Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Wie ist der Mensch, der uns in der Popmusik begegnet, in der Welt? Warum
behält eine wie auch immer gefasste Leibhaftigkeit ihre Referenzqualität? Fügt
sich das Bild, das Pop vom Menschen zeichnet, in irgendeiner Weise zu einem
erkennbaren Konzept?
So akademisch diese Fragen zunächst anmuten: Pop hält sich einen Reso-
nanzraum für die Verhandlung existentieller Fragen offen und kann sich so-
gar leisten, ein statement wie „Born This Way“ in ein Medienprodukt und eine
Bühnenshow zu übersetzen, das nicht nur plakative Seiten aufweist, sondern,
wie zu zeigen wäre, anthropologische Suggestionen in sich trägt. Diese Sug-
gestionen sind keinesfalls fixiert oder abschließend inhaltlich ausgestaltet,
sondern eklektisch arrangiert. Sie finden aber in Gestalt der singenden, tan-
zenden, sich verausgabenden Protagonistin Lady Gaga eine Projektionsfolie
für Beglaubigungen, die sozusagen leiblich-elementar und unhintergehbar
ist und anthropologisch gelesen werden kann. Aus diesem Grund wird dieses
Produkt der Popmusik für eine anthropologische Reflexion ausgewählt.1 Die
extreme körperliche, visuelle, klangliche Konkretisierung des Stars und der
stets ins Unverbindliche zu verallgemeinernde Abstraktionsanspruch von Pop
setzen den Rahmen anthropologischer Resonanzen. Anhand der Umsetzung
von „Born This Way“ auf der Konzertbühne im Rahmen der Monster Ball Tour
aus dem Jahr 2011 sollen erste Beobachtungen zu einer Musikanthropologie
der Popmusik unternommen werden.
Besonders produktive Impulse hat die Musikanthropologie aus der Musik-
ethnologie empfangen. Die Arbeiten von John Blacking2, Max Peter Baumann3
und Rudolf Brandl4 zeigen exemplarisch, wie musikalische Handlungen und
1 Die Darstellung verfolgt keine systematischen Interessen, sondern ist eher als Intervention
zu verstehen, die anthropologische Vektoren freilegen möchte.
2 John Blacking: Music, Culture & Experience, hg. und mit einer Einleitung versehen von Regi-
nald Byron, Chicago, London 1995 (= Chicago Studies in Ethnomusicology).
3 Max Peter Baumann: „Musik“, in: Christoph Wulf (Hg.): Vom Menschen. Handbuch historische
Anthropologie, Weinheim, Basel 1997, S. 974–984.
4 Rudolf M. Brandl: Musik als kommunikative Handlung. Musikalische Hermeneutik versus Ko-
gnitive Anthropologie. Entwurf einer dramatologischen Musikanthropologie, Göttingen 2006
(= Orbis Musicarum 60).