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Krumpak (2020) 60. Todestag. Vincenc Kramář Und Die Tschechoslowakische Moderne
Krumpak (2020) 60. Todestag. Vincenc Kramář Und Die Tschechoslowakische Moderne
October 14, 2020 · by KulturCafé Prag · in Czechoslovakia, Exhibitions, Galleries, Guided Tour, History, Museums. ·
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Pablo Picasso, Selbstportrait, 1907, Národní galerie, Prag. Eines von 17 Picassos der Kramář-Sammlung. Photo GK
Am 7. November jährt sich der Todestag von Vincenc Kramář (1877-1960) zum 60. Mal. Der heute nahezu unbekannte
Kunsthistoriker begann im Jahre 1920 mit dem systematischen Ankauf von Werken damals aufstrebender moderner
Künstler wie Emil Filla, Bohumil Kubišta, Antonín Procházka, Josef Čapek, O�o Gutfreund, Josef Šíma, Václav Špála,
Max Švabinský oder Alfred Justi�.
Georges Braque, Stillleben mit Gitarre, 1920-21, Národní galerie, Prag. Photo GK
Bis 1919 war er Direktor der Gesellschaft der Freunde patriotischer Kunst (h�ps://de.wikipedia.org/wiki/Nationalgalerie_Prag)
gewesen, ein Verband, der schon seit dem späten 19. Jahrhundert versucht ha�e, Prag und Böhmen aus dem Scha�en
der alles absorbierenden Reichshauptstadt Wien zu manövrieren, was nun, nach der Gründung der unabhängigen
Tschechoslowakei, Früchte tragen sollte. Aus dem Verband wurde fortan die noch heute bestehende Nationalgalerie,
Kramář ihr erster Direktor bis 1939, der nach Hitlers Invasion, politisch eher links orientiert, abberufen wurde.
Emil Filla, Maler, 1932, Národní galerie, Prag. Photo GK
Vincenc Kramář war auf Grund seines wohlbestallten Erbes in der Lage, zu reisen und im Ausland zu studieren,
hauptsächlich in Wien, wo er zu den ersten Absolventen der dort von Rudolf Eitelberger neu geschaffenen Wiener
Schule der Kunstgeschichte (h�ps://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Schule_der_Kunstgeschichte) gehörte, und die besten Lehrer
ha�e, Franz Wickhoff und den aus Böhmen stammenden Max Dvořák. Als Spezialist für mi�elalterliche Kunst erwarb
er für Prag Vieles von dem, was wir heute im Agneskloster (h�ps://de.wikipedia.org/wiki/Agneskloster_(Prag)) sehen
können, einer der bedeutendsten europäischen Sammlungen für Kunst des 13. und 14. Jahrhunderts.
Die Madonna von Zbraslav, unbekannter Meister, 1350-60, Národní galerie, Agneskloster Prag. Eines von vielen
berühmten Madonnengemälden aus dem Umfeld des Kunstförderers Karl IV. Leihgabe der Pfarre St. Jakob d. Älteren,
Zbraslav. Photo GK
Aber Kramář war weitblickend und neugierig, und fuhr, nicht zule�t im Zuge der bereits lange anhaltenden
Partnerschaft mit Prag und dem intensiven künstlerischen Austausch zwischen den beiden Städten 1910 nach Paris. Er
befreundete sich dort (durch wen, konnte ich noch nicht feststellen, ich vermute fast, durch den unglaublich
umtriebigen Networker Guillaume Apollinaire) mit dem 2. Kunsthändler, der es wagte, die allerseits als verrückt
angesehen Maler Georges Braque und Pablo Picasso auszustellen, Daniel-Henri Kahnweiler (h�ps://de.wikipedia.org
/wiki/Daniel-Henry_Kahnweiler). Er erkannte als einer der ersten überhaupt das Talent und begann, Blä�er
aufzukaufen. Daneben kaufte er Werke von Derain und mehreren Impressionisten.
Abgesehen von seinen privaten Ankäufen ha�e er auch den Auftrag, ab 1923 in Frankreich für die Nationalgalerie
einzukaufen, mit einem Budget von für damals beachtlichen 5 Millionen Kronen. Es handelte sich damit um den
überhaupt ersten staatlichen Kunstkauf im modernen Sinne, also als staatliche Investition in Kunst für die
Öffentlichkeit, und veränderte weltweit den Kunstmarkt.
Lélio (Frauenfigur), Josef Čapek 1913 (Bruder des Schriftstellers Karel Čapek), Národní galerie, Prag. Photo GK
Dieser “Luxus” war nur dadurch möglich, dass die Tschechoslowakei sich als eines der wenigen Länder Europas nach
dem ersten Weltkrieg rasch erholt ha�e. Dies war nicht zule�t darauf zurück zu führen, dass 75% der
Industrieproduktion des ehemaligen Kaiserreichs Österreich-Ungarn (h�ps://www.focus.de/politik/experten/fns/das-
demokratische-experiment-vor-100-jahren-wurde-die-erste-tschechoslowakische-republik-
gegruendet_id_9802563.html) aus Böhmen, Mähren und Schlesien kamen.
Kopf, Bohumil Kubišta, 1915, Národní galerie, Prag. Photo GK
Die Fokussierung auf Frankreich war aus der erwähnten Partnerschaft zwischen Paris und Prag hervorgegangen –
Frankreich war nach 1918 quasi die Schu�macht der Tschechoslowakei.
Cadaqués, André Derain, 1910, Národní galerie, Prag. Photo GK
Nach 1945 widersprechen einander die Informationen: Entweder durfte Kramář seine private Sammlung behalten,
oder sie wurde mit der sogenannten Millionärssteuer belegt und verstaatlicht – Tatsache ist, dass er sie der
Nationalgalerie vermachte. Ob erzwungen oder freiwillig, ist nicht ganz klar.
Ein guter Teil dessen, was heute im Veletržni palác der Nationalgalerie im Bereich 1918–1938: První republika
(h�ps://www.ngprague.cz/en/event/404/1918-1938-first-czechoslovak-republic) zu sehen ist, stammt aus der
Sammlung Kramář und ist äusserst sehenswert.
Sekundärliteratur der Mediathek der ArcoAcademy (Downloads und/oder Links, auf Grund der Urheberrechte nur
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