
lichkeit nicht verrückt bin, wie dieses Denken selbst erweist, das
den Verrückten als Möglichkeit „vernünftig” begründet. Die
10 Denkbarkeit des Verrückten setzt voraus den Nichtverrückten,
wie es sich dann hinsichtlich aller Arten und Typen von beson
deren „Anomalitäten” zeigt, dass sie Wesensmodifikationen von
(an sich also früheren) Normalitäten sind. Soll ich, der ich bin, das
Miteinander von Verrückten mir denken können als eine „reale
15 Möglichkeit” oder auch nur als Möglichkeit im Sinn blosser Vor
stellbarkeit einstimmiger Phantasie, so ist diese Möglichkeit auf
mich bezogen und setzt mein normales Sein voraus. Ich sehe nun
auch die Möglichkeit ein, dass ich selbst verrückt würde und in
dieser Verrücktheit keine Welt und keinen Anderen hätte, und
20 sehe dafür auch die reale Möglichkeit in meiner faktischen Kon
stitution ein unter dem Titel möglicher Erkrankung meiner phy
sischen Leiblichkeit in eins mit psychophysisch zugehöriger psy
chischer Erkrankung, vielleicht bis zu jener vollständigen Ver
rücktheit, die mir nicht einmal eine einstimmige Welt beliesse.
25 Aber eben als normales Ich habe ich diese Möglichkeit, vermöge
deren ich sagen kann, ich hätte von vornherein anomal sein
können. Ebenso sehe ich ein, dass jeder Andere, der noch nicht
verrückt ist, hätte verrückt sein können, und alle könnten es —
wobei ich im Hintergrund immer als das mögliche denkende Ich
30 vorausgesetzt bin, das in seiner Normalität die möglichen Anoma
litäten konstruiert und im einzelnen sie in seiner normal konsti
tuierten Welt als wirklichen Bestand vorfindet, Bestand einer
normalen Welt, bezogen auf normale Subjektivität. Ich sehe auch
ein, dass jeder normale Andere von sich aus mir als Normalen dar-
35 in gleichsteht und dieselben Denkmöglichkeiten und -notwendig-
keiten sich zueignen könnte. Aber der normale Andere ist we-
sensmässig auf mich als das normal seiende Ich bezogen, aber frei
lich auch, n a c h d e m sein Sein für mich begründet ist, ist mein
Sein auf ihn ebenso bezogen, und ich sehe ein, dass er es einsehen
TEXT NR. 2 35
kann, dass sein normales Sein für die Erwägung seiner Denk
möglichkeiten einer verrückten Welt die Wesensvoraussetzung ist.
Aber ist nun m e i n n o r m a l e s Se i n Träger (archimedisches
Fundament) der für mich nicht nur wirklichen, sondern auch
5 der für mich erdenklichen Welten und auf sie bezogen der für
mich wirklichen und möglichen anderen Ichsubjekte und dann
ebenso für jedes für mich wirklich oder möglicherweise motivierte
Ichsubjekt im Modus Anderer, dann erhebt sich die Frage: Wie
weit reicht diejenige Wesensform meines Ich, die mich zum nor-
10 m a l e n Ich macht? Gehört dazu nicht notwendig eine Umwelt,
die objektive Welt darstellt, also das Mitsein von Anderen? Va
riiere ich mich selbst, dann bewege ich mich in dieser Wesens
form. Jede konkrete Möglichkeit meines Ich innerhalb dieser
Form ergibt mich immer anders, aber als normales Ich.
15 Aber wie verhalten sich dann die Begriffe konkretes Ich und
normales Ich? Bin ich als völlig verrücktes Ich nicht konkret,
oder nur konkret, weil ich vordem nicht verrückt gewesen bin
oder, wenn ich es bin, normal werden kann? Aber ist das not
wendig? Und ebenso für jeden Anderen, wenn ich im Horizont
20 notwendig andere seiende normale, aber auch anomale Ich habe.
Oder kann ich gar und jedes Subjekt nur konkret sein in einem
generativen zusammenhängenden endlosen Subjektzusammen
hang, der seinerseits a -priori nur konkret sein kann als ein nor
maler und mit anomalen Subjekten als Abwandlungen an sich
25 immer vorangehender normaler? Das klingt höchst gewagt, ja
abenteuerlich. Aber man muss die hier bestehenden Möglichkei
ten und Notwendigkeiten wirklich durchdenken. Was ist der
Sinn der Normalität, auf die wir hier gestossen sind? Dieser Be
griff ist bezogen auf das wahre Sein, auf das Universum der Wahr-
30 heit und des Seins, das die Philosophie als Thema hat. Wir sind
damit auf Subjektivität bezogen, die Erkenntnisquelle der Wahr
heit und des wahren Seins ist. Eine Subjektivität muss sein, um
ihr eigenes Sein begründen zu können; ihr Sein stände in der
Luft, wenn sie nicht für sich selbst seiend, für sich selbst sich
35 ausweisend und in einem möglichen Denken begründend wäre.
Ohne Denkenden habe ich keine Denkbarkeit, und eine leere
Denkbarkeit eines fingierten Subjekts, das sich selbst denken
kann und sein eigenes Sein denkend ausweist und ebenso anderes
denkend ausweisen kann, oder die leere Möglichkeit von Subjek-
36 .CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1929-1930
ten, die Denkvermögen haben etc., das setzt voraus, dass ich oder
einer von mir aus als seiend Ausgewiesener diese Möglichkeit als
Möglichkeit ausweist usw. Nun sehe ich aber ein, dass, wenn ich,
der philosophierend Erwägende, zum Subjekt für die Erkenntnis
5 der Möglichkeiten wahren Seins werde und es, wenn ich für mich
Klarheit erstrebe, sein muss, ich dann eben schon eine gewisse
sehr weitreichende Struktur bei mir voraussetze. Und eben diese
Struktur der Normalität als meine Wesensstruktur derjenigen
„Vernunft”, die Korrelat ist des wahren Seins, geht dann notwen-
10 dig in jeden für mich wirklichen und denkbaren Anderen ein, der
selbst für sich soll Träger der Wahrheit, Subjekt transzendentaler
Vernunft sein können.
Soll eine Welt sein, sollen Subjekte selbst sein, für sich und
miteinander sein, soll eine Zahlenwelt, sollen Wesenswahrheiten
15 und Wesen selbst sein können usw., so muss es normale Subjek
tivität geben; ich gehe nicht nur überhaupt als unbestimmtes ego
allem, was für mich ist, vorher, sondern als normales Vernunft
subjekt, und das ist nun das grosse Thema, es zu umschreiben.
Als Phänomenologe stelle ich als notwendigen Ausgang einer
20 philosophischen Besinnung, als einer Besinnung, die mir das Uni
versum des Seienden konstitutiv zugänglich und verständlich
macht, das ego heraus. Es ist im Anfang nur konkret unenthüllt
in den Blick tretend, ein Faktum, das ich erst als Faktum in
Schritten enthülle. Aber bald sehe <ich>, dass ich zu keiner wirk-
25 lieh universalen Enthüllung des Faktums durchdringen kann,
sondern auf die Aufgabe der Wesensform dieses ego und seiner
schrittweise und in infinitum auszulegenden Wesensstrukturen
mich einstellen muss. Ist dieses ego nicht von vornherein, als
Wesen meiner transzendentalen Subjektivität, das normale Ver-
30 nunft-ego, oder vielmehr, macht die mir zugewachsene Zielstel
lung der Verständlichmachung der universalen Konstitution alles
für mich (in meiner Wesensfassung) Seienden, und zwar in der
Einheit einer Allheit von Seienden, für mich mögücherweise
Seienden, es nicht von vornherein, dass ich mit einzelnen Leit-
35 fäden von Seiendem und Konstitutionsuntersuchungen beginne
und dann fortgehe zu möglichen Seinsuniversa, zu möglichen
Welten (in einem zunächst weitesten Sinn von möglichen Seins
allheiten), und sind die konstitutiven Strukturen in ihrer Einheit
dann nicht von selbst eins als Einheit des Vernunft-Ich? Natür-
TEXT NR. 2 37
Sein einer Allheit des Seins und so jeder Welt Menschen, in genera
tiven Zusammenhängen, und so, dass bei dem „Tode" der ein
zelnen doch Menschen notwendig sind und vielleicht Tod in der
Welt doch immer Subjektivität als Vernunftsubjektivität not-
5 wendig erhält?
1 Ausnahmsweise geben wir hier nur ein Bruchstück eines grösseren, zusammen
hängenden Textes wieder: Es ist das Schlussstück (sechs Blätter) eines 18 Blätter
umfassenden Textes, der den Seinsvorzug der konstitutiven Subjektivität gegenüber
der Welt erörtert. Die ersten zwölf Blätter behandeln die Notwendigkeit des ego. Auf
dem Umschlag der 18 Blätter, denen noch drei Beilagen beigefügt sind, vermerkt
Husserl als Inhaltsangabe: „Seinsvorzug der konstitutiven Subjektivität. Nichtweg-
denkbarkeit derselben aus der konstituierten Welt in der weltlichen Selbstobjekti
vierung. Notwendigkeit der Selbstkonstitution der transzendentalen konstituierenden
Subjektivität als animalisch-menschliche in der Welt. Das meiste wichtig zur Auf
klärung der Konstitution der vorgegebenen Welt in ihren Stufen, insbesondere der
Konstitution der unendlichen raumzeitlichen Welt durch Naturhistorie und Geistes
historie, also zur Fortführung der Lehre von der Intersubjektivität und von der
Konstitution der Gemeinwelt und der Zeitkonstitution. Auch zu Weltanschauung. —
Wichtige Gedanken, aber nicht gut in der Darstellung”. — Anm. d. Hrsg.
TEXT NR. 3 41
und erkennen von der Gegenwart aus, in der ich lebe und von der
ich auch die Vergangenheitsstrecke meines Lebens erkenne.
A n d e r e erkenne ich durch gegenwärtige Einfühlung „unmit
telbar”, aber in anderem Sinne mittelbar. Das in meinem gegen-
5 wärtigen Leben motiviert auftretende Einfühlen ist in sich m it
telbar gegenwärtigend. Die in meiner primordinal erfahrenen
Welt auftretende körperliche Leiblichkeit appräsentiert den An
deren; ich erfahre Andere dann als erfahrende Mitsubjekte, und
in dieser Miterfahrung gewinne ich die objektive Welt als die
10 unsere: wobei Ich und meine primordinale Gegenwart diese ganze
Welterfahrung und Welterkenntnis und das Sein der Anderen
mitträgt. Das bleibt bestehen in jeder Art Welt, und zwar Welt
als prim ordinal erfahrene und Welt als objektiv erfahrene zu
erdenken, also in eidetischer Abwandlung.
15 Ist es also möglich, dass ich die gegebene Welt so umdenke,
dass sie sonst verbleibt, wie sie ist, seiende Welt, während ich
nicht wäre, nicht darin vorkäme? Umdenken kann ich die Welt
freilich in unendlich vielen Weisen. Aber ich darf nicht verges
sen, dass jedes Umdenken eines Dinges, z.B. des Feldberges, auch
20 mich selbst als Subjekt für die und in der umgedachten Welt not
wendig mitwandelt. Meine Welterfahrung hätte sich geändert,
mein erfahrendes und Sein in Erfahrung bewährendes Leben
kann nicht mehr so verlaufen wie vorher, das ist, wie für mich als
das wirkliche Ich. Umgekehrt: Mache ich mich direkt zum Objekt
25 des Umdenkens, so bedeutet jede Abwandlung meines erfahren
den Lebens derart, dass die Systeme einstimmiger wirklicher und
möglicher Erfahrungen geändert würden, eine Veränderung der
ganzen Welt, die für mich seiende ist und als seiende sich fort
gehend bewährt. Mich als gegenwärtiges f a k t i s c h e s Ich mei-
30 nes faktischen konkreten Lebens verliere ich, wenn ich die Welt
objekte ausser mir wandle, aber ich verliere doch nicht mein Ich
als gegenwärtiges Ich der geänderten Welt. Ich bin dasselbe Ich,
ich habe nur notwendig ein anderes erfahrendes Leben. Variiere
ich die Welt völlig frei und bewege ich mich in reinen Möglich-
35 keiten, so bin ich notwendig bei allen und jeden Abwandlungen
als mitabgewandeltes Ich, und als abgewandeltes doch „gegen
wärtiges” der „gegenwärtigen” Welt, dabei, seil, jeder fingierten.
Und dann weiter gehört die Vergangenheit und Zukunft dieser
als möglich erdachten Welt eben zu dieser Gegenwart, die die
42 .CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1929-1930
in empirischer Gewissheit als was ich bin und für mich apodik
tisch bin erfahrend. Ich habe entsprechend nicht zwei Welten,
sondern die eine auf die beiden ego konstitutiv bezogene Welt,
nur in der Weise, dass ich, der ich hier der mich Besinnende bin,
5 bevorzugt bleibe. Ich erfahre die Welt, die mir die Welt von uns
beiden ist, dadurch, dass ich den Anderen in empirischer Gewiss
heit habe. Und ich erfahre sie demnach, indem ich nicht mehr
(wie wenn ich den Anderen nicht erführe) meine Primordinal
sphäre als Welt habe, sondern diese als konstitutiv auf die pri-
10 mordinale des Anderen (durch ihn hindurch) bezogen und in der
Gemeinschaft der Weltkonstitution mit mir als Welt, von wel
cher jeder seine Gegebenheitsweise hat, seinen primordinalen
„Aspekt”, und seine Weise, diesen durch den Anderen hindurch
zur Welt zu konstituieren. Die Welt ist nun Gemeinwelt der bei-
15 den, der beiden transzendentalen ego und der beiden wechselsei
tig erfahrenen Menschensubjekte, und nicht konstitutives Ge
bilde, das bloss dem einen ego zugehört, bloss zu seiner Konkre
tion mitgehörig. Ist aber die Welt die von mir aus zwar, aber
doch von den beiden, von mir und dem Anderen (obschon dem
20 für mich als Anderer konstituierten), konstituierte und so von in-
tersubjektivem Seinssinn, so ist es ganz verständlich, dass sie
ohne diese beiden Ichsubjekte nicht sein kann und dass jedes der
selben sich apodiktisch evident als ihr zugehörig weiss, aber dann
auch den von sich aus erfahrenen und ihm in Gewissheit geltenden
25 Anderen, und dass jedes die apodiktische Gewissheit des Anderen,
zur Welt notwendig zu gehören, übernehmen muss unter der Hy
pothese, dass der Andere wirklich sei, dass es wirklich bei der ein
stimmigen Bewährung seines Daseins bleiben wird.
Nehmen wir nun an, dass ich statt eines Anderen eine offene
30 Vielheit von Anderen, eine freilich offen unbestimmte, konstitu
iert habe, dann hat natürlich auch die Welt, die ich in Geltung
habe, ihren konstitutiven Sinn bestimmt nicht nur durch meine
aktuelle Gemeinschaft mit bestimmten Personen (direkte oder
indirekte durch deren Mitteilungen etc.), sondern auch durch die
35 unbestimmten, noch als voraussichtlich in Wirklichkeit oder of
fener Möglichkeit zu erfahrenden. Die Welt ist ja selbst eine be
stimmte und doch offen unbestimmte, und jeder evtl, in meine
Erfahrung tretende Mensch ist nicht nur Daseiendes der Welt,
sondern mit da als transzendentales Ich, als nicht nur sich als
TEXT NR. 3 45
erfahrenen Welt für uns. In Vorgeltung habe ich aus der Einstim
migkeit der Erfahrung den unendlichen Welthorizont. Aber nur
durch Erfahrung bestimmt er sich innerhalb seiner vorgezeich
neten Horizontstruktur, die präsumptiv immerfort gilt, und in
5 einer unbekannten, als an sich bestimmt vorausgesetzten Inhalt-
lichkeit.
Aber zu bedenken ist, dass Welt für mich jeweils ist als mir
mit jeweiligem Sinn geltende, relativ so und so bestimmte, und
so ist es „die” Welt, die mich affiziert und in die ich hineinlebe,
10 durch mein freies Aktleben die Inhaltlichkeit mitbestimmend.
Und ebenso für die Anderen, die selbst für mich aus Erfahrung
in einer gewissen Inhaltlichkeit geltende sind, wozu ein Bereich
ihres mitkonstituierenden Lebens gehört. Wir haben Welt in
ihrem Sosein in fortgesetzter Relativität. Wir setzen sie vermöge
15 unserer Erfahrung in einer horizontmässigen Unendlichkeit, von
der wir faktisch nichts wissen, die präsumptiv vorgezeichnet ist,
aber in den Unendlichkeiten nicht gegeben. Was für Möglichkei
ten ergeben sich hier?
Dinge, Tiere, Menschen können Scheine sein, auch intersubjek-
20 tive Scheine. Diese bestimmen uns, und doch sind sie nicht. Wir
streichen sie aus dem Sein heraus. So ändert sich die uns bislang
geltende Welt in ihrem Seinssinn, ohne das Allgemeine des Sin
nes (die Totalregion, könnten wir sagen, Welt überhaupt) zu
überschreiten. Danach scheint es, als ob wir aus der Welt man-
25 cherlei, und auch Subjekte, herausstreichen könnten eben in der
Art, dass, während sie uns als weltzugehörig gelten, sie es nicht
sind, ohne dass die Welt sich ändert. Nur unsere „Weltvorstel
lung” ändert sich. Indessen, da bewegen wir uns unter Voraus
setzung der Idee seiende Welt in dem Relativismus der vermein-
30 ten Welten in ihrer Beziehung auf die seiende. Der Schein be
sagt, dass der Lauf der einstimmigen Erfahrung ein anderer ist,
als er aus der bisherigen Motivation und der Erfahrung für uns
vorgezeichnet war. Wir variieren aber in der Erwägung der Welt
möglichkeiten eben möglicherweise einstimmig seiende Welt, zu
35 der wir selbst und alle unsere Wandlungen der „Weltvorstel
lung” von „Seienden” in Scheine gehören. Halten wir an der Idee
einer seienden, also vollbestimmt-einstimmig gedachten unend
lichen Welt fest, so sind wir alle für sie notwendig, als wirklich
in der wirklichen, als abgewandelte in der abgewandelten Welt.
50 ,CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1929-1930
BEILAGE I
<PRIMORDINALE UND SOLIPSISTISCHE REDUKTION >
<Oktober/November 1929>
Wie denke ich fingierend die Welt, die wirkliche, so um, dass irgend-
15 eines ihrer Dinge aus der abgewandelten Welt weggestrichen wäre?
Nun offenbar ist unter der Welt, die da wirklich ist, die erfahrene
Welt gemeint, und zwar so, dass jedes ihr zugerechnete Reale für mich
und jedenuann, der als Mitsubjekt zu dieser Welt gehört, Gegenstand
möglicher Erfahrung ist, aber so, dass wir nie auf Erfahrungen stossen
20 könnten, wie weit wir auch im Fortgang gingen und welche Erfahrungs
wege wir auch einschlügen, die uns nötigen könnten, die auf dieses
Reale bezüglichen Erfahrungsgewissheiten zu durchstreichen, also das
erfahrene Reale als Schein zu entwerten.
Umgekehrt: Hiesse also das sich Umdenken der Welt in einer Art,
25 dass ein Gegenstand möglicher in einstimmiger Intersubjektivität als
seiend bewährter und sich fortbewährender Erfahrung fortgestrichen
würde, soviel, dass dieser auf ihn bezogene Erfahrungsstil geändert
gedacht würde in einen solchen, der ihn als Schein entwertet? Natür
lich bedeutet diese Abwandlung eine Abwandlung unser aller seelischen
30 Innerlichkeit. Der Umdenkende hält sich dabei in dieser Abwandlung
identisch fest und in der abgewandelten Welt abgewandelt weiter
seiend, und er behält auch Mitmenschen als ihr weiter zugehörig, sie
ist als „objektive Welt” Welt für jedermann, was eben auf Mitsubjekte
verweist.
35 Wie nun, wenn ich irgendeinen Anderen „wegdenke” ? Natürlich ist
es ähnlich wie vorhin und nur ein besonderer Fall davon. Andere sind
für mich in der Welt in der Erfahrungsart, die gewöhnlich Einfühlung
genannt wird. Auch da gibt es einstimmige Erfahrungsbewährung und
evtl. Umschlag von Sein in Schein, und ich könnte mir also wieder
40 irgendeinen Anderen aus der Welt wegdenken. So kann ich einen nach
dem anderen wegbringen. Aber nun auch alle zumal? Natürlich mich
BEILAGE I 51
selbst als den erfahrenden Menschen kann ich nie, solange ich Erfah
rungswelt haben soll, wegdenken; meine Gegenwart als gegenwärtig
Erfahrender, in immanenter ursprünglicher Gegenwartszeitlichkeit
weltliche Gegenwart erfahrend, leiblich sehend, hörend usw., das ist
5 ein unabänderlich Notwendiges. Aber es ist wieder zu bedenken, dass
mit der Abwandlung aller meiner Genossen in Schein die übrige Welt
nicht unverändert bleiben kann, und so vor allem ich selbst nicht, und
zwar insbesondere nicht in meinem seelischen Sein, in dem alle Erfah
rungsmannigfaltigkeiten, die auf Andere als einstimmige bezogen wa-
10 ren und weiter präsumptiv bezogen sein sollten, radikal sich wandeln,
bzw. fortfallen. In weiterer Folge bin ich nun gründlich (obzwar ich
selbst) geändert, das ganze soziale Leben; die ganze intersubjektive
Kulturwelt ist verschwunden, obschon, was mir als Welt bleibt, die
jenige Identität behält mit der wirklichen Welt, die der Rede <von
15 der> Abwandlung der wirklichen <Welt> Sinn gibt, ebenso wie ja auch
ich derselbe bleibe, derselbe und doch ein grundwesentlich gewandelter
(nicht geändert im Sinn einer realen Veränderung).
Bin ich eigentlich noch ein Mensch, ich, derselbe, nur sohis ipse in
einer fingierten Welt ? Und ist die Welt noch Welt in dem natürlichen
20 Sinn, die doch immer gemeint ist als Welt für jedermann und damit
schon als geistige Welt, als kultivierte? Nennen wir jede reine Wesens
abwandlung der Welt „Welt”, so müssen wir eben bei der Benennung
bleiben. Die s o l i p s i s t i s c h r e d u z i e r t e Wel t ist n i c h t zu
v e r w e c h s e l n mi t der p r i m o r d i n a l e n Welt, oder die sol-
25 i p s i s t i s c h e R e d u k t i o n n i c h t mit der pr i mor di ' nal en
R e d u k t i o n . Denn diese ist die Reduktion dessen von der Welt, die
ich erfahrungsmässig in Geltung habe, auf das von ihr, was ich origi-
naliter erfahre und je erfahren kann. Damit reduziere ich mich auf mein
primordinales Ich als Schichte meines konkreten Ich. Zum Primordi-
30 nalen gehören alle meine einfühlenden Erfahrungserlebnisse, nicht
aber die darin wenn auch rechtmässig erfahrenen Anderen. Und ähn
lich mit allen Bestimmungen der intersubjektiven Kultur. Allerdings
kann eine solipsistische Welt mit ihrer Raumzeitlichkeit und ihren
solipsistischen Erfahrungsrealitäten so in der Forterfahrung sich ge-
35 stalten, sich so neuen Sinn zueignen (neuen Sinn eignet jede Weiter
erfahrung zu, aber hier ist ein Besonderes gemeint), dass in mir die
Erfahrungsmotivationen erwachsen, mit denen Einfühlungen auftre-
ten, und in der möglichen Einstimmigkeit einfühlungsmässiger Fort
bestätigung sind dann rechtmässig Andere da, und damit gewinnt die
40 solipsistische Welt im Lauf der Forterfahrung den Sinn einer intersub
jektiven Welt, und ich werde dann zum Menschen im gewöhnlichen
Sinn usw.
Hier wird also <in> der Verfolgung der Möglichkeiten, die in einem
solipsistischen Ich bzw. einer solipsistischen Welt beschlossen sind,
45 eine Genesis denkbar, als Genesis eines solipsistischen Ich zum Men
schen einer Menschenwelt und der solipsistischen Welt zu einer aus ihr
werdenden intersubjektiven menschheitlichen Welt. Zu den Wesens-
52 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1929-1930
möglichkeiten einer solipsistischen Welt gehört, dass sie sich dem Ich
im Fortgang seines erfahrenden Lebens enthüllt als nicht bloss solip-
sistische Welt, sondern als beschränkte Vorstellung einer intersubjek
tiven. Oder zum Wesen des sich als solus findenden Ich gehört, dass
5 es im Lauf seines Fortlebens sich als socius von Genossen finden könn
te.
Das könnte darauf hinweisen, dass ich und jeder Mensch eine sub
jektive Entwicklung und letztlich eine transzendentalsubjektive haben
dürfte und vielleicht wesensnotwendig hat, in der ich mir in der tran-
10 szendentalen Immanenz meines Seins und Lebens zuerst eine, wenn
auch sehr arme, solipsistische Welt intentional aufbaue und dann wie
der stufenweise mittels der einfühlenden Erfahrungen das Sein von
Anderen und durch sie hindurch — stufenweise — eine Welt im vollen
Sinn. Umgekehrt, nachdem diese Entwicklung stattgefunden hat und
15 ich die volle Welt als „reifer Mensch” habe, werden notwendig die
Welten unterer Stufen, die für mich als Ich unterer Stufe die allein mir
geltenden waren, zu bloss beschränkten Aspekten, „Vorstellungen”
von der einen vollen Welt, deren letztgewonnene „Vorstellung” eben
die mir aus dem voll gestaltenden Erfahrungsleben her geltende ist.
20 BEILAGE II
UNTERSCHEIDUNG VON MODALISIERUNG UND
UNSTIMMIGKEIT ZWISCHEN NORMALEN UND ANOMALEN
MENSCHEN IM KONNEX
cnach 1930>
10 Die Umwelt gliedert sich für jede wache Person, gemäss dem
Unterschiede der cogitationes ihres Lebens in „Affektionen
und Aktionen der spezifischen Wachheit” (derjenigen, die die
ausgezeichnete Form des ich bin affiziert, ich erfahre, ich denke,
ichtueetc. <haben>), andererseits der unwachen Hintergrunderleb-
15 nisse, 1) in das Umweltliche, das die Person gerade „angeht”, das
für sie in Betracht ist, sie beschäftigt, sie stört, Reize übt etc.,
2) andererseits das Umweltliche, das toter Hintergrund ist.
Alle wachen cogitationes haben ihre Einheit durch Zentrie
rung im personalen Ich, und nicht nur in dieser formalen Art.
20 Das Ich hat jeweils aus der Einheit seiner Habitualität Einheit
eines aktuellen Interesses, und da es vielerlei bleibende Interes
sen hat, so kann sich die Wachsphäre selbst wieder gliedern:
a) in das, was besondere Einheit hat durch ein aktuelles Interes
se, z.B. was zu den Tätigkeiten des aktuell gerade lebendigen
25 Berufsinteresses gehört, für sie in Betracht kommt, beruflich
vom jeweiligen Hintergründe (dem beruflichen) affiziert und
Zuwendung erfährt, Einbeziehung in das berufliche Handeln,
oder auch nur Erwägen, Sorgen etc. b) Andererseits kann vom
Hintergründe her eine Affektion ausgehen, die das Ich als Per-
30 son eines anderen seiner habituellen Interessen weckt, was für
TEXT NR. 4 55
aber nun auch immer wieder neu (obschon <in> allgemein sich er
haltender Wesensstruktur), und in diesem Wandel sich konti
nuierlich konstituierend „die” Welt als die identische, während
die jeweils praktisch geltenden Umwelten subjektive Erschei-
5 nungsweisen eben d e r Welt sind. So erleben wir ja beständig
diesen Wandel und erlebten ihn vordem, aber ontisch einge
stellt erleben wir „die” Welt, „von der” jeweils nur das und jenes
wirklich bekannt war, die aber immer ihren unbekannten Hori
zont hatte, und das in verschiedener Weise für jeden von uns.
10 Wir, die wir theoretisch eingestellt Beschreibungen wie die bis
herigen entwerfen, haben im Durchleben der subjektiven Modi
der Weltgegebenheit von all den verschiedenen Sinngestalten
vorweg die Einstellung auf „die” Welt, die durch diese Gegeben
heitsweisen hindurch „erscheinende”. Wir kontrastieren als theo-
15 retisch Eingestellte beständig die Welt selbst als wahrhaft
seiende mit den Erscheinungsweisen, und in der letzten Betrach
tung mit denjenigen, die da sich wandelnde individuelle und ge
meinschaftliche Umwelten heissen. Gegenüber den Erschei
nungsweisen der Orientierung und Perspektive, die wir früher
20 besprochen haben, sind die jetzt betrachteten Umwelten nach
dem, was sie an Gegenständen und auch gegenständlichen Mo
menten der Art, wie es die „geistigen” Prädikate, die Prädikate
der Bedeutung sind, bieten, in Geltung als objektiv wirklich,
die Gegenstände gelten als Gegenstände der „Welt” selbst. Das
25 Subjektive liegt hier an den den Gegenständen und den erfah
renen Gesamtheiten anhaftenden offenen Horizonten, anderer
seits natürlich, wovon wir abstrahiert haben, in den ebenfalls
horizontmässig unbestimmten Möglichkeiten, dass Sein sich als
Schein heraussteilen könne, dass zwischen wahrem Sein und
30 bloss geltendem Sein unterschieden werden muss. Und für den
theoretisch Interessierten besagt das dann, dass Erfahrung der
Kritik bedürfe, bzw. dass erfahrene Welt der Bewährung be
dürfe. Freilich ist daran lange nicht genug, da neue Probleme
der subjektiven Gegebenheitsweise und neue der Überwindung
35 dieses so vielgestaltigen Relativismus des für uns Seienden und
der endgültigen Bestimmung wahren Seins als des „Irrelativen”,
das aus diesem Relativen herauszuerkennen sei, auftauchen, wie
z.B. die Probleme der Normalität und Anomalität.
Die Welt ist nur umweltlich erfahren und nur von daher für
TEXT NR. 4 61
1 Besser doch der Rückgang von dem. erfahrenen Realen auf die Erscheinungs
weisen — daran kann dann auch der Verweis auf mögliche Täuschungen geknüpft
werden.
TEXT NR. 4 65
verstehend auch erfahren muss: „Was ich erfahre und was jeder
Andere erfährt als Welt ist dieselbe mit derselben Struktur etc.”
Ist dann weiter die Frage, wie ist eine Welt, und in Hinsicht
auf alle die hervorgetretenen ontologischen Strukturen, in wel-
5 dien subjektiven Gegebenheitsweisen wesensmässig gegeben,
so ist das rein psychologisch gefasst die Frage: Ich erfahre in
mannigfaltigen Erfahrungen Welt in eins mit Anderen, die ich
mit als in dieser Welt Seiende erfahre. Was ist rein in diesem
immanenten Leben der Intersubjektivität erfahrene Welt als
10 solche, und in welchen subjektiven Gegebenheitsweisen und Syn
thesen ist notwendig erfahrene Welt als sich für mich konsequent
bewährende gegeben? Hier komme ich sofort bei mir selbst auf
meine subjektive Zeitlichkeit als Form meiner Phänomene.
Aber ich komme auch auf das Wir und u n s e r e Erfahrung,
15 u n s e r e Erfahrungswelt, u n s e r e Phänomene von dieser sel
ben Welt für uns, unsere Synthesen in Vergemeinschaftung,
unsere gemeinsamen Umwelten als gemeinsam identisch er
fahrene und ihren Wandel und ihre synthetischen Einheiten
in der Gemeinsamkeit, jedes selbst ein Phänomen von unserer
20 identischen ontologischen Welt. Andererseits die Unterschei
dung der egologischen Wahrnehmungswelt eines jeden und de
ren Synthesis aus „Erscheinungen”. Jede gemeinsame Umwelt
(in ihrer eigenen Relativität als blosse intersubjektive Welter
scheinung) synthetische Einheit aus den egologischen Phänome-
25 nen etc.
1) Meine reduzierte Welt, Welt rein als Welt m e i n e r Er
fahrung kann besagen: die mir ontisch aus Erfahrung, und rein
aus Erfahrung und ihren Phänomenen sich ausweisende Welt,
und zwar so, dass ich dabei die Erfahrung der Anderen in Mit-
30 geltung habe und somit sage: meine Welt reiner Erfahrung ist
unsere Welt reiner Erfahrung.
2) Ich kann auch sogleich fragen: Die Welt (in ihrer ontolo
gischen Struktur) ist für uns allem voran Welt aus unserer (ge
meinschaftlichen) Erfahrung. Nehmen wir sie reduzierend rein
35 als in u n s e r e n Erfahrungen in der Mannigfaltigkeit subjek
tiver Erscheinungsmodi vermeinte und synthetisch durch Ein
stimmigkeit der Bewährung selbstgegebene und zu gebende Ein
heit.
Hier ist nun-zu beachten: Wir reduzieren auf das W ir in sei-
66 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1929-1930
ner Gemeinsamkeit des Lebens als Weltlebens und der darin auf
tretenden weltkonstituierenden Phänomene und haben dann
eine i m m a n e n t e g e m e i n s a m e Z e i t d i e s e s W i r —
Wir-Gegenwart, Wir-Vergangenheit, Wir-Zukunft.
5 Es ist dabei v o n v o r n h e r e i n d i e I n t e r s u b j e k t i v i
t ä t al s e i n e r e i n g e i s t i g v e r b u n d e n e E i n h e i t , die
alle reinen Subjekte in sich fasst, der Erfahrungsboden für alle
Beschreibungen, nur naiv, ohne dass sie thematisch und beschrie
ben würde, und sie ist dabei gefasst als das Universum alles und
10 jedes Subjektiven und so mit allen relativen Umwelten und
schliesslich der darin in der universalen Synthesis der subjekti
ven Weltphänomene erfahrenen (im Erfahren beständig als
Idee der identischen Wahrheit an sich präsumierten, aber auch
bewährten) ontologischen Welt — die evtl, als „Weltvorstel-
15 lung” figuriert.
Dabei ist es wichtig, dass die Intersubjektivität, in dieser
Weise rein psychisch gefasst, wesensmässig mit einer intersub
jektiven immanenten Zeitform konstituiert ist, als universale
Form für alles intersubjektiv Subjektive. Wir haben also 1) für
20 jedes ego seine eigene egologisch reduzierte immanente Zeit, so
zusagen seine private, und in ihr sich darstellend die immanente
Zeit und Zeitfülle subjektiver Phänomene jedes anderen ego.
2) Wir haben in jedem ego sich darstellend die intersubjektive
Synthesis, und jedes kann die Intersubjektivität selbst als rei-
25 ne vorfinden und beschreiben; jeder in seiner immanenten Ge
genwart findet diese in Deckung mit der Gegenwart jedes An
deren und beschlossen in der Gegenwart als intersubjektiver.
Diese merkwürdigen Verhältnisse betreffen natürlich auch die
immanenten zeitlichen Ge h a l t e . Jedes ego hat sein primordi-
30 ales Weltphänomen, bzw. seine primordial reduzierte seiende
Welt, sich als Einheit mannigfaltiger primordialer Darstel
lungen konstituierend, in der Form einer festen Orientierungs
räumlichkeit eine „objektive” Räumlichkeit, egologisch-objek
tive. In der Synthesis der Vergemeinschaftung wird jede solche
35 primordial seiende Welt zum Phänomen, zur Gegebenheitsweise
derselben intersubjektiven Welt. Dabei hat jede ihre primordiale
Gegenwart (und damit egologisch immanente Zeitlichkeit über
haupt) . Aber alle diese primordialen Gegenwarten gehören in die
eine intersubjektiv konstituierte Gegenwart, sie sind intersub-
TEXT NR. 4 67
1) Für das ego sprechen wir von Erlebnissen, von Akten, von
Empfindungsdaten, Auffassungen, Affektionen etc. im „ur
sprünglichsten Zeitbewusstsein” sich immanent zeitlich kon-
30 stituierend. Wie kam ich darauf? Nun, geleitet von der sensua-
hstischen Psychologie; ich suchte auf das Eigene des ego zu re
duzieren, auf dasjenige Leben, das transzendental mein ist, aber
nicht betroffen wird, ob das gemeinte Transzendente ist oder
nicht ist, Schein ist etc.
35 Epoch6 hinsichtlich der objektiven Welt — aber die objektive
Welt ist in subjektiv relativen Transzendenzen gegeben, die in
diesem Ausgang nicht sichtig sind und auch nicht „transzen
TEXT NR. 4 69
Wie kann ich sagen, „ich enthalte mich jeder für mich bestehen
den Geltung, ich enthalte mich des Glaubens hinsichtlich des
Seins der Welt überhaupt und meiner selbst, dieses Menschen”,
da doch in der Aussage „ich enthalte mich” das Ich als sich so
5 enthaltendes liegt? „Ich” heisst doch „ich, dieser Mensch”. Ich
stosse auf die Apodiktizität der Aussage „ich bin”, und es muss
nun die Frage aufgeworfen werden, wiefern dies nicht mit jener
Universalität der Epoche streitet, die mich einbegreift, oder in
wiefern ich, sie mit dem Sinn der Universalität vollziehend, dessen
10 evident werden kann, dass ich mich als Menschen (als darin be
schlossen) ausser Geltung halten kann (als blosses „Phänomen”),
da ich mich, dasselbe Ich, als das die Epoche vollziehende apo
diktisch in Geltung setzen muss. Ist das verträglich, so wäre ich
nach der Epoche nicht das Ich der (natürlich-weltlichen) „Selbst-
15 erfahrung”, das in ihr beständig vorgegebene, auch nicht eine
Komponente, ein Bestimmungsstück des Gehalts dieser Vorgege
benheit, und wäre doch im voraus schon dabei, und bei allem
Weltlichen dabei als das Ich, für das Vorgegebenheit besteht.
Doch das sind im Anfang unklare Reden. Soviel kann ich aber
20 wohl sagen: Die Weltepochö als ein allgemeiner Enthaltungssatz,
Enthaltung vom „Satz” des Seins der Welt, ist zu Anfang in
folgendem Sinn eine evidente Möglichkeit: Ich mache die Über
legung, dass ich in meinem wachen Leben kontinuierlich Raum
weltliches erfahre, wahrnehmungsmässig anschaulich habe und
25 in diesem Erfahren beständig (= habituell) einen universalen
raumzeitlichen Welthorizont habe, d.L, ein für mich seiendes,
mir als seiend geltendes Universum „raumzeitliche Welt” vor
gegeben habe. Das ergibt mir diesen universalen „Satz” Welt, die
für mich immerfort seiende. Und diesen allgemeinen Satz (Ge-
30 neralthesis) als eine universale kontinuierlich fortgehende
Seinsgewissheit, als die ich in meinem Leben immerfort hatte
und haben werde, wie ich gewiss bin, als durch meine Lebenszeit
hindurch verharrende einheitliche universale Gewissheit, unter
ziehe ich der Epochö. Das kann ich ohne weiteres in der Form,
35 die in der sehr unbestimmten Überschau über das mir vorgege
bene Sein der Welt erwächst. Aber habe ich damit die Möglich
keit der unbedingt universalen Epochö (und Ich-Reduktion),
die Möglichkeit im Sinn der wirklichen Vorstellbarkeit meines
unbedingt universalen Lebens als beständig diese Epochö durch-
TEXT NR. 5 73
BEILAGE III
<D IE ZWEIFACHE THEMATIK NACH DER TRANSZENDENTALEN
EPOCHE >
30 <wohl 1934>
1) Ich als Welt und mich als Menschen-Ich in Geltung habend habe
schon Mitsubjekte, Mitmenschen, in Geltung in offener Unendlichkeit.
Durch Reduktion ergibt sich, dass ich, das transzendental reduktiv
verwandelte Ich in ständigem Vollzug ein Geltungsleben habe, worin
5 für mich andere t r a n s z e n d e n t a l e Subjekte in Geltung sind. Die
Reduktion der Welt auf das Weltphänomen ergibt hinsichtlich meiner
Reduktion meines Menschen-Ich das ego, das als urmodales ego seine
alter ego’s in offener Unendlichkeit in Geltung hat, in Geltung setzt.
Dass Andere als transzendentale erst gesetzt werden müssen, nachdem
10 ich die Setzung ego vollzogen habe, ist selbstverständlich. Die Setzung
- ego führt weiter in der Weise, dass ich zunächst die mannigfaltigen
Akte vollziehe und als transzendental meine in Anspruch nehme, an
gefangen von der Setzung des Weltphänomens und all dessen, was
seine Auslegung in Einstellung der Epoche macht usw. Auch diese
15 Setzungen sind schon später gegenüber der ersten leeren Setzung: ego.
Nun umschreibe ich die Primordialität — die gesamte Intentiona
lität, die mir, dem Ich, eigen ist, als die ich aktuell oder potentiell voll
ziehe, ich, ihr identischer Pol; sie ist als mein Leben und was in ihm
ausschliesslich erworben ist.
20 Dazu ist zu bemerken: Ich in der natürlichen Weltlichkeit habe
Weltbewusstsein und Selbstbewusstsein mit dem Sinn, selbst in der
Welt zu sein. „Gerichtet” bin ich nur gelegentlich auf mich, in der re
flexiv-aktiven Selbstwahrnehmung. Aber hegt es nicht im Wesen jedes
reflexiven Aktes, dass er den geraden als vorgängig voraussetzt, dann
25 ebenso der reflexive zweiter Stufe einen reflexiven erster Stufe usw.
Und dazu ist weiter gehörig: Jeder Akt setzt voraus Affektion; das,
worauf er hin sich richtet, ist schon im Bewusstseinsfeld, unerfasst:
das hintergründliche Anschauliche oder Unanschauliche. Das Anschau
liche braucht nicht wahrgenommen zu sein —- aber als erinnert führt
30 es auf Wahrnehmung, frühere Wahrnehmung zurück; als nicht erin
nert, aber anschaulich, führt es mittelbar auf Wahrnehmung; das Un
anschauliche — auch das <führt> wieder in anderer Weise auf Wahr
nehmung, bzw. als Erinnerung.
Ferner, alle Hintergrundakte setzen früher entsprechende gerade
35 Akte voraus als in Hintergrund verwandelte. Alle reflexiven Akte wer
den zum Erwerb, reflexives Bewusstsein muss schon erworben sein.
Das alles ist rohe Rede: Wege der Zurückführung als Entfaltung
einer Genesis. Ich komme zurück auf ein Ich, das noch keine Reflexion
vollzogen hatte, noch kein Selbstbewusstsein als Akt, aber auch als
40 Hintergrund Selbstbewusstsein hat, auf eine Uraffektion und eine Ur-
hyle als affizierende etc.
Mache ich die Abstraktion von Anderen und von allem, das durch
sie Sinn gewinnt, so gewinne ich das primordiale Feld. Abgestellt sind
alle darüber hinaus reichenden Vermögen. Kann ich aber Selbstbe-
45 wusstsein haben aus einer Selbstreflexion, als „Ich ohne Andere” ?
II
Der Mensch in der Welt, ich selbst als Mensch in der Welt:
Das in der natürlich-normalen Welterfahrung gegeben und sich
bewährend. W ie i s t d e r M e n s c h i n n e r h a l b d e r be
s t ä n d i g e r f a h r e n e n W e l t al s E r f a h r u n g s o b j e k t
10 u n t e r a n d e r e n g e g e b e n ? Ich, der diesen Menschen M
Erfahrende, habe mein Wahrnehmungsfeld — die Welterfahrung
in Form der Erfahrung der Welt als sich mir in dieser Wahrneh
mungsgegenwart für mich selbst darstellend, darstellend mit
dem Sinn „objektiv raumzeitliches Universum von Realitäten”,
15 von denen in diesem Feld direkt wahmehmungsmässig gegeben
sind die und jene „Dinge” und Dingzusammenhänge, darunter M.
Jedes Reale, das ich wahrnehme, erfahre ich mit einem gegen
ständlichen Sinn, von dem nur eine Seite in eigentlicher Wahr
nehmung dargestellt ist. Im Wandel der Wahrnehmung kommen
20 immer neue Seiten zu wirklicher Selbstdarstellung, im Fortgang
also lerne ich den Gegenstand immer besser kennen bzw. komme
auf früher schon Bekanntgewordenes zurück. Dabei verbleibt
identifiziert-identisch das „Allgemeine” dieses gegenständlichen
Sinnes, das erfahrene Individuelle als solches als das, was be-
25 kannt wird und immer genauer sich bestimmt. Dem Allgemein
sten nach ist mir dies da bekannt eben dadurch, dass ich es mit
dem gegenständlichen Sinn, etwa Stein oder Organismus etc.,
wahrnehme, und zwar als dieser Stein etc. Dem Allgemeinen
nach weiss ich, wie es sich benehmen wird, wie es aussehen muss,
30 welche Schichten von Merkmalen es zeigen muss, welche Ver
änderungen es annehmen wird oder annehmen kann. Dieser M
82 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
1 Z w e i s c h i c h t i g k e i t de r E r f ü l l u n g d e r F r e m d w a h r n e h m u n g .
Unterschichte der Erfüllung: Prozess und Erfüllungshorizont der blossen Körper
wahrnehmung. Demnach ist die Apperzeption, bzw. die k o n t i n u i e r l i c h e A p
p räsentation zweischichtig.
86 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
1 Das Ich ist nur so weit in dieser „Schichte” appräsentiert und im übrigen von
dieser Appräsentation her unbestimmt, obschon von vornherein Anderer, anderes Ich
appräsentiert ist: „meinesgleichen”.
TEXT NR. 6 87
weit hat, bzw. sich auf eine, auf diese Welt bezogen weiss, in
gewissen jeweiligen Erscheinungsweisen, das sich zu ihr als per
sonales Ich umweltlich verhält und längst verhalten hat, das
als das seine Überzeugungen, seine Gewohnheiten, seine Zwecke,
5 seine Mittel hat, das von früher her seine Erwerbe hat und auf
sie jeweils und öfters zurückkommen kann etc.
Zunächst verstehe ich den Leib als Leib und diesen in eins
mit dem Wahrnehmungsfeld, in dem der Andere leiblich ist,
und das um diesen herum orientiert ist. Das verstehe ich von mir
-10 aus und meinem Wahrnehmungsfeld, in dem jener Leib dort
die Bedeutung hat eines Analogons meines Leibes, wie wenn ich
dort stünde etc.
Darauf baut sich dann der höherstufige Sinn, d.i. den noch
unbestimmten Ichsinn (über das Bestimmte der unteren
15 Schichte) nun näher bestimmend. Es ist offenbar, dass in dieser
höheren Schichte die Vorbedeutungen öfters einer „wirklichen”
Ausweisung bedürfen. Aber das muss doch genauer studiert wer
den.
Ergänzende Ausführungen
20 [Zur Wahrnehmung eines Realen derart wie ein Mensch, ein Tier
gehört als wesentliche Komponente das Mitbedeuten von Psy
chischem, aber nicht eine anschauliche Vergegenwärtigung des
selben. A b e r wa s i s t d a s de s n ä h e r e n f ü r e i n , , Mi t be
d e u t e n ” ? Ein Mitgegenwärtigen (Appräsentieren) soll es sein,
25 wodurch das Psychische ja mit dem Körperlichen in eins selbst
da ist. Appräsentation in der Schichte der Dingerfahrung hin
sichtlich der Rückseite. Aber da ist der Fortgang der Erfahrung
als fortgehende Bewährung, Erfüllung der wahmehmenden
Meinung, Erfüllung durch Sonderwahrnehmung, das Appräsen-
30 tierte verwirklicht sich durch Präsentation, es stellt sich als es
selbst dar. H i e r aber gilt das nur vom Körper, nicht aber für
sein Seelisches. Was hat das aber für eine merkwürdige Weise
der Bewährung? M ist wirklich ein Mensch, der Körper verän
dert sich körperlich in einem Änderungsstil, der immer wieder
35 Mannigfaltigkeit des A u s d r u c k s und Einheit eines G e s a m t
a u s d r u c k s ist, jeder neue Ausdruck stimmt mit dem vorigen,
88 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
Das gilt auch für die Geistessphäre bzw. für die psychophysischen
etc. Realitäten und ihre umweltlich von uns erfahrenen, in expliziter
Erfahrung sich uns explizierenden Eigenschaften. Eine besondere Rolle
spielt schon in der organisch-physischen Sphäre und in einem neuen
5 und mannigfaltigeren Sinn in der spezifisch geistigen der Unterschied
der Normalität und Anomalität, Unterschiede der Vollkommenheit,
der Wahrheit, Echtheit als Vernunftnorm etc. Sie knüpfen sich an den
Typus personales Ichsubjekt an mit den Charaktereigenschaften, den
Begabungseigenschaften, den Fertigkeiten usw. In der fortgehenden
10 Erfahrung sind immer schon Typenerfahrungen zugrunde hegend;
aber sie ist auch immer Neubildung von Typen vermöge der sich immer
neu bildenden und erweiternden Horizonte der Ähnlichkeitssphären,
die jede Apperzeption sich wiederholend in Ähnlichkeit begründet.
Das ist das Fundament allgemeiner Benennung, die zugleich eine be-
15 sondere Horizontbildung bedeutet: Jedes Reale der Umwelt hat schon
irgendeinen Namen, ist damit apperzipiert, und ist es „neuartig”, so
hat es einen unbekannten Namen. Auch „ein” Name überhaupt ist
eine typische Beschaffenheit.
Das alles unterliegt nun, soweit es eben geistig ist, jener äusserlich
20 indizierenden oder wirklich erfüllend selbstgebenden Erfahrung. Es ist
nun die Frage, wie d e s k r i p t i v e W i s s e n s c h a f t in i h r e r
w i s s e n s c h a f t l i c h e n B e g r i f f s b i l d u n g und Festlegung be
schreibender Wahrheiten vorgeht oder vorzugehen hat. Erfahrung ist
Urmethode, auf der alle Methoden ruhen. Wie muss wissenschaftliche
25 Erfahrung als wissenschaftliche Methode beschaffen sein und wie die
Methode der Deskription und dann Theorie?
Hier scheint es, nachdem unser Stück Analyse der Geisteserfahfung
vorangegangen ist, selbstverständlich, dass Wissenschaft aus Deskrip
tion auf einer vol l en A n s c h a u l i c h k e i t , auf Herstellung der er-
30 füllenden Appräsentationen gegründet sein muss. Allerdings vollkom
mene Anschaulichkeit, allseitige und nach allen Seiten ursprünglich
anschaulich auslegende Erfahrung ist (wie eine Analyse des Erfahrens
von Realem wesenseinsichtig macht) unmöglich. In dieser Hinsicht
untersteht deskriptive Theoretisierung von Realem überhaupt, von
35 Realitätsgebieten der Natur und des realen Geistes (bzw. der Natur im
erweiterten Sinn der objektiven Weltlichkeit), allgemeinen Fraglich
keiten, allgemeinen Problemen der Rechtsausweisung. Keine deskrip
tive Wissenschaft denkt daran, bis ins letzte zu gehen, sie setzt voraus,
dass man nicht immer weiter — ins Unendliche — gehen muss, sondern
40 dass es, um des Daseins des Realen und seines individualtypischen So-
seins oder auch eines allgemeinen empirischen Typus von Realem als
Wirklichkeit zweifellos gewiss <zu> werden und es begrifflich fixieren
zu können, einer endlichen Ausweisung in der Erfahrung und einer
darauf gegründeten logischen Begriffsbildung bedarf, mit der es trotz
45 der nicht ausschöpfenden Endlichkeit genug ist.
Von da aus ist einsichtig zu machen, dass solches Erfahren wirk
lich unter ernstlichen Rechtfertigungsfragen steht, dass es verständ-
98 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
1 Dieser Text folgt im Manuskript Ausführungen, die unter dem Titel der „lebendig
strömenden Gegenwart” stehen und die eigentliche Wahrnehmungsgegenwart von
der Welt analysieren. Er ist ihnen gegenüber aber von Husserl deutlich abgehoben.
Auf dem Umschlag, in dem das ganze Manuskript liegt, bezeichnet Husserl den In
halt des hier wiedergegebenen Teiles folgendefmassen: „Die Gegebenheitsweise der
Welt in der urphänomenalen Gegenwart <ist> zweischichtig: 1) primordiale Schicht
(als Schichte in der Gegenwart), 2) die Anderen und Gegebenheitsweise der Welt durch
die Anderen. Begriff des transzendentalen ego und der Primordialität”. - Anm. d.
Hrsg.
100 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
1 Diese Selbstenthüllung als Evidenz der Selbstgegebenheit, als Evidenz der strö
menden Gegenwart, darin des Seins des Ich in den gezeitigten Modalitäten des Le
bens, des Seins des Stromes der Erlebnisse in ihren Zeitmodalitäten, diese Selbst
enthüllung ist natürlich Leistung der phänomenologischen Reflexion des transzen
dentalen Zuschauers.
TEXT NR. 7 101
1 Aber nun bedarf es einer Änderung der Blickrichtung des transzendentalen Zu
schauers, des Ich, das das Weltphänomen („Welt im Wie der Gegebenheitsweisen”)
ausgelegt hatte - einer Reflexion auf „Bewusstseinsleben”, das transzendental kon
stituierende Leben, worin das Weltphänomen, die Welt in ihrem Wie strömend be
wusst wird, im Urstrom des Erlebens, sowie dabei zugleich auf das konstituierend
erlebende Ich der konstituierenden Aktivitäten und Passivitäten.
2 In der ersten, noematisch-ontischen Richtung.
102 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
das als das eines Anderen erfahren ist, als des es erlebenden Ich.
Von diesem A n d e r e n , wenn er ist, ist dieses Erleben, gesetzt,
dass es ist, untrennbar, es wäre nur möglich als zu seinem Ich
gehörig. Aber wie immer es mit meiner transzendentalen Set-
5 zung eines anderen Ich und seiner Icherlebnisse stehen mag, je
denfalls zunächst1 habe ich mich selbst originaliter und <als >tran
szendentales Ich in Seinsgeltung und zu ihm gehörig einen ge
schlossenen Kreis meiner intentionalen Erlebnisse und der ihnen
unabtrennbar zugehörigen Vermeintheiten. Dazu ist zu rechnen
10 der Gesamtbestand der eigentlichen Wahrnehmungsgegeben
heiten von Weltlichem, also des Weltlichen in der Grundschicht.
Natürlich aber auch alle die Vergegenwärtigungen, durch die
in meiner Welterfahrung sich für mich die geistige Welt als die
jenige, die für mich Erfahrungssinn hat im Gesamtbestand der
15 für mich erfahrbaren Welt, konstituiert.
Ich kann überhaupt sagen: Vom ersten Ich-bin und „Ich übe
Epoche” aus eröffnet sich ein offen endloses Reich des m ir
E i g e n e n , und dieses Reich ist das Universum des für mich i m
ersten und e ig e n tlic h s te n Sinn W ah rg en o m m en e n
20 und Wahrnehmbaren, in weiterer Folge, des durch ursprüng
liche Abwandlungen m e i n e r W a h r n e h m u n g e n m i r Zu
g ä n g l i c h e n . 12 Ich selbst, meine strömende Gegenwart mit all
ihren Beständen ist wahrnehmungsmässig, und zwar transzen
dental gegeben, also transzendental beurteilbar. Ebenso ist die
25 in ihr sich in gegenwärtigen Wiedererinnerungen und vor allem
in Tätigkeiten der Wiedererinnerung für mich konstituierende
offen endlose Vergangenheit hieher gehörig, es sind eben ur
sprüngliche Abwandlungen meiner wirklichen und möglichen
Wahrnehmungen usw. In gewisser Weise kann ich diese ur-
30 sprünglichen Abwandlungen als Bereich möglicher und evident
rechtmässiger transzendentaler Setzungen im erweiterten Sinn
Wahrnehmungen nennen, Wahrnehmungen meiner transzenden
talen Vergangenheit, meiner transzendentalen Zukunft (obschon
1 Das „zunächst” besagt nicht zeitlich zuerst und ohne jede Seinsgeltung von
Anderen, die erst als ein Zweites, Gesondertes hinzuträte. Wir stellen nur fest, dass
das primordiale Ich und sein original-primordiales wirkliches und mögliches Bewusst
seinsleben etc. ein Erstes ist als immerfort die Seinsgeltung der Anderen fundierend
in ihrer möglichen Einfühlungserfahrung und Bewährung.
2 Darin liegt: Wenn ich mein Sein auf das Wahrnehmungsmässige reduziere,
gewinne ich meine primordiale transzendentale Gegenwart. Vgl. S. 102 ff.
108 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
rende bin ich selbst, das transzendentale ego, und die Theorie ist
Theorie aus mir und für mich, sie hat keine „Objektivität”, keine
Adresse an eine Menschengemeinschaft, wie wenn ich als Mensch
positive Wissenschaft treibe. Als transzendentales Ich besinne
5 ich mich über mich und das mir Eigene. Ich vollziehe diese Be
sinnung und mache für mich zunächst beschreibende, der schlich
ten Selbstevidenz sich anpassende Aussagen, und das ist schon
„Theorie”, schon Wissenschaft. Ich urteile und begründe diese
Urteile als evidente Wahrheiten — Wahrheiten von mir heraus-
10 gestellt und für mich, und nur mein Eigenes betreffend. Diese
transzendentale E g o l o g i e ist die an sich erste Phänomenolo
gie, sie ist bewusst „solipsistisch”, aber sie erweist sich als das
fundamentale Gebiet der Phänomenologie überhaupt, der sehr
viel weiter reichenden, der schliesslich alle im echten Sinn so zu
15 nennende Philosophie umspannenden.
Eine Erweiterung der egologischen Phänomenologie wäre
offenbar dann denkbar und notwendig, wenn ich, das Ich der
Epoche, mich im Fortgang davon überzeugen könnte, dass bei
der transzendentalen Reduktion des anderen Menschen sein
20 Ich und das ihm Eigene transzendental ebenso für mich notwen
dig geltend und ausweisbar setzbar ist wie in der transzendenta
len Reduktion meines eigenen menschlichen Daseins mein eige
nes seelisches Sein und Leben, nämlich in der Reduktion dessel
ben auf mein transzendentales ego und mein transzendentales
25 Sein, worin dann mein Leib sich in ein transzendentales Phäno
men in mir verwandelt. Insbesondere, wenn sich zeigen würde,
dass die transzendentale Betrachtung der Vergegenwärtigungen,
in denen fremdes Ich und Ichleben zur Erfahrung kommt, in
Hinsicht auf das Setzbare gleichzustellen ist wie die transzen-
30 dentale Betrachtung der Wiedererinnerungen und ähnlicher Ver
gegenwärtigungen, in denen ich mich in meiner strömenden Ge
genwart auf mein nichtgegenwärtiges Sein erfahrend zurück
beziehe.1 Es würde dann die Rede sein müssen vom transzen
dentalen Ich gegenüber transzendentalen Anderen, in weite-
35 rer Folge die Rede sein von transzendentalen Ichgemeinschaften,
und es würden schliesslich alle Weltbestände, die in ihrem natür-
1 Die transzendentale Reduktion der Einfühlung ist also nicht wirklich durch
geführt worden.
I IO VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
1 Da Welt für mich den intersubjektiven Sinn hat, so muss das Weltphänomen
notwendig auf die transzendentale Geltung der Anderen im Monadenall zurück
führen.
N r. 8
selbst betreffen, ich kann mich über mich nach Seele und Leib
täuschen, und sie können mich belehren. Aber über mein Sein
im letzten Sinn, mein transzendentales, können sie mich nicht
belehren, das geht dem Sein der für mich seienden Welt voraus
5 und geht auch voraus dem Sein oder Nichtsein der Anderen, die
ich erfahre. Das Ausser-Spiel-setzen der Welt kann nicht mich
ausser Spiel setzen. In jenem Ausser-Spiel-setzen liegt das Ausser-
Spiel-setzen der bestimmten Anderen und der Bewusstseinswei
sen der Anderen als mir geltende Inhalte für Weltsein, oder das
10 Ausser-Spiel-setzen anderer Ichsubjekte als für meine inhaltlich
bestimmte Welt mitkonstituierende ist mitvollzogen durch die
Epoche.1
Wenn ich aber echte Epoche, die der universalen Weltapper
zeption als Boden aller einzelnen Thematik, durchführe, besagt
15 das dann auch das Ausser-Spiel-setzen der Anderen überhaupt?
Wenn ich die Anderen ebenfalls als Träger einer Weltapperzep
tion — der vor aller Bestimmtheit vorgegebenen Welt — erkenne
und wenn ich die Weltapperzeption der Anderen, in die sich alle
Sonderapperzeptionen derselben eintragen12 (so wie bei mir, ich
20 apperzipiere sie ja als meinesgleichen), für mich ausser Geltung
setze, so wandle ich sie doch in transzendentale Subjekte, d.h.,
diese Epoche hebt die Bewusstseinsweisen der Anderen und sie
selbst nicht auf, sondern lässt sie als dasjenige Leben der Anderen
bestehen, als in welchem für sie und für mich mit Welt ist. Für
25 mich sind sie transzendentale Subjekte, die eines transzendenta
len Lebens, nur dass sie nicht in sich selbst durch die Methode
der transzendentalen Reduktion ihrer selbst als solcher Subjekte
innegeworden sind. Dass für sie die Möglichkeit besteht, es zu
tun, das erkenne ich übrigens leicht in meiner Sphäre. Aber wie
30 steht es mit dem Für-mich-sein der transzendentalen Anderen,
die doch bei dem notwendigen Ausgang von der natürlichen Ein
stellung zunächst als meine Menschengenossen auf treten? Wie
1 Heisst „Welt ausser Spiel setzen” soviel wie, alles, was ich einzelweise als Welt
liches in Gewissheit habe, was ich in meinen Realitätserfahrungen erfahre und be
währe etc., ausser Spiel setzen? Dann sagte die Reduktion: Alles v o n d e r W e l t
kann ich inhibieren, nur nicht meine Meinungen, meine Erfahrungen, meine Akte,
durch die ich Welt als diese so bestimmte Welt habe. All meine Geltungen von der
Welt, die mannigfaltigen bestimmenden Inhaltsgeltungen sind eingeklammert, aber
die Welt? Sie ist nur inhaltlich-universal in Frage gesetzt.
2 Das Folgende bis zum Ende des Absatzes mit Bleistift gestrichen. — Anm.
d. Hrsg.
114 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
BEILAGE V
<PSYCHOLOGISCHE UND TRANSZENDENTALE
EINFÜHLUNG >
15 <Anfang dreissiger Jahre >1
ben die von mir in der Mannigfaltigkeit der in diesem Leben be
schlossenen Gegebenheitsweisen der Welt eben als die eine und
selbe Welt gemeinte war und ist und voraussichtlich als künftige
ist, ist in fundierender Stufe oder Schichte universale intersub-
5 jektive Erfahrungswelt; aber diese Schichte geltender Welt ist
selbst fundiert in dem, was von ihr in meine eigene universale
Erfahrung fällt. Das führt also zurück auf meine vermeinte
Welt als wie sie meine Erfahrungswelt oder, wie wir auch
sagen können, die Welt meiner Wahrnehmungen, meiner
10 gegenwärtigen Wahrnehmungen, meiner vergangenen und künf
tigen Wahrnehmungen ist. Ich habe also eine gewisse reduk
tive Epoche zu vollziehen, ich reduziere die mir konkret gel
tende Welt, die eine meines ganzen überschaubaren transzen
dentalen Lebens, abstraktiv auf meine Wahrnehmungswelt, was
15 ich von der Welt, der durch mein Leben hindurch bei allem Wech
sel der Erfahrungen und Meinungen von ihr einen und selben,
wirklich wahrgenommen <habe>.
Ich werde wohl voraus mein transzendentales Selbstsein in
einer ersten grundlegenden Weise schon ausgelegt haben, wie
20 das notwendig ist. Ich bin in der Epoche zwar Subjekt für die
Welt, aber auch Subjekt für mich, der ich Bewusstseinssubjekt
für die Welt bin, und mich selbst als transzendental Setzbares
erforsche ich zuerst insoweit, dass ich die vermeinte Welt noch
ausser näherer Untersuchung belasse und mich in meiner allge-
25 meinsten Struktur auslege als identisches Ich eines Bewusst
seinslebens, in Positionen, die teils und in einer universalen (all-
heitlichen) Geschlossenheit Welt zur Setzung bringen, und als
nun ja transzendentales Ich auch transzendental-immanente
Setzungen; dass ich, mich transzendental auslegend, mein im-
30 manentes Leben als immanent zeitliches finde oder vielmehr sich
zeitigendes; dass ich bin in Form einer strömend lebendigen Ge
genwart, in welcher sich durch gegenwärtige Erinnerungen Ver
gangenheit, vergangene Gegenwart zeitigt usw. Ich bin für mich
ganz ursprünglich als selbstwahrnehmendes (selbstgegenwärti-
35 gendes), ich kann mich selbst aktuell kennenlernen, weil ich
schon passiv in originaler Selbstgegenwärtigung bin und von da
affiziert auf mich aktuell hinsehen und mich in meinen originalen
Eigenheiten erfassen kann etc.
Es ist dann im Übergang zu den „transzendenten”, den weit-
TEXT NR. 9 121
1 Ich beschreibe die „Erscheinungsweisen” vom Selben und die Synthesis der Ein
stimmigkeit, worin es den Charakter des Fortgeltenden, fort sich bestätigenden
Selben hat.
128 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
Die Sache wird zunächst nicht anders, wenn ich auf das pri
mordial Reduzierte mich zurückziehe. Wenn ich nämhch die
darüber hinausgehende Weltgeltung ungeschoren lasse, dann ist
20 es das, was ich von der Welt selbst zu Gesicht bekomme, z.B.
visuell diesen grünen Lampenschirm als wie ich ihn wirklich
sehe, grün, in Form einer kugligen Schalotte, oder wie ich ihn
tastend erfahre als glatt usw.
Aber hier muss man vorsichtig sein und sich vor einem Miss-
25 Verständnis unseres Begriffs vom Primordialen hüten. Er befasst
nicht das, was ich von dem Ding wirklich wahrnehme und was
sonach als Wahrgenommenes immer als dem Ding Zugehöriges
gilt, seine Farbe, Form usw. und sonstige jetzt nicht eigentlich
30 wahrgenommene, aber mitgemeinte und als wahrnehmbar mit-
herausgehobene Eigenschaften des Dinges. Vielmehr ist die
primordiale Reduktion, statt einer „Abstraktion”, einer Ein
schränkung des beschreibenden und heraushebenden Blickes
auf das wirklich Wahrgenommene von dem Ding und so von dem
35 sonstigen als Welt Geltenden, eine wirkliche Epoche hinsicht
lich der Mitgeltungen unter dem Gesichtspunkt der Analyse
der Geltungsfundierungen, die eo ipso Fundierungen des welt
lichen Seins (Für-mich-seins) in vorangehenden Für-mich-Seien-
130 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
BEILAGE VI
<DIE PHÄNOMENOLOGISCHE EPOCHE. DAS MIR SELBST
20 ZUGEHÖRIGE UND DAS TRANSZENDENTE >
<wohl Dezember 1930>
1 Der Gang der konstitutiven Aufklärung, wie ich da beschreibe, bedarf grösserer
Genauigkeit hinsichtlich der Raumzeitigung der Anderen als verharrender, als fort
schreitend erfahrbarer und fortschreitend als meinesgleichen verstehbarer, und korre
lativ der Raumzeitigung der identischen, also in ihrer Weise verharrenden Welt als
ebenso durchgängig verständlicher, <von> gleicher Erfahrbarkeit für alle diese An
deren eben als meinesgleichen. Darin liegt beschlossen, dass, was aus eines jeden
In-die-Welt-leben in geistiger Bedeutung erwachsen ist, für einen jeden als das ver
stehbar ist, dass diese Gemeinwelt also homogen ist in ihrer Relativität auf dieses
Subjektall.
Ein ausdrücklich hervorzuhebendes und zu behandelndes Moment in der Konstitu
tion ist die Konstitution eines verharrenden „Wir” derart, dass die Einzelpersonen
dieses Wir füreinander erfahrbar, erreichbar sind und sich innerhalb einer gemein
samen aktuell erfahrbaren Weltsphäre halten, die für sie zur gemeinsamen, verharren
den Lebenssphäre, Lebensumwelt wird, sie selbst zugleich als Objekte befassend.
Das konstitutive Problem ist also das der konkreten personalen Umwelt als endliches
Interessenfeld der Personen als Subjekten von Interessen.
138 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES" 1930-1931
1 Also dauernd füreinander dasein als verbundenes Wir, in derselben Nab weit
als praktisches Feld in Interessenverflechtung leben, miteinander und gegeneinander
in die Welt als aktuelle Lebensumwelt leben. Ein Besonderes ist also die Konstitution
einer praktischen Lebensumwelt und ihr Wir.
2 Die Konstitution einer verharrenden Mitmenschlichkeit, allgemeinen Gesell
schaftlichkeit in korrelativer Bezogenheit zu einer praktischen Umwelt, kann ab
strakt schon vor der Generation behandelt werden, und so liegt vermöge der Art der
Zeitigung dieser praktischen Umwelt als personal bedeutsamer schon eine abstrakte
Historizität darin beschlossen. Wird die Generation ins Spiel gesetzt, so ist dieser
Fortschritt in der Konkretion auch eine Konkretisierung der bleibenden Mitmensch
lichkeiten, Mutter bzw. Eltern und Kind etc., und zugleich haben wir eine konkreter,
generativ geformte Zeitigung und historische Umwelt.
TEXT NR. 10 139
BEILAGE VII
25 NORMALITÄT IM REICH DER PERSONALEN WELT (SITTE ETC.)
(Juli-August 1930)
für ihn, sondern ein Seinsollen und ein Sein aus dem Lebenswillen ge
mäss dem Sollen. Das Leben in seiner Lebensform wird bejaht, und
obschon nicht an die Form gedacht ist, wird das einzelne gebilligt,
bejaht in seiner Form, tun seiner Form willen. Das Kind wird in die
5 Form der Tradition hineinerzogen, und auch weiter wird das Über
schreiten der Form durch den „Egoismus” der einzelnen missbilligt
und geahndet, und die Ahndungsweise ist selbst zur Form gehörig. Die
normale Form ist das, worauf man rechnet (wie auf die normale Form
der Natur) in ihrer umweltlichen Gegebenheitsweise, aber sie ist Form
10 aus dem Willen. Sie ist und soll sein, und es war immer schon gesollt
' und lag als das im Willen der Väter und Altvorderen. Und das gehört
zu ihrem Sollens-und Willenssinn. Es soll jetzt so sein, weil es immer
so war, weil man in dieser Norm lebte. Diese Norm, soweit sie einen
unbestimmt offenen Horizont hat als Form, wird näher bestimmt
15 durch Befragen der Ältesten, wie es in solchen Fällen früher war.
Dies ist der Rahmen der menschlich gemeinschaftlichen Normalität
und der Rahmen des im weitesten Sinne „Sittlichen”, des xodBjxov.
In ihm halten sich auch die Typen des normalen, schicklichen perso
nalen Lebens, die Berufsziele und die beruflichen Lebensformen usw.
20 Eine korrelative Normalität, nämlich als Korrelat des schicklichen
personalen Lebens, ist die schickliche Form der gemeinschaftlichen
Umwelt, ihre in der Form des Traditionellen und als das Schickliche
von den einzelnen und zum Teil in Gemeinschaftsleistung gestaltete
Umwelt; die Bauform der Häuser, der Wohnhäuser, der Ställe etc.,
25 die Bauform der „Gemeinden” und darin Stellung und Form der „Ge-
meinde”-häuser, der Kultstätten usw. Im Leben, dem in den Nor
malformen verlaufenden Leben der Personen und der „Gemeinden”
und Gemeinden höherer Ordnung, spielt die Besinnung ihre selbst zur
Form gehörige Rolle: Besinnung über das Schickliche, mittelbar in
30 Konnex mit der Befragung der Ältesten.
Dabei aber ist die traditionelle Sitte oder Schicklichkeit in manchen
Bestandstücken bekannt als ein historisch Gewordenes; gewisse Ge
bräuche sind aus einem bestimmten Anlass in der Vergangenheit ge
stiftet worden.
35 Ichliche Individualform „unsere Welt” und das Kathekon
Beschreibung des normalen Stiles der menschlichen Umwelt, der
Welt als Welt der Erfahrung, der normalen Natur (mit ihren normalen
Regelmässigkeiten, sozusagen ihren Gewohnheiten), ebenso die nor
male personale und die Kulturwelt, Kultursachenwelt als Sachenwelt,
40 in der „man" lebt, die Welt der Mittel- und Zweckobjekte in dem Stile
des Üblichen, in der allgemeinen Form des „sittlichen” Sollens. Sie ist
ein wesentliches Stück der menschlichen Individualform „unsere”
Welt und ihrer Formgliederungen, Formstufen.
Die Menschenwelt als Personen,,weit”, als vergemeinschaftete Per-
45 sonalität oder als die Vielheit von Personen, die personal lebend mit-
BEILAGE VII 145
<Inhalt: > Vorgegebene Welt und Welt der Normalen mit Ano
malen. Die Modi der Anomalität. Mensch — Tier — Wahnsinnige.
10 Personale Anomalität etc. Welt der Tiere, der Primitiven, der
Wahnsinnigen und Welt schlechthin — unsere Welt.
Das Ich als Subjekt der Intentionalität. Das wache Ich. Die
Intentionalität im Modus der Passivität und in dem der Aktion.
„Passivität” : Instinkt und Assoziation. Aktivität des wachen Ich
15 in wachem Selbstbewusstsein strebend durch seine Ichakte hin
durch. Das Ich als spezifisches Subjekt der instinktiven Triebe
(als Triebhabitualitäten), der durch alle lebendige Gegenwart hin
durchgehenden Triebintentionalitäten; dabei als Subjekt der in
wachen Affektionen und Akten sich auslebenden und sich mit
20 ihnen neu stiftenden A k t h a b i t u a l i t ä t e n . Auszeichnung
der unmodalisierten: Triebe auf unmodalisiert verbleibende Er
werbe hin. Besondere Synthesis aller solchen Triebe. Durch das
Aktleben hindurch geht also Trieb, das Ich, das affizierte, rich
tet sich auf etwas, zielt auf etwas, erstrebt es. Akte als ,,lei-
25 stende”, das Ich als in seiner Aktivität leistend aufgrund einer
Habitualität, der gemäss es seine alten Leistungen bis auf wei
teres als bleibende, undurchstrichene Erwerbe hat, bleibende
Vermögen. Durch die assoziative Passivität vollzieht sich die
Aktualisierung der Erwerbe als Apperzeptionen. Das Leben des
30 wachen Ich als apperzipierendes, das Neue gemäss dem Alten,
in Gewissheit Gültigen auffassendes, in einem gewissen Sinn ihm
TEXT NR. 11 149
anders kann ich nicht sein; es wäre „undenkbar” für mich, es ist
eine i n v a r i a n t e S t r u k t u r , die mit dem Variierenden, Zu
fälligen, Besondernden ausgefüllt ist und irgend ausgefüllt sein
muss. Täusche ich mich über mein Sosein, so entspricht dem not-
5 wendig ein anderes innerhalb der „im voraus”, nämlich als apo
diktisch-notwendige Struktur mir zugehörigen Fülle. D ie Apo-
d i k t i z i t ä t d e s I c h - b i n l ä s s t f ü r di e B e s o n d e r u n g
d e r S t r u k t u r n i c h t s of f en, o f f e n b l e i b t nur , ob
i c h es w i r k l i c h e r k e n n e . Me i n e i g e n e s S e i n i s t
10 „ d e f i n i t ” ; jede mich selbst betreffende, aus meiner eigenen
Erfahrung mich auslegende Aussage ist entweder wahr oder
falsch: sie ist „im voraus” entschieden.
W ie w e i t r e i c h t n u n d i e d e f i n i t e S t r u k t u r , di e
v o n d e r A p o d i k t i z i t ä t u m s c h l o s s e n e ? G e h ö r t da-
15 zu n i c h t m e i n S e i n al s S u b j e k t f ü r e i n e Wel t ,
g e h t das n i c h t in alle Se l bs t Va r i a t i o n e n mei nes
I ch, s o f e r n si e r e i n e E r d e n k l i c h k e i t e n si nd, al s
W e s e n s a l l g e m e i n e s ein? U n d b e s c h l i e s s t d a s n i c h t
di e G e m e i n s c h a f t d e r t r a n s z e n d e n t a l e n S u b j e k t e
20 al s e i n e g e m e i n s a m e W e l t k o n s t i t u i e r e n d e ?
Aber wie das? Kann ich mich nicht so abgewandelt denken
bzw. meine Welt, dass sie die O b j e k t i v i t ä t f ü r a l l e v e r
l i e r t, ja, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich alleErfahrungs-
präsumptionen auflösen und nicht einmal eine reduzierte Welt
25 für mich wäre?1 <Ist es> nicht denkbar, dass mein Leib und die
Dinge für mich ihre Seinsgeltung verlieren, dass in meinen im
manenten Sinnesfeldern jede Abhebung, jede Konstitution für
sich identifizierbarer Sinnesdaten aufhörte, daher aufhörte jeder
Reiz für mein aktives Ich? — Oder kann ich mich nicht so um-
30 denken, dass ich von vornherein keine Empfindungsfelder hätte
mit abgesetzten Daten? Wie könnte ohne Daten ein Ichleben
vonstatten gehen in seinen Affektionen und Aktionen? Sind aber
Empfindungsdaten notwendig, warum müssten sie so verlaufen,
und in eins mit Kinästhesen verlaufen, dass sich objektive Ap-
35 perzeptionen bilden könnten?
Es scheint also, ich könnte w e l t l o s sein! Aber ist das Leben
1 Mich und meine Welt, das Faktum, frei variierend umdenken — das Problem
der Weltverniehtung (Ideen).
152 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
ein Feld, das ich beliebig umdenken kann? Ist es nicht Leben des
Ich? Bin ich denkbar als Ich, der ich nie wach werden könnte,
der nie affiziert sein, nie zu Akten kommen, nie zu bleibenden
Leistungen usw. <kommen könnte»? Ist Schlaf und Bewusstlo-
5 sigkeit nicht Möglichkeit des wachen Ich und ohne ein waches
Ich, das von der Wachheit aus in Schlaf übergeht und erwachend
Schlaf versteht, denkbar? Und ist ein „leeres” Gesichtsfeld oder
Tastfeld und dergleichen vielleicht nur denkbar als Abwand
lung eines mit Daten besetzten und von seiten eines Ich, das
10 schon in irgendeinem, wenn auch beschränkten Sinn Welt hat,
und eine ganz willkürliche Abwandlung aller Felder zumal und
erstreckt auf das ganze Leben überhaupt durch die Struktur eines
Ichlebens (und Leben in diesem Sinne ist ohne Ich überhaupt un
denkbar) ausgeschlossen? 1
15 Es hängt viel an der Methode der Konstruktion evidenter
Möglichkeiten des verschiedenen Sinnes und der Sinnesvoraus
setzungen, und so leicht darf man nicht evidente, aber beschränkte
Möglichkeiten in evidente universale verwandeln wollen. Ander
seits ist es sehr schwer, die Evidenz, die Selbstgegebenheit des
20 Ich als Subjekt der Vermögen, der Habitualitäten, der bleiben
den Erwerbe, der bleibenden Apperzeptionstypen, in denen
Weltliches gegeben ist, der bleibenden Instinkte, die „angebo
ren” sind und die aller möglichen Genesis schon vorhergehen,
zum phänomenologischen Thema zu machen.
25 Es ist ein grosses Problem, zunächst vom Faktum „ich bin
Subjekt meiner Erfahrungswelt” diese in ihrer Vorgegebenheit
durch wirkliche und mögliche Erfahrung systematisch auszu
legen und zu beachten, dass zu ihrer Auslegung gehört, dass die
ihr zugehörigen „Seelen”, personalen Subjekte in der Konkretion
30 ihres seelischen Daseins, dann notwendig mit auszulegen seien
nach ihrer invarianten Struktur, vermöge deren es Subjekte
sind, die psychologisch-intentional auf die Welt bezogen sind, in
der sie sind.
Wird das t r a n s z e n d e n t a l g e w e n d e t , so geht für mich
35 als transzendentales Subjekt, das sich in der Welt als Menschen
findet, mit ein in das transzendentale ego die ganze innerseelische
1 Das „in der Regel”, „gewöhnlich”, „immer, mit einzelnen Ausnahmen, wirk
lichen und bekannten oder eventuellen”, ist eine der logischen Formen, die des em
pirischen Überhaupt.
158 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
1 Nicht Rücksicht genommen ist auf die Z e i t — oben erwogen ist nur Gegenwart
—, Gegenwart, die Urmodalität ist für die Zeitmodalitäten. Und da die fundamen
tale Scheidung: Der Mensch weiss sich als Person seines personalen generativen —
historischen — Zeitzusammenhanges, in dem seiner Menschheit, und diese als in der
realen Welt mit der Naturzeit lebend derart, dass die Personen zugleich als psycho
physische Menschen und die Menschheit als psychophysische Menschheit zur Realitä
tenwelt gehören. In dieser doppelsinnigen Welt die Tiere, die keine generative, histori
sche Welt haben, damit aber auch keine reale Welt haben und im eigentlichen Sinne
keine Zeit, keinen Raum, kein Universum von Realien mit ontischer Struktur; der
gleichen ist für sie nicht konstituiert, sondern für uns.
TEXT NR. 11 161
1 Freilich nicht aktueller Vermögen als aktuelles Können, sondern als eine „ideale”
Möglichkeit, solches Können ausbilden zu können; eine Möglichkeit, die doch nicht
nichts besagend ist.
162 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
Mitträger der ihren. Das heisst, wir tragen dann alle dazu bei,
aber sie ist mit allen diesen von mir nachverstandenen und mit
eigener Geltung aufgenommenen Beiträgen dann ganz und gar
auch meine und so jedes einzelnen Logik oder Phänomenologie,
5 eventuell mit einem Horizont von noch unbekannten, nachzu
verstehenden und zu prüfenden Beiträgen.1
Meine transzendental-logischen Einsichten gelten immerzu,
wesensmässig für alle Andern, sofern sie von vornherein als mei
nesgleichen erfahren oder präsumiert sind. Aber „andere" Sub-
10 jekte (und auch transzendental-monadisch verstanden) sind doch
auch die „Wahnsinnigen" und Tiere, beides in mannigfaltiger
Wesenstypik. Intentionale Modifikationen meiner selbst sind
a l l e durch „einfühlende” Erfahrung mir zugänglichen Wesen.
A b e r n i c h t a l l e si nd, t r a n s z e n d e n t a l r e d u z i e r t ,
15 M i t t r ä g e r d e r W e l t , die ich als die meine vorgegeben habe
und die „wir” vorgegeben haben, „wir” verstanden als die offene
Vielheit eben von Mitträgern, dieselbe Welt miteinander in Ge
meinschaft konstituierend (keineswegs die Tiere und die wahn
sinnigen „Menschen”, ob schon auch sie von uns erfahren sind als
20 auf die Welt, die eine und selbe „wirkliche” Welt, in ihrem Innen
leben bezogen).
Wir Menschen-Monaden, wir alle, mitkonstituierende Sub
jekte, Mitträger unserer Welt, Miterfahrende, Mitdenkende,
nicht jeder überhaupt, sondern in der Weise einer gewissen Har-
25 monie, die jedem Mitträger bewusst, und zwar erfahrbar wird als
nicht nur dieselben Erfahrungs- und Denkergebnisse liefernd,
sondern als wechselseitig dasselbe, dieselben Gegenstände in Er
gänzungen bestimmend, in einer Geltung, die sich durch Über
nahme von Subjekt zu Subjekt fortpflanzen muss. So sind wir
30 auch Mitträger der Wertewelt und praktischen Welt, die für
uns alle da ist; wir sind eventuell zusammen, füreinander, m it
einander handelnd an denselben Zwecken, in deren Sinn wir
übereinstimmen, obschon wir uns auch darin schon besinnlich
ergänzen, in deren Verwirklichung z.B. als Werk ein Gemeinsa-
35 mes entspringt, das für uns Mithandelnde denselben Sinn, die
selbe Sollensgeltung hat. Und als Aussenstehende verstehen wir
das Werk in Beziehung auf dessen spezielle praktische Träger in
gründbarer Form in mir, sofern mir die Andern nicht nur gelten
als mitseiende Subjekte, sondern auch ihre Geltung, und zwar
die ihnen geltende „Welt”, in Mitgeltung von mir her auch für
mich eben Geltung ist, und wie alle meine Geltung im Zusam-
5 menhang der mir schon eigenen Geltungen (des für mich schon
Seienden) eventuell der Modalisierung unterliegt und bleibende
Geltung nur ist, solange der universale Zusammenhang derselben
seine Einstimmigkeit erhält.
Nun liegt es aber an der Sinngebung meiner Fremderfahrung,
10 dass der Andere in der Art als meinesgleichen apperzipiert ist,
dass er umgekehrt auch in Geltung ist als mit mir in Verständi
gungsgemeinschaft von sich aus. Indem ich ihn als seiend und
mich verstehend in aktueller Geltung habe und er aktuell mich,
kann ich mich an ihn wenden und verstehen, dass er, meines-
15 gleichen, sich an mich wenden kann und es eventuell tut. Ich
kann mich antwortend verhalten, und es kann ein Verkehr von
Person mit Person und Gemeinschaft im prägnanten Sinne sozi
aler Verbundenheit in Aktion und Wideraktion werden.
Das alles finde ich nun schon vor als immer schon mit da und
20 immerfort sich umbildend und neubildend, als mitzugehörig zur
Welt, die die meine ist und die in allem und jedem, was hier ge
sagt ist und gesagt werden kann, eo ipso von mir verstanden ist
als dieselbe Welt der für mich seienden und in diesen Weisen mit
mir „in Beziehung” tretenden Andern, der bekannten und unbe-
25 kannten, der Anderen in offener Endlosigkeit raumweltlicher
Verteilung, für mich vorweg seiend als Subjekte, mit denen ich
dieselbe Welt gemein habe, in der wir alle leben, und so, dass
diese Welt für alle aus der Vergemeinschaftung für uns alle Sinn
erhalten hat und Sinn erhält.1
30 Diese von mir aus in meinem Leben und für mich zur Geltung
gekommenen Menschen, zur Geltung gekommen als mitfungie
rend für die Konstitution des Seinssinnes Welt in der ganzen
Fülle seiner mir und uns bekannten und unbekannten Konkre
tion, zur Geltung gekommen in einem Wort als W e l t g e l t u n g s-
35 g e m e i n s c h a f t , die für mich und für alle Andern die eine und
selbe Welt des Jedermann konstituiert, diese „wir Menschen”
sind offenbar die „normalen Menschen”. D ie A u s z e i c h -
1 Aber weiter: Ich finde schon vor mich als personales Glied meines „Volkes",
meiner Menschheit als universaler Heimmenschheit.
166 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
n u n g , d i e im W i r u n d J e d e r m a n n s t e c k t , i s t di e
N o r m a l i t ä t , die aber als solche sich erst abhebt durch das
Mitvorkommnis des Anomalen. Oder vielmehr, von dem Norma
len als an sich Erstem hebt das Anomale sich ab und tritt auf als
5 intentionale Modifikation des Normalen. Dieses seinerseits wird
in der weiterreichenden Sphäre der einfühlungsmässig als psy
chische Wesen, als abgewandeltes Menschentum Verstandenen
zu einer ausgezeichneten Klasse von solchen Wesen, der Men
schen im vollen und eigentlichen Sinne, der vollgereiften und
10 voll „vernünftigen” Menschen, derjenigen, die Korrelate der wirk
lich seienden Welt sind.
Die anderen psychischen Wesen „beziehen” sich zwar (inten
tional) auf dieselbe Welt, aber als meine Abwandlungen. Sie
sind als das „in ,der’ wirklichen Welt”. Unsere Welt konstituie-
15 rende Gemeinerfahrung (unsere, der vollen Menschen) findet sie
darin vor, aber auch, soweit das Nachverstehen reicht, als „ihre
eigene ,Welt’” habend, wenn sie überhaupt einstimmiges Er
fahren vollziehen können, eine „Welt”, die wir als „Erscheinungs
weise” (Bewusstseinsweise) der wirklichen Welt für sie anspre-
20 chen, eben als intentionale Modifikation, aber keineswegs als
eine derjenigen „Erscheinungsweisen”, die das Sein der Welt
selbst ursprünglich mitbegründen, die zur Ursprünglichkeit der
Erfahrung als Ausweisung derselben mithelfen können.
Die Welt muss für mich schon sein, sie muss schon den Seins-
25 sinn Welt haben, damit die in meinen Erfahrungshorizont ein
tretenden oder vorweg auftretenden Tiere oder gar Wahnsinni
gen als Subjekte verstanden werden können, welche die Welt in
anomaler Weise erfahren; und damit eventuell die Tiere verstan
den werden können als in sich und im Verkehr mit ihresgleichen
30 eine eigene zusammenstimmende Erfahrungswelt habend, die
doch nicht eine Welt neben „unserer” Welt ist, sondern ihre
Erscheinungsweise von „der” Welt, eine intentionale Modifika
tion von der Welt, die wir Menschen haben. Die unsere kann
durch sie nicht korrigiert werden, sie ist keine scheinhafte oder
35 erscheinungsmässige, die in S t r e i t mit der unseren, bzw. unse
ren Welterscheinungsweisen, treten kann, da sie eben nicht mit
konstituierend ist und sein kann für das, was wir Welt nennen.
Welt schlechthin, wirkliche Welt, ist das ausschliessliche Korre
lat von uns Menschen als Einheit unserer menschlichen und darin
TEXT NR. 11 167
1 Aber das Eigentümliche einer Menschheit, einer Welt, konkret einer Kulturwelt,
einer Welt v o n Personen und a u s Personen sich gestaltend, ist gerade noch nicht
aufgeklärt! Kettenweise Kommunikation würde keine Tradition geben, welche
Tradition für alle wäre, Gemeinsamkeit der geistigen Erwerbe als für alle zugänglich,
für alle schon horizonthaft vorgezeichnet als „die wirkliche Welt”. Es fehlt: H e i m -
w e i t — fremde Heimwelten, die nicht uns, sondern ihnen gelten. Von da der Weg
zu einer Relativierung, aber auch das Problem einer neuen Welt für alle — alle
„Menschheiten”. Eventuell als Problem die Leistung der Methode für eine unbedingt
objektive Wissenschaft, zunächst exakte Naturwissenschaft, und Problem objek
tiver Geisteswissenschaft.
2 Schon vor der Konstitution der Idee einer unbedingt objektiven Wissenschaft
bzw. der Relativierung meiner ersten Menschheit!
170 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
BEILAGE VIII
PROBLEM: GENERATIVITÄT — GEBURT UND TOD ALS
WESENSVORKOMMNISSE FÜR DIE WELTKONSTITUTION
<Anfang dreissiger Jahre >
5 Es muss gezeigt werden, dass Geburt und Tod als konstitutive Vor
kommnisse für die Ermöglichung der Weltkonstitution — oder als We
sensstück für eine konstituierte Welt gelten müssen, bzw. Generati-
vität mit Geburt und Tod. Im Aufbau der Leistung der Einfühlung als
Erfahrung von Andern und meiner unter Andern weise ich zunächst
10 fremde wirkliche und mögliche Erfahrung auf als eine Weise der Ver
gegenwärtigung, die Seinsgeltung hat, und eine abgewandelte gegen
über meiner primordial-originalen Erfahrung.
Solange „fremde” Erinnerung in Deckung ist mit möglicher eigener
Erinnerung, solange meine Erinnerung nur die Grenze hat des Ver-
15 gessens, mein Unvermögen der Erinnerung bloss Vergesslichkeit ist,
die zugleich Potentialität der Erinnerung des Vergessenen offen lässt,
solange ist einer Konstitution von Welt nicht Genüge getan. Das wäre
ja so, als ob Generativität, mit Geburt und Tod, ein zufälliges Welt
faktum wäre.
20 Einfühlung ergibt ursprünglich nur den Anderen, und evtl, den An
deren mit Erf ahrungen, wirklichen und möglichen, die ich teils selbst im
gleichen habe oder haben könnte, hätte haben können etc. Seine Er
innerungsvergangenheit reicht, wie ich verstehen kann, weiter, aber
indem ich nachverstehe, hat sie für mich einen Sinn, der nicht aus-
25 schliesst, dass die Erinnerungen für mich mögliche sind oder waren. So
auch das künftige wirkliche und mögliche Eintreten von Anderen in
meinen Erfahrungskreis; es sind Andere, die ich erfahren werde oder
erfahren könnte: Mein „menschliches” Sein unter Menschen ist mein
voraussichtliches und gewisses Seinwerden mit ihnen als Anderen zu-
30 sammen. Nun tritt aber in die Erfahrung dieser Stufe neu ein als sinn
bildend für Menschen und Welt der T od und die Geburt . Die Zu
kunftsgewissheit vom eigenen Sein als weltlebender Mensch unter
Menschen und vom Sein eines jeden Anderen bekommt eine unüber-
schreitbare Grenze und ebenso korrelativ die Erinnerungsgewissheit
35 vom menschlichen Vergangensein und Menschen in Weltleben.
Aber mm gilt es, Welt und Geburt und Tod (also Generativität)
ernstlich in Wesensbeziehung <zu> setzen, aufzuzeigen, wiefern das
Heimmenschheit. Welt ist so vorgegeben, dass sie jeweils Seinssinn hat als Welt
meiner, „unserer Menschheit”, die in ihr selbst real ist. Vorweg bin ich und jedermann
im Horizont der Menschheit und alles Reale im Horizont der realen Welt. Dieser
Horizont ist Korrelat des Horizontes meiner Menschheit, zunächst meiner Heim
menschheit, dann Übernation und irdischen Menschheit, offen, aber im Leben ist
nach der menschheitlichen Einstellung „verschiedene Wir” und „seiende Welt"
verschieden.
172 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
nicht ein Faktum ist, inwiefern eine Welt und Menschen ohne Geburt
und Tod undenkbar sind.
BEILAGE IX
WICHTIGE BETRACHTUNG ÜBER KONSTITUTIVE GENESIS.
5 <WESENTLICH VERSCHIEDENE BEGRIFFE VON EINFÜHLUNG >
<wohl Anfang 1931 >1
BEILAGE X
<WELT UND WIR. MENSCHLICHE UND TIERISCHE
UMW ELT>1
(1934)
1 Fortführung, Vertiefung der Probleme des Textes Nr. 11. Auch als Vertiefung
der Lehre von der Zeitigung von Welt, die eben nur Menschenwelt ist und als das
Sinn hat. Alles wichtig.
2 „Wissenschaft” zunächst in meiner Heimmenschheit ohne Rücksicht auf die
fremden Menschheiten; sie mögen wie Wahnsinnige oder Dumme, Verrückte, Ano
male angesehen werden und ausser Betracht bleiben.
BEILAGE X 175
keiten, für Wahl usw. Zugehörig ein Sich-besinnen auf Sein und Nicht
sein und auf Behebung der Modalitäten der Seinsgewissheiten, also ein
doxisches Leben im Dienst der jeweiligen Praxis, soweit sie es erfor
dert. Hier tritt das „es ist wahr” als „es ist wirklich so”, „es ist falsch”,
5 „es ist nur Schein”, „es ist nicht so”, „es ist möglich”, „es ist unmög
lich” usw. auf — aber nicht im theoretischen Sinn.
Schon das praktische Leben im gewöhnlichen Sinne, der die theore
tische Praxis ausschliesst, hat seine Wahrheit, hat als Korrelat das,
was an und für sich wirklich ist gegenüber den wechselnden Meinun-
10 gen, gegenüber den selbst bei wahrnehmungsmässiger Gegebenheit
(oder wiedererinnerungsmässiger) möglichen und oft eintretenden
Wechseln der Auffassung, der subjektiven Meinung.
Das theoretische An-sich, das Korrelat der theoretisch-prädikativen
Wahrheit, ist eine gewisse Steigerung der ausser- und vortheoretischen
15 Wahrheit. Diese entspringt aus einem theoretischen Interesse, als
Interesse rein am Sein und Sosein, und zwar nicht am vereinzelten,
sondern totalen; für ein einzelnes Reales an der vollen und ganzen,
also vollständigen Erkenntnis des gesamten Soseins dieses einzelnen
oder alsbald dieses Typus, zunächst in seinen inneren Bestimmungen,
20 dann weiter auch seiner realen Relationen, die also anderes Reales und
die von diesem her bedingten relativen Bestimmungen betreffen, und
so unbeschränkt sich ausbreitend über die Welt. Oder es ist Interesse,
das unpraktisch von vornherein auf die ganze Umwelt geht, ins Un
begrenzte, sich verhaftend an der Allheit der Typen von Seienden, an
25 den universalen Formen, die diese Typik, bzw. die Allheit der in ihr
sich immer wieder darbietenden einzelnen Realitäten und Gruppen,
typischen Konfigurationen usw. betreffen. Von Allgemeinheit in kon
kreten Besonderungen sich fortpflanzend und dann wieder das indivi
duell einzelne, das jeweils neu in die Betrachtung tritt, auf Grund der
30 schon erworbenen allgemeinen Erkenntnis näher bestimmend, in seine
individuellen Besonderungen hinein. Andererseits Überwindung der
Relativität der Meinungen, auch der'erfahrenden, und vor allem der
erfahrenden, als der bewährenden, durch Methoden der Beobachtung,
sowie die Erschliessung der jeweils unzugänglichen Femen durch In-
35 duktion und ihre methodischen Weisen der Bewährung, um gesicherte
Gewissheiten oder mindestens Wahrscheinlichkeiten zu erzielen. In
sprachlicher Hinsicht; Ausbildung von theoretischer Sprache, die
nicht bloss der Mitteilung dient, sondern auch der Sicherung objektiv
für jedermann zugänglicher, von jedermann nachprüfbarer Erwerbe,
40 in nachprüfbarer Methode, die selbst sprachlich dokumentiert und ge
sichert ist.
Das alles als Wissenschaft, Theorie der Welt oder von Weltgebieten.
Wissenschaft im ersten Sinne, korrelativ theoretisches Interesse, Wahr
heit, wahres Sein (An-sich-sein) im ersten Sinne. Schon durch sie ge-
45 staltet sich die natürliche erste Umwelt und das menschliche Welt
leben um, sie nimmt in ihre Apperzeption das Theoretische in ver
schiedenen Stufen auf. Es ist bereit, um von jedem Wissenschaft Ler-
176 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
1 Meine Heimwelt, mein Volk. Das Universum in erster Form als Heimwelt kommt
nur zur Abhebung, wenn schon andere Heimwelten, andere Völker mit im Horizont
sind. Die Lebensumwelt im Horizont von fremden Lebensumwelten, mein Volk
umgeben von fremden Völkern.
BEILAGE X 177
der absoluten Iteration, der Unendlichkeit im prägnanten Sinne. Ihm entspricht eine
Menge, die kein für das Subjekt angebbares letztes Glied hat und somit keine „Ab
zählbarkeit” (freilich nicht im mathematischen Sinne); also eine solche natürlich
konstituierte Menschheit ist für ihre Personen eine nicht faktisch gegebene Allheit
der Bekannten, sondern eine unbestimmt zahllose Totalität.
BEILAGE X 179
als innere rein personale Verbundenheit in der Form Allheit, und wie
kontrastiert sich mit dieser To talsubjektivität für die Welt die Welt
selbst, in der zugleich alle Subjekte verleiblichte mundane Realitäten
sind, psychophysische Realitäten, in welchen das Personale als Seele
5 lokalisiert, temporalisiert ist in der Raumzeitlichkeit der Natur, der
naturalen Welt ? Wie kontrastiert sich danach die personale Zeit und
die real-naturale Zeit?
T r a n s z e n d e n t a l entspricht dem natürlich die monadische Zeit
als Form des Monadenalls und die Zeit der in ihr konstituierten Welt —
10 mit ihrer merkwürdigen Doppelheit von personal und real, wobei aber
zu beachten ist, dass korrelativ zum verbundenen All der Personen,
das doch nicht alle menschlichen-Personen umfasst, als verteilt auf
verschiedene Menschheiten und Umwelten als einander „fremden”,
auch das [transzendental entsprechende Monadenall ein S o n d e r a 11
15 ist.
Aber man sieht auch, dass sich hier eine noch nicht berücksichtigte
t r a n s z e n d e n t a l e Problematik eröffnet: So wie die Menschheiten
nicht ein Nebeneinander sind, wenn wir sie nicht in der Einstellung
auf Realität betrachten, sondern in der personalistischen Einstellung,
20 so wie vielmehr die Beziehung von Heimmenschheit und Fremde eine
intentionale Geltungsbeziehung ist, die auf Einigung zu einer Uber
nation führen muss, so liegt in der Transzendentalität eine problema
tische intentionale Gliederung im (selbst schon konstituierten) Mona-
den-Sein und in jedem als heimisch für sich fungierenden Monaden-
25 all eine Tendenz fortschreitender Konstitution eines seine Fremden
mit sich verbindenden überheimischen Alls, als eines Heimalls höherer
Stufe. Und dabei die durch das Territorium fortschreitende Konstitu
tion einer überheimatlichen fortgehenden Natur mit organisch-anima
lischer Welt. Vor allem betrifft das die Konstitution einer allmonadi-
30 sehen Zeit und die einer realen Zeit, Raumzeit, beide in ihrer konstitu
ierten Unendlichkeit. Und der letzte Sinn dieser Unendlichkeit und
dieser transzendentalen sowie menschlich-personalen Prozesse ?
Menschen als „oberste Tierspezies”, zoologisch — subjektiv.
Der generative Zusammenhang der Menschen wie der Tiere einer
35 Spezies und dann phylogenetisch weitergehend alle Tierspezies ver
bindend zur generativen Einheit, Einheit einer Deszendenz, schliess
lich der organischen Wesen überhaupt; das biophysisch verfolgt, aber
auch biopsychisch.1
Demgegenüber eine andere Generativität oder „Deszendenz”, die
40 dem Menschen, dem personalen Wesen ausschliesslich eigentümliche.
Der Mensch als Person unter Personen lebend, mit ihnen personal sich
absichtlich verbindend und immer schon als reife Person natürlich
verbunden; natürliche personale Verbände als Teile und Schichten
1 Aber auch rein psychisch, rein „monadisch”, dieses Wort jetzt nicht transzenden
tal verstanden.
180 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
1 Von vornherein also hat jede reife Person den Totalhorizont '„Volk”. In diesem
Horizont finden dann im Weltleben (des Menschen als Volksmenschen) alle Zweck-
verbindungen statt, alle Verabredungen etc. Alle „sozialen” Akte und „sozialen”
Verbände sind im Horizont Volk.
BEILAGE X 181
lungsgestalten. Das Kulturantlitz der Welt hat eine Typik, die sich
konkret in gewisser Weise wiederholt oder zu wiederholen scheint,
aber für den Menschen gilt tempora mutaniiir et nos mutamur in illis.
Die Zeiten sind die in der einheitlich me n s c hl i c he n Zeit real
5 e r f ü l l t e n Zeiten, erfüllt mit den in Jeweiligkeit zweckvoll gestal
teten Realitäten. Die konkrete Typik ändert sich in der Wiederholung;
es fallen manche konkreten Typen aus, obschon diese Wandlungen so
vor sich gehen, dass ein allgemeiner Gesamttypus der Umwelt und des
sozialen menschlichen Daseins in ihr erhalten bleibt.
10 Menschliche Werke werden nach im voraus vorstelligen und als
Vermöglichkeiten dem Menschen geltenden Möglichkeiten handelnd
erwirkt. Der Mensch hat Ent wür f e , er hat Wahl zwischen dem
geltenden Möglichen und entscheidet sich für das als das Beste Er
kannte. Er verbindet sich mit Anderen zu gemeinschaftlichem Han-
15 dein in Vergemeinschaftung der Wollungen und ihrer Ziele, die für ihn
Zwecke sind, individuelle (private) und Gemeinschaftszwecke, Ver
einszwecke etc.
Das Tier verwirklicht in Gemeinschaft „Instinkte”, sein Tun ist in
stinktiv, die Vergemeinschaftung des Strebens ist instinktiv. Die Biene
20 h a n d e l t nicht, die Biene hat keine Zwecke, das Bienenvolk ist keine
Zweckgemeinschaft, es steht nicht in der Einheit eines Lebens, das
menschliches Zweckleben ist, das seine Träger hat in Subjekten, die
ihre Zwecke habituell und in der Weise der Wiederemeuerung ihrer
Absichten von neuem in Funktion setzen, als dieselben sie identifizie-
25 rend usw.
Ein Tier schafft nicht in der Einheit seines Lebens ein System von
geistigen Erwerben, die es als Entwicklung erfährt, es hat nicht Ein
heit einer die Generationen überspannenden Zeit als historische Zeit
und Einheit einer durch sie hindurchgehenden Welt, es „hat” sie
30 nicht bewusstseinsmässig. Wir, wir Menschen sind es, die die Ketten,
die unendlichen Abfolgen und Verzweigungen der Ameisengeneratio
nen etc. in Seinsgeltung haben in unserer Welt. Das Tier selbst hat
keine generative Welt, in der es bewusstseinsmässig lebt, kein be-
wusstseinsmässiges Dasein in einer offenen Unendlichkeit von Genera-
35 tionen und korrelativ kein Dasein in einer eigentlichen Umwelt, die
wir Menschen ihm, es vermenschlichend, zuschreiben.1
1 Das sind natürlich erst die Anzeigen für die wirkliche Klärung von Person und
Menschheit mit ihrer menschheitlichen Umwelt. Zu folgen hat dann die Klärung der
E n d l i c h k e i t einer Menschheit und der Scheidung von H e i m a t u n d F r e m d e ,
von unserer Menschheit, unserem Volk und anderen (uns fremden Menschheiten),
ferner noch die relativ einheitlichen Gruppen in einer Menschheit mit dem Wir —
Andere.
Von da dann weiter die Antizipation der Verkettung von Umwelten ins „Unend
liche" und der Konstitution von Übernationen und Welten auf Grund von „ein-
fühlungsmässigen” Welten, immer von der eigenen aus; die Probleme der Unend
lichkeit und die Idee der einen unendlichen Welt als der Idee eines universalen An
sich — universale ins Unendliche exakte Natur und auf rsie bezogene Mensch
heiten ins Unendliche auf dem Wege zu e i n e r Menschheit und zu e i n e r Kultur
182 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
Die Tiere finden wir in unserer Welt vor durch eine Einfühlung, die
eine assimilierende Abwandlung der mitmenschlichen Einfühlung ist.
Aber die Verähnlichung mit menschlichen Subjekten betrifft natür
lich zunächst das Verstehen der tierischen Leiblichkeit als solcher und
5 so überhaupt die Grundschichte der Einfühlung, die uns Mitmenschen
als in eine gemeinsame Umwelt hineinlebende konstituiert. Was dem
eingefühlten Ich notwendig zu eigen sein muss, damit überhaupt Ein
fühlung zustandekommt, eben das ist die „Grundschicht". Die Assimi
lation des fremden Leibkörpers als Leibes, wie er mein eigener ist, die
10 Auffassung des Organsystems als System von Wahrnehmungsorganen
und praktischen Organen, durch die die wahmehmungsmässige Um
gebung für das Tier da ist, und als einheitliches Feld von identischen
Dingen, jedes Einheit von Erscheinungsweisen; zugleich aber so,
dass diese Erscheinungsweisen nur ähnliche sind, wie ich sie und
15 jeder Mensch sie hat und wie sie im Erfahren von Mitmenschen sich
kommunikativ austauschen und in der Unterschichte menschliche ge
meinsame Natur ergeben, ein Universum von Erscheinungseinheiten,
die Einheiten nicht nur meiner, sondern unser aller zu vergemeinschaf-
tenden Erscheinungsweisen sind, der wirklichen und möglichen. Dieses
20 ganze menschliche System und menschliche Natur ist schon vorausge
setzt, damit wir Tiere als Tiere erfahren, Einfühlung als Wahrneh
mung von Tieren gewinnen können. Die urgenerative Entwicklung des
Menschen, in der er zum ersten Selbstbewusstsein und Umgebungsbe
wusstsein, zum ersten „Ich und Umwelt” erwächst, ergibt dieses erste
25 Ich schon als Ich eines Wir und die Umwelt als gemeinsame dieses
Wir. Die Anderen sind nicht bloss Reduplikationen des Ich, die An
gleichung erfordert immerfort korrigierende Abwandlung, und vorweg
sind die Andern als Analoga in einer unbestimmten Allgemeinheit mit
einem individualtypischen Kern verstanden. Aber die Erscheinungs-
30 weisen der Dinge gehören selbst dazu, und die Horizonte selbst haben
in gewisser Weise ihre konkrete Typik und sind in ihr „entworfen”.
Eben diese schon wandelt sich in gewisser Weise bei Vollzug der Ein
fühlung in ein tierisches Dasein ab. Ganz so empfindet das jeweilige
Tier (in seiner Spezies) nicht wie wir. Aber es sind doch dieselben Din-
35 ge, die sie in ihrer Weise wahmehmen, es wird doch assimiliert, es sind
doch Erscheinungen von demselben, es wird doch ein waltendes Ich in
dem analogen Leib durchgehalten, und was dabei sonst bei der gefor
derten Analogie standhält und nicht in Wandlung sich beseitigt. Für
jede Tierspezies ein abgewandelter Typus des „Ich und Umwelt”, für
40 mich schon „wir Menschen und Umwelt”, also des tierischen Ich im
Wir. Wir Menschen sind schon darin im Wir abgehoben, dass wir kon
kret typisch dieselbe Leiblichkeit haben, und in unserer Konstitution
als Ich und Wir sind wir schon vermöge des generativen Ursprungs in
dieser typischen Leiblichkeit konstituiert: Ich bin schon im Selbstbe-
5 wusstsein als Ich dieses typischen Leibes, ich habe vorweg schon mei
nen mitmenschlichen Horizont in der Typik meine Familie etc., und
mein Leib hat schon den Seinssinn eines allgemein typischen für uns
alle.
Problem des Tieres: Das Tier ist ein neues, ein anderes Subjekt, aber
10 anders wie wir Menschen, aber darin anders, dass es doch analog wie
wir Menschen unter Menschen ist, so Löwen unter Löwen etc. in der
Lebensgenerativität als Analogon unserer menschlichen. Im übrigen,
das in der Welt Leben, in der Löwenwelt, für Löwen erscheinungs-
mässig einheitlich sich konstituierenden, Hineinleben, Bedürfnisse
15 Haben, sie Erfüllen, Hunger und Durst Haben, Essen und Trinken,
geschlechtlich miteinander Verkehren etc., das wird ohne weiteres assi
miliert, überhaupt menschliches Leben in menschlicher Generativität
und Umwelt, soweit es eben in der Analogisierung geht und diese sich
in Erfahrung bestätigt.
20 Aber da ergeben sich wesentliche Differenzen. Leben die Bienen in
ihrer Umwelt generativ so wie wir ? Schon wenn wir fragen, entwickeln
sich die Bienen so wie wir als „Kinder”, die geistig in die Welt der Rei
fen ähnlich hineinwachsen ? Oder um Tiere zu nehmen, die in der Ana
logie uns näher stehen, die uns in der Körperlichkeit als Leiblichkeit
25 näher verwandten Säugetiere: ein Rehkalb und selbst die Jungen der
Haustiere, ein Pferdefüllen etc., ist das ein Kind, das eine ähnliche Ent
wicklung macht wie ein Menschenkind ? Biophysisch — das macht kei
ne grosse Schwierigkeit, aber wohl psychisch. Wh stossen da auf das
Instinktive, aber schon beim Menschen spielen sie, und nicht nur in
30 der kindlichen Entwicklung, eine ständige Rolle. I n s t i n k t ist zu
nächst ein Titel für äusserlich zu charakterisierende Tatsachen, der
aber von innen her betrachtet seine Unverständlichkeiten hat. Wo ist
die Grenze ? Sind die Bienenbauten in ihrer „Zweckmässigkeit” wirk
liche Zweckgebilde, deutlicher, zweckrationale, Ergebnisse der „ver-
35 nünftigen” Zielstellung, Berechnung der Mittel etc. ? Der „Bienen
staat”, der Ameisenstaat, die Sklavenhaltung der Ameisen, die Amei
senkriege usw. — wie steht es mit den analogischen Interpretationen,
die im Gebrauche der Worte hegen?
Man kann hier fragen: 1 Haben die Tiere (die Haustiere ausgeschlos-
40 sen) eigenthche Wiedererinnerungen, anschaulich wiederholende,
und haben sie anschauliche Phantasievorstellungen in selbem Sinne
wie wir?
Haben sie Horizonte, die sie wie wir anschaulich sich klarmachen
können? Haben sie Zielvorstellungen, Zweckvorstellungen als feprä-
45 sentierende Vorbilder des Künftigen (oder möglicherweise) als eines
1 <Das Folgende bis Schluss» Zusatz Juli oder August 1934.
184 VORBEREITUNGEN DES „SYSTEMATISCHEN WERKES” 1930-1931
<Inhalt: >
1) Allgemeine Vorüberlegung (in roher Allgemeinheit) des nor
malen Erfahrungsstiles der Welt: die Welt in ihrer lebendigen
noematischen Zeitigung, wie sie in ihr vorgegebene ist, die raumzeit-
10 liehe (geometrische, mechanisch kausal-naturale) Struktur. Be
kanntheitsstil als vorgegebene, immer schon bekannte Struktur der
Erfahrungswelt zu jeder Zeit. Der Horizontstil: die Endlichkeit der
eigentlich selbstgezeitigten bekannten Umwelt, die iterierbare Er
weiterung nach Vergangenheit und Zukunft als Iterationsstil der
15 Erfahrungswelt: das Erweiterte immer schon zur vorgegebenen Welt
gehörig als Vermöglichkeit zu wirklich lebendiger Zeitigung. Kor
relativ die konstituierende Subjektivität. Das Rätsel des Urseins,
rückfragender Gang. Alles, was für mich ist, ist aus meiner univer
salen Zeitigung: primordiales Sein, Sein Anderer, identisch ge-
20 meinsame Welt, Konstitution des Wir als Wir-Personen in perso
nalen Gemeinschaftsbeziehungen, personal vergemeinschaftende
Akte (soziale Akte und Sozialitäten), die menschheitliche Welt als
Feld gemeinschaftlicher Zwecke, als sich durch personal-soziale
Menschheit humanisierende. Das Generative: identische mensch-
25 heitliche Welt durch die Generationen hindurch — in offener Zeit
lichkeit (S. 2 0 4 f.). Di e e n d l i c h e n M e n s c h h e i t s w e l t e n .
Heimwelt und Fremde. Territorium. Die Abwandlung dieses Be
griffs. Die Abwandlung der Fremde (fremde Heimat, fremde
Fremde etc.). Frage nach dem, was darin wesensnotwendig ist für die
30 Möglichkeit einer unendlichen Erfahrungswelt (S. 2 0 6 f.). Die ge-
TEXT NR. 14 197
Aber diese endliche Welt (die endliche Welt der wirklichen Er
fahrung und ihre Bekanntheit) ist in beständigem Fluss des
Für-uns-seins, uns zur Erfahrung, zur Kenntnis Kommens, und
10 nicht nur darin, dass wir uns mit dem und jenem von dem schon
für uns Daseienden beschäftigen und es im Rahmen der ver
trauten Typik neue Gestalten annimmt. Die Welt, sagen wir,
reicht weiter als unsere gegenwärtige Erfahrung, wir können
uns subjektiv fortbewegen oder bewegt werden, und unsere
15 Kenntnis erweitert sich in der Art, dass die endliche Mannigfal
tigkeit der bekannten Dinge sich vermehrt. Die Welt war immer
als endliche Mannigfaltigkeit bekannte, bzw. zur Erfahrung ge
kommene, aber immer auch Welt, die in Extension der Erfah
rung (unserem subjektiven von neuen zu neuen endlichen Man-
20 nigfaltigkeiten Fortschreiten) sich erweitert und erweiterungs
fähig bleibt. Ich und jeder hat Welt mit einem Erfahrungshori
zont der Erweiterung, ich kann dabei auf Andere rekurrieren,
ich kann meine Eltern, meine Genossen befragen nach ihrer Um
welt (der von mir unbestimmt als die ihre miterfahrenen, aber
25 im Besonderen unbekannten) usw. Auch dieser Stil als Stil der
Kenntniserweiterung in Hinsicht auf unbekannte Weltsphären
ist antizipiert, und ist antizipiert als ein i t e r i e r b a r e r Stil.
Korrelativ ist die Welt für uns nicht nur die endlich wirklich er
fahrene und die in jeder Gegenwart sowie in der ganzen subjek-
30 tiven Vergangenheit bis zur Gegenwart zur Kenntnis gekommene
Mannigfaltigkeit von Realitäten mit ihrem beschränkten, dabei
lebendig fortschreitenden Erweiterungsstil, sondern sie ist Welt,
die in ihrem iterierbaren Zukunftshorizont auch iterierbar ist in
der Form fortzusetzender Erweiterung. Das gehört als Poten-
35 tialität auch zu unserer Vergangenheit, wir hätten immer statt
in der Richtung in anderen Richtungen neue Dinge kennenlernen
können, wie auch jetzt das erweiternde Fortgehen seine verschie-
TEXT NR. 14 199
mich Seinssinn gestaltet als einen Sinn, der den Sinn „andere
Ich” als mit mir koexistente in sich trägt, als einen immer schon
offen präsumierten Sinn, der auszugestalten ist durch meine
wirkliche oder vermögliche Aktivität, aber in dieser eventuellen
5 willkürlichen Ausgestaltung (Explikation) doch nur den schon
geltenden Seinshorizont näher bestimmt, nämlich in der Art:
Die Könnensrichtungen sind im voraus Richtungen möglichen
Tuns, und wenn ich so vorgehe in dieser willkürlich gewählten
Richtung der Verwirklichung, so verwirkliche ich etwas, das ich
10 vordem schon hätte verwirklichen können und nachdem immer
wieder verwirklichen kann als etwas, was an sich seine Dauer in
der objektiven Zeit, seinen Anfang, seine Veränderungsweisen,
sein Ende hat und nachher doch in diesem D auersein immer wie
der als dasselbe, früher Gewesene zugänglich ist, wie andererseits,
15 bevor es war, <es> doch seine Weisen hatte, vorausgesehen wer
den zu können, jedenfalls etwas Künftiges zu sein, das dem festen
Zukunftsstil «entspricht >, der unbestimmt allgemein als ein Stil
künftigen realen Seins von jeder Stelle, von jeder ichlichen Ge
genwart und ihrer Erfahrung aus vorgezeichnet, und von jeder
20 in ihrer Weise vorgezeichnet <ist>, die hinterher immer wieder
als Erfüllung und blosse Näherbestimmung gefasst werden muss.
Ich komme zur Erkenntnis —■in transzendentaler Einstel
lung, in transzendental prädikativer Auslegung und mit dem An
spruch auf Wesenserkenntnis, auf Apodiktizität, auf Logizität
25 —, dass das an sich erste und wahrhaft konkrete Seiende mein
Sein in Aktualität und Habitualität, in Passivität und Agilität
ist; dass ich in diesem Sein ein Sinngebilde als schon erworben
und immerfort erworben habe (imflicite), aber ein Sinngebilde,
das in der Geltung „Welt” Seinssinn in einem beständigen sub-
30 jektiven Gegebenheitsmodus ist, immerzu darin geltend, aber
immerzu Antizipation, immerzu Antizipation in verschiedener
Weise als Antizipation eines vermöglichen Enthüllungsprozesses
und Bewährungsprozesses hinsichtlich der Vergangenheit, der
Mitgegenwart und Zukunft. Nun finde ich, dass diese vorgege-
35 bene Welt als dieses Seinssinngebilde, dieses Identische in der im
merzu beweglichen, wirklichen und vermöglichen identifizieren
den Bewährung vielfältig fundiert ist, und insbesondere finde ich,
dass es auf dem Seinssinn „anderes transzendentales Sein” fun
diert ist, aber in einer Weise, die in Verflechtung der Fundierun-
TEXT NR. 14 203
die von den für mich nun seienden Anderen aus ihren Vermög
lichkeiten konstituierte Seinssphäre, sie ist für mich mittelbar
seiend, mittelbar zu bestätigen als die ihre und in synthetischer
Deckung, sei es auch partieller, mit der meinen als die meine. Da-
5 bei erhalten die Anderen aus meinem fortschreitenden Fremd
erfahrungshorizont ihre Anderen, die im allgemeinen nicht meine
sind, und so wie ich im Fortschreiten in meiner primordialen Um
welt bzw. meiner gegenwärtigen Umwelt als die meiner voll ge
bildeten Erfahrung damit vertraut bin, dass ich immer wieder
10 auf Andere stossen kann und gelegentlich stossen werde, die mir
nocht nicht bekannt sind, so erfahre ich auch nun Andere mit
diesen Möglichkeiten.
Es ist aber auch darauf zu achten, dass, was ich an Anderen
und für Andere erfahre, seine Rückwirkung hat auf mich in Hin-
15 sicht auf den Seinssinn, den ich für mich selbst habe und immer
fort neu gewinnen kann und gewinne. Wenn ich mich besinne,
bin ich immer schon die Person, die, und zwar für mich selbst,
schon einen Sinn hat, der mir erwachsen ist durch das Für-mich-
sein von Anderen. Mein Handeln bezieht sich auf den Umkreis
20 des schon für mich Seienden, auf meine jeweilige wirklich erfah
rene Umwelt und den Horizont von zwar Unbekanntem, aber
wirklich für mich Zugänglichem, als das wirklich mir Geltendem.
So auch bezieht sich mein Handeln auf die Anderen. Aber hier
wird möglich und wirklich ein Handeln auf die Anderen hin nicht
25 bloss als Objekte, sondern als Subjekte, als ein sie Veranlassen,
sie Motivieren zu leiden und zu tun, und eben das geht dann auch
in sie ein, die mir geltenden Anderen, nämlich als ihr wirkliches
und mögliches mich Motivieren, und da entspringt auch das sich
„Vereinbaren” in einem weitesten, erweiterten Wortsinn, also als
30 personales Sich-verbinden.
Bei der Enthüllung der Fundierungen, in der die Welt für
mich seiende, mir geltende ist, sehe ich ein, dass mein eigenes
transzendentales Sein, das, in dem ich mich für mich transzen
dental konstituiere (auf Grund des urzeitigenden Stromes mich
35 selbst aktiv als seiend erfahre), das Sein von allem, was für mich
ist, in einer universalen Zeitigung, die die meine ist, zeitigt; und
zwar ausgelegt: Es gründet in meinem Sein meine primordiale
„Welt”, darin das Für-mich-sein Anderer, das Für-sie-sein ihrer
primordialen Welten, darin weiter das Für-mich-sein der identi-
TEXT NR. 14 205
sehen Welt als derselben, die sich als meine primordiale und ihre
primordialen erscheinungsmässig darstellt. In dieser Weise kon
stituiert sich für mich auch das sich wechselseitig verstehende
und verstehenkönnende Wir, die wirkliche und vermögliche
5 wechselseitige oder bald wechselseitige bald einseitige s o z i a l e
B e z i e h u n g als wechselseitige soziale Paarung, soziale Ver-
mehrheitlichung als personale Verbände, die menschheitliche
Welt als Feld gemeinschaftlicher Zwecke, als durch soziales
Menschentum s i c h h u m a n i s i e r e n d e . Weiter die Möglich-
10 keit (und von seiten der Menschen dieser Welt die Vermöglich
keit), das in dieser Welt Konstituierte generativ zu verfolgen,
bzw. sie als eine Lebenswelt aufeinanderfolgender Generationen
mit einer Einheit historischer Tradition, also als eine historische
Kulturwelt zu verstehen und danach zurückzufragen und vor-
15 wärtszufragen und so Welt und Menschentum in einer offenen
Zeitlichkeit auszulegen, sie in den strömenden Zeitmodalitäten
gegenwärtige, vergangene, künftige Welt (menschliche Lebens
welt) und als die eine und selbe zu haben (im Strömen eine identi
sche Zeit und identisches verharrendes Weltsein objektiv konsti-
20 tuierend), das ist, sie in dieser Endlichkeit <als> Welt für jeder
mann, der in ihr gegenwärtig lebt, für mich und dann für jeder
mann so erfahren.
Endliche Welt. Heimwelt und Fremde
fremden. Ähnlich wie ich von mir aus transzendental Andere zur
Erfahrungsgeltung bringe, so bringe ich, schon als heimatlicher
Mensch konstituiert, also als Glied meiner Heimat im heimat
lichen Kulturraum ( T e r r i t o r i u m ) , mir zur Erfahrung eine
5 neue Anderheit. Oder wir Heimatlichen mit unserer Heimat er
fahren (konstituieren ursprünglich im Fortschreiten der allge
meinen Weltkonstitution) eine Fremde als eine fremde Heimat
mit fremden Menschen, die ihre Heimat, ihr Territorium haben
(auch Fremde der Fremden etc.). Das Kulturterritorium (die
10 wirklich praktisch gewordene, schon humanisierte Umwelt) hat
seinen Aussenbereich der Natur, offen endlos, evtl, zu Nutzbar
keiten heranzuziehen, zu humanisieren, aber nicht eben eigent
liches Territorium. Im gelegentlichen Eindringen in diese Ferne
kann auch vergangene Kultur, vergangenes Dasein von Menschen
15 sich indizieren.
Das Territorium kann auch ein bloss zeitweiliges sein, das
Heimvolk kann ein Nomadenvolk sein und dann mit anderen
Nomadenvölkern, mit anderen Stämmen etc. Zusammentreffen.
Hier bestehen mancherlei Möglichkeiten (die die Anthropologie
20 und Geschichte als Wirklichkeiten uns vor Augen stellen). Aber
bestehen nicht durch sie hindurchgehende Wesensnotwendigkei
ten als Bedingungen der Möglichkeiten dafür, dass wir die volle
zeiträumliche unendliche Welt in Erfahrung haben können, deren
ausgearbeitete logische Idealität wir als Wahrheit für die Welt
25 schlechthin nehmen, die uns doch im „Ausschnitt” als endliche
Lebenswelt gegeben ist?
Die Welt, die für uns ist, sagen wir, ist Welt möglicher Er
fahrung. Und besagt Möglichkeit nicht vermögliche Zugänglich
keit (also Bewährung) nach Zeit und Raum, sind das nicht Zu-
30 gangsformen?
a) Für die Z e i t l i c h k e i t haben wir die Generation — meine
Eltern, unsere Eltern, die Eltern der Eltern usw. Das aber ist
nicht bloss phantasiemässig gedacht, sondern in dieser Mittel
barkeit vorgezeichnet, eine vorgezeichnete Vergangenheit als die
35 der zugehörigen Umwelten, die waren, die uns, sowenig bekannt
sie sind, so unbestimmt antizipiert, gelten und ein offener Hori
zont möglicher historischer Kunde sind.
b) Wie aber r ä u m l i c h ? Mein und unser irdischer Horizont
mit seinen Ferndingen, die im Horizontkreis verschwimmen. Wir
TEXT NE. 14 207
seiner Zwecke. Aber sofern ein jeder auch für sich selbst Objekt
sein kann und auch ein Verband für sich selbst oder sein eigenes
personales Sein inbegriffen sein kann in den Zwecksinn, gehört
es mit in die Umwelt.
5 Aber wie spielt sich all das transzendental ab, dieser bestän
dige Prozess einer fortschreitenden Weltkonstitution, einer fort
schreitenden Bildung der eigenen und fremden Personalitäten
mit den dabei wechselnden für sie seienden Umwelten als für sie
lebensvoll geltenden, sie bestimmenden, von ihnen bestimm-
10 ten, von ihnen her immer neue Gestalt, immer neuen Zwecksinn,
immer neuen Stimmungssinn, immer neue Farbe einer hoff
nungsvollen, einer schönen oder einer schicksalsvollen, einer be
trüblichen <Umwelt> annehmend ? Aus solchen Prozessen ist
schon die Welt, die für uns ist, geworden und hat von vornherein
15 einen Horizontsinn, eine verborgene Geltung, die wir ihr als der
uns geltenden Welt, wenn immer wir uns besinnen, abfragen
können.
Ich, der Fragende, der mich Besinnende bin doch die lebendige
Stätte aller für mich schon geltenden und doch als Erbschaft
20 meiner inneren Tradition, aus meiner eigenen leistenden Ver
gangenheit her geltenden Welt. Ich mit meinem urströmenden
Leben gehe voran, in ihm konstituiert sich das für mich Gelten
der Anderen und als seiender, das ist in einer Horizonthaftigkeit
meiner Tätigkeiten des sie vermöglich Kennenlernens, mit ihnen
25 in Beziehung Tretens, ihre eigenen Seinsgeltungen für mich zur
Geltung Bringens, mit den eigenen primordialen synthetisch ver
bindend usw. In mir konstituieren sich die Geltungen, die Seins
vorkommnisse Geburt und Tod der Anderen und, zurücküber
tragen auf mein schon lebendig konstituiertes eigenes und schon
30 personales Sein, eigene menschliche Geburt, eigener mensch
licher Tod. In mir konstituiert sich die in der Synthesis der end
lichen Umwelten, der Umwelten der aktuellen Zugänglichkeiten
mit freilich unbestimmt offenem Randhorizont, unendliche
Welt, in deren objektiven Zeiträumlichkeit ich ein unbedeutendes
35 Menschenkind bin, in die ich einmal hineingeboren worden bin
und einmal unter Zerfall der Leiblichkeit aufhören werde zu
sein, weltlich zu sein. Mein „Nicht-sein” ist zweifellos, wenn
„Sein” Realsein, Person-in-der-Welt-sein, leiblich Wirklichsein
in der Raumzeitlichkeit besagt.
210 .CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
land z.B. nicht gefasst, wenn auch es anders der Fall ist in irdi
schen Gebieten, wo das Eintreten von Erdbeben sozusagen eine
normale Anomalität ist, obschon doch von einer Art, dass man
sich im allgemeinen nicht im voraus danach richten kann.
5 Die Welt als die für uns seiende (für mich und für meine je
weiligen Mitsubjekte, für mein „Wir”) ist nicht eine starr seiende
Welt. Wir sind Aktsubjekte, praktische Subjekte im weitesten
Sinn, und praktisch in bezug auf die uns in einer Jeweiligkeit vor
gegebene, mit einem Seinssinn bestimmte, unbestimmte etc. gel-
10 tende Welt. Das sagt zunächst Aussenwelt. Aber wir selbst als die
Subjekte, ich, das praktische Ich , bin selbst ein immer wieder an
derer, obschon dasselbe Ich, meine Vermögen ändern sich, und
nicht nur dadurch, dass die Aussenwelt sich mir versagt. Ich bin
gesund oder krank, ich lasse mich gehen oder nehme mich zu-
15 sammen etc. Ich habe immer schon meine Eigenart, meinen
Charakter, meine Fähigkeiten und in allem Wandel eine indivi
duelle Identität als Person, die Identität ist in der Freiheit des
Eingreifenkönnens und im Stil des bald Frisch-, bald Müdeseins,
des Lässig- oder Ernstseins etc.; je nachdem ich bin und dispo-
20 niert bin, ist die künftige Welt eine andere, und doch individuell
dieselbe, sofern sie in Möglichkeiten sich bewegt, die Möglichkei
ten für mich sind, obschon nicht praktisch berechenbar und be
herrschbar. Aber auch, wenn wir das nicht bewusst in Rechnung
ziehen, dass wir kein starres Sein sind, ist es alsbald klar, dass
25 jeder Andere in der Freiheit seines Sich-entscheidens die Welt
verändert, als nach aussen Handelnder die Welt ausser ihm, die
auch die unsere ist, und auch dadurch, dass jeder Aktus das an
dere Subjekt selbst ändert, das also hinfort für uns alle ein ge
ändertes ist. So ist Welt immerfort in Wandlung, wir selbst in
30 unserem Tun und durch es ändern uns selbst als weltlich Seiende,
ändern aber auch die Welt von uns nach aussen handelnd als je
weilige Aussenwelt des handelnden Ich. Es gibt keine starre
Welt für uns — eine andere Welt aber als die Welt für uns mit all
ihren vagen einzelsubjektiven und intersubjektiven Horizonten
35 hat für uns nicht den mindesten Sinn.
Es ist nun aber die Frage zu stellen: Wir sind nur, und für uns
ist Welt nur in der Relativität von Normalitäten und Anomali
täten. Eine dieser Normalitäten ist die, in der jeder Mensch, in
der ich, der mich Besinnende, mich selbst normalerweise immer
TEXT NR. 14 213
BEILAGE XI
<HEIM WELT, FREMDE WELT UND „ D IE ” WELT> 1
<1930 oder 1931 >
15 Ich und wir lernen Fremde als Subjekte einer fremden, in ihrem Ge
meinschaftsleben einstimmig erfahrenen Welt kennen. Korrelativ zu
dieser Welt, als praktische Lebenswelt und als Welt überhaupt für sie
geltend, sind sie Menschen anderer Erfahrungen, anderer Naturumge
bung, anderer Lebensziele, anderer Überzeugungen jeder Art, anderer
20 Gewohnheiten, anderer praktischer Verhaltungsweisen, anderer Tradi
tionen. Für mich erweitert sich meine Welt (bzw. für meine Heimge
nossenschaft) dadurch, dass es eine andere Heimgenossenschaft gibt,
anders lebend, sich verhaltend, „die” Welt anders auffassend, aber in
der Tat auch eine andere Kulturwelt habend als ihnen geltende, nicht
25 uns.12
Es konstituiert sich also fremdes Menschentum, eine fremde Mensch
heit, als fremdes Volk etwa. Eben damit konstituiert sich für mich und
für uns „unsere eigene” Heimgenossenschaft, Volksgenossenschaft in
Beziehung auf unsere Kulturumwelt als Welt unserer menschlichen
30 Geltungen, unserer besonderen. Ich habe also (wenn ich das quasi oder
wirklich genetisch-historisch verstehe) eine Änderung meiner und un
serer Welterfahrung und Welt selbst. In „der” Welt sind wir, mein
Volk, und das andere Volk, und jedes hat seine völkische Umwelt (mit
seinem unpraktischen Horizont). Um w e l t scheidet sich von Welt.
35 Aber wie ? Wenn ich weiter sage, die Welt, was ist da das unter diesem
Titel für mich Seiende und sich Bewährende, und so für uns, wenn wir,
wir mindestens in einigerhund.fortschreitendem Umfange, von dem
fremden Volk Kenntnis gewinnen ? Zunächst mögen wir ganz und gar
an unseren Seinsgeltungen festhalten, während wir doch scheiden und
in gewisser Weise verbinden die Welt, in ihr unterscheiden unsere Um
welt als Lebensumwelt und die der anderen Völker.1
5 Hier ist also eine Aufgabe, die Fundierung der Seinsgeltungen auf
zuklären, die ich und die irgendein Subjekt einer zunächst blossen
Heimwelt in Vollzug haben muss, um Welt und Heimwelt zu unter
scheiden, bzw. um ein anderes, fremdes Menschentum mit seiner frem
den Heimwelt im Unterschied von der meinen zu verstehen. Oder noch
10 deutlicher: Auf der ersten Geltungsstufe der Intersubjektivität und
der intersubjektiven Lebenswelt habe ich einfach Welt in die offene
Endlosigkeit von der Lebenswelt als der allein interessanten, der In
teressenumwelt aus sich erstreckend, nachher aber habe ich statt die
ser Welt (mit dem ihr zugehörigen Korrelat des Wir, das alle Menschen
15 besagt) vielmehr dieses Wir als eine Sondermenschheit und unsere Le
benswelt nicht mehr in alter Weise als die Lebens weit. Sondern es hat
sich konstituiert gegenüber diesem Wir ein fremdes Wir, gegenüber
unserer Menschheit eine fremde Menschheit, jede sich vorfindend als in
ihrer Umwelt, die nun nicht mehr die Welt überhaupt heisst: im ge-
20 wohnlichen Menschensinn (Lebenswelt). Es konstituiert sich von mir
und uns aus eine erweiterte Menschheit und in weiterer Folge dann im
selben zu iterierenden konstitutiven Prozess eine Vielheit von Volks
menschheiten, die eine einzige Menschheit bilden (aber zunächst als
eine blosse Kollektion von Volksmenschheiten bezogen auf ihr Terri-
25 torium und ihre konkrete Kultur) und zu einer und derselben Welt ge
hören, die in erster Weise Welt für sie alle ist. Aber zunächst in der
Form einer fortgehenden und immer weiter fortgehenden Realitäten
welt mit neuen und neuen „Wir” und „unsere Welt”.
Das immerfort Gemeinsame ist die naturale Struktur mit dem all-
3 0 g e me i n s t zu verstehenden und in Geltung zu setzenden Menschen
tum: Menschen seiend, vergemeinschaftet, handelnd, immerfort vor
findend ihre kulturelle Seinssphäre, sie durch ihr menschliches Leben
und Wirken fortgestaltend zu Seienden einer für sie allgemeinen Gel
tung, also in Relativität solchen Seins, während hindurchgeht ein all-
35 übergreifend geltendes und sich bewährendes Sein als universale Rea
litätenwelt. Zur Relativität gehört eben dies, dass jede solche Mensch
heit als Umwelt eine Welt schlechthin, aber für sie hat, für sie einstim
mig, aber in dem Universalen der Realität darum nicht schon
einstimmig auch mit den anderen Menschheiten, bezogen auf ihre gel-
40 tende Welt.
1 Es wird deutlicher geschieden werden müssen: die personale Umwelt der Anderen
als die ihnen geltende, für sie bestätigte Wirklichkeit seiende — total genommen: die
Welt für sie, die i h r e Lebenswelt umschliesst — und die „an sich wahre Welt”, die
aus wissenschaftlicher Besinnung von uns Wissenschaftlern zu erkennende, zu der die
Natur, die Menschen und ihre vermeinten Umwelten als mehr oder minder einseitige,
aber auch evtl, falsche Auffassungen von „der” wirklichen Welt gehören.
Kann nicht eine personale Lebensvvelt ihre „Situationswahrheit” haben, also durch
aus nicht falsch sein?
216 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
Ich von wir aus mein „Wir” erschliessend. Was kann ich in Geltung
behalten angesichts der Unstimmigkeit zwischen meiner und der an
derer Menschheiten universalen Erfahrung, universalen Überzeugung ?
Ich werde motiviert zur Konstitution einer neuen Welt, neu jedenfalls
5 darin, dass sie die fremden Menschheiten und Kulturen in die Welt als
Tatsachen aufgenommen hat, aber darum ist nicht in der Art eine
Synthesis vollzogen, dass sie die fremden Geltungen übernimmt. Es ist
nicht meine „erweiterte” Welt so erweitert konstituiert, dass sie eine
Verknüpfung meiner und der anderen Welten ist in der Einheit einer
10 durch alle Menschen des erweiterten Kreises hindurchgehenden einstim
migen Erfahrungsüberzeugung. Wie lässt die ursprüngliche Welt
schlechthin diese Umformung zu? Offenbar dadurch, dass die Welt,
die für mich und uns in Geltung ist aus Einstimmigkeit der Erfahrung,
einen raumzeitlichen Horizont, den möglichen individuell-realen Seins,
15 <hat >, das nicht nur wie bisher antizipiert sein muss in der Form der
offenen Fortsetzung im bisherigen Stil, bzw. der möglichen Erfahrung,
die, wenn Menschen überhaupt gegeben oder antizipiert sind als die Er
fahrenden, so immer wieder diese Menschen als <Menschen > meiner
Volksmenschenart apperzipiert und somit eine entsprechende umwelt-
20 liehe Gestalt erfährt.1Der offene raumzeitlich reale Horizont erhält in
Andersbestimmung eine Besetzung durch das fremde Volk und die
fremdvölkische Umwelt. Dadurch hebt sich aber ab reale Welt über
haupt und besondere Menschheit und menschheitliche Umwelt, völki
sche Umwelt, worin beschlossen ist die Abhebung von Kultur als sol-
25 eher in bezug auf Volk als solches (zunächst Heimgenossenschaft als
solche mit heimischer Kultur), im Kontrast: unsere und eine andere.
Das versteht sich durch die schon in der konstitutiven Gründung der
konkreten ersten Hehnwelt beschlossene Geltungsschichtung: ange
fangen von der primordial reduzierten „Welt” mit „Natur”, Eigenleib,
30 „Kultur"; dann in der Heimwelt die entsprechende Geltung und Seins
schichtung, dergemäss sich unterscheiden lassen physische Natur, die
Vielheit der Leiber bzw. Menschen, die Menschensondergemeinschaf
ten, die Sachenkultur. Das sagt natürlich nicht, dass sich für mich und
mein heimgenössisches Wir abgliedert eine eigene Schichte universaler
35 blosser Natur und die Schichte der Menschensubjekte und personalen
Gemeinschaften etc. Die Welt für uns gewinnt neue, fremde Menschen,
aber doch Menschen, Realitäten, beseelte Körper, Personen, die in be
sonderer Gemeinschaft miteinander leben, Kultur bildend, eigenartige
Sondergemeinschaften bildend, dabei in Konnex durch ihre eigenarti-
40 gen Überzeugungen, theoretischen, axiologischen, praktischen, in ihnen
nach eigenartigen (typisch neuartigen) Lebenszwecken Kultur gestal
tend. Das verstehen wir. Das besagt, es ist für uns selbst mit Seinssinn
in Geltung: nämlich Realitäten individuiert durch ihre Physis und
deren raumzeitliche Stellen, Leiber als das geltend und sich in ihrer
1 Wenn aber keine fremde Menschheit gegeben ist, so ist blosse „Natur” das plus
ultra.
BEILAGE XI 217
durch unser aller Leben und durch die offene Kette der Generationen
hindurch. Sie reicht auch hinaus über die mir bekannten Anderen und
die mir durch die Historie hindurch individuell bekannt werdenden;
5 sie reicht auch hinein in die unbestimmt allgemein anzusetzenden
Menschenmengen, die als nationale und staatliche und sonstige Ge
meinschaften bestimmt sind unter dem Titel von historischen Völkern
usw. Zudem trägt die gemeinsame Welt indirekte Anzeigen in sich für
tierisches und menschliches Sein, das unsere Historie nicht mehr um-
10 greifen kann, und auch indirekte begründete Möglichkeiten für Mitda
sein von tierischen und schliesslich möglicherweise menschenartigen
Generationen, die nicht zu unserer Generationenkette, der irdischen,
gehören würden. Unsere Umwelt, die mit uns historisch-generativ
verknüpfte, von uns Gegenwärtigen aus in der Einheit der generativ ge-
15 bundenen Historie, schrittweise zugängliche und möglicherweise noch
zugänglich werdende, hat einen offenen Horizont einer Natur, die die
diesem Kreis zugehörige und wirklich zugängliche Natur transzendiert,
als eine stets unzugänglich bleibende „astronomische Natur”, zu der
doch generative Zusammenhänge welterfahrender Subjekte gehören
20 könnten, Subjekte, die nur mit uns in Gemeinschaft treten (und sich
evtl, sogar mit uns generativ verbinden könnten), wenn einmal in einer
künftigen Gegenwart die Unzugänglichkeit der Gestimnatur über
wunden und sie in eine zugängliche Nahnatur verwandelt werden
könnte. Aber auch dann würde sich hinter den zugänglich gewordenen
25 Gestirnen eine unzugänglich gebliebene Femwelt mit unbekannten
Subjekten vorzeichnen.
In dieser Weise ist also gemeinschaftlich oder objektiv seiende Welt
in universaler Erfahrung gegeben, als eine Welt für uns Menschen zu
nächst — und „wir Menschen”, das bezeichnet eine endlose Genera-
30 tionenverkettung, der wir keinen Anfang und kein Ende zuerteilen
können (beides müssen wir problematisch sein lassen, nach Ob und
Wie), innerhalb deren wir aber eine allzeit bewegliche, sich offen er
weiternde und noch zu erweiternde Historie haben, die uns nicht nur
allgemein eine Umwelt unserer, der historischen Menschheit gewiss
35 macht, sondern auch sie, in fortschreitendem Masse der Bestimmtheit,
unserer Erfahrungserkenntnis erschliesst. Darin scheiden sich wieder
relative Umwelten für relativ geschlossene Menschheiten, und schliess
lich hat jedermann seine private Umwelt, während doch alle diese Um
welten zur Einheit einer Umwelt (der gesamten in uns zentrierten Ge-
40 nerationenkette) Zusammenhängen. Und diese selbst hat ihre Hori
zonte. Einerseits ihren Innenhorizont des innerhalb der allgemein ver
trauten Bekanntheit (des Individuellen und der Typik im Aufbau jeder
relativen Umwelt) Unbekannten in seiner eigenen offenen Endlosig
keit ; andererseits den Aussenhorizont der Feme, in ihrem eigenen Stil
gen, meiner und meiner Anderen als von mir erfahrenen Anderen, die ihrerseits selbst
einander erfahren und erfahren können etc., also je meine wirkliche Erfahrung und
gegenwärtig erfahrenen Anderen eingefühlte Erfahrung sich vergemeinschaftend,
dann die Mittelbarkeiten der Mitteilung.
220 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN" 1931-1932
oder mittelbar, mit dem streiten, was ich selbst erfahre oder was An
dere (gemäss ihren Mitteilungen, aber gut sich einpassenden) erfahren
haben, da wird aus der gläubigen Übernahme Unglaube; was da angeb
lich ist oder war, das ist und war nicht.1
5 Der Verstehende gewinnt eine ursprüngliche sekundäre Erfahrung,
wenn er die Mitteilung verstehend sie alsbald anschaulich nachvoll-
zieht, das Mitgeteilte dabei, als ob er der Andere wäre, so anschaulich
hat, „als ob” er es sähe. Dabei ist diese Erfahrung-als-ob ihrem inter
subjektiven Sinne nach zugleich für mich mögliche Erfahrung vom
10 selben, das ich nämlich wirklich selbst sehen würde, wenn ich „hin
ginge” usw. Aussagen werden aber auch leer verstanden ohne in an
schaulichen quasi-Vollzug überzugehen, und sie können das werden
vermöge der in Beziehung auf die Heimwelt schon gebildeten, ihrer
allgemeinen relativ verharrenden Typik angepassten Sprache. Eigen-
15 namen, Gattungsnamen, Sachverhalte etc. werden im leeren Erkennen
dessen, was gemeint ist (unser Haus, der Vater etc.), verstanden und
im allgemeinen mitgeglaubt, wenn sie nicht in dieser Bestimmung
früher schon durchstrichen worden sind.
Die Aussage hat einen Aussageinhalt, der in der Gemeinschaft von
20 Person zu Person übergehen kann, und sie hat ihren objektiven Sinn,
wenn sie eben jedermann je nachdem aussagen und verstehen und in
demselben Sinne verstehen könnte und jedermann evtl, glauben könn
te. Sie hat objektive Gültigkeit oder Wahrheit, wenn ich und jeder
mann sich jederzeit davon überzeugen kann, sei es durch originale Er-
25 fahrung (Wahrnehmung und Erinnerung, originale Induktion) oder
durch sekundäre Übernahme von jemand, der sie in der Tat durch ori
ginale Erfahrung gebildet hat, sofern sich eben die Vertrauenswürdig
keit und das vertrauensvoll Übernommene weiterhin auch bestätigt.
Was in dieser Weise für den einen objektiv gültig ist, ist es für jeder-
30 mann in derselben Gemeinschaft, sofern man ja jedermann auf die
letzte Wahrheitsquelle der originalen Erfahrung der Sache und die
originale von den Anderen verweisen kann.
Wir haben also objektive Aussagen, bezogen auf diese Heimwelt :
1) Unmittelbare und mittelbare deskriptive Aussagen für Individu-
35 eiles, jedermann, sei es direkt erfahrbar oder durch Mittelbarkeit der
Mitteilung, bekannt und auf ebenso bekannten Wegen erreichbar. Be
stimmung in Erfahrungsbegriffen. Direkte Erfahrung: Wahrnehmung,
Wiedererinnerung, ursprüngliche Erwartung (Urinduktion) des Ähn
lichen unter ähnlichen Umständen, Einfühlung.
40 <2)> Allgemeine Deskription, typische Allgemeinheiten als Allge
meinheiten der Induktion; induktive Schlussfolgerung mittels solcher
Allgemeinheiten. Durch'-das „es ist überhaupt so unter solchen typi
schen Umständen, es tritt dergleichen überhaupt unter solchen typi
schen Veränderungen der bekannten Umstände auf” leite ich mittei-
45 lend den Genossen an, ein Typisches sekundär zu erfahren, das er nicht
1 Nicht zureichend analytisch.
224 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
Grundstück für die Struktur der objektiven Welt für <ihn> ist oder für
ihn in höherer Entwicklung in immer bedeutsamen Formen werden
kann, is t g r u n d wes e n t l i e h von der Spr ache her be
s t i mmt . Erst dadurch erwächst eine nicht nur sinnlich gemeinsame
5 Welt, eine konkrete Gegenwartswelt (in einem erweiterten Sinne, der
den noch mitlebendigen Mitgegenwarts- und Vergangenheitshorizont
und in einem Stück lebendige Zukunft befasst), sondern eine praktische
menschliche Heimwelt, deren unvergleichlich weiterer Erfahrungs
kreis auch die sprachlich vermittelten Erfahrungen der Genossen
10 wirksam in sich enthält, und nicht nur die wirklich voll anschaulich
nachverstandenen und in den Glauben übernommenen, sondern auch
die unvollständig oder gar nicht anschaulich nachverstandenen sprach
lichen Erkenntnisgebilde, als solche, die, wo es nötig, klar gemacht und
verwertet werden können. In jeder Gegenwart hat der Erfahrende also
15 nicht nur seine „sinnliche” Umwelt, die wirklich ihm in originaler Er
fahrung gegenwärtige, mitgegenwärtige, in originaler „Einfühlung” als
sekundärer sinnlicher Erfahrung ihm mit eigen werdende, sondern
diese Gegenwart mit einem sprachlichen Belag und einem sprachlich-
apperzeptiven Horizont; es gehören zu dieser Welt mannigfaltige eige-
20 ne und fremde Sprachgebilde, mit ihrer neuartigen Gültigkeit, Zu
gänglichkeit, Ausweisbarkeit. Und diese Umwelt ist nun die typisch
eine und selbe für alle, nämlich die miteinander gemeinschaftlich Le
benden. In ihr liegen die praktischen Ziele eines jeden, seine Leistungs
gebilde, auf sie bezieht sich das werktätige, aber auch das aussagende,
25 stets irgendeiner Praxis dienende Leben, in dem die Umwelt als sprach
lich bestimmte sich intersubjektiv als dieselbe bereichert und erwei
tert.1
1 Eine gemeinsame schon vertraute Welt (Heimwelt), in der jedes zu ihr korrela
tive Subjekt lebt, die ihm in. einer unmittelbar zugänglichen Nahsphäre (Gegenwarts
sphäre und ihre Vergangenheit) gegeben ist, von der ausstrahlen die relativen Fer
nen, als zugängliche, in denen Menschen wohnen, die selbst wieder ihre Fernen haben
usw.
Vertrautheit im individuell Faktischen. Vertrautheit im Typischen der Verläufe
und in dem typisch zu Erwartenden.
Das individuell jedermann Bekannte als Ausgangspunkt der Orientierung, als
Beziehungspunkt für relative Orientierungen. Die Orientierungsformen, die Orien
tierungsdimensionen, rechts, links, nahe, ferne, die Zahl der Schritte, die Messung
mit Zählung. Das Iterative. Die Ordnung mit Zählung.
Individuelles in seinen explikativen Eigenheiten, in seinen Eigenschaften bestim
men, in seinem konkreten Typus (Substrattypus) bestimmen, in seinen Relationen.
Relative Bestimmungen als Ordnungsbestimmungen, Masse, Zahlbestimmungen. Das
letztere ist formal, wie alle Denkformen. Das Konkrete stammt aus der vertrauten
Erfahrung. Also objektive, austauschbare, für jedermann verstehbare und ausweis
bare Urteile. Ihre Evidenz: die der vertrauten konkreten Erfahrung, individuellen
und allgemeintypischen, die der vertrauten Art Mitteilung, Überlieferung von wirk
lich Erfahrenem an Andere (in vertrauter Sprache), Methoden der Teilung, Messung,
Zählung, Richtungs- und Ordnungsbestimmung: evident im Vollzüge der Denk
leistungen an selbst Erfahrenem, einzeln oder verbunden erfahren. Vorausgesetzt
die vertraute Welt, als Erfahrung vertraut.
Erweiterung der Heimwelt zur Welt für das Volk, Welt für eine kommunikative
226 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
schon ein Denkgebilde, ein Gebilde der Methode, und diese dann als
Thema objektiver, „exakter" Wissenschaft, in der sich objektive Welt
nicht bloss wie ein Heimweltliches expliziert und dann näher bestimmt.
Radikal einsichtige Wissenschaft nur Wissenschaft, die diese Metho-
5 de selbst thematisch macht. Universale Formenlehre der Konstitution
der Allwelt aus der Formenlehre iterativer Heimwelten etc.
BEILAGE XIII
NORMALE MENSCHENGEMEINSCHAFT <UND DIE
STUFENORDNUNG RELATIVER NORMALITÄTEN UND
10 ANOMALITÄTEN. DAS PROBLEM DER IDENTISCHEN WELT
FÜR JEDERMANN >
<wohl Sommer 1931 >
Wichtige Überlegungen zur Methode einer systematischen Auslegung der
Welt der Erfahrung — transzendentale Ästhetik —, ontologisch und kon-
15 stitutiv-subjektiv, hauptsächlich in Rücksicht auf die Stufen der Normali
tät-A nomalität.
Zu einer vorgegebenen Welt gehört eine Allheit ihr zugehöriger, mit
einander unmittelbar oder mittelbar tätiger Menschen, denen sie als
20 dieselbe vorgegeben ist, als dieselbe psychologisch konstituiert ist.
Ideal gesprochen: Wäre wirklich für einen jeden dieselbe Welt vor
gegeben 1 und infolge davon das Weltleben der Menschen auf diese
identische, und für sie identische, bezogen und würde auch durch
fortgehende Humanisierung die Identität der vorgegebenen Welt
25 für die Menschen (alle neu hineingeborenen natürlich mitgerechnet)
identisch dieselbe bleiben, so gäbe es keinen Unterschied zwischen
Gebildeten und Ungebildeten, von Gelehrten und Laien etc. So,
wenn wir die Vorgegebenheit im eigentlichsten Sinn aktueller Vor
gegebenheit verstehen. Aber nicht jeder hat wirklich Zugang zu
30 allem, was ist, für jeden ist zwar Welt mit einem unbekannten Ho
rizont bewusst, aber nicht jeder kann unmittelbar oder mittelbar
durch Erfahrung Kenntnis von allem Unbekannten gewinnen; mittel
bar, sofern er die Erfahrungen Anderer, bzw. die Erfahrungsbeschrei
bungen derselben übernimmt.
35 Wie in unserer Welt ? Auch Wissenschaften kommen in der Welt vor,
auch Staat und Staatsgesetze usw. Nicht jeder kann die Wissenschaf
ten kennenlemen, kann von ihren Theorien „Erfahrung” gewinnen,
und das ist, sie nachgestalten, einsehen, dadurch nachverstehend, nach-
einsehend die in der Arbeit der erfahrenden Forscher gewordenen Gei-
40 stesgebilde. Religiöse Symbole, Dogmen etc. sind auch zur Welt gehö
rig, aber direkt Zugang hat zu ihnen, der in der betreffenden Religion
steht, jeder andere indirekt, sofern er im unvollkommenen Nachver-
1 Im Sinn von aktuell zugänglich?
228 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
stehen als Irreligiöser oder einer anderen Religion zugehörig nur soviel
versteht, dass dergleichen etwas ist, was der Gläubige im wirklichen
Glauben in einer gewissen Weise realisiert, ähnlich wie der einer Wissen
schaft Unkundige die indirekte Vorstellung von „Kundigen” hat, für
5 welche die unverstandenen oder halbverstandenen Sätze und Be
gründungen volle Bedeutung und die Kraft der wirklichen Einsicht
haben. Ebenso hinsichtlich der Kunst. Die Laute hören ist nicht die
Musik hören, und die Musik als eine Verkettung von einzelnen Harmo
nien hören ist nicht die Symphonie, das Quartett etc. in seinem wirk-
10 liehen Sinn und seiner Eigenart wirklichen Seins in sich aufnehmen.
Was besagt das also, eine Menschheit als Allmenschheit einer ihr
identisch vorgegebenen Welt, oder wenn ich sage als Phänomenologe:
mir ist die Welt vorgegeben, ich bin mir dabei selbst als Mensch vor
gegeben, der Welterfahrung und durch sie Welterkenntnis hat, der an-
15 dere Menschen erfährt als Welt, dieselbe Welt Erfahrende und Erken
nende, und transzendental, ich bin auf eine transzendentale Intersub
jektivität bezogen, die eine und selbe Welt konstitutiv gemeinsam hat ?
Was besagt da identische Welt und Konstitution derselben, was cha
rakterisiert die Subjekte als Subjekte „für” diese Welt?
20 Ich bin Wissenschaftler. Ich rechne Wissenschaft über, Theorie
über die Welt nicht mit. Vorangeht Welt rein aus Erfahrung. Aber
was besagt das? Ist Wissenschaft nicht eine Form der Kultur, und ge
hört Kultur nicht zu den Erfahrungstatsachen der Welt ? Gehört dazu
ihr wissenschaftlicher Wert (die Wahrheit der Theorien oder die Un-
25 Wahrheit) mit, der in der einsichtigen Begründung als Ergebnis auf-
tritt ? Die Wissenschaftsgeschichte, die Kunstgeschichte etc., die Kul
tur in ihrer Geschichtlichkeit werden wir aus der tatsächlichen Welt
nicht verbannen.
Gewiss, aber wir werden doch sagen: Nehmen wir die Einstellung
30 auf die Welt bloss als Universum der tatsächlichen R e a l i t ä t e n , so
befasst sie die Natur, die Menschen und ihr reales Leben, ihre realen
Vermögen, ihre realen Identifizierungen, ihre realen Evidenzen und
Vermögen, Evidenzen zu wiederholen und in der synthetischen Wie
derholung immer wieder dasselbe als evident seiend zu finden. Die
35 Theorien selbst gehören nicht zur Welt, sondern die entdeckten •«The
orien > als entdeckte von dem und jenen Menschen, also besser, die
Entdeckungen entdeckender Personen und die Vermögen anderer Per
sonen, nachzuverstehen, mitzuurteilen, mitzuerkennen etc. Dem Be
griff der Realität entspricht der Begriff der r e a l e n E r f a h r u n g ,
40 der Erfahrung im gewöhnlichen Sinn, genauer: Erfahrung der Körper
welt, Erfahrung von der Menschen- und Tierwelt und der Pflanzen
welt, der Natur im weitesten Sinn (wohl die <püctlc, der Alten).
Was ist das nun, mit einer Allheit von Anderen dieselbe Welt vor
gegeben" haben,'dieselbe Natur, denselben Raum, dieselbe Zeit, erfüllt
45 mit denselben'Realitäten, denselben Dingen, denselben Menschen und
Menschengemeinschaften, denselben Kulturobjekten, denselben realen
Tatsachen jeder Art ? Aber ich und jedes Ich haben Welt nur horizont-
B EI L A G E X I I I 229
haft und wir haben nicht dieselben Tatsachen wirklich gegeben, nur
vorgegeben. Und weiter, wir sind weit entfernt davon, all das, was
einer als tatsächlicher Mensch in sich erlebt, z.B. wenn er ein Newton
ist, als Tatsache durch Nacherfahrung erfahren zu können, und selbst
5 dann nicht, wenn dieser Newton uns selbst von seinem Leben Mit
teilung machen wollte, so gut er es seinerseits kann. Nicht alle Tat
sachen sind, und nicht bloss weil wir gehemmt sind, in der Ausübung
unserer Vermögen zugänglich. Der reife Mensch, der nie Wissenschaft
getrieben hat, kann nicht wissenschaftliches Denken nachverstehen,
10 und im allgemeinen ist sein Leben zu kurz, um noch die entsprechen
den Vermögen in sich auszubilden. Und doch ist auch Newton oder
Einstein für jedermann in der Erfahrungswelt da,-von jedermann als
Mensch verstanden, nur eben unvollkommen. Die Welt hat nicht nur
den allgemeinen Horizont, sondern die Einzelrealitäten, die schon erfah-
15 renen, haben selbst in der Erfahrung ihre Horizonte, und diese sind
keineswegs vollkommen zugänglich. Die Erfahrungswelt ist ein offenes
Universum erfahrbarer konkreter Realitäten. Insofern haben „wir”
alle eine Erfahrungswelt, als wir Zugang haben (mindestens indirekt und
mittels all der Anderen, zu denen wir Zugang haben) zu allen Realitä-
20 ten, zu denen sie Zugang haben, und zwar als denselben Gegenständen
möglicher Erfahrung, obschon wir und sie nicht zu allen objektiven
Merkmalen dieser Realitäten Zugang haben. Was irgend jemand kon
kret gegeben hat als ein Reales in Wahrnehmung und in einer anschau
lichen Abwandlung von Wahrnehmung, das kann ich entweder auch
25 wahmehmen oder ich hätte es können oder ich kann es mir in'Über
nahme seiner Erfahrung mittelbar anschaulich machen (als wie wenn
es ein Wahrgenommenes wäre) etc.1, ja das Reale in einer Erschei
nungsweise, einer Anschauung, die es individuell in eigentlicher oder
uneigentlich-mittelbarer Weise zur anschaulichen Geltung bringt, ob-
30 schon mit einem zum Teil vielleicht ganz und gar unzugänglichen Ho
rizont.12
Es ist dann aber das Problem: wie die Welt vorgegeben sein kann als
eine an sich b e s t i mmt e , also doch für jedermann seiende, auch
nach dem Unzugänglichen für viele Menschen. Gewinne ich Einsicht
35 in die psychische Art und Leistung eines produktiven Geistes, ich
vielleicht als der einzige, wie komme ich dazu, das zur Welt des Jeder
mann zu rechnen, meine Näherbestimmung des Horizontes als Näher
bestimmung des Menschen, der für jedermann dieser Mensch ist, zu
beanspruchen? Es ist ja nicht allgemein mitteilbar, es kann nicht all-
40 gemein übernommen werden als wie eine Erfahrung und nicht für je
dermann durch Einfügung in den einstimmigen Zusammenhang der
intersubjektiven Erfahrung bestätigt oder korrigiert werden.
Was ich in meiner einstimmigen Erfahrung kennenleme als die mir
1 Das gilt für alle, die unmittelbar oder mittelbar mit mir in wirklichem Konnex
stehen.
2 „Wahrnehmung” —- hier natürlich zugerechnet die Fremdwahrnehmung und
ihre Verwandlungsmodi der Analogisierung von Tieren mit Menschen.
230 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
schon geltende Welt bestimmend, das geht auch die Welt, die der An
dere erfährt, an. Er ist für mich konstituiert als auf dieselbe Welt bezo
gen. Ich erfahre ihn nicht als all das im einzelnen erfahrend, was ich
erfahre, und alle Bestimmungen desselben erfahrend, das wir erfahren,
5 obschon ein Boden der Gemeinsamkeit wirklicher Erfahrung durch die
Einfühlung selbst gegeben ist als ein Bereich gemeinsam wirklicher Zu
gänglichkeiten. Das betrifft die Schichte der konkreten, deskriptiven Na
tur, der physischen; ebenso die Leiblichkeit und eine kleine Schichte,
Struktur der Seele, des personalen Lebens und Treibens, insbesondere
10 des Instinktlebens, übergeleitet in bewusste Bedürfnisse und typische
Weisen der Bedürfnisbefriedigung. Indem ich Andere in tieferen
Schichten mir zur Erfahrung und Erkenntnis bringe, so liegt in der
Übertragung nicht die Meinung, dass der Andere zu denselben wirklich
ebenso Zugang hat und das entsprechende Vermögen dazu hat wie ich,
15 und ebenso bei sonstigen realen Tatsachen der Welt. Wir erfahren den
selben Realitätenkreis und im besonderen das betreffende Reale ge
meinsam, wir haben überhaupt gemeinsame Erfahrungswelt. Jede Er
fahrung, die ich nun hinsichtlich eines Realen mache, gilt, solange sie
undurchstrichen bleibt durch hervortretende Unstimmigkeit, <sie>
20 bleibt für die gemeinsame Welt in Geltung, solange sie die intersubjek
tive Einstimmigkeit nicht stört. Dass der Andere gewisse Erfahrungen
nicht hat und gar nicht haben kann, als wie er ist, stört nicht die Ein
stimmigkeit. Meine erweiterte Erfahrung gilt also fort für die Welt,
die unsere gemeinsame Erfahrungswelt ist. Für die Anderen wird, was
25 ich vielleicht als einziger erfahre, und in einer Weise, die Mitteilbarkeit
und Übersetzbarkeit in analogisierende Anschauung ausschliesst, doch
als indirekte Anzeige auffassbar, wenn ich (wie etwa, wo es Erfahrung
von wissenschaftlicher Erkenntnis ist) Konsequenzen ziehe und diese
sich bewähren, und zwar in einer für Andere anschaulich verständli-
30 chen Weise. Dann surrogiert ihm für die fehlende Erfahrung der Ge
danke einer „gewissen” Einsicht, die der Andere hat, mittels deren er
weltliche Tatsachen voraussieht etc.
Eine Menschengemeinschaft, in der jeder jeden anderen als Mitsub
jekt derselben Erfahrungswelt in dem Sinn erfährt, dass dieser in
35 Eigenerfahrungen direkten oder indirekten Zugang zu allen Realitäten
dieser Welt hat, ist eine n o r ma l e G e m e i n s c h a f t . Jeder davon
erfährt den Anderen und <sich> selbst als normal.1 In diesem Sinn ist
ein Volk „primitiver Menschen” in Relation zu i h r e r Welt, der ihnen
vorgegebenen, und in wechselseitiger Übernahme der Erfahrungen
40 stimmend normal.
Das sagt also nicht, dass alle auf gleicher Stufe stehen. Es gibt ja
noch einen anderen Begriff des Normalen. Innerhalb desselben Volks
kreises gibt es in der sinnlichen Erfahrung und in allen Vermögen
Unterschiede, Unternormale (vorübergehend oder dauernd, also das
1 Aber das ist noch ungenau. Die Gemeinschaft muss als eine Allheit von Menschen
gefasst werden, die, sei es noch so mittelbar, in Erfahrungskonnex stehen.
BEILAGE XIII 231
1 Bezogen auf die Typik der Lebensalter als der Entwicklungsstadien, aber auch
der Stände, der Berufsschichten.
2 Für jede Entwicklungsstufe.
3 Jedes Lebensalters.
4 Es gibt also nicht eine, sondern viele Durchschnittlichkeiten, unter ihnen eine
oberste oder mehrere oberste.
6 „Durchschnittlichkeit" nachträglich verändert in „Durchschnittlichkeiten”. —
Anm. d. Hrsg.
6 Seiner Gruppe.
232 „ C A R T E S I A N I S C H E M E D I T A T I O N E N ” 1931-1932
sitiv und negativ praktisch für mich in Frage sind ? In dieser Welt sind
für mich Andere vorhanden, aber sie sind zugleich Mitsubjekte der Er
fahrung und der Praxis, in dieselbe Welt hineinlebend, und in Gemein
schaft mit mir, praktisch und erkenntnismässig. Diese Welt als eine
5 und dieselbe für uns alle, in die wir alle in mittelbarer praktischer Ge
meinschaft gemeinsam hineinleben, steht ihrem Sein nach in der Korre
lation der Vorhandenheit fü r das Uns-angehen (einzeln und in Ver
gemeinschaftung), und uns als Subjekten, die sie etwas angeht. Aus
dem aktuellen Angehen der Beschäftigung mit ihr nimmt sie immer
10 neuen Inhalt als vorhandene, als vorgegebene an. Das ist die Grund
tatsache. Einheit dieser Welt für „uns alle” ist korrelativ Einheit der
miteinander unmittelbar oder mittelbar in Lebenskonnex, der erfah
render, wertender und letztlich praktischer Konnex ist, stehenden
Menschen, wie diese Welt selbst für sie — für uns alle — praktische
15 Umwelt ist.
Wie nun zur He i mwe l t und von dieser weiterkommen, wie die
Heimwelt in ihrer konstitutiv fundierenden Gestalt durch Abbau be
stimmen? Sollen wir sagen: Die Welt als Lebensumwelt, also prak
tische Umwelt, hat einen unpraktischen Horizont, einen unerfahrenen,
20 unerfahrbaren, praktisch nicht bloss „ausser Spiel "gelassenen (was
schon praktisch wäre), sondern überhaupt für Praxis nicht in Frage
kommenden Horizont ? Das kann nur heissen, es liegt in der Art des
Seins und Lebens dieser Menschheit und ihrer Lebensumwelt, dass sie
sich in einer praktischen Erfahrungs- und Wirkungsendlichkeit hält,
25 dass die praktische Unmöglichkeit weitergehender Erfahrung die
Praxis, die Lebenswelt einengt und nur die leer-gedankliche Möglich
keit einer weiteren Erfahrung übrig ist, die als praktisch undurchführ
bar ausser Betracht bleibt, wie etwa die Lebenswelt eines Inselvölk
chens, das ganz isoliert seine „Weltvorstellung” hat und seine Welt als
30 endliche Lebensumwelt. So kann überhaupt in verschiedener Weise
eine relative geographische und zunächst unüberschreitbare Grenze da-
sein und für die Lebenswelt bedingend. Es kann aber auch, während
schon ein weiterer Horizont von Menschen- und Weltdasein (andere
Lebenswelten) gebildet ist, eine Heimwelt, bzw. eine praktisch ge-
35 schlossene Umwelt in Endlichkeit (im wesentlichen) verbleiben.
Das gibt eine Stufenordnung relativer Normalitäten und Anomali
täten und Stufen der Erweiterung „unserer” Welterfahrung und der
erfahrenen Welt als solcher. Genauer gesprochen, der Welthorizont
gewinnt immer neue Besetzung durch Erfahrungen und entsprechende
40 Korrekturen und Vorzeichnungen, wonach er aber immer eine Offen
heit behält, und das sagt Unbestimmtheit, die immer wieder neue Be
stimmung, Näher- und Andersbestimmung, durch Erfahrung als Vor
zeichnungen annehmen kann. Wir sagen, der Mensch lernt durch fort
schreitende Erfahrung seine relative Umwelt überschreiten, er lernt
45 d ie Welt immer besser kennen. Umgekehrt müssen wir transzenden
tal sagen, er konstituiert für sich mit einem immer reicheren Sinn die
Welt, die ihm gilt, aber nur mit einem unbestimmten Horizont gilt.
BEILAGE XIII 233
nen fortschreiten kann. Wie komme ich, und muss ich kommen, zu
einer übergreifenden Einstimmigkeit? Aber kann ich nicht von mei
nem transzendentalen Boden aus meiner Primordialität, meiner .Ein-
fühlung und durch sie meiner möglichen Gemeinwelt wesensmässig er-
5 forschen, welche Struktur eine Welt überhaupt als eine Heimwelt ha
ben muss und welche Struktur eine einstimmige Welt überhaupt,
durch welche Synthesen welcher Heimwelten immer sie für mich <in >
relativem Sinn (relativ durch ihren offenen Horizont) zustande kom
men mag, in Wesensnotwendigkeit haben muss, also auch die Wesens-
10 Struktur einstimmiger, sei es auch internationaler, interkultureller Er
fahrung, und die Wesensformen möglicher wechselseitiger Korrek
turen?; Heimweltliche, nationale und sonstige Einstimmigkeit relativ
abgeschlossener Menschheiten ist noch keine universale Einstimmig
keit. Im Wesen der kontinuierlich sich bewährenden Einfühlung liegt,
15 dass wir Beteiligte im Miteinander auf di es el be Welt bezogen sind,
derselben Heimmenschheit angehören. Das schliesst im einzelnen
Fall, wo ich mit einzelnen zu tun habe, aber auch wo Gemeinschaften
in Frage sind, nicht wechselseitige Korrekturen aus, ja die Möglichkeit
solcher ein. Es ist also nicht gesagt, dass ohne weiteres, was ich als
20 Welt einstimmig in Erfahrung habe, seine Einstimmigkeit auch behält
als Teil der begründeten einstimmigen Synthesis meiner und Anderer
Erfahrungen und Erfahrungseinstimmigkeiten. Die Frage ist nicht,
wer da in seiner Immanenz der Erfahrung den Vorzug hat, sondern wie
es mit der Gemeinschaft der beidseitigen Gesamterfahrungen in ihrer
25 möglichen oder herzustellenden Synthesis der Einstimmigkeit steht.
Stellt sie sich her, und sogar in Synthesis mit immer neuen Menschhei
ten her, so kann immer noch die Frage nach der Endgültigkeit dieser
Einstimmigkeit gestellt werden, oder vielmehr, es ist immer wieder die
Einstimmigkeit eine relative und in Bewegung. Die Erfahrung, Einzel-
30 und Gemeinschaftserfahrung, steht nicht still. Es ist dabei zu beden
ken, dass ich die mir seiend geltende Welt auslegend und die Geltung
von mir aus, auf Einstimmigkeit als Korrelat des Seins bedacht, korri
gierend, doch nicht Welt als die meiner bloss privaten Überzeugungen
im Auge habe, sondern die Welt für alle. D.h., in mir der Anderen Er-
35 fahrungen und Einstimmigkeiten nachverstehend, lasse ich sie gelten
als meine Welt mitkonstituierend, solange als Erfahrungsunstimmig
keit nicht zur Durchstreichung führt und ihre Erfahrungen sich als
täuschende Illusionen mir enthüllen. Hier habe ich die Möglichkeit,
von meiner Erfahrung aus, der unmittelbaren, eigentlichen, primordia-
40 len aus, die Wesensmöglichkeiten der einstimmigen Einfühlung ver
schiedener Stufen und der durch Synthesis herzustellenden Einstim
migkeiten zu erforschen, in Rechnung ziehend die möglicherweise mit
geltenden Anderen und ihre Erfahrungsgeltungen, dadurch eine mög
liche Erfahrungswelt als Umwelt aller in der Einheit einer Erfahrungs-
45 gemeinschaft stehenden Mitmenschen und einer verbundenen Mensch
heit überhaupt zu umzeichnen, und zwar in offener Unendlichkeit.
Das wird die Aufgabe einer t r a n s z e n d e n t a l e n Äs t h e t i k ,
BEILAGE XIII 235
als möglich erscheinen lässt, dass sie sich heimwelthch forterhält und
raumzeitlich erweitert. Zur Heimweh gehört vor allein die Formstruk
tur der erfüüten Raumzeitlichkeit, der Aufbau aus einzelnen Realitä
ten in raumzeitlicher Ordnung, in Modis der Zeitigung, in raumzeit-
5 hcher Gestalt und nicht nur Lage hinsichtlich des raumzeithchen In
halts: die Kernstruktur blosse Natur usw. Da ergeben sich dann be
sondere Fragen: z.B. Bedingungen der Möglichkeit einer Identität
eines Naturdinges als Gegenstandes möglicher Erfahrung, und zwar
einer allheithch einstimmig durchzuführenden Erfahrung.
10 Das Studium der Konstitution schon der Natur in der Heimsphäre
führt auf die Relativität der Konstitution: sinnhch normal erfahrene
Natur, Natur bezogen auf eine sinnhch normale Heimgemeinschaft
und Identität der Natur für sinnhch Anomale in Synthesis mit sinn
hch Normalen. Aber schon im einzelnen Individuum normale Konsti-
15 tution und anomale von demselben.
Das überträgt sich ins Zwischenheimathche. Es wäre z.B. denkbar,
dass die alten Griechen wirklich in Relation zu unseren neueren Völ
kern in bestimmter Weise farbenblind gewesen wären, obschon doch
die erfahrene Natur im Wesen dieselbe wäre.1
20 Die wahre Natur als synthetische Einheit aller normalmenschheit-
hchen Erfahrungen (normal im vorigen Sinn) ist eine Idee, sie leitet
die Wissenschaft und ihre „Idealisierungen", und Wissenschaft er
möglicht dann die Antizipation aller relativen, bloss sinnhch erfah-
rungsmässigen Naturen und korrelativ ihre konstitutiven Systeme. Die
25 Natur des Normalen in seinem Absehen von den Vorkommnissen der
sinnlichen Anomalität wird zu einem bloss relativen und „subjektiven”
Aspekt der wahren Natur als Idee. Die Natur aus wirklicher und mög
licher Anschauung, in Einheit eines universalen „Bildes” gedacht, ist
unerachtet ihrer Unendlichkeit ein blosser Aspekt, aber durch diese
30 Aspekte hindurch konstituiert sich synthetisch auf Grund dieser „Er
fahrung” intuitive Identität.12
BEILAGE XIV
<ZUM PROBLEM DER WELTANSCHAUUNG. UMWANDLUNG
FREMDER ERFAHRUNG IN MÖGLICHE EIGENE >
35 (2. Oktober 1932)
BEILAGE XV
15 <VERGEGENWÄRTIGUNG VON UNZUGÄNGLICHER NATUR
UND EINFÜHLENDE VERGEGENWÄRTIGUNG > 1
(<August oder> September 1931)
rung auf, machen wir uns nicht auch in der Physik „Modelle”, wo
von Sichtbarkeit und dgl. doch keine Rede sein kann ? Denken wir uns
den flüssigen Zustand der Erde bei ungeheuren Temperaturen nicht so,
wie wir uns schmelzendes Metall und dgl. aus wirklicher Erfahrung her
5 denken ? Festes kann flüssig werden, kann schmelzen,1 nun auch die
feste Erde. Ich denke das Schmelzen in der Indikation so, als ob ich
doch dabei wäre und es sähe — und ebenso die Vereisung in der Eiszeit
oder die Ichthyosaurier, als ob ich im Meer, in dessen Temperatur ich
nicht leben könnte, schwimmen und diese Ungetümer sehen würde, wie
10 ja auch für das Meer, wie es in den gewaltigen Tiefenschichten ist. Ich
sehe mit den Augen der indizierten Tiere, nachverstehend, so könnte
man hier sägen.
Was ist das für ein Anschaulichmachen — Sehen, Erfahren-als-ob,
worin sich das Als-ob-Erfahrene konstituieren würde — als ob. Ich
15 bin, ich konstituiere in beständiger Apperzeption, in beständiger Ana-
logisierung durch Fortgeltenlassen des Alten und Auffassen des Neuen
nach Analogie des Alten. Ich spreche von Gestalt, Grösse etc., als ob es
sich um ferne Punkte handelte oder Fernperspektiven, die ich oder wir
in Nahperspektiven, in ein Optimum verwandeln könnten. Was be-
20 deutet dieses „als ob” ? Wie versteht sich die erweiterte Konstitution
als Konstitution, als identifizierende Sinnbildung, in der jede Stufe
„Erscheinung” ist von demselben?
Was sind das für „Indizierungen”, für Analogisierungen ? Es sind
doch Indikationen von Schmelzen etc. Also ich schliesse von Bekanntem
25 auf unbekanntes Ähnliches, von anschaulich Konstituiertem und zu
Konstituierendem auf Ähnliches ? Ähnlich wie bei E i n f ü h l u n g s Ver
gegenwärtigungen. Aber ist da nicht ein Ich mitvergegenwärtigt, das
dann leiblich dabei sein müsste? Aber eben das soll ausgeschlossen sein.
Wodurch, müssen wir fragen. Eine Feuerstelle von Menschen, verge-
30 genwärtigend-indizierend verstehe ich das, glaube es. Aber wie kann ich
das? Als ob ich dabei wäre. Die Anderen habe ich doch erst durch
dieses Als-ob-dabei-sein, aber ich bin nicht dabei, ich bin hier.
Spielt dieses Als-ob nicht schon seine Rolle bei der Analogisierung
meines Leibes hier mit seinem Leib dort, wodurch ich erst den Innen-
35 leib für den Anderen bekomme ? Ich kann doch nicht zugleich hier und
dort sein. Ich kann mir im voraus denken, dass ich dorthin ginge und
dann dort wäre. Ich kann ein Nahding dorthin bewegt denken; ich
kann das Nahding nicht wirklich in den Nullpunkt bringen, meinen
Leib kann ich nicht wegschieben, aber in den Nullpunkt gebracht
40 „denken” und meinen Leib hingeschoben „denken”, also nun auffassen
als im Raum bewegt dorthin, in Deckung mit meiner Innenbewegung.
Erfahren kann ich das nicht, es ist eine eigene Art Vergegenwärtigung,
die eine Modifikation ist einer Wahrnehmung; und wieder eine eigene
Art in den anderen Fällen.
1 Nicht alle sinnlichen Schichten sind leiblich realisierbar, ich kann es nicht tasten
etc.
244 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
den Sinne im Spiel sind oder nicht. Ein Ding im Tasten gegeben,
es ist aber ungesehen das, was sein Aussehen hat. Im Tasten
habe ich die wechselnde Gegebenheitsweise, aber ich erfahre es
als unverändert, und es hat im voraus schon, was in späterer
5 Stelle als tastlich ihm zugehörig sich ergeben wird. Es ist ,,ap-
präsentiert”, und das Präsentierte ist beständig strömend eins
mit dem Appräsentierten. Da ist es die Konstitution durch
Potentialitäten der Wahrnehmung unter vermöglichen Kinäs-
thesen. Das Optische ist antizipiert, ein Gegenstand, den ich
10 tastend gegeben habe oder den ich anfasse im Dunkeln, über
haupt ungesehen, weckt die Möglichkeit des Sehens und spannt
vor ihn ein Bild aus der optischen Sphäre unter Umständen
möglichen Sehens, eine Strecke des optischen Sehens wird
lebendig, als Vorsprung in die Möglichkeit.
15 Aber wie ist es bei der Vorstelligmachung meines Körpers?
Hier habe ich doch an ihm selbst eine beschränkte Vermöglichkeit
als konstituierende ausgebildet. Ich kratze mich auf dem Rücken
und ich „sehe” meinen Rücken visuell appräsentiert, während
ich doch ihn nicht sehen könnte. Warum hat mein Leib nicht
20 eine beschränkte visuelle Schichte, oder was gibt dieser antizi
pierten Erscheinungsweise ihren Funktionssinn, da es doch nicht
antizipierte wirkliche Sichtbarkeit sein kann, aus meinem
erfahrenden sehenden Vermögen? Ich habe meinen Leibkörper
wie ein sonstiges Ding vorstellig, und diese Vorstellung ist
25 jeweils eine erfahrende, Geltung in sich tragende. Aber wie, ist
diese eine Geltung aus anderen Sinnesquellen, muss ich sie dann
nicht darin finden? Nun ich weiss doch, wie es mit dem Sehen
steht und mit dem möglichen Tasten meines Rückens und dass
dieses nicht erst warten muss auf ein Hingehen und <dass>
30 beständig Anzeigen hier von der beständig gesehenen und ge
tasteten etc. Vorderseite ausgehen, also nur warten muss auf
die Kinästhesen des Hinwendens der tastenden Organe. Ist es
nun so, dass die Anschauung meines Rückens, sowie ich die
Intersubjektivität ausser Spiel gesetzt habe, eo ipso abstraktiv
35 auszuschalten ist als von den Andern herstammend? Aber
ist nicht gerade für die Einfühlung die Schwierigkeit, zu ver
stehen, wie Appräsentation möglich werden soll, wo die ent
sprechende Vermöglichkeit der Präsentation für mich fehlt ?
TEXT NR. 15 247
Ad Einfühlung
Wird durch das Zustandekommen der Erfahrung von Bewegt-
35 werden und Übergängen des Bewegtwerdens in Ruhen oder
1 Offenbar spielt auch die Typik eine Rolle, die vertraute Weise, wie ein Haus der
Nabe sieb perspektiviert etc.
TEXT NR. 15 249
1 Ursprünglich, vor der von Husserl wohl unmittelbar vollzogenen Korrektur, lau
tete der Text der beiden vorangehenden Absätze (von S. 250, Zeile 19 an): „Phan
tasiere ich mich in den anderen Leib hinein ? Vollziehe ich ein phantasierendes ,als ob
ich den Körper dort als meinen Leib, in diesen verwandelt als Leib hätte’? Aber von
der blossen Phantasie führt kein Weg in die Wirklichkeit. Oder liegt statt einer puren
Phantasie eine phantasiemässige Umwandlung und Ansetzung einer Seinsmöglich
keit vor? Ich kann mir das Ding dort umphantasieren, so dass es seine Farbe ändert,
dass es anfängt sich zu bewegen etc. Aber das sind im Wesen des Dinges, in seinem
Sinn beschlossene r e a l e M ö g l i c h k e i t e n . Wie komme ich in unserem Fall zu
einer realen Möglichkeit ? Real möglich ist, dass ich dorthin ginge, wo der Andere ist,
wenn er, wenn sein körperlicher Leib seinen Ort verlässt; so kann ich mich an die
Stelle jedes Dinges versetzen, es fortbewegt denken und mich dahinbewegt, wo es
war. Ich kann mir zugleich eine Wandlung, eine körperliche, meines eigenen Leibes
wohl denken, dass mein körperlicher Leib nun genau so beschaffen wäre wie der des
Anderen. Freilich nehme ich dann meinen wie seinen als blosse Körper der Natur.
Biophysisch sich einen Organismus in einen genau gleichen andern real verändert
denken — eine solche Veränderung widerspricht aller bisherigen Erfahrung. Also es
fragt sich, ob sie real möglich ist, a priori, und selbst schon für Naturobjekte, ob völ
lige Gleichheit nicht real ausgeschlossen ist aus dem Apriori der Natur. Aber vorstel
len kann ich mir natürlich, dass ich dort hinkäme und von hier aus .genau so aus
sähe’ als Körper wie der Körper dort.
Ich kann aber doch so sagen: Zwei Körper können, was wir aus der Universalität
der voll entwickelten Erfahrung wissen, derjenigen, die Welt und Natur im vollen
Sinn konstituiert, nicht absolut gleich sein; darin liegt, dass nicht alle ihnen zugehö
rigen Erscheinungsweisen (innerhalb einer universalen Einstimmigkeit aller Erfah
252 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
rungen) gleich sein <können>. Aber sehr wohl ist es möglich, dass von meinem Hier
aus, auch in einem Wechsel meiner Stellung, ja während meiner ganzen lebendigen
Gegenwart zwei Dinge für mich völlig gleich aussehen, dass sich in ihrem zugehörigen
Erscheinungswandel mir zwei Dinge völlig gleich perzeptiv darstellen, so dass ich sie
gleich bestimmt sehe. Habe ich nun wirklich für meinen Leib eine Vorstellungsweise
möglich, die ich solipsistisch in den Erscheinungsweisen eines Dinges — wie jedes
Aussendinges —, wenn auch mittels indirekter Vergegenwärtigung, vorstellig mache,
und so für jede Raumstelle, zu der er hingehen kann, so würde es auch möglich, dass
ich einen AussenkÖrper vorfände, der im Dort ein solches Aussehen mir zeigte, das
ich ununterscheidbar finde von meinem Aussehen im Dort, wie ich es mir gültig
.vorstelle’.
Aber ich bin doch hier, und bleibe es, wenn ich körperlich mit dem fremden
Körperleib .gleich aussehe’, und der Ansatz, ich wäre dort, hat nur Möglichkeit als
Ansatz, ich könnte jetzt dahin gehen, ich könnte dahin gegangen sein, gefahren
worden sein etc. Diese Möglichkeiten beherrsche ich, wie auch alle die Erscheinungs
mannigfaltigkeiten, die als Abwandlungen derjenigen, die ich hier habe, dort ein-
treten müssten. Diese sind seinsmässig vorgezeichnet.
Was ist nun dem gegenüber Einfühlung, da sie all das nicht ist und natürlich keine
Hypothese sein kann, dass ich j e t z t dort sein könnte in dem Sinn: jetzt dort und
zugleich, wie ich es wirklich bin, hier ? Ich sage, die aller Assoziation — der originären,
positionalen, nicht im Als-ob der Phantasie verlaufenden, für die dann eben alles für
die ursprüngliche Assoziation Gültige sich entsprechend modifiziert — wesenseigen
tümliche Apperzeption— Übertragung des Seinssinnes; also hinsichtlich der Position
ist sie eigentlich Adposition, oder besser, Transposition zu nennen”. — Anm. d. Hrsg.
TEXT NE. 15 253
es auch sein, dass nur ein Teil der Präsumption bewährend über
gehen kann (d.h. standhalten kann) in das Analogon. Umgekehrt
kann die Rückübertragung auf das andere Analogon zugleich zu
neuen Momenten standhaltender Analogie führen, trotz der
5 hervorgetretenen Differenzen.
In unserem Fall der Einfühlung bin ich für mich, vertraut und
aus meiner Lebenserfahrung her, konstituiert mit dem Sinn des
in diesem einzigen körperlichen Leibding waltenden Ich mit
allem, was dazugehört. Es ist eine konstituierte Geltung, natür-
10 lieh mit einem offenen Geltungshorizont; die sinnbildende und
mich als diese psychophysische Ureinheit konstituierende Erfah
rung geht ja fort.
Andererseits, der körperliche Leib dort ist für mich ausschliess
lich mit dem Sinn Aussenkörper in seinem offenen Universum
15 von Aussenkörpern konstituiert, nämlich so, wie er in die Paarung
eintritt, genommen. Tritt sie ein, und ohne weiteres in dem Mo
mente, wo ich jenen Körper dort erfahre, und zwar in einer Er
scheinungsweise, die ursprüngliche Paarung ermöglicht,1 so über
trägt sich von ihm her bloss durch Apperzeption die Körperlich-
20 keit und alles, was dazugehört, in der blossen Abwandlung der
Ähnlichkeit, wir können sagen, im Rahmen des Typus Körper
überhaupt. Natürlich bewährt sich diese Übertragung ohne
weiteres, wenn mein körperlicher Leib eben für mich wirklich als
Körper, und beständig konstituiert ist. Das ist der erste ent-
25 scheidende Punkt. Andererseits, von mir aus überträgt sich die
spezifische Leiblichkeit und das ,,ich walte” auf diesen Leib,
und zwar analogisiert. Nicht überträgt sich im wörtlichen Sinn
mein Ich und Walten usw.
Hier ist der zweite entscheidende Punkt erreicht. Ich bin für
30 mich konstituiert eben aus Erfahrung und in einem Horizont,
einem Erfahrungsstil, der von der vergangenen Erfahrung her
vorgezeichnet ist, und ich bin als Ich dieses Vergangenheit und
Zukunft und lebendige Gegenwart umspannenden Stiles, habe
darin meinen Sinn als o r ig in a le n . Die „Ähnlichkeitsübertra-
35 gung” o r i g i n a l e n Lebens, im Leib Waltens, original durch
dieses Walten in die Welt, die ich eben wirklich erfahre, Hinein-
1 Im allgemeinen kann ja erst bei hinreichender Annäherung das schon als Aussen
körper Apperzipierte in die Verähnlichung treten.
254 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
1 Ich bin ja einzig, und in meiner Primordialsphäre kann kein Aussending ein
Ichanalogon, ein Walten ausweisen, das hiesse ja, perzeptiv erfahrbar ausweisen.
TEXT NR. 15 255
Wie kann nun doch in der primordialen Sphäre ein Aktus auf-
treten, eine apperzeptive Präsumption, die als Präsumption ver
gegenwärtigend und anschaulich zu machen <ist>, doch nicht in
vermöglicher Bewährung original bewährt, doch aber bewährt
5 <werden kann >?
Ist sozusagen die Angleichung meines Leibes an aussen-
dingliches Sein (das doch wesentlich verschieden erfahren und er
fahrbar ist) schon vorgegeben und so für mich mein Leibkörper
„anzusehen” als ein Dingkörper wie irgendein anderer, ist sonach
10 die individualtypische Ähnlichkeitspaarung meines Leibes mit
irgendeinem Körper zustandegekommen, so ist zunächst zu
überlegen, was das für eine individualtypische Paarung ist.
Mein Leib ist für mich konstituiert als eine vielgliedrige Einheit,
die Glieder sind meine Leibesorgane, sie sind durch mein be-
15 ständiges Walten in ihnen, bald einzeln, bald sie zusammen in
Anspruch nehmend, in besonderer Weise beständig abgehoben,
auch hinsichtlich der puren Körperlichkeit. Also immer als so
gegliederte, in dieser Gliederung allerbekannteste und immer so
apperzipierte Einheit, Vielheit in Einheit bewusst und in der
20 abstraktiven Blickrichtung auf die blosse Körperlichkeit so
apperzipiert. Die individualtypische Ähnlichkeit mit einem
Aussenkörper besagt also, dass er eben als eine solche vielghedrige
Einheit apperzipiert ist und dass es nicht überhaupt eine viel
ghedrige Einheit ist wie ein Baum in seinen Verzweigungen;
25 mein Leib ist für mich individualtypisch auch in seinen Händen,
Fingern, Armen, Beinen etc., und dies setzen wir voraus in Ähn
lichkeit, in individualtypischer Ähnlichkeit des Ganzen und eben
solcher Ähnlichkeit der abgehobenen Teile, für den zweiten Kör
per, der als Leib soll apperzipiert werden können.
30 Weiter gehört hierher das Individualtypische der Bewe
gungen, der Veränderungen des eigenen Leibes und seiner
Glieder im einzelnen und in Verbänden oder Gruppen, wie
sie typisch eben zugehören zu den Weisen des ichhchen psycho
physischen Waltens. Bei mir gehört diese Typik eben zu meinem
35 Walten, unabgesondert, es „gehört” dazu. Das Walten ist nur
Walten als vertraute Einheit der Zusammengehörigkeit, aus einer
Einheit der Konstitution, die in jeder lebendigen wachen Gegen
wart aktuell ist als originale Erfahrung, als immanent originales
strömend verlaufendes Erscheinen vom Leib mit seinen Ghedern
256 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
1 Welche Art Abgehobenheit oder Schichtung hat der Leib in sich, als Raumkörper
und als ichliche Leiblichkeit? Aus der Konstitution her ist doch der Körper in einer
Sonderschichte konstituiert.
TEXT NR. 15 257
Von mir aus habe ich nun konstitutiv die für mich seienden
Andern. Ein Körper meiner Primordialität, in ihr zunächst nur
25 konstituiert als Aussenkörper, verähnlicht sich assoziativ mit
meinem Leib hinsichtlich dessen Leibkörperhchkeit und ap
präsentiert nun in einer eigenen Weise. Ein in diesem Aussen
körper Walten kann nicht bloss appräsentiert sein, in meiner
Primordialität ursprünghch konstituiert kann ein Walten prä-
30 sent nur sein als mein Walten in ursprünglicher Wahrnehmung
(oder was dasselbe, Präsentation). Der Körper dort ähnelt mei
nem Körper, wie wenn ich dort wäre. Er vergegenwärtigt durch
seine optische Gegebenheitsweise oder schon als haptisches
Nahding die Selbsterscheinungsweise, die ich haben würde, wenn
35 ich dorthin ginge und an Stehe dieses Dinges wäre, und so das
Ausser-mir-sein eines Körpers, an dessen Stelle ich dort sein
könnte — eines ähnlich gegliederten, in ähnlicher Typik sich
258 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
Leib nicht der Fall. Abgesehen davon, dass er als mein Leib ein
zig ist dadurch, dass er erfahren ist als mein Totalorgan und ge
gliedert in Organe, in denen ich das fungierende Ich bin, und so,
dass in diesem Funktionieren alle Dingwahrnehmung statthat
5 und auch die Wahrnehmung des Leibes selbst, durch sich selbst
also, ist der Leib auch einzigartig konstituiert dadurch, dass er
sozusagen halb und halb als Ding erfahren ist und doch nicht
für ihn erfahrbar ist dingliche Bewegung — so wie diese eben ur
sprünglich sich konstituiert in perspektivierenden Phänomenen.
10 Daran ändert sich nichts, wenn wir das Gehen hinzuziehen.
Diese Kinästhese erwirkt zunächst dadurch ein Neues, dass jene
erste „Welt", die bei konstantem Stehenbleiben (als Stillbleiben
dieser Kinästhese) konstituiert ist, um meinen körperlichen Leib
bzw. eine darin konstituierte Nullstelle fest orientierte Welt ist;
15 tritt das Gehen ein, so bleibt es dabei, dass alles Weltliche, das
für mich da ist, mir um meinen phänomenal stillbleibenden,
„ruhenden” Leib orientiert erscheint, nach hier und dort, nach
rechts und links usw., wobei ein festes Null der Orientierung so
zusagen als absolutes Hier verharrt. Aber nun ist das „Erschei-
20 nung", und so, dass alles, was bei beliebiger Unterbrechung des
Gehens und bei Umkehr des kinästhetischen Tuns (Zurückgehen)
sich als ruhendes Objekt zeigt und im stillstehend Bleiben als ru
hend sich ausweist, nun als in einem Orientierungswandel und
danach in einer Scheinbewegung sich gibt, während Bewegung
25 im Stillstand entweder als Ruhe oder phänomenal als abgewan
delte Bewegung sich gibt. Das Gehen erhält die Bedeutung einer
Abwandlung aller koexistenten subjektiven Erscheinungen,
durch die sie eben nun erst die Intentionalität der Erscheinung
von den Dingen erhalten, als <die> sich in den orientierten Dingen
30 und dem Orientierungswandel als identische Dinge konstituieren.
So wie jede Kinästhese sinngebend dadurch fungiert, dass sie
ihre Modi Stillhalten und in Gang Halten („ich bewege") hat und
das kinästhetische Bewegen zum Kontinuum konstitutiv gewor
den ist, das Kontinuum von Stellen möglichen Stillhaltens ist,
35 so auch die sozusagen abschliessende Kinästhese des Gehens, die
ihre besondere Funktionsweise hat durch ihre Rückbeziehung auf
die schon synthetische Leistung aller anderen vergemeinschafte-
ten Kinästhesen, deren jede schon den Sinn angenommen hat,
mit jeder anderen in Stillhalten und Sich-bewegen vermöglich
TEXT NR. 16 265
BEILAGE XVI
5 ZUR SYSTEMATISCHEN KONSTITUTION DER UNTERSTEN PHYSISCHEN
NATUR. LEIB UND AUSSENDING IN KORRELATION
(Ende Mai 1932)
1 Unzureichend, voreilig! Das körperliche Ding, rein wie es original erfahren ist:
ontologische Beschreibung. Die ästhetische Wesensstruktur des Dinges: Leitfaden
für die phansiologische Struktur und die ichlich-noetische.
268 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN" 1931-1932
haben, wie ich schon immer sie auffasse, die besonderen ontischen
Strukturen als Augen, als Tastorgane etc. Aber hier ist nur die Frage,
was die Wahrnehmung wirklich zur Selbstgegebenheit bringt, was im
Gang der aussendinglichen Wahrnehmung auf Leibesseite selbst im
5 wahmehmenden Bewusstsein von ihm gegeben ist, als die Seinsgel
tung, die den Dingerscheinungen einwohnt, motivierend, also fundie
rend. Wahrnehmung von allem Realen, und in Reduktion auf das
eigentlich Perzipierte, ist zurückbezogen auf Wahrnehmung meines
Leibes; auch die reduzierte Naturerfahrung weist zurück auf meinen
10 Leib, der selbst wahrnehmungsmässig gegeben ist als „Ding” — aber
noch <als> mehr.
Aber ist der Leib, indem er als wahrgenommenes Körperding gilt,
nicht selbst in derselben Weise wahrgenommen wie andere Dinge,
nämlich durch Sehen, Tasten etc. ?
15 Ich komme also auf das Für-sich-selbst-fungieren des Leibes als
Wahmehmungsorgan oder auf die Weisen, wie er aus mannigfaltigen
Organen gebaut ist und ich in ihnen fungierend jedes Organ bald als
Wahmehmungsorgan für andere Organe, für den übrigen Leib be
nützen kann, bald als das Wahmehmungsobjekt, indem dabei andere
20 Organe als auf es wahmehmend bezogen fungieren.
Ich stosse auf die Schwierigkeit: Die Oberfläche des Aussendinges
ist sowohl haptisch als optisch konstituiert; die Oberfläche meines
Leibes kann ich zwar allseitig abtasten, aber nicht voll sehen, und doch
habe ich eine vollseitige optische Vorstellung meines oberflächlichen
25 Aussehens für mich. Wie ist die „Ergänzung” des Nichtgesehenen
denkbar, als „mögliche Wahrnehmung”, die doch für mich niemals
möglich sein kann ?
Ferner finde ich, dass mein Leib in der Sclüchte der Oberflächlich
keit — in reiner Erfahrung — eine doppelschichtige Erfahrungsweise
30 hat, die kein anderes Raumobjekt hat (die„Ästhetik” des Leibes führt
über das Sinnlich-Ästhetische jedes anderen Dinges hinaus). Seine
Oberfläche ist eine kontinuierlich „empfindsame”, und in ihm bin ich
in meinen wahmehmenden, aber auch ursprünglich praktischen Tätig
keiten fungierend. In diesem Fungieren bewegt er sich — doppelseitig,
35 im räumlichen Bewegen und kinästhetisch ichlich; und dieses inner
liche „ich bewege” hat in sich nichts von Bewegung im Raumsinne.
Aber darin hegt auch beschlossen, dass ein Aussending im allseitigen
Erfahren in der Schichte der Oberflächenerfahrung als unbewegt,
überhaupt unverändert erfahrbar ist und dann die konkrete Erfahrung
40 notwendig den Sinn hat des daseienden unverändert verharrenden
Dinges.1 Explizites Selbstleiberfahren zeigt aber notwendig den Leib,
und zwar hinsichtlich seiner „Aussenseite”, in Bewegungsvorgängen
und in miterfolgenden Deformationen.
Weiter, jedes Aussending hat sein zu seiner totalen Gegebenheits-
45 weise gehöriges Totalsystem von orientierten Darstellungen, von on-
1 Das nicht bloss Oberfläche ist.
BEILAGE XVI 269
für mich erfahrbar und erfahren sind. Will ich aber verstehen, wie die
Seinsgeltung des Sinnes Anderer in ihren Fundierungen beschaffen ist
und wieweit primordiale Geltung und Geltungseinheit fundierend ist
für die Ermöglichung der Wahrnehmung von Anderen, muss ich zu-
5 nächst eigensinnig die Reichweite der primordialen Konstitution ver
folgen als Geltungsfundierung aus der systematischen Struktur der er
füllenden Identifizierung im System möglicher, in einstimmiger Syn
thesis der Selbstbewährung verlaufend gedachten Erfahrung. Ich muss
dadurch diejenige doppelseitige „psychophysische” Einheit der Prim-
10 ordialität heraus bekommen, die als in sich geschlossenen Seinssinn
eine „Aussenseite”, eine Sondergeltungseinheit körperlicher Leib in
sich trägt, die in dem ihr zugehörigen typischen äusseren Gehaben mit
einem ähnlichen, ähnliches Gehaben zeigenden Aussenkörper (fremder
Leib) sich assoziativ paarend zur appräsentierenden Übertragung der
15 „psychischen” Seite führt.
Es muss aber dabei verständlich werden, gerade aus der Eigentüm
lichkeit der originalen Konstitution der leiblichen Körperlichkeit und
zugleich aus ihrer Überschicht an Appräsentationen, die schon die
Eigenheit hat, nicht zur eigentlichen Präsentation werden zu können,
20 warum das in der Einfühlung appräsentierte Seelische nicht in origi
nale Präsentation für mich überführbar ist.
In der Schichte Apparenz des Realen, primordial: Erfahren ist im
mer innerhalb der Wahrnehmung reale Gegenwart als Modus der rea
len Zeitapparenz und das Reale an seinem Ort, dargestellt in der räum-
25 liehen Gegenwart, im Hier und Dort. Diese Darstellung ist Orientie
rung. Aber wie immer Orientierung wechselt und wie immer das Er
fahrene als ruhend oder bewegt erfahren sein mag, es hat seine körper
liche Extension, und in der Erfahrung <ist> in jedem Moment als ei
gentlich Erfahrenes seine Oberfläche erfüllt, seine Apparenz, und in
30 jedem Augenblick diese nur von einer Seite. Die Apparenz am eigent
lich perzeptiv Gegebenen <ist> zweischichtig dargestellt, unmittelbar,
visuell-taktuell.
Gesehenes und Betastetes appräsentieren sich wechselseitig, und die
Appräsentation ist ursprünglich in der Sphäre, wo es im Bewusstsein
35 geschieht: wo ich nicht sehe, aber taste, vermag ich das entsprechende
Sehen bzw. das dem Getasteten als solchem zugehörige Visuelle als
Darstellung de s s e l ben <zu> aktualisieren. Ich restituiere hier, was
die ursprüngliche Genesis als vermöglich gestiftet hat. Aber meinen
Rücken kann ich nicht sehen, und doch wird er ganz so miterfahren,
40 ursprünglich apperzipiert als wie die Rückseite meiner tastmässig er
fahrenen Hand, für die ich die appräsentierte visuelle Seite jederzeit
gewinnen kann. Die verschiedenen Sinnlichkeiten haben doch mit ihre
sinngebende Funktion. Mag sein, dass die typische Analogie des Tast
rückens mit dem Tasthandrücken sozusagen leichtsinnigerweise in
45 „blinder” Assoziation dahin führt, den visuellen Rücken zu appräsen
tieren. Aber sagt das anderes als, gewohnheitsmässig erwarte ich, in as
soziativer Geltungsübertragung, und darin hegt, Vermöglichkeitsüber-
272 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
tragung, dass ich, was ich hier kann, auch dort kann, und nämlich das
Analogon des Visuellen, das ich antizipiere, zu verwirklichen ?
Wie kommt es, dass ich nun, da jeder Versuch zum Misslingen führt,
doch dem Betasten des Rückens die entsprechenden visuellen Eigen-
5 heiten als Parallele zuweise, anstatt sie zu durchstreichen ? Lautet hier
nicht die richtige Antwort: Konstituiert ist Seiendes nicht für sich
visuell oder taktuell, als ob zwei Seiende für sich konstituiert wären,
sondern ein Seiendes; und die Vermöglichkeit, die ihm zugehört, ist
die möglicher erfahrender Ausweisung, die neben sich hat Möglichkei-
10 ten des Scheins. Dazu gehört aber, dass die Durchstreichung, das
„nichtig”, als Schein nur seine ursprüngliche Ausweisung haben kann
in Widerstreit mit standhaltendem Sein. In unserem Falle: Der apprä-
sentierte visuelle Rücken ist Rücken, ist derselbe, der taktuell erfahr
bar ist in der Einheit der Rückenerfahrung. Dass ich faktisch nicht
15 „hinkann” im Sehen, ergibt keine Durchstreichung als Schein; denn
ich kann ja hin, in der ständigen Berührung durch die Kleider bin ich
eigentlich schon in dieser Erfahrung, ich schreite im Sinn der grösseren
Erfüllung fort, indem ich mit der Hand hinfasse. Habe ich den Über
gang in die visuelle Appräsentation gemacht und darin aus gegebenen
20 Motiven künftige visuelle Darstellungen antizipiert, so sind sie nichts
Fiktives, sie haben Geltung, sie weisen sich bestätigend aus durch ta
stendes Tun oder erweisen sich als unrichtig. Aber freilich, während
sonst die Erfüllung beide Seiten einschlagen kann und im allgemeinen
die visuelle Nahsphäre die Optima ergibt, kann ich hinsichtlich der un-
25 zugänglichen Leibesteile diesen Vorteil nicht haben. Beim Kleid am
Rücken kann ich mich auch durch Ausziehen desselben und vor meinen
Leib Hinhalten oder getrennt Hinlegen visuell überzeugen (wobei aber
das Taktuelle mitgilt in seiner Appräsentation und mitstimmen muss
in ihrer Ausweisung, sonst ist das Visuelle Schein). Aber es ist doch
30 evident, dass ich das für den Leib selbst nicht kann.
Wie nun hinsichtlich der Bewegungen ? Gehend apperzipiere ich mich
als bewegten Körper im Raume. Ursprünglich aber erfahren bin ich
nur hinsichtlich des kinästhetischen „ich gehe”. Von meiner Raumbe
wegung aber? Ursprüngliche Erfahrung von räumlicher Bewegung
35 habe ich nur an anderen Dingen als orientierten. Auch hier kann ich
mir ganz gut vorstellen, wie mein Gehen „aussehen” würde, wie es sich
mit geschlossenen Augen am Tastobjekt darstellen würde. Tue ich hier
so, als ob mein Leib ein Aussenobjekt wäre, als ob er wie ein solches
visuell sich perspektivieren würde im sich von mir Entfernen, im
40 Orientierungswechsel überhaupt? Aber wie soll diese Vorstellungs
weise einen Geltungssinn haben, den sie doch für mich hat, da es wider
sinnig ist, das als eine mögliche Erfahrung gelten zu lassen in der Art,
wie die Vorstellungsweise der möglichen Bewegung eines Aussendinges
die Geltung hat als mögliche Erfahrung, in möglicher Wahrnehmung
45 zu verwirklichen? Wie kann eine anschauliche Vorstellung als mög
liche Erfahrung nichtig sein und doch eine Geltung in sich tragen, und
eine Erfahrungsgeltung ? Das wäre dann wohl, wenn überhaupt, mittel-
BEILAGE XVI 273
Was ist das für eine „Verbundenheit”? Gemeint ist natürlich die
eigentümliche Weise der Einigung, die z.B. eintritt, wenn ich ein „frei
für sich” stehendes, sich bewegendes Ding in die Hand nehme, ja
auch nur meine Hand darauflege, und die es nun hat, solange ich <es>
5 in der Hand habe, die Hand darauflegend halte (evtl, mitlaufend) ;
oder die meinen Leib und den Wagen einigt, solange ich auf ihm bin,
während er bald fährt, bald stillhält usw. Dazu gehört natürlich die
Einigkeit meiner Kleider mit „mir”, solange ich sie angezogen trage,
auch natürlich die Einigkeit mit meinem Schreibtisch, solange ich an
10 ihm sitzend, auf ihn ständig gestützt schreibe usw. „Objektiv” sind
diese Dinge nach wie vor getrennt von meinem Leibe. Wie charakte
risiert sich also diese Einigkeit, Verbundenheit? Offenbar dadurch,
dass nun nicht mehr mein blosser Leib das Nullobjekt, das in der Nuh-
orientiefung, ist (die als Null das Gegenteil von Orientierung ist, aber
15 in aller Orientierung vorausgesetzt ist), sondern nun mein Leib in eins
mit dem mit ihm „verbundenen” Objekt. Jedes Objekt, das nicht
Leib ist, kann durch ein gewisses Verhalten des Leibes in die Null
orientierung rücken, aber nur dadurch, dass es in diesem Verhalten an
seiner ursprünglichen und ihm eigenen Erscheinungsweise Anteil ge-
20 winnt. Der Leib hat sich das Objekt, das vordem dort war, im rechts,
links, im nah, fern, vor mir usw., so akquiriert, dass es sein Dort ver
liert, dass es die Orientierungsmodi einbüsst und in die Nullerfahrungs
weise eintritt, die für den ganzen Leib in eins mit dem Akquirierten
eine einheitliche ist.
25 Mitbeschlossen in dem Gesagten ist das Mitlaufen, Mitgeheri <mit
einem bewegten Ding>, das nicht nur wie jedes Gehen die Orientie
rungsweisen der Dinge ändert, sondern als ständiges bei dem Ding Da
beisein die Erscheinungsweisen des Leibes und die des anderen Dinges
einheitlich verbindet. Das in die Hand Nehmen ist, wenn ich gehe, das
30 vordem etwa ruhende Objekt, statt vermöge meines Gehens in Orien
tierungswandel erscheinen Lassen, es vielmehr ständig als Null erschei
nen Lassen, und dadurch wird es als „mit mir bewegt” erfahren. Ist es
bewegt gewesen, so ist das Mitlaufen keine Wandlung seiner Bewe
gung, aber die seiner Orientierung in Null.
35 Das Wesensmässige und Allgemeinste ist: Es ist zwischen meinem
erfahrend-fungierenden Leib und der Totahtät jeweiliger Erfahrungen
mit Beziehung auf das ihr wesensmässig zugehörige System der Orien
tierungen (in der festen bleibenden Form) der Zusammenhang, dass ich
durch gewisse Kinästhesen in Freiheit die wie immer faktisch verlau-
40 fenden Orientierungen beliebig wandeln kann. Ich habe Vermöglich
keit, Herrschaft über den Orientierungswandel, mm dass ich an die
Form und an die Gesetzmässigkeit der Kontinuität des Wandels ge
bunden bin; und darin hegt, dass ich schliesslich auch für jedes Ding
seine Orientierung in Null verwandeln und fortdauernd in der Null-
im Luftschiff fahrend, können wir die Luft, die wir sonst zur Erde rech
nen, nicht in einem „Gehen” durchfliegen. Wären wir Vögel, so wäre
es anders; ihr Fliegen ist ein kinästhetisches „ich bewege”, und sowie
sie sich auf ein Luftfahrzeug setzen, vollzieht sich für sie — wie für
5 uns auf unserem Bodenkörper — die Umkehr in allen Erscheinungs
weisen. Die Beschränkung auf die für uns wirkliche und vermögliche
Erfahrbarkeit schliesst unseren Bodenkörper darum aus, weil dieser in
seiner Endlosigkeit für uns nicht erfahrbar ist in dem Gesamtsystem
seiner Erfahrungsweisen. Natürlich weist das auf Erweiterungen der
10 primordialen Apperzeptionen hin durch indirekte Sinngebungen als
Sinnerweiterungen, die hier noch nicht in Frage kommen können.
Es erwächst hier natürlich die Aufgabe, die intentionale Aufeinan-
derbezogenheit der beiderseitigen Apperzeptionen des Totalsystems
und die darin statthabende Geltungsfundierung auszulegen, die es
15 macht, dass zum Seinssinn jeder einzelnen Erfahrung eines Raum
körpers, seinem ontischen Sinn korrelativ gehört, dass seine jeweilige
Erscheinungsweise, wenn sie eine orientierte ist, auch auf die Gegen
erscheinungsweisen verweist, die als Nullerscheinungsweisen ihr zu
gehören. Da alle Erscheinungsweisen im System als vermöglich inein-
20 ander überzuführende bewusst und nur so Seinssinn leistende sind, so
besagt das Verweisen, dass ich selbstverständlich von mir her, d.i. in
meiner kinästhetisch freien Tätigkeit, die betreffenden Umwandlun
gen vollziehen kann. So werden auch Täuschungen aufgeklärt. Denke
ich z.B. nicht daran, dass ich in den Wagen oder das Schiff eingestiegen
25 bin, dessen orientierte Bewegung ich vordem sah, so erfahre ich Ruhe
oder erfahre hinsichtlich der auf dem Schiffe seienden Objekte Be
wegungen, die andere sind als die wahren Bewegungen.
Es ist auch nicht unwichtig die Unterscheidung: Einigung mit einem
Leibesglied und dadurch Erweiterung des Leibesgliedes, wodurch es
30 mittelbar als erweitertes zum Wahrnehmungsorgan, Stossorgan etc.
wird — H a n d w e r k z e u g — , und Einigung mit dem ganzen Leib,
mit dem besonderen Fall, dass ich dadurch das Angeeignete zum
F a h r z e u g mache. Die „Zeuge” im ursprünglichen Sinn sind phy
siche Gegenstände, durch die das ursprünglichste, unmittelbare leib-
35 liehe Tun und das nächst mittelbare des leibüch auf Äusseres Wirkens
die neue Form erhält, unter Mithinzunahme eines den Leib erweitern
den Dinges zu wirken, und wirksamer, zweckvoUer.
Sind solche Aufklärungen geleistet, und insbesondere auch diejeni
gen, die hierbei vorausgesetzt sind als Auslegungen der Nullerschei-
40 nungsweisen und darin der des Leibes selbst, die Aufklärung der Eigen
art, die in der Orientierungsnullgestalt gleichwohl dem Leib und seinen
Erscheinungsweisen gegenüber den in dieser Nullgestalt unitbefassten
nicht-leiblichen Dingen <zukommt > — dass sie keine kinästhetischen
GHeder sind, keine eigenen Kinästhesen haben, aber an den Kinäs-
45 thesen einen gewissen Anteil gewinnen, wenn sie mit einem „Leibes
glied” „verbunden” werden, zu einem Mitbestand dieses gehören —,
ist das aUes geleistet, so kann an die Frage herangetreten werden, wie
BEILAGE XVII 277
5 BEILAGE XVII
PSYCHOPHYSISCHE APPERZEPTION. WIE KOMMT DER
LEIB DAZU, ERFAHREN ZU WERDEN WIE EIN ANDERES
DING — ALS BEWEGT UND RUHEND WIE ANDERE,
ALSO IM RAUME?
10 <wohl Juni 1932>
In der Primordialität ist in der Weise der Apperzeption bzw. Kon
stitution ein wesentlicher Unterschied zwischen meinem körperlichen
Leib und den anderen Körpern. Reduzieren wir beiderseits auf reine
Erfahrung, also auf die pure körperliche Apparenz als Einheit in der
15 Mannigfaltigkeit der „Erscheinungsweisen”, der Seitengegebenheiten
und der zu dem jeweils eigentlich Perzeptiven, zu den Momenten der
Seite gehörigen mannigfaltigen Perspektiven. Dann ist zunächst, was
ursprünglich als mein Körper zur anschaulichen Ausweisung kommt,
wesentlich verschieden von dem aller anderen Körper — der Aussen-
20 körper, die alle in gleicher Weise konstituiert sind. Zu ihnen gehört
ontisch als mitkonstituiert, als ursprünglich erfahren und erfahrbar
Bewegung, und diese sich darstellend in der Weise von „Nah- und Fem-
dingen”, von wechselnden Gegebenheitsweisen der „Orientierung”.
Korrelativ dazu ist, dass ich, selbsttätig eingreifend in den Wandel
25 dieser Gegebenheitsweisen, sie so abwandeln kann, dass im Grenzfall,
was ohne mein Eingreifen als Ruhe erfahren war, nun genau so, genau
in solchen Gegebenheitsweisen und Abläufen sich darstellt, wie vor
dem die Bewegung, und umgekehrt. Dieses Eingreifen ist charakteri
siert als wahrnehmendes leibliches Tun, als mit dem Auge Sehen etc.,
30 und zwar als dabei sehend und sonstwie wahmehmend meine Leibes
organe von mir her bewegend, oder bald bewegend, bald stillhaltend
usw. Betrachte ich nun meinen Leib, so wie er als Körper sich in der
Wahrnehmung, und rein wahrnehmungsmässig gibt, bzw. allseitig
ausweist, so finde ich zwar, dass meine Hand, dass einzelne Leibes-
35 glieder, die als Wahrnehmungsorgane mitfungieren, wenn auch in sehr
beschränkter Weise, in ihrer körperlichen Bewegung und Ruhe (die
Hand als auf dem Tisch bewegt etc.) erfahren werden wie Aussendinge,
und das sagt, dass sich Bewegung, OrtsVeränderung bei ihnen wirklich
wahmehmungsmässig zeigt, nicht aber der ganze Leib in irgendeiner
40 seiner Bewegungen bzw. Ruhen.
Trotzdem wird mein Leib apperzipiert als Körper wie ein anderer.
Die apperzeptive Stiftung meines in der Stufe der rein sinnlichen Er
fahrung konstituierten Körpers, der noch keine Gattungsgemeinsam-
278 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
keit haben kann mit dem, was in der sinnlichen Aussenerfahrung als
Aussenkörper sich sinnlich erscheinungsmässig darstellt, zum Körper
wie alle anderen Körper schafft erst die allgemeine Körperlichkeit im
allgemeinen Raume, der Form aller körperlichen Koexistenz in Be-
5 wegung und Ruhe, in Veränderung und Unveränderung der Gestalt,
die unter allen Umständen in dem allgemeinsamen Raum ein Raum
stück ausmacht und in ihrer Qualifizierung es zur realen stellenmässig
jeweiligen Gestalt macht.
Damit zugleich vollzieht sich die Stiftung des Leibkörpers, des
10 schon als res extenso, in der allgemeinsamen Räumlichkeit erfahrenen,
als des Körpers der Natur, in dem ich ständig walte und bei dem ich
damit ständig und unmittelbar bin. Mit anderen Worten, es vollzieht
sich damit und von da aus die Stiftung meines psychophysischen
Seins. Bei der räumlich bald ruhenden, bald bewegten, sich damit so
15 und so deformierenden und sonstwie veränderlichen leiblichen Körper
lichkeit bin ich ständig, und so ständig, im Raume, in der Raumzeitlich
keit lokalisiert, also erfahrbar und erfahren als Einheit von Leib und
Seele, als beseelter Körper.
In weiterer Folge ist damit die Stiftung der Region Mensch ermög-
20 licht auf dem Wege der apperzeptiven Übertragung des Seinssinnes
psychophysischen Seins auf Aussenkörper, sofern sie den Bedingungen
dieser Übertragbarkeit entsprechen, also diejenige Ähnlichkeit mit
meinem leiblich-körperlichen Dasein haben, die zu dieser apperzeptiven
Übertragung führen kann.
25 Näher besehen liegt aber vor der eigentlichen psychophysischen
Apperzeption, als in welcher ich <als >beseelter Körper in der Ällnatur,
also <als > in der Raumzeitlichkeit seiender erfahren bin, eine sie fun
dierende leib-seelische Apperzeption, durch welche erst die Apper
zeption „mein Leibkörper, Körper wie jeder andere Körper” und damit
30 Raumapperzeption überhaupt ermöglicht wird. Dazu ist nämlich er
fordert, dass die wirksame Ähnlichkeit meines im Selbstbesehen,
Selbstbetasten sinnlich erfahrenen Körpers mit den sinnlich erfahrenen
anderen Körpern zur indirekten apperzeptiven Übertragung der an
diesen Aussenkörpern erfahrenen Bewegung und Beweglichkeit auf
35 meinen Leib führen kann und führt, und zwar auf folgende Weise. Die
Bewegung meiner Leibesglieder, die ich in der Tat als Bewegung sehe,
nämlich so wie die Bewegung der Aussenobjekte (obschon Bewegung
beiderseits ein ontisches Vorkommnis ist, das noch nicht den vollen
Sinn Bewegung haben kann), hat ihre kontinuierliche und unweiger-
40 liehe Parallele in dem innerlich waltenden „ich bewege” der Kinäs-
these. Man sieht schon, dass das seine Rolle spielen muss, wo an einem
Aussenkörper ein Glied, das meiner Hand gleicht und in typisch ähn
licher Weise in Bewegung sich darstellt wie meine Hand, aufgefasst
wird als Handbewegung, d.i. als eine räumliche Bewegung, die eine
45 parallele Innenbewegung, ein ichlich waltend mitgehendes Bewegen
indiziert. Aber das setzt noch anderes voraus. Es muss erst durch Ana
lyse der sinnlichen Selbsterfahrung meines Leibes gezeigt sein, wie
BEILAGE XVII 279
Art, von einer gewissen Schnelligkeit, von einem gewissen Tempo, die
Erscheinungsweisen wieder wie in der Ruhe verlaufen und die sonst
freien Kinästhesen, in beliebige Funktion gesetzt, Erscheinungsweisen
als Mitfolge haben;' ganz wie in der Ruhe.
5 Danach haben wir das Merkwürdige, dass in den Kinästhesen eine
funktionelle Teilung statthat: Leibesbewegungen als waltende des Ich
und in eins äusserlich erscheinend als „gehend” in einem erweiterten
Sinne (lokomotiv fungierend) und Leibesbewegungen als fungierende
(hier ausschliesslich wahrnehmungsmässig), aber ohne lokomotivě
10 Funktion. Dadurch kann Bewegung erfahren werden, und zwar mit
einem Sinn, der sie als ein Kontinuum möglicher Ruhen auffasst, wie
andererseits als ein kontinuierlich in Scheinruhen zu verwandelndes
Änderungsphänomen, dadurch dass in jedem Moment das Mitgehen, das
Mitlaufen einsetzen kann, das <das> Änderungsphänomen in ein Phä-
15 nomen der Ruhe verwandeln kann.
Wendet sich nun der erfahrende Blick und das tätige Erfahren auf
den Leib, so unterscheidet er sich von allen Aussendingen sehr wesent
lich hinsichtlich Bewegungs- und Ruheerfahrung. Alle Aussendinge
bedürfen zu ihrer sinnlich erfahrenden Apperzeption von Bewegung
20 (bzw. Übergang von Ruhe in Bewegung und umgekehrt als die stän
dige Möglichkeit, die der Ruhe ihren Sinn als Nullfall der Bewegung
gibt) der als motivierend ständig mitfungierenden Leiblichkeit, und
zwar der gehend fungierenden. Was sonst an den Aussenobjekten zu
sehen, sinnlich zu erfahren ist, das besorgen die mitfungierenden json-
25 stigen Kinästhesen (z.B. Augenbewegüngen, Tastbewegungen, während
ich mich zugleich dahin oder dorthin gehend bewege, eventuell still
halte, wieder gehe etc.). Andererseits mein Leib, in dieser letzteren
Hinsicht wie Aussendinge erfahren, wird durch die gehende, die loko
motivě Kinästhese keineswegs als bewegt oder ruhend erfahren. Für
30 ihn hat also ursprünglich Bewegung und Ruhe keinen Sinn, nämlich
keinen Sinn derart wie bei Aussendingen als Bewegung und Ruhe in
ihrem Raumfeld (das allerdings zunächst nocht nicht wirklicher Raum
ist). Die gehende Kinästhese hat also nur inneren Funktionssinn, aber
keinen Sinn einer wirklichen Ortsveränderung des Leibes im Raume,
35 und so ist eben noch kein Raum konstituiert, in dem das leiblich wal
tende und zugleich den Leib erfahrende Ich dank dieser Erfahrung
selbst rein als sinnlicher Erfahrung <als >dieser Leib Raumgestalt und
Lage im Raum hätte und somit — für den Erfahrenden und rein ver
möge des Sinnes dieser Erfahrung — räumliche Koexistenz hätte.
40 Damit korrelativ ist auch der Raum der Aussendinge noch kein wirk
licher Raum, die entsprechende Aussenwelt keine wirkliche Welt, als
welche alles Koexistierende, den Leib und das psychophysische Ich
eingeschlossen, umspannte als dessen Koexistenzform.
Wie kommt nun doch die h ö h e r s t u f i g e , in der sinnlichen Er-
45 fahrung fundierte A p p e r z e p t i o n des Lei bes als K ö r p e r
wie alle Kö r p e r zustande, und wie ist damit also Raum und Welt
erfahrbar? Darauf gibt es eine nicht schwer verständliche Antwort.
BEILAGE XVII 281
Haben wir schon Aussendinge und Leib als Naturobjekte, haben wir
uns schon als psychophysisch Reales, als Menschen usw. erfahren, so
ist es eine all verständliche Tatsache, dass wir ausserleibliche Objekte
mit dem Leibe verbinden, dass wir die alltäglichen Gebrauchsobjekte
5 in die Hand nehmen, heben, tragen können, dass wir auf einen Wagen
steigen, auf einen fahrenden Wagen aufspringen und gefahren wer
den können und dergleichen. Achten wir auf die Erscheinungs
weisen, so verwandelt sich für jedes Objekt das System seiner mög
lichen sinnlichen Erfahrung, sowie es aus einem vom Leibe ge-
10 trennten zu einem mit ihm einigen Objekt wird. Das in die Hand ge
nommene Objekt verliert sofort die Fähigkeit, als ruhend oder bewegt
so zu erscheinen wie ein Aussending, es wird sozusagen Leibesglied,
nur dass ihm die besonderen Kinästhesen fehlen. Es wird durch mein
Gehen nie den Wandel der Erscheinungsweisen der Nähe und Ferne
15 ergeben können usw. E b e n diese U m k e h r u n g f u n d i e r t
o f f e n b a r die Mögl i c hke i t der A p p e r z e p t i o n des Lei
bes als Körper. Nehme ich ein Ding zur Hand und gehe, so be
wegt es sich, dann wenn ich es fahrenlasse, ist es an einer anderen
Stelle des schon konstituierten „Aussenraumes”, als ob es ohne mein
20 Gehen sich hinbewegt hätte. Im Auf- und Abspringen beim Beispiel
des Wagens kann ich nach Belieben Bewegung sehen und Bewegung
verschwinden lassen als Phänomen, in Umkehrung in ein Leibstück
phänomen. Eins und das andere wird als gleichwertig apperzipiert,
indiziert die jederzeit bereite Möglichkeit der Umwendung, und das
25 überträgt sich auf jeden Teil des Leibes, auf jedes Glied und auf den
totalen Leib. Er wird bewegt im Raume als Teil des fahrenden Wagens,
er bekommt selbst einen äquivalenten Sinn von Bewegung, den einer
Dingbewegung.
Nr. 17
So als Ich des Leibes bin ich Ich für die Welt, Ich, das bald
in dieser, bald in jener Raumstelle ist und somit raumzeitlich
seine Stelle hat. Ich bin aber nicht im Raum wie ein Ding im
Raum ist, auch nicht wie mein Leib im Raum ist, ich bin nicht
5 in Bewegung wie ein Ding in Bewegung ist. Ich habe Ort nicht
als Ding, sondern mein Leibkörper hat das, aber sofern ich
leiblich walte und nur bin als das, wie der Leib nur ist als Leib,
bin ich mit dem Leib eins, ich bin leiblich, wie der Leib Leib ist
als ichliches Organ.
10 In der Primordialität bin ich also weltliches Ich, psychophy
sische Einheit in diesem Sinn, dass ich jeweils meinen Leib
abstraktiv als Körper unter Körpern betrachten kann und so
auch behandeln und dann mir sagen <kann>, ich bin nicht
Ergänzungsstück dieses Körpers, als ob dieser wie andere
15 Körper sein könnte, sondern bin kontinuierlich darin Waltender
und dadurch auf alles äussere Dingliche bezogen, durch ihn ist
alles Seiende für mich da, für mich zugänglich.
So scheiden sich Aussenwelt, Welt blosser Dinge, blosser Kör
per, und mein primordiales Sein „als Mensch” , mit einem an
20 mir zu unterscheidenden Leibkörper — der doch nicht ein
Körper wie andere ist und nicht dadurch sich von anderen
unterscheidet, dass etwas zu ihm noch dazukommt, was bloss
faktisch bei anderen Dingen fehlt.
Diese primordiale Welt ist Welt meiner Erfahrung, sie ist in
25 meinem strömenden Erfahren konstituierte, erfahrene Einheit
vielfältiger Sondereinheiten — unter ihnen Ich-Mensch selbst,
„darin” mein Leibkörper als eine in gewisser Weise zentrale
Einheit—, ich leiblich in der Welt, ich leiblich mit dem Vermö
gen, alle Dinge wahrzunehmen, an sie heranzukommen, mit ihnen
30 praktisch beschäftigt zu sein, die Dingwelt dadurch verändernd
und evtl, mich selbst als Menschen durch mein menschliches Tun
verändernd.
Aber diese Welt mit allem, was hier als weltlich umzeichnet
worden ist, ist Erfahrungseinheit, Welt der Wahrnehmung, der
35 Erinnerung, der antizipierenden Meinung verschiedener Art,
Welt, die im Strömen der „Erscheinungen”, der verschiedent-
lichen Meinungen als Geltungseinheit und als einheitlich-viel
fältige Einheit von Geltungseinheiten sich synthetisch konsti
tuiert, die ich durch mein aktives und passives „transzenden-
284 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
keiten, von Kinästhesen, die, wenn ich sie ins Spiel setze, zuge
hörige Erscheinungen von mir her in Gang bringen, in welchen
der jeweils mir geltende Seinssinn zur Selbstgegebenheit und
Selbstbewährung kommt, der einzelne und jeweils dieser als
5 Moment in dem universalen Seinssinn „leibliches Ich als Ich in
der Welt und diese Welt selbst”. Gehe ich von der Einheit
leibliches Ich (Ich konkret als primordial reduzierter Mensch)
zurück in das transzendentale Konkretum, so finde ich die
transzendentale im transzendentalen Ichpol zentrierte strömende
20 Konstitution, in der alles primordial-transzendental beschlossen
ist.
Ich finde darin einheitlich und unabtrennbar zusammen ver
laufend die strömende transzendentale Welterscheinung, in sie
eingeordnet alle einzelnen weltlichen Erscheinungen — als
15 wahrnehmungsmässige Welt, Welt, wie sie mir jetzt lebendig ge
genwärtige ist. In ihr „erscheint” die Welt — als im Wandel der
Erscheinungen, der einzelnen und der Totalerscheinung, iden
tischer Seinssinn, identisch in diesem Verlauf auch in seinem
Verlaufshorizont, Index für die systematischen Vermöglich-
20 keiten, die, wenn ich sie kinästhetisch ins Spiel setze (ich, das
transzendentale Ich als Pol), dieselbe Welt von immer neuen
„Seiten”, in immer neuen Erscheinungsweisen erscheinen
<lassen> und dabei evtl, immer neue solche Einheiten des Sinnes
zeigend, die ebenfalls als im Wandel der Gesamterscheinung mit-
25 beschlossen als offene Vermöglichkeiten kommen würden, kom
men könnten.
In diesem Strom der Weltkonstitution ist zugleich beschlos
sen, und in untrennbarer Verbundenheit beschlossen, als Kon
stitution der primordial-raumzeitlichen naturalen Welt die
30 Konstitution der ausserleiblichen Dinge (Aussendinge) und die
meines körperlichen Leibes. Beide als res extensae konstituiert in
der Einheit der Raumzeitlichkeit und naturalen Kausalität,
obschon in verschiedener Weise konstituiert, sofern die optischen
Erscheinungsweisen meines Leibkörpers nicht diesen Totalkörper
35 perspektivisch als sich nähernden und entfernenden erscheinen
lassen können und auch die Perspektivierung von Leibesgliedern
(rein körperlich reduziert) nur beschränkt ist. Ferner, in der zur
Naturkonstitution gehörigen Erscheinungsmodalität Nahweit
als unmittelbar sichtbare nicht nur, sondern auch greifbare Welt
286 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
überweltlich ist, das Ich, das Welt konstituiert, das als Ich seines
transzendentalen Lebens Welt als Nicht-Ich sich gegenüber hat,
nur mit der Welt insofern gleichsam in beständiger Berührung,
dass sie eben in seinen nichtweltlichen Erscheinungsweisen, in
5 seinem erfahrenden Leben und seinen vorweltlichen Erfahrungs
gebilden die erscheinende, die sich strömend darstellende ist.
Vielmehr, die Welt ist so konstituiert, dass in ihr selbst das Ich
als verleiblichtes auftritt. Als leibliches Ich, als Ich, das in der
Welt leibt und lebt, ist es selbst weltlich Seiendes, reales Objekt
10 unter den anderen realen Objekten. Oder: die Welt ist nicht
bloss Natur, sondern Mensch und Natur, auch in gewisser Weise
Mensch innerhalb der Natur, sofern er dadurch, dass er einen
Leib „hat” , der auch Natur ist, aber ihn hat als sein Organ,
verweltlicht ist und nur so verweltlicht sein kann.
15 Aber dieses primordiale Menschen-Ich, konkret verleiblichtes
Ich oder verichlichter Leibkörper, ist selbst Einheit transzenden
taler Konstitution, und somit kommen wir letztlich doch im
Zurückfragen nach der konstitutiven Bildung des Seinssinnes
Ich-Mensch auf die tiefste Scheidung: auf das transzendental-
20 primordiale Ich seines strömenden transzendentalen Lebens
— darin die Welt konstituierenden — und das Nicht-Ich, die
Welt, einschliesslich des verleiblichten Ich. Aber kann man so
scheiden? 1
Müssen wir nicht sagen: Das Ursein ist das total strömende
25 absolute Leben, in dem notwendig eine korrelative Synthesis
waltet, die Synthesis, welche das Ich konstituiert (eine Konsti
tution, die einen total anderen Sinn hat als die in Stufen g e
schehende > Weltkonstitution, die durch Erscheinungen leistet),
andererseits eben diese, die ontifizierende Konstitution, bzw.
30 Synthesis?
Vorgebildet sozusagen ist dieser Gegensatz schon in der ur
sprünglichen Passivität durch die Scheidung des Hyletischen
und Noetischen (Funktion). Stellen wir gegenüber Ich — Nicht-
Ich=W elt als zwei Seinssphären, so kann das nur den Sinn
35 haben, dass ich erfahrend und denkend „natürlich eingestellt”
1 Vgl. folgende Seite! Im transzendentalen Ich unterscheiden wir dann es in seiner
vollen Konkretion, das das gesamte transzendentale Leben befasst (mit der in allen
Phasen vermeinten Welt als vermeinten), und das Ich als blossen Ichpol der im
Aktleben notwendig statthabenden Polsynthesis und der daranschliessenden Konsti
tution des Ich der Vermöglichkeiten.
288 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
konsequent über Welt urteilen kann und in der Weise der Er
kenntnis wahren Seins, andererseits, dass ich konsequent über
mein transzendentales Sein urteilen kann und alles in allen
Stufen darin als Sinn (als seiender, geltender) urteilen kann
5 und somit über die Welt als transzendental konstituierten
Seinssinn, als der mir jeweils gilt und sich mir unter Korrekturen
bewährt, wieder korrigierbar und dann wieder bewährbar etc.
Auch die „Idee” der Welt als an sich wahre ist dann ein in
höherer Stufe von mir konstituiertes und ausdrücklich gemachtes,
10 in der Art seiner Evidenz evtl, geklärtes transzendentales Ge
bilde. Die transzendentale Subjektivität umspannt dann die
Totalität alles Subjektiven, in das schliesslich sich einbegreift die
Welt selbst a ls subjektiv konstituierte, so dass alle geradehin
gewonnene Seinswahrheit für die Welt hier wiederum auftritt in
15 geänderter Betrachtungsweise des Gebildes.
Können wir also nicht in gutem Sinn die seiende Welt ge
genüberstellen dem gesamten Transzendentalsubjektiven, in dem
sie sich als Geltungseinheit konstituiert ?
Für jede Stufe ontischer Seinskonstitution haben wir dann
20 die entsprechende Unterscheidung zwischen Ontischem selbst in
seinem Eigensein und der Seinssinn leistenden Konstitution als
des Transzendentalsubjektiven, das ihr Korrelat ist. Diejenige
transzendentale Subjektivität, die in Ichakten hierbei seinskonsti
tuierende ist, ist dann Korrelat dieser ontischen Sphäre, und dazu
25 gehört das Ich der dabei ausgebildeten Vermögen, der ihm
zugehörigen Kinästhesen etc. Aber es gibt nicht viele Ich neben
einander, sondern es ist nur das eine transzendentale ego und
ein einziges Vermögens-Ich, das aber in sich zusammenhängend
einheitliche Vermögens-Ich enthalten kann, wie in der Welt-
30 stufe das relativ geschlossene wissenschaftliche Ich, Familien-
Ich etc.
Also diese Korrelation geht durch alle Stufen der Ontifizierung
hindurch — der Objektivierung, Verdinglichung, Versachlichung.
In der Weise der „Konstitution” ist eben zwischen Ich, tran-
35 szendental genommen, und „Sache”, „Welt” (wozu auch in Un
terstufen gehört die „Welt” der okulomotorischen Daten und
dergleichen „bloss subjektive” Welten und schliesslich auch die
primordiale als noch „bloss subjektive”) <zu scheiden >. Indem
TEXT NR. 17 289
mir gehört, die Erscheinungen als solche, worin ich eben Welt er
fahre, die zu ihnen gehörigen Kinästhesen und Vermögen als sol
che, die ich betätige und betätigen kann, es sind nicht nur durch
erfahrende Konstitution und Apperzeption raumkörperliche
5 Horizonte, Horizonte von „an sich” seienden Naturobjekten da,
und von ihnen auf mich als Ichzentrum laufen Affektionen, mich
bestimmend zu Handlungen in dieser Welt, sondern in dieser
Welt ist auch ein Leib als Leib, als mein Körper, „mein” im E r
sinn, konstituiert. Diese Gegenüberstellung soll nicht voraus-
10 sagen, dass eine Welt für mich konstituiert sein könnte, ohne dass
in ihr ein Körper als mein Leib konstituiert wäre, sondern nur,
dass dies zunächst als eine zu überlegende Möglichkeit dasteht.
Ein Körper ist als mein Leib konstituiert, damit ist gegeben,
dass zunächst alles dem Ich als Welt konstituierendem Zuge-
15 hörige in einem weiten Sinn in diesem Körper lokalisiert ist, und
das Ich selbst als affiziertes, als erfahrendes, als kinästhetisch die
Erfahrungen (die subjektiven Gegenstände im Wie) zum Verlauf
bringendes, als betrachtendes, als in jeder Weise praktisches usw.
ist in diesem Leib lokalisiert, sein Walten ist konstituiert als in
20 ihm Walten, es selbst ist konstituiert als leiblich seiend, als
leibend-lebend. Das aber nicht nur partiell. Denn alles, was Ich-
sein und Ichleben ausmacht, ist eine untrennbare Einheit, alles,
was durch phänomenologische Enthüllung vorfindlich ist, hat
mit der Konstitution des leiblichen Ich mittelbar seine Lokalisa-
25 tionsbeziehung auf den Leib gewonnen.
Welt ist vorgegeben als Welt, in der ich leiblich bin und als
primordialer Mensch bin, d.i. in diesem Körper waltend, in ihm
empfindend, Lust und Schmerz leidend, in ihm tätig bewegend,
durch ihn tätig in die Umwelt. Nur e in Leib kann in meiner
30 Welt konstituiert sein. Ich bin als Ich einzig, ich kann nicht zwei
mal dasein, ich kann nicht einen Doppelgänger in meiner primor
dialen Welt haben. Indem ich im Leib und mittels seiner walte,
ist dieses subjektive Walten mit allem Subjektiven primordial
erfahren, und in der Einmaligkeit, die zum Ich wesentlich gehört.
35 Ein Leib kann nicht dasein, der bloss visuell erfährt, und ein an
derer, der taktuell, ein dritter, der hörend erfährt —■und das alles
als mein Erfahren. Denn zur Konstitution der Raumkörper
lichkeit überhaupt (und zunächst der nicht-leiblichen) gehört,
dass alle diese Sinnlichkeiten miteinander verflochten sind und es
BEILAGE XVIII 295
sein müssen, damit in allen das eine und selbe Ding bzw. die eine
und selbe Welt erfahren sein kann, der alles Erfahrene zugehört.
In der Beschränkung der Primordialität, in der Welt ihres Sinnes
der intersubjektiven Welt für alle abstraktiv entkleidet ist, muss
5 die Möglichkeit aber offen bleiben, dass eine Welt konstituiert
sein könnte, ohne dass ich, das Konstituierende, in der Welt wäre.
Darin liegt natürlich, dass ich mich durch Abstraktion gleichsam
blind gemacht habe für die Schichten meines transzendentalen
Seins und die in ihnen bestehenden Modifikationen, in denen Ein-
10 fühlung entspringt und Einfühlung als konstitutive Funktion
schon immer ihre Leistung vollzogen hat.
BEILAGE XVIII
DIE WEISE, WIE DER LEIB SICH ALS KÖRPER UND LEIB
KONSTITUIERT, SOWIE DIE WEISEN, WIE ÜBERHAUPT
15 SEINE <KONSTITUTION > UND AUSSENDINGKONSTITUTION
VERSCHWISTERT SIND
<wohl September 1931 >
Der Leib ist optisch durch Perspektiven und Kinästhesen der ersten
Funktionsstufe sowie durch die tastenden Kinästhesen so konstitu-
20 iert, dass er mit Kinästhesen und Empfindungsdaten in doppelter
Weise zusammenhängt, einmal durch die konstitutive Funktion der
Darstellung, andererseits durch eine in ganz anderer Richtung liegende
Assoziation des Dargestellten mit Kinästhesen und Empfindungsdaten.
Die Hand erscheint optisch in perspektivischer Weise, haptisch etwa
25 als von der anderen Hand betastet, zugleich aber so, dass in ihr die
Kinästhesen, die wir als ihre eigenen bezeichnen, lokalisiert erscheinen.
So ist der Leib überhaupt, im ganzen genommen, durch doppelte
kinästhetische Funktionen oder in doppelter Weise durch das Total
system der Kinästhesen konstituiert. Einerseits sind die kinästheti-
30 sehen Systeme in Funktion für die Mannigfaltigkeit von Darstellungen,
in denen sich der Leib als Körper ähnlich wie ein Aussenkörper (beides
in der Stufe vor dem „Gehen”) als Körper darstellt; andererseits
bringt es die Weise, wie die Kinästhesen beständig sich im Funktio
nieren teilen und dabei verbinden, dass nicht nur die objektivierende
35 Kinästhese für ein Glied Gi (die betastete Hand) mit dessen mannigfal
tigen Darstellungen verbunden ist, sondern auch zugleich ein Gegen
glied sich darstellt (die betastende Hand, eo ipso betastbar aufgefasst
durch die betastete Gegenhand), so dass immer und notwendig Gegen-
kinästhesen und Gegenmannigfaltigkeiten einig da sind. Also objekti-
296 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
viert ist ein Glied, etwa <eine> Hand, nur so, dass in eins damit andere
Glieder als objektivierende sozusagen mit da sind, die ihrerseits objek
tiviert sind mittels der durch sie objektivierten. Der Leib ist so konsti
tuiert, dass seine Glieder als Raumkörper erfahren sind, sich darstel-
5 lend wie Aussendinge in Wahrnehmungserscheinungen. Aber in jedem
Gliede „lokalisiert” gegeben ist in gewisser Weise seine Kinästhese in
eins mit seiner räumlichen Lage (in Orientierung).
In der jeweiligen Wahmehmungserscheinung hat das Glied seine
darstellenden Daten, aber es selbst als dargestelltes, erscheinendes hat
10 an jeder Stelle seiner Oberfläche und so als ganzes haptische Daten.
Die haptische Gesamterscheinung des Leibes als totalen Leibphan
toms, als Einheit aller seiner Glieder (dadurch bestimmt, dass der ein
heitliche Leib in Teile sich zergliedert, zu denen je besondere Kinäs-
thesen gehören) hat auf seiner Oberfläche lokalisiert das einheitliche
15 Tastempfindungsfeld. Dieses ist so lokalisiert, aber nicht in Wahrheit
erfahren als räumlich ausgedehnt.
Eben in dieser zum Leib als Leib gehörigen ontologischen Struktur
ist es gegründet, also in dieser Schichtung <von> räumlichem Ober
flächenphantom und lokalisiertem Empfindungsfeld und lokalisierter,
20 also verteilter Kinästhesen ist es gegründet, dass die räumliche Erfah
rung des Leibes bevorzugt ist. Das kinästhetische System ist in eins
mit dem Tastfeld, das sich gliedert, so dass zu den Partien besondere
Kinästhesen, einfachere und komplexe, gehören. Zum Stück desTast-
empfindungsfeldes „Fingerspitze” A gehört eine besondere Kinästhese
25 und Gruppe kombinierter Kinästhesen; ihre Leistung ist, dass dieses
Stück A mit jedem Stück der sonstigen Tastempfindungsfläche zur
„Deckung” gebracht werden kann, darauf „aufgelegt” werden kann.
Das Feld ist Feld und seiner Form (seiner immanenten Koexistenz
form, einer zweidimensionalen, flächenartigen) nach invariant, wäh-
30 rend seine Fülle, seine beständig sich abhebenden Daten wechseln.
Das einheitliche Tastempfindungsfeld teilt sich in Teilfelder durch
die darauf bezogenen, nämlich sie in Tastfunktion nehmenden Kin-
ästhesen.
Getrennte, in der Tastfeldextension diskontinuierlich aussereinander
35 liegende Teile des Tastfeldes können in darstellender Funktion in eine
Art Kontinuität treten, nämlich aneinander grenzende Stücke einer
objektiven Extension darstellen, bzw. in einem einheitlichen tastenden
Prozess miteinander fungierend eine und dieselbe Oberfläche konsti
tuieren. Tasten wir mit mehreren Fingern der Hand zugleich, ohne ihre
40 Sonderkinästhesen gegeneinander auszuspielen, vielmehr in einer ein
heitlichen Kinästhese zumal tastend, so ist es so, als ob wir einen
Finger hätten und mit ihm in einer Kinästhese hin und her tasteten.
BEILAGE XVIII 297
Indem ich mit einem Organ tastend die rechte Hand betaste und sie
nicht nur als Körper in der Art eines Aussenkörpers gegeben habe,
sondern notwendig in assoziativer Einheit mit dem extensiven Ausser
einander der abgehobenen Daten des Tastfeldes, erhält die dargestellte
40 Oberfläche die in ihr lokalisierte Schichte dieser Daten. Ein Stück des
Tastempfindungsfeldes, seiner Extension, gehört dieser Oberfläche,
gehört der Hand als ihr Empfindungsfeld zu, Punkt für Punkt, und
zwar im Wechsel der haptischen Qualifizierung (z.B. ob ich mehr oder
298 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
tastbar, sondern als betastend, als Glied mit Kinästhesen, die in Frei
heit in Gang gebracht werden können. Sowie es so in Funktion tritt,
fungieren Empfindungsdaten in darstellender Auffassung als berüh
rende; aber dieselben sind es dann, die, wenn das Glied vielmehr be~
5 tastet wird oder in Betastung vermöglich gedacht wird, als in ilun lo
kalisierte gelten.
Ist diese volle Konstitution erreicht, so wird es verständlich, dass
der Leib ohne Besehen und Betasten (etwa im Dunkel, wo er über
haupt nicht gesehen ist), während er ausschliesslich für aussending-
10 liehe haptische Konstitution fungiert, immerfort doch ganz lebendig
bewusst ist und in seiner haptischen Anschaulichkeit bewusst zu ma
chen ist; nämlich das immerfort erfüllte und in sich zu durchlaufende
Tastfeld sowie die fest auf es verteilten Kinästhesen indizieren (apprä-
sentieren) beständig sein tastliches „Aussehen”.
15 Bei aller sinnlichen Erfahrung, so zunächst der visuellen, ist irgend
welche Hapsis mit dabei, und mein Leib als ursprünglich haptisch
konstituierter dabei, mit im Raum als Körper und doch nicht ernstlich
Körper wie die Aussenkörper, in Ruhe und Bewegung, in Veränderung
und Unveränderung, und doch nicht ernstlich so, wie andere Körper
20 ruhend und bewegt sind und sich verändern, nicht so aus ursprüng
lichster Erfahrung von räumlichem Dasein in Ruhe und Bewegung
sein Wesen erhaltend. Auch der Leib kann „gestossen” werden und
„stossen”. Sein Stossen und Gestossenwerden ist aber doppelsinnig,
doppelschichtig im Sinn. S o stossend als Leib kann er nur sich selbst
25 stossen, und so kann er auch nur durch sich selbst gestossen werden,
wie wenn die Hand den Fuss stösst, schlägt, schiebt etc. Nun ist es
doch etwas Eigenes: Ein Ding kann von ihm weggestossen werden, ob
es starr ist oder bewegliche Teile hat; es kann, während die Teile in
ihrer Weise sich relativ zum Ganzen bewegen, mitsamt diesen Bewe-
30 gungen fortgestossen werden. Aber der Leib, der sich selbst stösst,
kann sich nicht als ganzen fortstossen, er kann sich körperlich nur so
stossen, wie ein Ding sich selbst stösst, dadurch, dass einer seiner Teile
einen anderen stösst.1
Das alles sind offenbar Wesenseigenheiten der leiblichen Körperlich-
35 keit gegenüber der Aussenkörperlichkeit. Damit hängt zusammen das
Merkwürdige, dass jede Verbindung eines Aussenkörpers mit einem
Leibesglied ihm die Eigenheiten einer Erweiterung dieses Gliedes gibt,
obschon nicht die Erweiterung um ein neues „Glied”, ein neues Organ,
sofern er nicht etwa eine neue Kinästhese erhalten kann. Das ergrei-
40 fende Glied erweitert sich körperlich, und in dieser Erweiterung gehört
ihm die Kinästhese zu; und so hantiert es nun selbst als erweitertes
Organ. Darin hegt, der erweiternde Körper gewinnt Teil an dem Sinn
„Organ”. Es wird dadurch so etwas wie ein mittelbares Berühren (mit
einem Stock) und Tasten, Stossen etc. möglich.
45 Die primordial konstituierte Welt ist insofern also n i c h t homo-
1 Stossen ist ein Beispiel für leiblich Handeln. Zur Einzigkeit des Leibes, als worin
300 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
gen, als sie aus dem einzigen Leib und der Aussenwelt besteht. Die
Homogeneität besteht nur hinsichtlich der Körperlichkeit und befasst
in dieser Hinsicht auch den Leib, der eben in einer Schichte auch als res
extensa konstituiert ist. Aber wodurch er als Organ des Ich und als von
5 ihm untrennbar konstituiert ist, das ist nicht eine Auflage, die der
Leibkörper zufällig hat und andere Körper zufällig nicht haben. Denn
nur durch das Fungieren des Leibes als Organ kann sich Aussenkörper
als räumlich seiend, mit körperlichen Eigenschaften konstituieren, und
der Leib sich selbst konstituieren als Körper — dadurch dass er eine
10 vereinheitlichte Mannigfaltigkeit von Organen ist, die wechselseitig
fungieren können.1
Im Rückgang auf die ursprüngliche Konstitution von Aussendingen
und von dem Leib als Ding und als Organ erkennt man, dass nicht et
wa Dinge ohne Leib erfahrbar sind, sondern dass notwendig in eins
15 und korrelativ körperliche Dinge und Leib, als doppelschichtig und in
der einen Schicht als Körper, zusammen konstituiert sein müssen.
Darin liegt die erste Stufe für die Begründung des Satzes, dass eine
Welt blosser Natur, eine Welt ohne animalische Wesen undenkbar ist.
20 Die Glieder des Leibes können optisch als bewegt erfahren werden
so wie andere Dinge, ohne dass sie berührend erfahren werden, und
umgekehrt. Aber sie werden auch als bewegt erfahren, während sie
weder berührt, noch getastet werden, nämlich in dem kinästhetischen
„ich bewege”. Dabei werden sie als von mir räumlich bewegt erfahren
25 und doch nicht in aussenpraktischer Weise erfahren durch „Stossen”
etc., was ja Berührung voraussetzt (wir sagen auch „von innen her”
oder kinästhetisch bewegt).
Und dann in Kombination: Meine Hand wird als räumlich bewegt
durch Berührung haptisch erfahren (die andere Hand betastet sie); ich
30 sehe sie sich bewegend und erfahre sie, „nehme sie wahr” als bewegt,
aber ohne dass sie betastet würde; oder sie wird auch das, dann nehme
ich sie doch als bewegt wahr, aber nicht als kinästhetisch und dadurch
örtlich bewegt durch die sie betastende Hand oder sonstige Organe.
ich walte, gehört es, dass er das einzige ist, worin und wodurch ich handle und wo
durch Aussenobjekte von daher in ihrem Sein als verharrende, als sich verändernde
die zweite Sinnschicht annehmen können. Diese Sinnschicht ist ihnen als Aussen-
körpern ausserwesentlich; sie können sein, können sich bewegen, auch ohne <von
mir> gestossen zu sein etc.; ihr Sein ist nicht an sich zweischichtig. Ich kann mich
nicht fortstossen — primordial, als ob mein Leibkörper noch sein könnte ohne mich
und ich der Stossende bleiben könnte ohne Leib.
i Vgl. S. 309.
BEILAGE XVIII 301
stellen, oder wie beim Schieben bei dem Körper verbleiben kann „unter
Überwindung seines Widerstandes” und unter einer Kinästhese des
Mitgehens, die im Fall, dass der Aussenkörper schon in Bewegung war,
verschieden ist von der ursprünglich erforderlichen.
5 Was nun meinen Leib anlangt, so haben wir an ihm reichlich Bewe
gung, ursprünglich haptisch erfahrene und erfahrbare Bewegung. Aber
er als einheitlicher Totalkörper ist nicht ebenso erfahrbar als bewegt.
„Ursprünglich haptisch erfahren” heisst eine Bewegung (bzw. Ruhe),
wenn sie haptisch konstituiert ist durch kontinuierliches berührendes
10 Tasten, bei der Ortsveränderung (Bewegung) des Körpers unter „mit
gehender” Abwandlung der Kinästhese, wobei eine nichtmitgehende
Kinästhese, die Ruhe charakterisierende, eine solche ist, die immer
wieder wiederholt werden kann unter beliebigem Stillhalten in jedem
Augenblick, ohne Aufhebung der Berührung.1
15 Dergleichen Bewegungserfahrung habe ich von jedem z.B. in Wahr
nehmungsfunktion bewegten Gliede, auch durch einen Stoss von aussen
(der nicht Stoss von mir her ist) bewegtem Glied, aber nicht von mei
nem Gesamtkörper. Hier ist diese Erfahrung undenkbar. Also fehlt,
wie ursprünglich erfahrbare Bewegung, ihr Gegenstück, ursprünglich
20 erfahrbare Ruhe im normalen Sinne einer Ruhe, die in Bewegung
übergehen oder in die Bewegung übergegangen sein kann. Statt dieser
Ruhe haben wir hier eine Privation der Bewegung (im Rahmen ur
sprünglicher Bewegungserfahrung gesprochen), die mit der Ruhe das
gemein hat, dass haptische Erfahrungen von meinem Leibe immerzu
25 und kontinuierlich im Spiel bleiben können, ohne Möglichkeit, dass
ich meinen Leib aus der Reichweite meiner Hapsis verlieren könnte.
Ich könnte freilich, ich brauche nicht mich selbst zu betasten; aber ich
bin doch beständig in der Reichweite meines vermöglichen Tastens,
und das in anderer Weise als Dinge, die fortdauernd da sind, wie die
30 Dinge dieses Schreibtisches, während ich sie nicht betaste; sie brauch
ten nicht beständig da zu sein, in der Reichweite meines tastend sie
Wiederfindenkönnens. Mein Leib aber ist immer und notwendig da,
was immer sonst für mich zeitweise da ist und dann wieder nicht da,
in dem lebendigen Gegenwartsfeld meiner unmittelbaren Zugriffe. Der
35 Leib ist immer da, ja er ist auch, wenn wir die visuelle und sonstige
sinnliche Erfahrung abstraktiv oder wirklich ausschliessen, in gewisser
Weise wahmehmungsmässig da. Das beständig perzeptiv bewusste
Empfindungsfeld in seiner beständigen aufmerkend-perzeptiven Durch-
1 Wir haben zweierlei Bewegung und Ruhe zu unterscheiden: diejenige Ruhe, die
schlechthinnige Bewegungslosigkeit ist, und diejenige, die relative Ruhe insofern ist,
als an dem. Körper, sei es als Drehung, sei es an einzelnen seiner beweglichen Teile
Bewegungen statthaben, während er als ganzer „an seiner Stelle bleibt” ; wie z.B.
eine feststehende Windmühle, deren Flügel sich bewegen. Bei solchen Objekten
können wir (bei kleinen) haptisch immerzu bleiben und wiederholt und immer wieder
in ihrem dauernden Dasein zu denselben Teilen zurückkehren, nur im einzelnen
<müssen> die Kinästhesen mitgehend fungieren, ohne dass wir eine Kinästhese des
Mitgehens brauchten, um überhaupt bei dem Objekte bleiben zu können.
304 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
Die Einheit des Präsentierten und Appräsentierten ist dann das wahr-
nehmungsmässige Präsentiertsein des Objektes selbst. Hinsichtlich der
raumzeitlichen Welt ist die ursprüngliche Objektivation nun aber
nichts Isoliertes; immerzu und notwendig ist in eins und in unlöslicher
5 Verbundenheit Objekt in präsentierender Gegebenheit und Leib in
präsentierender Gegebenheit.
Mit jedem unmittelbar haptisch wahrgenommenen Objekt ist eo
ipso von der Berührung her appräsentiert der berührende Leib, also
auch mittelbar von seiten einer optischen Erscheinungsweise, die z.B.
10 als Femerscheinung auf Naherscheinungen und von da durch die Ap-
präsentation auf mögliche Berührung „durch den Leib” verweist. Die
Verweisung der Femerscheinungen in der femdinglichen optischen
Einheit „sich in der Ferne drehender und wendender Wagen” und
„sich nach meinem Standort und meiner Bewegung kontinuierlich an-
15 ders darstellender” auf das Nahding in entsprechender Erscheinungs
weise („wenn ich unmittelbar davorstünde”) ist einerseits Assoziation
und Apperzeption nach Analogie. Sie geht von <dem> kontinuierlichen
Wandel der Femerscheinungen auf den entsprechenden der Naher
scheinungen. Hier appräsentiert in faktischer Wahrnehmung die wirk-
20 lieh verlaufende Erscheinung das ganze System der vermöglichen Er
scheinungen und erwartungsmässig als kommend einen nächsten wei
teren Verlauf der in aktuellen Gang jetzt gebrachten Kinästhese ge
mäss. Die Appräsentation läuft von den jeweiligen visuellen Daten
und den immanent mit ihnen zusammen auftretenden Konstellationen
25 der Kinästhesen aus, da schon gestiftet ist das vielfach fundierte Sy
stem der Vermöglichkeit, im Wenn und So, vermittels der ins Spiel zu
setzenden Kinästhesen, als Nachsätze die entsprechenden kontinuier
lichen Abwandlungen herstellen zu können und damit die durch sie alle
hindurch zu leistende einstimmige Synthesis. So ist das jeweilige Ge-
30 samtempfindungsdatum nicht als es selbst erfahren, sondern es fun
giert als „Darstellung von”, und zwar als Erscheinung von (Perspekti-
vierung der ersten, untersten Stufe) dem ursprünglich ersten, dem „op
timalen” Nahding; und so fungierend ist „dadurch” erfahren diese
synthetische Einheit, die sich in ihm von der einen Seite darstellt.
35 Diese Seite appräsentiert ihre Mitseiten. Im kinästhetischen Durch
laufen der Seitenabwandlungen ist immer wieder der Bestand zwischen
primärer Originalität der Präsentation von der jeweiligen Seite und
dem Bestand der Appräsentation verschieden, aber in der durchlaufen
den Synthesis ist dasselbe wahrgenommen, dasselbe, als wie es von
40 verschiedenen Seiten aussieht — dasselbe Oberflächending. Aber in
der neuen Wandlung der Entfernung modifiziert sich das Nahding
stetig zum Femding, bzw. in der Umkehr das Femding wieder ins
Nahding. Dieses ist der „Urmodus” gegenüber jenem als „intentiona
ler Abwandlung”. Was besagt das hier? Das Femding wird vermöge
45 der Ähnlichkeit apperzipiert als ein Analogon des Nahdinges, aber es
ist kein Nahding (nicht ein verkleinertes Pferd etc.), das heisst, es
wird nicht als das gesehen. Ein Pferd in seiner Typik der Gegebenheits-
BEILAGE XVIII 307
geworden ist. Es ist darum nicht nichts geworden, es ist noch immer und
in gewissem Masse bewährbar als „Phantom”, als im Wechsel der Er
scheinungen und im Wegsehen und wieder Hinsehen identifizierbar
und bewährbar. Im gehenden Bewegen (oder Herumgetragenwerden)
5 vollzieht sich aber die höherstufige Konstitution, die Bildung der Er
fahrung der durch die neuen kinästhetischen Funktionen sich voll
ziehenden Annäherung und Rückwandlung in ein volles Nahding; es
bilden sich die neuen Zusammenhänge des Wenn und So, die Unter
scheidung desselben Dinges im Typus der Nahperspektive, und zwar
10 in der für den erworbenen Individualtypus Pferd, Wagen etc. ent
sprechenden Weise, in den zu diesem Individualtypus gehörigen Modis:
dasselbe Ding rechts oben, links unten, so und so weit, sehr weit, näher
usw., bezogen auf die vertraut werdenden Funktionen der kinästhe
tischen „Vordersätze” neuen Stiles. Was sich hier perspektiviert dar-
15 stellt, ist das Ding in den jetzigen Modis optisches Ding der greifbaren
Nähe und optisches Ding in dieser oder jener Fernorientierung. Dieses
hat in seiner sinngebenden Erfahrung höhere Stufe den Sinn einer in
tentionalen Einheit, die durch Ins-Spiel-setzen der entfernenden Kin-
ästhese in die intentionale Einheit Nahding als optisch so charakteri-
20 sierte, aber auch als haptisch unmittelbar greifbare und als praktisch
unmittelbar zu behandelnde <übergeht>. Konstituiert ist also nun die
Einheit des Dinges, als Einheit seiner mannigfaltigen Erscheinungen
höherer Stufe, und diese Erscheinungen sind die durch kontinuierlich
synthetischen Übergang der Identifikation (der einstimmig syntheti-
25 sehen Einheit) verbundenen Entfemungsdinge im erweiterten Sinne,
die selbst schon synthetische Einheiten sind, selbst schon relative
„Dinge” unterer Stufe.
Aber dieses Universum konstituierender Erscheinungen, der onti-
schen Erfahrungen (Modi des Dinges im Wie der Orientierung), sind
30 nicht Erscheinungen völlig homogener Struktur. Sie stehen zwar in
einem System der Vermöglichkeit, in der sie alle aufeinander verwei
sen ; aber doch wieder so, dass alle Feme auf die Nähe verweist in einer
vorzüglichen Weise als die das Ding eigentlich selbstgebende; oder
dass alles Entfernen Entfernen von der Nähe, eine Entnahung ist, die
35 dabei Erscheinung des Dinges selbst nur dadurch verbleibt, dass sie
den Sinn der vermöglichen zurückführenden Näherung hat, sei es von
mir aus durch Gehen, oder vom Ding selbst aus durch sich annähern
des Bewegen. Und so verweist zwar das Nahding auf Möglichkeiten
und Vermöglichkeiten der Entfernung, aber verweist damit in eins
40 immer auf sich selbst zurück als den Urständ, als den Urmodus, der
sich intentional modifiziert. Und nur in dieser Weise hat das Ding in
allen Erscheinungsweisen haptische Sinnschicht, die eigentlich und
ursprünglich nur zugehört zum Urmodus der Nähe, und im Zusam
menhang mit der haptischen die praktische Schicht als die der subjek-
45 tiven Kausalität des Eingreifens in die Umwelt, andererseits die
Schicht Kausalität der sich selbst überlassenen Natur und überhaupt
die den Dingen selbst eigene Naturkausalität.
BEILAGE XVIII 309
und Eisen. Aber man wird auch in dieser Stufe der konstitutiven Sinn
gebung nachgehen müssen und dadurch einsehen lernen, dass die hier
wieder ursprünglich sinngebende Erfahrungswelt, die Welt meiner und
unserer strömenden Wahrnehmung, konstituiert ist von unserer Nah-
5 weit aus. Die Art, wie aber diese Nahwelt zu ihrem konstitutiven Sinn
kommt, führt zurück auf meine primordiale Konstitution und die
darin konstituierte Nah-Fem-Welt, meine primordiale Aussenwelt,
die meinen Leib und mich „darin” als waltenden appräsentiert; so wie
umgekehrt dieser Leib immerzu, sowie er für mich konstituiert ist, als
10 worin ich waltend bin und von ihm untrennbar, appräsentiert seine
Nah-Fern-Weit als die zugleich, in der ich durch meinen Leib und mein
darin ursprüngliches Walten mittelbar walte.
Haptisch stosse ich tastend-berührend auf ein Oberflächending,
analog meinem leiblichen Oberflächending, also als Nahding in der
15 Ursprünglichkeit. Ich sehe es. Meinen Leib habe ich nur partiell sicht
bar, beschränkt durch meine Kinästhese des wahrnehmenden Sehens.
Die Beschränkung ist eine Hemmung. Auch im tastend die Hand Aus
strecken bin ich gehemmt und habe daher beschränkte Entfernung im
haptischen Feld.1 Das wird konstitutiv überwunden durch die
20 Kinästhese des Gehens. Beim Leib ist das unmöglich. Taste ich den
Rücken oder meinen Kopf. Ich kann auch mit einer ganz ähnlichen
Kinäasthese ein anderes Ding, etwa die Sessellehne oder ein ähnliches
Ding wie der Kopf, tasten; sie indiziert mir das Sehbild beim Mich-
herumdrehen und das Ding vor mir Betasten — die n o r ma l e
25 Lage, das n o r m a l e Z e n t r a l f e l d der Wa h r n e h mu n g ,
die N a h we l t vor mir, die Sphäre, in der die Dinge zugleich
tastbar und greifbar, aber auch sichtbar sind, und d er Leib
in der n o r ma l e n Lage.12 In ihr hat er auch seinen Bereich
der Sichtbarkeit in eins mit der Greifbarkeit. Die Wahrnehmungs-
30 weit v or mir ist total eine Vorderseite und hat ihr Korrelat in der
„Vorderseite meines Leibes” als normales. Die Dinge vor mir ap-
präsentieren ihre übrigen Seiten — als vermögliche, kinästhetisch
motivierte Vorderseiten. Mein Leib ist optisch ewig Vorderseitenkorre
lat in wirkhcher Wahrnehmung. Die sichtbaren Glieder <sind >konsti-
35 tutiv ähnlich wie die nahen Sehdinge und Greifdinge hinsichtlich der
Oberflächlichkeit. Hätte ich einen entsprechend langen Hals etc., so
könnte ich mich allseitig sehen. Die Analogie macht, dass ich auch
meinen Leib als sichtbar „vorstelle”. Man könnte sagen, ich stelle
meine unsichtige Seite appräsentierend so vor (wenn ich Andere in
40 Rechnung ziehe), wie Andere mich von ihrer Stelle äusserlich sehen.
Aber gesetzt, es sei so, wie stelle ich meinen Tastrücken als visuell vor
mit Hilfe der Anderen? Vermöge einer Synthesis meines Tastrückens,
müsste man dann sagen, der mir original zugehört, mit dem vom An-
1 Ist eigentlich nicht denkbar ein Sich-strecken ein Stück weiterreichend als ich
sehe? Die Kraftgrenze ist doch nicht so bestimmt, dass sie notwendig gesehen sein
müsste.
2 Wohl zu beachten!
BEILAGE XVIIT 311
deren gesehenen Tasten, aber von ihm verstanden als originales Ta
sten, das mir zugehört. Das ist doch schwer verständlich. Ist es in
Wirklichkeit so, dass ich meinen Leib äusserlich vorstelle und einen
Anderen dazu oder dass ich ihn ohne Andere vorstelle, wie wenn ich
5 von einem Dort aus mich sähe, was doch wieder soviel wäre, dass ich
mich vorstellte, als wie wenn ich ein Anderer wäre? Aber jedenfalls
habe <ich> doch keinen Anderen vorstellungsmässig im Spiel.
Analogische Apperzeption meines Leibes in Totalität als sichtbar,
wie ein Ding vor mir. Dazu wirkt auch die Appräsentation von
10 seiten des Tastfeldes. Freilich, wenn ich klärend der Analogisierung
nachgehe, komme ich auf die Hemmung und die Unsichtbarkeit. Die
Frage ist, was hier trotzdem Geltung schafft, wirkliche] Appräsenta
tion.
Im Gehen bleibt diese analogische Apperzeption fortwirkend. Keine
15 Perspektivierung meines visuellen Leibphänomens (als normales Vor
derseitenphänomen mit Rückseitenappräsentation). Dagegen, das
ganze Aussenwahrnehmungsfeld perspektiviert sich optisch und „er
weitert” sich haptisch, immer Neues wird berührt und ist unmittelbar
berührbar. Ich, mein Leib, ist bei immer neuen Dingen unmittelbar
20 dabei. Ein Nahding kann nun, während ich gehe, auch immerzu das
selbe Nahphänomen bleiben, dann bewegt es sich als Ding. Es kann
aber auch mein Gehen eingestellt werden, dann perspektiviert es sich,
bzw. verliert seine Berührung. Bleibe ich im Gehen, so habe ich indes
sen zumal dasselbe Phänomen von meinem Leibe wie von einem so be-
25 wegten Ding. Aber genügt das im mindesten? Im Sinn dieses Bewe
gungsphänomens liegt ja nicht das blosse Ungewandeltbleiben dieses
Phänomens, sondern sein sich Perspektivieren in Abhängigkeit von
meinem Andersgehen oder Nichtgehen.
Mein Leib kann überall hinkommen. Er ist ein beständiges Nah-
30 objekt oder Analogon eines Nahobjektes, das aber die Analogie da
durch bricht, dass es keine Vermöglichkeit der haptischen und visuel
len Entfernung mit entsprechenden Modalitäten der Perspektivierung
haben kann, aber mit jedem anderen Objekt, das visuell perspektivisch
erscheint oder haptisch als mit da leer appräsentiert wird, zur Berüh-
35 rung kommen kann. Ein Ding kann sich zu einem anderen hinbewegen
bis zur äusseren Berührung, es kann ihm äusserlich näher und ferner
kommen, beider relative Lagen verändern sich, und äussere Annähe
rung führt schliesslich als beständige Möglichkeit zur Berührung. Jedes
Ding, das ruht, hat seinen Ort, jedes andere kann an seinen Ort kom-
40 men und ihn einnehmen, wenn jenes Platz macht. Jedes Näherungs
phänomen und Berührungsphänomen appräsentiert ein vermögliches
Nahphänomen. Mein Dabeisein und Berühren eines Dinges ist phäno
menal analog dem zweier Dinge. Schon in meinem Nahfeld, jedes
Ding darin, das ich nicht berühre, kann ich berühren, und das sieht
45 ebenso aus, wie wenn ein Ding mit einem anderen in dieser Sphäre zur
Berührung kommt. Ich komme durch mein Gehen an jeden Platz. Der
Aussenraum, die Aussenwelt, ist von der Nähe aus schon konstituiert
312 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
gerade dadurch, dass ich jede Ferne verwirklichen kann als Nähe, als
wobei ich berührend etc. bin. Aber dieses Dabeisein ist auch mein
räumliches Dabeisein; ich bin räumlich in der Nahsphäre wie ein an
deres Nahding, obschon Leib, und dadurch einzig. Mein Gehen bringt
5 mein räumliches Sein an jede Raumstelle, ich vollziehe dadurch Orts
veränderung meines Leibes im Raume, ebenso wie ein anderes Ding
seinen Ort verändert, sich bewegt. Andere Dinge haben freilich Be
wegungserscheinungen, die mein Leib nicht zulässt. Andere müssen
optisch durch Perspektivierung erst zurückweisen auf die Nahdinge,
10 die von fern erscheinen als solche, die ich durch Hingehen verwirk
lichen könnte. Mein Leib ist immer im ,,Da”, er bedarf keiner erschei-
nungsmässigen Zurückleitung auf das Da. Ich habe mein einziges Sein
eben dadurch, dass ich meine Räumlichkeit durch mich selbst und
meine verschiedenen kinästhetischen Mitorgane konstituiere, während
15 andere Dinge durch mich und meine Organe konstituiert werden. In
der verschiedenen Konstitutionsweise konstituiert sich freilich ver
schiedenes, aber qua Raumobjekt im Ortssystem des Raumes einerlei;
mein Körper ist Körper im Raume, mein Gehen Ortsveränderung, ist
Bewegung.
20 Bewege ich mich leiblich im Raume unter kontinuierlicher Berüh
rung mit einem Aussending, was sind da für Möglichkeiten ? Berühre
ich das Ding dauernd an derselben Stelle seiner Oberfläche und im
Wechsel an verschiedenen Stellen oder diese im Gehen betastend und
wiederholt und beliebig die alten Stellen wiederfindend, so habe ich es
25 als Nahding beständig während meines Gehens verwirklicht, und es
bewegt sich selbst mit meiner Bewegung in eins. Kann ich zu denselben
Stellen n u r d u r c h Gehen z u r ü c k k e h r e n und immer wieder
in solchem Zurückgehen, <so> ruht das Ding, aber ich, mein Leib, ist
auf ihm und bewegt sich auf ihm.1 Gehe ich selbst nicht, nur Glieder
30 bewegend, unter ständiger Berührung mit einem Aussenobjekt, das
unbewegt ist, so ruhe ich auf ihm stehend, wenn es bei allen kinästhe
tischen Bewegungen, die ich leiblich vollziehe unter Stillhaltung der
Gehkinästhese, in Berührung mit mir verbleibt; <odef> während mein
Leib im ganzen nicht stehend, sondern in anderer Weise ruht (sitzend,
35 hegend auf), wenn eben noch die Aufstehkinästhese, die das Gehen
einleitet, offen ist.
Natürlich heisst es von einzelnen Gliedern, dass sie auf einem Dinge
aufruhen, wenn alle eigenen kinästhetischen Bewegungen des Gliedes
die Berührung in ihrem Verharren nicht stören, z.B. Aufliegen meiner
40 Hand mit dem Arm in eins auf dem Tisch. Ist ein Gegenstand in
meinem Feld in Ruhe oder Bewegung, so kann ich mich auf ihn stehen,
so dass ich auf ihm nunmehr ruhe. Stehen ist ein gehendes Bewegen
von einem Stande aus, in dem man auf einem Ding ruht, zu einem
anderen <Stande>, in dem man auf einem anderen <Ding> ruht (evtl.
45 nun auf beiden zugleich).
1 So geht das nicht!
BEILAGE XVIII 313
für mich primordialer Körper dort ist, bekommt nicht etwa eine
neue Bestimmungsschichte als primordiale, wie ein Körper sonst
der primordialen Welt im Gang der Erfahrung neue Eigenheiten
zeigen kann, die aber dann in der Form der Körperlichkeit und
5 der primordialen Objektivität schon vorgezeichnet sind als
Möglichkeiten. Hier soll aber diese Welt transzendiert werden,
also derart, dass dieser Körper vermöge seiner Ähnlichkeit mit
meinem körperlichen Leib zum Ansatzpunkt für eine Modifi
kation wird, in der eine Primordialität vergegenwärtigt und doch
10 bewährbar wird, die nicht die wirklich originale, die meine ist.
Verähnlichung überhaupt und Konstitution durch Erscheinungen
2. September 1931
2 Beides durchdringt sich eigentümlich bei dem Leib. Die Bewegung der Hand (in
der erfahrenden Intention des Tastens oder in der praktischen des Schiebens eines
Gegenstandes) sehe ich, auf sie in der sehenden Intention gerichtet: sie also visuell
aktiv erfahrend im Bewegen meiner Augen, das selbst nicht aktiv erfahren ist. Das
Sehen aber der tastenden Hand in ihrer Bewegung ist nicht bloss Sehen wie das
eines Steines und seines Dorthinrollens. Ich „erfahre” ja kontinuierlich zugleich die
Aktivität des Tastens der Hand, des Betastens des Dinges, das sie berührt etc., oder
das Schieben des Dinges, dessen Grösse und Typus mir schon sagt (also dessen Apper
zeption), dass ich mich tüchtig anspannen, anstemmen muss, um es weiter zu kriegen.
Die einheitliche Organerfahrung hat eine Seite naturaler Erfahrung und eine zweite,
„geistige” Seite, und ich kann die eine aktivieren, also in eigentlicher Wahrnehmung
geistigerweise vollziehen und wieder die andere. Probleme der Konstitution dieser
Einheit Leib, Organ.
320 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
1 Praktische Passivität voll genommen kann es nicht geben, wenn Welt Welt
möglicher Erfahrung sein soll und ist. Schon die Reales, Natur wahrnehmende Akti
vität ist hinsichtlich meines Leibes praktisch, hinsichtlich der sonstigen Natur un
praktisch — so in der u r s p r ü n g l i c h s t e n Erfahrung, der gemäss also auch meine
Organbewegungen in „blosser” Wahmehmungsfunktion doch nicht als in <die>
Kausalität der äusseren Natur einbezogen erfahren werden. Das ist also eine untere
konstitutive Stufe.
2 In der Urerfahrungssphäre freilich dann nicht, wenn der Leib bloss wahrnehmend
fungiert.
3 <Der vorangehende Text, von S. 320, Zeile 30 an,> ist wohl nicht reinlich
ausgeführt. Gehe ich von der Welt, die konstituiert ist, aus, so ist sie durchaus und
wesensmässig zugleich Natur-und Geisteswelt, sie ist es durch und durch, in allen
Konkretionen, obschon in verschiedener Weise.
Sie ist in allen konstitutiven Schichten transzendental konstituiert als „ichfremde"
Natur, als Nicht-Ich, die aber gleichwohl als vom Ich her konstituierte ihre Geistig
keit, ihre Ichbezogenheit, ihren ichlichen Sinn hat, nur dass er in der konstituierten
Natur, in ihrem ontischen Sinn, nicht vertreten ist. Alle ihre „konstitutiven”, das
passt gut: ihre konstituierten Merkmale, die den Inhalt, den eigenwesentlichen Sinn
von Natur ausmachen, sind ungeistig, enthalten nichts von der Ichbezogenheit,
durch die sie konstituierte sind. In den untersten Stufen ist das konstituierende Ich
sozusagen a n o n y m b e i der Welt, und ihre geistige Seite ist nicht selbst objektiv
konstituiert. Schliesslich aber haben wir den Menschen —■schon in der primordialen
Stufe —•in der Welt und die Welt humanisiert, vergeistigt, aber als vom menschlichen
Ich her Sinn in sich tragend.
In dieser Vollendungsstufe ist die Welt der Erfahrung, dem Erfahrungssinn nach
genommen, in der universalen Unterschichte Natur — Allnatur; in der Oberschichte
ist sie mit Sinn ausgestattet, der auf die Menschen als Ichsubjekte verweist.
Die Menschen selbst sind körperlich-leiblich bloss Natur im Zusammenhang der
322 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN" 1931-1932
20 3. IX. 1931
Ergänzend ist nun noch zu erwägen, dass der Leib in der Welt
als physischer Körper konstituiert ist, sich in ihr also physisch
bewegt und ruht; er ist also in dieser Hinsicht in die allgemeine
25 physische Kausalität verflochten. Er ist aber konstituiert als
Leib, als worin sich mein Ich „verkörpert", worin ich mein
Organ, mein Totalorgan habe mit den verschiedenen Sonder
organen. Diese sind als das doppelseitig konstituiert. Als Wahr
nehmungsorgane fungieren sie in physischer Ruhe und Bewegung
als ichlich, vermöglich, kinästhetisch sich von mir her regend
30 etc. Sie haben in Deckung mit der Sinnschicht der Körperlichkeit
in dieser Hinsicht eine ichliche Sinnschichte — eine Schichte des
mir zu Gebote Stehens, mir Fungierens, hier des Dinge, Aussen-
dinge, aber auch Leibliches (ein Organ in Funktion für Wahr
nehmung anderer) Wahmehmens.
35 Diese doppelseitigen Bewegungen, die ichlich-physischen, voll
ziehe ich auf Grund von Affektionen. Die wahrgenommenen
Dinge sind dabei (so ist die Welt jederzeit für mich konstituiert)
erfahren als die mich affizieren können und in der Wahrnehmung
324 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
wirklich affizierten.1 Darin hat also die Welt der Erfahrung einen
zu ihrem konstitutiven Wesen gehörigen ichlichen Sinn, der das
jeweilige Reale in seinem Realsinn in „Beziehung” setzt oder
vielmehr in Verbindung setzt mit meinem Ich, das als verkörper-
5 tes Ich konstituiert ist. Die Beziehung oder Verbindung ist nicht
erst nachkommende Verbindung oder nachkommend aus einem
Beziehen, als ob erst einmal die realen Dinge wären und dann
bezogen würden. Sondern korrelativ und immer in eins sind
Körper da als wahrgenommen und wahrnehmbar, als seiend in
10 wirkhcher und möglicher Affektion, und die Doppelseitigkeit,
die sie damit haben, ist korrelativ zur Doppelseitigkeit des kör
perlichen und zugleich ichlich fungierenden Leibes; und als
ichhche Bezogenheit ist die Affektion und dann in weiterer Folge
die ichhche Reaktion des wahrnehmenden, tuenden ichlichen
15 Verhaltens doppelseitig konstituiert, insofern zu beidem auch
auf körperlicher Seite ein paralleler, erst „näher zu erforschen
der” 12 Stil körperlicher Verbundenheiten, Kausahtäten gehört.
Was die Affektion anlangt, so ist zwar das Ich affiziert, aber in
eins der Leibkörper erfahren als Lokalisation der vom affizieren-
20 den Objekt ausgehenden und im Ich erlebnismässig auf tretenden
Affekte sozusagen. Der Leib ist der Ort der Empfindlichkeiten
oder, wie ich auch sage, der Empfindnisse, auf ihm und in ihm
erscheinen sie mehr oder minder differenziert verteilt, örthch
verteilt, lokahsiert, z.T. quasi extendiert. Sofern das Ich ver-
25 körpert konstituiert ist als Menschen-Ich, in eins mit dem körper
lichen Leib als Mensch, ist das gesamte Reich des Subjektiven
und zunächst die Erscheinungsweisen der Dinge in ihrem kon
stituierenden Wandel lokahsiert, auf den räumlichen Ort des
körperlichen Leibes und seine körperliche, seine räumlich exten-
30 sive Einheit und ihre Ortsveränderungen bezogen — eine Be
ziehung, die wieder beständig da ist, eine in der Erfahrung der
Welt immer schon vorgegebene Korrelation.
1 Affektion zur konstituierten Welt selbst gehörig. Sie setzt also subjektiv — für
jedes Subjekt, das in Wachheit Welt hat, und dann als die ihm jeweils wahrnehmungs-
mässige — voraus, dass es eben für sich selbst als Mensch konstituiert ist und die
Habitualitäten hat, vermöge deren Objekte für es mit dem Sinn bleibend zugäng
licher Erwerbe da sind.
2 „näher zu erforschend”, das besagt, in der höher ausgebildeten Erfahrungs
konstitution entspricht jeder geistigen Affektion und Aktion eine kausal-real parallel
verlaufende zwischen meinem Leibkörper und den Aussenkörpern.
TEXT NR. 18 325
Wenn wir die Welt als Welt der Erfahrung — meiner, des
primordialen Ich, meiner, des primordialen Menschen, betrach
ten, diesen als Körper und als Ich, das den Körper „beseelt”,
betrachten (ausschliesslich nach dem Seinssinn, den sie aus der
5 Erfahrung hat), müssen wir sagen, sie hat in untrennbarer Kor
relation körperlichen Sinn und „geistigen” Sinn, sie ist in ge
w i s s e r Weise überall, durch und durch „psychophysische”
Welt, so schon, wenn wir bloss den Blick richten auf die Erfah
rung als Naturerfahrung. Die Welt ist für mich nur, was sie ist,
10 als Einheit wirklicher und möglicher Erfahrung, als Einheit der
mannigfaltigen synthetischen Verläufe, wirklicher und ver-
möglicher. Als das ist sie in beständiger lebendiger „Beziehung”
zu mir, zu meinem Leben, zu dem diese Erscheinungen, Synthe
sen, kinästhetischen Tätigkeiten und Vermöglichkeiten gehören.
15 Und diese sind in meinem Körper mitlokalisiert, haben ihre
besonderen Beziehungen auf meine Wahrnehmungsorgane, auf
die wahrnehmend fungierenden körperlichen Bewegungen, wobei
diese immer doppelseitig konstituiert sind, als körperliche und
als meine Tätigkeiten, in ihrem intentionalen Gerichtetsein auf
20 die verwirklichende Bildung der Einheiten. Aber mein Leib, als
„worin” ich „lebe” , ich wahrnehmend und sonstwie walte, mein
Leib, der als Körper verharrt, aber auch verharrt mit dem
festen Sinn, der ihm zugehört aus dem in festem Stil der Ver
möglichkeit verlaufenden und für ihn immer horizonthaft vor-
25 gezeichneten Prozess des waltenden Tuns, ist p s y c h o p h y
s i s c h in einem ausgezeichneten und einzigen Sinn. Und natür
lich ebenso Ich, als das <ich> im kontinuierlichen ichlichen Wal
ten eins bin mit dem Leibkörper, M e n s c h bin, der unter dem
Titel Ich alles Ichliche der Vermöglichkeit, des Lebens in Akti
30 vität und Affektivität einigt, aber auch verleiblicht, in dem
kontinuierlich erfahrenen körperlichen Sein des Leibes lokalisiert
zeigt. Alles sonstige Körperliche, die „Aussenwelt” ist als Einheit
kinästhetisch-vermöglicher Mannigfaltigkeit beständig auf mich
als Ich, also so wie ich konkret konstituiert bin, auf mich als
35 Menschen „bezogen”, auf meinen fungierenden Leib, auf meine
fungierenden Organe.
In der Richtung auf die Körper erfahren wir erfassend nur
Körperliches, in der korrelativen Richtung auf die Mannigfaltig
keiten übergehend sind diese in gewisser Weise in eins mit dem
326 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
5 Das Interesse richtet sich auf ein Affizierendes. Vom Ich aus geht
der Richtungsstrahl (Aufmerken) auf dasselbe, die Richtung oder das
Sich-richten des Ich ist ein strebend Sich-richten, ein im Aufmerken
Dabeisein, Interessiertsein, Beschäftigtsein, Tun. Das Ich vollzieht
einen Aktus. Aber das ist darum noch nicht ein eigentliches Tun, ein
10 Handeln, so wie aufmerkend auf etwas Gerichtetsein noch nicht ist ein
erfahrend, ein wahmehmend oder gar ein unmittelbar wahmehmend
bei etwas, und gar als einem Objekte, Dabeisein. Das eigentliche Tun,
das Handeln (und das Wort hat hier noch immer einen ungewöhnlich
weiten Sinn) ist gerichtet auf ein schon als „Ziel”, und zwar als erreich-
15 bares Ziel, Konstituiertes. Denn es ist zu scheiden zwischen Ziel eines
blossen Begehrens (Begehrungspol), das sich auf ein vermisstes Gut,
auf ein evtl, schon als gut Erfahrenes, aber in seiner Güte Dahin
schwindendes bezieht, und praktischem Ziel, das bewusst ist als Ziel
eines verwirklichenden Weges, und eines von mir vermöglich zu ver-
20 wirklichenden.
In der Ursphäre der lebendig perzeptiven Gegenwart: Hier ist das
an sich Frühere das Vermissen, das Bewusstwerden einer Ungenüge
und das Begehren. Soll ich nun sagen: Instinktiv geht lebhaftes Be
gehren oder Begehren sich steigernd in ein erstes „Wollen” über, es
25 bleibt nicht bei der Passivität des Strebens, es wird „aktives Streben”
= Wollen daraus (obschon eines und das andere „Akt” ist) ? Soll ich
sagen, dieses ursprüngliche Wollen hat die Form einer sich entladen
den Totalkinästhese, sich entladend in Kinästhesen, die noch unbe
herrscht, also in ihren Partialkinästhesen ungeschieden durcheinander-
30 gehen, wobei sich die Felddaten abwandeln und gelegentlich, auch
mehrfach das Vermisste „näher”kommt oder wiederkommt? Das
„näher” besagt, eine Datenwandlung in aufsteigender Ähnlichkeit
lässt das Vermisste eben in Form der Ähnlichkeit immer durchschei
nen, es gefällt schon und verähnlicht das Vermisste, erinnert daran
35 und hat es in der Ähnlichkeit schon gleichsam in sich, aber noch nicht
genug. Jedes Wiederkehren ist Wiederkehren durch Verähnlichung in
Steigerung, und ist es da, so hört mit der Befriedigung das begehrende
Wollen, das hinstrebende, bewegliche auf. Das Begehren ist erfüllt,
das tätige Hinstreben, das ursprüngliche Kinästhese ist, kommt zur
40 kinästhetischen Ruhe.
Doch wird man sagen können, das betrifft von vornherein je nach
den Reizen die einzeln ursprünglich zugeordneten kinästhetischen
Mannigfaltigkeiten, so die zum Sehen gehörigen oder bei Berührung
der Hand die zur Hand gehörigen etc. Aber schon durch <das >Bevor-
45 zugtsein der Ruhelagen, z.B. die Lagen mindester Kraftanspannung, in
330 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
die die Bewegung von selbst zurücksinkt, ist es gegeben, dass das In
teressierende sich mindert oder verlorengeht, wieder gesucht werden
muss etc. Die Kinästhesen selbst sind nicht Willensmodi, aber sie
konstituieren sich als Willenswege auf Ziele hin, im aktiven Streben
5 auf etwas hin werden sie zu eingeübten Wegen, zu vermöglich zu be
gehenden — sich durch Wechsel der Inhalte als Wege assoziativ über
tragend.
Nr. 19
des einen und des anderen sich decken. Korrelativ müssen sich
die Konstitutionen der beiden Körper, also zunächst in dieser
Hinsicht die Primordialitäten, decken.
Wir beide, jeder rein seelisch, jeder in seiner Zeit und seiner
5 lebendigen Gegenwart, die nicht raumzeitliche Gegenwart ist,
haben Erscheinungen von Dingen, und jeder die seinen und seine
Seinsgeltungen. Ich erfahre nun den Anderen und habe von mir
natürlich S e l b s t e r f a h r u n g . Ich finde das „in meinem Jetzt
erfahre ich den Anderen” und s e i n Jetzt; ich finde als in eins
10 seiend mein und sein Jetzt, meine Erscheinungen und seine,
mein Erscheinendes als mir Geltendes und seines, aber beides als
dasselbe. Und dabei hat dieses in derselben Erfahrung seine
„äusserlich” erscheinende Zeitdauer als seine fortdauernde o b
j e k t i v e Gegenwart, und diese in Deckung mit m e i n e r dau-
15 ernden Erscheinung und der sich damit verbindenden und Punkt
für Punkt deckenden dauernden Erscheinung des Anderen.
Solange ich in meiner lebendigen Gegenwart mein Einfühlen
vollziehe, solange habe ich in ihrer Erstreckung Zeitpunkt für
Zeitpunkt zugleich meine Gegenwart und die des Anderen, nur
20 dass diese letztere nicht für mich wahrnehmungsmässig an
schaulich, sondern eingefühlt ist. Das Eingefühlte (das Vergegen
wärtigte) ist kontinuierlich Erfahrenes und kontinuierlich einig
m it dem Erfahren. Nun wird man aber sagen, so ist es doch auch
bei der anschaulichen Wiedererinnerung. Es deckt sich das
25 gegenwärtige Wiedererinnem mit dem Wieder erinnerten hin
sichtlich der beiderseitigen Dauern Punkt für Punkt. Aber dieses
Zugleich dieser Deckung ist nicht zeitliches Zugleich, das eine
meine Gegenwart, das andere meine Vergangenheit. Wieder
erinnertes ist ja zudem auch vergegenwärtigte Gegenwart. Wie
30 kommt es, dass bei der Vergegenwärtigungsart der Einfühlung
ein simultan-zeitliches Z u g l e i c h zustandekommt?
Hier ist aber zu bedenken, dass, solange ich wirklich anschau
liche Einfühlung vollziehe, meine lebendig strömende Gegenwart,
aber damit auch m e i n e indessen verflossene und durch Wieder-
35 erinnerung aufzuweckende V e r g a n g e n h e i t , und die des An
deren zur Deckung kommen. Ferner, wenn der Andere sich wieder
erinnert an eine frühere Vergangenheit, in der er nicht Gegen
stand meiner Einfühlung war, so wird diese Erinnerungsvergan
genheit mir doch etwa jetzt zugänglich werden können. Indem
TEXT NR. 19 333
eine Strecke seiner und meiner Zeit sich deckt, setzt sich die
Deckung durch die ganzen Zeiten fort. Wir haben uns vordem
gesprochen, das gibt eine Strecke aktueller Deckung; dazwischen
fehlt die Einfühlungskontinuität mit dem Anderen, aber wären
5 wir z u s a m m e n g e k o m m e n etc.
Nun spielt sich ja das Zusammenkommen körperlich ab. Das
Zusammenkommenkönnen ist aber mein und sein Vermögen,
und mit den Zeiten decken sich auch die Vermögen. Zudem, das
„Spiel” des körperlichen Zusammenkommens ist psychisch ein
10 Spiel der Erscheinungen und Erscheinungssynthesen, der Kin-
ästhesen und der zugehörigen, in meiner und des Anderen Im
manenz statthabenden und aktualisierten Vermögen. Somit
haben wir in der Einfühlungsbetätigung immer ein erfahrendes
Bewusstsein, in dem rein seelisch meine Seele als seelisch erfüllte
15 Zeit und die andere Seele und ihre Zeit zu kontinuierlicher Dek-
kung kommen, und zwar einer Deckung in Seinsgeltung. Also
wirklich ist für mich Koexistenz meines zeitlich-seelischen Seins
und des Anderen erfahren und ebenso für den Andern, wenn er
meiner inne wird. Natürlich pflanzt sich das durch die Andern
20 der Andern fort und ebenso durch die mittelbaren Einfühlungen
in Subjekte der Vergangenheit, mit denen ich jetzt gar keine
Verbindung habe, von denen ich aber auf dem Wege über Andere
erfahre als die dereinst von ihnen erfahrenen, und das selbst in
Mittelbarkeiten der Fortpflanzung (durch die Generation hin-
25 durch, Geschichte).
Es ergibt sich also, dass für mich und dann ebenso für jeder
mann eine Koexistenz unserer aller rein seelischen Koexistenzen
erfahrungsmässig besteht, dass jede Einzelseele die Koexistenz
form ihrer eigenen Zeit hat und für sich selbst ist und erfahren
30 ist als durch diese Zeit hindurch, ihre Lebenszeit, die Zeit ihres
Verharrens in ihrer personalen Individualität, in ihren wech
selnden Habitualitäten und ihres Verharrens in diesem Wechsel
als Person personaler Eigenschaften; ferner, dass alle Seelen ein
rein seelisches Universum haben, das für sie beständig als Er-
35 fahrung konstituiert ist als Universum seelischer Koexistenzen,
und in der Weise, dass eine jede ihre eigene Koexistenzsphäre
als primordiale Erfahrung besitzt, alle Anderen aus unmit
telbarer und iterativ mittelbarer Einfühlung, aktueller und po
tentieller (vermöglicher).
334 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
universalen Zeit, sondern aus sich selbst, aus ihrem eigenen zeit
lichen Wesen, in dem andere Zeitlichkeit intentional beschlossen
ist, die wesensmässig eine andere ist. Die Individualität der See
len besagt in gewissem Sinn unüberbrückbare Trennung, also
5 ein Anders-sein und Aussereinander-sein (im logischen und nicht
räumlichen Sinn), das nie zu einer kontinuierlichen Ver
bindung werden kann, einer Verbindung, die kontinuierliches
Ineinanderfliessen der monadisch eigenen Zeiten wäre. Anderer
seits hindert diese Trennung nicht, ja sie ist die Bedingung der
10 Ermögüchung dafür, dass Monaden sich „decken” können, dass
sie, mit anderem Worte, in Gemeinschaft sein können. Aber wie
der dasselbe sagt, dass sie koexistieren, und wieder dasselbe, dass
sie im Plural sind und sein können. Monaden im Plural, koexistie
rende Monaden als Möglichkeit, darin liegt, das Sein der einen
15 lässt offen die Möglichkeit des Seins einer anderen. Die Möglich
keit meines monadischen Seins liegt in meiner Wirklichkeit, und
alle anderen Möglichkeiten, die ich aus dieser Wirklichkeit durch
freie phantasiemässige Abwandlung gewinne, sind eben nur Ab
wandlungen und Möglichkeiten meiner, und zunächst nur meiner
20 Wirklichkeit. Aber Ich, gedacht als wie wenn ich anders wäre,
das heisst noch nicht ein Anderer. In mir liegt die Möglichkeit
eines Anderen und damit der Zweiheit: ich und der Andere (in
weiterer Folge „wir zwei”, was aber schon mehr, schon ein Neues
beibringt) ausschliesslich durch die Möglichkeit der Einfühlung,
25 und zwar als meine Vermöglichkeit. Diese Vergegenwärtigungs-
art ergibt, wenn sie statthat, als ein Eigenartiges die Koexistenz
des in dieser Vergegenwärtigungserfahrung Erfahrenen mit mir,
dem es erfahrenden ego, verstanden als seelische Monade, eine
Koexistenz, die, wie wir sagen, den Sinn gemeinsamer Gegenwart
30 herstellt; durch die dann weiter ermöglicht ist identisch gemein
same Gegenwart, nicht nur unserer beiden, sondern einer offenen
Vielheit von immer wieder Anderen und wieder Anderen in der
Einheit einer ursprünglichen, d.i. gegenwärtigen Koexistenz.
Koexistenz ist nicht ein leeres Zusammensein, sondern für mich
35 ein Für-mich-Dasein, mit mir „gemeinsam” Dasein dadurch,
dass mein Dasein anderes in sich vergegenwärtigend erfährt
(erfahren kann), in eins damit, dass es sich selbst erfährt als
vergegenwärtigendes. Das Vergegenwärtigte als solches, als in
mir Sinn und Seinsgeltung habendes und in mir es ausweisendes,
336 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
1 In der Alleinheit = Welt haben wir eine Vielheit von Realien, und wieder Viel
heiten von realen Vielheiten; alles darin, was als einzelnes oder schon als vieles zu
erfassen ist, ist unselbständig. Alles ist mit allem zusammen und zusammen eins,
verbunden, steht aber in einem „Horizont” <von> damit selbst wieder zu Verbinden
dem und schon Verbundenem in injinitum. Die Totalität ist „unendlich”.
TEXT NR. 20 339
1 Wie die Kontinuität gewonnen wird, ja was sie eigentlich besagt, muss also erst
durch tiefere Überlegung herausgestellt werden. Hier muss gezeigt werden, wie ich
zu jeder Wiedererinnerung eine „kontinuierlich frühere” zu gewinnen vermag; aber
auch gezeigt werden, was dieses „kontinuierlich” eigentlich charakterisiert: die Mög
lichkeit, mich aufmerkend zu richten auf das „soeben Versunkene” und es identifi
zierend als Wiedererinnerung zu verwirklichen; andererseits, wie ich in umgekehrter
Richtung von der wiedererinnerten Gegenwart mich in kontinuierlich strömendem
Fortlauf tragen lasse in die spätere Gegenwart, also in einem kontinuierlichen Wieder
erinnerungsstrom vom Früheren zum Späteren komme.
TEXT NR. 20 347
BEILAGE XX
ICH UND ALLES MIR EIGENE. DAS ICH IN SEINER
HABITUELLEN EIGENHEIT (DAS ICH DER ENTSCHEIDUNGEN).
15 <DAS UNIVERSUM MEINES EIGENEN IM UNTERSCHIED
ZUM A N D E R E N >
(Mai 1932)
Deckung hinein. Das ist also eine durch das gesamte Bewusstseins
leben hindurchgehende Struktur, es ist die der universalen Deckungs
einheit aller Bewusstseinserlebnisse hinsichtlich des originaliter oder
vergegenwärtigt in ihnen fungierenden Ich (der reflektierend das Ich
5 enthüllt habenden wie der es nicht habenden, die aber jedenfalls es
implizit, auuuym mit sich führen) mit dem „stehenden”, uroriginal
fungierenden Ich, durch eine ständige, die aktuell vergegenwärtigten
oder unreflektiert mitvergegenwärtigten <Erlebnisse > aktuell einigen
de Deckung. Die leeren Antizipationen, ihre Mittelbarkeiten, die Hori-
10 zonte, darin liegt antizipiert immerzu auch Antizipation der in der
Enthüllung enthüllten Deckungen
Mein Ich und alles mir Eigene — meine Bewusstseinsweisen, meine
Akte, meine Bewusstseinsgegenstände — das Meine hat seine Mein-
heit in dieser Ichzentrierung durch ständig sich aktualisierende Dek-
15 kung in jeder eintretenden Vergegenwärtigung, und ständig sich er
haltend, ständig behalten durch alle Sedimentierung. Ich sage auch, Ak
tualisierung durch Eintreten originaler Deckung mit dem uroriginalen
ständigen Ich in der uroriginalen Gegenwart, dem ständigen Quellboden.
Ich, das identische Ich, ist danach aufgewiesen worden in seiner
20 Eigenheit und nicht charakterisiert worden durch Kontrast mit den
sich für mich konstituierenden Anderen.
Ich, das reflektierende Ich, bin Menschen-Ich, mein Bewusstseins-
i ; leben Weltbewusstseinsleben. Ich selbst bin meiner bewusst als Mensch
DJ unter Mitmenschen. Die Welt, ich selbst, die Menschen überhaupt sind
25 bewusst als Welt für alle, ich Mensch für alle, jedes Objekt, jeder
Mensch darunter, seiend für alle. Bewusstsein, hier Geltungsbewusst
sein, doxisches Bewusstsein, Seinsgewissheit in sich tragend, ich als
jU| doxisch Stellung nehmend oder habend, wobei diese Stellung, die Thesis
sich modalisieren kann. Ständiges Weltbewusstsein — eine universale
30 Verbundenheit aller doxothetischen Bewusstseinserlebnisse, die die
meinen sind, die allen meinen expliziten und impliziten doxischen
Thesen Einheit geben. Mein Bewusstseinsleben ist durch immanente
Zeitigung eine universale Einheit. Aber eine besondere Einheit darin
die zwar im Wandel sich inhaltlich ändernde, und doch in jeder leben-
35 digen Gegenwart fertige Weltgewissheit. In der stehend-strömenden
uroriginalen Gegenwart ist konstituiert und konstituiert sich strömend
gezeitigter Bewusstseinsstrom, horizonthaft. Ich kann diesen gezeitig
ten enthüllend zurückverfolgen und vorverfolgen. Darin alle meine
Seinsgeltungen, Seinsgewissheiten, Modalisierungen, aber auch alle
40 Fiktionen.
und damit zu Seienden für alle, worunter sie selbst begriffen sind?
Mich besinnend, auf allen Anfang zurückgehend, sage ich mir: Alles,
was für mich ist, ist es als mir bewusst, als mir mit seinem Sinngehalt in
Seinsgewissheit geltend, explizit oder implizit, d.h. von dem mir eigent-
5 lieh Bewussten <aus> zugänglich, auf Bewusstseinswegen, die ich, wie
ich schon weiss, frei vollziehen kann. Mich besinnend merke ich alsbald,
dass meine wahmehmungsmässige reale Umgebung Ausschnitt ist
dessen, was ich von „der” Welt aktuell wahmehme; ich kann von da
weiter und weiter gehen oder in Vergegenwärtigung möglicher Erfah-
10 rungswege ein Weitergehen mir denken. So erfahre ich nach Wirklich
keit und Möglichkeit immer neue weltliche Realitäten und Realitäts
typen und in freier Variation der Möglichkeiten die Strukturtypik der
Welt als Welt möglicher Erfahrung. Zu ihr gehören auch Mitmenschen.
Sind sie aktuell bewusst, so gilt von ihnen natürlich dasselbe, was von
15 Bewusstseinsobjekten überhaupt gilt, sie sind geradehin oder unter
Ichreflexion bewusst, das Bewusstsein <ist >dabei selbstgebendes (wahr
nehmendes) oder in verschiedenen Weisen Modifikation von wahmeh-
mendem. Ist der Andere für mich selbst da, wahmehmungsmässig, so
bin ich, wie ich durch Reflexion inne werde, bei ihm selbst; während
20 ich selbst jedenfalls zugleich — wie bei allem Bewussten — uroriginal,
wahmehmungsmässig mit dabei seiend bin.
Jede Wahrnehmung und Erfahrung von Realem ist „apperzipie-
rend”. Gehe ich hinsichtlich der Anderen, wenn ich sie wahrnehme,
dem Apperzipierten nach, so finde ich als eigentlich perzipiert und
25 perzipierbar nur ihre körperliche Leiblichkeit. Das andere Ich und all
sein Bewusstseinsleben, alles ihm als Ich Eigene, ist und bleibt immer
nur vergegenwärtigt; es ist für mich nie in eine Gegenwärtigung, in
eine Wahrnehmung zu verwandeln, obschon es als ein Mit-da, ein Mit
gegenwärtiges in Geltung ist.
30 Die einfühlenden Vergegenwärtigungen sind in ihrer Wesenseigen
tümlichkeit von allen sonstigen Vergegenwärtigungen unterschieden.
Es scheiden sich alle ab als ein geschlossenes Universum (nicht als eine
bloss begriffliche Klasse), bei denen, wenn wir sie der Reflexion „in"
der Vergegenwärtigung unterziehen und auf das Ich und Ichbewusst-
35 sein zurückgehen, das vergegenwärtigtes Korrelat des vergegenwärtig
ten Gegenständlichen ist, evidenterweise dieses Ich und Bewusst
sein das meine, das des Vergegenwärtigenden ist. Die originäre Re
flexion auf die jetzt seiende Vergegenwärtigung macht mich und mein
Vergegenwärtigen als jetzt uroriginal Seiendes thematisch. In eins da-
40 mit in der Vergegenwärtigung reflektierend auf ihr Ich und ihr Wahr
nehmen und sonstiges Bewussthaben als das vergegenwärtigte, tritt
alsbald die originale Identität hervor in der Form: ich, das Ich der ur
tümlichen Gegenwart mit dem uroriginal darin seienden Vergegen
wärtigen, bin dasselbe Ich, das in der Erinnerung bei dem Erinnerten
45 dabei war, in der Erwartung bei dem Kommenden dabei sein wird
usw.
Alle positionalen Vergegenwärtigungen, alle von mir im Modus einer
BEILAGE XX 355
Seinsgeltung vollzogenen, auf die mich die Reflexion führt und ver-
möglich führen kann, bilden untereinander und in eins mit den konti
nuierlich strömenden Wahrnehmungen insoweit eine geschlossene
Einheit, als wir durch Reflexion das wahrnehmende Ich und das re-
5 Ilexive Ich in der Vergegenwärtigung als identisch finden in ursprüng
licher Evidenz. Alle solchen Vergegenwärtigungen nenne ich meine Er
innerungen. Was liegt im Sinn dieses Universums ursprünglicher Iden
tifizierung und seines Identischen? Ich bin dasselbe Ich, das jetzt in
aktuell uroriginaler Selbstgegenwart ist, bin im strömenden originalen
10 Leben, und derselbe, der war in meinem vergangenen, strömende
Gegenwart gewesenen Leben, derselbe, der vor sich hat seine Zukunft
als strömend seinwerdendes, künftig zu original gegenwärtigem Leben
kommendes Ich, dasselbe Ich im universalen Seinshorizont seiner Zeit
lichkeit, in seinen strömend sich wandelnden Zeitmodalitäten: meine
15 Gegenwart, meine Vergangenheit, meine Zukunft.
Von da aus sehe ich: Uroriginal bin ich als Ich der strömenden ur-
originalen Gegenwart, zu der schon gehört ein uroriginaler Wandel
von urquellender Originalität in verquehende, die als solche schon, die
Originalität modifizierend, die Vorgestalt der Vergegenwärtigung
20 schafft, die der Retention, und dann in Gegenrichtung die Protention.
Damit vollzieht sich die erste, meine Selbstzeitigung, die, wie hier
nicht näher auszulegen ist, als passiv-urassoziative im stehenden Strö
men den sich da konstituierenden Strom in seiner lebendig sich er
streckenden Zeitlichkeit mit ihren Zeitmodalitäten Gegenwart (Ge-
25 genwärtigkeit des Strömens), Vergangenheit (soeben gewesenes Strö
men), Zukunft zeitigt, phasenmässig, streckenmässig und endlos als
Strom, und alles in eins als konkrete subjektive Zeitlichkeit ohne An
fang, ohne Ende. Die darin strukturell enthaltene ichliche Affektivität
und Aktivität ergibt Identität des aktuellen Ichpols in diesem Strom,
30 und das Vermögen der Reflexion enthüllt das identische Ich auch in
der Anonymität der geraden Bewusstseinsgeltungen, die in Kontinui
tät aneinandergeschlossen durch diesen Strom hindurchgehen. In der
uroriginalen Gegenwart bzw. in dem zeitmodal extendierten, als zeit
lich seiend vermöglich zu identifizierenden Bewusstseinsstrom mit sei-
35 nem identischen Ich (als uroriginalem, für sich selbst wahmehmungs-
mässig seiendem) treten vermöglich die „Erinnerungen” auf, und zu
ihnen wie zu allen Akten gehörig die Vermöglichkeit der identifizieren
den Wiederholung und der Reflexion. Alle Vergegenwärtigung ist
selbst so etwas <wie> „Wiederholung”, und Reflexion in der Wieder-
40 holung, in der Vergegenwärtigung, und in der Wiederholung der Ver
gegenwärtigung selbst ist immerfort vermöglich. Vermittels der Ver
gegenwärtigungen vollzieht sich eine universale Zeitigung, und zwar
in ausschliesslichem Sich-halten an die Vergegenwärtigungen, in wel
chen die subjektive Reflexion auf Identität des reflektierten Ich (des
45 Ich in der Vergegenwärtigung) mit dem uroriginalen Gegenwarts
ich führt, erschliesst sich bzw. konstituiert sich als seiend die Totalität
meiner, des identischen Ich, zeitlichen Koexistenz, es erschliesst sich
356 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
ich durch innere Reflexion statt auf mich eben auf den Anderen: auf
„ich”, aber nicht ich selbst, das ego ist alter ego.
Bleiben wir bei der ursprünglichen Wahrnehmung vom anderen
Menschen, in der sein Ich vergegenwärtigt, aber trotz der Unüberschreit-
5 barkeit dieses Modus appräsent ist, also stets in Mitgeltung, die
eben das Selbst-da des Andern, das Da nicht nur des Körpers, sondern
des Menschen ausmacht, so bin ich also selbst bei ihm selbst. Aber ich
selbst bin nur als der die Menschapperzeption, darin die Einfühlungs
komponente Vollziehende, und „bei ihm selbst” heisst hier nicht in der
10 einfühlenden Vergegenwärtigung darin bei ihm sein.
Wie ist das zu verstehen, dieses den Andern wahrnehmungsmässig
- Vor-sich-haben, aber doch ihn in seiner spezifischen Menschlichkeit,
seinem Ich und Ichleben nur einfühlungsmässig Vergegenwärtigt-ha-
ben, in einer Vergegenwärtigung, also einer Modifikation von Wahr-
15 nehmung, während ich doch nicht das wahrnehmende Subjekt sein
kann, dessen Modifikation in der Vergegenwärtigung beschlossen ist?
Aber bin ich nicht in gewisser Weise bei ihm, ich, der ich in meinem
Eigensein bin, bei ihm in seinem eigenen? Ist er als anderes Ich nicht
seiend als für sich selbst seiend, wie ich identisches Ich seines Bewusst -
20 seinslebens, das in seiner offenen Unendlichkeit durch die beschriebene
Struktur in sich geschlossen, einig ist und charakterisiert, als das er in
sich „das meine” nennen müsste, während ich es das seine nenne? Und
ihn wahrnehmen, heisst das nicht, eine Wahrnehmung vollziehen, in
welcher ich in meinem originaliter Für-mich-sein eine Modifikation des
25 Für-sich-selbst-seins gewinne, also eine Modifikation meiner selbst un
ter dem Titel „Anderer”, anderes Für-sich-selbst? Und wieder, heisst
das nicht, in meinem eigenen Bewusstseinsleben ein Bewusstseinsleben
im Charakter „sein”, „ihm eigenes” bewusst haben, wobei das „ihm
eigenes” Modifikation ist, Modifikation des originalen Eigenen,
30 Meinen? Bin ich als das Ich, das Träger der Modifikation ist und sie
hat, nicht also beteiligt und bei dem Modifizierten dabei, bei dem an
deren Ich, dem anderen Leben, Akte Vollziehen etc., bei seinem Wahr
nehmen, Erinnern etc. ?
BEILAGE XXI
35 <WELT ALS GEMEINSAME GELTUNG. DER DURCHBRUCH
DES EIGENEN DURCH EINFÜHLENDE
VERGEGENWÄRTIGUNG UND SELBSTPHANTASIE >
<April oder Mai 1932>
Die Welt, die m ir jeweils als seiende gilt — die Welt, die Andern,
40 die uns gemeinsam gilt, die Welt für alle überhaupt, die Welt, die selbst
ist, wie sie ist, und von der wir unsere Weltvorstellungen, Weltmei
nungen haben, jeder die seinen, jeder <die> ihm in seiner Weise gelten
de Welt. Aber die Welt, die mir gilt, ist doch fü r mich die Welt, die
358 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
Andern als anders seiende gilt, und so überhaupt für mich die eine
Welt, die den mannigfaltigen Personen und Gemeinschaften in ver
schiedenen Geltungen geltende ist, mit teils stimmendem, teils nicht-
stimmendem Wasgehalt. Und sie gilt mir als Welt, die mich und die an-
5 deren Menschen, auf deren Geltung ich Bezug genommen habe, ent
hält — das Sein derselben und ihrer Geltungen ist mitbeschlossen in
dem, was mein Weltgelten als seiend zur Geltung bringt.
Die Welt, die mir jeweils mit dem und dem Seinssinn gilt, einem teils
bestimmten, teils horizonthaft unbestimmten, gilt mir auch als die, in
10 betreff deren ich mich täuschen kann, die ich bald hinsichtlich ihr in
Gewissheit zugerechneter Realitäten dauernd als gewiss seiende fest-
halte, bald in Zweifel geratend und mich besser überzeugend preisgebe
als Nichtigkeiten. Während für mich „die” Welt immerfort als seiende
in Geltung bleibt, ist das ihr als Einzelreales Zugerechnete in Schwebe
15 zwischen Sein und Schein, zwischen zweifelsfreier Wirklichkeit, frag
licher, bloss vermutlicher Wirklichkeit oder gar fälschlich vermeinter
Wirklichkeit (Nichtigkeit, Schein). Mir in solcher Schwebe und dem
entsprechendem Wandel der Geltungsmodalitäten geltend, gilt mir
doch „die” Welt; es sei das Universum selbst, d.i. es sei möglich, jede
20 Modalisierung zu überwinden durch Überführung in eine Gewissheit
aus einer Weise der Bewährung, die ihr den Charakter der Endgültig
keit gibt, und dass jedwede Gewissheit überhaupt entweder in dieser
Weise bewährbar ist oder im Versuch der Bewährung durch Modali-
sierungen und Änderungen des Seinssinnes, kurz durch Korrektur, zu
25 einer neuen, inhaltlich korrigierten Seinsgewissheit zu führen sei, und
zwar zu einer solchen, die den Charakter der Endgültigkeit hat.
Diese Weise der Weltgewissheit in Antizipation einer zu erzielenden
Endgültigkeit für alle ihre jeweiligen Wasgehalte umgreift auch in
gewisser Weise alle Anderen und ihre Weltmeinungen, als für mich zu-
30 gängliche, für mich zu bewährende bzw. zu korrigierende Meinungen,
wobei die Anderen in ihrem Weltmeinen mich ebenso und mein Mei
nen umfassen — ein Umfassen, das ich als Moment meiner Weltgeltung,
die ihr Sein befasst, ihnen als meinesgleichen ohne weiteres zumesse.
Die Welt gilt mir als Welt für mich als in Gemeinschaft seiend mit An-
35 deren und einer Allheit von Anderen, und als ein wahres An-sich-sein
aus endgültiger Bewährung betrifft <sie> meine Weltgeltung in Ver
flechtung mit den Weltgeltungen aller, die mir selbst wieder geltend
sind. Alles in diesem Ineinander ist zu bewähren, so ist implicite meine
Überzeugung.
40 Wie<steht>es nun mit der Eigenart der einfühlend-appräsentieren-
den Vergegenwärtigung Anderer? Es ist eine meiner Seinsgeltungen
wie meine „Erinnerungen” im weitesten Sinne, und doch keine Erin
nerung. Alle meine Erinnerungen in eins mit meinen Wahrnehmungen
gehören zusammen zur synthetischen Einheit meines eigenen Seins als
45 Ich, das in der Allheit seiner einstimmigen Seinsgewissheiten von sich
selbst sein immanent zeitliches Sein hat, als strömend sich zeitigend und
in seiner immanenten Strömung der Zeitmodalitäten Selbstgegenwart,
BEILAGE XXI 359
wie mir Welt, raumzeitlich reale Welt, sich bietet, oder unter
dem Titel mannigfaltige transzendentale „Erscheinungen” in
einem weitesten Sinn, worin mir Welt und Weltliches erscheint,
und zwar als seiend dabei gilt, oder auch unter dem Titel tran-
5 szendentale „Erlebnisse”, worin das, was im eigentlichen Sinn
„erlebt” wird oder „bewusst” wird, das Weltliche ist und zum
Erleben die Seinsgeltung gehört — die aber in meiner Epoche
eingeklammert ist. Diese Erlebnisse sind teils jetzige Erlebnisse,
teils für mein Ich-war vergangene meines vergangenen Ich usw.
10 Genau besehen bin ich aber „ständig”,-stehendes und bleibendes
Ich, im stehenden Jetzt, und darin treten meine Erlebniswand
lungen — jetzt — auf, worin das Soeben (Retention) bewusst
ist, oder treten „Wiedererinnerungen” auf, worin meine Vergan
genheit und in meinen vergangenen Erlebnissen meine damals
15 mir geltende und erscheinende Welt auftritt, etc. In meiner
stehenden Gegenwart erfahre ich mich als gegenwärtiges, aber
auch als vergangenes etc., und in unabänderlicher Notwendig
keit. Mir transzendental eigen sind hinsichtlich des Weltphä-
nomens meine gegenwärtigen Wahrnehmungen, meine vergan-
20 genen (jetzt „mittelbar” vergegenwärtigten) Wahrnehmungen etc.
und je das in ihnen Wahrgenommene als solches sowie im Strom
der transzendentalen Zeit die Synthesis, die strömende, in der
das Einheitsphänomen Welt sich stetig konstituiert und so mit
zu mir gehört.
25 Aber genau besehen ist Welt zwar in dieser Weise ganz richtig
mein Wahrnehmungsphänomen, Einheitsphänomen meiner tran
szendental wirklichen und erfahrenen Wahrnehmungen und dazu
der von mir in freier Vermöglichkeit ins Spiel zu setzenden („mög
liche Erfahrung”). Aber meine Wahrnehmungen sind zum Teil
30 von einer eigenen Art, nämlich sie sind wirkliche und mögliche,
als aktuell jetzige oder jetzt vergegenwärtigte Wahrnehmungen
(als das mir transzendental geltend, als gewesene und dgl.), aber
siebefassen in sich auch V e r g e g e n w ä r t i g u n g e n , und mir
geltende, d ie n i c h t E r i n n e r u n g e n s i n d oder Erwartun-
35 gen oder für mich in freier Zugänglichkeit herzustellende Wahr
nehmungen oder solche, die ich hätte früher haben und hersteilen
können, etc. Ich habe ja auch Wahrnehmung von A n d e r e n
und damit in meinem Weltphänomen auch in gewisser Weise
Erfahrung von dieser Anderen Wahrnehmungen etc., während
364 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
nung zustande gebracht und ihr eben Sinn schon gegeben hat,
liegt der Geltungs„horizont”i bzw. meine Habitualität als Ver
mögen, das da als selbiges selbstdarstellend und identifizierend
ausweisen zu können. „Die" Welt ist nicht verloren gegangen
5 durch die Epoche, sie ist nicht überhaupt Enthaltung hinsichtlich
des Seins der Welt und j e d e s Urteils über sie, sondern sie ist
der Weg der Aufdeckung der Korrelationsurteile, der Reduktion
aller Seinseinheiten auf mich selbst und meine sinnhabende und
sinngebende Subjektivität mit ihren Vermöglichkeiten.
10 Aber wenn so alles in mir intentional beschlossen ist, was über
haupt denkbar ist und möglicherweise und wirklicherweise ist,
so sagt das nicht, dass alles, was ist, mein transzendentales Ich
allein ist. Alles Nicht-Ich „liegt” selbst im Ich, aber als intentio
nale Einheit der Geltung, obschon als „Transzendenz” nicht Ich.
15 So liegt auch das andere transzendentale Ich in mir, es liegt in
mir so als Geltungseinheit, dass es antizipierte und bewährte
Seinsgewissheit ist, und zwar als das Nicht-Ich, das selbst Ich
ist und das als anderes Ich mich selbst wiederum in sich trägt.
Diese Innerlichkeit des F ü r e i n a n d e r s e i n s als eines inten-
20 tionalen I n e i n a n d e r s e i n s ist d i e „ m e t a p h y s i s c h e ”
U r t a t s a c h e , es ist ein Ineinander des Absoluten. Jedes hat
seine Primordialität, darin impliziert seine transzendentalen Ver
mögen seines „Ich”, und jede <ist> eine andere derart, dass keine
mit einer andern das Mindeste reell gemein haben kann. Aber
25 jede als Primordialität der intentionalen Erlebnisse seines darin
erlebenden, sich „selbsterhaltenden” Ich impliziert jede andere
primordiale Intentionalität. Und jedes personale Ich „umspannt"
in seiner Intentionalität und seinen Vermögen und durch sein
Weltphänomen jedes andere Ich und sein Weltphänomen, und in
30 der Vergemeinschaftung des Ineinander findet jedes den Andern
als Ich geschieden von sich und als anderes Ich mit anderen
Intentionalitäten und Vermögen, aber intentional in sich und
„bezogen" auf dieselbe Welt etc.
Da ist verschiedenes zu lernen:
35 1) Reduziere ich das Weltphänomen auf meine primordialen
„Bewusstseinsweisen”, Erlebnisweisen, in denen Welt für mich
ist, so liegt in dieser Reduktion eo ipso die Reduktion auf mein
Ich als „personales” Ich der Vermögen. Die Bewusstseinsweisen
als die von Weltlichem und überhaupt Bewusstseinsweisen als
TEXT NR. 21 367
die „von” etwas sind ja Weisen, in denen mir etwas gilt, <und
darin > liegt schon Antizipation, und das ist Vormeinung, von der
untrennbar ist das Ich-,,vermag” und letztlich das „ich vermag
in Bewährung übergehen und bewährend identifizieren, das ist
S in Erfahrung übergehen als Selbstdarstellung und fortgehende
Selbstbewährung”. So stehe ich von vornherein, und ich muss
das umfassend auslegen, in einer Reduktion auf das Ich und
seine Vermögen, und nicht in leerer Allgemeinheit, sondern auf
die Vermögen, die im wirklich verlaufenden Bewusstseinszusam-
10 menhang schon sind, wie das Ich eben das Ich dieser Vermögen
ist, und andererseits die Vermögen, die im Gang des Bewusst
seinslebens sich ständig neu bilden. Durch sie bin ich immer der
selbe und doch immer wieder anders, nicht ein Anderer, sondern,
m.a.W., ich bin (in verschieden zu beschreibenden Weisen) mich
15 selbsterhaltend.1 Korrelativ damit zeigt sich, dass die Welt, die
für mich ist, für mich als habituelle Geltungseinheit einer offen
endlosen Antizipation vermöglicher Selbstbewährung ist, die im
Gang meines Bewusstseinslebens für mich in ihrer Einstimmig
keit der Selbstbewährung (durch Korrekturen hindurch) immerzu
20 dieselbe ist und doch immer wieder anders — anders vermöge
meines konstituierenden Bewusstseinslebens. Dies aber konsti
tuiert Seinssinn in Aktivitäten meines Ich und auf dem Grund
von Passivitäten, welche sich als Sedimentierungen von Aktivi
täten (erworbenen Gewohnheiten) erweisen. Ich konstituiere
25 seiend-werdende Welt aus aktiven Quellen in verschiedenen
Stufen, wobei notwendig die jeweils gewordene Welt die prak
tisch gewordene und werdende im gewöhnlichen Sinn ist.
2) In meiner transzendentalen Subjektivität, im Ich der
Bewusstseinsweisen und Vermögen und der letzten Unterlage der
30 Hyle etc., ist die Welt als Phänomen beschlossen, aber in mir ist
auch das Universum der transzendental für mich seienden A n
d e r e n beschlossen, die doch wirklich für mich Andere sind. In
ihnen ist dann wiederum dieselbe Welt als Phänomen beschlossen
und das Universum der transzendentalen Subjekte, mich mit-
35 gerechnet, beschlossen. Wir sind ein absolutes Zusammensein,
wir koexistieren, und doch <ist es> ein Koexistieren im Inein
ander. Jedes Ich, jede konkrete „Monade”, ist Monade dadurch,
1 Ich bin nicht erst und erhalte mich hinterher, Sein ist Selbsterhaltung.
368 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN" 1931-1932
dass sie ihr primordial und reell e i g e n e s Sein hat. Dieses reelle
Aussereinandersein ist aber wesensrnässig korrelativ mit dem
Aussereinander der Welt als notwendige intentionale Objektiva
tion, in der ich und dann jedes transzendentale andere Ich sich
5 selbst und seine transzendentalen Andern objektiviert haben
muss. Das reelle Aussereinandersein und als aussereinander welt
lich Erscheinenmüssen ist aber eine Weise der konstituierenden
Selbstabscheidung des jeweils eigenen Daseins als etwas Für-
sich-seiendes gegenüber andern ebenso Für-sich-selbst-seienden
10 und sich als das für sich Konstituierenden, die ein Grundstück
der wirklich konkreten totalen Konstitution der transzendentalen
Intersubjektivität und verweltlicht der Konstitution einer
Menschheit ist, die Welt habende und in der Welt seiende ist.
Durch die transzendentale Methode entdecke ich meine „tran-
15 szendentale Subjektivität". A b e r z u n ä c h s t h e i s s t d a s
n i c h t : m e i n p r i m o r d i a l e s E i g e n s e i n , was zu bezeich
nen ist als eine für den Anfänger fast unvermeidliche Verwechs
lung. Ich „entdecke", in der Epoche etabliere■ich eine neue
Erfahrung, habe vor mir ein neues Erfahrungsfeld, und zwar
20 mich selbst und das Weltphänomen — als mein Eigentum und
wie es das ist, rein in dieser Erfahrungssphäre. Ich habe min erst
zu sehen, was da Erfahrenes und Erfahrbares ist. Mir geltende
Dinge, für mich Einheiten der Geltung in meiner Vermöglichkeit
und meinen Erscheinungen, mir geltende Andere als in der Welt
seiende und weltlich erfahrende und lebende — in meinen Er-
25 scheinungen.
*
D a s I n e i n a n d e r d e r M o n a d e n ; in mir, in meiner
primordialen Gegenwart der Andere, leiblich-seelisch als inten
tionale Geltungseinheit in mir. Diese Einheit, die da als Einheit
meiner „Erscheinungen" motivierte Geltung hat, ist hinsichtlich
30 des eingefühlten Anderen anderes Ich, andere Vermögen, ande
re Erscheinungsweisen etc. Was ist da das Schwierige?
Meine Vergangenheit, die ich als in meiner Primordialität ent
haltene, gezeitigte erkenne, enthält m i c h a l s v e r g a n g e n e s
I c h, vergangene wirkliche und mögliche Erscheinungen etc.
35 In meiner Gegenwart jetzt gilt das, stehend und bleibend, und
die „ T r a n s z e n d e n z " meines früheren Seins ist intentional
TEXT NR. 21 369
in mir, im stehenden und bleibenden Jetzt. Sie ist als mein „ich
kann bewähren” Einheit der stehenden aktuellen Bewährung,
und der Bewährung, in welcher ich überhaupt mein immanent
zeitliches Sein bewährbar konstituiert habe. Auch den Andern
5 habe ich so nur als Andern in mir als Bewährungspol, als in
meiner Primordialität lebendig ursprünglicher Gegenwart „be
schlossene” Vermöglichkeit der „Erkenntnis” (die ich selbst
erkenne als Gebilde) der darin gezeitigten primordialen Subjek
tivität.
10 S t u f e n : Das urmodale Ich als das stehende und bleibende,
das urmodale, darin gezeitigte Ich seiner Umwelt in der primor
dialen Verleiblichung. Das gezeitigte Ich der Immanenz, in seiner
Gegenwart als Zeitmodalität die Vergangenheit und Zukunft in
sich tragend. Ich, der primordiale Me n s c h , primordial-weltlich
15 seiend, und in der zeitmodalen Weltgegenwart, die Vergangen
heit und Zukunft als „Erkenntnis” in sich zeitigend. Dann die
Andern in der Primordialität intentional beschlossen — durch
„Bewusstsein” und „ichliche Vermögen”.
D a s „ r e e l l e ” E n t h a l t e n s e i n . Die Vergangenheit und
20 mein vergangenes Ich ist nicht reell enthalten im gegenwärtigen.
Reell enthalten kann Gegenwart in Gegenwart sein, in der Ein
heit eines Wahrgenommenen und Wahrnehmbaren, Fortdauern
des in der Einheit eines Dauernden, ebenso Vergangenes im Ver
gangenen. Ein Mensch <ist > reell enthalten in der Welt, der prim-
25 ordiale Mensch in der primordialen Welt, aber nicht ein Mensch
in einem anderen, in der Einheit eines Ich nicht das andere er
fahren und erfahrbar, sie koexistieren, aber nicht als Ganzes und
Teil (Stück). Ein anderes Ich koexistiert mit mir, aber ich er
fahre es, und dadurch ist es für mich, und ich erfahre auch die
30 Koexistenz und sein „Anderes”-Ich-sein.
Die „Konstitution” des Anderen, die Bildung des Seinssinnes
Anderer (dieser Andere) in meinem absoluten Sein. Ich in der
Vergangenheit, ich in meiner primordialen Welt, ich und Andere
ausser mir im Raum in der objektiven Welt, und doch mich be-
35 sinnend muss ich sagen, ich bin es, in dem und für den das alles
Seiendes ist. Und was immer ist, ist für mich. und. aus mir: ande
res ist nicht denkbar. Und, ist anderes Ich, so ist es aus mir und
in mir konstituierte Geltungseinheit, und doch anderes Ich und
als das ein Ich, für das alles aus ihm und durch es ist und auch
370 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
ich selbst wieder, und so bin ich selbst aus mir und durch mich
Ich, das nur ist, was es ist, durch das und in dem anderen Ich,
das seinerseits für mich und aus mir dies andere ist. Als mich
universal Besinnender muss ich sagen: Das i n t e n t i o n a l e
5 Beschlossensein durch Konstitution betrifft alles in jedem Sinn
Seiende, und so, dass auch diese in mir beschlossen ist und auch
in mir beschlossen ist das Universum der transzendentalen Ich
und dass in jedem derselben selbst wieder das Universum der
transzendentalen Ich beschlossen ist. Auch das, wie alles, ist aus
10 mir und dann aus jedem. Es hat keinen Sinn, anderes erdenken
zu wollen, anderes zu verlangen.
Was besagt das nun „ m e t a p h y s i s c h ”, für das Absolute?
Ich, als transzendentales, bin absolut und mein absolutes Sein,
darin liegt, ich bin, indem ich für mich bin und in Konstitution be-
15 griffen bin eines Universums von transzendentalen Mit-Ich. Ich
kann nicht sein, der ich bin, ohne die so für mich seienden An
dern, diese Andern nicht ohne mich. Die intentionale Beschlos-
senheit ist Notwendigkeit der transzendentalen Koexistenz. Nicht
aus einem sinnlosen äusseren Gesetz, das eines und das andere
20 zufällig, und sei es auch absolut regelmässig, zusammengebunden
hätte, das wäre eben eine unbedingte allgemeine Zufälligkeit.
Alles als seiend Erkannte ist erkannt nicht als Zufall eines
Erkennens, sondern hat als Erkenntnisobjekt, als Sein, das in
Wahrheit ist, einen Seinssinn, der bleibend ist und korrelativ zu
25 meiner bleibenden transzendentalen Subjektivität und ihrer
Vermöglichkeit und, in konkret letzter, radikaler Erkenntnis,
transzendentalen Existenz und Koexistenz ist.
Was nicht erkannt werden kann, das kann auch nicht sein,
Sein ist Erkennbarkeit, und was nicht ohne Andere erkannt wer-
30 den kann, kann nicht ohne Andere sein. Was als notwendig seiend
erkannt wird als ein mir, dem Erkennenden, Transzendentes, das
ist nicht ein blosses „Erkenntnisprodukt”, sondern ist an sich
wirklich. „Wie kann ich wissen, <dass> was a -priori in mir als
unbedingt und evident gültig erkannt wird, für alles Seiende
35 wirklich gilt?” etc. Das vermeinte Rätsel der Erkenntnis.
Das alles löst sich durch konstitutives Aufklären, und löst sich
nur durch die transzendentale Phänomenologie. Also absolut bin
ich aus absoluter Selbsterkenntnis, zu der auch rechnet die Er
kenntnis, dass das Selbst-erkennbar-sein, und in einer niedersten
BEILAGE XXII 371
BEILAGE XXII
< INTENTIONALES INEINANDER UND REELLES
AUSSEREINANDER DER MONADEN. MONADISCHE
INDIVIDUALITÄT U ND KAUSALITÄT >
30 (zweite Hälfte Oktober 1931)
insbesondere als Welt, die ich erfahre und die er erfährt, in dem mittel
baren, in mir vollzogenen Erfahren seines Erfahrens und Erfahrenen
als solchen. In mir ist konstituiert der Andere als sich selbst in der
Weise des leiblich-seelischen Menschen ständig konstituierender, aber
5 auch als derselbe, der mich evtl, erfährt als den, der ihn erfährt, der
überhaupt als Anderer, so wie ich ihn, in seiner Welt, derselben, die ich
konstituiert habe und erfahre, mich als dieselbe Welt Konstituieren
den mitbeschlossen hat, mich als mit ihm koexistierenden transzenden
talen Andern in sich geltend, eben konstituiert hat, usw. Alles, was für
10 mich ist, ist mein konstitutives Sinn- und Geltungsgebilde, und schliess
lich auch ich selbst für mich selbst bin aus Selbstkonstitution. Folge
ich dem, was mir überhaupt als seiend schon gilt und fortgehend als
seiend zur Geltung kommt, so habe ich die universale Koexistenz, die
in transzendentaler Reduktion sich als die absolute transzendentale
15 Intersubjektivität zeigt, und in der naiven, das Absolute verhüllenden
Natürlichkeit als offenes Universum aller Ichsubjekte, die alle zumal
koexistieren und in einer Welt leben, die als ihre Welt sie zugleich
selbst in sich hat. Dabei ist dann die seiende absolute „Welt”, die
universale absolute Intersubjektivität, eine offen endlose Mannigfaltig-
20 keit von getrennten transzendentalen Subjekten, seiend im Ausserein-
ander, seiend in Konstitution eines identischen Weltphänomens, in der
sie objektiviert als Menschen getrennt, raumzeitlich aussereinander
sind. Nur in dieser raumzeitlichen Objektivation kann sich in mir
überhaupt das Sein Anderer konstituieren oder, wie sich als gleich-
25 wertig zeigt, nur dadurch, dass ich mich in meiner ganzen Primordiali-
tät unmittelbar objektiviere, in einer der Ordnung nach fundierenden,
also ersten, einer primordialen Welt und darin als verleiblichtes Ich,
kann ich andere Ich konstituiert haben und habe sie dann notwendig
als verleiblichte wie mich selbst, als Menschen meinesgleichen. In der
30 Verweltlichung sind die Ichsubjekte „Seelen”, untergeordnete Momen
te in der Welt, konkret real nur mit ihren Leibern, die selbst reale
Momente, Naturkörper in der Welt sind. Wenn die menschlichen Per
sonen, die Ichsubjekte, zueinander in personale Beziehung treten und
sich personal verbinden, vergemeinschaften, wenn sie weltlich leben,
35 mit bloss leblosen Objekten oder mit Menschen <und> Tieren beschäf
tigt sind, in letzterer Hinsicht mit deren Körpern oder mit ihnen als
verleiblichten Personen, so ist all das Vorkommnis in der Welt, im
Universum und in der Horizontform der Räumlichkeit und Zeitlich
keit. Transzendental aber haben wir die transzendentale Koexistenz
40 der transzendentalen Ichsubjekte, hier verstanden als konkrete „Mo
naden” mit ihrem transzendentalen Leben. Jeder realen menschlichen
Seele der Welt, in ihr ein abstrakt-unselbständiges Moment eines Men
schen, entspricht ein transzendentales Ich, jedes hat sein monadisches
Eigensein in seiner Primordialität, und die transzendentale Trennung
45 besteht darin, dass kein Moment der einen Primordialität, d.i. kein in
ihrer Zeitlichkeit Individuelles, identisch sein kann mit dem einer an
deren.
374 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
machen. Ich kann nun aber diese Möglichkeit ganz und gar,
nämlich auch hinsichtlich des Kerns von relativ und eigentlich
Erfahrenem und damit an individuell faktisch Festgelegtem, in
freie Variation nehmen und die universale Wesensform der tran-
5 szendentalen Allsubjektivität gewinnen. Ich gewinne dann die
Wesensform meines faktischen eigenen ego und die jedes in dem
meinen intentional implizierten, in dem meinen horizonthaft
beschlossenen faktischen anderen ego, natürlich auch dabei die
in meiner Horizonthaftigkeit mitbeschlossene Form der Tota-
10 lität. Achte ich nun auf die alteri, so ist jedes in meinem Faktum
von vornherein beschlossen gewesen als Spielraum von Möglich
keiten, und hinsichtlich der beschlossenen völlig unbekannten,
obschon als reale Möglichkeiten vorgezeichneten Anderen, ist es
ein Spielraum, in dem keine der Möglichkeiten durch Erfahrung
15 als faktische bevorzugt ist. Ich sehe nun, dass die Wesensform
eines und aller für mich faktisch seienden Anderen, ob bekannten
oder selbst völlig unbekannten, dieselbe ist als die Wesensform
meines faktischen ego.
Zunächst scheint es sogar, dass die Wesensform eines ego, eines
20 transzendentalen Einzelsubjektes überhaupt, identisch ist mit
der allgemeinen Form, die alle Möglichkeiten eines faktisch für
mich möglichen Anderen überhaupt umspannt. Sie sei schon
Wesensform, nur gebunden an mein faktisches Sein dadurch, dass
sie einen Horizont von real möglichen völlig unbekannten An-
25 deren befasst. Aber da ist freilich ein Unterschied. Zu jedem real
für mich möglichen Anderen gehört, dass er mich als faktisches
ego mit meiner wirklichen Erfahrung und Erfahrungswelt impli
ziert. Zu einem rein wesensmöglichen Anderen aber, dass er in
seiner Möglichkeit die Wesensmöglichkeitsabwandlungen meines
30 ego impliziert. Damit ist auch gesagt: Der völlig unbekannte
Andere hegt objektiviert als Mensch in der für mich faktischen
Welt, entweder als Mensch der Erde oder als menschenartiges
Wesen auf irgendeinem Gestirn etc. Ein eidetisch mögliches
transzendentales Ich hegt aber objektiviert als Mensch in einer
35 eidetisch möglichen Welt.
In der Wesenseinstellung sehe ich, dass alle wesensmöglichen
transzendentalen Ich in der Form „ich und Andere” je ineinander
impliziert sind. Jede einzelne Möglichkeit eines transzendentalen
Ich, die ich herausgreife, zeichnet aus den freien Möglichkeiten
TEXT NR. 22 383
1 Freilich, dass sie nicht Phänomenologen sind, das gehört zu ihnen im Faktum,
aber dass sie für sich, sei es unausgebildet, die Vermögen tragen, es zu werden, das
liegt in ihnen als Ichsubjekten wesensmässig. So liegt auch im neugeborenen Kind das
All der menschlichen Möglichkeiten, während es Schicksal, Faktum ist, was davon
in ihrer Umgebung und in den künftigen faktischen Umgebungen, in die sie hinein
geraten, zu ausgebildetem Vermögen und schliesslich zur Verwirklichung wird. Aber
was ist das für eine Potentialität?
Eine damit zusammenhängende Frage: Ein jeder ist für mich, der ich Phänomeno-
loge bin, als ein Ich, als Anderer, für den ich bin, der mich verstehen könnte, wie ich
ihn verstehe. Aber nicht jeder, kann man doch sagen, hat wirklich das Vermögen,
mich in meinem wissenschaftlichen und meinem phänomenologischen Tun zu ver
stehen, hätte er es, dann wäre er schon dabei, selbst Phänomenologe zu werden. So
sind denn überhaupt dem menschlichen Sich-verstehen nur zu empfindliche Grenzen
gesetzt. Der offene Horizont, in dem ein anderer Mensch in seiner personalen Inner
lichkeit verstanden ist, hat also in sich einen Horizont des in Zukunft Verstehbaren
und einen Horizont des Unverständlichen. Aber gilt das nicht für die Welt über
haupt, die für jemand geltende ist ? Ihr Horizont ist von ihm her beschränkt aus sei
ner Erfahrung, aus seinen ursprünglichen und erworbenen Vermögen. Und doch sa
gen wir, jeder hat die Welt vorgegeben, dieselbe Welt, jeder in seiner individuellen
Horizonthaftigkeit hat eine anders bestimmte Welt aus anderen Vermögen und Zu
gänglichkeiten für ihn, und doch dieselbe. Intentional impliziert ist jeder in mir als
•der für mich je zugängliche — in meiner Horizonthaftigkeit, wozu die Mittelbarkeit
der Anderen der Anderen gehört bis ins leer Horizonthafte.
Aber ich, in transzendentale Einstellung eintretend und die auslegende Konstruk
tion der transzendentalen Intersubjektivität vollziehend, erkenne die von meinem
horizonthaften Sein erschliessbaren Horizonte meines eigenen Seins und als darin be
schlossen alles für mich erdenklichen Seins und darin auch die horizonthaften Mög
lichkeiten der bekannten Anderen und die in den unbekannten beschlossenen Mög
lichkeiten und darunter all das, was oben gesagt wurde, also die Implikation der An
deren in mir und die wechselseitige der koexistenten Anderen in der Weise, wie sie zu
verstehen ist in der Endlichkeit und Subjektivität ihrer Zugänglichkeit.
Dahin gehört auch, dass ich jeden in meinem Horizont für mich seienden, auch
den als präsumtive Möglichkeit (als reale) für mich seienden, so wie mich selbst in
seinen universalen Wesensmöglichkeiten erkenne. Aber ist nicht jede fiktive Weise,
wie ich anders sein könnte (und damit meine Welt anders sein könnte, was äquivalent
ist) eo ipso eine Weise, wie ich anders werden könnte — in reiner Möglichkeit? Aber
ist das nicht ein Unsinn? Kann ich mich nicht jetzt umfingieren so, dass mein Leib
zu meinem Leib der Kindheit wird und meine Seele zur kindlichen Seele? Aber ist
nicht das erst recht und nun ein wahrhaftiger Unsinn?
Was aber durch solche Fragen empfindlich wird, ist, dass das Problem des U m -
d e n k e n s nicht eigens gestellt und behandelt worden ist.
TEXT NR. 22 385
Aber ic h denke sie, ich frage zurück und komme auf sie
schliesslich von der Welt her, die ich schon „habe". Ich denke,
ich übe Reduktion, ich, der ich bin und für mich in dieser Hori-
zonthaftigkeit bin.
5 Ich bin das Urfaktum in diesem Gang, ich erkenne, dass zu
meinem faktischen Vermögen der Wesensvariation etc. in mei
nem faktischen Rückfragen sich die und die mir eigenen Urbe-
stände ergeben, als Urstrukturen meiner Faktizität. Und dass
ich in mir einen Kern von „Urzufälligem” trage in Wesensformen,
10 in Formen vermöglichen Funktionierens, in denen dann die
weltlichen Wesensnotwendigkeiten fundiert sind. Mein faktisches
Sein kann ich nicht überschreiten und darin nicht das intentional
beschlossene Mitsein Anderer etc., also die absolute Wirklichkeit.
Das Absolute hat in sich selbst seinen Grund und in seinem
15 grundlosen Sein seine absolute Notwendigkeit als die eine „ab
solute Substanz”. Seine Notwendigkeit ist nicht Wesensnotwen
digkeit, die ein Zufälliges offen Hesse. Alle Wesensnotwendig
keiten sind Momente seines Faktums, sind Weisen seines in
bezug auf sich selbst Funktionierens — seine Weisen, sich selbst
20 zu verstehen oder verstehen zu können.
DIE GESCHICHTLICHE SEINSWEISE
DER TRANSZENDENTALEN INTERSUBJEKTIVITÄT.
IHRE VERHÜLLTE BEKUNDUNG IN DER
5 MENSCHENGESCHICHTE UND NATURGESCHICHTE1
(9./12. November 1931)
für ihn; und dem entspricht in der Weltlichkeit auch die Struktur
des zur Seele gehörigen Weltbewusstseins und j e d e r m ö g l i
c h e n W e l t e r k e n n t n i s als endlicher in einem Horizont un
endlicher Erkenntnisse, das ist in einer Relativität, in der keine
5 Erkenntnis abschliessende ist. Nicht nur, dass sie unvollständig
ist, sondern auch, dass sie inhaltlich sich verendlichend auch das
endlich Beschränkte nur horizonthaft und unvollkommen zu er
kennen vermag und ins Unendliche unvollkommen bleiben muss.
Also dies ist das erste. Der Mensch im Stande der Weltlichkeit
10 lebt in der Vorgegebenheit seiner und der Welt, und das ist, er
lebt horizonthaft, lebt im Bewusstsein der Endlichkeit in eine
unendliche Welt hinein.
2) Diese Struktur der Vorgegebenheit der Welt für den Men
schen, des Menschen für sich selbst, ist es nun, in der in einem
15 zweiten Sinne der Mensch in Schranken der Endlichkeit lebt,
nämlich sofern ihm notwendig im natürlichen Leben als Mensch
sein transzendentales Sein als transzendentale Subjektivität
verhüllt bleibt, oder was einerlei ist, in seiner Menschlichkeit die
transzendentale Subjektivität als verhüllte lebt.
20 Das menschliche Sein ist Sein in der Endlichkeit derart, dass
es beständiges Sein im Bewusstsein der Unendlichkeit ist. Aber
dies Ganze des für sich selbst in dieser Art Endlichseins ist Ver
hüllung der transzendentalen Subjektivität. Diese Verhüllung
besagt aber etwas total anderes als Horizonthaftigkeit, als Ver-
25 hüllung in der Vorgegebenheit (nämlich des bewusstseinsmässig
ins Unendliche Unbekannten in der Horizonthaftigkeit des Be
kannten). Mit anderen Worten, es ist nicht die Verhüllung der
vorgegebenen Welt vermöge der inneren und äusseren Unend
lichkeit, in der sie vorgegeben ist. Die transzendentale Subjek-
30 tivität ist in der menschlichen Weltlichkeit nicht v o r g e g e b e n
und doch in ihr „verhüllt”, sofern der Mensch, der, sich selbst
und die Welt „wissend” und in diesem Wissen für sich Mensch
seiend, transzendentale Reduktion vollziehen und seine Weltlich
keit durchbrechen kann. Sozusagen eine transzendentale Ver-
35 blendung ist die Weltlichkeit, die ihm vor der phänomenologi
schen Reduktion, als an den Horizont der Vorgegebenheit Gebun
denen, das Transzendentale notwendig unzugänglich macht, aber
auch ihm jede mögliche Ahnung davon verschliesst. Man beachte,
dass jedwede n a t ü r l i c h e R e d e mit ihrer natürlichen Bild-
390 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
1 Das Entscheidende für den Begriff der Situation liegt aber in dem, was erst
S. 3 97f. herausgestellt ist als I n t e r e s s e n h o r i z o n t der jeweiligen lebendigen
Gegenwart jais praktisch weltlicher).
396 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
Es ist darauf zu achten, dass auch diese Einheit der Welt als
Einheit der menschlichen Umwelten nur aus dem wirklichen und
20 möglichen überschauenden, wiedervergegenwärtigenden Be
wusstseinsleben selbst Einheit ist. Mein eigenes Leben in seiner
Horizonthaftigkeit und im Wechsel seiner jeweiligen Interessen
und Interessenhorizonte, dementsprechend im Wechsel seiner
Erinnerungsrückblicke und Vorblicke, ist m it s i ch s e l b s t in
25 s t ä n d i g e r G e m e i n s c h a f t , es vollzieht in sich selbst und
für sich selbst beständig Synthesen mit diesen Erinnerungsfolgen,
wodurch „die” Welt durch alle zu überblickenden Gegenwarten
hindurch bewusst ist als dieselbe Welt aller dieser wechselnden
Weisen, mir zu gelten, aller der wechselnden Zeitmodi und in-
30 haltlichen Apperzeptionen. Aber in meinem Leben bin ich bei all
dem, in all den Wahrnehmungen, Erinnerungen (Vergegenwärti
gungen) erinnerungsmässig m it An de r e n, gegenwärtigen,
vergangenen, künftigen, in G e m e i n s c h a f t , in den Modis
jetzt, damals, künftig in Gemeinschaft. D.h. in meiner gegen-
35 wärtigen und vergegenwärtigten Umgebung erfahre ich (in der
Weise der „Einfühlung”) Andere und durch sie hindurch als auch
mir geltend ihre Umgebungen, ihre Bezogenheiten auf dieselbe
uns gemeinsam geltende Welt, als die in meinen selbsteigenen
TEXT NR. 23 399
BEILAGE XXIII
TELEOLOGIE
(etwa 13. November 1931)
5 Hedonische, „sinnliche" Werte und die „geistigen" Werte, Werte der Liebe.
Aber das alles deutet nur die niedere Glücklichkeitsstufe an. Die Un
endlichkeit als Lebenshorizont jedes Menschen, sofern sein Lebens
horizont die Unendlichkeit der generativen Menschheit umfasst, und
für ihn als erschlossener, bringt Tod und Schicksal in den Horizont
10 und die Möglichkeit des Selbstmordes, auch die Möglichkeit eines in
tersubjektiven „Selbstmordes”. In der erschlossenen Unendlichkeit ist
Glückseligkeit ein Widersinn. Dazu: Von vornherein sind nicht hedo
nische Werte da; hedonische Werte haben ihren Ursprung im Genuss,
letztlich in sinnlichen Gefühlen, und sie verwirklichen sich jeweils im
15 Genuss. Alles Streben, sie zu erzeugen, ist Streben, eine Art Genuss
„gegebenenfalls” praktisch vorzubereiten, zu ermöglichen.
Die Werte der Person, <nicht> in dem Sinn derjenigen, die sie als
blosse Bereitschaften des Genusses hat, sondern die ihren „wahren
Wert” ausmachen, diejenigen, um deren willen sie geliebt wird, so wie
20 alle spezifisch „geistigen” Werte, entspringen aus ganz anderen Quel
len, den Quellen der Liebe im prägnanten Wortsinn. In diesem ist
L i e b e s g e n u s s ein W i d e r s i n n (daher Brentanos „Phänomene
der Liebe” schon im Titel einen grossen Irrtum ankündigt). Die Liebe
— liebend sich im Anderen verlieren, im Anderen leben, sich mit dem
25 Anderen einigen1, ist ganz und gar nicht hedonisch, obwohl sie Freu
den, „hohe” Freuden begründet. Hier muss auch die Art des „Wertes”
und Wertvergleichs zwischen personalen und hedonischen Werten an
setzen. Alle aus personaler Liebe entsprungenen Werte, nicht nur die
der Person selbst Wert geben, haben die Eigenschaft, dass sie selbst im
30 „Genuss”, d.i. in der Erfahrung als Werte, in der wertenden Freude
(negativ Unfreude), liebender Hingabe bedürfen; eine liebende Hin
gabe, die umgekeimt jeder Person, die sie übt, z.B. die Hingabe an
Werke der hohen Kunst, einen Zuwachs personalen Wertes rückstrah
lend erteilt.
35 In aller Liebe liegt Verehrung, in aller Verehrung Seligkeit als
wesensmässige Mitgabe. Man darf wohl diese Seligkeit dankbar erfah
ren, und doch liegt hier eine gefährliche Perversion nahe, dass man die
liebende Hingabe als blosses Mittel des Genusses behandelt und ihr die
Hingabe an die Lust unterschiebt. Das liebende Streben erfüllt sich
40 nicht in der Lust, sondern im Gegenteil, diese ist nur Begleitfolge der
Erfüllung.
Das führt auch auf das Problem der „Schönheit” der Natur. Ist das
eine bloss sinnliche Schönheit (Naturgenuss), oder liegt darinnicht eine
1 Aber nicht wie im Verhältnis von Herrn und Diener oder Sklave.
BEILAGE XXIV 407
instinktive Liebe und für den entwickelten Menschen eine mit ver
borgenem geistigen Gehalt gespeiste Liebe ?
Liebe in verschiedenen Formen und Stufen. Korrelate: Verehrung,
Ergebung, Seligkeit, beseligende Schönheit.
5 Sinnliche Gefühle als Beimischungen bei aller Seligkeit. In der Hin
gabe an das Liebesgefühl kommen wohl auch die sinnlichen Kompo
nenten zur Überbetonung. Aber das alles muss neu durchdacht werden.
Vgl. die alten Manuskripte ?
BEILAGE XXIV
10 WISSENSCHAFT IN DER VORGEGEBENEN („HISTORISCHEN” )
WELT. ONTISCHE UND HISTORISCHE WISSENSCHAFT
(13. und 14. November 1931)
<Inhalt: >Der Staat das notwendig Erste und Leitende der Geschichts
schreibung. Struktur der Humanwelt, Heimwelt etc. in eins mit der Ver-
15 einheitlichung von Menschheiten (von der Familie an). Vereinheitli
chung und Herrschaft — Staat. Begriff der Alltäglichkeit, Begriff des
Privaten.
1 Aber es ist doch erst zu erwägen die Frage, wie weit praktisches Interesse
Universalgeschichte und universale Geisteswissenschaft motiviert. Der praktische
Mensch lebt in seiner praktischen Gegenwart, und Gegenwartsinteresse weckt, moti
viert zur Besinnung, führt in die Vergangenheit und erweitert so das gegenwärtig
Relevante oder die wirksame, breite Gegenwart. Aber die gesamte historische Ver
gangenheit und die gesamte historische Mitgegenwart? Zudem, in der entwickelten
Kultur ist das Berufsleben entwickelt und spezialisiert und sind geschieden Berufe
der sinnlichen Bedürftigkeit, der leiblichen Selbsterhaltung, und geistige Berufe —
entsprechend geistige Güter. Die Mitgegenwart selbst in ihrem Güterbestand ist als
allgemeine unbekannt. Dazu aber die überstaatlichen Verbindungen, Einheiten der
geistigen Kultur, welche die Scheidung machen zwischen Staatsvolk und Kulturvolk.
Das alles ergibt Formalien für den Aufbau des Menschentums. Der Mensch in der
Selbsterhaltung, der einzelne als entwickelter Kulturmensch in staatlicher Selbst
erhaltung, in „geistiger" etc.
BEILAGE XXIV 411
fremd gegliedert. Für jedes Dorf, bzw. für jeden Menschen seiner
Heimsphäre als Sphäre der „Alltäglichkeit” ist die Fremde mit da;
aber die Fremde ist selbst in verschiedener Weise Lebensumwelt, In
teressenwelt für den in seiner Heimat Lebenden, auf sie beständig in
5 Handel und Wandel Bezogenen. Die äussere Interessenweit ist, frei
lich je nach dem Stande der Kulturentwicklung (das sagt hier: der
Stufe der Vergemeinschaftung der Menschen und menschheitlichen
Einheiten in fortschreitender Vermittlung und wirksamer Vereinheit
lichung durch die Vermittlungen hindurch), nähere und fernere mensch-
10 heitliche Umwelt, und je nach der Ferne in einer verschiedenen Hori-
zonthaftigkeit, in verschiedener Stufe der Bekanntheit und Unbe
kanntheit in „Bereitschaft”, als lebendiger, stets in verschiedener
Kraft wirksamer Horizont.1
<b) > Es besteht stets ein Grundunterschied: Wir ziehen in Betracht
15 die Einheit der Herrschaft, die Einheit einer willensmässig vergemein-
schafteten und geregelten Daseinsordnung, welche als „ s ta a tlic h e ”
den fremden Dörfern, Gemeinschaften (jede in sich eine herrschaftliche
Einheit, wie schon die einzelne Familie als engste Heimgenossenschaft)
Einheit gibt in ihrer Mittelbarkeit. Die letztere besagt: Das Dorf, mein
20 Dorf, <hat >sein nächstes oder seinen Umkreis von nächsten „anderen”,
fremden Dörfern, die Nachbardörfer, diese haben (für uns Dörfler, die
meines Dorfes, apperzipiert und stets in Bewusstseinsbereitschaft ge
genwärtig) wiederum ihre nächst fremden Dörfer oder Nachbarn usw.
Diese Mittelbarkeit bedeutet zugleich eine Mittelbarkeit der über die
25 „Alltäglichkeit” hinausreichenden Interessen- und Lebensverbunden
heit, neben derjenigen, die irgend jemandes Alltäglichkeit aktuell ver
binden kann mit der Fremde und mit fremden Alltäglichkeiten. Wir
haben im Einzelleben Handel und Wandel mit den alltäglichen Heim
genossen (und schon gegliedert nach Familiengenossen und Familien-
30 fremden), andererseits zwischen Dorfgenossen und Fremden, nach
barlich-dörflich Fremden oder ferneren Fremden. Aber über all diesen
„Handel und Wandel” hinaus haben wir die Einheit der staatlichen
Verbundenheit, die über allen Handel und Wandel reicht, allen in ge
wisser Weise umgreift und jeden einzelnen in Beziehung setzt zur
35 „Regierung”, eine Beziehung, die in einem entwickelten menschlichen
Sein über die Heimsphäre hinausreicht. Damit sind wir nicht zu Ende
— Krieg und Frieden mit anderen Staaten.
Staat ist eine Einheit durch Macht, durch Herrschaft. Sie finden wir
1 Hier ist beizufügen: Das Leben und die aktuellen Interessen der normalen all
täglichen Stilförmigkeit können die Ferne, die Fremde der verschiedenen Stufen in
verschiedener Weise lebendig haben und einbeziehen. Handel in die Ferne in ver
trauten Formen sich vollziehend, daheim und durch Reisen. Verstehen wir unter
Alltäglichkeit den aktuell lebendigen Gegenwartsstil menschlichen Tuns und Leidens,
menschlichen Strebens, Wirkens, Schaffens mit dem aktuellen Interessenhorizont,
so finden wir einen Grundunterschied in der Struktur dieser Alltäglichkeit durch die
Unterscheidung des Privaten und des Staatlichen.
BEILAGE XXIV 413
schon in der Familie. Es scheiden sich auch in jeder Familie (jeder Zelle
des sozialen Gewebes) die Herrschaftsfunktionäre, der Herr der Fa
milie, der Vater als Herrscher (die Mutter in ihrem mütterlichen und
hauswirtschaftlichen Herrschaftsbereich, der ausgezeichnete Bereich
5 der heranwachsenden und noch unreifen, noch nicht in die Gemein
schaft der Vollmenschen gerechneten, für sie erst zu erziehenden
Kinder). Im einzeldörflichen Verband haben wir dann wieder Funk
tionäre der dörflichen Herrschaft und die dörfliche Bürgerschaft als
die durch Herrschaft in ihrer bürgerlichen Freiheit Geregelten. Im
30 Verband der Dörfer haben wir, seine Mittelbarkeiten übergreifend, wie
der Funktionäre der Herrschaft. Die allübergreifende staatliche Herr
schaft regelt alle Herrschaften, hinsichtlich deren alle herrschaftlich
Funktionierenden funktionsmässig Untergeordnete sind. Die Funk
tionäre der Staatsherrschaft (im einfachsten Falle ein einziger, der
35 Herrscher über alle) haben ein Funktionsleben, das sich vom alltäg
lichen Leben, dem des normalen „Bürgers” unterscheidet.
Genauer gesprochen, wir müssen unterscheiden das alltäglich ge
wöhnliche, das zur generativen Ursprünglichkeit gehörige und gefor
derte Leben, in dem vor allem für die periodisch wiederkehrenden in-
20 stinktiven Lebensbedürfnisse, die der untersten Stufe, gesorgt werden
muss. In gewissem Umfang lebt jedermann in der Alltäglichkeit, aber
dieser Umfang, als Umfang der in ihr verlaufenden Lebenstätigkeiten,
ist vermöge der Entwicklung des Menschentums ein sehr verschiede-
der. Und zwar dadurch, dass die Tätigkeiten der staatlichen Funktio-
25 näre (vom Staat aus gesehen im Dienste des Staates und seines obersten
staatlichen Funktionärs, während andererseits vom Individuum und
der Familie aus der Staat mit all seinen Funktionen im Dienste der
Selbsterhaltung eben des Individuums und der Familie ist) besondere
Tätigkeiten sind, die für sie die Interessensphäre und das Leben des
30 „Alltags” einschränken und notwendig, je höher die Entwicklung des
Staatsmenschentums ist, um so mehr einschränken. Im Staat scheidet
sich das Private und das Staatliche, und es scheiden sich auch die
Menschen in solche, die normalerweise ganz in der Alltäglichkeit, im
Privaten aufgehen, was einen bestimmten Begriff von Alltagsmenschen
35 ausmachen würde, und solche, die „berufsmässig” staatlich beamtet
sind, Staatsfunktionäre, und eine neuartige Alltäglichkeit, Normalität
von Lebensinteressen und Lebenstätigkeiten haben. Für sie ist das ur
sprünglich Alltägliche das Sekundäre, wenn auch nicht geradezu Ano
male, da es sich stets meldet und seine Fürsorge braucht, die aber se-
40 kundär wird und zum grössten Teile ihnen abgenommen ist durch die
Organisation der alltäglichen Gemeinschaftskultur und die ihr zuge
hörige Gliederung der privaten Berufe, der durch sie ermöglichten
Güteransammlungen, durch die (staatlich geordnete) Geldwirtschaft
usw. Andererseits, im privaten Leben, in seinen verschiedenen Berufs-
45 formen als Formen des ganzen Interessendaseins und Interessenlebens
der privaten Menschen, fehlt es nicht an Lebensweisen staatlicher
Funktion. In gewisser Weise ist jeder gelegentlich Funktionär, aber
4M „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
eben nicht in der Weise des Berufes, der ständigen Hinrichtung darauf
und in der Weise ständig einheitlicher Auswirkung dieser Willens
richtung. Sowie der Beamte als Beamter mit ihm in Konnex tritt,
wird er zum Bürger oder wird er als Bürger aktuell und steht damit
5 in Korrelatfunktion. (Dafür natürlich tritt als Ersatz ein das amtliche
Schreiben, der Steuerzettel etc.)
Das alles ist aber noch nicht befriedigend. Was hier kontrastiert ist
oder als Unterscheidung versucht worden ist als „Privates” und Staat
liches, bedarf noch der Überlegung :
10 1) Der Privatmensch gegenüber dem Staatsmenschen ais Staats
beamten, als Verwaltungsbeamten, Militär etc.
2 ) Der Mensch überhaupt in seinem Privaten in dem Sinne, dass er
keine staatliche Funktion übt, wie z.B. gelegentlich als Wähler, oder
als Zeuge vor Gericht gezogen, oder zur Steuer aufgefordert etc.
15 3) Der Bürger, ob Beamter oder nicht Beamter, lebt in einer norma
len, gewohnheitsmässigen Form der Alltäglichkeit, innerhalb deren er
als Normalbürger sich in den Grenzen, welche das Staatsgesetz steckt,
also denen des Rechtes, hält. Hier scheidet sich das rechtlich Geform
te, bewusst staatsmässig Geforderte, und das rechtlich Freigelassene —
20 allgemein Private. Also demnach innerhalb der positiven Rechtssphäre
gegenüber den alltäglichen, den gewohnten innegehaltenen Formen all
das, was man im Auftrag der Regierung in eine Staatsfunktion tretend
tut: Geschworener, Wähler etc.
Vom Staat und Recht aus gesehen ist das Private (nach 3) das der
25 individuellen Freiheit Überlassene, hat aber als das seine Rechtlich
keit, also Herrschaftsform. Indessen bleibt doch das übrig, dass im
Leben des Menschen in der menschlichen Gemeinschaft zu unterschei
den ist zwischen dem, was bewusstseinsmässig keine juristische Form
hat, keine Verweisung auf das Recht, und dem, was sie hat. Mein täg-
30 licher Gang zum Mittagstisch und die Betätigung des Essens hat solche
Form nicht. Ebenso für den Landmann sein Bestellen des Ackers, seine
Betätigungen nach den Jahreszeiten etc. Das Einkäufen des täglichen
Lebens lässt nicht an Juristisches denken, und das freundschaftliche
Sich-aushelfen auch nicht. Aber der Kaufmann, sich zu sichern, sorgt für
35 die Innehaltung der rechtlichen Formen im kaufmännischen Verkehr
mit Kaufleuten und mit den Kunden, denen er Kredit gibt.
und habe das Fingierte als verdeckend das für mich Seiende und
das Fingieren in gewisser Weise als verdeckend mein wirkliches
Sein. Verdeckt ist, was mir wirklich gilt, und ursprünglich be
währbar gilt, mein wirkliches Sein und meine wirkliche Umwelt.
5 Aber das Verdeckende ist geltend im Als-ob, und in diesem Modus
ist es Fiktion, aber es ist für mich nicht Wirklichkeit und streitet
daher nicht mit der Wirklichkeit, sondern nur mit einer anderen
Fiktion, sofern ich beide in der Einheit eines Als-ob in quasi-
Geltung halte, was Sache der Freiheit ist. So ist auch die Fiktion
10 von Anderen in mir nicht eine Konstitution von Anderen als
seiende, und meine Gemeinschaft mit ihnen eine Gemeinschaft-
als-ob und nicht eine wirkliche Gemeinschaft; in der konstitu
ierten objektiven Wirklichkeit als Welt kommen nicht unter den
Menschen, den für mich seienden, die fingierten vor, aber in der
15 partiell umfingierten Welt, die damit selbst fingierte ist, Welt-
als-ob, kommen Menschen-als-ob vor, und ich selbst nicht als
wirkliches Ich, sondern als ob ich es wäre, als Umfiktion meiner
selbst und damit als Fiktion; das aber ist eo ipso schon geschehen,
wenn ich irgend etwas von der Welt umfingiert habe und im
20 Modus des Als-ob dazuhalte — als ob es bleibend wäre.
Mein selbiges vergangenes Sein bietet sich mir in verschiedener
Gegenwart je nach dem lebendig wirksamen Horizont der Gegen
wart sehr verschieden dar, seinerseits in verschiedenem anschau
lichem Gehalt und verschiedenem von der Gegenwart her ge-
25 wecktem und dann in Fortweckung vorschreitendem Horizont.
Es heisst nun, meine Vergangenheit steht mir erinnerungsmässig
zu Gebote; wenn ich will, kann ich mir sie wieder vergegen
wärtigen. Aber das ist nicht so einfach zu sagen. Wie lückenhaft
und sonst unvollkommen meine Lebenserinnerung ist, etwas
30 Wahres ist doch daran. Ich kann mein Leben „überschauen”, in
seinen markanten Stadien durchlaufen — ähnlich wie ich einen
Wanderweg, den ich begangen habe, nachträglich einheitlich
überschaue und in seinen markanten Stadien einzeln wieder ver
gegenwärtigend mir heranhole und evtl, in geordneter Folge
35 durchlaufe. Rückblickend habe ich den Weg als Einheit, obschon
keineswegs als anschaulich verlaufende Erinnerungseinheit, im
allgemeinen heben sich auf dem Grunde dieser leeren, „vagen”
Einheit Stadien, und nicht in ihrer ursprünglichen Folge, ab, ich
kann sie dann aber ordnen, wobei das Ordnen Einordnen in die
TEXT NR. 24 419
1 Die Selbstverantwortung hat ihr Feld in der Totalität des Seins, in der Totalität
des Lebens, und wieder bezogen auf die Totalität der Lebensumwelt. Wille, das feste
Vermögen auszubilden, jeder Frage nach dem Warum — nach der gültigen Norm
als der Recht begründenden — Antwort stehen zu können.
424 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
I n h a l t s a n g a b e :> H o r iz o n ts tr u k tu r d e r U m w e lt a n a ly s ie r t. Z w e i
S tu fe n i n d er „g e n e tis c h e n ” D a r s te llu n g d e r G e ltu n g sfu n d ie ru n g —
10 a ls „ E r w e ite r u n g ” d e r N o r m a ls p h ä r e d e r L e b e n s p r a x is — der n o r
m a le n U m w e lt. D ie z w e ite S tu fe , d ie „E in f ü h lu n g ” u n se re r vö lk isch en
M e n s c h h e it in d ie u m g e b en d en fr e m d v ö lk is c h e n M e n sc h h e ite n . A d
G e ltu n g sfu n d ie ru n g , G e ltu n g sa u fb a u d e r W e lt u n d „ W e lta n sc h a u
u ng”.
15 K o n s t i t u t i o n d e r u n m i t t e l b a r s t e n N a h we i t , der
nächsten erfüllten Raumzeitlichkeit, mit „Dingen” (aus „hyle-
tischem” Index) in Nahorientierung als Gegebenheiten der sinn
lichen Erfahrung und dem Eigenleib als Organ aller sinnlichen
Erfahrung und selbst durch Fungieren in bezug auf sich selbst
20 sinnlich erfahren. Konstitution der verharrenden sinnlichen
Dinge und des Leibes durch die Pausen des Schlafes hindurch.
Der Leib als das beständig erfahrene Ding, eben in allem E r
fahren mit dabei als derselbe. Andere Dinge zunächst normaler
weise mit da im nächsten Seinsfeld, in der ursprünglichsten
25 „Nahwelt”, bald wirklich erfahren, bald ohne weiteres erfahrbar
durch unmittelbares Ins-Spiel-setzen der leiblichen Kinästhesen.
In dieser Umwelt sind konstituiert Andere als meine unmittel
bar und im eigentlichsten Sinn „Nächsten”. Aber zu dieser
nächsten Umwelt gehört es auch, dass die ihr zugehörigen ver-
30 trauten Dinge (mit Ausnahme des Eigenleibes) aus ihr, aus
TEXT NR. 27 429
(also das völlig unbekannte Draussen, das völlig Fremde ist doch
soweit bekannt, dass es mögliche Raumdinge sind, Menschen und
Tiere, Dörfer, Landschaft etc.).
Die apperzeptive Horizontvorzeichnung folgt der Stilanalogie.
5 Die Sache ist so, dass, wenn eine Umwelt voll ausgebildet ist, sie
nicht den Charakter eines geschlossenen endlichen Raumes hat,
für den kein Draussen konstituiert ist, wie wenn ein Kind hinein
geboren wäre in einen Kerker ohne Türen und Fenster oder in
einen Raum mit einer solchen Leiblichkeit, mit einer solchen
10 Kinästhese, dass es ein beliebiges Fortgehen mit der Iteration
des Undsoweiter <nicht> ausbilden könnte. Die wirklich konsti
tuierte Endlichkeit der Umwelt ist die mit einem offenen Hori
zont, der aber nicht horizonthaft besetzt ist mit bekannten
Objekten, vielmehr völlig unbekannten. Diese aber in ihrer Un-
15 bekanntheit sind als Einzelheiten, als Gruppen, als zusammen
hängende Komplexe und Ganzheiten im offenen Horizont stil-
mässig nach Analogie vorgemeinte, als Unbekanntheiten im Stil
der Bekanntheiten, als Möglichkeiten der Erfahrung, die, wenn
sie erfahren würden, eben solche Horizonte wieder haben würden.
20 Die aktuelle Vertrautheit des möglicherweise zu Erwartenden auf
Grund der Vermöglichkeit, die leiblichen Kinästhesen iterativ
ins Spiel zu setzen, zeichnet immer wieder vor offene Möglich
keiten für mögliche Vertrautheiten, als <die> sich in Folge ver
wirklichender Erfahrung immer wieder einstellen und immer
25 wieder Horizonte neuen Vertrautwerdenkönnens ergeben würden.
Das alles ist intentional impliziert, obschon nicht wirklich in
einem aktuellen Ausbilden der Möglichkeiten durchdacht.
Bei der fortschreitenden Erweiterung des Bekanntheitshori
zontes kann aber Doppeltes eintreten:
30 1) Entweder der Horizont erweitert sich nach seiten des
„Draussen” im konkret vorgezeichneten Horizontstil: Die Um
welt gewinnt eine umfassendere, ringförmig (kugelschalenförmig)
erweiterte Raumsphäre: immer wieder mit dem gleichen und
konkret analog geformten unbekannten Draussen. Dann ist es
35 aber eigentlich die eine schon ausgebildete Umwelt, die nur um
neue Raumregionen der Bekanntheit bereichert wird. Da der
Mensch nicht immer auf dem Marsch ist und überhaupt nur leben
kann in einer schon vertrauten, schon bekannten Welt bekannter
Realitäten (obschon mit Horizonten der Unbekanntheit not-
TEXT NR. 27 431
1 Ja, diese Geschichtlichkeit besagt Konstitution der Umwelt als einer erstlichen,
mythischen Welt — alles darin ist mythisch geformt.
432 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
und fremdartige „Welten”, die von einem ganz anderen Stil sind,
als welcher analogisch iteriert sich erstreckt über die eigene Weit
hinaus. 1 Es ist weit draussen nicht nur überhaupt wieder Men
schenleben ganz so wie das unsere, es gehen die Berge, die
5 Wälder, die Flüsse, die Sandsteppen etc. nicht nur so weiter,
nur für uns irrelevant, weil unsere Menschheit mit denen dort
nichts zu tun hat, weil wir getrennt sind durch weite Strecken
Landes, die unbewohnt, evtl, unbewohnbar sind, während doch
drüben alles so ist wie hier. Das Fremde, das jetzt in erste
10 Kenntnisnahme kommt oder kommen soll, ist nicht ein ohne
weiteres dem konkreten Stil nach Verständliches, ohne weiteres
erfahrbar wie das schon Bekannte, im ersten Blick empirisch
apperzipiert mit einem Erfahrungshorizont, der ohne weiteres
aktualisierbar ist und Kenntnis schafft. Vielmehr ist das Fremde
15 zunächst unverständlich Fremdes. Freilich, alles noch so Fremde,
noch so Unverständliche hat einen Kern der Bekanntheit, ohne
das es überhaupt nicht, auch nicht als Fremdes, erfahren werden
könnte. Es sind doch Dinge — unverstanden nach ihrem kon
kreten Typus, verstanden nur als Raumdinge überhaupt und noch
20 nach dem regionalen und sonst allgemeinsten Erfahrungstypus:
als unbelebte Objekte, als organische Wesen, als Tiere (psychisch
lebendige) oder Pflanzen (unbeseelte), als Himmel und Erde, als
Berge und Täler, als Flüsse, Seen etc .12
Aber sehen wir von dem, was da an seelischen Vorkommnissen
25 mit auftritt, ab, so ist nur unmittelbarer Erfahrungskenntnis zu
gänglich, als durch fortlaufende Erfahrung bekannt werdend, die
blosse Natur, und nicht mehr so ohne weiteres das, was die Ob
jekte als Kultur objekte erfahrbar macht und überhaupt als
Objekte, die von seelischen Subjekten her eine erfahrbare (eine
30 nach ihrem geistigen Sinn apperzipierbare) Form haben. Was die
Natur anbelangt, so hat die Erfahrung zwar nicht den Charakter
einer nur den vertrauten Dingtypus (z.B. Fichte, Veilchen etc.)
näher bestimmenden und so das Individuelle oder Individual-
1 Das ist aber immer schon geschehen, wenn auch die normale Form mythischer
Stammvölker unter Stammvölkern noch auf primitivere Unterstufen verweist. Aber
heimatlich und fremd oder stammheitlich und fremdstämmisch ist immer schon
vorauszusetzen, aber freilich in verschiedener Typik (griechische Stammverwandt
schaft, „barbarisch”-fremd etc.).
2 Mythisch fremd ist unterschieden vom uneigentlich Fremden, bezogen auf die
unbekannten Tiere und Pflanzen der „fremden" Territorien.
TEXT NR. 27 433
BEILAGE XXVII
ERFAHRUNG UND PRAXIS — UMWELT.
<DIE GRENZE DES VERSTEHENS >
(Neujahr 1931/32)
zont hat mit der aus seiner und ihrer Erfahrung und Bildung stam
menden VorZeichnung einer (also auf ihn relativen) ontologischen Be
kanntheitsstruktur und darin der Grenze seines Verstehens für andere
Subjekte und andere historisch-menschheitliche Welten. Das Problem der
5 historischen Methode in ihrer Relativität und der Methode der universal
gerichteten Geschichte, selbst fremdes Sein und fremde Geschichte zu ver
stehen usw.
Praxis ist unmittelbare oder mittelbare. Unmittelbare Praxis in der
Welt setzt Welterfahrung, Erfahrung von weltlich Seiendem voraus.
10 Und zwar das Unmittelbare der Praxis vollziehe ich in der Erfahrungs
gegenwart, die aber das ist als Gegenwart einer Erfahrungsvergangen
heit und -Zukunft — aber nicht nur in dem Sinne dessen, was ich
selbst erfahren habe etc. Die Erfahrungsgegenwart ist Gegenwart der
Erfahrungswelt, die erfahren ist als Zeitwelt mit Gegenwart, Vergan-
15 genheit und Zukunft. Sie ist der Seinsboden für alle bewusstwerden-
den, -werden könnenden praktischen Möglichkeiten, also auch für alle
Vorhaben, Zwecke, Handlungen. Jede wirkliche Praxis des in der
Welt handelnden Menschen geht vom schon Seienden, bzw. auch dem
in ihr neu Werdend-gewordenen zum Sein-werdenden als Erhandelten.
20 Seiend ist, was erfahrbar, erkennbar ist für jedermann. Aus Seiendem
wird gemacht Seiendes. Handeln ist willentlich verwirklichend Ge
richtetsein auf Seiendes, das noch nicht ist, auf Seiendes, das davon
jetzt verwirklicht, eigentlich verwirklicht ist, und Mitgerichtetsein
auf das, was soeben erledigt ist und als das in das schon Seiende ein-
25 geht. Das noch nicht Seiende ist das Seinsollende im weitesten forma
len Sinne. Im Handeln ist das Seinsollende seinwerdend im Willens
sinne (ich werde = ich will, das ist im Werden — in „Arbeit” etc.), in
diesem Seinwerden schliesslich gegenwärtig Seiendes als „verwirk
licht”, willentlich. So ist von Gegenwart zu Gegenwart eine neue Er-
30 fahrungsweit dem Gehalt nach an Seienden, eine Welt wirklicher und
möglicher Erfahrung, ein neuer praktischer Boden für neue praktische
Möglichkeiten — meine, für jedermann von uns in Vergemeinschaf
tung im miteinander, füreinander, gegeneinander Leben und „Wir
ken”.
35 Nun ist es so, dass aus der schon seienden Natur (dem Urreich sinn
licher Werte sozusagen) neue seiende Natur erzeugt da ist, und doch
dieselbe Natur, geänderte Natur. Aber sie ist da nicht bloss als Natur,
sondern zugleich für uns jederzeit verstehbar, apperzipierbar als prak
tisches Gebilde — so für jedermann, unter uns — innerhalb der Um-
40 weit als Korrelat dieses „uns”. Also soweit mit zu ihr gehört nicht nur
der Umkreis persönlich bekannter Personen, sondern die Typik von
Personen und eines Horizonts solcher Personen als Personen, mit denen
ich in unmittelbarem und mittelbarem Konnex stehe, und als prak
tische Subjekte einer zugehörig sich verflechtenden praktischen Typik.
45 Damit korrelativ die Typik der für alle daseienden praktischen Ob
jekte, der bekannten und unbekannten, im Horizont liegenden, in
442 „CARTESIANISCHE MEDITATIONEN” 1931-1932
dem Horizont, der <den > Innenhorizont der Umwelt ausmacht, ihren
Stilsinn bestimmt.
Der Mensch ist in einem anderen Sinne „objektiv”, seiend, erfahrbar
als identisch für jedermann denn ein Naturobjekt. Ein solches ist für
5 jedermann rein als Gegenstand möglicher Wahrnehmung in Form
direkter Wahrnehmung nach allem und jedem, was es ist, erfahrbar.
Für jedermann, mit dem ich mich normal verständigen kann, ist es
dasselbe, von jedermann in denselben, sein naturales Wesen ausma
chenden Erfahrungsbestimmungen erfahrbar. Ein Mensch ist nun frei-
10 lieh für uns alle auch als Mensch erfahrbar. Mit dem Anderen in ak
tueller Verständigung sein, ist schon ihn als Menschen erfahren und
weiter erfahren können. Aber darum ist doch, was sein individuelles
Sein, sein Eigenwesen als dieser Mensch (und insbesondere als diese
Person, als diese Seele) ausmacht, nicht schon für mich direkt, wahr-
15 nehmungsmässig erfahrbar. Es ist nicht so horizonthaft vorgezeichnet,
dass ich bloss eigentlich erfahrend weitergehen könnte und, was ich
von ihm zunächst wirklich erfahren habe (die „Seite”), zur Allseitig
keit bringen könnte.
Dies bedarf der genaueren Begrenzung. Auch in Hinsicht auf die
20 Erfahrungsweise von Anderen haben wir den relativen Unterschied
von Normalität und Anomalität. Wir verstehen die Anderen aus un
serem Handeln (und freilich dann rückwirkend auch unser Handeln in
gewissen Hinsichten aus ihrem Handeln). Wir verstehen sie überhaupt
in ihrem Sein und Handelndsein, Akte welcher Art immer Üben, aus
25 unserem, das Elementare jedes Handelns schon in Vertrautheit ent
haltenden Handeln. So können wir verstehen, dass sie und was sie tun,
welche praktischen Wege sie einschlagen, was sie als Ergebnis er
zeugen, welchen Zwecksinn das Gewordene von ihnen her hat. In wei
terer Folge verstehen wir Erzeugnisse dieser A rt apperzeptiv in ih-
30 rem bleibenden Zwecksinn.1
Indessen, das ergibt zunächst nur den Bereich der niederen Zweck
sphären und hinsichtlich bleibender Seinserzeugnisse sozusagen den
Bereich des Handwerklichen. Dieses aber ist im allgemeinen nur ein
Kern für einen höheren, so nicht verstehbaren Zwecksinn. Z.B. den
35 chinesischen Maler verstehen wir zwar als Maler, das Erzeugnis als ge
maltes Bild, aber doch nicht seine eigentliche künstlerische Absicht,
korrelativ nicht den eigentlichen Sinn des Werkes, das Werk als
Kunstwerk seines bestimmten künstlerischen Sinnes. Nur die leere
Allgemeinheit, dass es sich um ein Kunstwerk handeln dürfte, suppo-
40 nieren wir aus unserer eigenen Erfahrung von Zeichnen, Malen, nnd
1 Genauer: 1) Verstehen des Leibes als Organ, Verstehen durch unmittelbare
Appräsentation und ihre unmittelbare Bewährung; 2) in eins damit und korrelativ
Verstehen der unmittelbaren sinnlichen Umwelt ais uns gemeinsame normal sinn
liche; 3) das Verstehen der unmittelbar instinktiven Bedürfnisse und des Lebens in
der gemeinsamen Form der engsten Alltäglichkeit; 4) Analogie von Interessen
sphären, die in das Alltägliche eingreifen, aber die sinnliche Alltäglichkeit, das Un
mittelbare übersteigen.
BEILAGE XXVII 443
BEILAGE XXIX
<ZUM T H E M A EGO G E H Ö R T , SO G U T W I E M E I N E
V E R G A N G E N H E IT , AUCH D I E M I T G E G E N W A R T D E R
A N D E R E N ALS M I T S U B J E K T E F Ü R D I E W E L T .
5 T R A N S Z E N D E N T A L E S ICH U N D M E N S C H >
<wohl Februar 1932>
T E X T E A U S D E R Z E IT
VOM F R Ü H J A H R 1932 B IS ZUM J A H R E 1935
N r. 29
PH Ä N O M E N O L O G IE D E R
M IT T E IL U N G SG E M E IN SC H A F T (R E D E ALS
A N R ED E U ND AUFNEH M EN D E R REDE)
5 G E G E N Ü B E R D E R BLO SSEN
E IN F Ü H L U N G S G E M E IN S C H A F T (BLO SSES
N E B E N E IN A N D E R -S E IN ). Z U R
PH Ä N O M E N O L O G ISC H E N A N T H R O P O L O G IE ,
ZU E R F A H R U N G (DO X A) U N D P R A X IS
10 (13. A pril 1932 und vorher, A bschluss am 15. A pril 1932)
W ie e r f a h r e i c h d e n A n d e r e n , w ä h r e n d i c h E i n -
20fühlung vollziehe?
1) Zunächst ganz allgemein: Erfahrung kann Erfahrung in
irgendeinem Interesse sein, und so auch die ein fühlende Erfah
rung. Alles, was zur Aktualisierung des Interesses gehört, ist bei
jedem Akt aus dem Interesse primär oder sekundär thematisch:
25 ich bin darauf gerichtet, im prägnanten Sinne bin ich auf das
primär Thematische gerichtet. Erfahrung kann auch ausser-
thematische Erfahrung sein, und dann bald im vermittelnden
Übergang zu thematischer Erfahrung, in solche wirklich über
führend, bald schon auf dem Wege dazu, aber ohne wirklich dahin
30 zu führen: nämlich imthematische Erfahrung kann im Modus
462 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
Nun ist aber nicht zu übersehen, dass ich meine für mich da
seiende Umwelt habe als in einem Kern wirklich erfahrene und
mit einem Horizont möglicher, vermöglich zu antizipierender und
nur als Spielraum vorgezeichneter Erfahrungen. Was für mich
5 ist, ist für mich als das (aber spielraummässig) für alle, für jeder
mann, der mit mir kommuniziert, Seiende. Ich habe einen offenen
Horizont Anderer, und Anderer, die bald passiv sich verhalten,
bald aktiv in den Gang ihrer erfahrenen Umwelt, also verändernd
eingreifen. Das aber im allgemeinen nur in Spielräumen mög-
10 ücher Erfahrung vorgezeichnet. Die für mich seiende Umwelt als
Welt für alle ist also über das eigentüche Erfahrungsfeld bzw.
seine Seite hinaus horizonthafte Vorgegebenheit, und die Spiel
raumgegebenheit besagt, dass es Spielräume von Möglichkeiten
sind, teils von bekannten und unbekannten Möglichkeiten des
15 von selbst Verlaufenden, teils von bekannten und unbekannten
eigenen und fremden Möglichkeiten, die aus dem Eingreifen von
unbekannten und bekannten Anderen entspringen.
In dieser Horizonthaftigkeit ist die Welt für mich, wenn ich
mich besinne, als seiende immer schon konstituiert: Abbauend
20 finde ich die Horizonthaftigkeit in der Primordialität, dann als
Horizonthaftigkeit der transzendentalen, der ersten Anderen —
als offene reale Möglichkeit von Anderen und als in jedem er
fahrenen und zu erfahrenden Anderen als seine eigenen Seins
möglichkeiten, innerhalb der Form eines appräsentierten Ich mit
25 seiner appräsentierten Primordialität und dann in der notwen
digen Identifikation gemeinsamer Onta als notwendige Einheits
konstitution einer Einstimmigkeit in einem Horizont offen mög
licher Unstimmigkeit und Korrektur. Diese für mich durch den
Horizont der Anderen hindurch konstituierte Welt dieser Onta
30 ist eo ipso Gemeinwelt für alle diese Anderen, als ebenso für sie
konstituiert. Diese Welt ist konstituiert als allgemeinsame raum
zeitliche Welt, in der ich und meine Anderen (also wir) als die
Welt Konstituierenden, als die transzendentalen Subjekte aller
konstituierenden Apperzeptionen selbst für sich und für Andere
35 apperzipiert sind als weltlich seiende Menschen, als aus transzen
dental intersubjektiver Konstitution seiende Körper, die Leiber
sind für ihre Seelen. Unter dem Titel Seele ist das jeweilige
transzendentale Subjekt ontisch apperzipiert als P e r s o n eines
personalen Lebens, als sich selbst und Andere weltlich apperzi-
TEXT NR. 29 467
zum Halten bringen, und so habe ich hier das korrelative Zu
sammengehen von cp-Wandlung und Stillhalten, wodurch wieder,
wie ohne mein Mittun, Unveränderung wahrnehmbar wird, un
ter Sukkurs der übrigen wahrnehmenden Organe etc. In einem
5 engen Umkreis der Nahsphäre: Bewegen als „handelnd” „mit
tels” der Leiblichkeit ein Ausserleibliches in Bewegung setzen —
ra-Phänomen —, willkürlich stillhalten, in Unveränderung über
führen. Zu berücksichtigen auch das ein Ding Ergreifen, Heben,
Tragen etc. So in der eigenen Primordialität. Dann Andere im
10 gleichen verstehen.
Bewegung und bewegende Kraft. Widerstand.
Aufklärung der realen Identität als Identisches im intersub
jektiven Konnex. Konstitution der ontologischen Form der raum
zeitlichen res extensa, des Naturobjektes als Objektes für uns alle.
15 Korrelativ mitkonstituiert die ontologische Form des mensch
lichen Subjektes in der Schichte des Natur erfahrenden und in
Natur eingreifenden Subjektes.
Nun aber: Konstitution der menschlichen Personalität im
personalen Konnex als Glied von Sozialitäten, als Person in einer
20 totalen personalen Menschheit. Das Füreinander-dasein, das in
eins damit dieselbe raumzeitliche Umwelt gemein hat und in
ihr psychophysisch als „Reales”, als in die Natur Eingeord
netes da ist, ist noch nicht „sozial” Vergemeinschaftet-sein. Im blos
sen Nebeneinandersein und Füreinander-dasein, einander einseitig
25 oder wechselseitig verstehend (in Einfühlung erfahrend), ist, wenn
die Einfühlung zu anschaulicher Appräsentation wird, eine
„Deckung” zwischen mir und dem Anderen zwar hergestellt;
aber ein ganz Neues ist die darin fundierte Deckung, die mich
und meinen Anderen personal „einigt”. Voraussetzung: wechsel-
30 seitiges aktuelles Füreinander-dasein, wechselseitig einer des
anderen Innesein. In dieser Situation „wende ich mich an ihn”.
Die Situation der wechselseitigen aktuellen Einfühlung kann
noch verschiedene Modi haben. Ich erfahre den Anderen, in
unmittelbarer Fremdwahrnehmung, unmittelbarer Einfühlung.
35 Ebenso er mich. Ist damit schon gesagt, dass wir uns wechsel
seitig als einander Wahrnehmende wahrnehmen? Natürlich
nicht. Es kann ja sein und ist öfters so, dass ich den Anderen
(etwa in einer Gesellschaft) sehe, aber nicht weiss, ob er mich
überhaupt gesehen hat oder jetzt mich beachtet. Ich kann ihn,
472 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
er kann mich sogar beobachten, ohne dass er oder ich eben dies
merken. Es kann auch sein, dass Andere, während ich mit irgend
etwas, mit einer Sache oder einer Person, beschäftigt bin, als
Menschen in meinem Wahrnehmungsfeld da sind — ich bin nicht
5 auf sie gerichtet, bin nicht in expliziter Einfühlung in sie, in ihr
personales, leibliches Sein mich speziell einlassend, ihren aus
drücklichen Bekundungen einzeln verstehend hingegeben.
Also es kommt fürs erste offenbar darauf an, dass ich auf den
Anderen gerichtet bin als anderes waches, so und so aktives Ich,
10 und natürlich aktiv in bezug auf die gemeinsame Umwelt. Ich
bin mit ihm beschäftigt in der Weise des expliziten Nachver
stehens seiner „Bekundungen”, der unmittelbarsten seines leib
lichen wahrnehmenden, handelnden und sonstigen Waltens und
all des Mittelbaren, worin sich eben sein „psychisches” Sein
15 bekundet, z.B. in der „Heftigkeit” der stossenden Bewegung
seines Armes und derjenigen des im Stoss Geschleuderten seine
innere Heftigkeit, seine Kraftanspannung, evtl, seine Gemüts
erregung.
Ein Besonderes ist es nun, dass ich ihn verstehe als vice versa
20 auf mich aktiv und explizit auf meine Bekundungen, auf meine
darin bekundete Aktivität gerichtet. Und wieder ein Besonderes,
dass ich ihn dabei verstehe als in besonderen Bekundungen sich
ausdrückend, dass er zugleich mich versteht als auf ihn so ex
plizit gerichtet. Er kann ja, z.B. mich in irgendeinem Interesse
25 beobachtend, meinen, dass ich das nicht merke, vielleicht, weil
ich „so tue”, als ob ich es nicht merkte — jeden Ausdruck meines
Merkens dabei eben unterdrückend.
Wie nun, wenn wechselseitige aktiv eingehende Einfühlung
hergestellt ist? D a m i t i s t n o c h k e i n e s o z i a l e E i n i -
30gung, k e i n e k o m m u n i k a t i v e , h e r g e s t e l l t , kein ak
tueller Ich-Du-Konnex, als diejenige Aktualität, die Vorausset
zung ist für die habituellen Ich-Du- und Wir-Einheiten, die
nicht ein blosses Zusammensein von Menschen in der Welt sind
und als das für mich und für andere Glieder solcher Kollektion
35 kollektiv erfahrbar sind, sondern eine personal verbundene G e
meinschaft, eine personale Vereinigung der verschiedenen mög
lichen Typen.
W as n och feh lt, ist V orhabe und W ille der K undgebung — es
feh lt der spezifische A kt der M itteilung (des Sich-m itteilens),
TEXT NR. 29 473
der Andere dazu sagt, ich verstehe, auf die Anrede etw a nur
höflich reagiert m it „ b itte ” und dgl.
1ch-Du-Deckung
D as W esentliche ist, dass ich als gew isse A kte, und hier zu-
5 nächst als A k te der M itteilung, V ollziehender in eine solche q u a s i-
D eckung m it dem anderen Ich trete, dass es a l s ak tvollzieh en
des, als w ach fungierendes Ich m it dem m einen sich d e c k t . Oder
deutlicher: A k te v ollzieh e ich nicht nur und werde nicht nur von
dem A nderen als A k te vollziehend verstanden, sondern m ein
10 A ktvollzu g m otiviert in ihm einen gew issen M itvollzug, A kte
des die M itteilung A ufnehm ens, auf das A bsehen der M itteilung
E ingehens. In A nrede und A ufnahm e der A nrede kom m en Ich
und anderes Ich zu einer ersten E inigung. Ich bin n ich t nur
für m ich, und der Andere ist nicht m ir gegenüber als Anderer,
15 sondern der A ndere ist m ein D u, und redend, zuhörend, gegen
redend bilden wir schon ein Wir, das in besonderer W eise ver
einigt, vergem ein sch aftet ist.
Aber d am it haben wir noch nicht R ücksicht genom m en auf
den Inhalt der M itteilung. Sie h at ja jew eils in sich als Inhalt
20 m ein A bsehen, den A nderen zu einem gew issen A ktverh alten zu
bestim m en, w obei dieses A ktverh alten eben durch die M itteilung
als ihr G ehalt kundgetan wird. D ie M itteilung zuhörend über
nehm en ist noch nicht den W unsch oder W illen in dem Sinne
der E rfüllung ü b ern eh m en ; der A ndere kann sich diesem W illen
25 auch versagen. Im einen F alle stim m t der A ndere m ir zu, verhält
er sich innerlich bejahend, im anderen F alle ablehnend, dagegen
stim m end, verneinend. D as „antw ortende” V erhalten, z.B . die
Bejahung, fin d et entw eder bloss A usdruck der A ppräsentation,
oder einen m itteilen d en A usdruck in norm aler, sprachlicher A nt-
30 w ort, als p rädikative B ejahung bzw . V erneinung oder auch als
M odalität: ich bin unentschieden, oder, ich werde es vielleicht
tu n etc. In jedem Falle ist dabei in der Ich-D u-G em einschaft
Ich als Ich gew isser A k te und anderes Ich als Ich gew isser korre-
later A kte verbunden, beide Ich in einer Ich d eck u ng als wie
35 ein D oppel-ich, von dem zusam m enstim m ende und n ich t zusam
m enstim m ende A k te ausstrahlen. So w ie ein Ich m it sich selbst
in Streit kom m en kann, so kann in dieser D eck u ng ein Ich m it
TEXT NR. 29 477
1 Aber das wichtige Problem des Unterschiedes von tierischer Mitteilung und
Sprache!
TEXT NR. 29 479
heit jeder Person auf ihren Leib. Ebenso ist das Sein in der Welt
anthropologisch ausschliesslich gemeint (mag auch jede Reflexion
der Geisteswissenschaftler darüber in das Vorurteil des Natura
lismus ausarten) als i n t e n t i o n a l e B e z o g e n h e i t de r
5 S u b j e k t e aufeinander und auf die sonstige Welt.
Die Anthropologie umfasst alles Naturerfahren, alles Natur
meinen, alles Naturerkennen, ob nun das des einzelnen Menschen
oder das des vergemeinschafteten und im besonderen wissen
schaftlich vergemeinschafteten Menschen, natürlich das unechte
10 und echte, das uneinsichtige und einsichtige, das Erkennen
in allen seinen Relativitäten der Echtheit der Bewahrheitung
(diein dieser Relativität Einsicht heisst), und so in der Relativität
fortschreitend sich vervollkommnende Naturwissenschaft der Na
turwissenschaftlergenerationen in ihrer eigenartigen Vergemein-
15 schaftung. So umfasst sie also von den naturwissenschaftlichen
Personalitäten her alle gewordenen und verharrenden wissen
schaftlichen Gebilde, die naturwissenschaftlichen Wahrheiten,
Theorien. Dabei sind eben diese Menschen als Personen thema
tisch im universalen Thema Menschheit überhaupt als univer-
20 saler menschlicher Personalität, und Menschen können gar nicht
thematisch sein, ohne dass ihr intentionales Leben, ihr Vorstellen,
Denken, Fühlen, Handeln, thematisch wird ■— und so ihre Lei
stungsgebilde.
W as unterscheidet nun die naturalistische E instellung von der
25 anthropologischen (geistesw issenschaftlichen) ? D er N aturw issen
sch aftler hat die N atur, u nd rein sie selbst, zum T hem a und nicht
den M enschen, w eder den M enschen überhaupt noch den N atur
erkennenden M enschen.
Nichts kann für wen immer, kann für welche Gemeinschaft
30 immer sich selbst als seiend zeigen und ausweisen, es sei denn in
der Weise eines darauf Gerichtetseins und erkennend Fungierens
der erkennenden Subjektivität, und so, dass sie dabei von dem
betreffenden Seienden, aber nichts von sich selbst als erkennender
und ihren Erkenntnisweisen erfährt, in den thematischen, er-
35 kennenden Griff bekommt. Nur wenn universal-anthropologisch
die menschliche Person thematisch gemacht wird, ist auch das
erkennende Thematisieren und alles fungierende Ichliche über
haupt in das Thema einbezogen wie alles sonstige ichliche Fun
gieren. Sie ist zwar in jedem einzelnen Akte und bei jedem be-
TEXT NR. 30 483
mung, der Seinsgeltung des Anderen mit seiner für ihn (aber
nicht für mich) primordialen Geltung. Für mich ist er im Modus
Anderer geltend, und seine Primordialität in dem Modus des
„Anderen”, einfühlungsmässig vergegenwärtigt.
Ich ist dieses selbst erfahrbar. Es ist also immer das Ich objektiv
als Menschen-Ich, das ist als leibliches, im objektiven körper
lichen Leib waltendes, erfahren, und von da aus jedes als Ich
seiner sonstigen Welt, zunächst seiner Aussenwelt. Die Welt ist
5 für jedermann notwendig als Ich-Mensch-Aussenwelt erfahren,
aber durch diese Relativität der Gegebenheitsweise ist erfahren
die Welt als dieselbe, die sich jedem orientiert um seinen Leib
darstellen muss. Jedes Weltliche hat Sinn als Weltüch-Objektives
natürlich dadurch, dass es den Horizontsinn hat des von mir aus
10 Identifizierbaren aller meiner möglichen Erfahrungen und aller
möglichen Erfahrungen der für mich erfahrbaren Anderen, und
in allen Mittelbarkeiten der Bekanntheit und Unbekanntheiten,
desgleichen erstreckt über die Zeit, die selbst als objektive Zeit
die subjektiven Zeiten aller für mich je Seienden (allzeitlich)
15 durch Vergemeinschaftung einigt.
Unwillkürlich spricht man in der konstitutiven Auslegung in
der Sprache einer Genesis, obschon, wenn die Welt als immerzu
vorgegebene Welt ausgelegt und die Seinsordnung, die darin als
konstitutiv vorgebildete, herausgestellt wird, zunächst nicht von
20 einer ernstlichen Genesis die Rede ist und sein kann.1 Aber jede
intentionale Modifikation verweist auf eine Genesis, trägt in sich
selbst den Sinn einer solchen. Habe ich Welt, so habe ich Erin
nerungen, Vergegenwärtigungen jeder Art und habe dadurch Be
wusstsein von Vergangenheit, Zukunft, von meiner und Anderer
25 etc. Aber Erinnerung hat in sich den Sinn einer Genesis, ebenso
Erwartung, Einfühlung usw. Aber es ist schwierig, die echten
Probleme der transzendentalen faktischen Genesis und einer
universalen Genesis zu gewinnen, in der für mich Welt als für mich
seiende wird und zugleich als inständiger intersubjektiver— all-
30 menschlich objektivierter —• Genesis wird, oder vielmehr i n in -
f in i tu m fortdauernde ist, indem sie fortdauernd konstituiert wird.
1 Nein, so ist das inkorrekt. Das konstitutive Wenn niederer Stufe ist stets Durch
gang für das So. Einfühlung in ihrer Fundierung setzt eben die primordiale Leiblich
keit voraus — also als konstitutiven Durchgang!
494 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
von als implizit als seiend Mitgeltendem ist ein weiterer und
immer weiterer Horizont von Realien, schon bekannten oder
unbekannten und noch inhaltlich völlig unbestimmten, und zu
diesem Horizont gehört offenbar das korrelativ mitantizipierte
5 Bewusstsein der Vermöglichkeit einer endlos fortschreitenden
Erfahrung. Und das betrifft schon das Sein der jetzt faktisch
wahrgenommenen Dinge und evtl, der jetzt faktisch als vergan
gen erinnerten Dinge und dgl. Denn jedes für sich selbst in seiner
Einstimmigkeit verweist auf mögliche allseitige Erfahrung, und
10 jedes als Ding in einer gewissen Ferngegebenheit auf Mannig
faltigkeiten möglicher anderer Ferngegebenheiten, so wie zudem
alle Erfahrungsferne auf einen typischen Gang möglicher Er
fahrung verweist, die in konsequenter Vervollkommnung der
Erfahrung auf eine optimale Sphäre der Nähe verweist.
15 Versuche ich nun weiterzudringen, und zwar über mein Wahr
nehmungsfeld als das der originalen Weltgegenwart hinaus, um
das Unwahrgenommene, aber weltlich Mitgegenwärtige zu er
reichen, so wandere ich in möglichen Erfahrungen und allseitig
in den Raum hinaus, und er bezeichnet ein offen endloses Feld
20 von Möglichkeiten, unbekannten, unbestimmten Möglichkeiten,
einen vieldeutigen Horizont, einen Spielraum von möglichen,
in der Raumform simultan seienden Realien. Jede dieser mög
lichen Simultaneitäten käme mir zur Wahrnehmung in Gegeben
heitsweisen der Orientierung, im Fortschreiten von orientiertem
25 Wahrnehmungsfeld zu orientiertem Wahrnehmungsfeld, sich in
näher zu untersuchenden Weisen synthetisch verbindend, wenn
alles in diesem Wandel als wahrnehmungsmässig seiend Erfah
rene und sich in seiner Einzelnheit und seinen Zusammenhängen
vielfältig gewandelt Darstellende in sich und mit allem sonst als
30 geltend Erfahrenen und Bewährten zusammenstimmen soll.
In diesem Gang von Wahrnehmung zu Wahrnehmung, von
wahrnehmbaren Einzelrealitäten zu wahrnehmbaren Einzelreali
täten in der Einheit synthetischen Wahrnehmens halte ich mich
in einer Wahrnehmungskontinuität, und frage ich mich, wie ich
35 kontinuierliches Wahrnehmen zustande bringe, so lautet die
erste Antwort: 1 Unwillkürlich richte ich mich erst auf die Körper,
leiblich waltend, „sinnlich” erfahrend, wozu wesensmässig ge-
meine ästhetische res extensa ist aber nicht der objektive Körper
des Realen der Welt, die das Universum des Seienden für „jeder
mann” ist. Jedes sinnliche Ding für mich in seinem Verharren
in UnVeränderung und Veränderung, jedes Miteinander von
5 solchen verharrenden Dingen in ihren Verhältnissen sinnlich er
fahrbarer Kausalität, h a t s e i n e n ü b e r s i n n l i c h e n H o r i
z o n t , der ihm erst reale Bedeutung gibt, nämlich eine Bedeu
tung, die auf die offene Unendlichkeit und in dieser Unendlich
keit <auf> die Allheit der Mitsubjekte verweist, als solcher, mit
10 denen ich (der leiblich Erfahrende und in dieser Vermöglichkeit
das Ding als das identische vermöglich zu durchlaufender
sinnlicher Erfahrung Besitzende) in Gemeinschaft möglicher Er
fahrung stehe. In der Einheit meines eigenen intentionalen
Lebens habe ich ständig mein eigenes Sein bewusst, meinen Leib
15 und mein Sinnliches ausser mir apperzeptiv gegeben, das ist
bewusst als einstimmig bewährte und bewährbare Einheit von
Nah- und Fernerscheinungen, von visuellen Perspektiven, von
taktuellen, akustischen usw. Erscheinungsweisen. Alle diese Er
scheinungen habe ich als Erscheinungen bewusst, und wo ich
20 irgendwelche aktuell habe, wie im aktuellen Sehen, da habe ich
sie einerseits in Beziehung auf eine gewisse mir (in anderer'Weise
original) bewusste kinästhetische Situation, andererseits mit
einem Geltungshorizont, dem vermöglich herzustellender, und
wenn ich mag und nicht gerade gehemmt bin, also dann frei
25 wirklich zu erzeugender weiterer Erscheinungen von einem ver
trauten Stile. Diesen St i l , die Horizontstruktur, kann ich jeder
zeit auch in vorverbildlichendem Durchlaufen der vorgezeichne
ten möglichen Erscheinungen anschaulich machen. Bin ich des
sinnlichen Objektes, wie eben in normaler Wahrnehmung, gewiss,
30 so habe ich darin Freiheit, aber auch Bindung an eine Systematik
der Erscheinungen, welche einen Spielraum für die verschiedenen
systematischen Möglichkeiten des Erfahrungsfortgangs umzeich
nen: eine dieser Möglichkeiten „muss" durchlaufen sein, wenn
Erfahrung wirklich betätigt wird. Über das alles verfüge ich.
35 Nun habe ich im Bereich meines Bewusstseinslebens und seiner
Vermöglichkeit (Potentialität), sofern ich immer schon von An
deren weiss, menschliche Subjekte wie ich. Sofern ich eben das
Ich bin, das in der Welthabe ist, werde ich nun sagen müssen:
All das, was m ir sinnliche Wahrnehmung ergibt und was ihr
TEXT NR. 30 501
uns Menschen, eben des Seins für mich und alle meine Genossen,
für uns, die mit mir und miteinander die Allgemeinschaft „wir
Menschen” bilden. D i e s e I s t - S p h ä r e i s t di e des A u s s a g
b a r e n , o b s c h o n n i c h t A u s g e s a g t e n . Sie ist äquivalent
5 mit meiner und unserer Sphäre des möglicherweise Erfahrbaren,
des auf Grund der Erfahrung Denkbaren, Erkennbaren und dann
eben in Wahrheit Aussagbaren, wir könnten auch beifügen, des in
Falschheit Aussagbaren, des zu Bezweifelnden, des zu Vermu
tenden, des zu Befragenden — diese Modalitäten gehören schon
10 zur Erfahrung. Das Reich wirklicher und möglicher Erfahrung
ist zu verstehen, und das ist der normale Sinn, als das des (ideell)
einstimmig Erfahrbaren oder auch des bald einstimmig, bald
unstimmig Erfahrbaren. Im einen Falle ist es in der Erfahrung
in Einstimmigkeit verharrender Seinsgeltung, ist es in der Ein-
15 stimmigkeitssynthesis der betreffenden Erfahrungen als Identi
sches in Seinsgeltung; im anderen Falle ist es in einzelnen Er
fahrungen, in ihrer Strecke der kontinuierlichen Einstimmigkeit
und gruppenweise in ihren Zusammenstimmungen Identisches
in identifizierend sich bewährender Seinsgeltung, aber diese
20 Seinsgeltung wird gebrochen, verliert ihren Modus schlichter
Gewissheit vermöge der synthetischen Widerspannung der nicht
zusammenstimmenden, der einander ihre Seinsgeltung bestrei
tenden, mit all den hier möglichen Sondervorkommnissen der
Modalisierung.
rung als der von ihrem Seienden (in ihr in Seinsgeltung als es
selbst Bewussten) eine Aufstufung. Das, was da „ist”, das „Sei
ende", zeigt in der Explikation, was es in Sonderheit ist. Die
Sondererfahrungen sind fundiert, so in der Erfahrung des Dinges
5 die Erfahrung „seiner” Gestalt, seiner Färbung etc. Die Expli
kation rechnen wir in der Rede von schlichter Erfahrung m it; sie
ist schlichtes Sich-richten-auf und dann vielstrahlig explizieren
des Weitergehen. Die vielen Strahlen sind einig, als ein und das
selbe Seiende, das fortgesetzt das intendierte Es-selbst ist, aus-
10 legend. Natürlich schliesst das nicht aus, dass ein besonderes
Interesse ausschliesslich ein Sondermoment bevorzugt, wie wenn
ein Gegenstand nur um seiner Farbe willen interessiert. Der
gleichen „Interessen”, welche immer sei es das Ding oder diese
und jene Bestimmungen betreffen, seien hier ausser Frage. Aber
15 wichtig ist, dass zu jeder schlichten Erfahrung ihr „Seiendes”
schlechthin, ih r S u b s t r a t gehört, und dass sie als ihre er
fahrende Intention auswirkend dieses Substrat expliziert in fun
dierten Sondererfahrungen mit den darin sich selbst zeigenden
Sondermomenten des Substrates, denen, worin es ist.
20 Jede Erfahrung überhaupt ist auf Substrate bezogen. Wir
werden bald unterscheiden lernen1 zwischen Substraten schlichter
Erfahrungen und denen fundierter Erfahrungen und korrelativ
zwischen Explikaten der einen und anderen Substrate; <wir wer
den > also auch in übertragenem Sinne von schlichten und nicht
25 schlichten eigenschaftlichen Erfahrungen sprechen müssen. Das
schlichte Substrat hat schlichte, seiner Schlichtheit wesensmässig
zugehörige Bestimmungen. Jede schlichte Erfahrung, bzw. jede
mit dem Seinssinn eines schlichten Substrates, ist sinnliche Erfah
rung. Das seiende Substrat (rein mit dem Seinssinn der Erfahrung
30 seiend) ist Körper, in Einstimmigkeit der Erfahrung sich bewäh
rend und als das als wahrhaft seiend geltender Körper. Univer
sale sinnliche Erfahrung in universaler Einstimmigkeit gedacht,
hat eine Seinseinheit, eine Einheit höherer Ordnung; das Seiende
dieser universalen Erfahrung ist die A l l n a t u r , das Universum
35 aller Körper. Offenbar ist die Allnatur nicht substrathaft erfah
ren in einer schlichten Erfahrung, also nicht sich schlicht aus
legend in Substratmomente, in „Eigenschaften”. Die Erfahrung
Mehrheit, die alle Körper, und eben damit alle erfahrbaren Son
dermehrheiten in sich begreifende.
BEILA G E XXX
BESCHÄFTIGUNG MIT SACHEN — BESCHÄFTIGUNG
5 MIT MENSCHEN (ALS WIE MIT SACHEN UND ALS MENSCHEN).
KONNEX — H EM M UN G, ZWANG, W IL L E N SE IN ST IM M IG K E IT ,
S T R E IT
(November 1932)
Wir in der Welt, die die unsere ist — unsere Lebensumwelt. Welt
10 haben und personal in der Welt sein, mit der Welt beschäftigt sein.
Welt haben, für mich ist Welt, sie ist für mich als Welt mit Anderen,
für die selbst Welt, dieselbe Welt, ist. Ich und jeder andere ist be
schäftigt, jeder mit dem Seinen, jeder in seinen Interessen als Inter
essen an dem und jenem Weltlichen, das gerade ihn interessiert. Ver-
15 einigtes Beschäftigtsein, vereinigte Personen, vereinigt in Interessen
und Beschäftigungen. Ich beschäftige mich mit „Dingen” — sie ken
nenlernen (evtl, bloss dafür interessiert, wie sie sind, und, wenn in
einem weiteren Interessenzusammenhang, so „rein theoretisch”, wie
sie in Wahrheit sind und im Gesamtzusammenhang des wahren Seins
20 sind), sie fühlend zu werten, beschäftigt mit ihnen in Gefallen und
Missfallen, in Lust hingegeben, in Unlust abgestossen: ferner sie prak
tisch erwägend und praktisch umgestaltend nach Zwecken, praktisch
verwendend für Zwecke.
Ich beschäftige mich mit Menschen: sie kennenlernen (evtl, als im
25 blossen Interesse, wie sie sind, oder in wissenschaftlichem Interesse an
ihrem wahren Sein), fühlend mit ihnen beschäftigt, ihr Sosein genies
send, in Lust und Unlust. Praktisch mit ihnen beschäftigt — als wie
m it Sachen. Ich will ihr Anderssein, ich will verändernd sie behan
deln, verändernd im selben weiten Sinn wie für Dinge. Z.B., sie sollen
30 nicht hier, sondern woanders sein, sie sollen nicht „qualitativ” so,
sondern anders sein, nach dem also, was ihr raumzeitliches Was-sein aus
macht. Sie sollen nicht sein; so wie ich Dinge als die ihres Typus nicht
bloss gelegentlich ändern will, innerhalb dieses Typus, in dem ich sie,
wo ich normalerweise von Veränderung im Leben spreche, festhalte
35 (z.B. den Bleistift, den ich spitze, das Papier, das ich zurechtschneide),
<sondern> wie ich mitunter die betreffende Sache „zerstöre”, z.B.
das Papier zerreisse und wegwerfe. Natürlich handelt es sich da in der
Regel um Zweckobjekte. So kann ich einen Menschen töten wollen. Als
Reales der Region Mensch ist er dann nicht mehr in der Welt vorhan-
40 den. Der Mensch steht mir physisch im Wege, ich will gerade ein Ding
durch den Raum bewegen, in dem er ist. Er soll sich wegbewegen oder
BEILAGE XXX 509
er wird, wenn er es nicht kann, wie ein Holzklotz weggetragen etc. Der
Mensch hemmt mich, stört meine Kreise, steht meinen Absichten im
Wege in g e i s t i g e r Hi ns i c ht . Ich überrede ihn, ich einige mich
mit ihm, dass er mir Freiheit gibt, nachgibt. Hier „einige” ich mich mit
5 ihm, aber ich ve re i ne mich nicht zu gemeinsamen Zwecktätigkeiten
in der Einheit eines gemeinsamen Zweckes. Evtl, liegt die Einigung
darin, dass ich seinen Zweck fördere und er dafür den meinen und
umgekehrt. In gewisser Weise nimmt er dann an meinem Zweck, und
ich an seinem, teil — soweit nur als es nötig ist, um nicht gestört zu
10 sein. Will er nicht, so brauche ich evtl. Gewalt, ich zwinge ihn. Was
macht den Zwang? Seinem Tun Hemmungen auferlegen, die er nicht
überwinden kann, aber innerhalb der personalen Gemeinschaft, des
füreinander bewusstseinsmässig Seins. Es ist ein willentliches gegen
einander Gerichtetsein in der „Deckung”, der aktuellen und habituellen.
15 Es ist das Negativum der positiven Vereinigung in den Wollungen,
Willensgerichtetheiten.
Positive Einstimmigkeit im miteinander Erfahren, Fühlen, Denken,
Planen, Wollen, Handeln. Sympathie. Aber im Wollen, im Willen des
Anderen auch wollen und nicht bloss sympathisieren. Äusserster Fall:
20 sich ganz und gar in den Dienst des Anderen freiwillig stellen. Anti
pathie. Dann aber in der Gemeinschaft Willensuneinigkeit. Nicht
wollen, was er will, besagt nicht, überhaupt nicht wollen (privativ),
was er will. Er will, dass etwas sei oder so sei, ich will, dass es nicht sei,
nicht so sei. Aber auch das sagt nicht eindeutig, um was es sich hier
25 dreht. Dazu gehört nicht das Miteinandersein der Vergemeinschaftung.
Das, was er will, ist sein Willensziel und hat als das für ihn seinen
Seinssinn. In der Vergemeinschaftung mit ihm richtet sich mein Wol
len gegen sein Willensziel als solches. Es ist ein negativer Wille, Wille
gegen sein Ziel, und darin liegt ein in der Vergemeinschaftung gegen
30 ihn als Person Gestelltsein. Es ist also nicht bloss mein Wille, dass das
nicht sei, nicht werde, eintrete, was er im Absehen hat, sondern (viel
leicht aus dem Grund, weil ich allerdings diesen Willen habe), sowie ich
dessen innewerde, dass es eintreten würde, wenn sein Wille ungehemmt
es realisiert, nun darum mich gegen ihn stelle, gegen dieses Eintreten
35 aus seinem Willen, oder wie wir einfach sagen, gegen seinen Willen.
Wir richten uns gegen das von ihm Gewollte als solches, gegen den
„Willenssatz”, der sein stiftendes Subjekt in ihm hat.
So auch im urteilenden Streiten. Ich wende mich gegen die Aussage,
den Urteilssatz als den des Anderen, ihn ablehnend, und wende mich
40 damit gegen ihn. Aber so ist es bei allen Sätzen, bei aller Unstimmig
keit, auch der mit mir selbst. So, wenn ich mich erinnere und mit
meinem vergangenen „Erfahrungssatz” nicht „sympathisiere”, also
-gegen mein vergangenes Ich-nehme-wahr und so implicüe gegen mich
selbst als das Ich in der Erinnerung mich wende, und wieder, wenn ich
45 gegen den Anderen als Wahmehmenden Stellung nehme, merkend,
dass er (wie ich meine) einer Illusion unterliege. Freilich ist das wieder
eine Unterstufe, und zwar wenn ich z.B. auf Grund gemeinsamen Seins
510 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
(also da sind wir einig) im Wollen eine andere Stellung nehme als er
und damit gegen ihn.
Nun ist im Fall des Willensstreites in der Vergemeinschaftung in
Frage die „Macht ”. In der Deckung ist es z.B. so, dass ich gegen
5 seinen Willen, seine Absicht mich in meinem Willen wende, aber er tut
doch, und ich kann es nicht hindern. Er verhindert mein Tun, mein
leibliches, indem er mich leiblich bindet oder mich mit dem Tod be
droht, oder er zwingt mich, indem er mir geistig Böses zuzufügen
droht, das ich nicht verhindern könnte, als was über meinem Vermögen
10 wäre. Indem er so sich verhält, kann es sein, dass mein negativer Wille
als das verbleibt — als ohnmächtiger Wille. Es kann auch sein, dass
ich mich füge, meinem negativen Willen, meinem Willen wider ihn,
entsage. Ja, er kann mich evtl, zwingen, meinem gesamten Wollen als
selbsteigenem zu entsagen, um ihm zu Dienste zu sein. Ich werde zum
15 Sklaven, und dann kann ich es sein im entsagenden Willen, im mich
bloss Fügen und ihm in allem zu Willen Sein, ihn in meinem Wollen
wollen zu lassen, oder ich kann seinen Willen in der Weise ganz in mich
aufnehmen, dass ich nicht mehr bloss um des Zwanges willen ihm diene,
sondern der bezwungene Wille zum freien Willen wird, ohne noch gegen
20 ihn mich innerlich „aufzubäumen”.
BEILAGE X X XI
PERSONALES LEBEN. SOZIALE VERBINDUNG AUS .
WILLENTLICHER STIFTUNG — AUS INSTINKT — AUS
SYMPATHIE. DAS TEILNEHMEN („SYM PATHIE” )
25 (November 1932)
sich betätigend als socius, als Funktionär. Hier ist wohl auch noch ein
Unterschied: Ich arbeite z.B. als Wissenschaftler für mich, ohne an
mein „wissenschaftliches Publikum” zu denken, an die Gemeinschaft,
in der ich arbeite, mit der ich zusammenarbeite, wozu die wechselseitige
5 Kritik gehört, das sich durch Ergebnisse der Anderen Bestimmtsein
lassen, es kritisch anzunehmen oder abzuwandeln, sich an sie Richten
und sie zur Anerkennung Motivieren etc. Arbeite ich für mich allein,
so hat für mich diese Arbeit doch den sozialen wissenschaftlichen Sinn.
Anders ist es, wenn ich bewusst mich mit Anderen auseinandersetze,
10 evtl, auch unmittelbar in einem wissenschaftlichen Kongress vor An
deren meine Ergebnisse vertrete etc. Es ist eine verschiedene soziale
Betätigung, „im Dienst” eines Vereins oder als Angestellter im Dienst
des Herrn zu arbeiten oder in einer Vereinssitzung bzw. in einer aktu
ellen Besprechung oder sonstigen Zusammenarbeit mit dem Genossen
15 <zu>stehen. In solchen Fällen bin ich in der a k t u e l l e n Wir-Ein-
Stellung.
Es ist zu beachten, dass ich dabei nicht nur die Andern als mit da
erfahre oder von den Anderen als Mitseienden „weiss”, als mit in der
Welt seiende aktuell bewusst in der Form einer doxischen Gewissheit,
20 sondern ich bin als Ich, als Zentrum, als Vollzugssubjekt meiner Akti
vität mit den Anderen als Subjekten ihrer Aktivität Vollzugs-
mäs s i g verbunden. Ich bin in ihm, er ist in mir aktiv, ich arbeite
in seinem Arbeiten, er in meinem. Als Liebender in der Liebesge-
meinschaft (Freundschaft), und zwar in meiner Aktualität, betrach-
25 te ich (ich, der liebend Betrachtende, der liebend auf ihn, in ihn Ein
gehende) ihn nicht nur als so und so Lebenden, er ist nicht nur als das
in meinem Seinsfeld, sondern ich lebe in seinem Leben, ich lebe es mit,
und auch ich bin für ihn evtl. Mitlebender nicht nur von aussen, son
dern sein Mitleben umfasst mein Mitleben.
30 Doch haben wir nicht von der verbundenen Sozialität in der Wech
selseitigkeit der Vergemeinschaftung die einseitige zu unterscheiden ?
Nun gewiss, das ist die „Einfühlung” selbst: In der Motivation, durch
die der Andere mir bewusst wird, bin ich in Deckung mit ihm, mein
einfühlendes Leben ist quasi in ihm Leben, Mittun, Mitleiden, darunter
35 Mitwahrnehmen, Mitmeinen etc. Aber es gehört zur Einfühlung nur
eine Grundschichte wirklich aktiven Mitlebens, Mitaktivseins in ihm,
darunter die Schichte, wodurch wir eine gemeinsame Umwelt haben,
ich dieselbe wie er, und er wie ich (ohne sozialen Konnex).1 Aber ich
habe als praktisches Ich meine Ziele, er hat die seinen, ich will, was
40 ich will, und nicht das, was er will, und darin „verstehe” ich ihn, aber
ich übernehme nicht, wenn ich bloss Einfühlung vollziehe, ich lebe
nicht sein Leben (aktives Verhalten) als wertendes, als praktisches
mit; auch nicht, wenn ich ihn als Denkenden nachverstehe, so ohne
weiteres sein Denkleben, sein urteilendes, schliessendes usw. Tue ich
das, so kann das geschehen in Form der Sympathie, aber auch des
liebenden und hassenden Mitgehens mit ihm in ihm.
5 Wie hinsichtlich des Mitwollens? Auch da kann es sein, dass ich
(während doch kein wechselseitiger Konnex hergestellt ist und er viel
leicht von meinem Dasein gar nichts gemerkt hat) dazu komme, in
ihm und seinem Willen zu wollen. Ich werde dessen inne, dass er gerade
dabei ist, ein ihm widerwärtiges Tier zu töten. Ich übernehme seine
10 Abscheu, oder das Tier erblickend empfinde ich alsbald ebenfalls Ab
scheu. Sein von dem Tier motiviertes Tun geht mir ein, damit sympa
thisierend will ich mit, so wie ich mitfühle, so begehre und will ich mit.
Ich handle nicht selbst, ich müsste erst hingehen und zugreifen, er ist
schon im Zugreifen, im Handeln. Ich wünsche nicht nur, dass das Tier
15 tot wäre, und sehe zu, sondern, indem er so tut, realisiert sich mein
Wunsch als sein Wille, worin ich teilnehme mitwollend. Freilich ist
dieses Mitwollen nicht Wollen im gewöhnlichen Sinn. Es ist „Wil-
l e n s s y m p a t h i e ”. Fühlend, begehrend, wollend kann ich ,.teil
n e h m e n ”. Mitgefühl, Mitbegehren, Mitwollen <ist> nicht einfach als
20 mein Fühlen etc., das mit dem des Anderen parallel läuft, und ebenso
nicht im blossen Innesein dieses Zusammentreffens in der Fühlens-
weise etc. Wenn ich im Gespräch dessen innewerde, dass mein Partner
sich gleich verhält wie ich, oder im Schauspiel meinem Nachbarn die
gleiche Gemütsbewegung ansehe, so ist das nicht diese „Teilnahme”,
25 nicht dieses Mitfühlen mit dem Fühlen des Anderen.
Im Mitfühlen bin ich als Ich versunken im Anderen und seinem Füh
len, mitlebend, mitfühlend. Ich bin als Person nicht auf die andere
Person als Gegenstand gerichtet, gerichtet bin ich auf das, worauf sie
als sich so und so verhaltende Person gerichtet ist. Dabei bin ich in sie
30 versunken, in Deckung mit ihr in der Bewusstseinshabe derselben Um
welt und in der ichlichen Richtung auf „dieselben” thematischen Ge
genstände; aber als Teilnehmender bin ich mit dem einfühlungsmässig
vergegenwärtigten Ich in Deckung, d.i., in seinem Fühlen, Begehren,
Wollen Mitfühlender, Mitbegehrender, Mitwollender. Auf mich bin ich
35 dabei überhaupt nicht gerichtet, wie wenn ich reflexiv meine Teilnah
me ausspreche. Ich verhalte mich im Modus der Einstimmigkeit des
Mitverhaltens, dessen Gegenmodus ist, dass ich, während er etwa vor
einer Blindschleiche mit Abscheu zurückweicht, ich diese niedlich
finde und sein Tun, das nach ihr Schlagen, nicht innerlich mittue (in
40 sympathischem Mittun), sondern mit „Widerwillen” begleite. Den
Mitgefühlen, den Mitakten, Mitstellungnahmen entspricht dann Ge
gengefühl etc., ihr Negatives.
Daraus können Gefühle und Wollungen, Handeln erwachsen, die
von den Mitgefühlen zu unterscheiden sind. Das sympathische Mit-
45 leiden (die Teilnahme) ist nicht „den Anderen Bemitleiden” derart,
dass er einem leid tut. Dann hat man sein Leid darin, dass er leidet,
was nicht sagt, dass man in ihn versunken in Deckung mit ihm fühlt,
514 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
wobei man ihn im Fühlen, ja als „mit ihm Lebender” überhaupt nicht,
zum Gegenstand, zum „Thema” hat. Aber eins geht aus dem anderen
hervor, und das ursprüngliche Bemitleiden ist danach ein fundierter
Akt (ursprünglich, nämlich nicht intentionale Abwandlung der Art
5 z.B. der konventionellen Rede, obschon einer irreal gemeinten), fun
diert im ursprünglichen und dann grundlegenden Mitfühlen.
Während all das zurecht besteht, ist andererseits auch dies richtig,
dass ständig, sowie Einfühlung am Werk ist, und dabei wie in den be
schriebenen Grundfällen des in und mit Anderen Lebens, der Andere
10 für mich „objektiv” in der raumzeitlichen Welt da ist als Mensch, wie
auch ich ständig Bewusstsein meines Daseins als Mensch in der Raum
zeitlichkeit habe, und ich wie jeder in subjektiven Modis der Orientie
rung. Es ist aber ein fundamentaler Unterschied zwischen Weltbe
wusstsein überhaupt und thematischem Bewusstsein.
15 BEILAGE XXXII
EINFÜHLUNG UND ERINNERUNG
(November-Dezember 1932)
1 Das Auftauchen als quasi „wieder” gegenwärtig. Doppeldeutig, als ob ich jetzt
BEILAGE XXXII 515
weit und eines darin Tuns, eines Erfahrens etc., das nicht das jetzt
wirkliche Ich ist, und zwar als das Ich im Erfahren, im Tun, das repro
duziertes Erfahren ist, im Charakter der Vergegenwärtigung, der das
ganze Reproduzierte durchdringt und der Aktivität den Charakter
5 der „wiederholenden” gibt.1
Ich als Ich der Gegenwart. Reproduzierend bin ich gerichtet auf das
Vergangene, auf das, was das reproduzierte Ich im Modus der Ver
gegenwärtigung quasi erfährt und fühlt, tut etc., eben das, was ich,
der mich Erinnernde, bezeichne mit den Worten: „das habe ich
10 erfahren, das habe ich getan etc.”, vermöge der Identitätseinigung
des jetzt seienden und im Jetzt die und jene Bewusstseinsweisen voll
ziehenden Ich mit dem reproduzierten. Als ersteres bin ich gerichtet,
bin tätig gerichtet auf bzw. affiziert von der gegenwärtigen Umwelt
in ihrer Erscheinungsweise, und in meiner Tätigkeit ist sie mir
15 originaliter bewusst als Umwelt im originalen subjektiven Modus
aus dieser Tätigkeit — im Modus des Wie im Worauf des Hinsehens,
Wie des Erfasstseins, des Expliziertseins, im Wie des Gewertetseins
(des Wertes), der Handlungsweise — und es steht gegenständlich vor
mir als praktisch Werdendes in seinen Handlungsstufen. Erinnere ich
20 mich, so bin ich als jetziges Ich in der Erinnerung gerichtet auf das,
worauf ich „damals” als Gegenwärtiges gerichtet war und was jetzt für
mich das Vergangene, das Erinnerte heisst.
In der Gegenwart lebend kann ich von dem, worauf ich gerichtet
bin, reflektieren auf mich selbst als Ich, wie wenn ich sage, ich erfahre,
25 ich denke usw. Ich kann auch in der Erinnerung reflektieren, also als
jetziges Ich mich richten auf mein vergangenes Ich, wobei ich aber
mittelbar und sekundär mitgerichtet bin (obschon nicht primär und
eigentlich gerichtet) auf mein gegenwärtiges Ich. Nicht übersehen
habe ich natürlich, dass, wenn ich reflexiv auf mich gerichtet bin als
30 Ich des vordem nicht reflexiven cogito, ich schon wieder ein cogito
vollziehe, auf das und dessen Ich reflektiert sein könnte usw. Das
geht natürlich auch in die Erinnerung ein.
Mich erinnernd bin ich unreflektiertes Vollzugs-Ich (auch wenn ich
eine Reflexion vollzogen habe), das vollzugsmässig gerichtet ist auf
35 das Vergangene, aber nicht auf das vergangene Vollzugs-Ich, das
nicht „thematisch” ist.
Ich bin in meiner strömenden konkreten j eweiligkeit, ich bin stän
diges Ich, aber Ich eben im strömend Jetztsein. Ständig ist mir darin
eine strömende ontische Gegenwart bewusst und in einem Kern stän-
40 dig in der Ursprünglichkeit wahmehmungsmässiger Gegenwart. Also
ich, konkret in dem ständigen Urmodus Jetzt lebend, bin ständig on-
es gegenwärtig hätte, und das ^wasi-Gegenwärtig, das Vergangenheit als meine selbst
macht.
1 Wiederholende Aktivität: die Erinnerung sei kein blosser Einfall.
516 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
1 Es scheidet sich: das vergangene, erinnerte Ich, Ichbewusstsein als passive Welt
habe in Tätigsein und Leiden, und das jetzige Ich als das sich des vergangenen er
innernde, jetzt Erinnerung habende, jetzt auf das erinnerte Ich sich beziehende etc.
Ebenso scheidet sich das jetzige Ich, konkret als das für sich gegenwärtige (das
Weltgegenwart habende in Wahrnehmung und Weltvergangenheit in Erinnerung),
das nicht nur sich als jetzt gegenwärtiges Ich bewusst habende, sondern auch als
sein vergangenes Ich bewusst habende, gegenüber eben diesem vergangenen Ich und
ebenso dem Ich als dem des gegenwärtigen Leibes der gegenwärtigen Welt.
BEILAGE XXXII 517
25 BEILAGE X X X III
<ZUR UMFINGIERUNG DES ICH UND DER WELT:
DAS PRIMAT DER WIRKLICHKEIT GEGENÜBER DER
MÖGLICHKEIT. DAS ICH IN DER SELBSTVERGEMEINSCHAFTUNG
UND SELBSTERHALTUNG >
30 (17. April 1933)
Ich bin Mensch. So finde ich mich in der natürlichen Reflexion. Als
das kann ich wesensmässig mich eidetisch abwandeln und mein mögli
ches Anderssein, aber ein Anderssein als Ich-Mensch, entwerfen. Als
Mensch bin ich faktisch Mensch in der faktischen Welt, ein Mensch
35 unter anderen Menschen und Tieren und als das wie sie alle und jedes
in seiner Weise auf Welt bewusstseinsmässig und in Habitualitäten, in
Interessen etc. bezogen. In fortschreitender Selbstabwandlung wan
delt sich die Welt in eine mögliche Welt mit möglichen Menschen und
Tieren. Jede Möglichkeitsabwandlung meiner Menschlichkeit ist ent-
40 weder mögliches Anderssein meiner als zeitlich gegenwärtig oder als
zeitlich vergangen oder künftig. Aber mich als vergangenes Menschen-
BEILAGE XXXIII 519
Ich fingieren, das heisst zugleich, mich als gegenwärtiges Ich umfin
gieren, und ebenso hinsichtlich meines Künftigseins. Desgleichen, mich
statt hier woanders und mit anderem Seinssinn fingieren, impliziert
auch, mich in räumlicher Gegenwart umfingieren usw.
5 Kann ich Welt anders umfingieren, als die sie mir ursprünglich
gegeben ist, gegenwärtige Welt, die Vergangenheit und Zukunft hat
von meiner Gegenwart aus ? Kann ich es anders tun als von meinem
menschlichen gegenwärtigen Sein aus? Und ist dann nicht evident,
dass keine Welt denkbar ist, keine in Phantasiefreiheit fingierbare, in
10 der ich mit meiner Gegenwart, obschon einer umfingierten Gegenwart
(als gegenwärtiges Ich, wie wenn ich nicht so, sondern anders wäre),
<nicht> vorkäme? Und hegt darin nicht noch mehr? Nämlich, dass
keine erdenkliche Welt sein kann denn als erdenkliche niemes faktisch
gegenwärtigen Seins — und damit ohne die faktisch wirkliche Welt ?
15 Hinsichtlich meiner und der Welt geht die Wirklichkeit jeder Möglich
keit vorher! Das überträgt sich dann auf jede mögliche Welt: Mein
darin quasi auftretendes, quasi gegenwärtiges Ich wandelt sich in
seinen möglichen Abwandlungen und geht diesen vorher, und so sind
alle möglichen Welten, die von dieser quasi faktischen aus Möglichkeiten
20 sind, gegenüber der quasi wirklichen nachkommende Möglichkeiten.
Aber alles hängt schliesslich doch an meiner und meiner Welt Fakti
zität.
Die Welt als faktische ist aber Welt meiner Erfahrung, meiner Er
fahrung mit ihren apperzeptiven Horizonten, ihren realen Möglich-
25 keiten, ihren Unbekanntheiten, unbestimmten Bestimmbarkeiten,
ihren Seinswirklichkeiten aus Antizipation vermöglicher Entschei
dung — eigener und fremder.
Da ist nun verschiedenes zu bedenken: Ich in meiner Tradition;
wesensmässig bin ich als konkretes Ich in meiner konkreten Tradition.
30 Grundformen der Traditionen — Grundformen der Vergemeinschaf
tung (in gewissem weitesten Sinn der Assoziation): 1) patente Tradi
tion, Bewusstseinsleben in Wachheit, 2) latente Tradition. Welche
Wesensgestalten beiderseits ?
ad 1) Ic h in d er S e l b s t wi e d e r h o l u n g , in der Gemein-
35 s c h a f t mi t mi r selbst. Modi der Erinnerung und der — prim
ordialen — Apperzeption: p r i m o r d i a l e p a t e n t e T r a d i t i o n .
Ich in der Gemeinschaft mit mir selbst konstituiere mich selbst als
mich identisch „selbsterhaltendes” Ich — Bewusstseinsleben als
Geltungsleben, Geltungen als habituelle Überzeugungen stiftend, in
40 deren Einstimmigkeit ich mich selbst erhalten würde.
Bewusstseinsleben als strebend intendierendes Leben auf Erwerbe
als bleibende gerichtet; Modalisierung, Zunichtewerden von Erwerben,
Bruch der Selbsterhaltung. Das Streben in höherer Stufe als Streben
nach Einstimmigkeit, nach „Überwindung” der Modalitäten, nach
45 Korrektur.
D ie Erwerbe — der Aufbau des ontischen Universums, des von mir
selbst erworbenen. Korrelation sich selbst erhaltendes Ich und meine
520 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
10 B E IL A G E X X X IV
<SUBSTRAT UND BESTIMMUNG IM ABSOLUTEN
UND RELATIVEN SINN>
(November-Dezember 1932)
schine. Das schlicht geradehin Erfassen, das hier möglich ist, geht in
der Auswirkung der erfahrenden Intention (der erfahrenden Vorhabe,
können wir auch sagen) über in die Bestimmungen der Mehrheit, in
ihre Washeiten (was es einzelweise ist). Da kommen wir unter dem
5 Titel Bestimmungen aber auf Teile, Teilmehrheiten und letztlich je
denfalls auf einzelne Körper. Natürlich nicht bloss auf das, sondern in
weiterer Folge auch auf Bestimmungen, die nicht selbst Körper sind.
Wir stossen hier auf eine neuartige F u n k t i o n s v e r ä n d e r u n g .
Absolute Substrate, in unserem Beispiel Körper, können als Bestim-
10 mungen fungieren, die Funktion von Teilen, Gliedern in Ganzen, in
Substrateinheiten höherer Stufe annehmen. Das ändert aber nichts
daran, dass sie absolute Substrate sind, sofern sie schlicht geradehin
erfahrbar, explizierbar sind. Absolute Substrate zerfallen also in
solche, die „Einheiten” von Mehrheiten sind, und solche, die selbst
15 Mehrheiten sind. Zunächst ist diese Scheidung eine relative. Sie führt
aber — in der Erfahrung — auf absolute Einheiten und Mehrheiten,
wobei die Mehrheiten selbst wieder Mehrheiten von Mehrheiten sein
können. Rückschreitend führt aber jede Mehrheit auf ihre absoluten
Einheiten, eine körperliche auf letzte Körper, die nicht mehr eine Kon-
20 figuration sind. Nicht die Rede ist hier von einer kausalen Möglich
keit, einen Körper zu zerstücken, wobei die Stücke durch kausale Ak
tivität der Teilung erst hervorgehen und nur nachher als potentiell
enthaltene Teile dem Ganzen zugesprochen werden; und erst recht
nicht ist die Rede von der ideellen Möglichkeit einer Teilung in infini-
25 tum. In der wirklichen Erfahrung gibt es keine Teilung in infinitum
und vor allem keine erfahrbare Mehrheit, die in infinitum in der fort
gehenden Erfahrung sich (etwa im Näherkommen) in immer neue
Mehrheiten auflöste.
Betrachten wir nun die Bestimmungen von absoluten Substraten,
30 so stossen wir zwar auf Bestimmungen, die selbst wieder absolute
Substrate sein können, also auf mehrheitliche Substrate (wirklich er-
erfahrbare Ganze mit Teilen, Einheiten der Mehrheiten), aber es ist
auch klar, dass j edes absolute Substrat Bestimmungen hat, die nicht
absolute Substrate sind. Die letzten Einheiten, in der Körperwelt die
35 letzten körperlichen Einheiten, haben durchaus Bestimmungen, die
nur als Bestimmungen ursprünglich erfahrbar sind, die also nur rela
tive Substrate werden können. Aber auch die mehrheitlichen Substra
te haben solche Bestimmungen, und zwar abgesehen von den Bestim
mungen ihrer Einzelkörper, die mittelbar auch ihre Bestimmungen
40 sind. Das sind offenbar die Bestimmungen, welche der Mehrheit als
Mehrheit eine Einheit geben, die im weitesten Sinne gesprochen
k o n f i g u r a t i v e n oder K o m p l e x b e s t i m m u n g e n , und von
ihnen aus alle relativen Bestimmungen, die in einer einheitlich erfahr
baren Mehrheit jedem Einzelgliede (ebenso jeder Teilmehrheit) zu-
45 wachsen als ihr In-Beziehung-sein, die adjektivischen Relativa.
So haben wir in der Erfahrungssphäre, in der Selbstgegebenheit von
Seienden als Gegenständen möglicher Erfahrung, als Grundscheidung
BEILAGE XXXIV 523
selbständig. Selbständig ist nur die Welt, sie verharrt nicht wie ein
Endliches verharrt in Beziehung auf seine äusseren Umstände.
Zur Korrektur 1
Jedes Seiende hat Substratstruktur, weist also zurück auf ein abso-
5 lutes Substrat.
In der Selbstgegebenheit ist das Substrat früher gegeben als die
Bestimmungen, und die Bestimmungen nur, wenn (eine notwendige
Genesis) das Substrat vorher gegeben ist. Jedes Substrat ist, relativ
gesprochen, schlicht gegeben (in der Selbstgebung), jede seiner Be-
10 Stimmungen nicht schlicht, das ist auf dem Wege über das Substrat.
Seiendes hat als solches ursprünglichsten Seinssinn als „Thema”, als
Ziel einer darauf gerichteten erfüllbaren Intention, als Telos eines dar
aufhin Strebens (Wollens), einer antizipierten Aktivität, die im Aktus
das Telos aktualisiert. Dazu Seiendes in Affektion, im Hintergrund,
15 im Horizont ...
Der Einheitsstrahl des auf ein Substrat gerichteten thematischen
Aktes geht auf das Substrat als in den Bestimmungen so seiend, es ist
eine e i n s t r a h l i g e I n t e n t i o n , sofern sie sich auf den Einheits
punkt (Pol) richtet, aber vorweg als Intention in eine Vielheit von
20 Strahlen auseinandergehend. Die Erfüllung zeigt die Vielstrahligkeit
als Implikation mit ihren Implikaten. So haben wir E i n h e i t , die
als E i n h e i t Vi e l he i t in sich i mpl i zi er t . Die Intention auf
Seiendes erfüllt sich in dem einheitlichen Prozess, dem synthetischen
als Aktus der Explikation, und hat in den Bestimmungsstrahlen ihre
25 Sondererfüllungen. Die Explikate sind aber an sich nicht „Themen”, im
eigentlichen Sinn Themen sind Substrate. Nur sofern ein Explikat
selbst explizierbar ist oder sofern die Substratstrahlung in den unmit
telbaren Bestimmungen nicht voll erfüllt ist, vielmehr durch die Ex-
plikatstrahlen hindurchgeht in eine zweite, höherstufige Strahlung,
30 sind die Explikate relative Themen.
Im Begriff des relativen Themas, bzw. der Nominalisierung, liegen
Schwierigkeiten: Kann nicht ein Substrat vorweg sich auslegen in
Explikate, die keine weitere Implikation in sich tragen (intentional
schon meinen), „letzte” Explikate oder absolute gegenüber „relativen
35 Explikaten” — in diesem Sinn ? Der explizierende Strahl hat im Ex
plikat sein „Ende” oder nicht sein Ende.
Aber kommt es nicht durch Assoziation zu Abhebungen und dann
durch Apperzeption zu Bereicherungen der früher primitiveren In
tentionalität, und zwar in der Weise, dass n a c h t r ä g l i c h das End-
40 explikat in eine Vielstrahligkeit übergeht, eine vielstrahlige Intention
in sich aufnimmt, zunächst als apperzeptiven Sinn ohne aktive Inten
tion, aber auf aktive zurückweisend, und dann als aktive, wodurch
das Explikat zum Substrat wird, zum aktuellen Thema.
1 Die folgenden Ausführungen wurden wohl durch die Lektüre der Notizen ver
anlasst, die wir in der Beilage X X XV wiedergeben. — Anm. d. Hrsg.
TEXT NR. 31 527
gen von ihm sich hält, von den Andern in der je ihren en t
sprechend erfahrbar ist. U n d zw ar decken sich die E rscheinungs
system e in voller Kongruenz.
Identifiziert werden die Erscheinungssysteme in der Einfüh-
5 lung und korrelativ also die Einheiten derselben: also jeweils die
selben Körper. Jeder hat denselben Körper in seiner Erscheinungs
weise, so wie ich in verschiedenen subjektiven Zeiten, während
der Körper für mich dauernder ist, denselben in verschiedenen
Erscheinungsweisen erfahre. Bleibt der Körper fortdauernd un-
10 verändert, so sehe ich denselben in derselben Erscheinungsweise
als wie der Andere, wenn ich und er entsprechende kinästhetische
Wandlungen, die der Platzvertauschung, ausführen.
Schwieriger wird die Beschreibung, wenn die Anomalität her
eingezogen wird und damit die Beziehungen der Erscheinungen
15 auf die je eigene Leiblichkeit. Aber auch da kann zunächst ge
sagt werden, „normalerweise” haben wir alle gleiche Leiblichkeit,
und jeder seine Weisen zwar, wie er gelegentlich seine Leiblich
keit anomal verändert, so dass die Systeme der Erscheinungen
Anomalien aufnehmen. Aber normalerweise wiederholt sich das
20 System mit den Möglichkeiten von Anomalien für alle gleich.
Homogeneität der Apperzeption: Auch wenn gewisse Anomalien
der Andern mir wirklich unverständlich sind, weil ich sie nie
erfahren habe, so liegt das an möglichen, aber bei meinem
Leib nicht jetzt Vorkommen den und nicht bekannten, ge-
25 schweige denn willkürlich herzustellenden „psychophysischen”
Kausalitäten, leiblichen Veränderungen, die die Erscheinungs
verläufe beeinflussen.
Jedenfalls, Körper erscheinen in bezug auf fungierende Leib
lichkeit und sind Einheiten von Erscheinungen, als diese Ein-
30 heiten, als was sie sind, nur erkennbar in Rücksicht auf das,
was wirkliche und induzierte Erscheinungen in Einstimmigkeit
ergeben würden oder ergeben. Und da kommen die Erscheinun
gen der Andern ebenso in Betracht als meine eigenen.
Die Intention auf Sein und Sosein kann sich n i c h t in
35 s e l b s t e i g e n e n Erscheinungen, wie ich sie habe und frei ver-
möglich gestalten kann, befriedigen. Von vornherein lebe ich
mit Anderen und habe meine Lebensinteressen in bezug auf die
uns gemeinsam erfahrene Welt und auf sie selbst als darin objek
tive und zugleich subjektiv mit mir im Weltleben fungierende.
528 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
an dem sie zu Modis der N och-G eltung werden, auf den die A f
fektionen hingehen, an dem die Stim m ungen gefühlt sind usw.
Ich gew inne m eine „reine” Erlebnissphäre, d ie des rein im m anen
ten Zeitstrom es. Z unächst die ström ende Erlebnisgegenw art und
5 all die V ergegenw ärtigungen von Erlebnissen, durch die für m ich
eigene E rlebniszeitlichkeit bew usst wird. Im Erlebnisstrom liegt
in ten tion al alles, worauf ich in m einen A kten gerichtet bin oder
was m ich affiziert, obschon zugleich jedes Ichliche selbst seine
W eise hat, erlebnism ässig in diesem Strom aufzutreten. In diesem
10 Strom von Erlebnissen, intentionalen Erlebnissen, B ew u sstsein s
w eisen in einem w eitesten Sinn, liegt nun auch, einzeln und in
synthetischer V erbundenheit, alles B ew u sstsein von W eltlichem
und universal v on der W elt, als w as und w ie sie für m ich —
ström end sich w andelnd in ihrem W as und W ie — i s t ; noch spe-
15 zieller gesprochen, das im w achen Leben nie abgebrochene W elt
w ahrnehm ende E rleben, b egleitet von Modis der Erinnerung (der
anschaulichen und unanschaulichen) usw ., im Erleben das darin
E rleb te als solches. D as alles (cogito und c o g ita tu m ) ist aber jetzt
ab strak tiv befreit von allen Sinnbeständen, die ich der K om m u-
20 nik ation m it A ndern „verdanke”. D iese K om m unikation b e
ste h t, w as m ich selb st anbetrifft, darin, dass ich gew isse verge
genw ärtigende E rlebnisse habe und in ihnen Seinsgeltungen v o ll
ziehe, die sich auf A ndere beziehen, durch die für m ich überhaupt
erst Andere D asein haben. Verm öge der E infühlungen w ird das
25 B ezogensein Anderer auf G egenstände m einer eigenen originalen
Erfahrung, also ihr W ahrnehm en und dgl. dieser G egenstände
m ir bew usst, und es w ird in solchem E in versteh en in Anderer er
fahrendes Leben ein Ü bernehm en ihrer G eltungen m öglich und
der dabei ihnen g elten d en Sinnbestände für m ein Erfahrungsob-
30 jek t, und zwar von B eständen, die für m ich selbst nicht bew usst
und in G eltung waren. E b en v on solchen Sinnbeständen aus der
M ittelbarkeit der einfühlenden V ergegenw ärtigung abstrahiere
ich und h alte m ich also ausschliesslich an solche, die ich entw eder
in eigentlicher Selbstdarstellung (etw a als d ie gerade „w irklich
35 w ahrgenom m ene” S eite eines D inges) h abe oder als zum G esam t
sinn dieses D inges als Seinssinnes m einer konkreten W ahrneh
m u n g so gehören, dass n ich t m it in R echnung gezogen wird, w as
n ich t für m ich zu originaler Selbstdarstellung und S elb stb estä ti
gu n g kom m en k önnte, h ä tte kom m en können usw. D och ist n ich t
530 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
1 Zu beachten: Das ist aber eine „Epoche”, wie sie in jeder Abstraktion vorliegt,
und nicht die thematische Seinsepoche von der Welt: vgl. das Spätere. Daher sind
die Ausdxucksweisen gefährlich.
2 Aber zu beachten: Die Welt ist für mich immerfort das schlechthin seiende
Universum. Dieses ist weiter der Boden auch für meine theoretischen Absichten, also
etwa die, mein Weltbewusstsein, meine Welterkenntnis zum Erkenntnisthema zu
machen und darin abstraktiv beschränkt mein primordiales.
532 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
wieder normal zu aktivieren und beides synthetisch zu verbinden. Nur so ist das
Primordiale abstrakter psychologischer Bestand der faktischen Welt. H i e r aber wird
durchgeführt eine „reine” primordiale Einstellung. In diesem Gang dachten wir
„reine” primordiale Feststellungen voran und rein im theoretischen Interesse
für das absolut gesetzte Primordiale in sich. Nachher wird die positive Ein
stellung auf die Welt betätigt, und das Primordiale wird zum abstrakten Moment in
der Welt, im konkreten Menschen, innerhalb meines psychischen Lebens: das, was
ich vom Seinssinn der Welt abstrakt „mir selbst verdanke'’ von meiner vollen „Welt
vorstellung”. Als psychologischer Erkenntnistheoretiker sage ich vielleicht mehr im
gewöhnlichen Stil, was ich von der Welt rein aus meiner primordialen Erfahrung her
erfassen und wissen kann. Umgekehrt aber muss und wird im allgemeinen voran
gehen eben dieses erkenntnistheoretische und psychologische Interesse: Ich bin und
bleibe positiv eingestellt in meinem theoretischen Interesse. Im Übergang in die
Primordialität verliere ich zeitweise die positive „Einstellung”, aber das sagt, ich
inhibiere die normale Aktivierung des konkreten positiven Interesses an meinem
menschlichen Sein und meiner Welterkenntnis, übe primordiale Aktivität allein.
Dann reaktiviere ich die anthropologische Positivität, und nun findet synthetische
Deckung statt: Das primordial Herausgestellte wird abstrakter <Teil>'an der Welt
das, was ich von ihr primordial erkennen kann.
534 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
1 Ja, das ist die Überlegung, um die Seinsvorgegebenheit der Welt als schlechthin
seiende einzuklammern. Aber universale Reflexion auf das Bewusstseinsleben, wäh
rend ich Welt schlechthin habe, ist nicht transzendentale Reflexion.
2 Die universale Reflexion auf mein reines Bewusstseinsleben und reines Sein
ergibt aber nichts anderes als meine reine Seele. Zu ihrem Bestand gehört meine
strömende Welterfahrung, und sie primordial reduzierend, gewinne ich ein primor
diales Gebiet in meiner Seele. Die Welt bleibt das Absolute, das schlechthin Seiende,
voran die Natur und in ihr mein Körper. Im universalen Durchlaufen meines Be
wusstseinslebens wird jedes Bewusstseinserlebnis, jedes Subjektive auf den seienden
Leibkörper bezogen als damit real seiend, und so universal die Bewusstseinstotalität
als seelische. Erst wenn ich Weltepoche übe, mit einem Schlage das Schlechthin-sein
von Welt ausschalte, kann ich ebenso universal mein Bewusstseinsleben, mein ego
absolut setzen.
TEXT NR. 31 535
1 Der Schluss des vorangehenden Satzes wurde von Husserl nachträglich wie folgt
verändert: „ ... so kommen wir ganz dicht an die transzendental-phänomenologische
Reduktion”. Die folgenden Sätze bis „ ... die Primordialität schon wieder über
schritten haben” (Seite 535, Zeile 20) wurden von Husserl nachträglich gestrichen.
Dazu die Bemerkung: „In Wirklichkeit ist es also nicht schon die phänomenologische
Reduktion, weil das universale Bewusstseinsleben und Welt als Korrelat, das aller
dings reflektiv zur Überschau kommt, damit noch nicht zum ausschliesslichen, selb
ständigen, zum absoluten thematischen Feld geworden ist. Da erst setzt die eigent
liche phänomenologische Epoche an. Die reine primordiale Theorie als absolute setzt
natürlich darin transzendentale EpocM hinsichtlich der Welt voraus”. — Anm. d.
Hrsg.
2 Nachträglich eingefügt: „reine”. — Anm. d. Hrsg.
3 Die folgenden Sätze bis „ ... auf das primordial reduzierte Ich als beschränktes
Thema” (Seite 536, Zeile 10) wurden von Husserl nachträglich gestrichen und
durch folgenden Text ersetzt: „Offenbar unterscheidet sich die reine primordiale
theoretische Einstellung ihrem thematischen Feld nach von der transzendental-
phänomenologischen Reduktion, aber nur, was den Umfang anbelangt. Die primor
diale Einstellung in .Reinheit’: Die Reinheit besagt gerade das Inhibieren der natür
lichen universalen Weltgeltung (Welthabe) als absoluten, letzten Geltungsboden für
536 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
alle Geltungen, sich ihm nur einfügend. Statt dessen wird das transzendental-subjek
tive Universum zum endthematischen Feld und darin beschränkt das primordiale.
Korrekterweise müssen wir sagen, dass erst durch universale transzendentale Epoche
die Möglichkeit geschaffen ist für dies ,reine’ Primordiale und seine theoretische
Thematik”. — Anm. d. Hrsg.
1 Nachträglich eingefügt: „reine”. ■— Anm. d. Hrsg.
2 Die „Abstraktion” vollzieht das Ich der transzendentalen Reflexion, und zwar
in der transzendentalen Seinssphäre.
3 Die folgenden beiden Sätze, bis Ende des Absatzes, wurden von Husserl nach
träglich gestrichen. — Anm. d. Hrsg.
4 Schon als psychologische und psychologisch-erkenntnistheoretische.
TEXT NR. 31 537
ziter Anschauung so, dass jedes dabei anschaulich Werdende in Zuordnung zum Leib
in apperzeptiver Seinsgeltung ist, auch dann, wenn ich nicht psychophysische Fest
stellungen mache. Transzendental aber ist die Natur eingeldammert, die psycho
physische Apperzeption ist selbst mit zu absoluter Setzung gekommen, und so in
jeder Reflexion, sooft sie einsetzen mag, immer als transzendentales „Bewusstsein".
Freilich, wenn ich universale reine Psychologie durchführen würde, so müsste ich
schliesslich dessen innewerden, dass das Sein der Welt von mir aus konstituiertes
Sein ist und das Ich dieses <Sein> im universalen und rein psychologischen Leben
schon beschlossen hat. Ich käme zur Verwandlung der psychologischen in phäno
menologische Reduktion und zum transzendentalen Idealismus.
1 Nachträglich eingefügt: „absolute". — Anm. d. Hrsg.
2 Nachträglich eingefügt: „schlechthin”. ■— Anm. d. Hrsg.
3 Es wird zum absoluten thematischen Universum.
TEXT NR. 31 539
zierung — die W elt. E s ist klar, dass m it der Ä nderung der naiv
natürlichen E instellung die V ollzugsw eise des W eltb ew u sst
habens, einm al die anonym e und eben dadurch ursprünghch fun
gierende, das andere Mal die them atische, reflektierte, w esentlich
5 verschieden ist, und dam it h at offenbar auch das Für-m ich-sein
der W elt und jede auf W elt bezogene T hem atik eine Änderung
erfahren.
N ich t zu übersehen ist, w as m it ah dem G esagten nahe zusam
m enhängt, dass, w as wir in der N a iv itä t „B ew u sstsein von der
10 W elt h ab en ” und „in der W elt leben ” nennen, n ich t dasselbe ist,
w as in der transzendentalen E instellung W eltbew usstseinsleben
heisst. E in m al ist es das Sein und Leben des M enschen innerhalb
<der> seienden W elt, der als seiend vorgegebenen, das Leben ist
selb st W elt Vorkommnis als psychisches des M enschen, und so
15 m einer, w en n ich von m ir spreche. D as transzendentale Leben
aber ist n ich t Leben des M enschen, sondern L eben des ego, worin
der M ensch und sein L eben in der W elt, und diese in ihrer U niver
sa litä t selb st, sein Sein k onstituiert <hat >.
Im R ückgang von der transzendentalen E in stellu n g in die
20 natürliche w ird die V ollzugsw eise der letzteren also w iederher-
gestellt. H ier ist aber ergänzend zu sagen, dass es sich um U n ter
schiede der Ich a k tiv itä t handelt, <um> die W eisen, w ie der ganze
universale B ew usstseinszusam m enhang sich w and elt und dabei
in d en A k ten , die das Ich vollzieh t, und zwar in solchen, die bei-
25 derseits auf denselben E in h eitsp ol bezogen sind, die V ollzugs
w eisen sich ändern.1 D as natürliche Ich in seinen A k ten bew egt
sich in der B indung seiner ausgebildeten H a b itu a litä t, der sich
durch d ie neuen A k te kontinuierlich fortbildenden. E s hat
seine Interessen in jew eiliger W eckung, die neuen A k te sind die
30 W eisen, ih n en durch L eistung zu dienen.12 D ahin gehört auch das
F unk tion ieren der Erinnerungsanschauungen und A nschauungen
in allen M odifizierungen der W ahrnehm ung und dam it der V er
m öglich keit, seiner selb st in seinen gew esenen und künftigen,
1 Das Ich lebt notwendig in seinen Interessen. Aber notwendig haben alle seine
Interessen in ihren Vermittlungen Einheit, und zwar die in der Beziehung auf ein für
das Ich absolutes, schlechthinniges Seinsfeld, in das alle Gebilde, verwirklichten Ziele
als seiende eingehen.
2 Das natürliche Ich, das Subjekt der natürlichen Interessen, der natürlichen Akte
und Aktleistungen, findet sich selbst im habituellen Interessenfeld als habituelle
Einheit Mensch unter Menschen. Das natürliche Leben ist Gegenwartsleben, aber
nicht das allein.
540 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
20 <§7> Paradoxien
Mich finde ich in natürlicher Einstellung als menschliches Ich,
als Ich, das in seinem Bewusstseinsleben der Welt bewusst ist,
in Erfahrung, in unanschaulichem Bewusstsein, in aktivem, pas
sivem, hintergründlichem, horizonthaftem — der Welt, die für
25 mich ist, der einzigen, die für mich Sinn hat und haben kann.
Aber ist nicht die Welt, die für mich ist, die gemeinschaftliche
Welt für uns Menschen alle? Was von mir gilt, gilt doch für jeder
mann, er hat sein Bewusstseinsleben und könnte von seiner
Menschlichkeit aus, in der er sich findet, phänomenologische
30 Reduktion üben und fände sein transzendentales ego. Ich für
mich lebe in meinem Bewusstseinsleben, aber gewinne ich, was
mir darin als weltlich bewusst wird, nicht mit Hilfe von Anderen,
durch Vergemeinschaftung meines Bewusstseins mit dem ihren,
was offenbar allgemein für jedermann gilt? Für niemand ist das,
35 was ihm als Welt gilt, ausschliesslich seine eigene Bewusstseins
leistung. Wir sind nicht nebeneinander und gesondert Welter
kenntnis gewinnend, sondern immer und notwendig im Mitein-
TEXT NR. 31 547
Ich überlege weiter: Ich habe ständig als waches Ich Bewusst
sein von der Welt, in der ich lebe, in Seinsgeltung in ihrem wech
selnden Erscheinungsgehalt. Die Welt selbst in ihrer Wahrheit
ist die in diesem Bewusstseinsleben ständig gemeinte, wirkliches
5 und mögliches Telos einer bewährenden Erkenntnis, als das Idee.
Aber wie sonderbar: in der strömenden Welterscheinung ist auch
meine Selbsterscheinung, die meines Leibes, die meiner Seele.
Unter dem letzteren Titel mein Bewusstseinsleben, als wie es
jetzt als strömendes sich zeigt, <als> Momentanerscheinung.
10 Schon da stocke ich: mein Bewusstseinsleben, als wie es sich jetzt
zeigt? Aber dieses ist es doch, das mir alles zeigt, was sich jetzt
zeigt, also die mir jetzt geltende Welt im Was ihres Bestimmungs
gehaltes und im Wie ihrer Gegebenheitsweise. Also darin den mir
erscheinenden Leib, das mir im Modus des Jetzt-strömens sich
15 zeigende Bewusstseinsleben — mein psychisches Leben. Wie kann
das Bewusstsein, worin Welt, worin Psychisches zu seinem Seins
sinn für mich kommt, selbst weltlich, selbst Psychisches sein,
selbst Einheit von Erscheinungsweisen? Demnach haben wir
auch die Frage: Die durch das Strömen meines Bewusstseins-
20 lebens hindurchgehende, sich darin als Bewährungseinheit und
evtl, theoretische Wahrheitseinheit konstituierende Idee, wie
kann sie mein eigenes Sein, das meines Bewusstseinslebens, in
seiner Wahrheit als Teilidee enthalten?
Sollen wir etwa in die naturwissenschaftliche Betrachtungs-
25 weise ausweichen und sagen: In der Welt herrscht die universale
kausale Gesetzlichkeit, der gemäss unter den betreffenden realen
Umständen mein körperlicher Leib seine physikalische Zuständ-
lichkeit hat, an die geregelt das jeweilige momentane Bewusst
seinsleben gebunden ist? Als ob nicht in diesem Bewusstseins-
30 leben allein alle Naturerkenntnis, alle physikalische und weltlich
reale Gesetzlichkeit, eben und überhaupt Welt Sinn hätte und
Seinsgeltung erhielte.
W ie 1 nun, wenn wir in die transzendentale Einstellung über
gehen? In ihr sagen wir: Ich bin transzendentales Ich eines
1 Der Schluss des vorangehenden Satzes wurde von Husserl nachträglich wie folgt
verändert: „ ... sondern Welt in EpocM, Welt als Phänomen, und durch diese Epoche
universales Bewusstseinsleben als absolutes Thema, als das, worin sie Seinssinn
ist”. — Anm. d. Hrsg.
550 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
sehe Gebilde? Ist nicht jede andere Welt, jedes mögliche an
dere An-sich, wenn überhaupt denkmöglich, unser Erkenntnis
gebilde als Möglichkeit, wenn überhaupt rechtmässig sinnvoll,
so nur rechtmässig als eine in uns gestaltete Evidenzeinheit, eine
5 Abwandlung der Welt, die wir haben? Sagen wir uns aber, alles,
was wir von einer Welt nach Existenz und nach ihrem Was,
ihrer individuellen Essenz wissen, ist eben unser Wissen, ist
seiend und soseiend als in unserem Bewusstseinsleben Sinn und
Seinsbewährung erhaltend, so dürfen wir nicht vergessen, dass
10 mein und unser Menschsein und seelisches Sein mit allem Erken
nen und Erkannten als weltlich nun universal fraglich wird, und
dass nun das Bewusstsein, worin dieses universale Fragen statt
hat und worin unser seelisches Sein Seinssinn und Seinsrecht ge
winnt, nicht das fragliche menschliche sein kann.
15 Das ist natürlich die Motivation, die zur transzendentalen
Reduktion und zur transzendentalen Forschung in ihr zwingt.
Und nur durch sie kann es verständlich werden und wird es ver
ständlich, dass im transzendentalen Innen sich die Welt der
Äusserlichkeit konstituiert, dass im allgemeinen Wesen der tran-
20 szendentalen Intentionalität schon liegt, dass das Innen und
Aussen sich nicht ausschliessen, sondern fordern. Das intentio
nale Leben in seinem Strömen ist ein ständiges Leisten durch
intentionale Modifikation mannigfaltiger Weisen. Jede inten
tionale Modifikation konstituiert ein Aussen im Innen. Es wäre
25 sinnlos z.B. zu fragen, ob die in der Erinnerung vorstellige Er
innerungsvergangenheit in Wahrheit nicht etwas ganz anderes
als Vergangenheit sei, man kann nur fragen, ob die in der vagen
Erinnerung erinnerte Vergangenheit die richtige, die durch Über
gang in die bewährende Evidenz rechtmässige sei. Erinnerung
30 trägt in sich einen Seinspol des Sinnes Vergangenheit als mög
lichen Bewährungspol. Fragen, ob dieser die Vergangenheit selbst
sei oder ob dahinter noch ein An-sich liegt, hat gar keinen Sinn.
Und so überhaupt. In der transzendentalen Aufklärung der Sy
stematik der Leistungen, in denen Welt — Welt selbst — ihren
35 Seinssinn erhält, und das heisst ihre Weltwirklichkeit, hinter der
eine andere anzusetzen sinnwidrig, widersinnig wäre, wird nun
auch verständlich, warum die psychologische Immanenz des Er
kennens und des Erkannten (sc. eines als real seiend, als mög
lich, als in Seinsmodalitäten jeder Art Erkennbaren) kein sinn-
TEXT NR. 31 555
10 BEILAGE XXXV
<DER WEG ZUR ENTDECKUNG UND THEMATISIERUNG
MEINER UND UNSERER TRANSZENDENTALEN
SUBJEKTIVITÄT >
<wohl vor dem 26. Februar 1933>
15 Zeit als Form individuellen identischen Seins. Wir alle — wir Sub
jekte — dieselbe Natur — Individualität der Körper in der körper
lichen Raumzeitlichkeit — Individualität der Subjekte. Jedes Subjekt
als Subjekt, als Ich einzig (als Subjekt, als Ich individuell), bezogen
auf je ein natural Individuelles, auf seinen körperlichen Leib. Die
20 körperliche Zeit (Raumzeit) als Individualform, Einzigkeit der raum
zeitlichen Stellen, Raum und Zeit als verbundene Form der körper
lichen, der naturalen Individuation.
Wie steht das Ich und Wir in dieser Rede zur transzendentalen
Subjektivität? Sie wird für mich und uns entdeckt und fortdauernd
25 thematisch unter dem Titel transzendental-phänomenologische Er
fahrung und Erkenntnis. Der Weg zur Entdeckung und Thematisie-
rung meiner und unserer transzendentalen Subjektivität. Der Weg der
universalen Reflexion:
Ich bin der Welt bewusst.
30 1) Ich erfahre sie; was ich als Welt in schlichtester Weise sinnlich
wahrnehme, Natur als wie ich sie wahmehme und fortdauernd wahr
nehmen kann, sie zu vollkommenster Selbstgebung bringend — für
mich. Wie ich Andere erfahre. Natur meine ich doch als Natur für alle
und in möglicher allheitlicher Einstimmigkeit und Korrektur. Die von
35 mir original erfahrene Natur ist noch nicht die Natur selbst, die
objektive. R e d u k t i o n : Was ich da wirklich wahrnehme und was ich
im wirklichen Wahrnehmen für mich einstimmig bewähre, ist in sich
selbst nicht nichts. Ich kann es rein zur Geltung bringen und als Ein
heit meiner Erscheinungen. Mich selbst rein als dieses Ich, als Ich
40 lebend, als das Erscheinungen hat, wahmehmend, mm aber auch mich
BEILAGE XXXVI 557
BEILAGE XXXVI
DIE PRIMORDIALE REDUKTION <AUFGRUND DER FRAGE
NACH DEM EIGENTLICH WAHRGENOMMENEN UND
30 WAHRNEHMBAREN >
<Anfang dreissiger Jahre >
Intentionalität, und ich finde das. Ich reflektiere, auch das ist Moment
des Lebens, als im Strömen verzeitigt — Reduktion auf Strömen und
im Strömen lebendig konstruierte Zeitlichkeit. Etc.
Konstitution von Einheit — Zeitigung. Selbstkonstitution von
5 Bewusstsein, Konstitution von Sein durch perspektivische Darstel
lung, Konstitution von Raumzeitlichkeit.
BEILAGE XXXVII
<PRIMORDIALITÄT ALS ABSOLUTE URORIGINALITÄT AUCH
DIE EINFÜHLENDEN UND VERSTEHENDEN BEW USSTSEINS-
10 W EISEN UMGREIFEND >
<Anfang dreissiger Jahre >
BEILAGE XXXVIII
< REDUKTION AUF DAS URORIGINALE IM SINNE
15 DESJENIGEN, DAS NICHT MEHR ERSCHEINUNG IST: DIE
ABSOLUTE PERZEPTION >
<Anfang dreissiger Jahre >
BEILAGE X X XIX
<ZWEIERLEI PROBLEME DES SOLIPSISMUS : >
20 1) IN MIR AUSSCHLIESSLICH KONSTITUIERTE WELT, BEDEUTET DAS
SOLIPSISMUS ? 2 ) ABSOLUT SEIENDE UND SOLITÄR .
SEIEN D E PRIMORDIALE „W ELT” . — HÖHLENWELT
(Februar oder März 1933)
Wir wissen noch nicht, was am Faktum der vorgegebenen Welt we-
25 sensmässig ist. Wenn wir dem Fundierungsaufbau nachgehen, so mö
gen wir nachher apodiktisch einsehen, dass, wenn die faktische Welt
in ihrem faktischen Wesen, d.h. zu vollkommener Selbstgebung in
einer ihrer offenen Möglichkeiten gebracht, als Exempel für freie
Variation dient, wir eine ontologische Form als Eidos einer möglichen
30 Welt überhaupt gewinnen. Wobei wir auch apodiktisch einsehen, dass
diese Welt, die wir als die einer möglichen vollkommenen Erfahrung
konstruiert haben, in der Tat frei variierbar ist, dadurch dass wir die
subjektiven Gegebenheitsweisen in der Tat frei abwandeln können im
apodiktischen Bewusstsein der freien Beliebigkeit.
35 In dieser Welt sind wir als Menschen und sind Menschen in offener
Mittelbarkeit der Vergemeinschaftung. Gehen wir dem Fundierungs
aufbau der erfahrenden Anschauung als einer systematisch zu vervoll
kommnenden nach, so hatten wir am Anfang die eigene Primordialität.
Es kann nun aber die F r a g e gestellt werden, ob nicht die primordiale
40 „Welt” als solche und nicht als Gegebenheitsschichte der intersubjek-
tiv identischen Welt, der Welt, die wir vorgegeben haben, eine Wesens
möglichkeit darstellt oder so abzuwandeln ist zu einer Wesensmöglich-
562 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
BEILAGE XL
<DAS EIGENE (PRIMORDIALE) UND DAS ALLGEMEINE. ALLE
ORIGINALEN (PRIMORDIALEN) DINGE DURCH DEN LEIB
VERMITTELT >
20 <wohl 1935>
In h a lt: Meine Lebenswelt i ) als Feld, Welt meines praktischen Lebens
und 2 ) als nachkommendes Thema, Umstellung: universale Umschau,
Überschau.
Natürliche Einstellung: Dahinleben in der Lebenswelt. Mein jeweiliges
25 Thema im Sonderinteresse und mein Welthorizont. In ihm der Horizont
meiner Mitmenschen. Dieser zunächst als besonderer Horizont, der selbst
wieder in Horizonten ist. Der Menschheitshorizont und seine horizont
haften Gliederungen. Dahinlebend reflektiere ich aber nicht auf mich als
Vollzieher meiner Akte, meiner Interessen, und auch nicht auf Andere als
30 Mitinteressenten, als wirkliche und mögliche Mitvollzieher. Handelnd
habe ich (und haben wir) mein Ding, mein Worin und Womit ich be
schäftigt bin; wir haben unser Material, und als das unserer Vorhabe, unser
Werkstück. Ich das meine, durch Einfühlung und Mitteilung gemeinsame
„Dinge” als Womit, und so wird mein Ding Material für ihre Zwecke und
35 umgekehrt. Motivation zu gemeinschaftlichem Tun. Gemeinschaftliche
Dinge. Wir im Dahinleben haben immer schon ein Feld von Dingen =
Feld von wirklichen und möglichen Materialien, Gestaltungen, Umge
staltungen. Wesensstruktur dieses Seins im Wandel.
Im Weltfeld: mein Feld ,,unmittelbare” Habe, meine unmittelbaren
40 Materialien, aktuell da, uroriginal da für mich und darüber hinaus mir in
meinen Akten zugänglich = mir selbsteigene Habe, mein selbsteigenes
Material, darauf bezüglich selbsteigene, ureigene Vorhabe und Handlung,
ureigenes Werden und Gewordensein durch mich selbst eines Werkgebildes.
So ein ganzes mir ureigenes Feld, das meiner direkten, selbsteigenen
564 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
Im Dahinleben habe ich, so lehrt die Reflexion, immer schon als Ich,
der ich mich als Menschen weiss, ein Feld von Dingen, darin das und
jenes, das ich schon unmittelbar habe, das ich als Material meiner Akte
behandeln kann und behandle. Im Handeln ist es etwas im Anders-
5 werden, im Sowerden, wie ich es vorhabe, gelingend oder misslingend
Werden, und im eventuellen Sich-vollenden ist es, als was ich nun als
Erwerb habe, und mögliches Material für neue Wünsche, Vorhaben,
zwecktätige Arbeit. So erfahre ich auch jeden Andern hinsichtlich
seiner Habe, seiner Tätigkeiten. Jedermann ist nur als Subjekt seiner
10 schon erworbenen Habe und in der Aktualität oder Vermöglichkeit,
damit zu schalten und zu walten, gemäss Zwecken, die er entweder
schon hat oder <für> voraussichtlich kommende Bedürfnisse <als>
neue Zwecke haben wird. Aber in dem allem liegt zu Grunde eine
Wesensstruktur.
1 „Original" ist ein unbrauchbarer Ausdruck, es ist eben Primordialität, und auch
Primordialität in relativem Sinn.
BEILAGE XL 567
1 Aber dann auch die Frage, wie sich andererseits doch rein in mir die Seinsgeltung
der Welt als objektiv-intersubjektive Welt, also als Welt der Menschheit entwickelt,
und zwar als der Menschheit, in welcher ich im Verkehr mit Anderen, bzw. durch
Tradition, die Seinsgeltung entwickelt habe als Entwicklung meiner rein mir eigenen
Weltgeltung: in mir, rein in mir. Entwicklung der Seinsgeltung „Menschheit” und
ihre Entwicklung als meine Seinsgeltung entwickelt. Innerhalb der menschheitlichen
Entwicklung meine persönliche Entwicklung.
2 „Motivation” ist zweideutig: Geltung fundiert (motiviert) Geltung, aber ich bin
motiviert in meiner Aktivität des Leistens und die Geltung zustande bringend.
BEILAGE XL 571
auf Andere also als Andere in mir, aus mir haben sie Motivation. Der
Andere ist, wenn ich ihn als Anderen thematisch habe, in meiner
Lebenswelt da mit dem Charakter „Anderer” als meine Geltung, und
erst von daher hat er seine Entwicklung als die von mir Seinssinn
5 <und> -geltung habende. Gewiss. Andererseits, in der universalen
Wissenschaft vom Menschen ist seiende Welt, ist damit die ganze Ent
wicklung, in der ich (transzendental) Welt als seinsgeltende gewonnen
hatte und habe, vorausgesetzt. Auf dem Boden dieser Weltgewissheit,
die ich ständig schon habe, stehend, sind alle Menschen in einer Ebene
10 und gleichberechtigt mit- und nebeneinander; jeder Bewusstseins
subjekt für dieselbe Welt, jeder in seiner subjektiven Weise, jeder
seine Weltvorstellungen entwickelnd, die alle eben Vorstellungen von
d er Welt sind, der im voraus gesetzten, voraus-gesetzten. Danach
entdeckt der Historiker der Entwicklungen und der Geisteswissen-
15 schaftler jeder Art nur das, was schon im konstituierten Welthorizont
liegt: Die Andern, die Sozialitäten, sind schon, sei es aktuell bekannte,
sei es potentiell als unbekannte, doch bekannt als zum Welthorizont
gehörig. Auch der Psychologe entfaltet nur, was schon in der „mensch
lichen Seele” im voraus weltlich konstituiert liegt.
20 £) Um „reine” Innenbetrachtung durchzuführen, übe ich zwar die
Methode der Epoché, zunächst bei mir, wo ich doch „Originalität”,
primordiale Selbstgegebenheit in der besinnlichen Aufweisung von
„Innerlichkeit” in Passivität und Aktivität, von Weltgegebenheit etc.
habe. Ohne weiteres übertrage ich das, was ich mir selbst primordial
25 erworben hatte, auf Andere, die eben für mich Andere sind und als
solche von mir als meine „Wiederholungen” (in Motivation) gesetzt
sind, als wirkliche oder mögliche Andere. Ich „versetze mich in sie”,
ich lebe in ihnen im Modus, „als ob” ich in der Abwandlung Anderheit
wäre, so wie ich auf mich als vergangenes Ich zurückgehend eben ich
30 es bin, welcher in diesem Modus Als-ob lebe. In der Verwandlung als
neue Geltung mit neuen Bewährungen, neuen Stimmigkeiten und Un
stimmigkeiten sind wir in einer in der alten primordialen Geltung fun
dierten Geltung, einer mittelbaren, welche ihrerseits wieder zu neuen
Mittelbarkeiten überleitet. Das Wie dieser als meine lebendig gestif-
35 teten und sich erweiternden Geltungsschichten aufzuklären, das Wie
der in dieser Weise fortschreitenden und <in >immer weiter vorzeich
nender Intentionalität statthabenden Konstitution der Welt als Gel
tungskorrelat zu verstehen, ist die Aufgabe einer universalen und
reinen Innenpsychologie. Man kann also ganz wohl die Seinsgewissheit
40 der Lebenswelt ständig haben, in ihr das Wissen vom Dasein der Men
schen voraussetzen und Wissenschaft vom Menschen, und sowohl phy
sikalisch-biologische als auch psychologische Wissenschaft, treiben.
Aber dann zwingt eine reine Psychologie von dem Menschen in seiner
reinen Innerlichkeit zur Einstellung der Epoché, und nun verschlingt
45 die Innenpsychologie die Naturwissenschaft und die Natur selbst: Das
Nebeneinander von Leib und reiner Innerlichkeit des Menschen oder
Seele in der vorausgesetzten Welt hebt sich auf, weil es ein dualisti-
572 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
Feld von objektiv Seienden habe ich als Welt von identifizierbaren,
wiedererkennbaren in Veränderungen verharrenden Dingen, wiederer
kennbar, ob sie anwesend oder abwesend sind, die Welt ist räumlich
zeitliche Welt, und die Identifizierbarkeit betrifft alle Zeitmodi und
5 ihre Weisen, nach denen ich Vergangenes und Zukünftiges wiederer
kennend identifiziere. Das alles reduziert sich auf ein Reich der Prim-
ordialität, in dem vermöge der Abstraktion von Andern doch auch eine
Wiedererkennbarkeit verbleibt, in dem reduzierte Dinge sind, und nur
sind in Kausalität. Natürlich reden wir von der Lebenswelt und nicht
10 von einer wissenschaftlich konstruierten objektiven Welt.
Nr. 32
zeit”, aber eigentlich dauert es nicht. Auch mein Ich und mein
Leben und das andere Ich und Leben haben keine extensive Ab-
ständigkeit. Sekundäre Mitzeitigung des Ich und der Mit-Ich, se
kundärer Sinn von ,,fortdauern’’ für Ich.
5 Wie dann mit der Habitualität des Ich ? Wie sind Überzeugungen
gezeitigt als seiende, Kenntnisse etc., fortdauerndes Gerichtetsein
auf einen Gegenstandspol als zeitliches in der ,,immanenten
Zeit”} Wie aber die dem identischen Ich eigene Gerichtetheit} Das
bleibende Ich im Wechsel dieser Überzeugungen etc. ist nicht Zeit-
10 liches wie ein sachlich Zeitliches (Verharrendes der Veränderungen
und Unveränderungen, Erscheinendes etc.), aber in einem neuen
Sinn Zeitliches, zeitlich relativ Bleibendes. Das verharrende, das
personale Ich als Ich der Habitualitäten konstituiert in spezifischer
Ichzeitigung, Ich-Verharren, Substratsein von Ich-,,Eigenschaften”,
15 der wechselnden Habitualitäten, als Parallele konstituiert zur Kon
stitution der Sach-Zeit (der naturalen, weltlichen).
1 „Gemeiuschaft” — mit sich selbst uad Aaderea — bezieht sich auf Ichpol-
Einigung.
578 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
tun will, so müssten sein Leib, mein Leib und dasselbe Ding me
chanisch in die Einheit einer Kausalität treten. Es ist konstituiert
Einheit einer intersubjektiven Natur als derselben, in welcher
jeder Leib in seiner eigenen Beweglichkeit und Veränderlichkeit
5 ungestört so verharrt, dass er dabei als wahrnehmender fungieren
kann und als verändernd in seine Aussenwelt eingreifender. Für
jeden ist der Leib jedes Anderen als Aussenkörper da, und in seiner
leiblichen und ungestörten Beweglichkeit. Aber jeder kann seinen
Leib gegen jedes andere Ding hinbewegen, in seiner originalen
10 Nahsphäre dabei jedes Ding berühren, betasten, aber auch Kraft
ansetzen, es zu stossen. Jeder Naturvorgang, jede Bewegung in
der Natur stellt sich für mich und für jeden als orientiert dar und
in möglichen Orientierungswandlungen. Aber in einer bestimm
ten Harmonie dieser Orientierungswandlungen. Mein Handeln:
15 ich schiebe etwas im Raum — subjektiv, ich schiebe nach rechts,
nach oben, ich verändere in unmittelbarem Tun die Weise der
Orientierung. Wenn der Andere bei demselben Ding ist, sich hin
bewegt hat zu ihm, so erfahre ich das in meiner orientierten Na
tur, und wenn er nun dasselbe Ding schiebt, so kann er es in den-
20 selben Orientierungsrichtungen von sich fortschieben. Aber wenn
ich nach rechts und er nach links <schiebe>, so hemmen wir uns
wechselseitig. Wenn er genau meine Raumstelle haben will, so
muss sein Leib meinen Leib wegschieben etc. Das, was hier
möglich und unmöglich ist, muss aufgeklärt werden aus der
25 Weise, wie sich die Einheit der Natur in der Einheit der Raum
zeitlichkeit durch Einfühlungskonnex konstituiert, wodurch die
psychophysischen Verhältnisse und Vermöglichkeiten sich auf
klären müssen in ihrem naturalen Aussenaspekt und in ihrem in
nerlichen Sinn.
30 Aufklärung der sozialen Akte. Das Erste: Aufklärung des Für-
mich-seins des Andern und der offenen Möglichkeit, einander zu
begegnen, ein Für-mich-dasein, in dem beschlossen ist der An
dern Für-sie-dasein meiner und unser aller Dasein füreinander,
und hinsichtlich unserer Leiblichkeit Dasein in der uns gemein-
35 samen Natur und jeder Leib Leib seines Ich mit seinem primor
dialen apperzeptiven Aktleben. Also in der konstitutiven Dek-
kung der raumzeitlichen Natur, als derselben sich jedem primor
dialen Ich in orientierter Vorgegebenheit darstellenden, ist für
jedermann in derselben objektiven Natur jedes Ich als Mensch
582 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
BEILAGE XLI
<ERINNERUNG UND EINFÜHLUNG ALS SICH SELBST
5 VERZEITLICHENDE VERGEGENWÄRTIGUNGEN
(MONADISIERUNG) DES ABSOLUT EINZIGEN, URTÜMLICHEN
ICH. MONADISCHE ZEITRÄUMLICHKEIT UND
NATÜRLICH-WELTLICHE ZEITRÄUMLICHKEIT >
<1932 oder 1933 >
10 Reduktion auf mich als ego in der vollen Konkretion des zu mir ge
hörigen Geltungslebens (und des darin als seiend Geltenden, darunter
all des sich als „seiend” Bewährenden), das Geltende aber rein als Kor
relat im konstituierenden Leben. Dieses Leben aber selbst ist enthal
ten im Universum des für mich Geltenden. Was ich bin, das liegt darin,
15 es legt sich in meinem, mir selbst wieder zugehörigen phänomenologi-
sierenden Tun aus.
In dieser Selbstauslegung stosse ich auf verschiedene Vergegenwär
tigungen und darin Vergegenwärtigtes als solches, darunter die Ein
fühlungen. Genauer, es scheiden sich die Erinnerungen als Vergegen-
20 wärtigungen „schlechthin” und auf sie bezogen die einfühlenden Ver
gegenwärtigungen. Durch Erinnerungen konstituiert sich mein suk
zessiv zeitliches Sein in Modis der Vergangenheit, Gegenwart, Künf-
tigkeit. In mir als ego finde ich mein Ich (den Pol, auf den alles egolo
gische Leben und Sein und alles darin Konstituierte bezogen ist) ver-
25 zeitlicht als vergangenes, gegenwärtiges, künftiges Ich und als zeitlich
kontinuierlich dasselbe, das ständig gegenwärtig in eins damit konti
nuierlich früher war und sein wird in kontinuierlich verschiedenen
Modis. Zu jeder Zeitmodalität gehört das ihrem zeitmodalen Ich ent
sprechende Leben — so alles zusammengenommen mein, desselben
30 Ich, im Lauf der Zeit eigen gewesenes, jetzt eigenes, künftiges Leben.
In der Einfühlung konstituiert sich und ist ständig konstituiert eine
Mitgegenwart von Fremdem, das seinen Seinssinn nur als einfühlungs-
mässig selbst sich darstellenden hat (ähnlich wie Erinnerungsmässiges).
Das Fremde ist fremdes Ich mit fremdem Ichleben, Ichakten, für das
35 Ich geltenden Seinseinheiten etc.
Das ego ist also in seinem transzendentalen Universalfeld ständig
für sich seiend in der Weise, dass es in dem stehend strömenden tran
szendentalen Leben der eine, einzige Ichpol ist, der in diesem Leben
seine Geltungseinheiten hat und dabei auch sich selbst als dieses
40 Ich. Sein Leben ist so ständig Geltungseinheiten konstituierendes
Leben, dass es im Strömen Erinnerungen und Einfühlungen, beides
BEILAGE XLI 589
BEILAGE XLII
<DER AUFBAU DES SEINS ALS GELTUNGSAUFBAU >
(1932)
Aus mir selbst, aus meinem Leben, das intentionales Leben ist
15 mit für mich seienden Anderen, gewinne ich alle Wandlung der Welt
horizonte, alle Wandlung des Für-mich-seins und des Sinnes selbst
von „Seiendem” und seiender Welt und seienden Monaden etc. Aus
mir selbst habe ich mein Sein als Sein in Bewegung, als Sein mit
offenem Horizont meines Seinkönnens und Seinwerdens, das kein
20 starres Ding naiver Dingauffassung ist, nicht wie das ist, seine Stücke
und Momente hat und so fertig ein für allemal mindestens ideell unver
ändert dauern könnte. Mein eigenes Sein in seiner Apodiktizität des
strömenden Jetzt-lebens (in welchem ich mich besinne) impliziert in
tentional mein Sein als Monade in der transzendental-monadischen
25 offen-,,unendlichen”, allmonadischen Zeitlichkeit und alles zu dieser
horizonthaft mitgehörige Sein von Monaden. Jede dieser Monaden im
pliziert wesensmässig dasselbe, darin mein Sein etc. Also mein tran
szendentales Anfängen und Enden ist in mir, als jetzt im Modus
Gegenwart Seiendem, beschlossen; dieselbe Monade <ist> in Modis der
30 monadischen Zeitmodalitäten konstituierte Einheit und so jede, und
jede jede andere, und alle mit ihrem Geboren-<werden> und Ster
ben implizierend. Seinsmässig, nach dem für mich und für jeden An
deren, der für mich ist, Konstituierten: ein Aussereinander „reell"
und ein Ineinander bewusstseinsmässig, geistig. Beides <sind> zwei
35 Seiten, korrelativ; in sich eine universale Intentionalität, von mir aus
in meine Anderen verlaufend und von mir aus die Anderen als Zentren
einer universalen Intentionalität konstituierend, die sich auf mich
und alle Anderen ebenso bezieht. All das aber selbst in mir zur Seins
geltung kommend und seinem Seinssinn.
40 So habe ich hinsichtlich des mir geltenden Seins die Welt, habe ich
transzendental das Monadenall im zeitlichen Aussereinander, „an
sich” seiend, seiend für „jedermann”, bewährbar im „ein für allemal”,
seiend in Erkenntnisbezogenheiten und praktischen Bezogenheiten
BEILAGE XLII 591
heit auf den Anderen als Anderen und auf seinen korrelativen
Trieb. Der eine und andere Trieb kann den Modus — Abwand
lungsmodus — der Enthaltung, des Widerwillens haben. Im Ur-
modus ist er eben „hemmungslos” unmodalisierter Trieb, der je
5 in den Anderen hineinreicht und seine Triebintentionalität durch
die korrelative im Anderen hindurchreichen hat.
In der schlichten urmodalen Erfüllung haben wir nicht zwei zu
trennende Erfüllungen je in der einen und anderen Primordiali-
tät, sondern eine sich durch das Ineinander der Erfüllungen her-
10 stellende Einheit der beiden Primordialitäten. Wenn ich in meiner
Weltlichkeit das in grösster Ursprünglichkeit auslege, so kann ich
es nur als geschlechtlicher Mensch und damit von Mensch zu
Menschen in aktueller Einfühlung, von Mann zu Weib (das, so
allgemein gesprochen, natürlich schon mittelbar).
15 Von da weiter durch mittelbare Interpretation für die „höhe
ren” Tiere, als welche ich noch ansehen kann und muss als mit
einander durch Einfühlung verkehrende, im wesentlichen in der
selben Motivation der „Fremdwahrnehmung” wie bei uns
Menschen und so in einer Weltvorstellung, in der das Tier sich
20 selbst als weltlich, als Tier seiner Spezies erfährt.
Indessen ist die Frage, ob nicht, und notwendig, Triebihtentio-
nalität, auch die auf Andere (geschlechtlich-sozial) gerichtete,
eine Vorstufe hat, die vor einer ausgebildeten Weltkonstitution
liegt — mag die Weltkonstitution auch nicht so weit reichen wie
25 für den Menschen als „Vernunftwesen”. Ich denke hier an die
Probleme Eltern, oder vor allem, Mutter und Kind, die aber auch
im Zusammenhang der Kopulationsproblematik erwachsen.
Die Primordialität ist ein Triebsystem. Wenn wir sie verstehen
als urtümlich stehendes Strömen, so liegt darin auch jeder in
30 andere Ströme, und mit evtl, anderen Ichsubjekten, hineinstre
bende Trieb. Diese Intentionalität hat ihr transzendentes „Ziel”,
transzendent als eingeführtes Fremdes, und doch in der Prim
ordialität als eigenes Ziel, also ständig ihren Kern urmodaler,
sich schlicht erhebender und erfüllender Intention. In meiner
35 alten Lehre vom inneren Zeitbewusstsein habe ich die hierbei
aufgewiesene Intentionalität eben als Intentionalität, als Pro-
tention vorgerichtet und als Retention sich modifizierend, aber
Einheit bewahrend, behandelt, aber nicht vom Ich gesprochen,
nicht sie als ichliche (im weitesten Sinn Willensintentionalität)
TEXT NR. 34 595
1 Das Ich als Pol, indem es in der Zeitigung fungiert und sich ständig im Fort
schreiten Objektivität konstituiert, zeitigt sich selbst, objektiviert sich in eins mit
seinesgleichen, in entsprechenden Stufen.
596 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
20 B E IL A G E X L III
NOTIZEN <ÜBER TRIEBGEMEINSCHAFT, LIEBE USW. >
(Schluchsee, September 1933)
das, was er darin letztlich will), will ich als Liebender mit, in meinen
universalen Lebenswillen habe ich den des Anderen aufgenommen, in
dem aktuellen Zusammensein mit ihm verstehe ich nicht nur den
Gang der Verwirkhchung seines personalen und letztpersonalen Stre-
5 bens nach, dieses damit zugleich näher kennenlernend, sondern ich
eigne es mir ständig an und bin schon in der Willensrichtung von da an,
wo ich Freundschaft mit ihm begründet habe (wo die Urstiftung der
Liebe — in ihren verschiedenen Formen — eingesetzt hat). Persönlich
keit bezogen auf die Totahtät des Willenslebens — so auf die Totahtät
10 des Ich in seinem Sein. In der Liebe einseitige oder in der Wechselhebe
wechselseitige „Deckung”, Verschmelzung der Personen, deren jede
doch von „ihrer Stelle aus” ihr Leben hat, ihr aktuelles erfahrendes,
denkendes, handelndes Leben, ihre eigenen Akterwerbe, ihre Habitua-
htäten, ihre Interessen. Aber hier die Probleme der konkreten Ermög-
15 lichung der personalen Liebeseinigung als dauernder, wie es ständig in
ihrem Sinn ist. Zweieinigkeit der Personen, Einheit des sich vergemein-
schaftenden totalen Lebens und Strebens.
Zunächst ein ganz a nder es i st die „ G e s c h l e c h t s l i e b e ”,
und sei es auch als über das gesamte Leben erstreckte Vereinigung
20 von Mann und Frau in der periodischen Befriedigung periodisch sich
wieder meldender Geschlechtstriebe. Instinktive Triebe, Triebe nie
derer Stufe (allgemein tierische Triebe) — in der menschlichen perso
nalen Sphäre. Der Trieb in schlichter Auswirkung ist keine Handlung,
das triebmässige Gerichtetsein kein personaler Akt, kein Willensakt.
25 Es muss natürlich gezeigt werden, wie fundiert in der Triebsinnlichkeit
Willensakte (Akte im prägnanten Sinn) erwachsen.
BEILAGE XLIV
20 P E R S O N A L E S U N D K O N S T IT U IE R E N D E S IC H .
ICH IM PRIMORDIALEN INEINANDER DER ICHLICHEN
ZEITIGUNG, DES SELBSTGEWORDENSEINS UND
SELBSTWERDENS. ICH IM MITEINANDER, INEINANDER
DES WERDENS IM KONNEX
25 <wohl erste Hälfte Oktober 1933>
BEILAGE XLV
20 <DAS KIND. DIE ERSTE EINFÜHLUNG>
(Juli 1935)
1 „haben” gleichzeitige Korrektur für „sind” ; zuerst stand also: „Namen sind
zunächst Voraussetzung objektiver Welt”. — Anm. d. Hrsg.
BEILAGE XLV 607
BEILAGE XLVI
MONADOLOGIE
10 <Anfang dreissiger Jahre >
tion ihm zuweist. Es ist als ein nur so intersubjektiv zugängliches Be
wusstsein, Für-sich-sein. Aber wie weit reicht solche Rekonstruktion
hinsichtlich Geburt (bzw. evtl, vor <der> Geburt) und Tod (nach dem
Tod) ? Handelt es sich um Rekonstruktionen, die der Analogie mit
5 dem sedimentierten Sein folgen müssen (dem „Unbewussten” in unse
rer Bewusstseinssphäre), und werden wir dann nicht zurückgetrieben
von den Menschen zu den Tieren, zu den Pflanzen, zu den niedersten
Lebewesen, zu der Atomkonstitution der neuen Physik — zu einer
Totalbetrachtung der wach konstituierten Welt und von ihr aus in
10 eine transzendental-subjektive Betrachtung, die rekonstruierend zu
rückgeht auf Subjektwesen verschiedener Ordnungsstufe mit einem
Instinktbewusstsein und instinktiver Kommunikation, monadologi-
scher Kommunikation im Monadenwechsel ?
Kommt man also über Leibnizsche Rekonstruktionen hinaus, nur
15 wissenschafthch fundiert durch eine systematische intentionale Phä
nomenologie ?
Können wir auf die wirkliche Unendlichkeit der Welt, der patent
konstituierten, nicht verzichten, und zwar hinsichtlich der Zeitfolge
als notwendiger Form der „Historizität”, während wir die Koexistenz
20 als endlich nehmen, die Mannigfaltigkeit der Monaden also als endliche
„Menge”, so hätten wir folgendes Bild und folgende Anwendung der
Idee der Sedimentierung.
1) Die Allheit der Monaden in ursprünglich instinktiver Kommuni
kation, jede in ihrem individuellen Leben immerfort lebend, und somit
25 jede mit einem sedimentierten Leben, mit einer verborgenen Historie,
die zugleich die „Universalhistorie” impliziert. Schlafende Monaden.
2) Entwicklung der monadischen Historie; erwachende Monaden
und Entwicklung in der Wachheit mit einem Hintergrund schlafender
Monaden als ständiger Fundierung.
30 3) Entwicklung menschlicher Monaden als Welt konstituierend, als
worin das Monadenuniversum in orientierter Form zur Selbst Objekti
vation durchdringt, Monaden zum vernünftigen Selbst- und Mensch
heitsbewusstsein und zum Weltverständnis kommen etc.
Und der Tod ? Monaden können nicht anfangen und nicht aufhören.
35 Das transzendentale Monadenall ist mit sich selbst identisch. Der zeit
lich-weltliche Prozess ist transzendental ein Lebensprozess der kom
munizierenden Monaden, in denen dieselben Monaden verschieden
kommunizierend fungieren. Der ganze Prozess, der der phylogeneti
schen Entwicklung entspricht, ist in jeder Keimzellenmonade, die zur
40 Geburt kommt, sedimentiert. Jede in diesem Zusammenhang fungie
rende Monade hat an ihrer Stelle ihre Sedimentierung als Entwick
lungserbschaft. Eine Monade, z.B. eine menschliche, die stirbt, verliert
nicht ihre Erbschaft, aber sie versinkt in absoluten Schlaf. Auch dann
fungiert sie irgendwie in dem Monadenall; aber dieser Schlaf kann
45 nicht zum Wachen werden wie der periodische Schlaf im menschlichen
Dasein. Er könnte es nur werden, wenn diese Monade im Funktions
zusammenhang der menschlichen Leiblichkeit aufgetreten ist und die
610 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
BEILAGE XLVII
MENSCHEN- UND TIERMONADEN. DAS MONADISCHE
UNIVERSALPROBLEM
<dreissiger Jahre >
Freilich, ist das wirklich richtig? Habe ich, die mir geltende
Welt korrelativ auslegend, nicht auch die Aufgabe, mir das
Wickelkind in seinem Innenleben verständlich zu machen und
seine Entwicklung, bis es „Weltvorstellung” sich erworben hat?
5 „Psychologie der Frühkindheit”. Und abermals wird man fra
gen: Es bedarf auch der Psychologie der Tiere aller Stufen. In
gewisser Weise ist das richtig. Und doch ist hier eben ein radika
ler und wesensmässiger Schnitt. Welt als Welt wirklicher und
möglicher Erfahrung reicht so weit, als Erfahrung im eigentlichen
10 Sinne der Selbstgebung, Selbstausweisung, reicht. Oder, was
gleichwertig, so weit die Weltapperzeption ihren Horizont einer
Vorzeichnung hat von möglicher Perzeption, in einer möglichen
intersubjektiv zu vollziehenden Erfahrung, die das Vorgezeich
nete, ob Neues oder Altbekanntes, zur Selbsterfassung bringen
15 würde. Unsere Welt ist Welt der Menschen, die sich selbst und
einander in der Welt wissen und als Welt Habende die ontologi
sche Struktur der Welt in der Weise des vertrauten Stiles der von
jeder wirklichen Erfahrung aus antizipierten und vom Ich her zu
dirigierenden Wege möglicher Erfahrung ständig bewusst haben,
20 als ständigen subjektiven Welthorizont, in dem, wie das Alt ver
traute im Wiedererkennen, so das Neue auftritt, und auftritt in
der lebendigen Motivation der Apperzeption als im Typus be
kannt und sich fortgesetzt näher bestimmend.
Der ontologische Stil ist für mich bestimmt als das, was dem
25 Allgemeinen nach invarianter Korrelativhorizont möghcher Er
fahrungen ist, die in sich einstimmig, bzw. unter Korrektur im
merfort im Ablauf synthetisch einigend Identität des Seinssinnes
Welt in sich tragen; ein Horizont relativ seiender <Einheiten >, als
schon erworben aus Tätigkeiten, die vordem ähnliche Leistungen
30 vollzogen und nun vertraute, habituelle Gekonntheiten sind, sich
jeweils wieder aktualisierend etc. Ich bin das Ich eines bestimm
ten Vermögens, eines Systems von Sondervermögen, immer schon
gestiftet; immerfort bin ich in der Bildung neuer Vermögen, aber
innerhalb des festen Stiles, der sich selbst immerfort in zweifel-
35 loser Gewissheit vorzeichnet. Alles Neue ist Besonderung, ist
konkret motivierte Vorzeichnung von Individuellem als Kennen
zulernendem. Jede Erfahrung im gewöhnlichen Sinne einer Kennt
nisnahme von dem, was da ist und wie beschaffen es ist, setzt
schon den ontologischen Welterfahrungsstil und Weltstil voraus.
TEXT NR. 35 621
Auch Erfahrung in dem Sinne, dass Reales für mich bzw. für uns
in „die Erfahrung tritt”, ehe wir es uns näher ansehen; schon für
uns im Wahrnehmungsfelde etwa oder auch als etwas induktiv
zu Erwartendes, jetzt voraussichtlich Kommendes, bereit zur
5 Kenntnisnahme und evtl. Korrektur, zur Erkenntnis, zu Be
handlungen; sofern es als Reales auf tritt, setzt es schon den on
tologischen Horizont voraus. In jedem Moment der Wachheit bin
ich schon, wie ich ständig schon vordem war, im Welthorizont,
ich habe orientierte Welt von meinem Hier und Jetzt aus — es
10 ist schon vorgezeichnet, was mir begegnen kann, ein Bestand von
Realien, die schon unmittelbar erscheinen, dies und jenes, womit
ich mich beschäftige etc. Darin hegt, dass ich auch das Vermögen
habe, die Korrelation von möglicher Erfahrung und möglicher
Welt zu aktualisieren in Form einer Weltanschauung. Welt be-
15 zeichnet ein Vermögen, systematisch erfahren und auf Wegen
des Erfahrens identischen Seinssinn bewähren zu können, dabei
Unstimmiges ausscheiden, statt dessen das Richtige einfügen. Es
ist, was es ist, als ein erworbenes Vermögen, und als das kann ich
vor seiner wirklichen Betätigung oder „stillhaltend” überlegen,
20 was ich jetzt kann. Dem Vermögen entsprechen die Vermöglich
keiten als mögliche, von mir „zu” verwirklichende Tätigkeiten
und Tätigkeitserwerbe. Jedem Vermögen entspricht das Vermö
gen der Auslegung seiner Vermöglichkeiten als Konstruktion der
vermöglichen Tätigkeiten im Als-ob. Mögliches Tun, „ich kann
25 das, ich kann das, ich kann von hier aus diese Vielheit, diese To
talität”, ist ein Fundamentalmodus des Tuns, und nicht etwa eine
blosse Phantasieabwandlung des Tun-Erlebnisses.
Mein Vermögen der Welterfahrung und des gesamten darin
fundierten Weltbewusstseins ist auch Vermögen der Erfahrung
30 von Anderen und ihrer WcItcUahrung, aber auch der gemein
schaftlichen Welterfahrung, des gemeinschaftlichen wie indivi
duellen Weltverhaltens in und auf Grund von Erfahrung. Die
Welt ist Welt für uns alle, für die ganze um uns orientierte Mensch
heit im Allheitsbegriff. Jeder ist mit Welterfahrungsvermögen
35 und Vermögen menschlichen Weltlebens, umfasst darin intentio
nal aller Anderen Vermögen.
Aber die Welt ist für uns auch Welt, die neben und in einem
gewissen Mass (einem von Tierspezies zu Tierspezies wechseln
den) auch im Miteinander mit uns Tiere enthält. Wie steht es mit
622 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
wir Tiere nicht als fremde Lebewesen, sondern als solche in be
kannter Typik, Ochsen, Pferde, Schwalben etc. Gegenüber den
heimatlichen Tieren dann wieder Tiere, die uns fremd sind und
die da, Tiere wie Menschen, als generative und in ihrer Weise so-
5 ziale Wesen aufgefasst werden; wie sie als Heimtiere vertraut
sind, so werden sie auch artmässig aufgefasst — jedes fremde Tier
als Tier einer fremden Art.
Die Tiere einer Art haben ihr eigenes Füreinander- und Mitein-
ander-sein, haben ihren eigenen generativen Zusammenhang, der
10 (innen gesehen) zwischen ihnen innere Einheit bedeutet. Sie sind
in Beziehungen der Einfühlung, sie verstehen sich artmässig, sie
sind füreinander bekannte und unbekannte durch Instinkt und
Erfahrung — so verstehen wir sie, erfahren wir sie, wenn es zum
mindesten „höhere” Tiere sind. Andererseits bestehen Verhält -
15 nisse, Verständnisbeziehungen zwischen Tieren verschiedener
Spezies — so beobachten wir, so können wir erfahrend auffassen
—, manchmal freundliche (oder nicht feindliche), manchmal und
öfters feindliche. So auch zwischen Menschen und Tieren in dieser
Hinsicht, als ob Menschen <eine> Tierspezies unter anderen wä-
20 ren. Wir als Menschen erfahren Tiere zunächst als mit uns da in
der vertrauten Umwelt und als gefährlich oder zeitweise gefähr
lich, aufgeregt, boshaft etc. oder als ungefährlich, als freundlich.
Und danach verstehen wir Tiere im Miteinander. Selbstverständ
lich, die generativen Instinkte und Erfahrungen haben wir zu-
25 nächst bei uns, und von da aus verstehen wir oder glauben wir zu
verstehen, wie Tiere miteinander generativ leben, und zwar in der
Zweiseitigkeit der Aussen- und Innenerfahrung. Aber wie immer
wir unsere Erfahrung erweitern, in der für uns seienden Welt sind
Menschen und Tiere, Menschen verschiedener Rassen, Tiere ver-
30 schiedener Spezies im voraus da und gehören zur Welt, die uns in
jeweiligen subjektiven Modis der Vertrautheit und Fremde gege
ben ist, und darin ist also auch die Tierwelt immer schon vorge
zeichnet, aber in ihrer genaueren Typik erst durch Erfahrung
kennenzulernen, so wie die Menschenwelt.
35 Zur Typik der Tiere wie der Menschen gehört eine Typik der
Gegebenheitsweise, des für uns Bekannt- und Unbekanntseins
mit Wegen des Bekanntwerdens. Das ist so zunächst für alles
Reale und die Welt im ganzen. Im Ganzen haben wir die Struktur
der Heimwelt und ihrer Stufen, des Horizontes der Fremde, die
624 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
Art, wie sich die Heim weit selbst durch Erfahrung immer er-
schliesst, sich aber auch erweitert durch Einbeziehung von Fremde,
die zunächst mit einem grossen Horizont der Unbekanntheit ver
standen ist und dann immer bekannter und verstanden wird. Das
5 betrifft alle Dinge — in ihrer Typik der Auffassung als Heimdinge
und Fremddinge. Aber hier sind Unterschiede. Meine Heimgenos
sen haben seelische Beziehung auf die ihnen gemeinsam geltende
Heim weit, jeder erfährt jeden mit der Allgemeinstruktur Ich-
subjekt, aber nicht nur <als> das, <sondern > als Mensch und als
10 Mensch der allvertrauten Heimwelt. Den Fremden versteht jeder
Heimgenosse eben als Fremden, das ist zwar in leerer Allgemein
heit als Ichsubjekt, aber nicht mit der psychischen Eigenheit des
Heimmenschen, vielmehr als Menschen einer unbekannten Heim
welt, der für seine Vermögen, für seine Interessenhabitualität, für
15 seine subjektive Struktur der Erfahrungsmöglichkeit, der prak
tischen Möglichkeiten usw. In seinem psychischen Individual
typus, aber auch in seinem völkischen und speziellen heimatlichen
Typus ist er mir und uns Heimgenossen allen völlig unbekannt,
und jenes ist gerade das, was ihm Konkretion des Seins verleiht.
20 Meine unbekannten Heimgenossen apperzipiere ich ohne weiteres
mit der ganzen Struktur des Heimgenossen, und aus seinem Ver
halten in unserer vertrauten Heimsphäre bestimmt er sich mir
näher, wird er bekannt, wie alle Bekannten sonst mir bekannt
geworden sind, die ich als reifer Mensch der Heimsphäre je kennen-
25 lernte. Aber anders hinsichtlich des Fremden. Wie lerne ich ihn
anders kennen, als indem ich mir seine für ihn seiende Heimwelt,
das ist die ihm in seinem generativen Feben normal erwachsene
und als die seiner Heimgenossenschaft allvertraute, zueigne. Aber
jeder als Mensch Dahinlebende hat seine Welt als endliche Welt,
30 und notwendig zunächst als Heimwelt. Ihre Endlichkeit kann er
entschränken, er kann in die weite Welt hinausgehen, in die
Fremde, die im allgemeinen wieder Menschen enthält, für welche
diese neue Weltsphäre in entsprechender Endlichkeit Heimwelt
ist. Aber in die Fremde hinausgehend, mache ich mir zwar ein
35 Fremdes zu eigen, aber in der notwendigen Art, dass ich auf Grund
der apperzeptiven Typik, die mir als Heimat mit den heimischen
Dingen, heimischen Tieren und Pflanzen, mit der heimischen
Kultur usw. zu eigen geworden ist, das Ausserheimische apperzi
piere. Dann finde ich mich zwar in derselben Welt und endlichen
TEXT NR. 35 625
BEILAGE XLVIII
< HEIM WELT ALS WELT DER ALL-ZUGÄNGLICHKEIT.
FREMDHEIT ALS ZUGÄNGLICHKEIT IN DER EIGENTLICHEN
UNZUGÄNGLICHKEIT >
25 (Schluchsee, 10. September 1933)
BEILAGE IL
<UNVOLLKOMMENHEIT DER ERKENNTNIS DES ANDEREN
IN SEINER „HISTORIZITÄT” >
<wohl September oder Oktober 1933>
1 Der erste Teil des vorangehenden Satzes wurde, wohl bei der Abfassung des Tex
tes selbst, wie folgt verändert: „Das monadische Universum und die intersubjektive
Natur ist als endlos offenes Universum Natur konstituiert, <als> das identifiziert; das
identifizierbare . . . ”. — Anm. d. Hrsg.
TEXT NR. 36 639
1 Schon in der Primordialität als Endlosigkeit; doch liegt da nicht schon eine
Idealisierung, geht also nicht Naturunendlichkeit und monadische Unendlichkeit
Hand in Hand?
640 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
BEILAGE L
EINFÜHLUNG UND WIEDERERINNERUNG <ALS TERTIÄRE
10 UND SEKUNDÄRE ORIGINALITÄT. DECKUNG IN DIFFERENZ.
MODIFIKATION MEINER ZENTRIERUNG >
(Januar 1934)
der Körper und ihre jeweilige Einheit, der erfahrene Körper selbst
und als solcher, auf Kinästhesen bezogen, und diese selbst in einziger
Weise einig mit dem Leibkörper.
Aber besagt das etwas anderes, als dass aller weltliche Erscheinungs-
5 wandel in besonderer Weise ständig bezogen ist auf den Leib bzw. auf
die in ihm lokalisierten Kinästhesen ?
Wenn dann Einfühlung dazugenommen wird, so gewinnen wir
intersubjektive Welt, und diese <ist> mir primordial erscheinend
und vermöge ihrer Erscheinungsweisen auf meinen Leib und meine
10 Kinästhesen bezogen und zugleich bezogen auf jedes andere mir
selbst möglicherweise erscheinende Subjekt, seine Kinästhesen, seine
Körperlichkeit. Ich habe körperliche Welt und darin Leiber.
BEILAGE LI
<VERWELTLICHUNG (LOKALISIERUNG) DES ICH UND
15 VERSACHLICHUNG DES FUNGIERENS IN DER EINFÜHLUNG >
<wohl Januar 1934>
das bleibt übrig, dass sie notwendig von mir aus die Geltung und mit
dem Sinn erhalten als je ihr All von Subjekten zur Geltung bringend,
mich darin beschlossen, dass sie je von sich aus das Weltall konstitu
ieren als Welt möglicher Erfahrung, wobei das Weltall und darin
5 das als Menschen verleiblichte und verweltlichte Ichall ein und
dasselbe sei für alle. So gehört zur Welt die Menschheit als weltliche,
als Universum psychophysischer Erfahrungseinheiten, auch dann ver
bunden durch Sozialitäten, und andererseits ist es objektiviertes, ver
weltlichtes Ichall als die fungierende Allsubjektivität, als die mög-
10 liehe Erfahrung, mögliche Handlung vollziehende, Welt erwerbende
und umgestaltende, und weiter zurück die Subjektivität, die die
immer schon im voraus seiende Welt in sich selbst erworben hat
— und das alles letztlich von mir selbst her, der ich für mich erst
Andere konstituieren muss, um sie haben zu können.
15 Die Konstitution des Gegenüber von Personen und Sachen — in der Welt
Die sachliche Einstellung, die Welt als Universum der Sachen (der
Realitäten). Die Menschen als Realitäten, psychophysische Reali
täten. Das sachliche Universum als Thema der wissenschaftlichen
Menschheit und wieder als praktisches Thema — die Welt das Feld
20 der menschlichen Praxis; die handelnde Umgestaltung der zugäng
lichen Natur, der Tiere, der Menschen, in der Sachenwelt beschlossen
als Realitäten.
Die Menschen, die da eingestellt sind als fungierende, leistende Sub
jektivität, die Wissenschaftler, die Techniker.
25 Aber die Welt ist, wird man doch sagen, Kulturwelt. In ihr sind
nicht blosse Dinge, sondern Kulturdinge, daseiend mit Kultureigen
schaften — das kommt auf Rechnung der Subjekte, der Personen,
ihres Zwecklebens —, den Beziehungseigenschaften, die blosse Dinge
annehmen als zu bestimmten Menschen und Menschengruppen in
30 Beziehung stehend. Dann aber auch Kulturdinge und auch Menschen.
Menschen als fungierende Subjekte, Menschen als Realitäten, als
Sachen. Aber Menschen sind immerfort fungierend; als Sachen sind
sie psychophysische Realitäten, das Psychische dabei ist fungierende
Person — aber dieses Fungieren ist zur Sache geworden. Was heisst
35 das? Im Fungieren einer Subjektivität ist für sie als Geltungseinheit
Sache, und so auch hinsichtlich der sachlich gewordenen Subjektivität.
Sie ist das im Fungieren einer im allgemeinen anderen Subjektivität.
Sind Personen Sachen, so sind sie es im Miteinander fungierender
Subjekte, wobei eine jede evtl, so fungierend sein kann, dass sie
40 d u r c h ander e, in ihrem Fungieren jene verstehend, hindurch sich
selbst versachlichen kann. So in der Psychologie, wo die menschlichen
Personen — die Seelen — als Realitäten in der Welt, und zwar als
Universum der Menschen überhaupt, und in Allgemeinheit empirische
oder Wesenseigenheiten einzelner Menschen überhaupt in diesem
BEILAGE LI 647
EINFÜHLUNGSPROBLEM: <DIE
APPERZEPTION MEINES LEIBES ALS
EINES KÖRPERLICHEN DINGES ALS
5 VORAUSSETZUNG DER EINFÜHLUNG —
DIE VERRÄUMLICHUNG DES LEIBES
DURCH DIE EINFÜHLUNG >
<wohl 1934>
Ferndinge sind tak tu ell nicht gegeben und fortlaufend nach dem
von ihnen nicht G egebenen nicht kontinuierlich tastbar — solange
sie Ferndinge sind. — Ich m it m einer jew eiligen, aktu ellen hap
tischen Sphäre. Mein Leib als h ap tisch k onstituiert. A ussendinge
5 in haptischer N ähe und Ferne, h ap tisch e B ew egung, B ew egungs
lich tu n gen , N äherung, E ntfernung. So w eit m ein Leib, m eine
H and ausstreckbar ist, so w eit reicht die h aptische W ahm eh-
m ungssphäre. U n d D in ge sind auch n ich t w ahrgenom m en da —
ich kann w iederholt die H and ausstrecken und w iedererkennen,
10 und es ist aufzuklären, dass dabei unterschieden G leiches und
Identisches schon (relativ) k on stitu iert ist. N un ist H ap tisch es
auch optisch perspektiviert.
Ich kann m ich ausstrecken, m ein e Organe sich ausladen lassen
(und sehe sie, Sehen ist p ersp ek tivisch Sehen). Ich kann aber
15 auch g e h e n . D as ist etw as B esonderes. G ehen u n d die Organe
„ausladen”, „ausstrecken” im h ap tisch -kinästh etisch en R ich
tu n gssystem . Im haptischen F eld B ew egu n g — im A usstrecken
die B ew egung verfolgen, kontinuierlich h ap tisch d a b eisein ; ohne
A usstrecken ev tl, das Objekt verlieren, durch nachträgliches
20 A usstrecken es w ieder, aber „ferner” finden. N ü tz t kein A us
strecken, so sehe ich es noch sich perspektivieren, die Perspekti-
vierung indiziert das N achgehen- u nd dann N ach streck en k ön n en :
also die L eistu n g der kom binierten K inästhesen. In der kinästhe-
tisch-haptischen Sphäre: S tillsteh en , S itzen — Modi des N ich t-
25 gehens, des A m -P latz-bleibens. A ber ich kann auch gehen in
einem „kleinen M ass”, ein, zw ei S ch ritte m achen, um m ir ein „zu
stark es” m ich H instreck en vom P la tz aus zu ersparen. In dop
pelter W eise ist also (m ittels der d op pelt k on stitu ierten kinästhe-
tisch en System e) id entische S ach e (als blosses Oberflächen-
30 phantom ) k on stitu iert, im Zusam m enfungieren von H ap tisch em
u n d O ptischem u n ter „A m -P latz-b leib en ” oder „F ortgehen ” , b ei
des sich kom binierend und ergänzend. H ap tisch , berührbar, be
tastbar und sichtbar ist alles S e ie n d e ; aber nur m ittels der op ti
schen P ersp ek tiven in ihrem B ezu g zum G ehen ist ein offener
35 R aum v on D in gen als hap tisch „erreichbaren” m öglich. Jedes
A ussenobjekt ist bew eglich (wirklich u n d scheinbew eglich), es
kann in die h ap tisch nicht realisierte Ferne rücken oder v o n der
F erne in die N ähe. A lle B ew egu n g ist op tisch p erspektivisch
k on stitu iert, u n d nur in der jew eiligen rein h ap tisch en W ahr-
650 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
meinem Leib (freilich eine immer einseitige, die nicht in der op
tischen Schicht zur Allseitigkeit zu bringen ist, aber doch in der
grundlegenden haptischen).1 Genug als Unterlage für die Mög
lichkeit der Einfühlung. Aber wie das des näheren ? Wie kann ich,
5 was doch zur Körpervorstellung gehört, die Vorstellung seiner
Beweglichkeit, seiner möglichen und wirklichen Ruhe oder Be
wegung, gewinnen?
Konstituiert ist die Bewegung von Aussendingen in verständ
licher Weise. Korrelativ habe ich aber im Feld die Wahrneh-
10 mungsbewegung meiner tastenden Hand etc., auch das Gehen als
für Wahrnehmung fungierend. Als fungierende sind das ichliche
Bewegungen — zugleich auch wie dingliche, äusserlich konstitu
ierte Bewegungen. Freilich nicht so ohne weiteres die Gehbewegung
als Lokomotion des ganzen Leibes. Aussenbewegungen können
15 „von selbst” verlaufende sein, sie können aber auch von mir her,
kinästhetisch stossend, erzeugte sein. So charakterisiert durch
Überwindung des W i d e r s t a n d e s des Körpers. Ich bewege
und setze Kraftanspannung ins Spiel, ihr entspricht Widerstand.
Ohne das bliebe der Körper von selbst ruhend oder von selbst
20 bewegt, wie er es vorher war. Die Bewegung meiner Leibesglieder
ist immerzu als ich-kinästhetische Bewegung wahrgehommen
(die Kinästhese ist niemals total starr), immerfort ist solche Be
wegung im Spiel in der wahrnehmenden Funktion und als solche
ungehemmt, ohne eigene „Kraftanspannung” (Widerstand über-
25 windend). A u s s e n k ö r p e r können aber widerstehen, jeder
von ihnen, das gehört zu ihrer realen Beweglichkeit. S c h a t t e n
sind widerstandslos, aber ich kann keine Schatten direkt an
packen und schieben, stossen etc. und auch nicht in der Weise
der Körper durch Fortpflanzung des Stosses mittelbar bewegen.
30 W i d e r s t a n d u n d k ö r p e r l i c h e B e w e g l i c h k e i t g e h ö
r e n a l s o k o n s t i t u t i v z u s a m m e n . Wie aber steht es nun
mit der Körperlichkeit, also körperlichen Beweglichkeit meines
Leibes? In seiner Bewegung findet er Widerstand, ja in seinem
kinästhetischen ichlichen Bewegen! Aber zu seiner Bewegung als
35 Körperbewegung fehlt doch der Widerstand. In gewisser Weise
1 Dieses Oberflächending ist (siehe unten) aber erst das P h a n t o m , noch nicht
der K ö r p e r , der seinen Grundcharakter gegenüber dem Phantom gewinnt als
W i d e r s t a n d . Sonst wäre er ein Schatten, ein Scheinbild, ein Spiegelbild, ein
Irreales. Körper haben „Widerstandskraft”, nur so sind sie reale in realer Kausalität.
TEXT NR. 37 653
ist er wohl möglich. Die Hand, die auf dem Tisch liegt, kann ich
durch die ichlich bewegte Hand fortschieben wie einen Aussen-
körper, da überwinde ich Widerstand — ja, weil ich sie ichlich in
Ruhe halte. Ich kann aber ausweichen, ich will es nun eben nicht,
5 genauer, ich unterlasse, ic h lasse m i c h ausser Spiel. Tue ich
das für ein Leibesglied, so können andere in kinästhetischer Funk
tion des Wahrnehmens dieses Glied wie einen Aussenkörper zur
Wahrnehmung bringen, und zwar als je nachdem sich selbst be
wegend oder körperlich bewegt. Dabei ist aber doch für sich kon-
10 stituiert das „ P h a n t o m ”, das Oberflächending, auch seine
„Bewegung” — wie die eines Schattens -—, und dazu erst seine
Widerständigkeit. Meine Leibesglieder, jedes für sich betrachtet
ist aber auch konstituiert, ist erfahrbar und erfahren auch als
widerständig, dadurch, dass ich von meiner Freiheit, es kinästhe-
15 tisch widerstandslos zu bewegen, keinen Gebrauch mache.1 Wie
steht es nun mit dem t o t a l e n Le i b? Konstituiert ist er als ein
totales Oberflächending (Phantom), aber mit T e i l e n , die wider
stehende K ö r p e r sind.
D as w ird nicht als Sonderbarkeit em pfunden und führt n i c h t
20 dahin, dass ich auf den G edanken kom m e, dass m ein Leib kein
Körper sei, wie eben K örper sind, ein sich im R aum n ich t F o rt
bew egendes und keinen W iderstand B ieten d es, während er aus
Stücken b esteh t, die K örper sind. D och hier feh lt noch einiges.
Ich m ü sste eigentlich sagen, A ussenraum ist k on stituiert, die
25 A ussenkörper haben ihren offenen endlosen R aum , können sich
darin nach verschiedenen R ichtungen bew egen, von selbst oder
durch m ich. Aber w ie ste h t es m it den L eibesgliedern, können sie
sich ebenso im R aum bew egen? U nd w ie m it m einem to ta len
Leib ? B each ten wir das Gehen. Durch G ehen w ird das optische
30 Fernding N ahding, es indiziert von vornherein zuerst optisch und
dann haptisch die N ahdinglichkeit. E s indiziert, dass ich es n ach
dieser W andlung berühren, allseitig b eta sten kann, und nur v o n
daher habe ich, also durch Gehen, in der Iteration , die in ihm
lieg t, m it den zugehörigen R ichtungsm öglichkeiten, deren jed e
35
1 Doch das ist noch nicht in Ordnung. Hände und Füsse heben fordert (in ver
schiedenen Richtungen verschiedene) Kraftanspannungen. Es scheidet sich das nor
male blosse Glieder Bewegen, das Funktion ist für blosse Wahrnehmung, und das
stossende etc. als Widerstand überwindende: das fordert Zuschuss von Anspannung,
Kraftsteigerung.
654 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
Im voraus habe ich primordial: ich, leiblich, wie wenn ich dort
wäre. Meine Vorstellung des Dorthingehens und dann Dortseins
ergibt zwar nicht schon eine normale Bewegungsvorstellung mei
nes Leibes dorthin und dann seiend als Körper im Raum. Aber
5 das genügt für die Einfühlung, und n u n ist es wohl verständlich,
dass, was für mich Ding dort ist und dasselbe ist, das als Innen
leib des Anderen ist, eben dem Leib als Leib zur Räumlichkeit
verhilft. Der Andere erfährt mich aber umgekehrt hinsichtlich
meiner Leiblichkeit als Körper und durch Einfühlung als leiblich
10 waltendes Ich. So gewinnt mein Leib auch für mich die volle Be
deutung des Körpers, und damit erst hätten wir die volle Kon
stitution eines homogenen Raumes für uns alle.1
A n d e r e I c h sind für mich in meiner nicht-ichlichen Welt so
geltend, dass sie dieselbe Umwelt als die ihnen bewusstseinsmäs-
15 sige haben wie ich selbst, aber als Welt i h r e r Bewusstseinsmodi
und nicht der meinen. Sie sind für mich wahrnehmungsmässig da
in der Weise, dass ich in meiner wahmehmungsmässigen Aussen-
welt einen Aussenkörper als einen „anderen Leib” erkenne, als
einen Körper, in dem ich nicht unmittelbar walte (er ist ja für
20 mich Aussenkörper), aber in dem sich ein waltendes Ich (das ich
nicht bin, ein anderes Ich, ein Nicht-Ich, aber das Ich-Analogon
ist) in ähnlichen Modis des Waltens bekundet — a u s d r ü c k t ,
als welche ich waltend im eigenen Leib original erfahre. Die dem
fremden Ich zugemeinten sich erscheinungsmässig darstellenden
25 Aussenobjekte entsprechen in mir in bestimmter Weise in
einigem Umfang den in meinen Erscheinungsweisen wirklich oder
vermöglich erscheinenden. Me i ne Erscheinungsweisen sind m ir
o r i g i n a l g e g e b e n , di e des A n d e r e n d u r c h A u s d r u c k
als Vergegenwärtigung (durch Einfühlung), also nicht original
30 und a priori nicht für mich zur Originalität zu bringen (ähnlich
wie Erinnerung nicht Originales und prinzipiell nicht zu Origina
lität zu Bringendes bietet), was ja hiesse, dass das andere Ich
ich selbst wäre.
Für das von mir her geltende andere Ich bin ich sein Anderer
35 und sind meine Erscheinungsweisen der Welt bloss einfühlungs-
mässig geltende, als die zum Bestand des ihm Fremden, der
ich für ihn bin, gehören. Der Andere ist für mich geltend und
1 Die volle Konstitution meines Leibes als Körper gleich allen Körpern ergibt
sich erst vermittels des Anderen: wie sein Leib für mich, so mein Leib für ihn.
656 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
15 BEILAGE LII
DAS PROBLEM DER EINFÜHLUNG. <DER SINN DER
REDUKTION DER WELT AUF DAS PRIMORDIALE
IM ZUSAMMENHANG EINER UNIVERSALEN
GELTUNGSANALYSE DER WELT>
20 <wohl 1934 >
Mein Leib gilt mir als Körper, ganz so wie meine Aussenkörper. Alle
Körper, mein Leib einbezogen, sind Körper im universalen homogenen
Raum, oder konkreter, im Universum der Körper, zu welchen alle
Leiber eben als Körper gehören. Körper sind für uns selbst da durch
25 Wahrnehmung.
Ich nehme meinen Leib wahr und Aussenkörper wahr. Wie kann
aber meine Wahrnehmung des eigenen Leibes, die doch wesentüch
verschieden gebaut ist als die Wahrnehmung der Aussenkörper, eine
beiderseits gleiche Körperlichkeit zu ursprünglicher Erfahrung
30 bringen? Ferner, mein Leib ist in ganz anderem Wahrnehmungsmodus
(nämlich was die Struktur der Wahrnehmung als solcher anbelangt)
als ein fremder Leib. Dieser ist allerdings als Körper wirklich wahr
nehmbar so wie meine aussereigenleiblichen Körper überhaupt; aber
wie kommt dieser Körper dazu, mir als Leib zu gelten und damit als
35 ein Ähnliches wie mein Leib? Als Leib ist er nicht Leib, Organ der
Wahrnehmung, des Handelns meines Ich; er ist das für das fremde
Ich, das in der Auffassung des Körpers dort als fremden Leib in
Geltung ist. Aber dieses ist nicht selbst wahrnehmbar, nicht so in der
658 TEXTE AUS DEN JAHREN 1932 BIS 1935
E rfahrung des frem den K örpers m itgeltend wie dessen jeweils gerade
unsichtige Seite, als doch eben sichtbare, wahrnehm bare.
Wir gehen so vor, dass wir, dass jeder für sich, den Blick ausschliess
lich auf das Reich der wirklichen Wahrnehmbarkeit richtet, oder auf
5 all das, was wirklich wahrgenommen war, wahrgenommen ist, mög
licherweise hätte W'ahrgenommen werden können, möglicherweise von
dem, was ich jetzt wahrnehme, zur Wahrnehmung gebracht werden
könnte, und so <auf >alle modalen Abwandlungen von Wahrnehmung,
Erinnerung, vorschauender Erwartung, auch hypothetisch ansetzbare
10 Vorstellungen, die damit als durch aktuelle Wahrnehmung einzulösen-
de charakterisiert sind, wenn sie Hypothesen sind für gegenwärtiges
und künftig Seiendes oder entsprechenden Sinn haben für die hypothe
tische Vergangenheit, also die Bedeutung von solchem, was hätte wahr
genommen sein können und, wenn es das wäre, erinnerungsmässig be-
15 wusst würde. Kurzum, wir bilden die r e d u z i e r t e Idee einer p r i m
o r d i a l e n Welt, Reduktion der Welt auf das or i gi nal An s c h a u
liche, das original Wahrnehmbare, Erinnerbare, Induzierbare, Phan
tasierbare, in ihren Möglichkeiten original Vorstellbare. — Aber was
ist letztlich der Zweck dieses ganzen Vorgehens, was liegt schon im
20 Sinn der oben gestellten Ausgangsfragen ?
Die Welt ist für mich mit einem jeweiligen Sinn als seiend geltende
Welt. Sie ist u n i v e r s a l e Me i nung ei nes u n i v e r s a l e n Si n
ne s in meinem Bewusstseinsleben, durch und durch einem Leben des
mit wechselndem Sinn und wechselnden Geltungsmodis Meinens; ein
25 Universum der Meinung in unaufhörlichem Wechsel von Sondermei-
nungen, doch zur Einheit einer Meinung und eines totalen Sinnes zu
sammengehend. Dabei hat die universal-einheitliche Meinung ihren
Einheitssinn Welt immerzu im Modus zweifelloser Gewissheit, die in
dieser Zweifellosigkeit letztlich auf Bewährung aller Meinungen, die
30 nicht schon erfahrende sind, durch erfahrende verweist, und die er
fahrenden <verweisen» selbst, sofern sie noch unerfüllte Meinungen
implizieren, auf Überführung in neue Erfahrungen und Erfahrungs
zusammenhänge, in denen sich das Seiende in Selbstbewährung immer
vollkommener ausweist. Von hier aus erhebt sich die Frage nach dem
35 Aufbau dieses Weltmeinungslebens in Partialmeinungen, also die
Aufgabe der Sinnes-und Geltungsanalyse der Weltgeltung oder der
Welt rein als der mir geltenden. Und des näheren die Frage, wie
Welt mit dem ständigen Sinn „des” Universums von Seienden, d.i. in
Seinsgewissheit geltenden und zu bewährenden Einzelrealien, sich
40 als seiende bewährt, mit Rücksicht darauf, dass im einzelnen Seiendes
für uns in Schein sich wandeln kann etc. Voran geht also die Klärung
der Aufgabe einer universalen Geltungsanalyse und einer Bewährungs
analyse, die das Sein der Welt für uns und letztlich für mich als sich in
ständiger Zweifellosigkeit durch Erfahrung, letztlich durch Wahrneh-
45 mung bewährende verständlich macht. Das Problem ist also das der
ständigen selbstverständlichen Gewissheit von dieser seienden Welt,
genau als der konkret für mich seienden, was ihre eigentümliche frag-
BEILAGE LIII 659
BEILAGE LIII
<DAS PROBLEM DER KONSTITUTION DES HOMOGENEN
15 UND OBJEKTIVEN RAUMES IN DER PRIMORDIALITÄT
UND DURCH EINFÜ H LUN G >
<wohl M ärz/April 1934>
II. Die zweite Frage wäre dann natürlich: Was leistet die Einfüh
lung für die Konstitution der objektiven Natur und Welt bzw. der
weltlichen Raumzeitlichkeit ? Ist der schon angedeutete Ansatz der
Beantwortung der ersten Frage richtig? Oder ist schon in der primor-
5 dialen Schichte ein homogener Raum und eine Natur mit Gleichstel
lung des Leibes und der Aussenkörper konstituiert (also im Erfahrungs
sinn schon gelegen), während die Leistung der Einfühlung für die
Konstitution der Natur in einer anderen Weise Vollendung der Objek
tivierung bedeutete, nämlich eigentlich erst das „an sich” Bestimmt-
10 sein der Körper und An-sich-sein gegenüber der wirklichen Erfahrung
möglich macht — das aber noch in Stufen der Relativität, mit grossen
Problemen? Danach hätte die Einfühlung auch jetzt, in dieser Mög
lichkeit, nicht die blosse Funktion, „Objektivität” als intersubjektive,
oder Seiendes, Welt als Welt für jedermann zu konstituieren, sondern
15 in eins damit Weg für die Konstitution einer an sich b e s t i m m t e n
Welt zu sein.
Aber das primordiale Körperfeld ist darum doch ein Feld, eine
primordiale „Welt” (Natur) sozusagen, der Raum ein Raum, eine
Raumzeitlichkeit. Also liegt in dem Gesagten, dass „Raum” in der
20 Primordialität eine erste, noch nicht „objektive” Bedeutung hat? Da
gibt es nicht sehr bequem durchzuführende, für Exaktheit nicht leichte
Deskriptionen.
BEILAGE LIV
EINFÜHLUNG UND W IEDERERKENNEN. <PAARUNG.
25 DIE APPERZEPTION MEINES LEIBES ALS KÖRPERS
ALS ERSTE VORAUSSETZUNG DER EINFÜHLUNG >
<wohl März/April 1934>12
thesen — die Felder mit ihren Optima, in welchen die Kinästhese halt
macht — Verbindung, „Verähnlichung” der Kinästhesen etc. Erfolg:
für jede hyletische Konfiguration ein geübtes vertrautes kinästheti-
sches System, also schon System des Wiedererkennens, und, wo eins
5 die Aktivität schon beschäftigt, <sind> schon die anderen Daten als
optimalisierbare und als vermöglich gleich zu behandelnde antizipiert.
Also verähnlichende Übertragung in der Koexistenz, Übertragung von
einem sich selbst Gleichen, mit sich selbst vielmehr Identischen, als
identisch immer wiedererkennbar als dasselbe, auf ein anderes mit sich
10 selbst Identisches. Ähnlichkeit von Gegenständen, von Dingen als
wiedererkennend explizierbaren als Verähnlichung der Explikation je
~im anderen; Ähnlichkeit von Werkzeugen nicht nur als Dingen, sondern
als womit man Ähnliches machen kann.
3) Mein Leib und ein anderer Leib. Da ist die Sache nicht so ein-
15 fach. Hier liegt nicht wie bei Aussendingen eine simultane Konfigu
ration vor, zuerst hyletisch und dann gegenständlich, zunächst nicht.
Zunächst ist überhaupt alle Konfiguration Konfiguration der ästhe
tischen Erscheinungsweisen und dann erst <eine> solche der Gegen
stände (Mehrheit). Hier ist die Frage, wie die ganz exzeptionelle Er-
20 scheinungsweise meines Leibes zu einer Apperzeption führen kann, in
der er als Körper im Raum so wie die Aussenkörper, also in Gleich
stellung aller Körper, aufgefasst werden kann. Danach erst kann Gleich
heit und Ähnlichkeit des Leibkörpers mit anderen Körpern erfahren
sein.
25 Das ist also die erste Voraussetzung der Einfühlung. Das zweite ist
das Verstehen des anderen Ich und der anderen gegenständlichen
Primordialität — des anderen Ich — als Verähnlichung meiner selbst
unter Identifikation der primordialen Umwelten unter Überschiebung.
Ich als Ich meiner Aktivität, meiner Affektivität, meiner Vermöglich-
30 keit der Wahrnehmung, der Erfahrung überhaupt, der instinktiven
Strebungen auf Gegenstände hin des Genusses, der praktischen Mög
lichkeiten, der Handlungen.
Mein Leib ständig identifizierend erfahren (wiedererkannt) als Or
gan, als Hand, als Fuss, als vermöglich und tuend in Funktion, als
35 Wahrnehmungsorgan, als praktisches Organ. Der fremde Körper ana-
logisierend wiedererkannt als anderer ähnlicher Körper, ähnlich ge
baut und im einzelnen wie im ganzen wiedererkannt als anderer, aber
verähnlicht als Organ.
BEILAGE LV
40 <DIE IN DER FREMDLEIBWAHRNEHMUNG IMPLIZIERTE
APPERZEPTION MEINES LEIBES ALS KÖRPERS >
<wohl M ärz/April 1934>
Was besagt nun das Verstehen des Anderen als Menschen? Die
fremde Hand ist als Körper und als „Hand", aber nicht wiedererkannt
als die ich bewegen kann greifend, tastend, schreibend etc., als wo
durch ich wahrnehmen etc. kann. Ein Körper ist wiedererkannt, als
5 worauf ich die Augen hinwenden, als was ich optisch explizierend in
seinem Sosein zunächst von der Ferne auslegen, was ich herankommend
schliesslich in voller Nähe sehen, auslegen und ganz unmittelbar
berühren, ergreifen und nun unmittelbar auch behandeln kann. Ich
erkenne aber den Körper als „anderen” Leib, als fremde Hand, als
10 Verähnlichung „meines” Leibes. Jede meiner vermöglichen Bewegun
gen und meiner vermöglichen leiblichen Tätigkeiten ist implicite mit
umphantasiert, wenn ich mich in der Phantasie versetze, als der <ich >
von hier dorthin gegangen wäre. Im Wiedererkennen des Körpers dort
als Analogon meines Leibes liegt Wiedererkennen desselben als eine
15 der Weisen, wie mein Leib als Körper für mich aussehen müsste, wenn
er eben Körper wie andere, wenn er, wie im einzelnen der Hand, des
Fusses etc. (in einigem Masse vertraut), so im ganzen perspektivierbar
wäre und in perspektivischer Erscheinungswandlung der Entfernung
genau in dem totalen Stil wandelbar gedacht würde so wie irgendein
20 Nahkörper der nächsten Nahsphäre. Alles perspektiviert sich frei in
seiner Totalsphäre (der Form), nur mein Leib nicht, abgesehen von
seinen Besonderheiten als Träger der Empfindlichkeiten etc. Aber
kann <ich> mir die Perspektivierung nicht sehr wohl vorstellen?
Freilich, jedes andere Ding, sich perspektivierend, hat in seiner Ap-
25 perzeption impliziert meine Vermöglichkeit in bestimmter Weiäe: Die
Perspektivierung ist entweder Entfernung-Näherung oder „ich bewege
mich”, deutlicher, die Perspektivierung, die statthat, kann gewandelt
werden in meiner Vermöglichkeit, und zwar so, dass hier eine Gezetz-
mässigkeit statthat, wonach Ruhe und Bewegung, damit in eins qua-
30 litative Wandlung des Körpers, ihren Sinn erhält. In der Vorstellung
meiner Hinbewegung als der meines körperlichen Leibes von hier dort
hin, und zwar in einer Vorstellung ganz von der Art derjenigen eines
äusseren Körpers, hegt also ein Widerspruch gegen den einheitlichen
Sinn einer Körperlichkeit als meiner Leiblichkeit. Die perspektivieren-
35 de „Bewegung” meines Leibes, die ständig konstitutiv fungiert, um
Raumbewegung, Bewegung von Aussenkörpern zu konstituieren, ist
nicht selbst ursprünglich vorstellig als Raumbewegung, obschon die
Organe des Leibes und schliesslich der ganze Leib schliesslich räumlich
erfahren werden, also als das konstituiert sind. Das sagt aber: So wie
40 „Raum” in ursprünglicher Konstitutionsstufe befindlich ist, gehört ihm
zu Bewegung, eigentliche räumliche Bewegung nur für Aussenkörper,
nicht für den Leib, für Leibesglieder wohl, aber wesentlich beschränkt.
Wie kann eine solche Vorstellung <meiner Hinbewegung >motiviert
45 sein ? Sowie ich mich als Körper auffasse in Verähnlichung mit Aussen
körpern als den erstkonstituierten1, ist mitaufgefasst das räumliche
1 „als den erstkonstituierten” hat Husserl nachträglich eingeklammert und mit
einem Fragezeichen versehen. — Anm. d. Hrsg.
BEILAGE LVI 663
Sein in Ruhe oder Bewegung, und darin liegt die Erfahrbarkeit durch
freie Perspektivierung, die nur faktisch gerade nicht statthat. Nun ist
die selbstleibliche Erfahrung ausgebildet von einer Art, dass sie in
Richtung auf den Leib als ihr Ontisches ein einheitliches Vorstellungs-
5 bild liefert von derselben Art wie ein Oberflächennahding. Ein Ober
flächennahding, das ist eine eigene Konstitution in Perspektive und
Orientierung und fundierend für die Konstitution des Körpers als in
Entfernung-Näherung identisch seiend, im Identitätsmodus wiederer
kennbar. Die Oberflächennahdingapperzeption meines Leibes kommt
10 freilich nicht ganz in der Weise zustande wie die eines Oberflächen-
aussennahdinges überhaupt, das mir gegenübersteht, das ich um
drehen kann etc. Ich habe aber auch Nahdinge, die zum Teil in ähn
licher Weise unsichtbar sind (durch meinen Leib verdeckt) wie mein
Leib selbst, die mit meinem Leib fest verbundenen, meine Kleider,
15 was ich in meinen Taschen habe. Das Ausziehen der Kleider ist nicht
eine blosse Wahrnehmung wie <diejenige>, die sonst Oberflächendinge
ergibt.
BEILAGE LVI
ZUR PHÄNOMENOLOGIE DES AUSDRUCKS. AUCH RELEVANT
20 FÜR DIE LEHRE VON DER EINFÜHLUNG. OBJEKTIVITÄT
DES KÖRPERS, OBJEKTIVITÄT DES „AUSDRUCKS” ,
DER AUSDRÜCKENDEN MOMENTE AM KÖRPER
(K appel, 9. Septem ber 1935)
1 Diese Reden sind bedenklich: die Oberfläche ist real, die Aussenansicht des
Dinges ist nicht real, ist des Wahrnehmenden, sein eigentlich Wahrgenommenes als
solches.
2 In der Einstellung auf den realen Körper kann ich diesen auf wahrnehmende
Personen beziehen, und zwar hinsichtlich dessen, was sie von ihm eigentlich wahr
nehmen und wie das eigentlich Wahrgenommene vom Körper sie m o t i v i e r e n
kann zur Einfühlung.
BEILAGE LVI 665
Z E IT IG U N G — M O NA D E
(21./22. Septem ber 1934)
Die Prinzipien der Anordnung und Behandlung der Texte, die in der drei
bändigen Edition von Husserls Nachlasstexten zur Phänomenologie der Inter
subjektivität Aufnahme fanden (die Bände X I I I , X I V und X V dieser A u s
gabe), wurden schon im ersten dieser drei Bände dargelegt: der Leser sei daher
auf den Abschnitt ,,Z u r Textgestaltung” in Husserliana X I I I , S. 487)).
verwiesen.
Die wichtigste Manuskriptunterlage des vorliegenden Bandes ist das K on
volut E I 4. Dieses 1 8 3 Blätter zählende Konvolut hat Husserl in den dreissiger
Jah ren angelegt. Sein Gesamtumschlag enthält folgende Angaben: A ugust
1931 (auch Januar 1932 ?). Zur Lehre von der Einfühlung, auch auf Grund
genauer Leibanalysen. — Apodiktizität des ego —Apodiktizität der Inter
subjektivität. Einiges zur besseren Klärung des Begriffs der Primordialität.
Monadologie. Einfühlung. Diese Angaben sind jedoch nicht vollständig,
sondern betreffen nur einen Teil des Konvolutinhaltes. Denn nicht bloss
enthält das Konvolut noch mehrere Texte bis zum Jahre 19 3 4 , sondern in ihm
befinden sich auch eine grosse Anzahl Blätter aus dem vorangehenden J a h r
zehnt (veröffentlicht in Husserliana X I I I und X I V ) . Wahrscheinlich hatte
H usserl in diesen Umschlag vorerst nur die besonders umfangreichen und
gewichtigen Texte über die Problematik der Einfühlung und die Apodiktizität
der Inter Subjektivität aus August) September 1 9 3 1 {vgl. oben die Texte N r. 1 5,
1 7 , 1 8 und Beilage X I X ) und aus dem Ja n u a r 19 3 2 (vgl. oben den Text N r.
2 8 und die Beilage X X V I I I ) gelegt und ihnen dann im Laufe der Zeit
weitere Manuskripte über das Thema des Inter Subjektivität beigefügt, seien
es neu geschriebene Texte, seien es solche älteren Datums, die ihn damals für
diese Problematik noch besonders interessierten. So entstand wohl dieses für
das Thema der Intersubjektivität weitaus wichtigste Konvolut aus den dreissi
ger Jahren. Innerhalb des Konvolutes sind jedoch die verschiedenen M anus
kripte nicht nach einem chronologischen oder sachlichen Prinzip geordnet,
sondern zufällig zusammengelegt.
Über die weiteren Manuskriptkonvolute, aus denen Texte in den vorliegen
den B a n d aufgenommen wurden, wird jeweils bei den textkritischen Anm er
kungen zu den betreffenden Texten Auskunft gegeben.
T E X T K R IT IS C H E AN M ERK U N G EN
Vorbemerkung
N r . I (S. 3 - 21 )
Der Text dieser Nummer fusst auf den B l. 8 4 -9 7 des Konvoluts F I I 5. In
diesem Konvolut befindet sich das stenographische M anuskript der ^beiden
Vorträge, die Husserl am 23. und 23. Februar 19 29 an der Sorbonne in Paris
hielt, wie auch die erste, stenographische A usarbeitung dieser Vorträge zu den
, .Cartesianischen Meditationen” {die Pariser Vorträge und die ,,Cartesiani
schen Meditationen” in der Fassung, in der sie der französischen Übersetzung
zugrunde lagen, sind in Husserliana I veröffentlicht; über das Verhältnis
zwischen den Pariser Vorträgen und den verschiedenen Umarbeitungsstufen
der ,,Cartesianische Meditationen” gibt der Abschnitt ,,Z u r Textgestaltung”
in Husserliana I, S. 2 2 iff. Auskunft; in diesem Abschnitt befindet sich auch
eine genaue Beschreibung des Konvolutes F I I 3). Die B l. 8 4 -9 7 tragen von
Husserls H and eine eigene Numerierung: B l. 84 ist als 1—3 bezeichnrt, und
die folgenden B l. sind kontinuierlich bis 16 beziffert. Der Text dieser 1 4 B l. ist
in Tinte geschrieben. E r weist ausserordentlich viele Korrekturen auf, die
schon bei der ersten Niederschrift selbst entstanden sein dürften und ein grosses
Zögern in der Formulierung verraten. Zudem ist er noch leicht m. Bleist.
überarbeitet. B l. 84 hebt mit einer genauen Abschrift des Textes der Pariser
Vorlesungen an, der im M s. auf B l. 22 des Konvolutes F I I 3 steht und in
Husserliana I auf S. 33, Zeile 39 bis S . 34, Zeile 6 abgedruckt ist. Auch der
erste in der vorliegenden N r. 1 wiedergegebene Satz stimmt noch weitgehend
mit dem Text der Pariser Vorträge überein {vgl. Husserliana I, S. 34, Zeilen
7 —8). Der Text dieser Nummer ist zwischen dem 1 3 . M ärz und 6. A p ril 19 29
geschrieben worden {vgl. die Einleitung des Herausgebers zum vorliegenden
Bande, S . X V I ff.).
TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN 675
tur: Es muss gezeigt werden, wie die sinnliche Ähnlichkeit des Kör
,,dort” mit dem Körper, der als mein Leibkörper die Sinnesschichte^dIS
Beseelung, zunächst der spezifischen Leiblichkeit (des darin ichlicl
Waltens und Waltenkönnens) trägt, wie es Nullobjekt der ,,unt ihn herum
orientierten” erscheinenden Welt wird, also wie der Auffassung 'ene
Körpers der Sinn „mitdaseiender Leib als Nullglied einer primordinal hon
stituierten eigenheitlichen Welt mit dem zugehörigen Ich und Bewusst
seinsleben” zunächst, aber das alles als mitseiend „appräsentiert”
14,38 nach erste im M s. m. Bleist. gestrichen; sozusagen für es die Ur
15,7 gegenwärtig E in f. m. Bleist. || 15 , 11-13 die das als unterschieden bi
bringt E in f. |[ 16,33 anstatt in ihm im M s .: in ihr [| 17 , 1-2 in ursprünglich
ster Weise erfahren durch vergegenwärtigende „Bekundung” V. far .
spiegelt” || 17,14 nach andere im M s. gestrichen: (transzendentale) II
wird. Wohl der grössere Teil dieser im Herbst 1929 zu einem Konvolut zu-
sammengestellten Manuskripte wurde nicht erst damals geschrieben. So trifft
wohl für das erste Stück des als Nr. 2 hier abgedruckten Textes (bis S. 33,
Zeile 31) das Datum zu, das auf seinem ursprünglichen Umschlag (in B II 4)
steht: 1926 Demgegenüber ist wahrscheinlich die Fortsetzung (S. 33, Zeile 32
bis S. 38, Zeile 2), deren Ms.-Blätter sich im Charakter der Schrift und durch
eine eigene, zusätzliche Numerierung (von I bis I I I ) deutlich abheben, und der
Text des Abschnittes b (S. 38ff.) erst 1929 entstanden. Die Ms.-Blätter ent
halten am Rande einige Ergänzungen m. Bleist., Inhaltsangaben in Blaust,
und zahlreiche Unterstreichungen in Blaust, u. Rotst.
2 2 ,2 -5 Titel auf dem Umschlag des M s. || 22,7—9 Randtitel m. Blaust. ||
2 2,13-18 von wie sie erkannt werden kann bis Zwecken geinäss Erg. m.
Bleist. || 23,4 anstatt diesen im M s.: diesem || 24,3 Dingwahrnehmung
Bleist. -V . für Wahrnehmung || 2 4 ,9 -1 0 kontinuierliche Wahrnehmungs
richtung auf das wahrgenommene Objekt Rb. || 25,32 anstatt so mit im M s.:
somit || 26,1 Randtitel m. Blaust. || 26,23 anstatt in eins im M s.: in eins
eins || 26, Anm. Rb. m. Bleist. || 27,4 anstatt wie ein anderes im M s.: wie ich
anderes || 27,20-21 anstatt in meiner Erfahrungswelt im M s .: zu meiner Er
fahrungswelt || 28,9 anstatt erfahren im M s.: zu erfahren || 28,13 Anführungs
zeichen bei „Objektivität” m. Rotst. || 29,2 nach originale im M s. gestr.:
Alles erdenkliche erkenntnismässige Dasein fremder Subjekte muss sich
so erkenntnismässig vollziehen für mich und wie für mich (wenn ich schon
fremder Subjekte in dieser Art in konsequenter Bestätigung gewiss bin) in
ihnen selbst als Subjekten. || 29,8 „Vorstellungen” bzw. Vorstellungen
V. für Vergegenwärtigungen || 29,9 evtl, ein genetisches E in f. || 29,32 A n
führungszeichen bei „Theorie der Einfühlung” m. Blaust. || 30,37-38 nach
Andere gestr.: für sich selbst || 31,32 Randtitel m. Blaust. || 32,6 als E in f. m.
Bleist. |[ 32, Anm. Streichung m. Bleist. || 3 3 , 18 Anführungszeichen bei „vor”
m. Blaust. || 33 ,3 6 -3 7 Randtitel m. Blaust. || 34,37 anstatt das normal seiende
Ich im M s .: dem normal seienden Ich || 35,1 anstatt kann im M s .: könne ||
35,38 anstatt sein eigenes Sein im M s .: ihr eigenes Sein || 36,5 nach und m.
Bleist. gestr.: nur ich || 37,38 anstatt besteht im M s .: gehört || 3 8 ,6 -7 Titel
m. Blaust, auf dem ersten der beiden als a bzw. b bezeichneten B l.; darunter
noch die Bemerkung in Blaust.: gut || 38,8—11 Diese Sätze sind im M s. wohl
irrtümlicherweise zusammen mit seinem ganzen ersten Absatz m. Tinte u.
Blaust, gestrichen; andererseits sind sie durch einen senkrechten Doppelstrich
und durch Unterstreichung m. Rotst. vom übrigen Text des gestrichenen A b
satzes abgehoben. Der vorangehende Text dieses Absatzes lautet: Auf der
einen Seite hätten wir das äusserste Randproblem der Möglichkeit eines
Urschlafes, der zum Erwachen führt, also eines urschlafenden Ich, das
nichts kann, nichts hat, nichts als Seiendes zeitigt, auch für sich selbst
nicht als „irgend etwas”, als Seiendes gezeitigt ist, also „nichts” ist, und
doch als Limes der Enthüllung der Konstitution von Zeitigung und von
Mannigfaltigkeiten des gezeitigten Seienden und so auch <als> Limes der
Tuns- und Könnenssubjektivität nicht absolute axsp^aic; ist; ein Gegen
wurf des Seins als Subjektseins und Subjektlebens und von Vermögen, der
durch den Gegenwurf der konstitutiven Genesis, durch die Antigenesis
678 TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN
N r . 3 (S. 40-50)
Der Text der Bl. 1 9 —2 5 aus dem Konvolut B I I I 1 , aus dem auch der Text
der Beilage I des vorliegenden Bandes stammt. Der Umschlag dieses 3 2 B l.
umfassenden Konvolutes enthält neben der Inhaltsangabe, die oben, S. 4 0 ,
Anm . wiedergegeben ist, das Datum Ende Oktober 1929 bis 4. November
und den Blaust. -V ermerk: 1—18 und A i— A 4 , wichtig. XRr. Dazu gehörig:
Seinsvorzug des Vernunftmenschen ist behandelt in wichtigen Ausführun
gen in Konvolut XR. Das Konvolut B I I I 1 besteht aus drei zusammen
hängenden Texten: 1 . einem Text, dessen B l. m. Blaust, von 1 bis 18 durch
numeriert sind, dazu aber noch einige eingeschobene B l. enthält, so dass er im
ganzen 2 4 B l. umfasst; 2 . einem Text aus zwei B l., der in der Beilage I des
vorliegenden Bandes wiedergegeben ist; 3 . einem Text aus vier B l., die als Ai
bis A 4 bezeichnet sind. — Die N r. 3 des vorliegenden Bandes gibt die sechs
letzten B l. des ersten Textes wieder, die m. Blaust, von 13 bis 18 durchnume
riert sind. Sie sind mit Tinte u. Bleist. überarbeitet.
40,9-11 meiner bis Modifikationen E in f. m. Bleist. || 40,15-16 Phantasie
möglichkeiten von Könnensmöglichkeiten E in f. m. Bleist. || 41,15 möglich
V. für denkbar || 43,4—10 Apodiktisch ist auch bis Welt). Erg. ]| 43,7 anstatt
der Erfahrungen meines im M s .: der Erfahrungen meiner || 43,37 bzw.
mehrere E in f. m. Bleist. || 44,15—16 der beiden transzendentalen bis
Menschensubjekte Erg. || 44,24 anstatt ihm im M s .: ihr || 44,38-^15,5 ist
nicht nur bis intersnbj ektiv konstituiert V . für leistet seine wirklichen und
möglichen Beiträge, sie zu bestimmen, und zwar als intersubjektive, als
die für mich als intersubjektive Geltung hat. || 45,22 anstatt eine auf es
im M s. einen auf ihn || 45,23 Sinnesvorzeichung B le ist.-V . für Sinnesform ||
46,4 anstatt konstituierendem im M s .: konstituierender || 46,18 nach nicht
nur die m. Bleist. gestr.: schon fertigen |[ 46,36-^17,3 Einerseits bis Ende des
Absatzes E in f. || 46, Anm. Rb. m. Bleist. || 5 0 ,3 -4 1) Erwachen vom Schlaf
E in f. m. Bleist. || 50, 8 —lOKann ein niederstes bis Ende des Absatzes Erg. ||
und der ihn im Ms.: auf es und der es ]] 51,47-52,6 Zu den Wesensmöglich-
keiten bis Ende des Absatzes Erg. ||
N r . 5 (S. 70-77)
Der Text der Bl. 3 - 7 des Konvolutes B I I 1 3 , aus dem auch die Beilage
X X X von Husserliana V III stammt. Der Umschlag dieses 1 9 Bl. umfassen
den Konvolutes trägt die Aufschrift: B II 15. Ad I. M editation. Zur R eduk
tion. Ausser den Bl. 1 3 - 1 7 , die etwas älteren Datums sein dürften, stammen
alle Blätter wohl aus der Zeit um 1 9 3 0 . Bei den in der vorliegenden Nummer
wiedergegebenen Bl. 3 - 7 handelt es sich nicht um einen einzigen kontinuier
lichen Text, sondern um vier inhaltlich und chronologisch eng zusammenge
hörige Texte, die in der vorliegenden Wiedergabe als a, b, c und d bezeichnet
wurden. Ihre Reihenfolge entspricht nicht ganz der Reihenfolge der Manu-
skriptbl. im Konvolut; hier hegen sie in der Ordnung a, d, b, c. Die Bl. sind m.
Tinte, Bleist. u. Blaust, überarbeitet. Die Texte a, b und c sind m. Blaust, als
gu t bezeichnet.
70,6 der zweite Teil des Titels m. Blaust, am Rande || 70,24 auch das
Transzendentale des alter ego E in f. m. Bleist. || 70, Anm . 2 Erg. || 71,2 am
Anfang des Absatzes m. Bleist. eingefügt: zu a) || 71,5 Ebenso seine pri
mordial reduzierte ~WeltEinf.ni. Bleist. || 71,32 gegenüber anderen E in f. m.
Bleist. II 72,25 = habituell E in f. m. Bleist. || 72,29-30 Generalthesis Rb. m.
Blaust. II 72,35 vor die in der im M s. noch: die sich an || 72,37 unbedingt
E in f. m. Bleist. || 72,39 unbedingt universalen E in f. m. Bleist. || 73,1 nach
durchführenden eingefügt, aber m. Blaust, gestrichen: und doch noch er
fahrenden und urteilenden || 73,1-3 Ich beanspruche bis zu können E in f. ||
73,12-16 Dieser Absatz ist eine Erg. m. Bleist. || 73,17 der erste Teil des Titels
m. Blaust, am Rande || T i,29 monadisch E in f. m. Bleist. || 73,30 phänomeno-
logisierenden B le is t-V . für phänomenologischen ; monadisch eigene E in f.
m. Bleist. || 73,33 primordial E in f. m. Bleist. || 73,34— 35 den Ichpol bis
Erlebens V. für in eins mit dem für es Subjektiven, in eins m it seinem un
mittelbar einen Leben || 73,37 primordial E in f. m. Blaust. || 74,2 A n
führungszeichen bei „verbunden” m. Blaust. || 74,23 Anführungszeichen bei
„ in ” m. Blaust. || 74,34 Titel m. Blaust. || 74,36 als wirkliches ego —Monade
E in f. m. Blaust. || 75,8 (evtl, aber auch gelegentlich als das) E in f. m.
TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN 681
Blaust. || 7 5,15-17 darin bis primordialen Erfahrung Einf. || 75,27 und dann
auszuweisende Einf. m. Bleist. || 7 5,30-32 nur eben bis S ubjektivität Einf. ||
75,36 All V. für „ W e lt” ]] 76,1 8 -2 4 dieser Absatz ist eine Erg. |l 76,25 ad
Fünfte M editation m. Blaust. || 76,26 Anführungszeichen bei „konkrete”
m. Bleist. || 76,26—27 die durch Prim ordialität konstituierte M onade Einf.
m. Bleist. || 76,27 im. zw eiten Sinn konkrete Einf. m. Bleist. || 76,28 A n
führungszeichen bei „verb u n d en e” m. Blaust. ||
N r. 6 (S. 81-90)
Der Text der Bl. 3 0 —3 3 aus dem Konvolut E I 4 ( vgl. zu diesem Konvolut
den Abschnitt ,,Zur Textgestaltung”, oben S. 6 7 3 ). Diese sechs Blätter liegen
in einem kleinen Sonderumschlag, der in Tinte die Angabe trägt: Aus TT
(A ugust 1930). Zur Lehre von der Frem derfahrung; dazu m. Blaustift:
E infühlun g. Sie sind mit Bleistift von 15 bis 20 durchnumeriert. Sie stammen
aus einem Zusammenhang von ursprünglich 2 3 durchnumerierten Blättern,
die Husserl später in drei Gruppen aufgeteilt hat: Die ursprünglich von 1 bis
13 bezifferten Blätter befinden sich heute im Konvolut C 4 (Bl. 2 - 1 3 die
Blätter 14 und 21 bis 23 liegen im Konvolut C 6 (Bl. 2 - 3 ) und sind von einem
Sonderumschlag mit folgender A ufSchrift umschlossen: Aus TT (August 1930).
E rster A nfang eines m ethodischen Abbaus der urphänom enalen Gegenwart
zugleich als M ethode des Abbaus der vorgegebenen W elt als solcher und
der R ückfrage auf die su b jek tiven E rscheinungsw eisen an Stelle der M etho
de einer O ntologie der E rfahrungsw elt und dieser als transzendentaler L eit
faden. U rstrukturen der lebendigen G egenw art. H yle, ichliche Struktur.
P rim ordialität etc. Stufen der Z eitigung <:> Urzeitigung, N aturzeitigung,
682 TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN
N r . 7 (S. 99-110)
Der Text der Bl. 1 0 - 1 6 aus dem Konvolut C 3 . Dieses 8 2 Bl. umfassende
Konvolut enthält sechs Sonderbündel mit je einem besonderen Umschlag. Der
Gesamtumschlag trägt die Aufschrift: I. U r s t r ö m e n d e G e g e n w a r t .
W eltzeitigung durch Z eitm odalitäten. Zeitigung III. C 3. Der Umschlag des
ersten Bündels, dessen Schlussblätter die in dieser Nummer wiedergegeben Bl.
1 0 —1 6 bilden, enthält, zuerst in Blaust, u. Bleist., folgende Angaben: (darin
auch Chiavari) . S t r ö m e n d e l e b e n d i g e G e g e n w a r t . 1930, Sommer
und H erbst. Durchsehen z. A. <zur A usarbeitung > I. Weiter in Tinte, aber
m. Blaust, gestrichen: 1) Zwei B lätter: E ine radikal durchgeführte R eduk
tion auf die urström ende G egenw art ist äq uivalent m it transzendentaler
R eduktion. 2) E. In der transzendentalen R eduktion: A nalyse des Gehalts
der ström end lebendigen G egenwart. W ahrnehm ung und V ergegenwärti
gung. H orizont. <Blatt> 6 | , A ussen- und Innenhorizont. <Blatt> 7, K on
krete G egenwart und das U r-Jetzt („reine” Gegenwart). E igentliche W ahr
nehm ungsgegenw art v o n der W elt. Innenhorizont des w eltlich Erfahrenen.
<Blatt> 8 , Seitengegebenheit. P hänom en der E inheit desselben der ver
schiedenen Seiten. Perspektive. Seiende V ergegenwärtigungen. Seiender
E rlebnisstrom . Im m anente Zeit. <Blatt> 10, die G egebenheitsw eise der
W elt in der urphänom enalen G egenwart zw eischichtig, 1) primordiale
Schicht (als Schichte in der G egenwart), 2) die Anderen und Gegeben
heitsw eise der W elt durch die A nderen. Die nach <Blatt> 10 folgende A n
gabe ist durch eine geschweifte Klammer in Grünst, umfasst und mit der Be
merkung, ebenfalls in Grünst., versehen: B egriff des transzendentalen ego
684 TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN
N r . 8 (S. 1 1 1 - 1 1 6 )
Der Text der B l. i j —20 des Konvolutes B I I I n . A u f dem Umschlagblatt
{ i j2 i ) dieses 2 1 B l. zählenden Konvolutes steht der Vermerk: Anfang D ezem
ber 1930. 15 B lätter und B i - B 3. N ich t gut, unbrauchbar. Die hier wieder
gegebenen B l. i j —20 tragen m. Blaust die Bezeichnungen B i bis B 4 . D a das
Blatt B 4 nicht später geschrieben ist als die vorangehenden Blätter B i bis B 3,
ist anzunehmen, dass Husserl bei der Angabe auf dem Umschlagblatt das
Blatt B 4 übersehen hat. A u f dem ersten jener 15 B lätter, die den hier wieder
gegebenen Blätter B i—B 4 im Konvolut vorausliegen, steht als Inhaltsangabe:
In der schon transzendentalen E in stellu n g A uslegung des apodiktischen
ego hinsichtlich des Phänom ens „ W e lt” — der W elt als transzendentales
cogitatum. —Alle Blätter des Konvolutes sind m. Bleist. überarbeitet.
111,7 anstatt w as im M s .: wie || 1 1 1 , 8 - 9 erfasst, aber auch verw ertet V.
für: für m ich m itfungiert für m eine „W eltvorstellung” , für Sein und Sosein
der W elt, die für m ich zu beständiger G eltung kom m t || 1 1 1 , 1 0 dass ich
erfahre oder gew iss werde E in f. m. Bleist. || 1 1 1 , 1 3 anstatt sow eit im M s .:
solange || 1 1 1 , 1 9 für m ich zur G ew issheit kom m t, dass E in f. m. Bleist. ||
1 1 1 , 2 8 - 2 9 m einem E in f. m. Bleist. || 1 1 1 , 3 0 nach sind m. Bleist. gestr.: eben ||
1 1 2 ,5 - 6 Anführungszeichen bei „U nreinheit” und „ N a iv itä t” m. Bleist. ||
1 1 2 ,9 - 1 0 oder in ihm w altendes E in f. m. Bleist. || 1 1 2 ,1 6 —18 Ich habe bis
vorgegebenen) B leist.-V . für Ich habe als Zuschauer m ich selb st und die
686 TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN
N r . 9 (S. 117-131)
Der Text der Bl. 4 - 1 3 aus dem Konvolut E I 4 (vgl. zu diesem Konvolut den
Abschnitt ,,Zur Textgestaltung”, oben S. 6 7 3 ). Diese zehn Blätter liegen zu
sammen mit zwei weiteren, von denen das erste in der folgenden Beilage VI
abgedruckt ist, in einem Sonderumschlag, der folgende Angabe enthält: 10
B lätter, w ohl Dezem ber 1930. Phänom enologische Reduktion, p. 9/10
Zur b e sse r e n K lä ru n g des B e g r iffs der P r im o r d ia litä t.
Auf dem ersten dieser zehn Bl. steht nochmals in Bleistift und mit Tinte nach
gezogen: w ohl D ezem ber 1930. Diese Blätter tragen den Briefkopf ,, Jahrbuch
für Philosophie und phänomenologische Forschung”, was Husserls Datierung
des M s. bestätigt, da er hauptsächlich Ende ig 3 o und Anfang ig 3 i solches
Briefpapier als Konzeptpapier für seine philosophischen Meditationen ver
wendete. Sie sind mit Bleistift von 1- bis 10- durchnumeriert.
117,5-6 Titel auf dem Sonderumschlag |[ 117,25 nach vorausgesetzt ist
gestr.: Es ist nicht eine A bstraktion ]| 118,36 anstatt appräsentiert im Ms.:
appräs || 120,4 nach ist in gestr.: erster und || 120,18-121,5 Diese beiden Ab
sätze stehen im Ms. zwischen eckigen Klammern || 124,27-29 Hierbei gilt
bis wieder Erg. || 125,32 am Anfang des Absatzes im Ms.: 1) || 127,29 anstatt
v o n der im Ms.: von den || 127, Anm . Erg. || 129,13 nach auf m eine gestr.:
prim ordiale || 129,16 Randtitel || 130,26-27 anstatt transzendent-im m anent
im Ms.: transzendent-Im m anenz. |l
N r . 11 (S. 148-170)
D er Text der B l. 2 —1 6 aus dem Konvolut C 1 1 , aus dem auch die Beilage X
des vorliegenden Bandes stammt. Dieses 70 B l. umfassende Konvolut besteht
aus fünf Sonderbündeln, die alle aus den dreissiger Jahren stammen und
deren erstes in dieser N r. 1 1 wiedergegeben wird. Der Umschlag dieses Sdnder-
bündels trägt in Blaustift den Vermerk: 15 B lätter, 1 = ff. sowie den Titel und
die Inhaltsangabe, die oben S . 1 4 8 , Zeilen 5 - 6 bzw. 8 —1 1 abgedruckt sind. Die
l g B l. sind mit Blaust, von 1 = bis 1 5 = dxirchnumeriert. A u f dem ersten der
B l. steht mit Bleistift die Zeitangabe: 1933 ? Dieses von Husserl selbst nur als
fraglich angesetzte Datum dürfte nicht zutreffen. Nach Schrift, Stil und Inhalt
ist der Text etwas früher anzusetzen. Einen ziemlich genauen Hinweis dafür
gibt das benützte P apier: es enthält den Briefkopf ,, Jahrbuch für Philosophie
und phänomenologische Forschung” . Während Husserl 1 9 3 3 solches Papier
nicht mehr gebrauchte, benützte er es vor allem Ende 19 3 0 und Anfang 1 9 3 1
{vgl. die textkritischen Anmerkungen zur Beilage I V und zu N r. 9 ). A u f der
Rückseite des Umschlages befindet sich zwar ein Poststempel vom 2 3 .1 1 .3 3 ,
der vielleicht Husserl zu jener Datierung bewogen hat, aber die B l. dürften
wohl eher bei Gelegenheit einer späteren Lektüre in diesen Umschlag gelegt
worden sein. Sie weisen nämlich zahlreiche Spuren wiederholter Durchsicht
auf: eine starke Überarbeitung mit Bleistift und Unterstreichungen in Blei-,
B la u - G rün-und Rotstift.
148,18. dabei E in f. m. Bleist. || 148,22 Besondere E in f. m. Bleist. || 149,
6-8 Streben bis Ende des Absatzes E in f. || 149,11 anstatt P assivität im Ms.
nochmals: A k tiv itä t || 149,28 vor D as Sein der W elt im M s .: 1) ]| 151, Anm.
Rb. m. Bleist. || 152,1—2 des Ich Bleist.-V. für eines Ich || 152,5 anstatt des im
M s. m. Bleist. gestr.: eines || 152,16-17 des verschiedenen Sinnes und der
Sinnes Voraussetzungen E in f. m. Bleist. || 152,17—18 evidente, aber und
TEX T K R IT ISC H E ANM ERKU NG EN 691
evidente Einf. m. Blaist. |j 152, Anm. Rb. [| 153,20 anstatt das Sein im Ms.:
des Seins || 153,35 vor Menschen gestr.: transzendentalen ego || 154,12-13
Aber ist bis Ende des Absatzes Einf. || 154,22 Menschliche Einf. m. Bleist. ||
154, Anm . Rb. m. Bleist. || 155,27 vor auf raum zeitliche im Ms. evtl, gestr.:
und || 155,29 die transzendentale Bleist.-V . für eine transzendentale |
155,35 Anführungszeichen bei „ W e lt” m. Bleist. || 155, 3 6 -3 7 Aber das ist
keine W elt im eigentlichen Sinne. Einf. m. Bleist. || 155,38 konkretere Einf.
m. Bleist. || 156,5 ausgelegt, das wäre Einf. m. Bleist. || 156,13 anstatt sehen
im Ms.: sieht || 156,14 Randtitel || 156,25 der M itgegenwart Einf. m. Bleist. ||
157,7 Erscheinungsw eise Bleist.-V . für Erscheinung || 157, Anm . Erg. ||
158,11-12 anstatt erfahrend im Ms.: zu erfahren || 158,26-30 Das aber
bis Ende des Absatzes Einf. || 158,33—35 und welche bis verstellbar Einf. ||
1 6 0 .1 7 - 18 transzendentalen bzw. transzendentale Einf. m. Bleist. || 160,21-
22 konkrete transzendentale Logik Einf. m. Blaust. || 160, A nm . Erg. m.
Bleist. || 161,9 absolute Einf. |[ 161,24 W elchen Sinn das h at und haben
darf Einf. m. Bleist. || 161, Anm . Erg. m. Bleist. || 162,2 anstatt mir im Ms.:
ihm || 162,10 transzendental-m onadisch verstanden Bleist.-V. für tran
szendentale || 162,14 transzendental reduziertBZeish-F./wr transzendentale,[
1 6 2 .1 8 — 21 die Klammern m. Bleist. eingefügt || 1 6 2 ,2 4 jeder E in f. m. Bleist. ||
162, Anm . Rb. m. Bleist. || 1 6 3 ,8 unserer M enschheit E in f. m. Bleist. |[ 1 6 3 ,1 8
sowie sie m. Bleist. gestr. || 1 6 3 ,2 1 - 2 6 und zunächst bis alles nicht gilt?
E in f. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 1 6 3 ,3 7 anstatt h at im M s .: hatte ||
1 6 4 ,3 7 anstatt dazu im M s.: das || 1 6 4 , Anm . Rb. m. Bleist., m. Tinte nach
gezogen || 165 , A nm . Rb. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 1 6 6 ,6 - 7 anstatt
psychische W esen im M s . : psychisches W esen || 1 6 6 ,1 3 als m eine Bleist.-V.
für in || 1 6 6 ,1 4 als das E in f. m. Bleist.; Anführungszeichen bei „in ,der’
w irklichen W e lt” m. Bleist. || 1 6 6 ,1 8 Anführungszeichen bei „W elt” m.
Bleist. || 1 6 6 ,1 8 - 1 9 Anführungszeichen bei „Erscheinungsw eisen” und
„B ew usstseinsw eisen” m. Bleist. eingefügt || 1 6 6 ,2 1 Anführungszeichen bei
„E rscheinungsw eisen” m. Bleist. || 1 6 6 ,2 3 Erfahrung als E in f. ni. Bleist. ||
1 6 6 ,2 4 vor Seinssinn m. Bleist. gestr.: ganzen || 1 6 6 ,3 2 Anführungszeichen bei
„d er” E in f. m. Bleist. || 1 6 6 ,3 3 M enschen E in f. m. Bleist. || 1 6 6 ,3 4 —3 5 oder
erscheinungsm ässige E in f. m. Bleist. || 1 6 6 ,3 5 - 3 6 bzw. unseren W elter
scheinungsw eisen E in f. m. Bleist. || 1 6 6 ,3 8 - 1 6 7 ,2 W elt schlechthin bis Ende
des Absatzes E in f. m. Bleist. || 1 6 7 ,6 nach fungieren können, m. Bleist. gestr.:
Zum indest doch die höheren Tiere w ie A ffen, Pferde, H unde usw. || 1 6 7 ,3 2
nach habe ich, im M s. noch: der ich || 1 6 8 ,9 - 2 9 Vor der Veränderung m.
Bleist. (z.T. m. Tinte nachgezogen) lautete dieser Absatz wie folgt: Besinne ich
m ich nun, w as da für m ich jew eils als seiende W elt in E instim m igkeit gilt,
so kom m e ich auf m eine W ahrnehm ungsfelder, auf m eine Felder der Er
innerung als m eine früheren W ahm ehm ungsfelder und so für die Zukunft
auf künftige eigene W ahrnehm ungsfelder: das alles aber zur E inheit der
Erfahrung als m einer originalen sich verknüpfend und die W elt als von
mir erfahrene konstituierend. D ie W elt m einer originalen Erfahrung enthält
andere M enschen, deren körperliche Leiber ihr wirklich wahrnehm ungs-
m ässig zugehören, deren Seelenleben, deren personales Sein in einer sekun
dären und n ich t m ehr originalen W eise erfahren und ausweisbar ist in der
692 T EX T K R IT IS C H E A NM ERKUNGEN
15 Blätter. Auch als Vertiefung der Lehre von der Zeitigung von W elt, die
eben nur Menschenwelt ist und als das Sinn hat. Alles wichtig. 1934. B ei
den 15 Blättern handelt es sich um die B L , die am Anfang des Konvolutes
liegen und deren Text in der N r. n dieses Bandes wiedergegeben wurde. Die
zehn B l. sind stark m. Bleist. überarbeitet und enthalten Unterstreichungen
in Blau-, Rot- und Grünst.
17 4 ,5 - 6 des Menschen bis Lebenshorizont E in f. m. Bleist. || 1 7 4 ,2 2 -2 4
Das natürliche bis Ende des Absatzes Erg. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen ||
174, Anm. 1 Angaben auf dem Sonderumschlag (siehe oben) || 174 , Anm . 2
Erg. m. Bleist. || 17 5 ,4 5 ^ 16 und das menschliche Weltleben E in f. m. Bleist. ||
176, Anm. Rb . m. Bleist. || 1 7 7 ,1 5 —16 in der Entwicklung oder Besinnung
E in f. m. Bleist. |[ 1 7 7 ,2 1 nach notwendige m. Bleist.- gestr.: rätselhaft blei
bende || 17 7 ,2 4 anstatt in dem im M s.: in denen || 17 7 , Anm. 1 der angege
benen Stelle zugeordnete Rb. nt. Bleist. || 17 7 , Anm. 2 Rb. m. Bleist. || 17 7 ,
Anm . 3 der angegebenen Stelle zugeordnete Rb. m. Bleist. || 178 ,6 und zwar
E in f. m. Bleist. || 1 7 8 ,1 4 Vorpersonen Bleist.-V . für Personen || 17 8 ,2 3 p sy-
chopatisch verstandenen E in f. m. Bleist. || 17 8 ,3 1 personalen E in f. m.
Bleist. || 17 8 ,3 5 Anführungszeichen bei ,,die” W eltm . Bleist. || 178,40—17 9 ,3 2
von W ie die für mich als Person bis Ende des dritten Absatzes von S. iy g
Bleistifttext || 17 9 ,2 4 anstatt in jedem im M s .: von jedem |[ 1 7 9 ,3 3 Mensch
bis subjektiv E in f. m. Bleist. || 17 9 ,4 2 -4 3 absichtlich und natürlich bzw.
natürliche E in f. m. Bleist. || 179 , Anm. Rb. m. Bleist. || 18 0 ,1 natürlicher
E in f. m. Bleist. || 18 0 ,2 Menschenvolk E in f. m. Bleist. || 18 0 ,5 Anführungs
zeichen bei „U m w e lt” m. Bleist. || 18 0 ,22—2 3 anstatt ihre bzw. sie im M s .:
seine bzw. er || 180,28 anstatt das im M s .: die || 180, Anm. Rb. m. Bleist'. ||
1 8 1 ,6 —9 Die konkrete T yp ik bis Ende des Absatzes E in f. m. Bleist., m.
Tinte nachgezogen || 1 8 1 , 1 8 Anführungszeichen bei „In stin kte” m. Bleist. ||
1 8 1 , 3 3 in der es bewusstseinsmässig lebt E in f. m. Bleist. || 1 8 1 , 3 3 - 3 4 be-
wusstseinsmässiges E in f. m. Bleist. || 1 8 1 ,3 5 - 3 6 und korrelativ bis Ende des
Absatzes E in f. m. Bleist. |[ 1 8 1 , Anm. Erg. m. Bleist., zum Teil m. Tinte
;nachgezogen || 18 2, lff. Anfang des Textes, der auf den auch von I bis I I I
durchnumerierten B l. steht || 18 3,9 Problem des Tieres am Rande |[ 18 3 , Anm .
Rb. m. Bleist. II
N r . 1 2 (S. 18 9 -1 9 1 )
Der Text der B l. 3 4 - 3 6 aus dem Konvolut D 1 3 I I I . Dieses 2 8 1 B l. um
fassende Konvolut, aus dem auch der Text N r. 1 0 und die Beilagen X X X I X ,
X L u. X L I von Husserliana X I I I stammen, enthält hauptsächlich Texte zur
R aum - und Dingkonstitution aus der Zeit vor i g i o bis ungefähr i g i 8 . Mitten
drin befinden sich aber auch noch ganz andersartige Texte, die wohl irrtüm
licherweise in dieses Konvolut geraten sind: so der vorliegende und auch jene
in Husserliana X I I I aufgenommenen Texte. Die hier wiedergegebenen drei
B l. befinden sich in einem SonderUmschlag, der in Blaustift die Aufschrift
trägt: Fink. Wohl hatte Husserl diese drei B l. Eugen F in k überreichen wollen,
der seit im Frühjahr i g 3 i an der Umarbeitung der „Cartesianischen Medita
tionen” beteiligt war. Die drei B l. sind mit Blaustift von 1 bis 3 durchnume-
694 T EX T K R IT ISC H E A N M ERKU NG EN
viert; doch beginnen sie mit einem mit Blaustift gestrichenen Text, der darauf
hinweist, dass sie ursprünglich in einem weiteren Zusammenhang entstanden
sind: Zum Horizont gehört mögliche Erfahrung, die selbst wieder in modi
fizierter Weise Möglichkeiten der Erfahrung „einschliesst” , diese wieder —
die Iteration ist als ausdrückliche nachkomniende Konstruktion, das ,,ich
kann immer wieder” liegt hier in jedem Ich-kann <als> implizierte In
tentionalität. Die entsprechende Auslegung des Immer-wieder in der Ge
stalt des „w ann immer, überhaupt kann ich von jeder aktuellen Erfahrung
in ihren Möglichkeitshorizont eingehen” ist logische Konstruktion und
gehört der Stufe des Logos an, die hier nicht unsere Sache ist. A m Rande
des ersten B l. steht am Rande in Grünstift: ad V . Meditation und in Blaustift
N B sowie der Text, der als Titel der N r. abgedruckt ist. Die drei B l. sind leicht
mit Bleistift überarbeitet und enthalten Unterstreichungen in Blaustift, B lei
stift und Grünstift.
19 0 ,37 transzendente E in f . || 1 9 1 ,1 lff. Randtitel m. Blaust, zum folgenden:
Monadologie || 1 9 1 , 1 1 urphänomenale E in f. m. Bleist. || 1 9 1 ,3 1 Bewusst
seinsstrom E in f. m. Bleist. [|
N r . 1 3 (S. 19 2 -19 5 )
Der Text der B l. 1 3 4 —1 3 6 aus dem Konvolut A I V 5 , aus dem auch die
Beilage X X I I des vorliegenden Bandes stammt. Dieses 1 4 8 B l. timfassende
Konvolut trägt auf seinem Gesamtumschlag die Angabe: ad Ontologie, Wesen
der Wissenschaft, Rationalität. Fast alle B l. dieses Konvoluts entsprechen
dieser Thematik und stammen aus den zwanziger Ja h ren ; nur am Ende des
Konvolutes liegen in einem besonderen Umschlag ein gutes Dutzend B L , die
in den dreissiger Jah ren geschrieben wurden. Dieser Sonderumschlag trägt
in Bleistift die Aufschrift: Zur transzendentalen Monadologie. Oktober
1 9 3 1 ; Einlagen auch aus späterer Zeit. Dem hier angegebenen Datum ent
sprechen die sieben B l., die in Beilage X X I I veröffentlicht sind. D ie in dieser
N r. 1 3 veröffentlichten, mit Bleistift von 1 bis 3 durchnumerierten drei B l.
gehen jenen voran und liegen innerhalb jenes Sonderumschlages zusammen
mit einem vierten, vereinzelten B l. (1 3 7 ) nochmals in einem eigenen Um
schlag. Das erste der drei B l. enthält in Bleistift und mit Tinte nachgezogen
das Datum: 16. V I I . 3 1 zudem den Vermerk: S t.M .III. Wahrscheinlich
bezieht sich Husserl mit diesem Vermerk auf bestimmte Manuskripte ,,aus
St. M ärgen” , d.h. auf Manuskripte aus der Zeit 1 9 2 1 f 2 2 , die er in Hinsicht
auf ein neues systematisches Werk schrieb und in denen die Problematik der
Monadologie eine zentrale Rolle spielt {vgl. den ersten Abschnitt vonHusserli-
ana X I V , S . 3 - 3 0 2 ). Der Text beginnt programmatisch mit den Sätzen: Der
konstitutive Aufbau der W elt und die konstituierende Intersubjektivität.
Die Selbstauslegung des ego führt im ego auf die alter ego’s, die wir in den
Titel des Textes setzten. —Die drei B l. sind kaum überarbeitet, enthalten aber
zahlreiche Unterstreichungen in Blau - und Grünstift.
19 4 ,2 1 anstatt Übergriffen sind im M s .: Übergriffen ist || 1 9 5 ,2 7 eines
Bleist.-V . für des ||
T EX T K R IT IS C H E ANM ERKU NG EN 695
N r . 14 (S. 196-214)
Der Text der Bl. 3-14 u. 23 des Konvolutes B I I I 3, aus dem auch der
Text Nr. 10 und die Beilagen X I und X I I I des vorliegenden Bandes stammen
{vgl. zu diesem Konvolut die textkritischen Anmerkungen zu Text Nr. 10).
Diese Bl. bilden einen einheitlichen Zusammenhang und sind von Husserl
mit Rotstift von 1 bis 11 durchnumeriert. Das Bl. 23 des Konvolutes, das von
Husserls Hand die Bezeichnung 9 trägt gehört auch in diesen Zusammenhang
und ist aus äusseren Gründen an die durch die offizielle Archiv-Paginierung
bezeichnete Stelle geraten. Die letzten vier Bl. (es sind zwei Doppelblätter
kleineren Formates, die in Rotstift die Numerierung 10 und 11 tragen (und
in Tinte die Numerierung j und II tragen) sind von Husserl als Ergänzung
bezeichnet und sind wohl etwas später geschrieben worden als der ihnen vor
angehende Text (siehe oben S. 2ioff.). Nach dem als 7 bezeichnten Bl. ist ein
Bl. ad 7 eingeschoben, dessen Text oben S. 206, Zeile 16 bis S. 208, Zeile 2
wiedergegeben ist. Das erste Bl. trägt in Bleist. das Datum: M itte A ugust 19 31
und den Vermerk: D as alles ist stillschw eigend für „norm ale W elt” ausge-
fülirt, und in Rotstift: dazu Ergänzung 10/11 ( = oben S. 2ioff.). Die Bl.
liegen in einem Sonderumschlag, der die Angaben enthält, die oben S. 196 u.
197 im Titel und in der Inhaltsangabe der Nr. wiedergegeben sind. - Die Bl.
sind leicht mit Bleistift überarbeitet.
1 9 6 ,1 7 Das Rätsel des Urseins zwischen eckigen Bleist.-Klammern und
leicht m. Grünst. gestr.\\ 1 9 7 ,1 4 Randtitel m. Grünst. || 19 7,36 der Gegeben
heitsstil Einf. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 198,6 Randtitel m. Grünst,
u. Tinte ]| 19 8 ,7 -8 die endliche bis Bekanntheit Randtitel || 19 8 ,18ff. Rand
titel: Erweiterung von selbst und Erweiterung aus meinen Vermöglich
keiten. Erweiterung aus Tradition || 19 8 ,3 5 -3 7 anstatt wir hätten immer bis
kennenlemen können im Ms.: wir hätten immer können statt in der R ich
tung in anderen Richtungen neue Dinge kennenzulernen |[ 19 9 ,1 l f i . Rand
titel in Grünst.: wirklich erfahrene W elt als eine endliche Menge von R eali
täten || 1 9 9 ,1 7fT. Randtitel in Grünst.: antizipierte Unendlichkeit [1199,25—
2 7 Randtitel in Grünst. || 200,1 lff. Randtitel in Grünst.: Ich letztlich j| 200,
19-21 wobei bis zu bestimmen ist Einf., die im Ms. folgendermassen lautet:
das schon für mich Seiende sich in immer neue Gehalte zeitigend und
neues Seiendes hervortretend und dann zu bestimmen || 2 0 1 ,1 8 - 1 9 als
Meinung, als Erscheinung Einf. || 2 0 1,2 8 als E xp lik at Einf. m. Bleist. ||
2 0 1,3 9 und dann als ein Seinssinn m. Bleist. verändert in: und dann evtl,
expliziert aus meiner Besinnung als explizierter Seinssinn || 20 2,5 E x p li
kation Einf. m. Bleist. || 202,8 anstatt vorgehe im Ms.: vorgehend || 2 0 2 ,1 9 -
20 anstatt ihrer im Ms.: seiner || 20 2,28 implicite Einf. || 2 0 3 ,1 0 - 1 3 wobei
bis die alten Einf. || 20 4,23 auch Einf. m. Bleist. || 20 5,4 Randtitel: W ir ||
2 0 5,23 Randtitel ]| 206,9 auch Frem de der Fremden etc. Erg. || 2 0 6 ,11 anstatt
seinen Aussenbereich im M s.: ihren Aussenbereich || 2 0 6 ,16ff. Beginn des
Bl. ad 7 (bis S. 2 0 8 , Zeile 2 ) ]) 206,29 also Bewährung Einf. m. Bleist. || 206,
3 1 am Anfang des Absatzes im M s.: I |[ 20 7 ,3 3 also ausweisen Einf. m.
Bleist. || 20 8,3—4 Randtitel || 208, Anm . Notiz m. Rotst. || 2 1 0 ,1 8 - 2 1 E r
gänzung bis betrachtet ist nur Einf. || 2 1 1 ,2 4 —26 anstatt welche bis vertraut
sind im M s.: welche aus der erworbenen Kenntnis der Umwelt, die als
696 T EX T K R IT IS C H E A N M ERKU NG EN
sind mit Blaustift von 1 bis 1 durchnumeriert; auf das als 6 bezeichnete Bl.
folgt noch ein Bl. ad 6 , dessen Text in der Anm. auf S. 225 abgedruckt ist. Sie
liegen in einem Sonderumschlag, der in Blaustift den Titel: Sprache, Urteil,
W ahrheit und U m w elt, H eim w elt und in Tinte und Bleistift die Angaben
enthält, die oben S. 218, Zeilen 13-21 abgedruckt sind. Der Text ist mit Blei-
und Blaustift überarbeitet.
218,23 nach Evidenz folgender rn. Blaust, u. Bleist. gestr. Text: Die ob
jektive W elt selbstgegeben in der universalen intersubjektiven Erfahrung,
selbstgegeben in Seinsgewissheit in der durchgängigen Einstimmigkeit der
ungebrochen fortströmenden intersubjektiven universalen Erfahrung.
Meine einzelsubjektiv einstimmig erfahrene W elt als W elt meiner gegen
wärtigen und vergangenen Wahrnehmung, deren Strom in jeder Phase
künftiges Fortströmen und fortdauerndes Sein der W elt vorzeichnet als
einer solchen, in die ich tätig, die Wahrnehmungsrichtung frei wählend,
eingreifen kann, die danach immerfort ihre unenthüllten (unbekannten),
jedoch enthüllbaren Seiten hat, wie sie das in jeder früheren subjektiven
Gegenwart hatte. - Meine Erfahrung von Mitmenschen, deren Leiber in
dieser W elt als Körper erscheinen, durch die mitmenschlichen Ich-
subjekte hindurch Synthesis meiner Gesamterfahrung mit der der Anderen
zu einer Gemeinschaftserfahrung, die von den Mitsubjekten original er
fahrenen W elten werden synthetisch vereint zu derselben objektiven W elt,
zu unserer aller W elt, in den einzelsubjektiven „W e lten ” erscheinend. Usw.
2 1 8 ,2 6 - 2 7 in und auf Grund Einf. m. Bleist. [[ 2 1 8 ,2 9 verendlichte Einf. m.
Bleist. || 2 18 , Anm . 1 Einf. m. Bleist. || 2 1 8 , Anm . 2 Erg. m. Bleist. || 2 1 9 ,2 2
künftigen Einf. m. Bleist. || 2 19 ,2 6 vorzeichnen Bleist.-V. für auftreten ||
2 1 9 ,3 4 unserer Einf. m. Bleist. || 2 19 ,3 9 in uns zentrierten Einf. tn. Bleist. ||
2 2 0 ,18 letztlich Einf. m. Bleist. || 220 ,20 Randtitel m. Bleist. || 220 ,26—
2 7 als W erk Einf. m. Bleist. || 2 2 0 ,31ff. Randtitel m. Blaust, zum fol
genden: Sprache, Mitteilung || 2 2 0 ,31 endlose Einf. m. Bleist. |l 2 2 0 ,32
nach und m. Bleist. gestr.: in orientierter W eise aufgebaut, aber auch ||
2 2 1 ,2 4 Randtitel m. Blaust. || 2 2 1 ,2 5 am Anfang des Absatzes m. Blaust.: 1) ||
2 2 1 ,2 8 - 3 4 Die Heim welt bis Identität erhält Erg. || 2 2 1 ,4 0 -4 5 Alle Heim
dinge bis Ende des Absatzes Erg. m. Bleist., z.T. m. Tinte nachgezogen ||
2 2 2 ,9 -1 8 Dieser Absatz ist eine Erg. || 2 2 2 ,2 7 Randtitel m. Blaust. || 2 2 2 ,3 5
auch Einf. m. Blaust. || 2 2 3 ,5 - 1 8 Dieser Absatz ist eine Erg. || 2 2 3 ,2 3 ich und
Einf. m. Blaust. || 2 2 3 ,2 4 jederzeit Einf. m. Blaust. || 2 2 3 ,2 5 Wahrnehmung
und Erinnerung, originale Induktion Einf. m. Blaust. || 2 2 3 ,3 7 -3 9 Direkte
Erfahrung bis Ende des Absatzes Erg.; Einfühlung m. Blaust. || 2 2 3, Anm.
Rb. m. Bleist. || 2 2 3 ,4 2 —2 2 4 ,2 Durch das bis Ende des Absatzes Erg. || 2 2 4 ,16
Randtitel m. Blaust. || 2 2 4 ,1 7 über also steht im Ms. in Bleist. ein Frage
zeichen || 2 2 4 ,1 8 - 1 9 unmittelbares und direkte Einf. m. Bleist. || 22 4 ,2 3
eines direkt Erfahrbaren Einf. m. Bleist. || 2 2 4 ,2 3 -4 0 Erg. m. Blaust. || 224,
Anm . Rb. m. Bleist. || 2 2 5 ,8 menschliche Einf. m. Blaust. || 225, Anm . Text
des Bl. ad 6 || 2 2 6 ,10 abgesehen von und die Klammern Einf. m. Blaust. ||
2 2 6 ,3 7 Diese Blaust.-V. für Die ||
698 TEX T K R IT ISC H E A NM ERKU NG EN
Vorderseite beschriebene Bl. ist von normalem Format, während die beiden
folgenden Bl. viel kleiner sind (1 6 , 4 X 1 0 , 5 cm). Der Text der kleinen
Blättchen beginnt mit Ich denke das Schmelzen in der Indikation so
{siehe oben S. 2 4 3 , Zeile 6 ff.). Für ihre Entstehung gilt wohl Flusserls Datum
auf dem Sonderumschlag: IX. (September) 1931. Evtl, wurden sie schon im
August dieses Jahres geschrieben, da sich Husserl hauptsächlich während
dieses Monats mit den Problemen der,, Weltsanschauung’’abgegeben hat. —Die
drei Bl. sind leicht mit Bleistift überarbeitet und enthalten zahlreiche Unter
streichungen in Blau-, Rot- und Grünstift.
243, Anm. Rb. m. Bleist. || 244,3-4 sie appräsentiert erst Einf. m. Bleist. ||
244,7 oder früher wahrgenommen hätte Einf. m. Bleist. || 244,8-9 Wir
haben hier in neuer Mittelbarkeit appräsentierte Bleist.-V. für Die apprä-
sentierten ||
gestr.: taktuell || 245,20 anstatt schon im Ms.: noch || 246,12—13 unter Um
ständen möglichen Sehens Einf. m. Bleist. || 247,7-9 Verschiedene Sinne
bis und umgekehrt Erg. || 248,17-18 meines Leibes Bleist.-V. für des
Körpers || 248,33 Randtitel m. Grünst. || 248, Anm. Rb. [| 249,14 Anführungs
zeichen bei „Gesehene” m. Blaust. || 250,11-12 im wirklichen bis ähnliche
Einf. II 253,24—25 Das ist der erste entscheidende Punkt Einf. || 253,29
zweite Einf. || 253, Amn. Rb. m. Bleist. || 254, Anm. Erg. m. Bleist. ||255,18—
19 in dieser Gliederung allerbekannteste und immer so apperzipierte Einf.
m. Bleist. || 255,22-23 als und apperzipierte Einf. m. Bleist. || 255,35 unab
gesondert Einf. m. Bleist. || 255,39 vor Leib m. Bleist. gestr.: körperlichen ||
256,22 Seiendem Einf. m. Bleist. || 256,23 die schliessende Klammer fehlt im
Ms. || 257,10 nach fundierter Vergegenwärtigungen im Ms. noch: und als
das in ihnen || 257,22 Bemerkung m. Bleist. auf dem letzten Bl. ad Tg ||
258,4 treten Bleist.-V. für kommen || 258,4—6 derart bis bringen könnte
Einf. m. Bleist. || 258,10 Anführungszeichen bei „erinnert” m. Bleist. |[ 258,
Anm. 1 V. m. Bleist. || 258, Anm. 2 Rb. m. Bleist. ||
N r. 16 (S. 259-266)
Der Text der Bl. 6 9 - 7 3 des Konvolutes D 1 2 , aus dem auch die Beilage
X V I I I des vorliegenden Bandes stammt. Dieses 8 5 Bl. umfassende Konvolut
enthält mehrere Mss. über Ding- und Raumkonstitution, die wohl alle im
Sommer 1 9 3 1 entstanden sind. Die Bl. 6 9 - 7 3 liegen zusammen mit den Bl.
5 5 - 6 8 in einem Sonderumschlag, der folgende Aufschrift trägt: Zwei wichtige
Manuskripte: 1) Die konkrete Gegenwart als Einheit der Konfiguration
der Wahrnehmungsgegebenheiten, die „erste” Welt. 2) Konstitution der
Anderen, des Leibes als erstes Objekt, der ausserleiblichen Umwelt. Das
zweite Ms. ist in dieser Nr. 1 6 veröffentlicht. Seine fünf Bl. sind von 1° bis 5°
durchnumeriert. Es ist leicht mit Bleist. überarbeitet und enthält Randtitel und
Unterstreichungen in Blau- u. Bleist. Das erste Bl. (69) trägt am Rande in
Blaust, den Vermerk: Apperzeption.
260,13 anstatt solchen im M s.: solcher || 260,34—35 Randtitel m. Blaust. ||
263,35 anstatt der Ruhe im M s.: als ruhend |1265,10-14 Ich frage mich bis
Selbstgehen Einf. || 265,16 anstatt veränderlichen im M s.: verharrenden ||
265, Anm. Rb. m. Bleist. ||
an, die m. Blaust, als zu 6/7 und Fortsetzung bezeichnet und von 3 bis 11
numeriert sind. Diese Fortsetzungsbl., die kaum in einem Zuge mit den voran
gehenden geschrieben wurden, handeln über Hyle und Kinästhese. Die acht Bl.
sind stark mit Tinte und Bleistift überarbeitet. Das erste Bl. enthält das Datum
Ende Mai 1932, die Angabe Zur systematischen Konstitution der untersten
physischen Natur. Leib und Aussending in Korrelation. Dann rückfragend
Hyle und Kinästhese sowie den Vermerk Das muss systematisch überarbei
tet werden und ist brauchbar.
266,8 Anführungszeichen bei „vor” m. Bleist. || 266,10-11 aussending-
lichen Körper Bleist.-V. für Aussendinge || 266,22-27 So finde ich bis
meines Leibes Erg. m. Bleist. || 267,4—7 und diese vor aller bis noch aus
im Ms. zwischen eckigen Bleist.-Klammern || 267,7—16 Ich gewinne bis
Ende des Absatzes m. Bleist. gestr. || 267,26-27 Das erste bis desselben Erg.
ni. Bleist. || 267,27-30 Dann Betrachtung bis Wahrnehinungsorganen steht
in Bleist. am Rande und ersetzt folgenden m. Bleist. gestr. Text: Gehen wir so
den ontologischen Leitfäden nach und ihren Weisen, sich in Gegebenheits
weisen darzustellen, ihren subjektiven Erscheinungsweisen, so bleibt zu
nächst das Korrelat der Erscheinungen als in welchen Momente des Seien
den zur Geltung kommen, nämlich die subjektiven motivierenden Leistun
gen unter dem Titel der wahrnehmend fungierenden Leiblichkeit unaus-
gelegt. || 267, 31-32 der Leib bis gegeben Bleist.-V. für der Leib als erfahr
bares und sogar ständig erfahrenes Ding gegeben || 267,39 Erscheinungs
weise Einf. m. Bleist. |[ 267, Anm. Rb. m. Bleist. [| 268,7-11 Wahrnehmung
bis Ende des Absatzes Erg. m. Bleist. || 268,29 in reiner Erfahrung Einf. m.
Bleist. || 268,30-31 die „Ästhetik” bis hinaus Erg. m. Bleist. || 268,38
Oberflächenerfahrung Bleist.-V. für Phantomerfahrung || 268,39 kon
krete Einf. m. Bleist. || 268, Anm. Einf. m. Bleist. || 269,1 Andererseits
Einf. m. Bleist. |[ 269,35 anstatt bin im Ms.: ist || 271,22-32 dieser
Absatz ist eine Einf. || 271,40 ursprünglich apperzipiert Einf. || 272,5-25
Lautet hier bis Vorteil nicht haben. Einf., die folgenden gestr. Text ersetzt:
Ich stelle mir doch auch anschaulich vor, wie mein Rücken aussieht, bzw.
wie mein Kleid am Rücken, das in seiner Verbundenheit mit dem Leib,
wie alle mit ihm „verbundenen” Dinge, an den Eigenheiten der Leibes
erfahrung alsbald Anteil hat. |[ 272,27-29 wobei aber bis Schein Einf. ||
273, Anm. Erg. || 274,25-275,1 diese beiden Absätze sind Ergänzungen || 275,
Anm. Text des Bl. ad 6 || 276,45 vor wenn im Ms. noch: sich ||
lichten 1 7 Bl. dürften, wie überhaupt alle Bl. des Konvolutes D 1 2 , aus dem
September 1 9 3 1 stammen. Sie enthalten einige Einfügungen, Unterstreichun
gen und Randbemerkungen in Bleistift.
295,13-16 Titel am Rande des ersten Bl. (3 7 ) || 296,6 Anführungszeichen
bei „lokalisiert” ot. Grünst. || 296,23-27 Zum Stück bis „aufgelegt” werden
kann. Einf. || 296,31-42 Text des Einlageblattes (3 8 ) || 297,1^4 Randtitel ||
297,35 Randtitel |[ 297,40 vor Ein Stück m. Bleist. gestr.: Genauer gespro
chen |[297,42 Punkt für Punkt Einf. m. Bleist. || 298,15-16 warum bis lokali
siert sind Erg. [| 299,22 anstatt sein Wesen im Ms.: ihr Wesen || 299, Anm.
Rb. || 300,32-33 kinästhetisch und dadurch örtlich Einf. || 300,34-37 Rand
titel || 300, Anm. Rb; sie lautet im Ms.: cf. 9X; diese Bezeichnung entspricht
dem Bl. 50, das den Text befasst, der oben S. 3 0 9 , Zeile 1 3 bis S. 3 1 0 , Zeile 1 2
abgedruckt ist || 302,3 anstatt und der wahmehmungsmässigen Gegebenheit
im M s.: sondern auch die wahrnehmungsmässige Gegebenheit || 302,32-34
Diese im Berühren bis Tastempfindungssphäre. Erg. || 303, Anm. Erg. ||
304,21-23 wozu gehört bis wahrgenommen sein müssen zwischen eckigen
Grünst.-Klammern || 304, Anm. Erg. || 305,13 die Schlussklammer fehlt im
Ms. || 306,32-33 im Ms. steht anstatt „optimalen” nur „opt.” , was auch als
optisch gelesen werden könnte || 307,21 im Ms. anstatt optisch nur opt. ||
307,32 anstatt Vergrösserung im Ms.: Verkleinerung || 308,21 anstatt über
geht im M s.: charakterisiert || 309, Anm. Rb., die im Ms. lautet cf. 2oX;
diese Bezeichnung entspricht dem Bl. 3 9 , das den Text befasst, der oben S. 2 9 7 ,
Zeile i bis S. 2 9 8 , Zeile 5 abgedruckt ist |[ 310,13 Rb. m. Bleist. zum folgenden:
Verbessern || 310, Anm. 1 Text zwischen Klammern, der ursprünglich lautete:
Ist eigentlich nicht denkbar ein Sich-strecken ins Unendliche ? und dann fol-
gendermassen iJgräwiieriiwMnfe.-Ist eigentlich nicht denkbarein Sich-strecken
ein Stück weiterreichend bis ich sehe ? Die Kraftgrenze ist doch nicht so
bestimmt, dass sie notwendig nicht Sehen sein müsste. |[ 310, Anm. 2 Rb. ||
312,20ff. Randtitel zum folgenden: Mein Leib und andere Dinge in Zu
sammenbewegung und Zusammenruhe |[ 312, Anm. Rb. m. Bleist. ||
in. Bleist., in. Tinte nachgezogen || 317,8 nach Sukzessionszeit im Ms. noch:
als || 317,17 anstatt ist im Ms.: in || 318, Anm. Erg. || 319,24 Randtitel ||
319,27 anstatt dass sie im Ms.: dass die einen || 319, Anm. Erg. || 320,7
anstatt widerstehen im Ms.: widerstehend || 320,25 nach darin im Ms. noch:
voneinander || 320,30-35 Es scheidet sich bis Aussenwelt V. für Es scheidet
sich gemäss dem Sinn der Erfahrungswelt als solcher (vor aller Theorie) die
sich selbst überlassene Welt, in der die realen Veränderungen in kausaler
Abhängigkeit verlaufen, und die von mir her praktisch bestimmte Welt. ||
321, Anm. 1 der angegebenen Stelle zugeordnete Rb. || 321, Anm. 2 Rb. ||
321, Anm. 3 Text des Einlageblattes ad 3; anstatt Der vorangehende Text,
von S. 320, Zeile 30 an steht im Ms.: Die zweite Seite von 3, was genau dem
obigen Text S. 3 2 0 , Zeile 2 3 bis S. 3 2 1 , Zeile 1 9 entspricht || 322,5 im Ms.
Veränderungszustand und Veränderungsweise übereinandergeschrieben ||
323,34 anstatt Wahrnehmens im Ms.: wahrzunehmen || 324, Anm. 1 Erg. ||
324, Anm. 2 der angegebenen Stelle zugeordnete Rb. || 325,3 anstatt diesen
im Ms.: dieses || 327,29-32 Das ist also bis Reduktion Einf. (| 328,3 anstatt
der im M s.: die || 328,34-435 anstatt in die Wege und verwirklichbaren Ziele
im Ms.: in die Wege und Ziele verwirklichbarer [|
N r . 21 (S, 362-371)
Der Text der Bl. 59- 6 7 des Konvolutes B I I 7, dem auch der Text Nr. 3 3
des vorliegenden Bandes entnommen ist. Dieses 1 6 0 Bl. zählende Konvolut, das
eine grosse Anzahl einzelner Texte von 1 9 2 9 an enthält, trägt auf dem Gesamt
umschlag den Haupttitel: Problem der E p o c h 6 und „Inhibieren des
Weltinteresses’'. Innenerfahrung und ihre Welthaftigkeit. Die hier ver
öffentlichten Bl. 5 9 - 6 7 liegen in einem Sonderumschlag mit folgender Auf
schrift: Z.A.! ( = zur Ausarbeitung) N a c h de r R e d u k t i o n . Das
Weltphänomen in meiner transzendental-subjektiven usw., wie oben in der
Inhaltsangabe auf S. 3 6 2 , Zeilen 6—1 3 wiedergegeben, und am Ende wieder
doppelt unterstrichen: G a n g der s y s t e m a t i s c h e n B e s c h r e i b u n
g e n bi s z ur M o n a d e n l e h r e . Die neun Bl. sind kleinen Formates
(1 0 , 6 x 1 6 , 2 cm); die ersten sechs sind von Wi bis W6, die letzten drei mit
Bleistift von l x bis 3Xdurchnumeriert (der Text der letzten drei Bl. beginnt
in dieser Ausgabe S. 3 6 8 , Zeile 2 6 ). Das erste Bl. trägt in Bleistift das Datum
Oktober 1931 und in Blaustift den Vermerk: reif. Die Bl. sind mit Blei-
und Blaustift leicht überarbeitet und enthalten Unterstreichungen in Blau-,
Rot- und Grünstift.
362,16—17 So ist und war Einf. m. Bleist. || 362,24 Anführungszeichen bei
„transzendentale egologische Zeit” m. Blaust. |[ 364,36-37 aber bis be
gründend Einf. |[ 366,14 nach „Transzendenz” m. Blaust, gestr.: immer ||
366,31-32 und als anderes Ich bis in sich Erg. || 367,28-31 vom Anfang des
Absatzes bis in mir ist auch (Ende das Textes des fünften Bl.) gestr. || 367,
Anm. Rb. m. Bleist. || 368,13 anstatt Menschheit ist im Ms.:Menschheit
gehört || 368,32 Meine Blaust.-V. für Eine || 369,10 Stufen: Einf. m. Bleist. ||
369,11-12 seiner Umwelt in der primordialen Verleiblichung im Ms.
zwischen eckigen Bleist.-Klammern |[ 370,3—4 Als mich universal Besinnen
der muss ich sagen Einf. || 370,14 nach und gestr.: für mich konstituieren
kann und || 370,15 nach begriffen bin gestr.: Welt und Andere, und als
Andere; übereinandergeschrieben eines und ein; anstatt Universums im Ms.:
Universum || 370,28—29 Was nicht erkannt bis und Einf. m. Bleist. ||
381,9 nach der Klammer im Ms. noch: hat j| 382,19-35 der Absatz steht
im Ms. zwischen eckigen Klammern || 382,22 sei und ist übereinanderge-
schrieben || 383, Anm. Text auf der Rückseite des vierten Bl. (dessen Text auf
der Vorderseite mit dem Worten völlig unbekannten Anderen befasst, oben
S. 382, Zeile 25, endet) || 384, Anm . Text der drei Einlagebl. j
N r. 24 (S. 416-420)
Der Text der Bl. 6 0 - 6 2 des Konvolutes E I I I 9 (vgl. zu diesem Konvolut die
textkritischen Anmerkungen zu Nr. 2 2 ). Die Bl. 6 0 - 6 2 liegen innerhalb des
Konvolutes zusammen mit fünf weiteren Bl. (von denen drei in der folgenden
K r. 2 5 wiedergegeben sind) in einem Sonderumschlag mit folgender A ufschrift:
22.X I.31. Normstruktur der Personalitäten. Konstitution der Personalität
im ausgezeichneten Sinn. Bis hier in Bleistift, das Weitere in Blaustift:
Selbsterhaltung, Interessenleben, Situation als Selbsterhaltungssituation
—Die drei Bl. 6 0 - 6 2 sind mit Bleistift von I bis III durchnunieriert. Das erste
Bl. trägt die Überschrift, die als Titel der Nr. 2 4 wiedergegeben ist, sowie in
Bleistift das Datum: 20.XI.31. Sie enthalten einige Unterstreichungen in
Blaust.
420,6-7 und vor allem historisch Einf. |[ 420,12 anstatt lernt im Ms.:
erwirbt ||
N r. 25 (S. 421-424)
Der Text der Bl. 55 und 5 8 - 3 9 des Konvolutes E I I I 9 (vgl. zu diesem
Konvolut die textkritischen Anmerkungen zur Nr. 2 2 ). Diese drei Bl. liegen
innerhalb des Konvolutes im selben Sonderumschlag wie die drei BL, auf
denen die Nr. 2 4 des vorliegenden Bandes fusst (siehe die textkritischen A n
merkungen dazu). Die Bl. 5 8 und 59 (deren Text oben S. 4 2 2 , Zeile 1 bis Ende
der Nummer abgedruckt ist) sind als I und II numeriert; das erste dieser
beiden Bl. (5 8 ) trägt die Überschrift: Note sowie den Text, der S. 4 2 2 , Zeilen
1 —2 wiedergegeben ist. Das Bl. 55 trägt die Bleistiftziffer 1; auf der Rückseite
ist es nur zur Hälfte beschrieben. Das darauf folgende Bl. 56 trägt die Bleistift
ziffer 2 und darübergeschrieben: IIi; Bl. 57 enthält die ausradierte Bleistift
numerierung Ii. Diese beiden hier nicht wiedergegebenen Bl. 5 6 u. handeln
über Selbsterhaltung. Das in diese Ausgabe aufgenommene Bl. 55 trägt das
Datum 22.X I.31 (in Bleistift, mit Blaustift nachgezogen) und am Rande den
Titel: Normkonstitution der Personalitäten. Während dieses Bl. eine
Bleistiftunterstreichung enthält, weisen die Bl. 5 8 —59 keinerlei Spuren einer
späteren Durchsicht auf.
421,2 Titel auf dem Sonderumschlag || 423, Anm. Erg. ||
N r. 26 (S. 425-427)
Der Text der Bl. 1 3 2 —1 3 3 des Konvolutes B I 5, aus dem auch die letzte
A bhandlung sowie die Beilage X X I X von Husserliana V III entnommen sind.
Die 1 9 1 Bl. dieses Konvolutes stammen hauptsächlich aus der ersten Hälfte
der dreissiger Jahre; doch liegen darin auch mehrere Texte aus 1 9 2 2 und 1 9 2 3 .
Alle diese verschiedenen Texte gehören zur Problematik der Epoche und Re
duktion. Die Bl. 1 2 2 —1 4 0 , wozu auch die beiden in dieser Nummer veröffent
lichten gehören, befinden sich in einem Sonderumschlag mit folgender Auf
schrift (in Grün-, Blei- und Blaustift): Ende November 1931. 25.XI.31.
Epoch6 und Reduktion. Darin auch die steckengebliebenen Blätter über
Reflexionsurteile, aber gut. —Die beiden Bl. 1 3 2 u. 1 3 3 sind mit 1 und 2
714 TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN
numeriert. Wie für die sie im Konvolut umgebenden Bl. dürfte für sie das
Datum auf ihrem Sonderumschlag: Ende November 19 31 zutreffen. Sie ent
halten einen Randtitel in Blei- und Blaustift sowie Unterstreichungen und
Klammern in Blaustift.
4 2 5 ,2 7 anstatt aus im Ms.; auch || 426,6 Randtitel m. Blei- und Blaust. |j
4 2 7 ,2 9 -3 4 dieser Absatz steht im Ms. zwischen eckigen Blaust.-Klammern |j
angehenden Nr. 2 7 sind auch diese zwei mit Bleistift überarbeitet und enthal
ten Unterstreichungen in Blau-, Rot- und Bleistift. Sie stammen wohl auch
aus den Weihnachtsferien 19 3 1/3 2 (Datum auf dem ersten Umschlag; auf
dem zweiten Umschlag sieht nochmals: 19 3 1/3 2); evtl, wurden sie erst später
hinzugefügt.
4 3 8 ,6 -9 Inhaltsangabe auf dem zweiten Sonderumschlag [| 438,24 als und
die Anführungszeichen bei ,, Anom alität” Einf. m. Bleist. || 438, 3 3 - 4 2 Alle
Erscheinungen bis reduziert werden k a n n Einf. || 439,23ff. Rb. m. Blaust,
zum folgenden: Flüchtige Noten |[ 4 39 ,23 vor Die Unendlichkeit im Ms. m.
Bleist. gestr.: Nur || 439,30 anstatt erworbene ist im Ms.: erworbene sind ||
440,1 Anführungszeichen bei „prim ordial” m. Bleist. ||
N r. 28 (S. 444-454)
Der Text der Bl. 3 7 - 4 3 des Konvolutes E I 4 (vgl. zu diesem Konvolut den
Abschnitt ,,Zur Textgestaltung” , oben S. 6 7 3 ). Diese sieben Bl. liegen zu
sammen mit drei kleinen Blättchen, die in der folgenden Beilage X X V I I I
veröffentlicht sind, sowie mit den sechs ihnen vorausgehenden Bl. des Textes
Nr. 6 dieses Bandes in einem Sonderumschlag mit folgender Aufschrift:
1 7 .1 .1 9 3 2 . Einfühlung. Apodiktizität der immanenten Erfahrung, des
Seins meiner immanenten Zukunft. Apodiktizität für das Künftigsein der
W elt als intersubjektiver - und des Mitseins transzendentaler Subjekte -
Apodiktizität des ego —Apodiktizität meiner transzendentalen Intersub
jektivität, also Apodiktizität des Für-mich-sein von Anderen. Dann noch
der Vermerk in Grünstift: aus TT (dieser Vermerk bezieht sich auf die in Text
Nr. 6 veröffentlichten Bl. aus dem Sommer ig 3 o). —Die in der vorliegenden
Nummer veröffentlichten sieben Bl. sind mit Bleistift von 1 bis 7 durchnu
716 TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN
meriert. Auf dem ersten Bl. steht am Rande in Blaustift die Angabe, die als
Titel der Nummer gesetzt wurde (oben S. 4 4 4 , Zeilen 2 - 9 ). Auf dem ersten Bl.
steht das Datum 2 7 .1.3 2 , auf dem sechsten Bl. mit Bleistift das Datum
2 9 .1.32 . Die Bl. sind mit Bleistijt leicht überarbeitet und enthalten Unter
streichungen in Blau- und Bleistift. Auf sie bezieht sich auch die Angabe auf
dem Gesamtumschlag des Konvolutes E I 4 : Apodiktizität des ego - Apodik-
tizität der Intersubjektivität.
4 4 4 ,22 die abschliessenden Anführungszeichen fehlen im Ms. || 445, 2 5 -2 6
Apperzeptionen der ,.objektiven” W elt und alle meine Einf. || 445, 2 6 -2 7
selbst als transzendierend apperzipiert und mit primordialem Kern V. für
selbst als primordiale || 445, Anm. im Ms. zwischen Klammern II 446,1
Randtitel m. Blaust. [| 4 4 7 ,2 in seiner organischen Individualität Einf. m.
Bleist. || 447 , 1 1 Teilhabe Einf. m. Bleist. || 4 47,30 Randtitel m. Blaust. ||
4 4 9 ,2 1 - 2 2 anstatt der der im Ms. beide Male: die der || 4 4 9 ,2 2-23 anstatt
„selbstverständlich” machen im Ms.: selbstverständlich sei || 4 4 9 ,3 0 -32
Randtitel m. Bleist. || 4 5 1 , 1 1 anstatt den ich im Ms.: die ich || 4 51,2 5ff.
Randtitel m. Bleist. zum folgenden: Apodiktizität des Seins und nicht
Soseins des ego || 4 5 1 ,3 6 Und die egologische Zukunft? Erg. || 4 52 ,2 7
Datum m. Bleist. am. Rande [|
Nr. 29 (S. 4 6 1 -4 7 9 )
Der Text der Bl. 13-2J des Konvolutes A V 6, aus dem auch die Beilage
X II des vorliegenden Bandes entnommen ist [vgl. die textkritischen An
merkungen dazu). Diese 13 Bl. sind mit Bleistift von pi bis P 1 5 durchnume-
riert und befinden sich mit zwei weiteren Bl., die nicht besonders bezeichnet
sind, innerhalb des Konvolutes in einem Sonderumschlag. Auf dem Gesamt
umschlag des Konvolutes finden sich neben den Hinweisen, die sich auf den
als Beilage X I I veröffentlichten Text beziehen, folgende Angaben in Blau
stift: P 1 - P 1 5 . 1932 , April. Zur phänomenologischen Anthropologie. A d
Erfahrung (Doxa) und Praxis. Phänomenologie der Mitteilungsgemein-
schaft (Rede als Anrede und Aufnahme der Rede) gegenüber der blossen
Einfühlungsgemeinschaft (blosses Nebeneinander-sein). Es folgen dann
noch die Angaben, die oben S. 461, Zeilen 11-18 abgedruckt sind. Das erste
der 15 Bl. enthält am Rande folgenden Vermerk in Blaustift: ad Erfahrung
und Praxis. Erfahrung überhaupt in ihren auf Thematik bezogenen Ge
stalten. Auf dem als P 3 bezeichneten Bl. steht oben am Rande: Beifügung,
Fortsetzung vom 13. 4.1932 (vgl. oben S. 464, Zeile ig). Am Ende des letzten
Bl. steht schliesslich in Bleistift: Abschluss 15. 4 . 1932 . Der Text ist mit Blau-,
Blei- und Grünstift überarbeitet.
461,21 die Ziffer 1) Einf. m. Grünst.; Zunächst ganz allgemein Einf. m.
Bleist. || 462,12 anstatt „angehend" im Ms.: „anzugehen" || 462,18 die
Ziffer 2) Einf. m. Grünst. || 462,34 Randtitel in Blaust., m. Tinte nachge
zogen || 463,6 seil, nicht und nicht Einf. m. Bleist.; seil, nicht steht an Stelle
eines ausradierten, nicht mehr lesbaren Zeichens |[ 463,17 die Ziffer 3) Einf.
m. Grünst. || 463,25-35 dieser Absatz ist eine Erg. || 463, Anm. Rb. m. Bleist. ||
464,23 nach sozusagen m. Bleist. eingefügt, aber wieder ausradiert: praktisch||
465,32 Randtitel m. Blaust.: Resultante || 465,33ff. Randtitel m. Blaust, zum
folgenden: Veränderungen von selbst und von Subjekten her || 466,16 eige
nen und fremden Einf. m. Bleist. || 468,10-14 Randtitel m. Blei- und Blaust.,
m. Tinte nachgezogen || 468,19-20 und Anderer Subjektsein Einf. m. Bleist.,
m. Tinte nachgezogen || 468,20 als welche Einf .m. Bleist. || 468,21 anstatt ha
ben im Ms.: hat || 468, Anm. Erg. || 469,17 nach sie konnte im Ms. noch: nur
||469,26ff. Randtitel: die Welt als Rahmen der Induktionen || 469,34-35 Auf
dem Boden bis sagen Einf. || 470,26 anstatt Handeln im Ms.: handelnd || 471,
31, nach „wende ich mich an ihn" folgender m. Blaust, gestrichener Text: Als
anderes Ich verstanden, ist er für mich Vermögenssubjekt - er kann dahin
und dorthin sehen, er kann dahin und dorthin gehen, das und jenes tun,
zuunterst so schieben, so stossen etc. Ihn als Ich verstehen ist durch Aus
druck auch schon in einigem Gefühlsreaktionen und auch als praktische
Tätigkeiten verstehen (insbesondere instinktive Tätigkeiten sind früh ver
standen, wie Essen). Mich an den Anderen Wenden ist Wünschen, dass er
sich so und so verhält, dahin statt dorthin sehe oder gehe, dasselbe angreife
und stosse, das ich stosse, nachdem ich schon im Nebeneinander des zugleich
Stossens die erwünschte stärkere Wirkung bei Erleichterung eigenen
Krafanspannens erfahren habe. Aber nicht bloss Wünschen und auch nicht
bloss Erwarten, dass er entsprechend tue, sondern dass er in unserer Kon
718 T E X T K R IT ISC H E A NM ERKU NG EN
492,20 fü r m ich Einf. m. Bleist. || 493,8—1 1 W elt ist fü r m ich bis Ende
des Absatzes Erg. m. Bleist. || 493,15 a k tu e lle r, e n d th e m a tisc h e r Einf. m.
Bleist. || 493,2 1 -2 2 ist bis Ende des Absatzes Einf. m. Bleist. [| 493,28-33
E s ist d er G an g bis „ e x p liz ie rb a r” Erg. m. Bleist. || 493,34 anstatt des im Ms.:
dieser || 493, A nm . Rb. m. Bleist. |J 494,3 1-33 von w a h rn e h m b a ren E in z e l
re a litä te n zu w a h rn e h m b a re n E in z e lre a litä te n Einf. m. Bleist. || 494, A nm .
Rb. m. Bleist. || 495,13—24 vom Anfang des Absatzes bis Z usam m engehen
m üssen Einf. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 495,38 a b e r sie k a n n Bleist.-
V. für das k ö n n te || 4 9 6 ,4 -5 In all d em bis „ E rsc h e in u n g e n ” Einf. m.
Bleist. || 4 96,7-13 von S olange ich bis zum N ah en w ird vorerst m. Bleist.
gestrichen, dann die Streichung wieder ausradiert || 496,7 re in Einf. m.
Bleist. || 496,9 fu n g iere ich und k in ä s th e tisc h Einf. m. Bleist. || 496,13-20
Also s tä n d ig bis Ende des Absatzes Einf. m. Bleist. || 496, A nm . Erg. m.
Bleist. || 497,3 k ö rp erlich e Einf. m. Bleist. || 497, A nm . Rb. m. Bleist.
(Seitenzahlen entsprechend angepasst) || 498,24 des A u sd ru ck s als d er M it
te ilu n g Bleist.-V. für des A u sd ru ck s, d e r M itteilu n g || 498,30 vor D enn die
R ed e im Ms. noch m. Bleist. eingefügt: Z u n ä c h st || 498, A nm . Erg. || 499,8-9
A n d ererseits d ie B e k u n d u n g d u rc h A u sd ru c k von S u b je k te n a n d en Sa
chen. Einf. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 499,17-25 Dieser Absatz ist
eine Einf. || 499,26 So lern en w ir v e rste h e n die W e lt als U n iv ersu m Bleist-
V .für W elt, d a s U n iv e rs u m || 499,27 nach E n d lo sig k eit im Ms. noch: d u rc h ||
500,34 im m er Einf. m. Bleist. || 5 0 1 ,1 -2 Anführungszeichen bei „ B e w u sst
sein sleb en ” m. Bleist.; m ein G eltu n g sleb en Einf. m. Bleist. || 501,16-21
n ä m lic h a u f d em W ege bis Ende des Absatzes Einf. m. Bleist., m. Tinte
nachgezogen || 501,25 u n d jed es Ic h is t Ic h Einf. m. Bleist. || 5 0 1 ,2 8 'fü r
m ich Einf. m. Bleist. || 501,28-29 b in ich m ein er b ew u sst, e rfa h re n d gewiss
als M ensch Einf. m. Bleist. || 501,31 b e w u sst Einf. m. Bleist. |[ 501, 33-502,1
anstatt des Seins fü r u n s M enschen im Ms.: des fü r u n s M enschen Seins;
diese Worte sind eine Bleist.-V. für des m en schlichen Seins |] 501, A nm . 1
Text zwischen eckigen Bleist.-Klammern || 501, A nm . 2 Rb. m. Bleist.
(Seitenzahlen entsprechend angepasst) || 502,27-28 als A k tu s d e r u rsp rü n g
lichen E rfa ssu n g un d Kenntn.isna.hme Einf. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen ||
502,32-33 u rsp rü n g lic h se lb ste rfa sse n d e r Einf. m. Bleist. || 502,33 anstatt
seinen im Ms.: ih re n || 502,36 anstatt au szu legenden im Ms.: au slegenden ||
503,20—25 v o m A n fan g des A b sa tz bis sp rech en m üssen Einf. m. Bleist., m.
Tinte nachgezogen || 503, A nm . Rb. m. Blaust.: D azu die e x p lizite A us
fü h ru n g p . 25; die von Husserl als 25, 26, 28 und 29 (die Nummer 27 fehlt)
bezifferten Bl. sind oben in Beilage X X X I V veröffentlicht || 505,2 Schluss des
Textes auf der Vorderseite des von Husserl als 24 bezifferten Bl. (die untere
Hälfte dieser Seite und die Rückseite sind leer; der Text der vier folgenden Bl.
(von Husserl m. Grünstift als 25, 26, 28 und 29 numeriert, die Nummer 27
fehlt) sind in Beilage X X X I V veröffentlicht || 505,20 A n d ererseits h a b e n w ir
Einf.zm.Bleist. || 505, A nm . Rb. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen |l 506,34ff.
Randtitel hum folgenden: A u ssc h a ltu n g des A usdrucks, R e d u k tio n au f
p u re N a tu r || 508,2 der Text bricht so mitten auf der Rückseite des letzten Bl.
ab ||
722 TEX T K R IT ISC H E A N M ERKU NG EN
Stenogramm f ür ric h tig zu ist im Ms. ausradiert, es ist nicht mehr eindeutig
lesbar; es könnte evtl, auch sich er zu gelesen werden [( 535, A nm . 1 Verände
rung und Rb. m. Tinte, Streichung m. Blaust. || 535, A nm . 2 Einf. m. Bleist. ||
535, A nm . 3 Streichung m. Blaust. || 536,17 (was n ic h t gerade sogleich ge
sch eh en muss) Einf. || 536,27 also Einf. || 536,28 tra n sz e n d e n ta le n Einf. ||
536, A nm . 2 Rb. || 536, A nm . 3 Streichung m. Blaust. |[ 536, A nm . 4 Einf. ||
537,23 anstatt zu riick k eh ren im Ms.: z u rü c k k e h ren d || 537,27-28 u n d zw ar
bis Ende des Absatzes Einf. || 537, A nm . Erg. m. Bleist. ]| 538,1 Datum m.
Bleist. II 538,2^1 Randtitel m. Blaust. || 538, A nm . 1-2 Einf. m. Bleist. ||
538, A nm . 3 Einf. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 539, A nm . 1-2 Einf.
m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 540,30-31 v o rd em ano n y m en , u n th e m a -
tisc h e n Einf. m. Bleist. || 540, A nm . Einf. m. Bleist. |[ 541,23-25 dieses
G eb ild e bis d as d a d u rc h V. für d e r Ic h d erselb e wie d e r des tra n sz e n d e n
ta le n Seins ist, a b e r ]| 541,28 N ic h t d e r p u re Ich p o l, dieser ist etw as A b
s tr a k te s V. für D e r p u re Ic h p o l ist e tw as A b s tra k te s [[ 541,30-31 u n d d em
g an zen k o n k re te n U n te rg ru n d seines B ew u sstsein sstro m es Einf. m. Bleist.||
541,3 1 -3 5 A p p e rz ip ie rt bis G e s ta lt V. für A p p e rz ip ie rt ist er h ier als
m en schliches Ich , d .i., e r h a t eine b esondere re la tiv e K o n k re tio n als v e r
h a rre n d e r P o l d e r p a ssiv e n u n d a k tiv e n B ew usstseinsw eisen u n d des ge
schlossenen S y stem s v o n H a b itu a litä te n || 542,1 ab so lu te V. für volle ||
542,8 nach se lb st im Ms. m. Bleist. gestr.: in R e la tiv itä t |] 542,11-19 E s ist
d erselb e P o l bis wie bei allem W eltlich en im Ms. zwischen eckigen Bleist.-
Klammern und teilweise m. Bleist. leicht gestrichen || 542,28 nach ist im Ms.
m. Bleist. gestr.: se lb st || 542,31 nach D as im Ms. m. Bleist. gestr.:
eb en G esag te || 543,20-21 Randtitel m. Grünst. || 543,36 Anführungs
zeichen bei ,,R e f le x iv itä t” m. Grünst.; anstatt Sie im Ms.: Sich || 545,6
tra n s z e n d e n ta le E p o c h e ü b e n d und tra n s z e n d e n ta le Einf. || 5 4 5,8-9 die
stä n d ig e bis V o ra u sse tz u n g Einf. || 545,25—28 H ö r t m a n bis W id ersin n
Einf. || 545,34 Ic h u n d Einf. m. Bleist. || 546,18—19 A ber n u n k o m m en
S chw ierig k eiten Einf. m. Blaust. || 546, 20 Randtitel m. Blaust. || 547,14 als
g elte n d e Einf. m. Bleist. || 547,1 8 -1 9 U n d von d er tra n sz e n d e n ta le n E in
ste llu n g aus m u ss ich w e ite r sag en Einf. m. Bleist. || 547,23 in m ein er E r
k e n n tn isw e lt Einf. m. Bleist. |[ 547, A nm . Erg. m. Bleist. || 548,9 M om en
ta n e rsc h e in u n g Einf. m. Bleist. || 548, A nm . 1 Streichung m. Bleist. (Bleistift
streichung wieder ausradiert) und Grünst. |[ 549,7 N e u a n fa n g Randtitel m.
Bleist. || 549,15-21 N ic h t so a b e r bis e n th ü llte ist eine V. für folgenden z.T.
ausradierten und daher nicht mehr sicher lesbaren Satz: u n d n ic h t is t (ist
nicht mehr deutlich lesbar) es a u f d en B o d en im m e rfo rt vorgegebener W elt,
bei s tä n d ig vo rg eg eb en er L e ib lic h k e it u n d N a tu r, als d as im L eib o b je k
tiv ie rte Seelenleben, als W e ltb e w u sstse in u n d W e lte rk e n n tn is speziellen
S innes e n th ü llte . || 551,22 nach m ein er im Ms. noch: e v tl. ]| 552,19 vor D iese
wird eine eckige Bleist.-Klammer geöffnet, die aber im weiteren nicht ge
schlossen wird || 552,26 anstatt co g ita tio n e s im Ms.: cogit || 553,17-18 d er
p sy chologische E rk e n n tn is th e o re tik e r, e v tl, d er in te n tio n a le P sychologe
Einf. m. Bieist. || 553,24 M ensch Einf. m. Bleist. || 554,19 allgem einen Einf.
m. Bleist. || 554,25 z.B . Einf. m. Grünst. || 555,23 anstatt vo n jed em d er
a n d e re n im Ms.: v o n je d e m des einen || 555, A n m . der angegebenen Stelle
zugeordnete Rb. ||
726 T EX TK R ITISC H E A NM ERKU NG EN
siert sind. Die auf den hier veröffentlichten Text bezügliche Inhaltsangabe ist
oben S. 56 3 f. abgedruckt; auf den anderen Text bezieht sich folgende Angabe:
D arin auch N otizen ü b e r arg u m en tieren d es D en k en . Diese, den hier ver
öffentlichten Bl. folgenden N otizen sind von Husserl auf 1935 datiert; auch
ein unserem Text voranliegendes Bl. enthält auf seiner Rückseite bibliogra
phische Neuerscheinungen aus den Jahren 1 9 3 4 und 1 9 3 5 , so dass der ganze
zweite Teil des Konvolutes, der hier veröffentlichte Text inbegriffen, auf 1 9 3 5
datiert werden darf. Die Bl. 3 4 - 4 0 sind m. Bleist. von I bis VI durchnumeriert;
auf das als III bezeichnete Bl. folgt ein Bl. l i l a . Die Bl. sind mit Bleistift
überarbeitet und enthalten Unterstreichungen in Blau- und Rotstift.
563,41-42 selbsteigene bzw. selbsteigenes V. für originale bzw. o rig in a le s;
das Wort ureigene ist eingefügt || 563,43-44 ureigenes bzw. m ir ureigenes bzw.
m ein er d ire k te n , selbsteigenen V. für originales bzw. originaler ]| 564,1
selbsteigenem V. für o riginalem || 564,1-3 S elbsteigen bis Ende des Ab
satzes wohl eingefügt ]| 564,4 selbsteigenen, p rim o rd ialen V. für o riginalen ||
564,5 n a c h a ll d en O rig in a litä te n Einf. || 564,6 einzigen S elb steig en h eit
V. für einzig m ein en O rig in a litä t || 564,7 S elb steig en h eit bzw. selb st bzw. vo n
m ir se lb st V. für O rig in a litä t bzw. o rig in al || 564,8-9 D inge ein m al bis
selbsteigene D inge V. für D inge ein m al m ein e (durch m einen originalen
L eib als u ro rig in ale H abe) originale H a b e || 564,25 nach diesem Absatz folgt
ein m. Blei- u. Blaustift gestrichener Text: N o ch n ic h t die w eitere R eflexion
a u f die tra n sz e n d e n ta le S u b je k tiv itä t, au f d a s tra n sz e n d e n tale ego, ich in
le tz te r Ich reflex io n , u n d au f die v o n m ir, diesem Ic h aus erö ffneten
H o riz o n te d e r tra n sz e n d e n ta le n A nderen u n d d a n n w ieder die E in ste llu n g
a u f die tra n sz e n d e n ta le A lls u b je k tiv itä t |[ 564,33 nach Ic h dringe in den
H o riz o n t ein m. Bleist. u. Tinte gestr.: (ich d as dabei F u n g ieren d e u n d
A n o n y m e b in d as tra n sz e n d e n ta le Ich, a b e r n ic h t fü r m ich seiend g elten d
als das, solange ich n ic h t p h än o m en o lo gisch re d u k tiv e E in ste llu n g ge
n o m m e n habe) || 564,33-34 z u n ä c h st p ra k tis c h bis In teresse Einf. m.
Bleist. |l 564,36-38 Randtitel || 565,20 W a h rn e h m u n g Einf. m. Bleist. ||
565,31ff. Randtitel m. Bleist.: I n d e r W e lt leb en d L ebensw elt h a b e n ||
565,42—47 D azu g e h ö rt bis Ende des Absatzes im Ms. zwischen eckigen
Bleist.-Klammern || 566,3 schon u n m itte lb a r Einf. m. Bleist. || 5 66,6-7 als
E rw e rb Einf. m. Bleist. || 566,9-10 sein er schon erw orbenen Einf. m.
Bleist., m. Tinte nachgezogen || 566,11-13 gem äss Zw ecken bis h a b e n w ird
Einf. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 5 6 6,15-17 Randtitel || 566,21-22 aus
d e r erw orbenen H a b e M aterialien m ö g licher A rb e it Erg. m. Bleist., z.T.
mit Tinte nachgezogen; anstatt au s im Ms.: au sser || 566,26-27 A ussen-
h o riz o n t Bleist.-V. für H o riz o n t || 566,33 Rb. m. Bleist.: siehe u n te n m ein
o rig in a le r L eib || 566, A nm . Rb. || 567,1—3 Randtitel || 567,19 m in d esten s in
einem B e s ta n d Einf. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 568,1-2 Randtitel ||
569,44 anstatt w ie die Z ueignung im Ms.: w ie v o n der Z ueignung || 5 6 9 ,4 6 -
47 a u c h wie d a n a c h bis b e stim m t w ird etc. Erg. || 5 7 0 ,3 -4 in te rs u b je k tiv
v e rm itte lte n Einf. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 570,5 persö n lich Einf.
m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 570,17—19 w enn w ir bis einstellen Einf. ||
570,20 als so lch er P sychologe Einf. || 570,21 vo n in n en Einf. |l 570,28
le iste n d e n S u b je k tiv itä t u n d ih re r Einf. || 570, A nm . 1 Erg. m. Bleist., m.
TEX T K R IT ISC H E A NM ERKU NG EN 729
N r. 32 (S. 574-579)
Der Text der Bl. 1 0 1 - 1 0 3 des Konvolutes C 1 6 , aus dem auch die Beilagen
X X und X X I des vorliegenden Bandes stammen (vgl. zu diesem Konvolut die
textkritischen Anmerkungen zu Beilage XX). Die drei Bl. 1 0 1 - 1 0 3 befinden
sich mit sechs weiteren (1 0 4 -iog) innerhalb des Konvolutes in einem Sonder
umschlag mit folgender Aufschrift: 1933, R e p ro d u k tio n sz e it. M ai 1933, 3
B lä tte r u n d 1 einzelnes B la tt (der Vermerk 1 einzelnes B la tt wurde mit Blei
stift verändert zu 3 einzelne B lä tte r). Es folgt dann die Inhaltsangabe, die
oben S. 5 7 4 , Zeile 8 bis S. 5 7 5 , Zeile 1 6 abgedruckt ist. Während sich diese
Inhaltsangabe auf die von Husserl vermerkten und in dieser Nummer wieder
gegebenen 3 B lä tte r bezieht, folgt auf dem Sonderumschlag anschliessend noch
ein Inhaltshinweis auf jenes einzelne B l a t t (Bl. 1 0 6 ): 1 B la tt: E r s t k o n s titu
ierte - u n iv e rsa l v e rtra u te , all v e rstä n d lic h e W elt, d e r v e rtra u te n A ll
p e rso n a litä t, e rste E in fü h lu n g . I n zw eiter S tu fe die F re m d e : je d e r A ndere
ü b e rh a u p t u n d A n d e re r ein er fre m d e n M enschheit. D o p p elte E in fü h lu n g
e n tsp re c h e n d d em D o p p elsin n v on „ fre m d ” u n d v o n „ je d e rm a n n ” als
K o rre la t zu „ W e lt” - versch ied en e S tu fe n der H o riz o n tb ild u n g u n d B il
d u n g v o n A llh o rizo n ten . - Das erste der drei Bl. (1 0 1 — 1 0 3 ) trägt in Bleistift
das Datum M ai 1933. Die drei Bl. sind mit Tinte und Bleistift überarbeitet
und enthalten zahlreiche Unterstreichungen in Blei-, Blau- und Rotstift.
575,26-27 geistige B e d e u tu n g Einf. m. Bleist. || 575,38 v e rg eg en w ärtig
te s Bleist.- V. für v erg eg en w ärtig en d es || 577,19 in d er k o n s titu ie rte n S tro m
zeit Einf. || 5 7 7 ,2 0 -2 4 A lles G ezeitig te bis d a u e rt n ic h t Einf. || 577,36 nach
E x te n sio n gestr.: J e d e s Ic h is t zugleich - a k tu e ll in d er E in fü h lu n g - m it
seinem a n d e re n , a u c h „ i n ” ihm , a b e r n ic h t in ex ten siv em A u sserein an d er ||
577,36-578,7 A b er als ste h e n d e s bis Ende des Absatzes Einf. || 577, A nm .
Rb. m. Bleist. || 578,8-11 Randtitel || 578,38 Anführungszeichen bei „ in te n
tio n a le n ” m. Bleist. || 579,3 u n d sin d Einf. || 579,14 Es folgt ein m. Bleist.
gestrichener Text über Geburt und Tod, auf den sich auch der Bleist.-Vermerk
bezieht: U n sin n ||
N r . 33 (S. 580-588)
Der Text der Bl. 1 1 3 —1 2 1 des Konvolutes B I I 7 , aus dem auch der Text Nr.
21des vorliegenden Bandes stammt (vgl. die textkritischen A nmerkungen dazu).
Die Bl. 1 1 3 —1 2 1 befinden sich zusammen mit den Bl. 1 2 2 —1 3 8 in einem
Sonderumschlag mit folgender Aufschrift: R e p ro d u k tio n sz e it. Epoch. 6.
730 T E X T K R IT ISC H E ANMERKUNGEN
604,24 implizit Einf. m. Bleist. || 605,4 anstatt und von diesen im Ms.:
und der von diesen || 606 , 11-20 dieser Absatz steht im Ms. zwischen eckigen
Klammern ||
numeriert; das erste Bl. (5) enthält in Bleistift den Vermerk: 8 Blätter.
Schluchsee, August/September 1933. Alle Bl. sind mit Bleistift leicht über
arbeitet und enthalten Unterstreichungen in Blau-, Rot- und Bleistift.
613, Anm. 1 Text des im Konvolut voranliegenden kleinen Blättchens ||
614,34 letzt-urtümlich Einf. m. Bleist. || 615,15 Anführungszeichen bei
„Telos” m. Bleist. || 615,18 in der aktuellen, verwirklichenden Erfahrung
Einf. m. Bleist. || 615,25-26 als die der geltenden Welt selbst Einf. m.
Bleist. || 616,5-6 Der voll konstituierte bis Ende des Absatzes Einf. || 616,
15-16 zunächst Fundierung der Seinsgewissheit Einf. m. Bleist. || 616, 16-
18 Zu beachten bis Sinnesfundierung hat Einf. |l 616,27-30 Ich analysiere
bis Gegebenheitsweisen Erg. || 616, Anm. der angegebenen Stelle zugeordnete
Rb. m. Bleist., m. Tinte nachgezogen || 617,1-15 Text am Rande des ersten Bl.
(Bl. 3 ) || 617,16 Datum m. Bleist. || 619 ,37 am Ende des Satzes ein Frage
zeichen m. Bleist. || 619, Anm. Rb. m. Bleist. || 624,19 jenes Bleist.-V. für das||
625,38 heben und tragen, fressen Einf. m. Bleist. ||
N r. 36 (S. 634-641)
Der Text des Konvolutes E I I 1 . Dieses Konvolut besteht aus sechs BL, die
von einem Umschlag umfasst sind. Dieser Umschlag enthält den Titel und das
Datum, die oben, S. 6 3 4 , Zeilen 2 - 8 abgedruckt sind. Die sechs Bl. sind mit
Rotstift durchnumeriert; das erste Bl. trägt die Bezeichnung 1—3, das zweite
bis sechste Bl. sind von 4 bis 8 beziffert. Das erste Bl. enthält nochmals das
Datum Mitte Januar 1934 und in Rotstift die Überschrift: Schichten der
Zeitigung, monadische Zeitigung und mundane Zeitigung. Die Bl. sind mit
Tinte und Bleistift überarbeitet und enthalten Unterstreichungen in Blei-, Rot-
und Grünstift.
634,19 nach Ich gestr.: (ich sage nachher Modifikation „meines” Ich,
Selbstentfremdung) || 635,12 mir Einf. m. Bleist. || 635,14 Urmodus V. für
Original || 635,28 Randtitel m. Bleist. |[ 636,26-28 dieser Absatz ist eine Einf. ||
637,2 und nach ganzem Seinssinn Einf. || 637, 11-19 die Ziffern in diesem
Absatz sind Einfügungen m. Bleist. || 639, Anm. der angegebenen Stelle zu
geordnete Rb. m. Bleist. || 640,21 anstatt als die im Ms.: als das |j
gilt wohl das Datum des Sonderumschlages: Januar 1934. Sie weisen keine
Spuren einer späteren Durchsicht auf.
644,18 nach Gegenwartsfeld irn Ms. kein Komma || 644, Anm. 1-2 Rb.
645,12 anstatt mit der im Ms.: mit denen |[ 646,15 Überschrift auf dem als
4' bezeichneten Bl. ]] 646,28 anstatt die im Ms.: den ||
und trägt die Blaustiftziffer 1. Sie dürften wie die Bl. des Textes Nr. 3 7 [vgl.
die textkritischen Anmerkungen dazu) 1 9 3 4 geschrieben worden sein. Sie
weisen keine Spuren einer späteren Durchsicht auf.
N r. 38 (S. 666-670)
Des Text des Konvolutes C 1 . Bei diesem Konvolut handelt es sich uni
fünf, mit Rotstift von 1 bis 5 durchnumerierte Blättchen (1 4 , 8 X 1 0 , 3 cm),
die sich in einem Umschlag befinden. Dieser Umschlag enthält in Blaustift
den Titel Zeitigung - Monade sowie in Tinte das Datum und die Inhalts
angabe, die oben, S. 6 6 6 , Zeilen 3 - 1 1 wiedergegeben sind. Die Blättchen ent
halten einige Einfügungen, die aber bei der Abfassung des Textes selbst ent
standen zu sein scheinen.
667,10 anstatt ihre Umkehr im Ms.: seine Umkehr || 667,36 anstatt des
selben im M s.: dasselbe ]| 668,9 anstatt fremde im Ms.: fremdes || 668,20-25
TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN 739
Das Absolute selbst bis Allheit aus Erg. || 669,29 aber die Führung der
Philosophie geht voran Einf. || 670,22-23 Der letzte Satz steht im Ms. am
Rande und hat folgende Zeichensetzung: Unendliches Strömen, Unendlich
keiten des Strömens implizierend Unendlichkeit Iteration der Potentiali-
täten. II
N A C H W E IS D E R O R IG IN A L S E IT E N
In der linken Kolonne findet sich die Angabe von Seite und Zeile im
gedruckten Text, in der rechten die des Manuskriptkonvolutes und der
Blattzahlen im Manuskript nach der im Husserl-Archiv eingeführten
offiziellen Numerierung.