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Johan Huizinga ro * HOMO LUDENS Vom Ursprung der Kultur im Spiel rowohlts enzyklopadie Uber den Verfasser Johan Huizinga wurde am 7. Dezember 1872 in Groningen (Niederlande) geboren. Schon wihrend der Schulzeit zeichhete er sich durch eine ungewéhnliche Sprachbegabung aus. Zu nichst studierte er orientalische Sprachen, um nach seiner Pro~ motion (1897) sich der Geschichtswissenschaft zuzuwenden. Er war dann Geschichtslehrer in der Schule in Harlem. 1903 habili- tierte er sich an der Universitit Amsterdam fiir altindische Kul- tur- und Religionsgeschichte. 1905 wurde er auf den Lehrstuhl fiir niederliindische Geschichte an der Universitit Groningen berufen, den er zchn Jahre spiiter mit dem fiir allgemeine Ge~ schichte an der Universitat Leiden tauschen konnte. Dort lehrte er bis 1940, als die Universitat durch die deutsche Besatzung geschlossen wurde. 1942 wurde der siebzigjihrige Huizinga, der durch seine kulturhistorischen Schriften dem Nazi-Regime un- bequem geworden war, fiir mehrere Monate in ein Konzentra- tionslager verschleppt. Auch nach seiner Entlassung durfte er nicht nach Leiden zuriickkehren; er starb am 1. Februar 1945 in einem Landhaus in De Steeg, das ihm als Wohnsitz zugewiesen worden war. - Johan Huizinga war Prisident der Abteilung «Letterkunde» der Kéniglichen Akademie der Wissenschaften: (1929-1942) und Ehrendoktor der Universititen Tiibingen und * Oxford. Ursprung der Kultur 1 Spiel ter Zusammenarbeit mit erfasser aus dem Niederlindischen Widhigste Veroffenttichungen Herfittij der middeleeuwen, ror9 (dt. Herbst des Mittelalters); Erasmus, 1924 (dt. ebs., auch als: Europiischer Humanismus: Erasmus); Hollini- dische Kultur des 17. Jahrhunderts, 1933 (auf dt.); Cultuurhistorische verkenningen, 1930 (dt. Wege der Kulturgeschichte) ; In de schaduwen van morgen, 1935 (dt. Im Schatten von morgen); Homo Ludens, 1930 (dt. ebs.); Geschonden wereld, 1945 (dt. Geschindete Welt, auch als? ‘Wenn die Waffen schweigen); Mijn weg tot de historie, 1947 (dt. Mein ‘Weg zur Geschichte), — Ferner: Im Banne der Geschichte (*1943); Pa= rerga, hg. von W. Kaegi (1945); Geschichte und Kultur, Gesammelte Aufsitze, hg. von K. Késter (1954). - Werkausgabe: Verzamelde Wer ken, 9 Bde., 1948-1953. rowohlts enzyklopadie Herausgegeben von Burghard Kénig 23. Auflage Mai 2013 Veriiffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, Januar 1987 Gare © 1956 by Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Deo oes hear yh ones ors Titel «Homo Ludens» Unnschlaggestaltung any.way, Walter Hellmann Der vorliegende Band ist die mit einem Nachwort versehene und bibliographisch ergiinzve Neuausgabe des 1956 in der Reihe «rowohlts deutsche enzyklopiidie» erschienenen sleichlautenden Titels Gesamtherstellung CPI - Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany ISBN 978 3 499 55435 3 Vorrede—Einftihrung 7 1. Wesen und Bedeutung des Spiels als Kulturerscheinung 9 . Konzeption des Spielbegriffs und die _ Ausdriicke fiirihn in der Sprache 37 4. Spiel und Wetteifer als kulturschaffende Funktion $6 Spiel und Recht 89 Spiel und Krieg ror Spiel und Wissen 119 7. Spiel und Dichtung 133 3. Die Funktion der poetischen _ Formgebung 150 ). Spielformen der Philosophie 161 Spielformen der Kunst 173 Kulturen und Perioden «sub specieludi». 89 Das Spielelement in der heutigen Kultur 211 232 239 245 Uxori carissimae Vorrede — Einfiihrung \ls es klar wurde, daB der Name Homo sapiens fiir unsere Art doch nicht paBte, wie man einst gemeint hatte, weil wir am Ende doch gar ht so verniinftig sind, wie das achtzehnte Jahrhundert in seinem naiven ismus zu glauben geneigt war, stellte man neben diese Bezeich- fiir unsere Spezies den Namen Homo faber, der schaffende Mensch. t Name aber ist weniger 2utreffend als der friihere, denn faber ist manches Tier. Was vom Schaffen gilt, gilt auch vom Spielen: recht le Tiere spielen. Dennoch scheint mir Homo ludens, det spielende nsch, eine ebenso wesentliche Funktion wie das Schaffen anzugeben neben Homo faber einen Platz zu verdienen. enn man den Gehalt unserer Handlungen bis auf den Grund des wren priift, mag wohl der Gedanke aufkommen, alles menschli- ‘un sei nur ein Spielen. Wer sich mit dieser metaphysischen Schlu8- g zuftiedengibt, soll dieses Buch nicht lesen. Der alte StoBseufzer bt keinen AnlaB, auf die Heraushebung des Spiels als einen Faktor in ‘was ¢s auf der Welt gibt, 2u verzichten. Seit langer Zeit hat sich bei Uberzeugung in wachsendem Mabe befestigt, da menschliche im Spiel —als Spiel~ aufkommt und sich entfaltet. Seit 1903 finden h Spuren dieser Auffassung in meinen Schriften. Im Jahre 1933 nahm zam Thema meiner Leidener Rektoratsrede Over de grenzen van ‘ernst in de cultuur (Haarlem, Tjeenk Willink & Zoon 1933). Als ich Rede spiter noch zweimal umarbeitete, zunichst fiir Vortrige in hund in Wien (1934), dann fiir einen Vortrag in London (1937), gab den Titel: Das Spielelement der Kultur baw. The Play Element of ture, Beide Male wollte man dort, wo ich sie hielt, «in der Kultur» und turer daraus machen, und beide Male strich ich die Priposition aus und stellte den Genitiv wieder her. Es handelte sich fiir mich ht darum, welchen Platz das Spielen mitten unter den ibrigen Kultur- lungen einnimmt, sondern inwieweit die Kultur selbst Spielcha- hat. Es war mir darum zu tun ~ und dies gilt auch fiir diese irbeitete Studie~, den Begriff Spiel, wenn ich mich so ausdriicken den Begriff Kultur einzugliedern. wird hier als Kulturerscheinung aufgefabt, nicht - oder jedenfalls erster Linie — als biologische Funktion, Es wird hier mit den kulturwissenschaftlichen Denkens behandelt. Man wird finden, Soweit es irgend anging, von der psychologischen Interpretation 7 des Spiels keinen Gebrauich mache, wie wichtig diese auch sein mag, und daB ich volkerkundliche Begriffe und Erklérungen, auch dort, wo ich ethnologische Tatsachen anzufiihren habe, nur in sehr beschrinktem Umfang verwende, So wird man 2.B. dem Ausdruck «magisch» nur ein einziges Mal begegnen, dem Ausdruck mana und dergleichen tiberhaupr nicht. Hitte ich meine Beweisfiihrungen in Thesen zusammenzufassen, s0 wiirde eine von ihnen lauten: Die Ethnologie und die ihr verwandten 4 ‘Wissenschaften legen zu wenig Gewicht auf den Spiclbegriff. ete Ticrelbaben nicht auf dic Menschen. eewareet, daB dicse Wihrend ich mein Buch der Offentlichkeit ibergebe, beschleicht mich das Spielen lehrten. Ja, man kann ruhig sagen, daB die menschli- die Furcht, daB viele es trotz all der Arbeit, die darin steckt, ftir cine Gesittung dem allgemeinen Begriff des Spiels kein wesentliches unzureichend belegte Improvisation ansehen kénnten. Es ist aber nun hinzugeffigt hat, Tiere spielen genauso wie Menschen. Alle cinmal das Los eines Autors, der Kulturprobleme behandeln will, sich des Spiels sind schon im Spiel der Tiere verwirklicht, Man zuweilen auf manch ein Gebiet wagen zu miissen, das er nicht geniigend ht nur junge Hunde beim Spielen zu beobachten, um in ihrem beherrscht. Alle Wissensliicken erst noch auszufilllen wat fiir mich Balgen alle diese Ziige 2u erkennen. Sie laden einander durch ausgeschlossen, und mit dem Einstehen flir ein jedes Detail durch cin \rt von zeremoniellen Haltungen und Gebirden ein. Sie beobachten Zitat habe ich es mir leicht gemacht. Es hie fiir mich; jetzt schreiben daB man seinem Bruder das Ohr nicht durchbeifien soll. Sie oder gar nicht schreiben, Schreiben iiber etwas, was mir am Herzen lag, h so, als ob sie fiirchterlich bése wiiren. Und das Wichtigste ist: Also habe ich geschrieben. em haben sic offensichtlich ungeheuer viel Vergniigen und Spab.. cin solches Spiclen junger, miteinander tollender Hunde nur eine en Formen des Tierspiels. Es gibt viel hdhere und entwickel- echte Wettkimpfe und schéne Vorftihrungen vor Zu- Leiden, 15.Juni 1938 J. Huizinga ‘man nun sogleich einen sehr bedeutsamen Punkt anzumerken: 1 in seinen cinfachsten Formen und schon im Tierleben ist das Spiel ls eine rein physiologische Erscheinung oder eine rein physiolo- timmte. psychische Reaktion. Das Spiel als solches geht tiber die tein biologischer oder doch rein physischer Betitigung hinaus. 1¢ sinnvolle Funktion. Im Spiel «spielt» etwas mit, was tiber den baren Drang nach Lebensbehauptung hinausgeht und in die igung cinen Sinn hineinlegt. Jedes Spiel bedeutet etwas. ir das aktive Prinzip, das dem Spiel sein Wesen verleiht, Geist, Wir 2uviel, nennen wir ¢s Instinkt, dann sagen wir nichts. Wie ch betrachten mag, in jedem Fall tritt damit, daB das Spiel einen ¢in immatericlles Element im Wesen des Spiels selbst an den it der bisherigen Definitionen des Spicls und Physiologie bemiihen sich, das Spielen von Tieren, ‘etwachsenen Menschen zu beobachten, zu beschreiben und 9 zu erkliren. Sie suchen Wesen und Bedeutung des Spiels festzustellen und ihm seinen Platz im Lebensplan anzuweisen, Daf es dort ethebliche Bedeutung hat, daf es eine notwendige, zumindest eine niitaliche Aufga- be erfilllt, wird allgemein ohne Widerspruch als Ausgangspunkt fiir jede wissenschaftliche Untersuchung und Betrachtung angenommen, Die zahlreichen Versuche, diese biologische Funktion des Spiels zu bestim- men, gehen jedoch sehr weit auscinander. Man hat geglaubt, Ursprung und Grundlage des Spiels als Sich-Entlasten von einem Uberschul an Lebenskraft definieren 2u kénnen. Nach anderen gehorcht das lebende Wesen beim Spiclen einem angeborenen Nachahmungstrieb, beftiedigt es ein Bediirfnis nach Entspannung oder tibt sich fiir ernsthafte Tatigkeit, die das Leben von ihm fordern wird, oder aber das Spiel dient ihm als Ubung in Selbstbeherrschung. Wieder andere suchen das Prinzip in einem angeborenen Bediirfnis, etwas zu kénnen oder etwas 2u verursa- chen, oder auch in der Sucht, zu hertschen oder mit anderen in Wettbe~ werb zu treten. Noch andere wieder betrachten das Spiel als eine unschul- dige Abregung schidlicher Triebe, als notwendige Ergiinzung eines allzy cinscitig getichtcten Betitigungsdrangs oder als Befriedigung in Wirk- lichkeit unerfiillbarer Wiinsche durch eine Fiktion und damit als Auf rechterhaltung des Persénlichkeitsgefiihls." Allen diesen Erklarungen ist das eine gemein, daB sie von der Voraus- setzung ausgehen, Spiel werde wegen etwas anderem betrieben, es diene irgendeiner biologischen ZweckmaBigkeit. Sie fragen, warum und wozu wird gespielt? Die Antworten, die hierauf erteilt werden, schlieBen einander keineswegs aus. Man wiirde alle soeben aufgezihiten Erklarun- gen recht wohl nebeneinander akzeptieren kénnen, ohne damit in listige Begriffsverwirrung zu geraten. Hieraus folgt aber, dafi sie nur Teilerkla~ rungen sind. Wire cine von ihnen entscheidend, dann miBte sie die anderen entweder ausschlieBen oder in ciner héheren Einheit umfassen und aufnehmen. Die meisten Erklirungsversuche beschiftigen sich erst in zweiter Instanz mit der Frage, was und wie das Spiel an und fiir sich ist und was es fiir den Spicler bedeutet. Sie gehen dem Spiel mit den MeBmethoden der Experimentalwissenschaft unmittelbar zuleibe, ohne zunachst cinmal der tief im Asthetischen verankerten Eigenart des Spiels ihre Aufinerksamkeit zuzuwenden. Die primaire Qualitit Spiel wird in der Regel eigentlich nicht beschrieben. Gegeniiber einer jeden der gege~ benen Erklirungen kann die Frage erhoben werden: «Nun gut, was ist 1 Uber diese Theorien vgl, die Ubersicht bei H. Zondervan, Het spel bij diver) keinderen en volwassen menschen, und F. J. J. Buytendijk, Het spel van mensch en dier alt apenbaring van levensdriften. 10 igentlich der Witz des Spicls? Warum kraht das Baby vor Vergnii- Warum verrennt sich der Spieler in seine Leidenschaft, warum der Wettkampf eine tausendkipfige Menge zur Raserei?» Die it des Spicls wird durch keine biologische Analyse erklart, und rade in dieser Intensitit, in diesem Vermégen, toll zu machen, liegt ‘Wesen, steckt das, was ihm ureigen ist. Die Natur, so scheint der Verstand zu sagen, hatte doch alle die niitzlichen Funktionen wie liberschiissiger Energie, Entspannung nach Kraftanstrengung, itung ftir Forderungen des Lebens und Ausgleich ftir Nichtver- htcs ihren Kindern auch in der Form rein mechanischer Ubungen eaktionen mit auf den Weg geben kdnnen. Aber sie gab uns gerade das Spiel mit seiner Spannung, sciner Freude, seinem SpaB. es letete Element, der «Witz» des Spiels, widerstrebt jeder Analyse, logischen Interpretation. Das hollindische Wort fiir Witz, «aardig- ist daftir héchst bezcichnend, Es ist von saard» abgeleitet, das aber auch «Wesen» bedentet, und legt damit sozusagen Zeugnis ab, daB die Sache nicht weiter riickftihrbar ist. Diese Unableitbar- t fiir unser modernes Sprachgeflihl nirgendwo so treffend ausge- ct wie in dem englischen «fun», das in seiner geliufigen Bedeutung jung ist. Das Franzisische hat fiir den Begriff merkwiirdiger- “kein Aquivalent. Und gerade dieses Element bestimmt doch das ‘des Spiels. Im Spiel haben wir es mit einer fir jedermann ohne erkennbaren, unbedingt primiren Lebenskategorie zu tun, mit aheit, wenn es je etwas gibt, was diesen Namen verdient. Wir ans Miihe geben, es in seiner Ganzheit zu betsachten und zu litt Spiel erstreckt sich, flir jedermann wahrnehmbar, iiber und Menschenwelt augleich. Sie kann mithin auf keinem ratio~ menhang beruhen, da cin Gegriindetsein in der Vernunft sie ‘die Menschenwelt beschrinken wiirde. Das Vorhandensein des an keine Kulturstufe, an keine Form von Weltanschauung Ein jedes denkende Wesen kann sich die Realitit Spiel, , Sogleich als ein selbstindiges, eigenes Etwas vor Augen fiihren, seine Sprache kein allgemeines Begriffswort dafiir besitzen Das Spiel lie sich nicht verneinen, Nahezu alles Abstrakte kann gnen: Recht, Schénheit, Wahrheit, Giite, Geist, Gott! Den Ernst nleugnen, das Spiel nicht. m Spiel aber erkennt man, ob man will oder nicht, den Geist. Spiel ist nicht Stoff, worin auch immer sein Wesen bestehen on in der Tierwelt durchbricht es die Schranken des physisch n. Von einer determiniert gedachten Welt reiner Kraftwirkun- um gen her betrachtet, ist es im vollsten Sinne des Wortes cin Superabundans, etwas Uberiliissiges. Erst durch das Einstrémen des Geistes, der die absolute Determiniertheit aufhebt, wird das Vorhandenscin des Spiels méglich, denkbar und begreiflich. Das Dascin des Spiels bestitigt immer wieder, und zwar im héchsten Sinne, den diberlogischen Charakter unserer Situation im Kosmos. Die Tiere kénnen spielen, also sind sie bereits mehr als mechanische Dinge. Wir spielen und wissen, da8 wir spielen, also sind wir mehr als bloB verntinftige Wesen, denn das Spiel ist unverniinftig. Spiel als Kulturfaktor Wer den Blick auf die Funktion des Spiels richtet — nicht wie sic im Tierleben und im Leben des Kindes, sondern in der Kultur sich auBert-, der hat das Recht, den Spielbegriff dort anzupacken, wo die Biologie und die Psychologie mit ihm fertig sind, Er findet das Spiel in der Kultur als eine gegebene GriBe vor, die vor der Kultur selbst da ist und sie von ‘Anbeginn an bis 2u det Phase, die er selbst erlebr, begleitet und durch- zicht. Uberall tritt ihm das Spiel als eine bestimmte Qualitit des Han- delns entgegen, die sich vom «gewéhnlichen» Leben unterscheidet. Er Kann es dahingestellt sein lassen, inwieweit es der wissenschafilichen ‘Analyse gliickt, diese Qualitit auf quantitative Faktoren 2uriickaufiihren, thm kommt es gerade auf jene Qualitit an, wie er sie als der Lebensform cigentiimlich vorfindet, die er Spiel nennt. Sein Gegenstand ist das Spiel als eine Form von Aktivitit, als sinnvolle Form und aJs soziale Funktion. Er sucht nicht mehr nach natiirlichen Antrieben, die das Spielen im allgemeinen bestimmen, sondern betrachtet das Spiel in seinen mannig- faltigen konkreten Formen selbst als soziale Struktur. Er bemihe sich, das Spiel in seiner primiiren Bedeutung 2u verstehen, wie der Spieler es selber nimmt, Wenn er finder, da es auf cinem Hantieren mit bestimmten Gebilden, auf einer gewissen Verbildlichung der Wirklichkeit durch Unsetzung in Formen des lebendig bewegten Lebens beruht, dann sucht er zunichst einmal den Wert und die Bedeutung jener Gebilde und jener Verbildlichung selbst zu verstehen. Er will ihr Wirken im Spiel selbst beobachten und damit das Spiel als Faktor des Kulturlebens zu begreifen versuchen. Die groBen urspriinglichen Betitigungen des menschlichen Zusam- menlebens sind alle bereits von Spiel durchwoben. Man nehme die Sprache, dieses erste und hichste Werkzeug, das der Mensch sich formt, um mitteilen, lehren, gebieten 2u kénnen, die Sprache, mit der & 12 scheidet, bestimmt, feststellt, kurzum nent, d.h. die Dinge in das et des Geistes emporhebt. Spiclend springt der sprachschépfende immer wieder vom Stofllichen zum Gedachten hiniiber, Hinter jeden Ausdruck fiir etwras Abstraktes steht eine Metapher, und in “Metapher steckt cin Wortspicl. So schafft sich die Menschheit wieder ihren Ausdruck fiir das Dasein, eine zweite erdichtete Welt oder Welt der Natur. Oder man nehme den Mythus, der ebenfalls Jerbildlichung des Dascins ist, nur weiter verarbcitct als das einzelne “Durch den Mythus sucht der friihe Mensch das Irdische 2u sn, und durch ihn griindet er die Dinge im Géttlichen. In jeder ‘Jauncnhaften Phantasien, mit denen der Mythus das Vorhandene det, spielt cin erfindungsreicher Geist am Rande von Scherz und . Und schlieBlich betrachte man den Kult: Die friihe Gemeinschaft ht ihre heiligen Handlungen, die ihr dazu dienen, das Heil der Welt biirgen, ihre Weihen, ihre Opfer und ihre Mysterien, in reinem ielen im wahrsten Sinne des Wortes, VN lythus und Kult aber haben die groBen Triebkrafte des Kulturle- ihren Ursprung: Recht und Ordnung, Verkehr, Erwerb, Handwerk nst, Dichtung, Gelchrsamkcit und Wissenschaft. Auch diese eln' somit simtlich im Boden des spielerischen Handelns. dieser Untersuchung ist, darzutun, da8 es wesentlich mehr als fischer Vergleich ist, wenn man meint, die Kultur sub specie ludi n 2u kénnen. Der Gedanke ist durchaus nicht neu. Er ist schon Igemein verbreitet und beliebt gewesen: im siebzehnten Jahr- damals, als die groBe weltliche Bihne aufgekommen war. In iden Reihe von Shakespeare iiber Calderon bis Racine be- ‘das Drama die Dichtkunst des Zeitalters. Ein Dichter nach dem erglich die Welt mit einer Schaubiihne, auf der ein jeder seine elt, Darin scheint der spielhafte Charakter des Kulturlebens nden anerkannt. Besicht man aber den iiblichen Vergleich des lit einem Theaterstiick genauer, dann stellt sich heraus, da er, hen Grundlagen konzipiert, seine Tendenz fast ausschlieBlich ischen hat, Er war eine Variation des alten Vanitas-Themas, cin liber die Eitelkeit alles Irdischen, und nicht mehr, DaB Spiel tatsdchlich incinander verwoben sind, war in diesem Ver- anerkannt oder nicht ausgedriickt. Jetzt dagegen handelt es 1 das echte, reine Spiel selbst als eine Grundlage und einen ultur zu erweisen. Spiel als selbstiindige Kategorie Spiel steht in unserem Bewufitsein dem Ernst gegeniiber. Der Gegensatz bleibt vorliufig so unableitbar wie der Begriff Spiel selbst. Wenn wir aber niiher zusehen, erscheint uns der Gegensatz Spiel — Ernst weder eindeutig noch fest. Wir kénnen sagen: Spiel ist Nichternst. Abgesehen davon aber, da dieser Satz nichts iiber die positiven Bigenschaften des Spiels aussagr, ist er auBerordentlich leicht umzustoBen. Sobald wir an Stelle von «Spie] ist Nichternst» sagen: «Spiel ist nicht ernsthaft», 1aSt uns der Gegensatz schon im Stich; denn Spiel kann sehr wohl ernsthaft sein, Uberdies treffen wir sogleich auf verschiedene fundamentale Lebenskategorien, dic ebenfalls unter den Begriff Nichternst fallen und dennoch nicht dem Spielbegriff entsprechen. Lachen steht in einem gewissen Gegensatz zu Ernst, ist aber keineswegs unbedingt an Spiel gebunden. Kinder, Ful ballspicler und Schachspieler spielen in allertiefstem Eenst und haben nicht die geringste Neigung, dabei zu lachen. Es ist bemerkenswert, da gerade die rein physiologische Verrichtung des Lachens ausschlie@lich dem Menschen eigentiimlich ist, wahrend er die sinnvolle Funktion des Spielens mit den Tieren gemein hat. Das aristotelische animal ridens bezeichnet den Menschen im Gegensatz 2um Tier fast noch reiner als das homo sapiens. Was vor Lachen gilt, gilt auch vom Komischen. Das Komische fillt unter den Begriff des Nichternsten und ist in einer gewissen Weise mit dem Lachen verbunden: es reizt zum Lachen. Aber sein Zusammenhang mit dem Spiel ist nebensichlicher Natur. An sich ist Spiel nicht komisch, weder fiir den Spieler noch fiie den Zuschauer. Junge Tiere und kleine Kinder sind 2uweilen komisch bei ihrem Spiel, aber schon erwachsene Hunde, dic cinander nachsctzen, sind es nicht oder doch kaum noch. Wenn wir eine Posse und ein Lustspiel komisch finden, geschicht ¢s nicht ‘wegen der Spielhandlung selbst, sondern wegen des Gedankeninhalts Die komische und zum Lachen reizende Mimik eines Clowns kann man nur in einem weiteren Sinne Spiel nennen. Das Komische steht in engem Zusammenhang mit Torheit. Das Spiel ist aber nicht toricht, Es liegt auBerhalb des Gegensatzes Weisheit ~ Torheit. Dennoch hat auch der Begriff Torheit dazu dienen miissen, us den grofien Unterschied der Lebensstimmungen auszudriicken. Im spat- mittelalterlichen Sprachgebrauch deckte das Wortpaar folie et sens unsere Unterscheidung Spiel - Ernst ziemlich gut, Alle Ausdriicke aus der nur vage 2usammenhingenden Begriffsgru- pe, zu der Spiel, Lachen, Kurzweil, Scherz, das Komische und die Torheit gehdren, haben dic Unableitbarkeit ihres Begriff miteinandet 4 die wir dem Spiele zuschreiben muBten, Ihre ratio liegt in einer fers ticfen Schicht unseres geistigen Wesens. wir uns bemiihen, die Form Spiel gegen andere, scheinbar Formen des Lebens abzugrenzen, um so mehr trite ibre Selbstindigkeit zutage. Und wir kénnen mit diesem Aus- Spiels aus der Sphre der groBen kategorischen Gegensitee er gehen. Das Spicl liegt auBerhalb der Disjunktion Weisheit ~ ‘es liegt aber auch ebensogut auBerhalb der von Wahrheit und “it und der von Gut und Base. Obwohl Spielen eine geistige ist, ist in ihm an sich noch keine moralische Funktion, weder och Siinde, gegeben. das Spiel also nicht ohne weiteres mit dem Wabren und auch dem Guten 2usammenzubringen ist, liegt es dann etwa auf Gebiet? Hier wird unser Urteil schwankend. Die Eigen- zu sein, haftet nicht am Spiel als solchem, es hat jedoch die ,, Sich allerlei Elemente der Schénheit beizugesellen. An die Formen des Spicls heften sich von Anfang an Frihlichkeit Die Schénheit des bewegten menschlichen Kérpers findet ‘Ausdruck im Spiel. In seinen héher entwickelten Formen durchwoben von Rhythmus und Harmonie, jenen edelsten Asthetischen Wahrnehmungsvermégens, die dem Menschen |. Vielfaltige und enge Bande verbinden Spiel mit Schénheit. nzeichen des Spiels Iso dabei, da wir es im Spiel mit einer Funktion des lebendi~ ms zu tun haben, die sich weder biologisch noch logisch en determinieren lift, Der Begriff Spiel bleibt standig in merkwiir- -abseits von allen iibrigen Gedankenformen, in denen wir di ; Geisteslebens und des Gemeinschaftslebens ausdriicken kén- en wir uns vorliufig darauf beschrinken, die Hauptkennzei~ ielszu beschreiben. luns 2ugute, da unser Thema, der Zusammenhang von tur, uns erlauibt, niche alle vorhandenen Formen des Spiels ig einzubezichen. Wir kénnen uns in der Hauptsache auf Art beschriinken. Man kann sie, wenn man will, die -des Spiels nennen. Sie sind leichter zu beschreiben als die und jungen Tieren, weils sic ihrer Gestalt nach Begliederter sind und weil sie vielfiltigere und sicht- en an sich tragen, wihrend man bei der Definition des 5 primitiven Spiels fast unmittelbar auf die unableitbare Qualitit des Spiel. haften st(t, die unserer Meinung nach einer Analyse unzuginglich ise, Wir werden von Wettkampf und Wettlauf, von Schaustellungen und ‘Auffihrungen, von Tinzen und Musik, von Maskerade und Turnier 2u reden haben. Unter den Kennzeichen, die wir dabei aufeahlen werden, haben einige Bezichungen zum Spiel im allgemeinen, andere gelten besonders fiir das soziale Spicl. ‘Alles Spiel ist zuntichst und vor allem in freies Handeln, Befohlenes Spiel ist kein Spiel mehr. Héchstens kann es aufgetragenes Wiedergeben eines Spicls sein. Schon durch diesen Charakter der Freiheit sondert sich das Spicl aus dem Lauf eines Naturprozesses heraus. Es fiigt sich thm an und legt sich wie ein schénes Kleid ber ihn hin. Freiheit muB hier hnatiirlich in dem weiteren Sinne verstanden werden, in dem das Problem vom Determinismus unberiihrt bleibt, Man wiirde ja sagen kénnen: Diese Freiheit besteht niche fiir das junge Tier und das Kind; sie miissen spielen, weil ihr Instinkt es ihnen befiehlt und weil das Spiel cur Encfal- tung ihrer kérperlichen und selektiven Vermégen dient. Mit der Einfith- rung des Begriffs Instinkt versteckt man sich jedoch hinter ein X, und wenn man von vornherein die vorausgeserzte Nitzlichkeit des Spicls unterstellte, wirde man eine petitio principii begehen. Das Kind und das Tier spielen, weil sie Vergniigen daran haben, und darin eben liegt ihre Freihcit. Wie dem auch sei, fir den erwachsenen und verantwortlichen Men- schen ist das Spiel eine Funktion, die er ebensogut lassen kénnte. Das Spiel ist liberfliissig. Nur insoweit wird das Bedirfnis nach ihm drin- gend, als es aus dem Vergniigen an ihm entspringt. Jederzeit kann das Spiel ausgesetzt werden oder ganz unterbleiben. Es wird niche durch physische Notwendigkeit auferlegt und noch viel weniger durch sittliche Pflicht, Es ist keine Aufgabe. Es wird in der «Freizeit» gespielt. Erst seknndir, dadurch, daB es Kulturfunktion wird, treten die Begriff Missen, Aufgabe und Pflicht mit ihm in Verbindung. Damit hat man also ein erstes Hauptkennzcichen des Spiels: es ist fret és ist Freiheit. Unmittelbar damit hingt ein zweites Kennzeichen zu- sammen. Spiel ist nicht das agewéhnlichen oder das xeigentlichew Leben. Es ist vielmehr das Heraustreten aus ihm in eine 2eitweilige Sphire von Aktivi- tit mit einer eigenen Tendenz, Schon das kleine Kind wei genau, daB es abloB so tut», daB alles «blo8 zum Spab ist. Wic tief dies BewuBtsein der Kinderseele haftet, wird m.E. besonders schlagend durch den illustriert, den mir seinerzeit der Vater eines Kindes mitgetcilt hat: Er ttifft sein vierjahriges Sdhnchen an, wie ¢s auf dem vordersten cine 16 on Stahlen sitzt und «Eisenbahny spielt. Er hitschelt das Kind, ‘sagt: «Vater, du darfst die Lokomotive nicht kitssen, sonst lie Wagen, es wire nicht echt.» In diesem «Blof» des Spiels liegt erwertigkeitsbewuBtsein, ein Gefihl von «Spal» gegeniiber meinten», das primir 2u sein scheint. Wir haben schon erksam gemacht, da} das BewuBltscin, bloB zu spielen, gar hlicBt, daB dies «bloBe Spielen» mit dem gréBten Ernst vor kann, ja mit einer Hingabe, die in Begeisterung tibergeht und ung «bloB» zeitweilig vollkommen aufhebt, Jedes Spiel kann den Spielenden ganz in Beschlag nehmen. Der Gegensatz Spiel bt stets schwebend. Die Minderwertigkeit des Spiels hat ihre Mehewert des Ernsts. Das Spiel schligt in Ernst um und der itcigen sind, welche wir Spiel nennen, Alle Forscher n Nachdruck auf den uninteressierten Charakter des Spiels. dtwas, das nicht das «gewdhnliche Leben» ist, steht aufferhalb des unmittelbaren Befriedigung von Notwendigkeiten und Begierden, icht diesen ProzeB. Es schiebt sich zwischen ihn als eine Handlung ein. Diese Hiuft in sich selbst ab und wird um der g willen verrichtet, die in der Verrichtung selbst liegt. So as stellt sich uns das Spie! an sich und in erster Instanz betrachtet | Interinezz0 im taglichen Leben, als Betitigung in der Erho- ine wiederkehrende Abwechslung wird es Begleitung, Ergin- ‘eil des Lebens im allgemeinen. Es schmiickt das Leben, es ‘und ist insofern unentbehrlich, unentbehrlich fiir die Binzel- biologische Funktion und unentbehrlich fiir die Gemeinschaft Sinnes, der in ihm enthalten ist, wegen seiner Bedeutung, nes Ausdruckswertes und wegen der geistigen und sozialen en, die es schafft: kurzum als Kulturfunktion. Es befriedigt Ausdrucks und des Zusammenlebens. Es hat seinen Platz in die fiber der des rein biologischen Prozesses des Sichnah- ens und Sichschiitzens liegt. Mit dieser Aussage gerit man n ee mu ES ‘Tatsache, daB im Tierleben die Spiele in szeit cine so groBe Rolle spiclen. Ware es aber ungercimt, ny Balzen und Sichbriisten der Végel ebenso wie dem Gade Spiel einen Platz auflerhalb des rein Biologischen einzuriiumen? 7 Das menschliche Spiel gehdrt doch jedenfalls in allen seinen héheren Formen, in denen es etwas bedeutet oder etwas feiert, der Sphire des Festes und des Kults ~ der heiligen Sphire—an. Verliert nun das Spiel damit, daB es unentbehrlich ist und der Kultur dienstbar wird, ja besser noch, da es selbst Kultur wird, sein Kennzei- chen des Uninteressiertseins? Nein, denn die Ziele, denen es dient, liegen selber auperhalb des Bereichs des direkt materiellen Interesses oder der individuel. len Befriedigung von Lebensnotwendigkeiten. Als geweihte Handlung kann das Spiel dem Wohl der Gruppe dienen, dann aber aufandere Weise und mit anderen Mitteln als mit den unmittelbar auf das Erwerben des Lebensbedarfs gerichteten. Das Spiel sondert sich vom gewohnlichen Leben durch seinen Platz und seine Dauer. Seine Abgeschlossenheit und Begrenztheit bilden sein drites Kennzeichen. Es «spielt» sich innerhalb bestimmter Grenzen von Zeit und Raum «aby, Es hat seinen Verlauf und seinen Sinn in sich selbst. Dies ist also wieder ein neues, positives Kennzcichen des Spicls. Das Spiel beginnt, und in einem bestimmten Augenblick ist es «aus». Es espielt sich ab». Solange es im Gange ist, herrscht Bewegung, cin Auf und Nieder, cin Abwechscln, cine bestimmte Reihenfolge, Verkniipfung und Lésung. Unmittelbar mit der zeitlichen Begrenztheit hingt nun aber ein weiteres bemerkenswertes Kennzeichen zusammen. Das Spiel nimmt sogleich feste Gestalt als Kulturform an. Wenn es einmal gespielt worden ist, bleibt es als geistige Schépfung oder als geistiger Schatz in der Erinnerung haften, es wird dberlicfert und kann jederzcit wiederholt werden, sei es nun anmittelbar nach Beendigung, wie ein Kinderspiel, eine Partie Trick-Track, ein Wettlauf, oder nach langer Zwischenpause, Diese Wiederholbarkeit ist eine der wesentlichsten Eigenschaften des Spiels, Sie gilt nicht allein vom Spiel als ganzem, sondern auch von seinem inneren ‘Aufbau, In beinahe allen hdher entwickelten Spielformen bilden die Elemente der Wiederholung, des Refrains, der Abwechslung in der Reihenfolge so etwas wie Kette und Einschlag. Auffallender noch als seine zcitliche Begrenzung ist die riumliche Begrenzung des Spiels. Jedes Spiel bewegt sich innerhalb seines Spick raums, seines Spielplatzes, der materiell oder nur ideell, absichtlich oder wie selbstverstindlich im voraus abgesteckt worden ist. Wie der Form nach kein Unterschied zwischen einem Spiel und einer geweihten Hand- lung besteht, d.h. wie die heilige Handlung sich in denselben Formen wie cin Spiel bewegt, so ist auch der geweihte Platz formell nicht von einem Spielplatz 2u unterscheiden. Die Arena, der Spieltisch, der Zauberkreis, der Tempel, die Buhne, die Filmleinwand, der Gerichtshof, sie sin allesamt der Form und der Funktion nach Spielplitze, d.h. geweihter 18 ondertes, umnziuntes, geheiligtes Gebiet, in dem besondere . Sie sind zeitweilige Welten innerhalb der gewéhnlichen zur Ausfiihrung einer in sich abgeschlossenen Handlung b des Spiclplatzes herrscht cine cigene und unbedingte Ord- ‘sieht man also noch einen neuen, noch positiveren Zug des -schafft Ordnung, ja es ist Ordnung. In die unvollkommene in das verworrene Leben bringt es cine zeitweilige, begrenzte nenheit, Das Spiel fordert unbedingte Ordnung. Die geringste von ihr verdirbt das Spiel, nimme ihm seinen Charakter und os. Diese innige Verkniipfung mit dem Begriff der Ord- ‘yielleicht der Grund, dab das Spiel, wie wir schon im Voriiber- ten, zu solch grofem Teil innerhalb des asthetischen Ge- scheint. Das Spiel, so sagten wir, hat eine gewisse ‘schén zu sein. Der asthetische Faktor ist vielleicht identisch mit rang, eine geordnete Form zu schaffen, die das Spiel in allen seinen mn belebt. Die Worter, mit denen wir die Elemente des Spiels ‘Kénnen, gchdren zum griBten Teil in den Bereich des Astheti- d Worter, mit denen wir auch Wirkungen der Schénheit zu n suchen: Spannung, Gleichgewicht, Auswagen, Ablésung, fariation, Bindung und Lésung, Auflsung. Das Spiel bindet fesselt. Es bannt, das heigt: es bezaubert. Es ist voll von den Eigenschaften, die der Mensch an den Dingen wahrau- auszudriicken yermag: cs ist erfiillt von Rhythmus und n Bezcichnungen, die auf das Spiel angewendet werden ten wir auch die Spannung, Dieses Spannungselement spielt nz besonders wichtige Rolle in ihm. Spannung besagt: Ungewi8- Es ist cin Streben nach Entspannung. Mit einer gewissen z Mus etwas wgliicken». Dieses Element ist bereits da, wenn ‘hit seinen Handchen zugreift, wenn ein Katzchen mit einer spielt, wenn cin kleines Madchen den Ball wirft und fingt. Es ‘Gewandtheits- und Aufldsungsspiele des einzelnen, wie le, Mosaiklegen, Patience und ScheibenschieBen, und Ma8e an Bedeutung zu, wie das Spiel mehr oder weniger Charakter bekomme. Im Wiirfelspiel und im sportlichen ist es auf das Hochste gestiegen. Dieses Spannungselement t Spielbetitigung, die an sich jenscits von Gut und Bése ist, Bewissen cthischen Gehalt mit. In dieser Spannung werden des Spiclers auf die Probe gestellt: seine Kérperkraft, » Seine Findigkeit, sein Mut, sein Durchhaltevermégen 19 und zugleich auch seine geistigen Krafte, insofern er sich bei all seinem feurigen Bestreben, das Spiel zu gewinnen, innerhalb der Schranken des Erlaubten halten muB, die das Spiel vorschreibt. Die Spiclregeln Die dem Spiel eigenen Qualititen der Ordnung und Spannung fithren uns zur Betrachtung der Spiclregel. Jedes Spiel hat seine eigenen Regeln, Sie bestimmen, was innerhalb der zeitweiligen Welt, die es herausge- trennt hat, gelten soll. Die Regeln eines Spiels sind unbedingt bindend und dulden keinen Zweifel. Paul Valéry hat es cinmal beiliufig gesagt, und es ist ein Gedanke von ungemeiner Tragweite: Gegentiber den Regeln eines Spiels ist kein Skeptizismus miglich. Ist doch die Grund- lage, dic sic bestimmt, unerschiitterlich gegeben. Sobald die Regeln ibertreten werden, stiirat die Spielwelt zusammen. Dann ist es aus mit dem Spiel. Die Pfeife des Schiedstichters hebt den Bann auf und setzt die egewohnliche Welt» fiir einen Augenblick wieder in Gang. Der Spieler, der sich den Regein widersetzt oder sich ihnen entzicht, ist Spielverderber. Der Spiclverderber ist ganz etwas anderes als der Falsch- spieler. Dieser stellt sich so, als spiele er das Spiel, und erkennt dem. Scheine nach den Zauberkreis des Spiels immer noch an, thm vergibt die Spielgemeinschaft scine Siinde leichter als dem Spielverderber, dena dieser zertriimmert ihre Welt selbst. Dadurch, daB er sich dem Spiel entwieht, enthiillt er die Relativitit und die Sprédigkeit der Spiclwelt, in der er sich mit den anderen fiir einige Zeit eingeschlossen hatte. Er nimmt dem Spiel die Mlusion, die iniusio, buchstiblich: die Einspielung ~ein be- deutungsschweres Wort! Darum muB er vernichtet werden, denn er be- droht die Spielgemeinschaft in ihrem Bestand. Die Gestalt des Spielverder- bers wird am deutlichsten, wenn Jungen spielen. Die kleine Gemeinschaft fragt nicht, ob der Spiclverderber deshalb abtriinnig wurde, weil er nicht mitzuspielen wagte oder weil er es nicht duefte, sie kennt vielmehr kein Nichtdiirfen und nennt es Nichtwagen. Das Problem der Gchorsamkeit und des Gewissens reich fir sicin der Regel nicht weiter als die Furcht vor der Strafe. Der Spielverderber zerbricht die Zauberwelt, darum ist er cif Feigling und wird ausgestofien. Auch in der Welt des hohen Ernstes haben es die Falschspicler, die Heuchler und Betriiger immer leichter gehabt als die Spielverderber: die Apostaten, die Ketzer und Neuerer und die in ihrem Gewissen Gefangenen. Es kann aber sein, daB diese Spielverderber ihrerseits nun so: wieder eine neue Gemeinschaft mit einer nieuen Spielregel bilden. Gera 20 gleich ., der Revolutionir, der Mann des geheimen Klubs, der ordentlich stark im Gruppenbilden und hat dabei nahezu Grade spiclhaften Charakter. emeinschaft hat allgemein die Neigung, cine dauernde zu machdem das Spiel abgelaufen ist. Nicht jedes Murmelspiel artie fihrt zur Bildung eines Klubs. Das Gefiihl aber, wm in einer Ausnahmestellung zu befinden, zusammen sich nderen abzusondern und sich den allgemeinen Normen 2u behiilt seinen Zauber iiber dic Daucr des einzelnen Spiels Klub gehdrt zum Spiel wie der Hut 2um Kopf. Es wire zu ‘man nun gleich alles, was in der Vélkerkunde Phratrie, ‘oder Minnerbund heiBt, fir eine Spielgemcinschaft erkliren, ber immer wieder feststellen miissen, wie schwer es fillt, die gesellschaftlichen Verbiinde, vor allem die der archaischen ihrer héchst gewichtigen, feierlichen und sogar heiligen stiuberlich von der Spielsphire geschieden zu halten. offenbar, dai es sich so gern mit einem Geheimnis umgibt. Kinder erhohen den Reiz ihres Spiels dadurch, daB8 sie eine lichkeit daraus machen. Das ist etwas flir uns, nicht fiir die die anderen da drauBen tun, geht uns eine Zeitlang nichts eines Spiels haben die Gesetze und Gebriuche des gewohnli- Reine Gelting. Wir sind» und wir «machen» ¢s «anders». tweilige Authebung der agewéhnlichen Welt» ist bereits im 'vollig ausgebildet, ebenso deutlich sicht man sie aber bei den | Kult verankerten Spielen der Naturvilker. Wihrend des yeihungsfestes, bei dem die Jiinglinge in die Miinnergemein- mmen werden, sind nicht nur sic selber von dem gewohn= und den gewdhnlichen Regeln entbunden; im ganzen ‘die Fehden, Alle Vergeltungstaten sind vorlaufig ausge- zeitweilige Authebung des gewohnten Gesellschafislebens | heiligen Spielzeit zuliebe lBt sich auch in fortgeschrittenen ‘in zahlreichen Spuren finden, Hierzu gehdrt alles, was mit d Karnevalssitten verwandt ist. Auch bei uns kannte eine rit mit rauheren privaten Sitten, ausgeprigteren Standespri- emiitlicherer Polizei noch di¢ saturnalische Freiheit der te des Stammes unter dem Namen «Studentenstreiche». An ar

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